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Vaterland versus Muttersprache. Deutsche Schriftsteller und deutsche Nation | APuZ 11/1982 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 11/1982 West-östliche Goethe-Bilder. Zur Klassikrezeption im geteilten Deutschland Vaterland versus Muttersprache. Deutsche Schriftsteller und deutsche Nation

Vaterland versus Muttersprache. Deutsche Schriftsteller und deutsche Nation

Helmut L. Müller

/ 51 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die deutsche Frage steht wieder im Mittelpunkt der publizistischen Auseinandersetzung. In der neuen Debatte über Deutschland liefern die Schriftsteller wichtige Stichworte. Die Literaten sehen in der Idee der „Kulturnation" zunehmend die letzte Klammer für die Deutschen in Ost und West. Diese Vorstellung akzentuiert heute das Nationsverständnis der meisten Autoren: das „Vaterland", d. h. die politische Nation, spielt für sie nicht länger die bewußtseinsprägende Rolle; die „Muttersprache", d. h. die Kultur-und Sprachnation, ist an seine Stelle getreten. Der Begriff der „Kulturnation" bezeichnete die Utopie der Literaten im 19. Jahrhundert, eine deutsche Nation voluntaristisch durch Kultur und Sprache zu begründen, weil sie als politische Größe nicht existent war. Der Kampf um die Kultur-und Sprachnation, die sich von der Staatsnation zu trennen begann, bestimmte die deutsche Literatur im 19. Jahrhundert und noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg stand ein neues demokratisches, einheitliches Deutschland bei den Schriftstellern im Mittelpunkt politischer Wünsche. Die deutschen Autoren hegten die Hoffnung, daß die bindende Kraft der Kultur das Auseinanderfallen des Landes unmöglich machen werde. Aber die deutschen Schriftsteller wandten sich vergeblich gegen die deutsche Spaltung. In den fünfziger Jahren appellierten die Schriftsteller zwar weiter an die Deutschen, sich auf ihr geteiltes Los zu besinnen und die Trennung zu überwinden. Aber die Literaten erkannten bald, daß mit der politischen Teilung auch in der Literatur eine Dualität an die Stelle der Einheit getreten war. Dieses Bewußtsein von einer gespaltenen Literatur in einem gespaltenen Land verschärfte sich nach dem Mauerbau 1961. Nicht mehr der Begriff der National-Literatur, sondern eine Tendenz der Regionalisierung bestimmte nach 1960 die deutschsprachige Literatur. Der Mauerbau evozierte aber auch eine spezifische „Teilungsliteratur", die im Grunde gegen die Trennung anschrieb. Die neue Deutschland-und Ostpolitik der sozial-liberalen Koalition fand ab 1969 vor allem wegen ihres moralischen Anspruchs den Beifall der deutschen Schriftsteller. Gleichwohl flammte Ende der siebziger Jahre die Diskussion über Deutschland erneut auf. In der deutschen Literatur zeichnete sich eine Konvergenzbewegung ab. Viele Schriftsteller neigen heute zu der Auffassung, daß der Literatur eine besondere Verantwortung für den Zusammenhalt der Nation zufällt. Hinter ihrer Idee einer „Kulturnation" stehen zwar mancherlei Fragezeichen. Aber der Begriff erscheint insofern fruchtbar, als er wegführt von der obsoleten Konzeption des Bismarckschen Nationalstaats.

Vorbemerkung

Die deutsche Frage war 1981 ein Hauptthema der publizistischen Auseinandersetzung. Zwei Jahrestage lieferten den politischen Kommentatoren reichlich Stoff: vor zwanzig Jahren besiegelte der Mauerbau die deutsche Teilung; vor zehn Jahren entschärfte das Vier-Mächte-Abkommen die gespannte Lage in Berlin. Die neue Diskussion über Deutschland hatte freilich schon zu Beginn des Jahres Günter Gaus bei seinem Abschied als Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in der DDR entfacht Gaus gab zu bedenken, wir müßten . möglicherweise sogar darauf verzichten, den Begriff der Nation weiter zu verwenden“ Für das Gros der Politiker in der Bundesrepublik war Gaus damit vom Pfad der Tugend in der Deutschland-Politik abgewichen. Denn die Idee der „Einheit der deutschen Nation" ist nach wie vor ein Axiom der westdeutschen Politik gegenüber der DDR.

