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Den Wahlkampf befrieden? Fairneßabkommen und politische Kultur | APuZ 14-15/1982 | bpb.de

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APuZ 14-15/1982 öffentliche Rechenschaft und Parteifinanzierung Erfahrungen in Deutschland, Kanada und in den Vereinigten Staaten Dieser Beitrag stützt sich auf Arbeiten, die durch sne Reisebeihilfe der Deutschen Forschungsge-mEinschaft gefördert wurden. Parteiordnungsmaßnahmen und innerparteiliche Demokratie Den Wahlkampf befrieden? Fairneßabkommen und politische Kultur Artikel 1

Den Wahlkampf befrieden? Fairneßabkommen und politische Kultur

Göttrik Wewer

/ 46 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Gemeinsame Schiedsstelle der Bundestagsparteien aus dem Jahre 1980 wurde im Laufe ihrer Tätigkeit bald selber zu einer zusätzlichen Wahlkampfarena. Entsprechend intensiv und kontrovers waren die politischen Diskussionen darüber, ob diese Nagelprobe für die gern beschworene Solidarität der Demokraten grundsätzlich als gelungen anzusehen ist oder nicht, welche Konstruktionsschwächen dieses Modell eventuell in der praktischen Erprobung aufwies und wie man die deutlichsten Fehlentwicklungen beim nächsten Mal vielleicht vermeiden kann. Der vorliegende Beitrag, in dem das Gelingen dieses spektakulären Versuchs, den Wahlkampf zu befrieden, skeptisch beurteilt wird, unternimmt es, in der Bewertung der Tätigkeit der Schiedsrichter nicht bei einem einfachen „positiv" oder „negativ" stehen zu bleiben, sondern die empirischen Befunde wenigstens ansatzweise mit theoretischer Reflexion zu verknüpfen.

Gegenstand der hier vorgelegten Untersuchung ist das Wahlkampfabkommen für die Wahl zum 9. Deutschen Bundestag, über das eine von den Parteien gemeinsam eingerichtete Schiedsstelle wachen sollte. Insbesondere galt diese Verpflichtung solchen Tatbeständen, die in der Vergangenheit vielfach zu Unmutsäußerungen bei den Wählern geführt hatten und die am deutlichsten mit dem Vorwurf, daß zuviel „geholzt" statt sachbezogen argumentiert würde, zu beschreiben sind. Zu den in das Abkommen aufgenommenen Verpflichtungen gehörten insbesondere der Verzicht auf jede Art von persönlicher Verunglimpfung und Beleidigung sowie die Verpflichtung, sich von Äußerungen Dritter zu distanzieren, die in Publikationen oder in sonstiger Weise öffentlich unwahre, verleumderische oder beleidigende Behauptungen erheben und diese gleichzeitig mit einer Unterstützungserklärung für eine der beiden Parteien verbinden.

Die Parteien stimmten darin überein — und dies charakterisiert die besondere Bedeutung der Schiedsstelle —, daß politische Auseinandersetzungen grundsätzlich politisch und möglichst nicht auf dem Wege von Rechtsstreitigkeiten vor Gericht ausgetragen werden sollten.

Als Mitglieder der Schiedsstelle wurden ernannt: der frühere Beauftragte der evangelischen Kirche, Bischof Hermann Kunst, der als Unparteiischer den Vorsitz übernahm, der ehemalige Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier (CDU); der frühere Bundesfinanzminister Alex Möller (SPD); der ehemalige bayerische Landtagspräsident Rudolf Hanauer (CSU) und der ehemalige Justizminister von Schleswig-Holstein, Bernhard Leverenz (FDP).

Am Anfang herrschte trotz gewisser Unterschiede in der Begründung weitgehende Einmütigkeit in der Ablehnung unsauberer Wahlkampfpraktiken. Für den vormaligen Kanzler-kandidaten der CDU/CSU, Rainer Barzel, stand jedenfalls ein Jahr vor dem anvisierten Termin bei allen sonstigen Unwägbarkeiten eines fest: „Niveau ist gefragt. Wer , holzt', dürfte verlieren“ Für einige Sozialdemokra-ten, die sich zu Beginn des Wahljahres bewußt von der Fixierung auf den 5. Oktober lösten, stellte sich die Frage grundlegend anders: „Eine substanzlose Polarisierung, bei der ideologische Konfrontation nicht Ausdruck, sondern Ersatz für Sachkonflikte ist“, bedeutete für sie nämlich unabhängig vom Ausgang der Wahl eine Gefahr für den Bestand des Gemeinwesens. Der politische Wettbewerb darf nach ihrer Ansicht deshalb „nie auf die — und sei es moralische — Vernichtung des Gegners abzielen; jede Partei muß vielmehr ein Interesse daran haben, daß konkurrierende Parteien intakt bleiben ... Demokratie geht davon aus, daß es Mittel gibt, die jeden Zweck entheiligen. In jüngster Zeit wird Machtkampf häufig mit den verfeinerten Mitteln wissenschaftlicher Semantik und Werbepsychologie ausgetragen. Feindbilder werden entworfen, getestet und durch ständige Wiederholung ins öffentliche Bewußtsein gebracht. Begriffe werden mit generalstabsmäßigen Methoden besetzt, und zwar meist völlig unabhängig von der praktischen politischen Arbeit. So dringen militärische Vokabeln in die politische Sprache ein und beginnen sie zu beherrschen, besonders in der Vorbereitung von Wahlkämpfen. Politische Auseinandersetzung wird zur psychologischen Kriegführung."

Ganz im Sinne der komplementär zu derartigen Strategien vielbeschworenen Gemeinsamkeit der Demokraten kam es im „staatstragenden" Verlautbarungsklima des erst anlaufenden Wahlkampfes am 19. März zwischen den Bundestagsparteien zur Unterzeichnung eines siebzehn Paragraphen umfassenden „Wahlkampfabkommen für die Wahl zum 9. Deutschen Bundestag im Jahre 1980"

I. Die Unergiebigkeit von freiwilligen Kostenbegrenzungen

Obwohl erste Pressestimmen aus mancherlei Gründen befanden, daß die ganze Sache schon dann einen Sinn hätte, wenn es nur gelingen würde, den finanziellen Aufwand einzuschränken wurde dieser Aspekt des Abkommens im nachfolgenden Wahlkampf von den intensiven Diskussionen um den Stil der politischen Auseinandersetzung weitgehend verdrängt. Der praktische Nutzen von derartigen freiwilligen Verzichtserklärungen ohne irgendwelche Konsequenzen ist allerdings auch äußerst fraglich. Denn die Bereitschaft der etablierten Parteien, ihre Ausgaben zu begrenzen (die FDP auf 8 Mio. DM, CSU auf 9 Mio. DM, CDU auf 36 Mio. DM und SPD auf 40 Mio. DM), bezog sich lediglich auf die zentralen Maßnahmen in der Zeit vom 1. April bis zum Oktober 1980, also etwa auf das letzte halbe Jahr eines Wahlkampfes, der im weitesten Sinne nach dem bekannten Wort am Tag nach der Bundestagswahl 1976 bereits wieder begonnen hatte, mindestens aber ein Jahr vor dem neuerlichen Wahltermin mit der Infor-mations-und Vorbereitungsphase planmäßig einsetzte 5). Der gesamte fi Mio. DM, CSU auf 9 Mio. DM, CDU auf 36 Mio. DM und SPD auf 40 Mio. DM), bezog sich lediglich auf die zentralen Maßnahmen in der Zeit vom 1. April bis zum 5. Oktober 1980, also etwa auf das letzte halbe Jahr eines Wahlkampfes, der im weitesten Sinne nach dem bekannten Wort am Tag nach der Bundestagswahl 1976 bereits wieder begonnen hatte, mindestens aber ein Jahr vor dem neuerlichen Wahltermin mit der Infor-mations-und Vorbereitungsphase planmäßig einsetzte 5). Der gesamte finanzielle Aufwand auf regionaler und lokaler Ebene, der nach einer Faustregel noch einmal rund zwei Drittel des Einsatzes der Bundesgeschäftsstellen erreicht, unterlag dagegen ausdrücklich keinerlei Beschränkungen: der CDU-Landesverband Niedersachsen veranschlagte beispielsweise 800 000 DM für den Bundestagswahlkampf, ergänzt durch jeweils 10 000 bis 50 000 Mark aus den Kreisverbänden. Die dortige SPD kalkulierte etwa 700 000 DM ein und der Landesverband der FDP wollte sich mit 300 000 DM beteiligen 6).

Während die Kostenbegrenzung den persönlichen Beitrag der einzelnen Kandidaten in den Wahlkreisen oder die Eigenleistungen der Jungdemokraten, die sich im Gegensatz zu den Jungsozialisten als eigenständiger Verband sehen, nicht limitierte, blieb unklar, inwieweit die Absprache die Vereinigungen der CDU/CSU wie die Junge Union oder den Wirtschaftsrat verpflichtete, die sich als eingetragene Vereine formal-rechtlich von der Partei abgrenzen können 7). Die solchermaßen relativierten Sparsamkeitsgelöbnisse auf Bundesebene klammerten zusätzlich noch alle zentral gesteuerten Einladungen zu Kundgebungen und Versammlungen aus sowie die anfallenden Ausgaben für die Werbung zu Parteitagen und für besondere „Zielgruppenaktionen". Allein die aufwendigen Anzeigen-und Prospektkampagnen und die durch 97 Städte der Bundesrepublik führende Zelttournee „Treffpunkt 8), mit denen die Union neben weiteren Sonderaktionen im Bereich des Mittelstandes und der Kommunalpolitik vor allem ihre Problemgruppen Jungwähler, Frauen und Arbeitnehmer über Familien-Nachmittage „mit buntem Programm und Kaffee und Kuchen" sowie Disco-shows zu erreichen suchte bzw. auch die Senioren verstärkt mobilisieren wollte, dürften beträchtlich zu Buche geschlagen haben, tun dies aber bei der kommenden Rechenschaftslegung nicht, weil sie vereinba-rungsgemäß nicht unter das Wahlkampf-Abkommen fallen.

Neben der folglich a priori begrenzten Gültigkeit wird der Wert der angekündigten Kontrolle der tatsächlichen Aufwendungen durch Wirtschaftsprüfer grundsätzlich dadurch beeinträchtigt, daß Rechenschaftsberichte nach den Kriterien der §§ 30 und 31 des Parteiengesetzes bestenfalls diejenigen Ausgaben nennen, die auch über die offiziellen Konten und Kassen der Parteien gelaufen sind Die Wahlkampfhilfen der parteinahen Stiftungen oder das Finanzgebaren der Fraktionen erfahren dadurch jedenfalls keinerlei öffentlichen Einblick. Während Franz Josef Strauß aufgrund seiner Stellung in der Organisation ohne besondere Rechtfertigung für einen privaten „Kanzlerfonds" sammeln konnte, der ausschließlich seiner persönlichen Kampagne zur Verfügung stehen sollte ist in der CDU dieses Verfahren durch Statuten geregelt: Pa-ragraph 16 der Finanz-und Beitragsordnung der CDU, Landesverband Hamburg e. V., gestattet dem Landesschatzmeister beispielsweise, im Wahlkampf mit den Bundestagskandidaten „Sondervereinbarungen" über eine separate Kassenführung zu treffen Wegen solcher Dispositionsfonds und ähnlicher Praktiken darf man von freiwilligen Verzichtserklärungen nicht allzuviel erwarten Gleichwohl steckt in den Äußerungen von CDU-Generalsekretär Heiner Geißler vor den Delegierten des Mannheimer Parteitages, wo er die Ausgaben der SPD „seit dem 1. Januar 1980" auf über 60 Millionen Mark bezifferte, während die CDU ihren diesbezüglichen Etat um zwei Millionen unterschritten, also nur 34 Millionen DM ausgegeben habe eine kräftige Prise Rest-Wahlkampf, da er hier zwei verschiedene Zeiträume vergleicht, von denen einer nur teilweise unter die vereinbarte Kostenbegrenzung fiel. Der immerhin seriösere, wenn auch nicht präzis belegte Vorwurf seiner Partei, die Sozialdemokraten hätten „ab 1. 4. 1980 an ausweisbaren Kosten, z. B. für Plakate und Anzeigen, die ZaS, Veranstaltungen und Rednereinsatz, Fernsehund Hörfunkspots etc. rd. 55 Millionen D-Mark ausgegeben" mag sogar zutreffen. Aber selbst wenn die SPD gegen Ende ihrer Kampagne angesichts eines drohenden Verlustes schon sicher geglaubten Terrains noch einmal „nachgelegt" haben sollte, so muß sich das nicht notwendigerweise auch auf der Bundesebene als Abbuchung bemerkbar machen, da die Vereinbarungen Kostenverlagerungen aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht ausschließen konnten. Denn auch die Christdemokraten vermochten sich nur deshalb nominell im vorgegebenen Rahmen zu halten, weil sie sich oberhalb einer bestimmten Grundausstattung ihre Werbemittelangebote von den unteren Parteigliederungen, den Vereinigungen und befreundeten Verbänden bezahlen ließen — was die Soester . Jugendinitiative Junge Leute für Franz Josef Strauß" bewog, Plakate und Aufkleber lieber kostenlos von der Bonner „Bürgeraktion Demokraten für Strauß des ZDF-Moderators Gerhard Löwenthal zu beziehen Andernfalls wäre angesichts der anhaltenden Preissteigerungen und einer unverminderten Präsenz der CDU im Wahlkampf jedenfalls kaum zu erklären, wie man dort seit 1972 mit dem gleichen Etat ausgekommen sein will

II. Konstruktionsschwächen der Wahlkampf-Schiedsstelle

Im Gegensatz zu den nach wie vor ungelösten Problemen einer wirksamen Kostenbegrenzung des organisatorisch-politischen Wettbewerbs, die erst in der Schlußphase des Wahlkampfes durch die gegenseitige „Polemik mit ungewissen Zahlen" wieder thematisiert wurden und vermutlich auch bis zur Bundestagswahl 1984 nicht befriedigend geregelt sein werden, geriet die Gemeinsame Schiedsstelle zur Überwachung der Wahlkampf-Fairneß gleich mit ihrer ersten Entscheidung in das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit, besser: in den Meinungsstreit der vertragschließenden Parteien.

