I.
Unter den vielen unklaren politisch-historischen Begriffen weist der Liberalismusbegriff ein besonders breites Bedeutungsspektrum auf, das vielfältige nationale Brechungen enthält und im Laufe seiner Geschichte zahlreiche Neu-und Umdeutungen erfuhr. Die vorherrschenden Deutungsmuster in der wissenschaftlichen Literatur bewegen sich zwischen Extrempolen: „Liberalismus" als der wirkungsmächtigste ideologische Geburtshelfer der kapitalistischen Gesellschaft oder „Liberalismus" als die Verpflichtung auf zeitlose Ideale, insbesondere auf den Grundsatz der Selbstbestimmung des Individuums, das in gesetzlich geregelten Formen an der politisehen Herrschaft teilhaben soll
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erst noch zu entwickelnde Typologie von historischen Erscheinungsformen des Liberalismus dürfte darin bestehen, epochenspezifische Liberalismusdefinitionen zu erarbeiten, um die „chamäleonartigen Allgemeinvorstellungen" durch empirisch gesicherte und historisch abgrenzbare Bestimmungen zeittypischer „Liberalismen" zu ersetzen. Damit wird nicht die Eingrenzung des Liberalismusbegriffs auf eine bestimmte Zeitphase befürwortet wohl aber der Versuch, Untersuchungsräume mit möglichst präzise zu bestimmendem politisch-gesellschaftlichem Profil abzustecken und Wandlungen in Umbruchsphasen zu untersuchen. Eine solche Präzisierung bietet auch die Chance, das Erklärungsmodell „deutscher Sonderweg", für das die Geschichte des Liberalismus stets als bedeutsames Kriterium herangezogen wurde und wird zu differenzieren, ohne — wie es jüngst David Blackbourn und vor allem Geoff Eley versuchten — durch eine strikte Entkoppelung von bürgerlicher Interessenpolitik und politischem Liberalismus Deutschland zum Musterland der „bürgerlichen Revolution" im 19. Jahrhundert zu stilisieren. Die zeitliche Differenzierung von Leitwerten liberaler Politik, verbunden mit einer „Regionalisierung" der Untersuchungsfelder, könnte Voraussetzungen für internationale Vergleiche schaffen, die verfeinerte Typologisierungen unterhalb der nationalen Ebene zulassen und vergleichbare Erscheinungen erkennbar machen, die bisher durch die gängige Gegenüberstellung von langfristigen nationalen Entwicklungslinien verdeckt werden Für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts dürfte ein solcher Ansatz in besonderem Maße nützlich sein, weil er nach den regionalen Unterschieden und Ungleichzeitigkeiten in den politischen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Entwicklungsschüben fragt, die diese gesellschaftliche Umbruchsphase kennzeichneten und die liberalen Handlungsbedingungen in der komplizierten Gemengelage dieser Zeit zwischen „Traditionalität" und „Modernität'bestimmten. Diese Blickrichtung führt nicht weg von der engen Verbindung zwischen liberalen und nationalen Bewegungen, die in Mittel-, Süd-und Südosteuropa das Revolutionsgeschehen von 1848 und auch die vorrevolutionäre Zeit nachhaltig prägte, wohl aber wird der Akzent auf die großen Binnendifferenzierungen im Prozeß der Nationbildung gelegt Deutlich werden in dieser Perspektive auch die Widerstände, die aus den kleinräumlichen Lebenswelten, in denen die Bevölkerung der kontinentaleuropäischen Staaten noch überwiegend lebte, dem säkularen Prozeß der „Nationalisierung" und der „Verstaatlichung" immer weiterer Lebensbereiche entgegenschlugen.