Indem der Politiker Günter Gaus die Kategorie der Nation zur Disposition stellte, brachte er sich aber auch in Gegensatz zu den Schriftstellern in der Bundesrepublik und in der DDR. Die deutsche Literatur hat nämlich in den vergangenen Jahren deutsch-deutsche Gemeinsamkeiten entdeckt, sie insistiert wieder auf dem Begriff „Deutschland". Bei einer Diskussion 1979 in München wurde der Schriftsteller Günter Grass gefragt, warum er denn die Bundesrepublik immer als „dieses Und“ bezeichne und nicht als „unser Land". Daran zeige sich doch, daß er seine Distanz zur Bundesrepublik betonen wolle. Günter Grass dntwortete bündig: „Wenn ich unser Land Sdge, meine ich Deutschland." Weder die Bundesrepublik noch die DDR könnten Anspruch darauf erheben, mit Deutschland identisch zu -W---e--d-e-r hüben noch drüben sei den Politis-e-i-n-. kern daran gelegen, sich bewußt zu machen, daß Deutschland weiterexistiere, daß seiner politischen Teilung die stärkere Klammer der gemeinsamen Sprache und nicht zuletzt der in ihr geschriebenen Literatur entgegenwirke Günter Grass artikulierte hier stellvertretend die Überzeugung vieler Schriftsteller, daß die deutsche Nation sich nur noch kulturell definieren lasse. Die Literatur allein führt in ihren Augen vor, was beiden Deutschland heute noch gemeinsam ist. Diese Vorstellung akzentuiert das Nationsverständnis der meisten Autoren: das „Vaterland", d. h. die politische Nation, spielt nicht länger die bewußtseinsprägende Rolle; die „Muttersprache", d. h. die Kultur-und Sprachnation, ist an seine Stelle getreten Während vor allem Politiker der CDU/CSU nach wie vor den Titel der „Wiedervereinigung" einklagen, bestimmt bei den Literaten der alte Begriff der „Kulturnation" zunehmend die Debatte über Deutschland. Viele Schriftsteller sehen in der Vorstellung von „zwei deutschen Staaten einer Kulturnation" die letzte Klammer für die Deutschen in Ost und West.

Tatsächlich zeigt ein Überblick über die Entwicklung seit 1945, daß gerade die deutschen Schriftsteller stets darauf bedacht waren, die beiden Teile der deutschen Nation zusammen-zuhalten und zusammenzubringen. Ein solcher Überblick liefert Belege für die Behauptung von Günter Grass, „es hätten sich die deutschen Schriftsteller, im Gegensatz zu ihren separatistischen Landesherren, als die bes-seren Patrioten bewiesen“ Der folgende Beitrag skizziert zunächst die historischen Grundlagen für das Verhältnis zwischen den deutschen Schriftstellern und der deutschen Nation; er untersucht dann anhand typischer Beispiele das Nationsverständnis der deutschen Schriftsteller im Kontext der politischen Ereignisse seit 1945.

I. Die Kulturnation — eine Utopie des 19. Jahrhunderts

Schon um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert war „Deutschland" ein dominantes Thema in der deutschen Literatur. In seinem Fragment „Deutsche Größe" notierte Friedrich Schiller: „Deutsches Reich und Deutsche Nation sind zweierlei Dinge“ Schiller verlieh hier seiner Überzeugung Ausdruck, daß die Größe der deutschen Nation nicht von ihrem politischen Schicksal abhängig sei. Er kontra-stierte die Blüte der deutschen Kultur um 1800 mit der politischen Ohnmacht des Reiches. Der Ausdruck „deutsche Nation" meinte bei Schiller keine staatlich-politische Einheit, sondern eine kulturelle Willensgemeinschaft. Da es Deutschland an der politischen Einheit mangelte, bestimmten zunächst kulturelle Elemente das aufkeimende deutsche Nationalgefühl. Aus der gemeinsamen Sprache, Dichtung und Geschichte wurde der Begriff der einheitlichen deutschen Kulturnation entwickelt Der historische Begriff der Kulturnation bezeichnete die Utopie der Autoren im 19. Jahrhundert, eine deutsche Nation voluntaristisch durch Kultur und Sprache zu begründen, weil sie als politische Größe nicht existent war. Die Autoren wurden von der Vorstellung geleitet, die nationale Einheit im Geist zu schaffen, da die Politik ihnen nicht folgen wollte. Die deutsche Nation war in ihren Augen vor allem das Werk der Dichter und Denker.