Zum Problem der Kriterien für Wahlkampf-Fairneß

Was nämlich der Markenartikel-Werbung aufgrund von Wettbewerbsgesetzen, eigenen Verhaltensregeln der Branche und zusätzlichen Selbstbeschränkungsvereinbarungen untersagt ist, gehört im politischen Straßenverkauf zum alltäglichen Handwerkszeug: Irreführung des Wählers, herabsetzende Vergleiche, Diffamierung des Konkurrenten. So sah beispielsweise eine Wahlkampfbroschüre der CDU einen unersättlichen „Geldhunger des SPD-Staates" und malte in demagogischer Weise gar eine Währungsreform an die Wand. Die Inflationsrate, die gerade wieder unter fünf Prozent sank, wurde dort der besseren Wirkung wegen einfach mit sechs Prozent angegeben. Gleichzeitig versprach die Union per Anzeige „ 500 Mark für alle jungen Mütter" und in einem Werbespot „ein Deutschland, in dem jeder einen Ausbildungs-und Arbeitsplatz erhält, ein Deutschland, in dem jeder Energie zu bezahlbaren Preisen erhält". Ihr Kanzlerkandidat krönte die Versprechen im Fernsehen mit der Erklärung „Wir brauchen Vollbeschäfti-gung und wir garantieren Vollbeschäftigung", obwohl er wissen mußte, daß niemand eine solche Garantie geben kann.

Auch jene SPD-Anzeige mit der alten Dame aus Düsseldorf-Eller, die verständlicherweise „nie wieder Krieg" will, bemühte sich kaum um Aufklärung über die zu erwartenden politischen Schwierigkeiten, sondern zielte ebenso wie die platte Gegenüberstellung „Helmut Schmidt, Kanzler des Friedens, oder F. J. Strauß, Kanzler der Angst“ auf die Emotionen der Zuschauer.

Der im Vergleich zur Wirtschaftswerbung ungleich größere Spielraum der Wahlkampf-Strategen, der nach Ansicht von Werbemanagern allerdings nicht genutzt, sondern verschenkt wird hätte die Mitglieder der Schiedsstelle veranlassen müssen, sich vorab, also bevor die Wogen von kalkulierten Entgleisungen und den unvermeidlichen Gefühlswallungen eines Wahlkampfes über ihnen zusammenschlugen, über eigenständige Kriterien für ihre Tätigkeit zu verständigen. Der grundsätzliche Einwand, ob eine politische Auseinandersetzung in „fairer und sachlicher Weise" vonstatten gehe oder nicht, könne man über die jeweils subjektive Wahrnehmung hinaus kaum objektivieren, läuft im Falle der Gemeinsamen Schiedsstelle leer: Gerade weil sich über Geschmack bekanntlich nicht (oder trefflich) streiten läßt, waren die Fairneßwächter von den vertragschließenden Parteien autorisiert, mit Mehrheit ihr persönliches Empfinden von einem „guten" politischen Stil zum Gradmesser des Wahlkampfes zu machen und auftragsgemäß „jede Art von persönlicher Verunglimpfung und Beleidigung" sowie alle „Behauptungen über andere Parteien, die geeignet sind, diese zu verunglimpfen", als Verstoß gegen das Abkommen zu rügen. Eine frühzeitige Reflexion über die eigenen Möglichkeiten und Grenzen hätte wohl vor allem zu der Einsicht geführt, daß man sich nur sehr bedingt auf das Glatteis juristischer Spitzfindigkeiten und Verfahrensweisen wie umständliche Beweisführung begeben durfte, sondern allein politische Wertungen mit moralischer Rigorosität vorzunehmen hatte Denn auch ohne langes überlegen sollte klar sein, daß der Hinweis der Union auf eine „Moskau-Fraktion in der SPD" oder die Erklärung des CSU-Landesgruppenchefs Friedrich Zimmermann, der Kanzler sei „eine lenkbare Figur des Ostberliner Regieassistenten und des Moskauer Regisseurs", weder sachlich noch sonderlich fair waren; dennoch mochten sich die Schiedsrichter nicht so recht zu einer Rüge durchringen. Solch wenig verständliche Entscheidungen steigerten zwangsläufig die Mimosenhaftigkeit der Sozialdemokraten, die der altbekannten Bolschewismus-Provokation dann mit förmlichen Beschwerden zu begegnen suchten, zumal ihr Fraktionsvorsitzender bereits für seine Äußerung gerügt wurde, die Opposition zeige erneut, „daß sie nicht in der Lage ist, politische Verantwortung zu tragen“, was ja wohl in der Verallgemeinerung den Tenor einer jeden Wahlkampf-Aussage ausmacht. Bei der Humorlosigkeit und dem Bierernst der deutschen Wahlkämpfer nahmen die Streitigkeiten gelegentlich schon groteske Züge an; so erhielt etwa der SPD-Bundestagsabgeordnete Rudolf Schöfberger einen offiziellen Rüffel für seine Formulierung, Strauß sei „der Oberhäuptling der Wucherer und Geldscheffier, ein Mann mit Rasierklingen an den Ellbogen, wer ihn wähle, stimme für eine üble Sym-bolfigur" — als ob der Wähler derartige Kraft-sprüche nicht selbst angemessen einordnen kann. Nach und nach unterhöhlte die wechselhafte Spruchpraxis, in der sich angestrengtes Bemühen um gerichtsähnliche Beweisaufnahme mit glücklicheren Momenten der raschen Beschlußfassung ablösten, überlagert von tastenden Ansätzen semantischer Einfühlungnahme und hilfloser Entgegenahme unfairer, aber nach dem neuen Modewort „Kunst--fest" geredeter Formeln den Rückhalt des Gremiums an Vertrauen bei den arg gebeutelten Sozialdemokraten. So reagierte SPD-Sprecher Lothar Schwartz auf eine Serie von Entscheidungen gegen seine Partei mit der Erklärung, daß andere scharfe Äußerungen wie die, daß es der Kandidat persönlich sei, „der im Namen der Freiheit Faschisten und Rassisten unterstützt", oder jene, man sehe Dinge in der Oppositionspolitik, „die wir für unser Land für lebensgefährlich halten müssen", nicht gerügt worden seien: . Angesichts dieser beachtlichen Bewertung von Grundpositionen in den Aussagen der SPD zur Bundestagswahl müssen die beanstandeten Formulierungen, die von unterschiedlicher Wertigkeit sind, politisch inhaltlich weniger gewichtig erscheinen.“

Die Abhängigkeit der Fairneßwächter von der Gutwilligkeit und dem Gehorsam der agierenden Politiker führte noch drastischer Heiner Geißler vor, der die Schiedsstelle mit seinem Wortspiel verwirrte, er habe mit seiner Formulierung nicht sagen wollen, der Bundeskanzler sei „im strafrechtlichen Sinne" ein Betrüger, seine Äußerung sei „vielmehr im übertragenen Sinne politisch gemeint". Obwohl das Strafrecht ja gar nicht zur Debatte stand, sondern gerade politische Aussagen zu beurteilen waren, sah das Gremium daraufhin von einer Rüge ab, obgleich man durchaus erkannt hatte, daß eine solche Bezeichnung — persönlichkeitsbezogen — „an sich" gegen das Abkommen verstieß. Allerdings gingen die Sittenrichter bei diesem Zugeständnis von der stillschweigenden Hoffnung aus, daß die Union diese Wahlkampf-Polemik nicht weiter verbreiten würde, eine Erwartung, die nach dem Auftreten des Christdemokraten nicht „sine fundamento in re" schien.

Durchsetzungsschwierigkeiten und Kompetenzanmaßung

Mit der ungerührten Wiederholung seiner Rede vom „politischen Rentenbetrüger" wies Heiner Geißler auf eine Konstruktionsschwäche der Gemeinsamen Schiedsstelle hin, die im Gegensatz zu einem immerhin denkbaren Kriterienkatalog für Wahlkampf-Fairneß ein strukturelles Problem für die „elder statesmen" darstellte: der Mangel an tatsächlicher Kompetenz: „Sie kann höchstens moralische Autorität ausüben, aber über Mittel der Sanktionierung verfügt sie nicht und daher ist niemand gezwungen, sich an ihre Urteile zu halten. Wie die Erfahrung lehrt, sind nicht einmal Gerichte imstande, Entgleisungen zu verhindern oder auch nur wirkungsvoll zu ahnden.“ Während Bundesfinanzminister Hans Matthö-fer öffentliche Schelte immerhin noch mit der treuherzigen Versicherung umging, seine Wendung „Und da kommt dieses Pack daher und vergleicht das Ende des Zweiten Weltkrieges mit dem Ergebnis unserer Politik" sei weder auf die Union noch auf ihren Kandidaten gemühzt gewesen, variierte Herbert Wehner denn auch prompt seine gerügte Äußerung von der zur politischen Verantwortung unfähigen Opposition. Der aus durchsichtigen Motiven hartnäckig vorgebrachten Aufforderung des CDU-Generalsekretärs, der Bundeskanzler möge sich doch gerichtlich gegen seinen Anwurf zur Wehr setzen kam in diesem Zusammenhang gleichwohl besondere Symbolkraft zu, da hier einer der persönlichen Unterzeichner nicht nur gegen den „Geist des Abkommens“, sondern sogar gegen dessen ausdrücklichen Wortlaut verstieß. Die vertragschließenden Parteien hatten dort nämlich feierlich ihrer Übereinstimmung Ausdruck gegeben, „daß politische Auseinandersetzungen grundsätzlich politisch und möglichst nicht auf dem Wege von Rechtsstreitig-keiten vor Gericht ausgetragen werden sollen".

Diese gutgemeinte Absichtserklärung, die ja wie das gesamte Abkommen nicht justiziabel war, durfte selbstverständlich nicht die allgemeine Rechtsordnung aussetzen. Aber zweifellos macht es einen Unterschied, ob ein maßgeblich Beteiligter in offenem Widerspruch zu seinem Versprechen handelt oder ob ein unfreiwillig Betroffener sich notgedrungen auf den ordentlichen Instanzenweg begibt, um sein Recht einzuklagen. Außerdem läßt das Strafrecht im Interesse einer freien Meinungsäußerung einen beträchtlichen Raum für Unfairneß. Und gerade weil sich eine gerichtliche Schlichtung persönlich-politischer Kontroversen in aller Regel zu einer langwierigen und unergiebigen Angelegenheit auswächst, wollte die Einrichtung der Schiedsstelle eine zusätzliche Möglichkeit eröffnen, unsauberen Attacken rechtzeitig zu begegnen, wobei das Abkommen im Sinne einer schnellen Intervention noch während des Wahlkampfes sogar den Grundsatz zurückstellte, nicht in einen schwebenden Rechtsstreit einzugreifen. Der Auftrag der Fairneßwächter beschränkte sich nach ihrer Geschäftsordnung darauf, bei diesbezüglichen Beanstandungen politische Äußerungen nicht nach juristischen Kriterien, sondern anhand moralischer Kategorien an der Frage zu messen, ob ein „Verstoß gegen das Wahlkampfabkommen" vorlag oder nicht. Und ihre einzige Sanktion bestand in der für alle Beteiligten bindenden und später auch eingehaltenen Verpflichtung, eine Rüge „unverzüglich in den Pressediensten der betroffenen Parteien zu veröffentlichen“. Dabei ging man freilich stillschweigend davon aus, daß das Risiko, „öffentlich an den Pranger gestellt“ zu werden dämpfend auf die Agitatoren wirken und zumindest beanstandete Formulierungen nicht wiederholt würden — ein gutgläubiger Irrtum, wie die erwähnten Beispiele dann erwiesen.