Die Fülle von Regionalstudien haben nicht nur die Kluft zwischen „nationaler und regionaler Geschichte" erweitert, die Peter H. Amann mit Blick auf die französische Forschung zur Zweiten Republik hervorhebt sie haben auch verdeutlicht, daß die tiefgreifenden politischen, wirtschaftlichen und sozialkulturellen Umbrüche in der Entstehungsphase der „bürgerlichen Gesellschaft" aus der Perspektive der nationalen städtischen Zentren nicht zureichend erhellt werden können. In besonderem Maße gilt die Forderung, die regionalen und lokalen Lebenswelten als Korrektiv ge-gen eine zentralistische Sicht nationaler Entwicklungen vorrangig zu untersuchen für die Analyse politisch-sozialer Reformbewegungen wie den Frühliberalismus; denn jede Politik, die auf die Absicherung von Individualrechten gegen staatliche Eingriffe, auf erweiterte Zugänge zur Teilhabe an politischer Herrschaft und auf gesellschaftlichen Wandel zielte, mußte in das gewachsene Geflecht lokaler und regionaler Strukturen eindringen, das das Leben der Bevölkerung bestimmte. Das trotz aller Wandlungen noch in hohem Maße traditionsgeleitete lokale Leben war, wie James J. Sheehan hervorhebt, nicht einfach „realer oder basisnäher als das nationale, sondern es war vielfach anders" 8*). Dieses Anderssein, das sich etwa in den unterschiedlichen Deutungen von „Bürgerrechten" auf kommunaler und auf gesamtstaatlicher Ebene äußerte, prägte mit das breite Spannungsfeld zwischen lokaler sozialer Verankerung und nationaler Orientierung, das den Frühliberalismus kennzeichnete In Deutschland und Frankreich — darauf wird sich die folgende Skizze konzentrieren — wurden die Revolutionen von 1848 bei allen Unterschieden in den Ausgangsvoraussetzungen, im Verlauf und in den Ergebnissen durch eine grundlegende Gemeinsamkeit bestimmt: Gegensätze und offene Konfrontationen zwischen Zentren und Peripherie gehörten zu den Hauptbelastungen der Revolutionen und zu den Hauptursachen für deren Scheitern. In diesem Gegensatzpaar Zentrum — Peripherie lassen sich verschiedenartige politische und gesellschaftliche Trennlinien, die für den Revolutionsverlauf von zentraler Bedeutung waren, analytisch bündeln:
a) Das Verhältnis der bürgerlichen „Mittelschichten", die ihre Interessen mit denen der Gesamtgesellschaft gleichsetzten, zu den nicht-oder unterbürgerlichen Sozialkreisen in Stadt und Land, die in der Mittelschichts-Perspektive gewissermaßen nur im Vorhof der „bürgerlichen Gesellschaft" angesiedelt waren.
II. von kaum zu überschätzender Bedeutung war.
b) Das Verhältnis der Einzelstaaten, Regionen und Kommunen zu den nationalen Entscheidungszentren — ein Konfliktfeld, das die Integrationsfähigkeit des Bürgertums stärker belastete, als dies bei den anderen sozialen Trägerschichten der Revolution der Fall war.
1. Bürgerliche Leitvorstellungen in den Revolutionsjahren
„Nie wurde ein Sieg rascher und unerwarteter erreicht. Und nach dem Sieg war nichts eindrucksvoller als die gute Ordnung", in die die Revolution einmündete — mit diesen Worten charakterisierte am 25. Februar 1848 die Pariser Zeitung Le National, Sprachrohr der gemäßigten bürgerlichen Republikaner, das Verlaufsmuster der revolutionären Anfangsphase in Europa und ebenso treffend umschrieb sie damit die Perspektive der bürgerlichen Reformkräfte. Die Revolutionen hatten im Februar und im März 1848 die Reformbarrieren, hinter denen die politischen Herrschaftsformen in den 1840er Jahren erstarrt waren, unerwartet schnell beseitigt, zugleich aber wurden bereits mit der Übernahme der Regierungsmacht durch Repräsentanten der gemäßigten Reformbewegung in allen revolutionierten Staaten Europas Dämme errichtet, an denen sich die erste Revolutionswelle brach. Begrenzter politischer und sozialer Wandel lauteten die zentralen Zielsetzungen, mit denen die spontanen Revolutionen institutionalisiert und damit auf die kalkulierbare, parlamentarische Handlungsebene verlagert werden sollten. Diese Grundsatzentscheidung fiel in den ersten „halkyonischen Tagen" der Revolution in Frankreich wie in Deutschland mit breiter Zustimmung, wenngleich nicht unumstritten. Die Meinungsunterschiede über die einzuschlagenden Wege zur Kanalisierung der Revolution zeigten sich in den kontroversen Auffassungen über den Zeitpunkt, zu dem die Wahl zu den verfassunggebenden Nationalversammlungen angesetzt werden sollte. In Frankreich erzwang der entschiedenere Reformflügel der Republikaner nur einen kurzen, zweiwöchigen Aufschub der Wahlen, d. e*r* *ni*cht genügte, um das erklärte Ziel der „republicains de la veille“ 1): die „Republikanisierung“ der Bevölkerung in den Provinzen, zu erreichen; in Deutschland scheiterte der Versuch der im Vorparlament unterlegenen radikalen bürgerlichen Demokraten um Friedrich Hecker und Gustav Struve, durch eine zweite, republikanische Revolutionswelle den Reformkurs revolutionär zu verändern. Indem die deutsche Bevölkerung in ihrer großen Mehrheit dem republikanisch-demokratischen Revolutionsaufruf nicht folgte, billigte sie damit in der Form eines „stillen Plebiszits" die Entscheidung der liberalen Mehrheit im Vorparlament und der liberalen „Märzregierungen", die Revolution so schnell wie möglich in legale Bahnen zu lenken.