In den Freiheitskriegen gegen Napoleon schlug das kulturelle Deutschlandbewußtsein in ein politisches um. Die Idee der Einheit verband sich nun mit der Idee der Freiheit. Die Freiheitsforderung war allerdings im wesentlichen nach außen, gegen Napoleon, gerichtet. In dieser Abwehrhaltung gegen fremde Herrschaft lag auch die Gefahr einer Ubersteige-rung des gerade erwachten Nationalgefühls. Die großen deutschen Klassiker wie Goethe, Schiller, Wieland, Herder verstanden sich noch ganz als Weltbürger. In Fichtes „Reden an die deutsche Nation" kam dagegen eine neue Orientierung an der Idee der Nation zum Ausdruck. Bei Ernst Moritz Arndt wurden Töne nationaler Selbstüberhebung laut Deutschland erschien in seinen Schriften als das „Herzstück Europas“, die Deutschen figurierten bei ihm als die „Stammväter" aller Völker Europas. Der Gedanke vom besonderen Kulturberuf der Deutschen, der sich vom, welt-bürgerlichen Universalismus trennte und in einen nationalistischen Messianismus ausartete, hatte vor allem nach 1848 Folgen („Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“). Der Umschlag vom Weltbürgertum zum Nationalismus begründete wesentlich den „Sonderweg" des deutschen Geistes, der seine Idenütät in bewußter Abhebung von den westlichen Traditionen auszubilden versuchte Deutsche Schriftsteller und Intellektuelle traten als Apologeten der deutschen Sonderentwicklung auf. Sie stimmten der These von der besonderen Sendung Deutschlands am Anfang des Ersten Weltkriegs emphatisch zu. Meinecke wie Troeltsch, Scheler wie Thomas Mann begriffen die „Ideen von 1914" als ideologischen Gegenpol zu den westlichen „Ideen von 1789"

Viele Schriftsteller litten aber an den deutschen Verhältnissen, an der Stagnation und Restauration im Bereich von Staat und Politik. Der Gedanke einer Kultur-und Sprachnation, welche die Staatsnation überschreitet, bildete für die Literaten im 19. Jahrhundert den Kontrast zur tatsächlichen politischen Ordnung in Deutschland. Die Autoren umschrieben den Zustand der Zersplitterung Deutschlands mit dem Vokabular der politischen „Zerrissenheit". Aber dieser Topos war immer auch Symptom einer tieferen Spaltung zwischen Geist und Gesellschaft in Deutschland

II. Die Divergenz zwischen Geist und Macht

In seinem Xenion mit dem Titel „Das Deutsche Reich" formulierte Friedrich Schiller im Jahre 1797: „Deutschland? aber wo liegt es? Ich weiß das Land nicht zu finden. /Wo das gelehrte beginnt, hört das politische auf." Schiller trennte hier das kulturelle und das politische Deutschland. Er konstatierte die Kluft zwischen der deutschen Gesellschaft und ihren wichtigsten geistigen Repräsentanten. Die idealistische Dichtungstradition spiegelte schon die Spaltung von Geist und Macht, von Kunst und Leben, von Kulturgeschichte und Sozialgeschichte Diese Konstellation bestimmte fortan das Verhältnis zwischen den deutschen Schriftstellern und ihrem Land.