Auf der Gratwanderung zwischen hohem eigenem Anspruch dem bescheidenen Durchsetzungsvermögen, einem schwankenden good will der Wahlkämpfer und verschiedenen rechtlichen Grenzlinien kamen jedoch auch die Sittenrichter selbst sehr schnell ins

Straucheln. So übersahen sie bei ihrer Mißbilligung einer Strauß-Karikatur in der Wochen-zeitung Vorwärts — zu einer Rüge hatte man sich ausdrücklich nicht entschließen können, obwohl nur das zum Instrumentarium gehörte —, daß sich ihre Befugnisse lediglich auf Mitglieder der vertragsschließenden Parteien erstreckte. Das kritisierte Blatt aber gehört, juristisch von der SPD getrennt, dem Neuen Vorwärts-Verlag und garantiert in seinem Redaktionsstatut den angestellten Journalisten weitgehende inhaltliche Gestaltungsfreiheit. Wenn sich also der Kanzlerkandidat der Union von der Zeichnung verunglimpft gefühlt haben sollte — eine Karikatur erfordert eigentlich besondere Bewertungsmaßstäbe —, wäre allein der Strafrichter zuständig gewesen; für private Genugtuung (Schmerzensgeld, Unterlassung, Widerruf) sind daneben die Zivilgerichte vorgesehen. Wollte Franz Josef Strauß jedoch nach einschlägigen Erfahrungen die Gefahr meiden, dort seinen eigenen massiven Ton vorgehalten zu bekommen so hätte er allenfalls ohne Anrufung der Schiedsstelle die Sozialdemokratische Partei bedrängen können, sich als Unterzeichner des Abkommens vereinbarungsgemäß von beleidigenden Äußerungen Dritter zu distanzieren Nun aber hagelte es Proteste gegen den Spruch, mit dem das Gremium im Eifer des Geschehens seinen engen Kompetenzbereich überschritten hatte: Der Beschwerde-Ausschuß des Deutschen Presserates, der seit 1956 über Stilverstöße in den Medien wacht, nahm die Amtsanmaßung „mit einiger Verwunderung" zur Kenntnis und die Deutsche Journalisten-Union in der IG Druck und Papier warnte mit Hinweis auf die Grundrechte der Meinungs-und Pressefreiheit, daß sich das Laiengericht zu einem „Zensurorgan" zu entwickeln drohe

Zwar lernten die Fairneßkontrolleure an diesem Beispiel, daß man wohl sinnvollerweise einer jeden Entscheidung eine Zuständigkeitsprüfung vorschaltete, und auch Egon Bahr nahm in seiner Doppelfunktion als Bundesgeschäftsführer der SPD und Herausgeber des Vorwärts im frühen Stadium der Erprobung die Mißfallensnote noch in der Hoffnung auf eine positive weitere Entwicklung hin, aber bald untergruben die anhaltenden Instrumentalisierungsbestrebungen von Seiten der CDU/CSU, die eigene Erfolglosigkeit vor dem Gremium und die wachsende Hektik des Wahlkampfes die Basis für solche Kompromißbereitschaft. Willy Brandt wandte sich wegen einer Rüge sogar in einem Offenen Brief an Bischof Hermann Kunst: „Ich soll nicht sagen dürfen, daß ich Herrn Strauß für , auf abenteuerliche Weise unbeherrscht'halte? Das wäre nicht einmal im Deutschen Bundestag gerügt worden. Der . Rentenbetrüger'wäre im Bundestag gerügt worden, aber den hat die Schiedsstelle durchgehen lassen.“ Nach einer Begründung für seine Einschätzung durch Zitate aus Wahlkampfreden des Herausforderers schloß das Schreiben mit den Worten: „Ich habe es nicht nötig, ein einseitiges und unrichtiges Verdikt auf mir sitzen zu lassen. Mein Recht kann ich, politisch gesehen, jetzt ohnehin nur bei den Wählern finden, und darum werde ich mich in der Tat auch bis zum 5. Oktober nach Kräften bemühen.“

III. Die Schiedsstelle als Objekt der Wahlkampf-Strategen

Die zunehmende Empfindlichkeit der Sozialdemokraten in der Schlußphase des organisatorischen Wettbewerbs um die Wählergunst, die sich nach dem bemüht-argumentativen Kampagnenauftakt (Das will die SPD ... /Das will die SPD nicht ...) neben unverhohlener Kritik am „Kunst-Gremium“ in einer stärker kämpferischen Ansprache des Bürgers äußerte, rührte allerdings nicht vorrangig aus einigen — zugegebenermaßen wenig verständlichen — Entscheidungen der Fairneßwächter her. Die wachsende Gereiztheit, die als Folge des „Hirten-Briefes" der katholischen Bischöfe auf dem Höhepunkt des Wahlkampfes noch zusätzlich Nahrung fand folgte allgemein eher aus dem eigenen überheblichen, unverständlichen und schließlich „verkorksten Wahlkampf in dem man trotz (aber auch wegen) des vielversprechenden Erfolges in Nordrhein-Westfalen, trotz der hohen Popularität des Bundeskanzlers und trotz des negativen Images des Herausforderers schon sicher geglaubten Boden verlor. Die aus dem sich abzeichnenden Terrainverlust resultierende Verunsicherung, die sich neben mehreren Beschwerden über mangelnden Anstand des politischen Gegners nicht zuletzt an der voreiligen, weil juristisch nicht ausreichend geprüften Ankündigung ablesen ließ, Franz Josef Strauß wegen der ausgestreuten Gerüchte um eine angebliche Abschaffung des Kirchensteuer-Einzuges durch den Staat zu verklagen, verstärkte sich sicherlich auch nicht allein deshalb, weil die SPD vorwiegend auf die Leistungsbilanz einer Koalition mit dominantem Juniorpartner vertraute, wenngleich die sozialdemokratische Perspektivlosigkeit zweifellos die konsequente Einhaltung der von Herbert Wehner schon im Vorjahr ausgegebenen Parole erschwerte, den Kandidaten nicht „emporzuschmähen“, also auf keinen Fall vorrangig „über das skandalreiche Leben eines alternden Macchiavellisten zu reden, in Not-wehr auf Gegenpropagandaformeln zu setzen oder an der Richtigkeit der eigenen überzeu-gung zu zweifeln" -Und je mehr die Gemeinsame Schiedsstelle zu einer zusätzlichen Wahlkampfarena aufstieg, um so deutlicher stellte sich als Versäumnis der SPD heraus, daß sie als einzige der vertragsschließenden Parteien keine erkennbare Strategie in dieser Frage entwickelt hatte, sondern recht naiv an dieses „Experiment“ für die Solidarität von Demokraten herangegangen war

Demgegenüber überschüttete die CSU das Kunst-Gremium von Beginn seiner Tätigkeit an mit Beschwerden in der Absicht, durch diese Entrüstungskampagne einen — wie Generalsekretär Edmund Stoiber formulierte — „Mitleidsbonus“ bei unpolitischen Wählern für ihren in der Bevölkerung überwiegend abgelehnten Vorsitzenden zu erzielen. Die Richtung für eine Interpretation der befürchteten „Volksfront“ gegen die „verfolgende Unschuld“ lieferten die beiden Schwesterparteien gleich mit: dem ahistorischen „Stoibern“ (Heinz Oskar Vetter) im Umfeld des gelernten Historikers (Generalsekretär: „Die Hetze gegen Strauß gleicht der Hetze gegen die Juden im Dritten Reich“), entsprachen vielfältige Gleichklänge bei der CDU, angefangen mit jenem Gutachten zum Thema „Sozialistische Elemente in der nationalsozialistischen Bewegung", das der Abgeordnete Manfred Abelein bei den Wissenschaftlichen Hilfsdiensten des Deutschen Bundestages anforderte, bis hin zu der Ausstellung „Politische Graphik gegen die Menschenwürde“ im Konrad-Adenauer-Haus. Parallel zu der suggerierten Gemeinsamkeit zwischen Nationalsozialismus und Sozialde-mokraten versuchte die Union mit ihren Schwerpunktthemen Staatsverschuldung und Rentenbetrug die schwierige Aufgabe zu lösen, von der personellen Alternative der Bundestagswahl 1980 abzulenken, die eine Wahl-entscheidung in der „Kanzlerdemokratie" nach wie vor prägt. In der Hoffnung, auch den „affairengeplagten" Franz Josef Strauß ein wenig aus dem öffentlichen Regen holen zu können, sollte deshalb ergänzend am Nimbus von Helmut Schmidt gekratzt werden, den man gemeinhin nicht mit Skandalen in Verbindung bringt. Diesem Ziel diente neben dem CSU-Film „Der Gegenkandidat" das beharrliche Bemühen von Heiner Geißler, den Bundeskanzler in einer Art Schauprozeß vor die Schiedsstelle oder ein Gericht zu zerren, wohl wissend, daß eine Klärung in der Sache dort ohnehin nicht zu erwarten war. Daß diese komplexe Rechnung im Rahmen des Möglichen aufging, zeigt der Tenor der christdemokratischen Kommentare zur Spruchpraxis der Fairneßwächter: so bemängelte der Parteivorsitzende Helmut Kohl an der sozialdemokratischen Kritik, daß das Gremium seine politische Funktion nicht erkannt habe, sich hinter juristischen Finessen verstecke und Gefahr laufe, „Freifahrtscheine für die Verletzung des Wahlkampfabkommens auszustellen", daß es immer dann infrage gestellt würde, „wenn die Schiedsstelle Entscheidungen fällt, die nicht den Wünschen der SPD entsprechen", was eine Verletzung der Vereinbarung bedeute: „Es war Geschäftsgrundlage, daß selbstverständlich die Entscheidungen der Schiedsstelle respektiert werden müssen." Obwohl sie weder als Ankläger noch als Beschuldigte vor Bischof Kunst und seinen Beisitzern erschienen, zogen die Freien Demokraten, die als kleinste der etablierten Parteien auch traditionell ein starkes Interesse an Kostenbegrenzungen bekunden paradoxer-weise den größten Nutzen aus dem Faimeßab-kommen. Gerade die vornehme Zurückhaltung vor den Niederungen des Wahlkampfes liegt voll auf der Linie einer seit Jahren gepflegten Selbstdarstellung der FDP als saubere und sachbezogene Dritte Kraft im bundesdeutschen Parteienspektrum, wobei dieser Marketing-Strategie entgegenkommt, daß ein potentieller Koalitionspartner von beiden Seiten vergleichsweise vorsichtig angefaßt wird. So gehören eigentümlicherweise die Liberalen vor Wahlen zu den eifrigsten Befürwortern von formellen Abkommen nur um anschließend überzeugend darlegen zu können: „Bürger, die an den laufenden Entgleisungen der Politiker Anstoß nehmen, werden registrieren, daß Politiker der F. D. P. mit ihren Äußerungen der Schiedsstelle noch nie Anlaß zum Einschreiten gegeben haben.“ In die gleiche Kerbe schlug Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, der seine Hamburger Wahlrede mit den Worten eröffnete: „Wir Freien Demokraten sind überall dabei — nur vor der Schiedsstelle für Entgleisungen im Wahlkampf sollen CDU und SPD allein bleiben.“ Und mit der Geste des besorgten Demokraten kündigte Generalsekretär Günter Verheugen öffentlich an, daß er angesichts ei-ner inflationär angewachsenen Serie von Beschwerden die Mitunterzeichner der Vereinbarung zu einem klärenden Gespräch einladen wolle, wobei er sich nicht verkneifen konnte, die anderen Parteien schon vorab aufzufordern, „den Wahlkampf endlich mit Sachargumenten zu bestreiten und sich nicht in verbale Beschimpfungen und Schaukämpfe vor der Schiedsstelle zu flüchten" Noch dieser immer wieder variierte Hinweis von Seiten der FDP, wie unangenehm man solche politischen Umgangsformen finde und daß man selbst das Fairneßabkommen eigentlich nicht nötig habe, degradierte das Kunst-Gremium zum ohnmächtigen Objekt einer geschickten Wahlkampf-Konzeption. In einer ähnlichen Statistenrolle mußten die Sittenrichter mitansehen, wie Helmut Schmidt, der sich bei seinen Mitarbeitern ausdrücklich verbeten hatte, bei unfairen Attacken auf seine Person die Schiedsstelle anzurufen, eine politische Antwort auf derartige Angriffe gab: der Bundeskanzler zählte in seinen Reden auf ihn gemünzte Äußerungen seines Herausforderers auf und ließ diese schlicht für sich selbst sprechen: „Friedensschwätzer und Panikprophet ... Kriegskanzler ... reif für die Nerven-heilanstalt .. ."