Die Ergebnisse der Nationalversammlungswahlen bestätigten den behutsamen liberalen Reformkurs in Deutschland ebenso wie in Frankreich, wo aus den Wahlen eine Versammlung der Wohlhabenden hervorging, die sich nicht gegen die Republik stellte, wohl aber gegen die sozialen Erwartungen, die in Europa mit der republikanischen Staatsform verbunden waren. Es war, wie bereits Karl Marx treffend formulierte, eine Nationalversammlung der „bürgerlichen Republik", „nicht die Republik, welche das Pariser Proletariat der provisorischen Regierung aufdrang, nicht die Republik mit sozialen Institutionen, nicht das Traumbild, das den Barrikadenkämpfern vorschwebte"
Für Deutschland blieb die Forschung in der Frage, wie die Politik der Liberalen in den Revolutionsjahren zu bewerten ist und welche Optionsmöglichkeiten sie besaßen, zwar strittig eindeutig ist jedoch, daß die Konzeption der „konstitutionellen Monarchie", welche die deutschen Liberalen über alle internen Streitfragen hinweg im kompromißlosen Kampf gegen die Republikaner zusammenband, den Führungsanspruch der „Mittelklassen" gegen den Adel und vor allem gegen die unterbürgerlichen Sozialschichten durchsetzen und dauerhaft abschirmen sollte. Die von den Liberalen erstrebte „parlamentarische Monarchie mit bürgerlichem Klassencharakter" setzte das frühliberale bürgerliche Gesellschaftsbild in ein politisches Handlungsmodell um, das eine doppelte Stoßrichtung besaß: bürgerliches Emanzipationsprogramm, das die im Vor-märz erstarrten politischen Strukturen reformieren wollte, und zugleich bürgerliches Herrschaftsprogramm, das Dämme gegen eine soziale Revolution errichten sollte, die das liberale Bürgertum überwiegend von der republikanischen Staatsform ausgehen wähnte. Die „liberale Phobie vor Unterschichten, Revolution, Anarchie und Chaos" fand in dem Schreckwort „Republik" ihren Kampfbegriff, mit dem sich die Liberalen politisch nach links gegen die Demokraten und sozial nach unten gegen nichtbürgerliche Sozialkreise abgrenzten.
Die deutschen Liberalen bezogen damit eine eigenständige Position, die sie von den anderen bedeutenden politischen Gruppierungen in den Revolutionsjahren unterschied. Im Mittelpunkt dieser Position stand das von der Forschung in den letzten Jahren herausgearbeitete liberale Erwartungsmodell einer „Gesellschaft mittlerer Existenzen" (Lothar Gall) das die „Elemente der jetzigen bürgerlichen Gesellschaft, die Gewerbe, der Handel, die Wissenschaft und jede Intelligenz“ als Zentrum begriff, in das die im bürgerlichen Selbstverständnis gesellschaftlichen „Peripherien" ökonomisch und kulturell hineinwachsen sollten. Mit dieser Hoffnung auf eine organische Ausweitung der „bürgerlichen Gesellschaft" verband sich auf Seiten der deutschen Liberalen kein „prinzipieller . socialpolitischer Nihilismus'"
Vor allem mit Blick auf England suchten die Liberalen nach Möglichkeiten, eine ähnliche Entwicklung in Deutschland zu verhindern. Wie die Liberalen die Situation einschätzten und welche Schlüsse sie aus dem englischen Industrialisierungsmodell zogen, bedarf sorg-fältiger Detailanalysen, um das breite liberale Spektrum angemessen erfassen zu können Einen ungehemmten Laisser-faire-Optimismus wird man jedoch selten finden. Auch Ludolf Camphausen, der jüngst wieder als typischer Vertreter der zahlenmäßig noch nicht sehr umfangreichen deutschen Großbourgeoisie gewertet wurde betonte: „Wie dunkel und verwirrt auch die Begriffe seien, welche sich an die Schlagworte unserer Zeit anknüpfen, an die Worte Pauperismus, Proletariat, Kommunismus, Sozialismus, Organisation der Arbeit, das wird niemand leugnen, daß auf dem tiefsten Grunde dieser wogenden Oberfläche eine Wahrheit hege, die Wahrheit nämlich, daß der Mensch, der lebt, auch das Recht habe zu leben, und daß dieses Recht von der Gesellschaft in einem erweiterten Umfange anzuerkennen sei. Niemand wird leugnen, daß vorzugsweise dem 19. Jahrhundert viele der Ursachen angehören, welche auf Beförderung der grelleren Gegensätze zwischen den Armen und den Reichen hingewirkt haben. Ich nenne Ihnen das Wachstum der Bevölkerung in einem langen Frieden, die Erfindung von Maschinen, die Einführung von Eisenbahnen, die Teilung der Arbeit, die Konzentrierung der Arbeit in der Fabrikindustrie, das wachsende Übergewicht des Kapitals und des Kredits." Er nannte es deshalb den „Beruf der Gesetzgebung unserer Zeit, die Härten des Lebens anzuerkennen und zu mildern"