Während in Frankreich Geist und Macht immer wieder eine enge Verbindung eingingen, blieben die deutschen Schriftsteller politisch isoliert und ohne Einfluß in der Gesellschaft. In Frankreich war der Schriftsteller nach den Worten von Robert Minder in weit größerem Ausmaß „citoyen", eingebürgert, anerkannt als Sprecher im sozialen Raum. In Deutschland dagegen zog sich die Literatur — bis auf wenige Ausnahmen — in ein „inneres Reich" der Gemütspflege und des schönen Scheins zurück. Die Schriftsteller waren nicht in die Gesellschaft integriert; sie fanden kaum öffentliche Beachtung Im ganzen 19. und noch im 20. Jahrhundert galt das Lob dem unpolitischen Autor

Die Reichsgründung von 1871 konnte den tiefen Zwiespalt zwischen Intelligenz und Macht in Deutschland nicht beseitigen. Die deutschen Autoren mußten feststellen, daß ihre Idee einer deutschen Einheit keineswegs durch Kultur und Sprache verwirklicht wurde. Das Deutsche Reich wurde vielmehr, nach einem Wort Bismarcks, durch „Eisen und Blut" geschmiedet. Deutschland war eine „verspätete Nation" (Helmuth Plessner) in doppelter Hinsicht: Seine Nationwerdung vollzog sich im Rahmen der „kleindeutschen" Lösung nicht nur später als bei den europäischen Nachbar-völkern, sondern zudem unter dem Vorzeichen eines konstitutionellen Obrigkeitsstaates. Das Deutsche Reich blieb ein Staat ohne Staatsidee ein Staat mit einem demokratischen Defizit.

Die demokratisch gesonnenen Schriftsteller gerieten im Bismarck-Reich in Gegensatz zur Nation. Die Idee einer Kultur-und Sprachnation, die eine grundsätzliche Spannung zwischen Geist und Gesellschaft in Deutschland reflektierte, führte in wilhelminischer Zeit zur Vorstellung eines „anderen Deutschland": Dem von Staat und Politik repräsentierten Deutschland, das der „Macht" verfallen war und das den „Geist" ausgetrieben hatte, wurde ein anderes, humanes, die Kulturtradition repräsentierendes Deutschland gegenübergestellt. Diese Vorstellung bestimmte noch in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und des Exils der deutschen Literatur die Diskussion der Autoren.

Während Thomas Mann in den „Betrachtungen eines Unpolitischen" (1918) einer Abkapselung der Kultur von der Politik das Wort redete und politisch für den deutschen Obrigkeitsstaat optierte („machtgeschützte Inner-lichkeit"), intendierte Heinrich Mann eine Verbindung zwischen literarischer und politischer Praxis und unterzog in seinem Roman „Der Untertan“ die Machtverhältnisse unter Kaiser Wilhelm II. einer scharfen und schonungslosen Kritik. Das Politikverständnis des Schriftstellers Heinrich Mann war geprägt von einer strengen Antinomie von Geist und Macht. Der Autor ging von einem schroffen Gegensatz zwischen den zwei Welten aus. Nach seiner Darstellung sind die beiden Sphären ihrem Wesen nach verschieden: Der Bereich der Macht erscheint als das Dunkle, Verdorbene, Böse; der Sektor des Geistes ist das Klare, Helle, Sittliche. Der Dualismus von Geist und Macht wird bei Heinrich Mann dadurch aufgehoben, daß dem Geist die Priorität zugedacht wird. Der Geist soll die Macht durchdringen, ja er soll selbst zur Tat werden. Der Schriftsteller als Sprachrohr des Geistes, der Vernunft macht sich nach der Vorstellung von Heinrich Mann zum Anwalt der Demokratie, des Volkes gegenüber den Herrschenden

Als Symbiose von Geist und Macht, von Ethik und Politik figuriert bei Heinrich Mann beispielsweise Kurt Eisner, der Wortführer der bayerischen Revolution von 1918. Der Umsturz am Ende des Ersten Weltkriegs fand den Beifall der deutschen Intelligenz. Mehr noch: In Bayern führte die gemeinsame politische Aktion deutscher Schriftsteller erstmals in der deutschen Geschichte zur Gründung eines revolutionären Staates. Die Autoren Eisner, Landauer, Mühsam und Toller waren die politischen Führer der in München proklamierten Republik. Diese Dichter-Politiker glaubten, durch die Revolution die Kluft zwischen Gedanken und Tat geschlossen zu haben. Die „anarchistische" Dichterrepublik freilich scheiterte, und der politische Elan der Autoren schlug alsbald in literarische Aktivität um. Bei den deutschen Schriftstellern begannen die Klagen um die „verlorene Revolution"