IV. Bewertung und Reflexion: theoretische Zwischenbemerkungen

Eine übereinstimmende Bilanz der Tätigkeit der Gemeinsamen Schiedsstelle im Bundestagswahlkampf 1980 muß unter den geschilderten Umständen schwerfallen, unabhängig von dem von niemandem angezweifelten ehrlichen Bemühen der „elder statesmen" um Objektivität Die unterschiedlichen Positionen der beteiligten Parteien kristallisierten sich entsprechend der strategischen Ziele und der jeweiligen Erfolgsquote bereits in der Fernsehdiskussion mit den Unterzeichnern des Abkommens — selbst ein drastisches Negativ-Beispiel für einen fairen Umgang mit dem politischen Gegner — heraus, als Heiner Geißler sich mit der bis dahin geleisteten Arbeit zufrieden zeigte, Günter Verheugen von Lappalien sprach, die dort verhandelt würden, und Egon Bahr vielsagend darauf hinwies, daß es sich nach allgemeinem Konsens von vornherein nur um ein Experiment gehandelt habe Die vorliegenden Pressestimmen beurteilen das Gelingen dieses Versuchs, Auswüchse der anhaltenden Polarisierung zu beschneiden und damit den Wahlkampf zu versachlichen, überwiegend skeptisch, wobei sie freilich mit Recht längst nicht alle Unfairneß „in dem nun Gott sei Dank zu Ende gehenden Wahlkampf" möglichen Versäumnissen, wenig verständlichen Sprüchen oder sonstigen Fehlern der Schiedsrichter zuschreiben, die ja lediglich auf Antrag eines Berechtigten eine Angelegenheit aufgriffen und deren Zuständigkeit sich auf Verstöße gegen das Abkommen auf der Bundesebene der vertragschließenden Parteien beschränkte. Denn auch außerhalb des Interventionsspielraumes der Schiedsstelle gab es hinreichend Schmutz: Erinnert sei hier lediglich an die angeblichen Juso-Aufkleber aus der Fälscher-Werkstatt des Friedrich Karl Grau von der sogenannten „Studiengesellschaft für staatspolitische Öffentlichkeitsarbeit" mit dem Text „Lieber die Russen in Heilbronn als Strauß in Bonn. Entspannung" an die geschmacklose „Peep-show“ der Bochumer Jungdemokraten, die Nacktphotos mit Porträts von Franz Josef Strauß versahen oder an den sonderbaren Humor in einer Broschüre, die die Junge Union Dortmund Nord-Ost unter der Adresse der CDU-Kreisgeschäftsstelle verteilte: „Wann ist die Bundesrepublik wieder in Ordnung? — Wenn Bundeskanzler Strauß am Grab von Willy Brandt die Witwe von Herbert Wehner fragt: , Wer hat eigentlich Egon Bahr erschossen?" Selbst wenn die Formel des CSU-Generalsekretärs, der Wahlkampf 1980 wäre „der häßlichste seit Bestehen der Bundesrepublik, seit 1949" ein wenig übertrieben erscheint — mußte in diesem Klima der Konfrontation nicht zwangsläufig jede noch so gut gemeinte ^Schieds-Kunst" zu „brotloser Kunst“ verkommen? Diese Fragestellung führt in der Bewertung der Wahlkampf-Schiedsstelle bewußt weg von Überlegungen, ob das glücklose Sittengericht nicht selbst geradezu einen „dröhnenden Resonanzboden für Unfairneß" (Rolf Zundel) abgab oder wie man derartige Fehlentwicklungen beim nächsten Mal eventuell vermeiden kann. Denn alle Erörterungen der offensichtlichen Konstruktionsschwächen des praktizierten Modells bleiben letztlich immanent, d. h. sie verkörpern einen — wie ich es einmal pointiert nennen möchte — „gehobenen Journalismus", sie sind — anders gewendet — ein sicherlich notwendiges, keineswegs aber ein hinreichendes Kennzeichen für die wissenschaftliche Analyse von politischen Institutionen und gesellschaftlichen Prozessen Denn eine solche reflektierende Betrachtungsweise zeichnet sich — sofern sie diesen Anspruch ernst nimmt — durch einen theoretischen Bezugsrahmen zur Einordnung des empirischen Materials aus In einem weiteren Schritt bleibt dann zunächst festzuhalten, daß die konkurrierenden Gesellschaftstheorien für eine Beschäftigung mit der Gemeinsamen Schiedsstelle wenig bringen. Für wen etwa die Wahl prinzipiell „ein wesentlicher Bestandteil des vom Monopolkapital beherrschten politischen, ideologischen und juristischen Unterdrückungsmechanismus“ ist, der kann eigentlich ein formelles Abkommen zur Einhaltung gewisser Mindestanforderungen an Anstand nur für ein besonders durchtriebenes Mittel „staatsmonopolistischer Wahllenkung" halten: „Das wahltaktische Aufbauschen von Meinungsverschiedenheiten über zweitrangige Fragen und lautstarke Angriffe besonders auf die jeweilige Spitzenkandidaten vernebeln vor den Augen des Wählers das der Sicherung der Monopolmacht dienende tatsächliche Zusammenspiel systemtragender Parteien.“ Und: „Der Wahlkampf hat bei allen vordergründigen Auseinandersetzungen zwischen den etablierten Bundestagsparteien das Ziel, gemeinsam von der wirklichen Alternative bei der Wahlentscheidung abzulenken, die sich gegenüber allen gegenwärtigen Bundestagsparteien in der Kandidatur der Partei der Arbeiterklasse, der DKP, zur Wahl stellt“

Weniger solch einäugige Betrachtungsweisen und der strikt-instrumentelle Charakter wissenschaftlicher Erklärungsmuster machen die diametral entgegengesetzte Pluralismus-Konzeption, die mehr oder minder deutlich den theoretischen Hintergrund für die meisten vorhandenen Wahlstudien abgibt, für eine Analyse der Wahlkampf-Schiedsstelle unfruchtbar, sondern die abstrakt-summarische Auflistung bestimmter „Funktionen der Wahl im demokratischen System“ die eine inhaltliche Beschäftigung mit dem Wahlkampf an sich abblockt. Denn unabhängig davon, ob sich Politiker oder Parteien gerade öffentlich umarmen oder einander verbal ans Leder wollen, artikulieren sich auf jeden Fall irgendwelche politischen Präferenzen, Forderungen und Erfahrungen des Wählers in der Stimmabgabe, wird die Vielzahl der Meinungen und Motive so oder so in Prozentzahlen für die konkurrie-renden Parteien integriert und damit einer bestimmten Konstellation Macht zugewiesen. Unabhängig vom Klima eines Wahlkampfes kann der Bürger theoretisch immer die Regierung kontrollieren, durch die regelmäßige Wiederkehr des Wahlaktes oder über „das Gesetz der antizipierten Reaktionen“, und sie möglicherweise abwählen, also politische Innovation versuchen. Der deutlichen Fixierung auf das statistische Ergebnis der Wahl unterliegen neben der kommerziellen Meinungsforschung, die nach den individuellen Gründen für das Wahlverhalten fragt, auch alle Korrelationen von Wahlstatistik und Sozialstruktur der Gesellschaft bis hin zur politischen Ökologie, die unterschiedliche Ergebnisse in bestimmten Regionen auf Abweichungen in besonderen Merkmalen zurückführt. Sogar die beschreibenden Ablaufstudien zu einem Wahlkampf, die meist ohne ausgesprochene Untersuchungshypothesen an die Arbeit gehen, interessieren sich nur dann für die Umgangsformen im politischen Meinungsstreit, wenn diese selbst zu einem issue zu werden drohen, der die Wahlentscheidung beeinflußt

Kritische Stimmen interpretieren diese vorherrschende Tendenz als bezeichnende Unterstreichung ihrer These, daß Wahlen ohnehin nur inhaltsleere Rituale darstellen abgekoppelt von den konkreten Bedürfnissen der wählenden Menschen, mit der einzigen Funktion, durch „demobilisierende Mobilmachung" (Wolf-Dieter Narr) eine diffuse Massenloyalität gegenüber einer Gesellschaftsordnung zu erzeugen, in der die formale Gleichheit bei der Stimmabgabe lediglich die umfassendere gesellschaftliche Ungleichheit zu verschleiern sucht „Während der empirische Wille der Bürger, wie er etwa in allgemeinen Wahlen... oder auch in der demoskopisch erkundeten . öffentlichen Meinung zutage tritt, für die traditionelle politische Soziologie das erste Glied einer Kette von Entscheidungsprozessen ist, deren weitere Glieder sich jeweils an den Rahmen zuvor gesetzter Prämissen halten, erscheinen diese Phänomene in der hier vertretenen Perspektive als die letzten Reflexe eines institutioneilen Gefüges, das in seinen strukturellen Mechanismen der Alternativen-und Prioritätenbildung funktional bezogen ist auf die Aufrechterhaltung des kapitalistischen Wirtschafts-und Gesellschaftssystems und das infolge dieser seiner funktionalen Festlegung, seiner daraus resultierenden Filterfunktionen und Entpolitisierungseffekte jenes Fundament loyaler Einstellungen erst erzeugt und konsolidiert, das die . pluralistische’ Schule als das ursprüngliche politischer Prozesse ausgibt." Den praktischen Schwierigkeiten aus diesem anspruchsvollen Programm, nicht nur die Umsetzung ökonomischer Macht in politische Herrschaft am Beispiel des Wahlkampfes zu bestätigen und jene „institutioneilen Filter" und „Selektionsmechanismen“ gegenüber einem aus sozio-ökonomischer Analyse abgeleiteten Veränderungswillen, die sich aus der Struktur des politischen Systems ergeben sollen, dort empirisch zu fassen, sondern auch eine Zuträglichkeitsgrenze hypothetisch zu bestimmen, jenseits derer der emotional aufgeladene rituelle Akt seine politische Überredungskunst verliert, ist die Forschung bislang freilich ausgewichen Kritische Wahlliteratur, sofern sie diese Kennzeichnung überhaupt verdient, -diskutiert vor Bundestagswahlen pragmatisch die Frage, welche denkbaren Durchsetzungschancen in der jeweiligen politischen Gesamtsituation wohl für die eigenen Ambitionen bestehen Ein Fairneßabkommen zwischen den Bundestagsparteien läßt sich folglich auch in die diversen Varianten einer Spätkapitalismus-Theorie nur schwer einfügen, die sich nach der periodischen Projektion ihrer Hoffnungen auf einen potentiellen Träger im Parteiensystem und der theoretischen Abklärung der Legitimationsfunktion des gesamten Organisationsspektrums anderen Problemen zuwendet

Unterhalb dieses Abstraktionsniveaus bietet sich für eine Betrachtung der Wahlkampf-Schiedsstelle das theoretische Konzept der „politischen Kultur" an das die spezifisch politischen Orientierungen und Haltungen der Bevölkerung zum politischen System und seinen verschiedenen Teilbereichen und die individuellen Einstellungen zur Rolle des Bürgers in der jeweiligen Ordnung zu erfassen sucht. Es handelt sich demnach zunächst um einen Sammelbegriff für die Werte und Normen, die das Verhalten des einzelnen im politischen Gefüge leiten; gleichzeitig aber unternimmt dieser Ansatz eine Verbindung von Mikro-und Makroebene, indem er die Gesamtheit aller Einstellungen, Werthaltungen und Umgangsformen, die sich in einer Gesellschaft auf das politische Handeln und die politischen Institutionen beziehen, zum jeweiligen „Nationalcharakter" aggregiert und nach der Verklammerung beider Analyseebenen fragt: „Ein* Konzept also, mit dem sich politische Wertorientierungen, politische Einstellungen, politisches Verhalten von Individuen und Kollektiven sowie deren Vermittlung und Aneignung in Prozessen politischer Sozialisation empirisch darstellen lassen sollen." Demnach geht es im folgenden nicht darum, den Bundestagswahlkampf „als spezifische Form politischer Kommunikation" zu untersuchen sondern umgekehrt um den Versuch, von der Praxis der besonderen Wettbewerbs-situation auf den allgemeinen Gesellschafts-zustand zu schließen. Das entspricht durchaus dem Selbstverständnis der handelnden Akteure. So erklärt Werner Wolf, der Wahlkampfleiter der hessischen CDU, in seinem Buch über Theorie und Praxis des Wahlkampfes: „Das Niveau des Wahlkampfes ist ein Spiegel des allgemeinen Kulturniveaus einer Gesellschaft." Und SPD-Schatzmeister Friedrich Halstenberg hielt es für „ein positives Zeichen unserer politischen Kultur“, daß sich die Bundestagsparteien auf einen Fairneßvertrag zu einigen vermochten

V. Fairneßabkommen: ein Produkt „made in Germany"?

In kritischer Wendung führen derartige Äußerungen zu der leitenden Fragestellung, ob das formell-feierliche Fairneßversprechen der etablierten Parteien nicht eine „typisch deutsche“ Konstruktion war Drückt sich in der Installierung einer besonderen Wahlkampf-Schiedsstelle nicht jene „verstellte Haltung zu sozialen Konflikten" aus, „die die deutsche Gesellschaft durchgehend bestimmt und die Entfaltung des demokratischen Prinzips in ihr hemmt" Wirkt hier etwa jene bedenkliche Mentalität des unpolitischen Deutschen nach, die ein Grundzug autoritären politischen Denkens ist? Indizien für einen so verstandenen „Mangel an politischer Kultur" lieferte der Bundestagswahlkampf 1980 durchaus: Da gab es fristlose Kündigungen wegen Tragens einer „Stoppt Strauß" -Plakete am Arbeitsplatz bis in die Gewerkschaften hinein und Suspendierungen vom Unterricht aus demselben Grund, als ob die grundgesetzlich verbürgte Meinungsfreiheit vor dem Werkstor endet oder erst mit der Volljährigkeit beginnt.