In den Revolutionsjahren blieben die sozialpolitischen Folgerungen, die deutsche Liberale aus solchen Einsichten zogen, aber äußerst zurückhaltend. über die Forderung nach Einführung von Einkommenssteuern, die Ludolf Camphausen mit den zitierten Worten bereits 1847 begründet hatte, gingen die liberalen Empfehlungen meist nicht hinaus. Die Ergänzung der individuellen Grundrechte durch einen sozialen Grundrechtskatalog, wie ihn die französische Republik 1848 zunächst zu akzeptieren schien und wie er auch in der deutschen Revolution diskutiert wurde, lehnten die deutschen Liberalen entschieden ab. Nach ihrer
Ansicht drohten die politisch-sozialen Forderungen der bürgerlichen und der proletarischen Demokraten Deutschlands die sozialen Experimente der französischen Revolution zu importieren, von denen sie den Untergang der „europäischen Kultur" erwarteten. Dieser drohe die „alte Welt aus ihren Angeln zu reißen”, und er werde den „völligen Umsturz der bestehenden'Ordnung der Dinge herbeiführen, viele Reiche arm, einige Arme reich machen"
Unter dem der Sozialrevolution als Eindruck gedeuteten französischen Entwicklungen bis Juni 1848, mit der tiefgreifenden, die großen Binnendifferenzierungen des deutschen Bürgertums enthüllenden Spaltung der bürgerlichen Emanzipationsbewegung in Liberale und Demokraten und mit dem selbständigen organisierten Auftreten deutscher Arbeiter in den Revolutionsjahren zerbrach die frühliberale Utopie einer „klassenlosen Bürgergesellschaft" vollends. Damit gaben die deutschen Liberalen in den Revolutionsjahren nicht ihre von vornherein gemäßigten politischen und sozialen Reformhoffnungen preis, aber sie zogen eine scharfe Trennlinie zu allen Gruppierungen, die die Grenzen liberaler Reformen nicht einhalten wollten.
Die Reformkonzeptionen deutscher Liberaler waren 1848/49 nicht einheitlich und sie reichten unterschiedlich weit — der konstitutionelle Monarch bildete aber stets den unverzichtbaren Hauptpfeiler, der die „bürgerliche Gesellschaft" davor bewahren sollte, aus den Fugen zu geraten. In diesem Sinne bezeichnete Ludolf Camphausen am 26. Juni 1848 in seiner Rücktrittsrede vor der preußischen Nationalversammlung die von ihm geführte liberale „Märzregierung" Preußens als ein „Ministerium der Vermittelung, des Überganges", deren Aufgabe es gewesen sei, „den Staat ohne lebensgefährliche Zuckungen über die Kluft, welche das alte System von dem neuen trennte, hinüberzuführen" Nicht anders interpretierte David Hansemann, der 1848 als preußischer Finanzminister seine Reformpläne energischer voranzutreiben versuchte als Camp-hausen, die Ereignisse des Jahres 1848 in Deutschland nicht als eine Revolution, vergleichbar mit der französischen und mit der englischen, sondern als eine „Transaktion zwischen der Krone und dem Volke" In Frankreich machte die Revolution im Unterschied zu den Revolutionen in den anderen europäischen Staaten zwar nicht vor dem Thron halt, aber mit der revolutionär erzwungenenen Republik verbanden sich unterschiedliche Hoffnungen, die sich mit den konträren Erwartungen vergleichen lassen, die in Deutschland hinter den Kampfparolen „Konstitutionelle Monarchie" und „Republik" standen. Die Provisorische Regierung erließ noch im Februar 1848 auf Druck der Pariser Revolutionäre Dekrete über das „Recht auf Arbeit" und die „Organisation der Arbeit", mit denen die Zweite Republik ihr sozialistisches Sügma erhielt, das die Provinzen gegen die Pariser Metropole mobilisierte und den „parti de Vordre" entstehen ließ, gegen den sich die Anhänger der „sozialen Republik" bereits in den Nationalversammlungswahlen im April 1848 nicht behaupten konnten und dem sie im Pariser Juni-Aufstand des ersten Revolutionsjahres dann endgültig unterlagen.
Zusammengehalten wurde die sozial, politisch und konfessionell inhomogene „Partei der Ordnung" durch die „phobie du rouge" die — so A. J. Tudesq in seinem großen Werk über die französische Notabeingesellschaft — „frühere Liberale zu Gegenrevolutionären werden ließ und frühere Traditionalisten zusammenführte mit einem konservativen Liberalismus" Die in den Revolutionsjahren als politische Gruppierung kaum abgrenzbaren Liberalen können zwar nicht mit dem „parti de l'ordre" gleichgesetzt werden, aber sie fügten sich dieser als Teil der breiten sozialkonservativen Erhaltungsallianz ein, die von der „sozialen Republik" wie die deutschen Liberalen die Vernichtung des privaten Eigentums und damit die Vernichtung der bestehenden Gesellschaftsordnung erwartete. Gustave Flaubert formulierte das Angstsyndrom, das in der „sozialen Republik" seinen Begriff fand, eindrucksvoll: „Trotz der mildesten Gesetzgebung, die es je gab, drohte der Schemen von 1793, und das Beil der Guillotine blitzte in allen Silben des Wortes Republik."