Die Hoffnungen vieler Schriftsteller und Intellektueller auf eine unbürgerliche Republik waren im Umbruch 1918/19 nicht erfüllt worden. Der neue Staat von Weimar blieb in ihren Augen mit zu vielen Mängeln behaftet, als daß er auf die aktive Unterstützung der Intelligenz hätte zählen können. Die Divergenz von Geist und Macht, von kulturellem und staatlichem Leben, von Autor und Gesellschaft erreichte in der Zeit der Weimarer Republik einen Höhepunkt. Ein Symptom dieser vertieften Spaltung ist darin zu sehen, daß die Absicht des Autors und die Wirkung seines Werks in den zwanziger Jahren immer wieder auseinander-fielen. Die Diskrepanz zwischen Intention und Rezeption läßt sich beispielsweise an Bertolt Brechts „Dreigroschenoper" ablesen: Das Publikum nahm nicht die sozialkritische Botschaft, sondern vor allem die Kulinarik des Stücks auf. Brechts Werk wurde ein Erfolg, weil die Sozialkritik als ein Teil des Amüsierbetriebs der zwanziger Jahre wirkte. Die Kluft zwischen der Absicht des Autors und der Wirkung auf den Zuschauer zeigt an, daß das Theater in der Weimarer Republik unfähig war, das politische Bewußtsein zu verändern.

Die Divergenz von Geist und Macht in der Weimarer Republik manifestierte sich aber auch darin, daß sich die Sprache der Literatur von der Standardsprache trennte. Diesen Vorgang illustriert paradoxerweise eine Rede, die gerade darauf abzielte, die Trennung zwischen Kultur und Staat zu überwinden. Thomas Mann wollte mit seinem Vortrag „Von deutscher Republik" (1922) die deutsche Jugend für die Republik gewinnen. Er ging davon aus, daß seine Sprache auch die Sprache des Publikums sei. Er stellte sich freilich ein Publikum vor, das es in der Realität gar nicht gab. Thomas Mann hatte in seiner Rede Anspielungen auf die von ihm erwartete Haltung der Zuhörerschaft versteckt. Das Auditorium aber verhielt sich anders, als es sich der Schriftsteller vorgestellt hatte. Das Mißverhältnis zwischen der Erwartung des Redners und der Reaktion des Publikums zeigte an, daß Thomas Mann die Isolation des Dichters in der Weimarer Republik nicht zu durchbrechen vermochte. Seine Rede sollte einen Beitrag leisten zur Annäherung des geistignationalen und des staatlichen Lebens. Sie stilisierte deshalb den Dichter Gerhart Hauptmann als „Volkskönig", als Repräsentanten der Republik. Tatsächlich wurde die Rede, die so die Einheit von Kultur und Staat herzustellen suchte, entgegen den Intentionen von Thomas Mann selbst zum Beispiel offenbar unüberbrückbarer Gegensätze.

Thomas Mann knüpfte in seiner Rede an die Ideologie einer „deutschen Mitte" an. Sie meinte die Einheit von Kultur und Staat, die nach den Vorstellungen des Schriftstellers Humanität verbürgte. Humanität aber war, so Thomas Mann im Jahre 1922, identisch mit Demokratie. Bei seiner Verteidigung der Republik berief sich der Schriftsteller auf Novalis und Whitman, er suchte nach einer Synthese von verschiedenen geistigen Strömungen. Angesichts der Realität in der Weimarer Republik erscheint Thomas Manns Rede zu literarisch, zu eklektizistisch, zu harmonistisch; der Schriftsteller übersah, wie antagonistisch die politischen und gesellschaftlichen Kräfte sich zu dieser Zeit gegenüberstanden. Erst Ende der zwanziger Jahre bezog Thomas Mann klarer Stellung, als er offen für die demokratischen Kräfte in der Weimarer Republik Partei ergriff.

Symptomatisch für die Trennung von Geist und Macht in der Zeit der Weimarer Republik ist ferner, daß in der Literatur der zwanziger Jahre Figuren dominieren, die die Ohnmacht des Intellektuellen gegenüber der Macht des Faktischen verkörpern. Erich Kästners „Fabian“ repräsentiert den resignativen Autor, der sich bewußt von Politik und Gemeinschaft fernhält und der aus seiner Isolation dem Zeitgeschehen zuschaut. Das Bewußtsein von der Übermacht der Fakten gegenüber der Idee kommt auch bei Kurt Tucholsky zum Ausdruck. Tucholskys Diktum „Ich habe Erfolg, aber ich habe keinerlei Wirkung“ aus dem Jahre 1923 belegt die tiefe Trennung zwischen Geist und Macht in der Weimarer Republik ebenso wie sein Aphorismus „Deutschland ist eine anatomische Merkwürdigkeit. Es schreibt mit der Linken und tut mit der Rechten" aus dem Jahre 1931.