Allenfalls dürfen brave Schüler im öffentlich-rechtlich ausgewogenen Fernsehen mit den routinierten Parlamentspräsidenten der norddeutschen Küstenländer und Berlins „diskutieren", aber gar einen leibhaftigen Grünen zu einem Streitgespräch mit so gestandenen Politikern wie Gerhard Baum, Volker Hauff, An-ton Jaumann und Gerhard Stoltenberg über Energiepolitik einzuladen, führt schon wieder zu weit, könnte er doch womöglich in den 45 Sendeminuten Millionen von unbedarften Zuschauern zu überzeugten Kernkraftgegnern machen. Dieselbe Konfliktscheu als Angst des Politikers vor dem Bürger zeigte sich auch beim „Ärgernis von Bielefeld" als sorgfältig ausgewählte Fragesteller und ein zurückhaltender Moderator die Kulisse für eine ungetrübte Selbstdarstellung des Herausforderers bildeten. „Spontane" Wähler-Initiativen und Unterschriften-Aktionen wurden sicherheitshalber gleich von oben inszeniert und evangelische Pastoren, die die von Franz Josef Strauß vertretene Politik an ihrem christlichen Anspruch gemessen hatten, mußten ein förmliches . Amtszucht-Verfahren" über sich ergehen lassen.

Für die Annahme einer spezifisch deutschen Erscheinung spricht außerdem eine Konti-nuitätslinie von Wahlkampf-Abkommen in der Bundesrepublik, die nur bisher nicht so spektakulär in das Blickfeld der Öffentlichkeit rückte wie im letzten Bundestagswahlkampf. Diese — gebrochene — Tradition konnte sich deshalb weitgehend im Stillen festigen, weil es sich zunächst lediglich um technische Absprachen zur Begrenzung des Wahlspektakels handelte, die beispielsweise in Schleswig-Holstein seit 1950 regelmäßig abgeschlossen und dort sogar im Amtsblatt veröffentlicht werden Ähnlich problemarme Vereinbarungen gab es zumindest auch 1967 in Berlin zu den Landtagswahlen 1974 in Hessen und Bayern sowie 1975 in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz und im Saarland In Niedersachsen sind wie in weiteren Bundesländern gelegentliche mündliche Absprachen der Parteien, vereinzelt ergänzende regionale Abkommen von Untergliederungen über Begrenzungen der Plakatausstellung, der Klebezeiten und der Verteilung von Werbematerialien bis hin zu Übereinkommen örtlicher Kandidaten bekannt, nur eine festgelegte Anzahl von Podiumsveranstaltungen zu absolvieren Parallel zu den Bemühungen auf Bundesebene, die im Wahlkampfabkommen von 1965 einen frühen Höhepunkt fanden vollzogen sich also vergleichbare Entwicklungen in den Ländern, die dann allmählich auch um Fairneßversprechen erweitert wurden. So verabredeten CDU, SPD, FDP und SSW zur Landtagswahl 1971 in Schleswig-Holstein, „persönliche Verunglimpfungen sowie Unterstellungen" zu vermeiden, „die geeignet sind, die Ehre des politischen Gegners in Frage zu stellen oder zu verletzen“. Weiter heißt es: „Da die an dieser Vereinbarung beteiligten Parteien auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, verpflichten sie sich, darauf zu achten, daß während des Wahlkampfes das Ansehen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der parlamentarischen Demokratie keinen Schaden leidet.“ Denn „alle am Wahlkampf Beteiligten gehen davon aus, daß das Wohl des Landes und seiner Bürger Voraussetzung und Ziel der politischen Tätigkeit ist ... In Fällen berechtigter Beschwerden" wollten die Parteivorsitzenden oder ihre unmittelbar Beauftragten „durch unverzügliche Kontaktaufnahme Mißstände zu beseitigen trachten", wobei für die Veröffentlichung einer Rüge die Einstimmigkeit des Beschlusses erforderlich war

In ähnlicher Weise sahen das Hamburger Fairneßabkommen 1972, die Vereinbarung anläßlich der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 1979 und das Übereinkommen in Rheinland-Pfalz im gleichen Jahr bei etwaigen Verstößen sofortige Konsultationen der vertragschließenden Parteien über „entsprechende Maßnahmen" vor, wobei im letztgenannten Abkommen noch die besondere Absprache auffällt, „auf die Teilnahme an Veranstaltungen zu verzichten, wenn dazu auch Vertreter links-oder rechtsextremer politischer Parteien eingeladen sind“ -Eigene Schiedsgerichte installierten dann die Abmachungen zur Bremer Bürgerschaftswahl 1979, zu den Landtagswahlen 1980 im Saarland und in Nordrhein-Westfalen Vor diesem Hintergrund sei noch einmal gefragt: Bestätigt nicht auch der erkennbare Perfektionismus die These von der „typisch deutschen" Einrichtung? Für diesen Anschein spricht schließlich, daß ausländische Beobachter auf den Stil der politischen Auseinandersetzung mit Kopfschütteln reagierten, zumal sie gravierende innenpolitische Gegensätze zwischen den bundesdeutschen Wahlkämpfern nicht zu erkennen vermochten. Motto: „Je schwächer das Argument, desto schriller die Stimme." Daniel Dagan, dem Europa-Korrespondenten der israelischen Zeitung Haaretz fiel dabei „der permanente Zweifel an der demokratischen Sub-stanz des anderen" besonders auf Jonathan Carr von der Londoner Financial Times fand das Spektakel „alles andere als aufregend“, eher enttäuschend und „merkwürdig": „Als ob dies nicht schon genug wäre, bemüht sich die . Gemeinsame Schiedsstelle'unter Bischof Hermann Kunst eifrig um den guten Ton im Wahlkampf... Ich kann da nur sagen (auch auf die Gefahr eines öffentlich zurechtweisenden Zeigefingers hin): , Wie schade'."

VI. Schlußbemerkung: Wahlkampf der Verständigungsschwierigkeiten

Eine fundierte Antwort auf die entwickelten Fragen und damit eine solide Grundlage für die Bewertung der Wahlkampf-Schiedsstelle läßt sich forschungsstrategisch aus zwei Richtungen erwarten: Einmal aus einem interkulturellen Vergleich, also durch die empirische Prüfung, ob nicht auch in anderen Ländern entsprechende Versuche, den Wahlkampf zu befrieden, unternommen werden. Hier wekken allerdings die österreichische Parallele und das amerikanische Fair Campaign Practices Committee zumindest Zweifel an der verbreiteten These von der „typisch deutschen" Einrichtung Und wenn man zum anderen neben einem solchen internationalen Querschnitt den historischen Längsschnitt, der ja zu der Annahme einer traditionellen Konflikt-scheu des unpolitischen Deutschen führt, wenigstens ansatzweise auf seine Bestätigung oder Differenzierung durch jüngere Untersuchungen zum Wertewandel in den westlichen Industriegesellschaften hin abklopft, so signalisieren auch diese — trotz verbleibender Nuancen — als Tendenz die Einebnung ausgeprägter Profile im „Nationalcharakter" Diese Trendaussage, die vorerst lediglich die Brauchbarkeit des hier diskutierten Beispiels für die vorgestellte Interpretation bestreitet, läßt sich für die Bundesrepublik präzisieren: Noch im Mai 1965 befürworteten nach einer repräsentativen Erhebung 74 Prozent der westdeutschen Bevölkerung das damalige Wahlkampfabkommen zwischen den großen Parteien wohingegen nach Unterzeichnung der Vereinbarung vom März 1980 gut 71 Prozent glaubten, daß sich ohnehin niemand daran halten werde Daß die Bundestagsparteien mit ihrem Fairneßvertrag einem weit-verbreiteten Verlangen im Wahlvolk entgegenkamen, kann man angesichts solcher Skepsis nur schwerlich behaupten. Nachwahlbefragungen ergaben später, daß der verbale Schlagabtausch überwiegend als „übertriebene und unangemessene Auseinandersetzung" empfunden wurde, in der die tatsächlichen Gegensätze zwischen Regierungskoalition und Opposition „maßlos übertrieben" worden seien Auch diese Aussage läßt sich kaum als eine traditionell verstellte Haltung zu Konflikten interpretieren; sie weist meines Erachtens eher auf eine gesunde Portion Realismus hin. Daran ändert die Feststellung, daß die FDP mit ihrem seit längerem gepflegten Image der Vernunft zweifellos vom politischen Klima des Wahlkampfes profitierte, ebensowenig wie ein Umfrage-Ergebnis, wonach 37 Prozent aller Wähler die Kampagnen als ausgesprochen unfair einstuften Die verständliche Kritik am „rhetorischen Bürger-krieg" in der demonstrierten Weise gründet sich darauf, daß ein beträchtlicherTeil derjenigen, für die das ganze Schauspiel eigentlich ja inszeniert wird, die inhaltlichen Differenzen, die allein die Härte (nicht Unfairneß) einer politischen Kontroverse erklären könnten, nicht zu erkennen vermochte. Die Verdrängung der anstehenden Probleme durch Debatten über die öffentlichen Umgangsformen einiger Politiker signalisiert Unsicherheit in einer gesellschaftlichen Umbruchphase. Das Schwanken der etablierten Parteien zwischen forcierter Konfrontation und vertraglicher Rückversicherung verrät, was Negative Campaigning als überwiegend auf Angriff programmierte Wahlkampfführung im Grunde ist: „ein strategisches Ablenkungsmanöver in schwierigen politischen Situationen"

Daß der Stil der Auseinandersetzung selbst — wie demoskopisch ermittelt wurde — Informationsdefizite und Verunsicherungen geschaffen hat. die sich erst nach der Stimmabgabe als Besorgnisse und Ängste voll auswirken bleibt bei dem leitenden Interesse, ob das Institut der Gemeinsamen Schiedsstelle ein bezeichnendes Schlaglicht auf die politische Kultur der Bundesrepublik wirft, nur am Rande anzumerken, da methodisch zwischen längerfristig stabilen Einstellungen und solchen kurzfristigen Stimmungslagen unterschieden werden muß. Mir scheint, daß die Antwort auf die hier diskutierte Frage heute weniger in der gleichsam „klassischen" Mentalität des unpolitischen Deutschen, in seiner Harmonieseligkeit und seinen autoritären Neigungen zu finden ist, die eine Verlagerung von politischen Konflikten vor scheinneutrale Instanzen wie Schiedsstellen oder Gerichte ratsam macht, sondern daß das zentrale Dilemma darin liegt, daß das bundesdeutsche Parteiensystem infolge von verfestigten Struk-turmängeln das notwendige Mindestmaß an Synchronisation zwischen der gesellschaftlichen Entwicklung und dem Handeln der politischen Akteure auf Parlaments-und Regierungsebene nicht mehr gewährleistet.