Mit der Beseitigung der „Nationalwerkstätten“, die zum gesamteuropäischen Symbol für die sozialen Republikaner geworden waren (obgleich sie in der Praxis kaum mehr boten als eine Form der Arbeitslosenunterstützung), und mit der Niederschlagung des Pariser Juni-Aufstandes, für den die Auflösung der „Nationalwerkstätten" den Anlaß bildeten, setzte die „Partei der Ordnung" ihre sozial-konservative Version von „Republik" gegen die Republik der enttäuschten Hoffnungen auf selten der sozialen Reformkräfte durch. Das Scheitern des Juni-Aufstandes nahm der französischen Republik zur großen Erleichterung aller europäischen Ordnungskräfte, zu denen sich die Liberalen zu Recht selber rechneten, zwar den sozialen Stachel, doch die „bourgeoise Republik“ war damit politisch und sozial noch nicht abgesichert. Die folgende Phase der Zweiten Republik erlebte noch einmal ein Erstarken der sozial-republikanischen Bewegung. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß die Republikaner nach ihrem Scheitern im ersten Revolutionsjahr sich verstärkt und durchaus mit Erfolg den Provinzen zuwandten, deren Rivalitäten mit der Metropole Paris zur Niederlage der „sozialen Republik" in der ersten Hälfte des Jahres 1848 erheblich beigetragen hatten. 2. „Nation" und „Peripherie"
Die französische Revolution von 1848 ist vielfach von den Ereignissen in Paris her interpretiert worden, wo erst die Monarchie und dann die „soziale Republik" besiegt wurden. Für die deutsche Revolution läßt sich eine vergleichbare Konzentration der zusammenfassenden „meinungsbildenden" Arbeiten feststellen. Im Vordergrund stehen die Vorgänge in Frankfurt, dem Zentrum der deutschen Nationalstaatsbewegung, sowie in Wien und Berlin, den anderen Mittelpunkten der mitteleuropäischen Revolutionen, die über Wien mit der italienischen und den südosteuropäischen National-und Revolutionsbewegungen verbunden waren. Von diesen Zentren her schienen die Revolutionen unter dem dominierenden Einfluß des Bürgertums und des liberalen Adels (Ungarn und Italien) neue Nationalstaaten zu schaffen und zugleich die „Nationalisierung" der Gesellschaft im Sinne einer stärkeren politischen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Homogenität der Lebensverhältnisse und Lebensstile voranzutreiben, über die Schubkräfte, die von den Revolutionen auf den Prozeß der inneren Nationbildung ausgingen, sollte man aber die Widerstände der „Peripherien“ gegen diesen Prozeß nicht übersehen.
Die französische Februarrevolution beschränkte sich zwar nicht auf Paris, aber wo es zu städtischen Revolutionen kam, wurde in den kommunalen Gremien nicht mehr als ein personeller Wechsel innerhalb der bestehen-27 den Führungsschichten erreicht und die ländlichen Unruhen folgten traditionalen Protestmustern (s. dazu unten Abschnitt 3), die in ihrem Verlauf und in ihren Zielen die Durchsetzungsfähigkeit der Pariser Revolution eher belasteten als förderten. „Das vorherrschende Gefühl in den Provinzen", so beobachtete der englische Botschafter im April 1848 während der Nationalversammlungswahlen, „war die Entschlossenheit, sich von Paris nichts vorschreiben zu lassen“ Die Wahlergebnisse bestätigten diese Beobachtung, denn die meisten Abgeordneten wurden als lokale Notabeln gewählt. Den Konservatismus der Provinzen hatten die Pariser Reformer durchaus vorausgesehen, deshalb dachten im Februar 1848 selbst entschiedene Republikaner über die Möglichkeit von Bildungsqualifikationen für das Wahlrecht nach. Man entschied sich zwar für das allgemeine Männerwahlrecht ab dem 21. Lebensjahr, die Provisorische Regierung legte jedoch die Departements als Wahlkreise fest, um dem Lokalismus, den man als Hauptstütze der Konservativen aller Richtungen erkannte, entgegenzuwirken