Die deutschen Schriftsteller waren in der Weimarer Republik geprägt von der Divergenz zwischen Kulturnation und Staatsnation, zwischen Deutschland und den Deutschen. Deutschland als Kulturnation war für sie immer noch ein Zielbegriff, eine Utopie; die Deutschen waren die Menschen, die die Realisierung dieser Utopie verhinderten. Die Autoren machten am Ende der Republik die Erfahrung der Ohnmacht des Geistes vor der Macht des Ungeistes. Die Austreibung des Geistes ab 1933, die Verbannung deutscher Dichter und Künstler aus ihrem Vaterland war die Konsequenz einer Entscheidung des deutschen Volkes, wie Kurt Tucholsky 1932 in seinem Schulaufsatz „Hitler und Goethe" hellsichtig erkannte: „Wenn wir zur Macht gelangen, schaffen wir Goethe ab."

III. Der Streit um das „andere Deutschland"

Die literarische Emigration war in politischer Hinsicht heterogen. Einigkeit bestand allein im Negativen: in der Ablehnung des deutschen Faschismus. Als Kompromißformel, auf die sich alle politischen Exilgruppen verständigen konnten, diente die Beschwörung eines »anderen Deutschland“. Der Begriff bezeich-nete die Alternative zum Nationalsozialismus, er entwarf ein Gegenbild zum „Dritten Reich“. Die Idee eines „anderen Deutschland“ stellte freilich für die Exilgruppen nur einen kleinsten gemeinsamen Nenner dar. Um den konkreten Inhalt des „anderen Deutschland" ent-brannte zwischen sozialistischer und bürgerli-eher Exilliteratur bald eine heftige Kontroverse

Die Deutschland-Debatte im Exil fragte, ob sich die Vertriebenen als die Stimme ihres stumm gewordenen Volkes verstehen durften. Sie handelte aber auch von der Frage, ob das deutsche Exil in seiner Gesamtheit jenes „andere Deutschland" repräsentierte, nämlich das gute gegen das böse Ernst Toller lehnte die schematische Darstellung vom guten Deutschland draußen und vom bösen Deutschland drinnen ab. In seiner Autobiographie „Eine Jugend in Deutschland" (1933) benannte Toller die Überwindung der Furcht als Kriterium des „anderen Deutschland" In seiner Autobiographie „Briefe aus dem Gefängnis" (1935) identifizierte Toller das „schweigende, leidende" Deutschland, das „in Zuchthäusern und Konzentrationslagern (lebt), das kämpfend und verfolgt (lebt), diesseits und jenseits der deutschen Grenze" mit dem „anderen Deutschland", und er sah dieses Deutschland in Opposition zu „dem lauten, gewaltsamen Deutschland, das den Krieg und sein sinnloses Sterben verherrlicht“