Fussnoten

Fußnoten

  1. In seiner gleichnamigen Kolumne in der Welt vom 22. 9. 1979.

  2. Zur politischen Kultur in der Demokratie. Ein Diskussionspapier der Kommission Grundwerte beim SPD-Parteivorstand, Bonn 1980, S. 14 f. und S. 11 f. Vgl. zum Hintergrund der semantischen Kampagnen Iring Fetscher/Horst E. Richter (Hg.), Worte machen keine Politik. Beiträge zu einem Kampf um politische Begriffe, Reinbek bei Hamburg 1976, und als Überblick jetzt: Kampf um Wörter? Politische Begriffe im Meinungsstreit, hrsg. und eingeleitet von Martin Greiffenhagen, Bonn 1980.

  3. Das Abkommen ist im Wortlaut, einschließlich der Geschäftsordnung der Schiedsstelle, abgedruckt

  4. Beispielsweise in der Frankfurter Rundschau vom 15. 2. 1980: Sinnvolle Regeln. Vgl. zur Gesamt-problematik und mit dem gleichen Tenor Hartmut Klatt, Unermüdlich auf der Suche nach neuen Geld-Quellen, in: Frankfurter Rundschau vom 30. 1. 1980, und ders., Parteienfinanzierung — Dilemma ohne Ende?, in: Gegenwartskunde 4/1979, S. 451 ff., sowie zur Entstehungsgeschichte des Abkommens meine Kurzanalyse: Zur Problematik von Wahlkampfabkommen: Das Beispiel der Vereinbarungen vom 19. März 1980, in: ZParl 2/1980, S. 264— 271.

  5. Da für die anderen Parteien keine detaillierten Aufstellungen vorliegen, vgl. zur Kampagnenführung und zum Werbemitteleinsatz der CDU den ausführlichen Bericht der Bundesgeschäftsstelle. Anlage zum Bericht des Generalsekretärs, 29. Bundesparteitag, 9. /10. März 1981 — Mannheim, o. O.

  6. Besondere Zielgruppenaktionen der anderen Parteien sind dagegen nicht bekannt geworden. - Eine systematische Erfassung der Kosten des Bun-

  7. Die Rechenschaftsberichte der Parteien für 1980 wurden inzwischen im Bundesanzeiger Nr. 227 vom 4. 12. 1981 veröffentlicht; die angekündigten Anmerkungen zur Wahlkampfkostenbegrenzung fehlen allerdings.

  8. Das demonstrierte schon anhand der ersten regulären Berichte Uwe Schleth, Analyse der Rechenschaftsberichte der Parteien für 1968, in: ZParl 2/1970, S. 128 ff., von dem auch die letzte Monographie zum Thema stammt: Parteifinanzen. Eine Studie über Kosten und Finanzierung der Parteientätigkeit, zu deren politischer Problematik und zu den Möglichkeiten einer Reform, Meisenheim am Glan 1973; vgl. ergänzend Helmuth Günther, Wider die Jmgehung der finanziellen Rechenschaftspflicht der Parteien: Die Kapitalgeber müssen erkennbar “ leiben, in: ZParl 1/1977, S. 41 ff., und mit weiteren Belegen für die herrschende Praxis die Diplom-arbeit des Verfassers, Politologische Analyse der Parteienfinanzierung seit 1968, Hamburg 1980 (Masch.).

  9. Laut Spiegel vom 3. 3. 1980: Unternehmer. Dritte Station.

  10. Finanz-und Beitragsordnung vom 1. Januar 1972, Anlage zur Satzung der Christlich-Demokratischen Union, Landesverband Hamburg e. V„ in der Fassung vom 15. 2. 1976.

  11. Daran ändern auch Vorschläge wie die von Bundestagsvizepräsidentin Annemarie Renger (SPD), bei Überschreitungen Geldbußen zugunsten karitativer Einrichtungen einzuführen (bei Günter Mann, Grenzen für den politischen Sprechstreit? in: ZParl 1/1980, S. 15), oder von Hartmut Klatt, Abzüge von der staatlichen Wahlkampfkostenerstattung vorzunehmen bis hin zum Ausschluß (Zauberwort im Wahlkampf, in: Evangelische Kommentare 2/1980, S. 64), kaum etwas, wenn man die Bandbreite der Verschleierungsmöglichkeiten berücksichtigt Eine wirksame Eindämmung des finanziellen Aufwandes kann nach meiner Einschätzung nur über die Anbindung der Kostenerstattung an einen limitierten Werbeaufwand erfolgen.

  12. CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hg.), 29. Bundesparteitag der Christlich Demokratischen Union Deutschlands. Niederschrift, Mannheim, 9. bis 10. März 1981, Bonn o. J„ S. 49.

  13. Bericht der Bundesgeschäftsstelle, a. a. O„ S. 16.

  14. Das geht aus dem Bericht der Bundesgeschäftsstelle eindeutig hervor. Vgl. zu einer früher praktizierten Variante dieses Verfahrens den vertraulichen „Aktivitäten-Katalog Unternehmer“ aus dem Wirkungsbereich des CDU-Wirtschaftsrates, abgedruckt in: Das schwarze Kassenbuch. Die heimlichen Wahlhelfer der CDU/CSU, hrsg. vom Presseausschuß der Demokratischen Aktion (PDA) unter Mitarbeit von Bernt Engelmann, Köln 1973, S. 110 ff. — Auch bei den Freien Demokraten wurden von vornherein die für den Bundestagswahlkampf vorgesehenen Mittel „in sehr viel geringerem Maße als früher für zentrale Maßnahmen eingesetzt. Rund 40 % des Wahlkampfetats soll dazu dienen, Hand-lungsangebote (Hervorhebung des Vers.) für die Untergliederungen zu finanzieren". Zitiert nach FDP-Landesverband Hamburg, Geschäftsbericht 1979. Für den Landesvorstand vorgelegt vom Landesgeschäftsführer Hinnerk Fock auf dem Landesparteitag am 11. /12. Januar 1980, S. 60.

  15. Klaus Pokatzky, Wir sind die rechten Spontis, in: Die Zeit vom 19. 9. 1980. Vgl. zur „Bürgeraktion" auch Uwe Zimmer, Hilfe von den Dunkelmännern, in: Stern vom 8. 5. 1980, sowie allgemein zu den Aktivitäten der Jugendorganisationen der etablierten Parteien noch Jutta Roitsch, Viele stehen am Rande und schauen nur zu, in: Frankfurter Rundschau vom 18. 9. 1980.

  16. Rolf Zundel, Hochfahrend auf dem Schuldenberg, in: Die Zeit vom 20. 4. 1979, der die Gesamtausgaben der Bundestagsparteien in den Wahljahren von 1957 bis 1976 (notwendigerweise) geschätzt hat, geht für 1972 von 275 Millionen und 1976 von 354 Millionen Mark aus. Es ist selbst bei sparsamer Wahlkampfführung unwahrscheinlich, daß die Gesamtsumme für 1980 wesentlich unter der letzten Zahl liegt. Wolfgang Niess, Bundestagswahlen, in: ders. (Hg.), über die Wahl hinaus. Kritische Beiträge für skeptische Wähler, Reinbek bei Hamburg 1980, S. 11, vermutete im Frühjahr, daß allein die Kampagnen der Parteien wohl 300 Millionen DM kosten würden.

  17. So kommentierte Wolfgang Hoffmann in der Zeit vom 2. 2. 1973 schon die seinerzeitigen gegenseitigen Aufrechnungen über „tatsächliche" Ausgaben im Bundestagswahlkampf 1972 zwischen dem Monatsmagazin „Dialog" aus dem Springer-Verlag und der offiziellen Dokumentation der SPD. Vgl. dazu auch sein Buch: Die Finanzen der Parteien, München 1973.

  18. Die Entscheidungen der Schiedsstelle sind in den „Mitteilungen aus dem Bundestag“, hrsg. vom Presse-und Informationszentrum des Deutschen Bundestages, Nr. 31, 35, 36, 38, 40, 41, 43, 44, 45, 46 und 47/1980 publiziert worden. Eine statistische Auswertung bietet Hartmut Klatt in seinem Aufsatz: Wahlkampfführung und Wahlkostenbegrenzung. Möglichkeiten und Grenzen des Wahlkampf-abkommens 1980, in: ZParl 1/1981, S. 29.

  19. Die vorstehenden Beispiele sämtlich nach Gun-bild Freese, Teuer, irreführend und austauschbar. Bei ihrer Wahlkampagne verstoßen die Parteien gegen Grundregeln der Werbung, in: Die Zeit vom 3. 10. 1980. Vgl. zur Mannstein-Agentur, die neben anderen für die CDU arbeitet, den Artikel von Walter Bajohr, Wie man eine Partei vermarktet, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt vom 5. 10. 1980, und grundlegend die Studie von Heidrun Abromeit, Das Politische in der Werbung. Wahlwerbung und Wirtschaftswerbung in der Bundesrepublik, Opladen 1972.

  20. Diese Entscheidungsfähigkeit behob einen Konstruktionsfehler der Schiedsstelle von 1965. Siehe dazu den Erfahrungsbericht von Konrad Zweigert, neben Dieter Oberndorfer einer der beiden Vorsitzenden: Die Schiedsstelle zum Wahlkampfabkommen, in: AöR 4/1965, S. 500, und seinen nahezu identischen Aufsatz, Das Wahlkampfabkommen und seine Schiedsstelle. Einige Gedanken und Erfahrungen, in: Die moderne Demokratie und ihr Recht, Band 2 (Leibholz-Festschrift), hrsg. von Dietrich Bracher u. a„ Tübingen 1966, S. 367— 374; ferner Joel Busch, Sinn und Gefahr des Wahlkampfbegrenzungsabkommens, in: PolSt Heft 166/1966, S. 174 ff., und ders., Friedmar Lüke, Wir hatten die Wahl. Die Parteien im Kampf um die Macht 1965, München/Wien 1965.

  21. Hierzu über Heinrich Bußhoff, Politischer Stil — politische Kultur — politische Bildung. Versuch einer theoretischen Zuordnung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 25/1970, S. 3 ff., hinaus nach wie vor zunächst Klaus Eckhard Jordan, Zur Verwendung des Stilarguments in der Bundesrepublik Deutschland, in: PVS 1/1966, S.

  22. Andernfalls hätte man es statt der Einrichtung einer besonderen Honoratioren-Versammlung auch bei dem Weg über die Gerichte belassen können, der ohnehin mehrfach parallel beschritten wurde.

  23. In Anspielung auf das Mitglied der Schiedsstelle, Bischof Kunst; vgl. Rolf Zundel, Ein glückloses Sittengericht. Statt Schlichtung nur Mißbrauch, in: Die Zeit vom 12. 9. 1980.

  24. Vgl. Karl Friedrich Fromme, Ein bißchen Rempelei ist nicht das Schlimmste, in: Frankfurter Allgemeine vom 30. 9. 1980.

  25. Zitiert nach Gottfried Capell, Oberhäuptling der Wucherer, Volksbetrüger und 4 andere SPD-Entgleisungen gerügt, in: Die Welt vom 11. 9. 1980.

  26. Bischof Kunst, nach Angaben des Spiegel vom 8. 9. 1980: Kapital des Vertrauens.

  27. Die folgende Erörterung klammert die Frage aus, ob Parteien überhaupt berechtigt sind, derartige Abkommen zu treffen. Verfassungsrechtliche Bedenken trug seinerzeit vor Adolf Schüle, Das Bonner Wahlkampfabkommen vom 9. Januar 1965, in: AöR 1/1965, S. 82.

  28. Klaus Dreher, Verantwortlich für den Wahlkampfstil bleiben die Parteien, in: Süddeutsche Zeitung vom 8. 1. 1980.

  29. Vgl. Volkmar Hoffmann, Geißlers Wortspiel mit dem Betrugsparagraphen, in: Frankfurter Rundschau vom 9. 9. 1980.

  30. So die Formel von Bischof Kunst, zitiert nach Der Spiegel vom 28. 7. 1980: Um die Weißwurst; dort auch das Folgende.

  31. Nach diversen Pressemeldungen hegte der Vorsitzende das „hohe pädagogische Ziel", daß der Wahlkampf einen „Reifeprozeß" auslösen werde und danach die Parteien einer Schiedsstelle 1984 noch größere Vollmachten einräumen würden.

  32. Vgl. dazu mit Literaturhinweisen Reinhart Gassmann u. a., Karikaturen. Didaktische Anregungen zu neun verschiedenen Themen, in: Politik und Unterricht 2/1978, S. 2ff.

  33. Vgl.den Spiegel vom 26. 5. 1980: Geholzt und gehackt.

  34. In ähnlicher Weise sah FDP-Generalsekretär Günter Verheugen das Verhältnis seiner Partei zu den Jungdemokraten durch das Wahlkampfabkommen nur „insoweit betroffen, als sich die Parteien in § 1, Spiegelstrich 6, verpflichten, . sich von Äußerungen Dritter zu distanzieren, die in Publikationen oder in sonstiger Weise öffentlich unwahre, verleumderische oder beleidigende Behauptungen erheben und diese gleichzeitig mit einer Unterstützungserklärung für eine der Parteien zu verbinden“ (Schreiben an den Verfasser vom 22. 12. 1980).