Die konkreten sozial-und finanzpolitischen Maßnahmen der Provisorischen Regierung, mit denen sie ihre Position in Paris und die finanzielle Handlungsfähigkeit der Republik sichern wollte — „Nationalwerkstätten", „Recht auf Arbeit", Festlegung der Höchstarbeitszeit, einmalige Sondersteuer —, bekräftigten die Aversionen in den Provinzen gegen die Metropole, die sich in der Provinzperspektive als Nutznießer der Revolution präsentierte, deren Lasten das gesamte Land tragen sollte. Selbst in Gemeinden der Pariser Region, die Louis Chevalier erforscht hat erhielt die Bevölkerung vom politischen Umsturz in der Hauptstadt z. T. erst Kunde, als die Nachricht von der neuen 45-Centimes-Steuer eintraf. Obwohl diese Sondersteuer der Revolution erst nach den Wahlen erhoben wurde, gehörte sie zu den zugkräftigsten konservativen Wahlparolen. Die politischen Klubs in Paris erhielten von ihren Abgesandten, die die Provinzen bereisten, um die Nationalversammlungswahlen vorzubereiten, eine Fülle von Berichten, deren Tenor lautete: die Bevölkerung in den Provinzen macht Front gegen die Revolution der Metropole „In den kleineren Orten“, berichtete ein Klubdelegierter, „ist alles anders" als in den großen Städten und vor allem als in Paris. „Die Bürger sind Opfer ihrer Sonderinteressen oder ihrer engstirnigen und beklagenswerten Vorurteile.“ Aus einem anderen Departement ging folgender Bericht ein: „Je mehr ich von den kleinen Städten und Dörfern sehe, desto genauer erkenne ich die Bedeutung der Erziehung für die Provinzen und die Notwendigkeit, neue Einflußmöglichkeiten an die Stelle der alten zu setzen. Ein Mittel, das die Reaktionäre, die Bourgeoisie und der Klerus anwenden, um Wählerstimmen zu gewinnen, besteht darin, in den Provinzen Animositäten gegen Paris zu erregen. Sie sagen, Paris sei nicht Frankreich, und es sei keineswegs besser, einer Stadt als einem König unterworfen zu sein. Man brauche Freiheit, nicht Diktatur.“ Die Landbevölkerung, so hörte man aus Limoges, „steht völlig unter dem Druck der Landbesitzer, und sie wird nur unter dem Einfluß ihrer alten Herren wählen, sofern sie überhaupt zur Wahl gehen wird.“
Diese Berichte umschreiben die Beharrungskraft der gesellschaftlichen Führungsschichten Frankreichs, die sich als eine Gesellschaft der Notabein bezeichnen lassen. Was den Notabein ausmacht, so definiert A. J. Tudesq, ist vor allem Besitz: „Der große Notable besitzt Güter, ist gebildet, verfügt über Beziehungen, eine Familie von Einfluß, er hat eine Funktion, die ihm öffentliche Autorität verschafft, und zwar durch Delegation von Macht, falls er ein kommunales oder ein staatliches Amt bekleidet, oder durch Wahl; er besitzt einen bekannten Namen und oft einen Titel.“ Die Bereiche Politik, Verwaltung und Wirtschaft liefen in der Welt der Notabein zusammen, die zwar politisch gespalten waren, in der Revolution jedoch, gestützt auf ihre lokalen Einflußbastionen, ihre dominierende politische und gesellschaftliche Position in den Provinzen behaupten konnten. Als die Provinzen in den Nationalversammlungswahlen des April 1848 ihr Urteil über die Pariser Revolution fällten, vertrauten sie überwiegend den Notablen die Entscheidung über den künftigen Kurs der französischen Republik an. Man wird das nicht lediglich als Manipulationserfolge der Einflußreichen bewerten können, sondern in höherem Maße als eine Folge der Interessen-gegensätze zwischen Paris und den Provinzen, die sich gegen weitere Eingriffe der politischen Zentrale in ihre Lebenswelten wehrten. Die überwiegend ablehnend bis offen feindselige Reaktion in den Provinzen auf den Pariser Juni-Aufstand bestätigte diese Frontlinie; die weitere Entwicklung bis zu den großen Aufständen von 1851 enthüllte dann jedoch, daß die Revolutionserfahrungen auch und gerade in der Bevölkerung der Provinzen Lernprozesse ausgelöst hatten, die zu einem Linksrutsch führten.
Für die politische Handlungsfähigkeit der Liberalen bedeutete der Gegensatz zwischen nationalem Zentrum und den „Peripherien" eine besonders schwere Belastung, weil er sie mit unterschiedlichen Freiheitsvorstellungen konfrontierte, die sich schwerlich vereinbaren ließen. In Deutschland, wo ständisch-korporative Rechte in stärkerem Maße als in Frankreich überdauert hatten, mußten die Liberalen in der Frankfurter Nationalversammlung zwischen individuellen Freiheitsrechten, staatlicher Ordnungsmacht und überlieferten korporativen Rechten einen Ausgleich anstreben, wenn sie nicht den Rückhalt im städtischen Bürgertum verlieren wollten. Der „Gemeindebürger" lehnte in wichtigen Fragen die liberale Konzeption des „Staatsbürgers" ab, weil er die sozialen Folgelasten fürchtete, die aus der Rechtsgleichheit für die Gemeinden erwachsen konnten.