Im Streit um das „andere Deutschland" erscheinen Brecht allem Bertolt und Thomas Mann als Antipoden Brecht vertrat stets entschieden die „Zwei-Deutschland-Theorie": Dem „bösen“ Deutschland Hitlers stellte er das „andere Deutschland", das „gute" Deutschland gegenüber Auch in seinem Drama „Leben des Galilei" ist die „Zwei-Deutschland-Theorie" existent: Der Inquisition, die die Wahrheit und den Fortschritt unterdrückt, steht das Volk gegenüber, das auf den Wissenschaftler hofft Bertolt Brecht wandte sich wie Lion Feuchtwanger gegen eine Gleichsetzung der Deutschen und der Nationalsozialisten. Nach seiner Interpretation war das deutsche Volk von den Nationalsozialisten unterworfen worden wie die übrigen europäischen Völker. Der deutsche Faschismus stellt sich ihm in erster Linie als eine kapitalistische Bewegung dar, welche die deutsche Nation unterdrückt habe. Brecht war deshalb der Meinung, daß das deutsche Volk mit dem nationalsozialistischen Regime auch das politisch-gesellschaftliehe System beseitigen mußte, das jenem, wie er glaubte, zur Macht verhelfen hatte. Brecht hoffte auf eine gesellschaftliche Revolution. Thomas Mann ist in der Unterscheidung von Deutschen und Nationalsozialisten nicht so weit gegangen wie Brecht und Feuchtwanger. Auch er leugnete nicht die Existenz eines . anderen Deutschland", einer Opposition gegen Hitler. Aber er verwarf die These von der unterdrückten Nation und betonte statt dessen die politische Verantwortlichkeit des deutschen Volkes. Thomas Mann bezeichnete die „Zwei-Deutschland-Theorie" als Legende. Er wollte die Unterscheidung zwischen einem „guten“ und einem „bösen“ Deutschland nicht mitmachen. Er bekannte sich vielmehr zur Identität des „guten“ und des „bösen" Deutschland. In seinem Vortrag und die Deutschen" sagte er 1945 in deutlicher Frontstellung zu Bertolt Brecht: „Eines mag diese Geschichte uns zu Gemüte führen: daß es nicht zwei Deutschland gibt, ein böses und ein gutes, sondern nur eines, dem sein Bestes durch Teufelslist zum Bösen ausschlug. Das böse Deutschland, das ist das fehlgegangene gute, das gute im Unglück, in Schuld und Untergang."

Thomas Mann solidarisierte sich, indem er das Zweierlei von „gutem“ und „bösem“ Deutschland leugnete, mit dem deutschen Unglück. Dieser Solidarität mit Deutschland hatte er schon in seinem Aufsatz „Bruder Hitler" Ausdruck verliehen, als er sich trotz seines Hasses und trotz seines Grauens zutraute, noch den Ursprung dieses Hasses und dieses Grauens, Hitler, zu verstehen, als er zu erklären versuchte, daß der politische „Führer“ Deutschlands, als schreckliche Perversion, doch ein Exponent Deutschlands war, wie Goethe und wie Thomas Mann. In seinem Roman „Doktor Faustus" beschrieb sich Thomas Mann selbst als Repräsentant Deutschlands, als „Bruder Hitlers“. Die Geschichte des Adrian Leverkühn und die Geschichte seines deutschen Vaterlands sind in dem Roman miteinander verwoben. Am Schluß des Buches werden sie schroff nebeneinandergestellt: „Gott sei eurer armen Seele gnädig, mein Freund, mein Vaterland.“

IV. Die Deutschland-Debatte nach 1945

In den Positionen von Thomas Mann und Bertolt Brecht zeichnete sich in nuce die spätere deutsche Spaltung ab, die beide Autoren von ihrem Standpunkt aus zu verhindern und überwinden suchten

Brecht unterschied scharf zwischen dem Hitlerregime einerseits und dem deutschen Volk andererseits. Er trennte zwischen einem „bösen", äußeren Deutschland der Macht und einem „guten“, inneren Deutschland der Kultur. Dem Hitler-Deutschland stellte er ein „anderes Deutschland“, das von den Nazis unterdrückte Volk, gegenüber. Aus dieser Deutung leitete er die Forderung ab, daß das deutsche Volk die Gewaltherrschaft der Nazis abschütteln und ein neues Gesellschaftssystem errichten müsse. Brecht verknüpfte also mit seiner Idee eines „anderen Deutschland" die Hoffnung auf eine andere politische und gesellschaftliche Ordnung. Er identifizierte das „andere Deutschland" nach 1945 mit der sozialistischen Gesellschaft. Er sah in der SBZ bzw. in der DDR, dank der Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln, zunächst das „bessere Deutschland". (Die SBZ und später die DDR proklamierte ja für das Verhältnis von Literatur und Politik von Anfang an einen Wendepunkt: Eines ihrer grundlegenden Axiome war der Anspruch, daß mit der Machtübernahme der Arbeiterklasse der Widerspruch zwischen Macht und Geist überwunden sei. Dieses Axiom hat die Literatur der DDR später sowohl affirmativ wie kritisch beleuchtet. Zwei Beispiele aus den sechziger Jahren: Hermann Kant optiert in seinem Roman „Die Aula“ grundsätzlich für den Staat DDR; er skizziert in seinem Roman Lebensläufe von jungen Arbeitern, die an den Arbeiter-und Bauernfakultäten der DDR zu Akademikern ausgebildet werden; er will demonstrieren, daß die Arbeiterklasse inzwischen die gebildete und die herrschende Klasse ist. Dagegen verteidigt Christa Wolf in ihrem Roman „Nachdenken über Christa T." das Recht des Menschen auf sein eigenes Leben trotzig gegen die eisernen Definitionen und Deformationen durch Partei und Staat.)