  35. Zitiert nach Der Spiegel vom 28. 7. 1980, a. a. O.

  36. Im Wortlaut abgedruckt in der Frankfurter Rundschau vom 13. 9. 1980 unter dem Titel: „Nicht unbeherrscht?“

  37. Das umstrittene „Wort der deutschen Bischöfe zur Bundestagswahl 1980“, der sogenannte HirtenBrief vom 25. August 1980, findet sich wörtlich in der Frankfurter Allgemeinen vom 22. 9. 1980: „Politik muß Gottes Gebot folgen“. Vgl. zu Wahlhilfen der katholischen Kirche ferner die Frankfurter Rundschau vom 23. 8. 1980: Bischöfliche . Arbeitshilfe“ wider sozialistische Politik, ferner Gerhard Kromschröder, Wer Strauß nicht wählt, kommt in die Hölle, in: Stern vom 2. 10. 1980. Zur Entrüstung

  38. Der Spiegel vom 8. 12. 1980: SPD. Schüren und löschen.

  39. Zitiert nach Helmut Herles, Den Versuchungen eines negativen Strauß-Bildes widerstehen, in: Frankfurter Allgemeine vom 20. 8. 1979. Für weitere Wehner-Briefe mit gleichem Tenor vgl. im Wortlaut den Abdruck in der Frankfurter Rundschau vom 16-5. 1980: Herbert Wehner warnt vor Kläffern und Selbstgefälligkeit der SPD, sowie den Hinweis in der Frankfurter Rundschau vom 17. 9. 1980: Wehner erinnert an Skandale.

  40. Egon Bahr, Wahlkampf: Wahlkampfabkommen tritt am 1. Juli in Kraft, in: Informationsdienst intern Nr. 6 vom 2. 4. 1980, charakterisierte das Fairneßversprechen immer als „Test" oder „Chance, Ausuferungen der politischen Auseinandersetzung zu vermeiden, die den Bürger mit Recht abstoßen". Sieht man einmal von der trügerischen Hoffnung ihres stellvertretenden Vorsitzenden Hans-Jürgen Wischnewski ab, den Herausforderer vor der Schiedsstelle „vorführen“ zu können (Hinweis bei Zundel, a. a. O.), so war die einzig erkennbare Sorge in diesem Zusammenhang von Seiten der Sozialdemokraten, ob das Abkommen nicht für den Kanzler-Kandidaten Strauß arbeiten würde.

  41. So Der Spiegel vom 15. 9. 1980: Stoiber — „der Mann fürs Grobe“.

  42. Rolf Zundel, Ein Riß in der Republik, in: Die Zeit Vom 26. 9. 1980.

  43. Pressemitteilung der CDU-Bundesgeschäftsstelle vom 4. 9. 1980.

  44. Vgl. für 1969 die Hinweise bei Ulrich Dübber, Geld und Politik. Die Finanzwirtschaft der Parteien, Freudenstadt 1970, S. 76, und bei Ossip K. Flechtheim, Dokumente zur parteipolitischen Entwicklung in Deutschland seit 1945, 8. Band, A Parteienfinanzierung, B. Zwischenparteiliche Beziehungen, Berlin 1970, S. 472 ff. 1972 unterschrieben die anderen Parteien trotz der nachdrücklichen Aufforderung der FDP das von ihr ausgearbeitete Abkommen nicht, siehe dann fdk-Ausgabe 54 vom 24. 3. 1976: F. D. P. fordert Wahlkampf-Abkommen, und als regionale Ergänzung des Abkommens von 1980 den Vorschlag von Landesgeschäftsführer Hinnerk Fock, „auf Stellschilderwerbung durch die Parteien in Hamburg zukünftig ganz zu verzichten" (zitiert nach Die Welt vom 24. 8. 1979: FDP warnt vor Schilder-Schlacht im Wahlkampf).

  45. Vgl. auch fdk-Ausgabe Nr. 150 vom 22. Mai 1980: F. D. P. begrüßt Konstituierung der Schiedsstelle.

  46. So der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Hans D. Engelhardt, Die F. D. P. auch im Wahlkampf um Fairneß bemüht, in: fdk-Tagesdienst vom 28. August 1980.

  47. Zitiert nach Hamburger Morgenpost vom 2. 10. 1980: Minister Genscher: „Strauß hat sich disqualifiziertr

  48. fdk-Ausgabe Nr. 281 vom 10. September 1980: Verheugen will Gespräch über Schiedsstelle.

  49. Roman Arens, Strauß nennt den Bundeskanzler „Friedensschwätzer''und „Panikprophet''; in: Frankfurter Rundschau vom 15. 9. 1980. In einem Interview mit der Illustrierten Stern vom 2. 10. 1980 im Rahmen des Berichtes „Wer wird gewinnen?" sagte Schmidt: „Nach dem Wahltag ist die Schiedsstelle kein Thema mehr."

  50. Obwohl Bischof Kunst, der seine Unterlagen inzwischen dem Bundestagspräsidenten für das Archiv des Hauses übergeben hat, den Parteien anheimgestellt hatte, den eigenen Bericht der Schiedsstelle über ihre Tätigkeit, die anhängende Auswertung der Presseberichte und der Rundfunk-und Fernsehsendungen sowie seine abschließende Stellungnahme und sogar die Protokolle der Verhandlungen zugänglich zu machen (Schreiben an den Verfasser vom 19. 3. 1981), werden «diese Quellen dort unter Verschluß gehalten. Nach Hartmut Klatt, Die Leistung der fünf „Schiedsrichter", in: Das Parlament vom 8. 11. 1980, gibt es darin Verbesserungsvorschläge, „aber auch den Hinweis, daß das Experiment im ganzen gelungen sei".

  51. Am Donnerstag, dem 11. 9. 1980, um 20. 15 Uhr in der ARD unter dem Titel: Deutschland vor der Wahl.

  52. Kurt Becker, Die Bombe vor der Wahl. Die Chancen des Franz Josef Strauß: Geschmälert durch Maßlosigkeit, in: Die Zeit vom 3. 10. 1980.

  53. Vgl. dazu Mario R. Dederichs/Sebastian Knauer, Linke Sprüche aus der rechten Ecke, in: stern vom 210. 1980, und Dirk Cornelsen, CDU arbeitet weiter mit gefälschten angeblichen Juso-Zitaten, in: Frankfurter Rundschau vom 2. 10. 1980.

  54. Peter Martens, Schlimme Entgleisung, in: Hamburger Morgenpost vom 9. 9. 1980.

  55. Nach Braunschweiger Zeitung vom 16. 8. 1980: SPD ruft Wahlkampf-Schiedsstelle wegen Äußerung von Zimmermann an, und stern vom 28. 8. 1980: Worte der Woche.

  56. Zitiert aus einem Streitgespräch in der Illustrierten Quick vom 31. 7. 1980 mit Günter Verheugen.

  57. Eine Sammlung von Kraftsprüchen aus früheren Wahlkämpfen bietet W. Hertz-Eichenrode, Immer lauter, in: Die Welt vom 17. 9. 1980; viele Beobachter gingen auch davon aus, daß der Bundestagswahlkampf 1972 insgesamt noch härter geführt worden ist. Peter Glotz, der neue Bundesgeschäftsführer der SPD, tat sich in einem Interview mit Günter Walter, Muß der Wahlkampf „reformiert“ werden? mit einer Verdammung auch deshalb schwer, „weil ich immer wieder Gelegenheit hatte, Wahlkämpfe in anderen demokratischen Ländern zu beobachten, die auch nicht grundsätzlich anders ablaufen als bei uns", in: Vorwärts vom 9. 10. 1980.

  58. So überschrieb Hans Jörg Sottorf in Anspielung auf den Vorsitzenden des Gremiums noch seinen Artikel zum Wahlkampf im Handelsblatt vom 11. 9. 1980.

  59. Roderich Reifenrath, Brotlose Kunst, in: Frank furter Rundschau vom 2. 9. 1980. Neben einem Essay „über die Wahlkampfversicherungen der Politiker“ mit zehn Geboten („Du sollst nicht rufmorden“) eines Dominikanerpaters (nach Gerhard Ziegler, Mit Hämmern und Knoblauch, in: Frankfurter Rundschau vom 24. 7. 1980) hat das Bemühen um Wahlkampf-Fairneß eine Reihe von Satiren provoziert, vgl. etwa Erich Böhme, Beschwerde, in: Der Spiegel vom 11. 8. 1980, oder Christoph Hirsch, Strauß ist eine männliche Skandalnudel, in: stern vom 11. 9. 1980, sowie Chlodwig Poth, Aus Wahlkämpfen lernen, in: Vorwärts special 10/1980.

  60. Damit will ich nicht bestreiten, daß es angesichts der Breite und Intensität gesellschaftlichen Wandels, im Hinblick auf die zunehmende Resignation des einzelnen vor der Unüberschaubarkeit der Politik und nicht zuletzt auch zur Verständigung einer stark arbeitsteilig fragmentierten Wissenschaft sinnvoll sein kann, gleichsam als „Chronist des politischen Prozesses" auf wichtige Entscheidungen und aktuelle Entwicklungen hinzuweisen, ohne daß im Einzelfall immer die Zeit zu ausreichender theoretischer Reflexion gegeben sein mag.

  61. Von grundlegenderen Kriterien wie Offenlegung der normativen Vorgaben oder intersubjektive Prüfbarkeit der mitgeteilten Informationen darf ich im Moment einmal absehen.

  62. Autorenkollektiv, Staatsrecht bürgerlicher Staaten. Ein Lehrbuch, Berlin (DDR) 1980, S. 80 und S. 86.

  63. Günther Judick, Zur Funktion der etablierten Parteien im staatsmonopolistischen System der BRD. in: Marxisüsche Blätter 2/1976, S. 7. Das scheint auch 1980 wieder gelungen zu sein. Vgl. abschließend Rolf Ebbighausen/Peter Kirchoff, Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus und politische Praxis der DKP, in: Monopol und Staat. Zur Marx-Rezeption in der Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus, hrsg. von Rolf Ebbighausen, Frankfurt am Main 1974, S. 322ff.

  64. Z. B. Werner Kaltefleiter/Peter Nißen, Empirische Wahlforschung. Eine Einführung in Theorie und Technik, Paderborn 1980, S. 21 ff.

  65. Siehe als Beispiel jetzt Ursula Feist und Klaus Liepelt, Stärkung und Gefährdung der sozialliberalen Koalition. Das Ergebnis der Bundestagswahl vom 5. Oktober 1980, in: ZParl 1/1981, S. 38 f. Da die Auswertung der letzten Wahl noch läuft vgl. als repräsentativen Querschnitt: Entscheidung ohne Klarheit Anmerkungen und Materialien zur Bundestagswahl 1976, hrsg. von Dieter Just und Peter Röhrig, Bonn 1978, ferner Wahlforschung: Sonden im politischen Markt, 2. erw. Ausl. Opladen 1977, sowie Max Kaase (Hg.), Wahlsoziologie heute. Analysen aus Anlaß der Bundestagswahl 1976, in: PVS 2, 3/1977, und Dieter Oberndorfer (Hg.), Wahlverhal ten in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1978.

  66. Murray Edelmann, Politik als Ritual. Die symbolische Funktion staatlicher Institutionen und politischen Handelns, Frankfurt/New York 1976, S. 10.

  67. Vgl. etwa Ralph Miliband, Der Staat in der kapitalistischen Gesellschaft. Eine Analyse des westlichen Machtsystems, Frankfurt am Main 1975, S. 259.

  68. Wolf-Dieter Narr und Claus Offe in der Einleitung zu dem von ihnen hrsg. Reader, Wohlfahrtsstaat und Massenloyalität, Köln 1975, S. 31; zum theoretischen Gerüst eines darauf basierenden Forschungsprogramms die folgenden Seiten.

  69. Deutlich bescheidener-vage Wolf-Dieter Narr selbst in seinem Editorial, Parteienstaat in der BRD ein Koloß auf tönernen Füßen, aber mit stählernen Zähnen, zu dem von ihm hrsg. Sammelband, Auf dem Weg zu Einparteienstaat, Opladen 1977, S. 21; zu unbestimmt als Anleitung für eine empirische Analyse auch die dortige theoretisch-orientierte Abhandlung von Johannes Agnoli, Wahlkampf und sozialer Konflikt, S. 213f.