In der Frage der Gewerbefreiheit, der Freizügigkeit und vor allem des Gemeindebürgerrechts stießen die konkurrierenden Konzeptionen von „individueller" und „korporativer Liberalität" 1848/49 aufeinander. Der „Gemeindebürger" stimmte mit den politischen Liberalen überein, solange es um die Überwindung der vormärzlichen bürokratischen Regime ging, die in die Gemeindeverfassungen unterschiedlich stark liberalisierend eingegriffen hatten Zu Konflikten kam es jedoch, als es um die Abgrenzung zwischen den Rechten des Staates und der Gemeinden ging.
Die Verfassungsschöpfer in Frankfurt versuchten sich diesem Konflikt zu entziehen, indem sie im Artikel I der Grundrechte festlegten, daß zwar jeder Deutsche das Recht besitze, „an jedem Orte des Reichsgebiets seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, Liegenschaften jeder Art zu erwerben und darüber zu verfügen, jeden Nahrungszweig zu betreiben, das Gemeindebürgerrecht zu gewinnen“, die konkrete Ausgestaltung dieser Rechte jedoch der Zukunft überließen: „Die Bedingungen für den Aufenthalt und Wohnsitz werden durch ein Heimathsgesetz, jene für den Gewerbebetrieb durch eine Gewerbeordnung für ganz Deutschland von der Reichs-gewalt festgesetzt “
Die Stärkung der Selbstverwaltungsrechte der Gemeinden gehörte zu den Forderungskatalogen, die Liberale und Demokraten in den Revolutionsjahren aufstellten und die zahlreiche lokale Adressen und Petitionen formuliert hatten, doch die Zielkonflikte zwischen der Forderung nach gemeindlicher Selbstverwaltung und dem liberalen Reformwillen, die rechtlich egalitäre Staatsbürgergesellschaft zu vollenden, reichten bis in die Reihen der Liberalen hinein. So bestritt das Haupt der liberalen „Märzregierung" in Württemberg, Friedrich Römer, der Frankfurter Nationalversammlung nicht nur das Recht, sich gegen die Staatsform der „Konstitutionellen Monarchie" auf nationalstaatlicher oder gar auf einzelstaatlicher Ebene zu entscheiden, sondern er wollte auch deren Verfassungskompetenz vor den Gemeindetoren enden lassen: Einen Beschluß zugunsten des unbeschränkten Gemeindebürgerrechts für alle Deutschen hielt es für unzulässig
W. H. Riehl charakterisierte diesen „Sondergeist des Bürgertums", genauer: des „Gemeindebürgertums" durchaus treffend: „Die freie Gemeindeverfassung, was ist sie in ihren Grund-und Stammsätzen anders als ein Korporationsstatut, halb socialer, halb politischer Natur? Das Recht, die eigenen Angelegenheiten des Gemeindehaushaltes selber zu ordnen, das Recht der Gemeinde, demjenigen die Niederlassung zu wehren, den sie für ein verderbliches Subjekt hielt, wie es im Mittelalter die Städte besaßen, beanspruchte jetzt jedes Dorf."
Im Konflikt zwischen den Korporativen Selbstverwaltungsrechten, zu dem auch die Auseinandersetzungen um das künftige Verhältnis der Kirchen zum Staat und um die Gewerbeordnung gehörten, zeigten sich die Trennlinien zwischen dem gesellschaftlichen „Partikularismus" der in den Revolutionsjahren neue Entfaltungsmöglichkeiten erhielt, und dem Ordnungsanspruch des Nationalstaats, der mit der postulierten „Staatsbürgergesellschaft" den Abbau korporativ-ständischer Rechte vorantreiben wollte und damit an den staatlichen „Reformen von oben" anknüpfte, allerdings nun unter verfassungsrechtlich gesicherten und erweiterten Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger. Aus diesem Konfliktfeld erwuchs gerade für die Liberalen ein Dilemma, aus dem sie einen Ausweg suchten, der keine der betroffenen Sozialgruppen völlig befriedigen konnte, und der auch ihre Fähigkeit, konkurrierende Erwartungen und Interessen auf nationalstaatlicher Ebene zu integrieren, überstieg -Dieses grundsätzliche Dilemma erklärt den behutsamen Reformkurs der deutschen Liberalen zwischen Schonung des Überlieferten und reformerischen Eingriffen angemessener als die These vom „Verrat" der „liberalen Bourgeoisie" an ihrem historischen Beruf 3. Land-Stadt-Konflikte Der Land-Stadt-Gegensatz bildete ein zentrales Merkmal der europäischen Revolutionen, und er zählte zu den zentralen Ursachen ihres Scheiterns. Die ländlichen Revolten folgten anderen Zielen als die städtischen Revolutionsbewegungen, und sie zeigten andere Aktionsformen Das liberale und auch das demokratische bzw. das republikanische Bürgertum wurden hier mit Erwartungen und Verhaltensformen konfrontiert, die nicht in das politisch-soziale bürgerliche Leitbild paßten, das auf parlamentarische Regulierung von Interessenkonflikten sowie — bei allen Grenzen, die zuvor skizziert wurden — auf die Ausweitung staatlicher Ordnungskompetenz, auf die „Staatsbürgergesellschaft" mit individuellen Freiheits-und Besitzrechten und auf die Schaffung bzw.den Ausbau nationaler Wirtschaftsräume zielte.