  70. Beispielsweise Parlamentarisches Ritual und Politische Alternativen, hrsg. von Roland Roth, crankfurt/Main, New York 1980, und auch Lutz Mez/Ulf Wolter (Hg.), Die Qual der Wahl. Ein Weg-Weiser durch die Parteienlandschaft zur Bundestagswahl, Berlin 1980.

  71. Vgl. zusammenfassend Michael Th. Geven, Parteien und politische Herrschaft. Zur Interdependenz von innerparteilicher Ordnung und Demokratie in der BRD, Meisenheim am Glan 1977.

  72. Die Anregung hierzu erwuchs aus der Zusammenarbeit mit Peter Reichel am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Hamburg. Vgl. für einen aktuellen Überblick über die schier unübersehbare Literatur jetzt sein Buch, Die politische. Kultur der Bundesrepublik. Eine Einführung, Opladen 1981 (im Erscheinen), und Martin und Sylvia Greiffenhagen, Ein schwieriges Vaterland. Zur politischen Kultur Deutschlands, 3. Ausl. München 1980, ferner die Sammelbesprechung von Dirk Berg-Schlosser, Politische Kultur der Bundesrepublik, in: PVS-Literatur 1/1980, S. 36— 42, sowie das Schwerpunktheft „Politische Kultur in der Bundesrepublik“ der Materialien zur Politischen Bildung 1/1980. Zum Konzept selbst darüber hinaus grundlegend Dirk Berg-Schlosser, Politische Kultur. Eine neue Dimension politikwissenschaftlicher Analyse, München 1972, und ergänzend Patrick Dias, Der Begriff „Politische Kultur“ in der Politikwissenschaft, in: Dieter Oberndorfer (Hg.), Systemtheorie, Systemanalyse und Entwicklungsländerforschung, Berlin 1971, S. 409ff., und Lucian W. Pye, Culture and Political Science: problems in the evaluation of the concept of political culture, in: Social Science Quarterly Vol. 53/1972, S. 285— 296, sowie jetzt: David Elkins/Ri-chard E. B. Simeon, A Cause in Search of its Effect or What does Political Culture explain, in: Comparative Politics, January 1979, S. 127— 145.

  73. Peter Reichel, Politische Kultur — mehr als ein Schlagwort? Anmerkungen zu einem komplexen Gegenstand und fragwürdigen Begriff, in: PVS 4/1980, S. 394; vgl. auch die daran anknüpfenden Diskussionsbeiträge des Forums „Politische Kultur", in: PVS 171981, S. llOff., und im kommenden Heft dieser Zeitschrift.

  74. Nach dem Vorschlag von Ekkehardt Lippert u. a., Wahlkämpfe als spezifische Form politischer Kommunikation, in: Politikfeld-Analysen 1979. Wissenschaftlicher Kongreß der DVPW 1. — 5. Oktober 1979 in der Universität Augsburg. Tagungsbericht, hrsg. im Auftrag der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft von Thomas Ellwein, Opladen 1980, S. 109 ff.

  75. Der Wahlkampf. Theorie und Praxis, Köln 1980, S. 11.

  76. In einem Schreiben an den Verfasser vom 10. März 1980.

  77. Vgl. allgemein, aber ohne unmittelbaren Ertrag für die hier diskutierte Frage Rainer A. Roth, Was ist typisch deutsch? Image und Selbstverständnis der Deutschen, Freiburg/Würzburg 1979.

  78. Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München 1971, S. 156.

  79. Vgl. Heinz Brüggemann u. a., über den Mangel an politischer Kultur in Deutschland, Berlin 1978.

  80. Dieter Buhl, Die sanfte Tour. Müder Wahlkampf — Mattes Fernsehen, in: Die Zeit vom 12. 9. 1980; dazu auch Der Spiegel vom 8. 9. 1980: Erlesene Schar.

  81. Siehe Der Spiegel vom 28. 7. 1980: Keine Moral.

  82. Vgl. Gerhard Seehase, Ein Strauß mit den Pastoren, in: Die Zeit vom 5. 9. 1980, und Karsten Plog „Christlicher Anspruch von Strauß in Lug und Trug, in: Frankfurter Rundschau vom 22. 9. 1980.

  83. Nach Frankfurter Allgemeine vom 8. 4. 1969: Parteien suchen dem Wahlkampf Grenzen zu setzen.

  84. Abgedruckt bei Dübber, a. a. O., S. 142f„ und bei Flechtheim, a. a. O„ S. 471 f.

  85. Nach einer Aufstellung, die mir freundlicherweise Peter Radunski von der CDU-Bundesgeschäftsstelle zur Verfügung gestellt hat.

  86. Soweit nicht anders belegt, beziehe ich mich auf eine schriftliche Umfrage in der Bundesländern bei der Landesgeschäftsstelle der jeweiligen Regierungspartei bzw. auf Photokopien der zitierten Abkommen. Vgl. zum Wert örtlicher Absprachen noch die Auszüge aus der Börner/Koschnik-Analyse im Parteien-Jahrbuch 1976. Dokumentation und Analyse der Entwicklung des Parteien-Systems der Bundesrepublik Deutschland im Bundestagswahljahr 1976, hrsg. von Heino Kaack und Reinhold Roth, Meisenheim am Glan 1979, S. 472 f., und Hartmut Görler, Interaktionen der Parteien im Wahlkampf, in: Etablierte Parteien im Wahlkampf. Studien zur Bremer Bürgerschaftswahl 1975, hrsg. von Reinhold Koth und Peter Seibt, Meisenheim am Glan 1979, S. 333 f.

  87. Schon zur Bundestagswahl 1961 hatte es aus Wahltaktischen Gründen diesbezügliche Vorschläge von Ulrich Lohmar (SPD) gegeben (vgl. dazu Otto Verdenhalven, Die Bundestagswahl. Formen und Probleme des Wahlkampfes, Opladen o. J., S. 3); zr Motivation von 1965 siehe noch Günter Struve, Kampf um die Mehrheit. Die Wahlkampagne der SPD 1965, Köln 1971, S. 143 f.

  88. Zitiert nach CDU-Landesdienst Schleswig-Holstein Nr. 35 vom 1. 3. 1971. Unter Punkt 7 heißt es dort: „Wie in früheren Wahlkämpfen werden die Landesgeschäftsführer der Parteien Absprachen über die technischen Einzelheiten des Wahlkampfes treffen. Dazu gehören auch Vereinbarungen über den Zeitraum für die Ausgabe und Verteilung von Flugblättern.“

  89. Zitiert nach einer Kopie im Besitz des Verfassers; dieser Passus ist auch der einzige Inhalt einer ergänzenden Vereinbarung zum Bundesabkommen in Rheinland-Pfalz vom 9. September 1980.

  90. Das letztgenannte Abkommen ist zugänglich als Anlage zum Infodienst Organisation der SPD Nordrhein-Westfalen Nr. 10 vom 6. 3. 1980 und in Landtag-intern NRW Nr. 6 vom 3. 3. 1980.

  91. Frankfurter Allgemeine vom 1. 10. 1980: Kopfschütteln über den deutschen Wahlkampf. In Skandinavien sind schrille Töne verpönt.

  92. Demokraten im Zweifel. Noch immer suchen die Deutschen nach ihrer eigenen Identität, am 19. 9. 1980 in der Zeit, die während des Wahlkampfes einer Reihe von Bonner Ausländskorrespondenten die Gelegenheit zum Kommentar gab.

  93. Politik soll Spaß machen. Wider die selbstverordnete Artigkeit im deutschen Wahlkampf, in: Die Zeit vom 12. 9. 1980. Für den Hinweis von Hartmut Klatt in seiner ersten Bilanz in der Zeitung Das Parlament, a. a. O., daß ausländische Beobachter sich ausführlich über die Wächterinstanz haben informieren lassen mit der Andeutung, daß diese ein Vorbild für ihre Staaten sein könne, habe ich keine Belege gefunden.

  94. Siehe dazu ausführlich meinen Aufsatz „Regeln für den Wahlkampf. Eine komparatistische Skizze", der in der Ausgabe 1/1982 in der Zeitschrift Gegenwartskunde erscheint.

  95. Ich will hier die grundlegende Kritik am theoretischen Ansatz nicht wiederholen, siehe aber als empirischen Kontrast zur immer noch nachwirkenden Arbeit von Gabriel Almond/Sidney Verba, The Civic Culture. Political Attitudes and Democracy in Five Nations, Princeton N. J. 1963, und ihrer Rezeption — komprimiert jetzt bei Carl Bohret u. a., Innenpolitik und politische Theorie. Ein Studienbuch, Opladen 1979, S. 85 f. — im hier vertretenen Sinne die vergleichenden Studien von Ronald Inglehart, The Silent Revolution. Changing Values and Political Styles among Western Publics, Princeton 1977, und von Samuel H. Barnes, Max Kaase et. al., Political Action. Mass Participation in Five Western De-mocracies, Beverly Hills 1979, sowie die darauf basierende Diskussion in: Sozialer Wandel in Westeuropa. Verhandlungen des 19. Deutschen Soziologen-tages, 17. — 20. April 1979 im ICC Berlin. Im Auftrage der Deutschen Gesellschaft für Soziologie hrsg. von Joachim Matthes, Frankfurt/New York 1979, S. 505 ff., und in: Helmut Klages, Peter Kmieciak (Hrsg.), Wertwandel und gesellschaftlicher Wandel, Frankfurt/New York 1979, S. 279ff„ ferner neuerdings auch unmittelbar David P. Conradt, Changing German Political Culture, in: Gabriel A Almond/Sidney Verba, The Ciciv Culture Revisited, Boston-Toronto 1980, S. 212— 272, bekräftigt durch: Politischer Protest in der Bundesrepublik Deutschland. Beiträge zur sozialempirischen Untersuchung des Extremismus. Eine Arbeit der Infratest Wirtschaftsforschung GmbH, Stuttgart u. a. 1980. Auch wenn sich der angedeutete „Paradigmenwechsel" (Joachim Raschke, Politik und Wertwandel in den westlichen Demokratien, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 36/1980, S. 24ff.) vorerst lediglich für eine Minderheit vollzieht, so scheint mir dieser Trend doch ausreichend, um Kontinuitäten (etwa Werner Habermehl, Sind die Deutschen faschistoid? Ergebnisse einer empirischen Untersuchung über die Verbreitung rechter und rechtsextremer Ideologien

  96. Institut für angewandte Sozialwissenschaft (Hg.), ifas-Report für die Presse, Bad Godesberg, 25. 5. 1965, zitiert nach Fritz Sänger, Wahlkampfabkommen und Wahlwerbung, in: ders. und Klaus Liepelt (Hg.), Wahlhandbuch 1965. Sammlung von Texten, Daten, Dokumenten zu Wahlrecht, Wahlkampf, Wahlergebnissen, Wahlkreisen, Frankfurt am Main 1965, S. 332.

  97. Nach einer Photokopie des Politbarometers, die mir freundlicherweise die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen e. V. zur Verfügung gestellt hat.

  98. Bei Dieter Just, Orientierungsprobleme. Zur Bundestagswahl 1980 und ihren Konsequenzen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 18/1981, S. 19 und S. 26— Fragen wirft diese nüchterne Einstellung allerdings im Zusammenhang mit Behauptungen auf, 94 Prozent der Bürger meinten, sie könnten „da oben“ ohnehin nichts ändern (nach Peter Gillies, Am heißen Brei vorbei, in: Die Welt vom 30. 9. 1980).

  99. Nach Werner Kaltefleiter, über die Polarisierung der Politik. Die Bundestagswahl vom 5. Oktober 1980, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 18/

  100. Peter Radunski, Wahlkampfstrategien '80 in den USA und in der Bundesrepublik. Personalisierung - Angriffswahlkampf - Dramatisierung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 18/1981, S. 41.

  101. Just, a. a. O., S. 28. Vgl. auch Walter Dirks, „Nach dem 5. Oktober wird nichts so sein, wie es vor vier Jahren gewesen ist", in: Vorwärts vom 2. 10. 1980.

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Göttrik Wewer, Dipl. -Pol., geb. 1954; Studium der Politikwissenschaft, Soziologie, des Öffentlichen Rechts, der Volkswirtschaftslehre und der Neueren Geschichte in Braunschweig und Hamburg; seit 1981 wiss. Mitarbeiter am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Hamburg. Veröffentlichungen: »Splitterparteien“ („Sonstige" Parteien) in der Bundesrepublik. Anmerkungen zu einem vernachlässigten Aspekt des Parteiensystems, in: Gegenwartskunde 2/1980; Zur Problematik von Wahlkampfabkommen: Das Beispiel der Vereinbarungen vom 19. März 1980, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 2/1980; Regeln für den Wahlkampf? Eine komparatistische Skizze (mit didaktischen Anregungen), in: Gegenwartskunde 1/1982.