Die ländlichen Revolutionsbewegungen waren hingegen geprägt von der „traditionellen Ausrichtung des bäuerlichen Horizonts auf die Dorfgemeinschaft'' In den bäuerlichen Forderungen nach Aufteilung von Domänen, nach Verteidigung oder Rückgewinnung von kollektiven Nutzungsrechten an Weiden und Wäldern, nach Rückgabe von Ablösungsgeldern äußerte sich in den Revolutionsjahren die fortdauernde Orientierung der bäuerlichen und der unterbäuerlichen Landbevölkerung auf die Dorfgemeinschaft, nicht auf den nationalen Staat, dessen Revolutionierung sie nutzen wollten, um ihre rückwärtsgewandte Utopie der „dörflichen Lebenswelt''gegen die komplexen Modernisierungsprozesse zu verteidigen, die diese Lebenswelt aufgebrochen hatten. Auch dort, wo bäuerliche Abgeordnete sich 1848/49 an den Entscheidungen in den nationalen Repräsentationskörperschaften beteiligten, wie im österreichischen Reichstag, hatten sie das Leitbild eines „Staates als lose Föderation unabhängiger Bauerngemeinden" vor Augen — ein Leitbild, das sich mit der Konzeption des modernen Nationalstaats nicht vereinbaren ließ und für das liberale Bürgertum nicht akzeptabel war. In den großen Agrarrevolten der Revolutionsjahre äußerte sich also in Frankreich und in Deutschland ein letztes Mal die Widerstandskraft vormoderner Wertmuster gegen den säkularen Prozeß der Nationbildung, der in den Revolutionen einen Kulminationspunkt erreichte, den die traditionalen Protestmuster und Protestziele der Landbevölkerung nicht überdauerten
Die Aufstandswelle von 1851 gegen den Staatsstreich Louis Napoleons zeigte allerdings, daß zwischen den Zielen der Agrarbevölkerung und denen der städtischen Republikaner kein unüberbrückbarer Gegensatz bestehen mußte. Denn nach dem Scheitern der demokratisch-sozialen Republikaner Mitte 1848 gelang es diesen, traditionale soziale Zielsetzungen der Landbevölkerung zu politisieren und ihnen eine neue politische Stoß-richtung: die „soziale Republik", zu geben. Die „Montagnards“ bauten ein umfangreiches, lokal verankertes Vereinsnetz auf, das bäuerliche Forderungen mit demokratisch-sozialen verband, so daß nicht die großen Städte, nicht Paris zu Zentren des Widerstands gegen den antirepublikanischen Staatsstreich wurden, sondern die Provinzen
Auch in der bislang nur unzureichend erforschten Reichsverfassungskampagne, mit der die deutsche Revolution 1849 im vergeblichen Kampf um die Durchsetzung der Rechts-verfassung endete, verlagerten sich die Kämpfe von den bisherigen nationalen Entscheidungszentren in die Einzelstaaten. Daß diese Aufstände der „ Peripherie" gegen die Niederschlagung der Revolutionen scheiterten, wird man nicht ausschließlich den überlegenen militärischen Machtmitteln der Staaten zuschreiben können, so wichtig dies auch war. Den Revolutionsbewegungen von 1849 in Deutschland und von 1851 in Frankreich fehlten die zentrale Leitung und die breite Unter
Stützung durch das städtische Bürgertum, das nur in Teilen seines demokratischen Flügels Zugang zu den Zielen und den gewaltsamen Aktionsformen auf selten der agrarischen und städtisch-unterbürgerlichen Sozialschichten fand. Für die Liberalen war hier eine Schwelle gezogen, die sie nach ihrem eigenen Selbstverständnis, mit dem sie eher widerwillig und getrieben als aus eigenem Antrieb in die Revolution gegangen waren, nicht überschreiten konnten.
Für die deutschen wie für die französischen Liberalen endete mit den gescheiterten Revolutionen von 1848, die über die liberalen Ziele hinausgetrieben und andererseits auch hinter diesen zurückgeblieben waren, die Bereitschaft, einen begrenzten Pakt mit der Revolution zur Durchsetzung ihrer Interessen zu wagen. Der Vergleich der französischen und der deutschen Entwicklung in den Revolutionen bietet •— das versuchte dieser knappe Über-blick zu zeigen — keine Anhaltspunkte, den Beginn eines „deutschen Sonderweges“ mit Blick auf das Verhalten des liberalen wie des demokratischen Bürgertums auf 1848 zu datieren.