Bei Brecht diente die Konzeption eines „anderen Deutschland“, die Theorie des von den Nazis unterworfenen Volkes dazu, die Richtung der politischen Praxis im Nachkriegsdeutschland zu bestimmen. Sein politischer Entwurf sah die Errichtung einer sozialistischen Demokratie vor. Demgegenüber wollte Thomas Mann, indem er die Unterscheidung zwischen einem „guten" und einem „bösen“ Deutschland ablehnte, zum Ausdruck bringen, daß das deutsche Volk gefehlt habe und Buße tun müsse. Sein „Leiden an Deutschland“ war im Grunde der Schmerz darüber, daß eine große Nation den Weg in die finsterste Barbarei angetreten hatte. Thomas Mann thematisierte die traditionelle Trennung zwischen Politik und Kultur in Deutschland als Ursache dafür, daß die Kultur von der Politik besiegt wurde. In seinem Roman „Doktor Faustus" exemplifizierte er diese These an der Figur des Leverkühn: Der Künstler, der die sozialen Belange vergißt, wird eben deshalb von der Politik überwältigt Es war mithin die deutsche Tradition des Unpolitischen, die Thomas Mann so kritisch kommentierte, weil er sie als ein wesentliches Moment interpretierte, das die Entwicklung hin zum Faschismus heraufbeschworen hatte. In dieser Tradition war der Gedanke dominierend, daß dem kulturellen Bereich etwas Böses widerfahre, wenn er in den Sog des Politischen gerate; die Kultur müsse deshalb, so die Schlußfolgerung, vor dem Zugriff der Politik geschützt werden. Dieses Programm der Politikfeindschaft, das Thomas Mann bis zum Ende des Ersten Weltkriegs selbst wort-mächtig vertreten hatte, erkannte der Autor als Irrweg, dem die Deutschen nicht wieder verfallen durften. Er hoffte nach 1945 auf eine geistig-moralische Erneuerung des deutschen Volkes.

Im Gegensatz zu den Erwartungen von Bertolt Brecht waren Thomas Manns Vorstellungen vom zukünftigen Deutschland bestimmt von der „Idee bürgerlicher Freiheit" und der politischen Tradition der deutschen Sozialdemokratie, die für ihn in exemplarischer Weise „die soziale Demokratie" verkörperte. Zwar nannte Thomas Mann den Antikommunismus „die Grundtorheit unserer Epoche", aber er distanzierte sich zugleich von einer Form des Sozia-B lismus, in der „die Idee der Gleichheit die der Freiheit vollkommen überwiegt". Er plädierte für „ein neues Gleichgewicht (...) zwischen den beiden Grundbegriffen der modernen Demokratie, Freiheit und Gleichheit" Die deutsche Sozialdemokratie war für Thomas Mann „der humanistisch gezügelte, der liberale Sozialismus“ dem er sich verpflichtet fühlte. Damit war er ein Stück weit entfernt von den Vorstellungen Bertolt Brechts, nach dessen Verständnis der Sozialismus viel ökonomischer zu interpretieren war. Thomas Mann konnte auch nicht wie Brecht nach 1945 in der SBZ bzw. in der DDR das „bessere Deutschland“ sehen. Seine Intentionen waren vielmehr darauf gerichtet, für das ganze Deutschland zu wirken. Er steht damit exemplarisch für die meisten deutschen Schriftsteller. Die Literaten machten sich nach 1945 zum Fürsprecher eines deutschen Einheitsstaates.

V. Deutsche Schriftsteller gegen deutsche Spaltung

Die deutschen Schriftsteller bildeten am Ende des Zweiten Weltkriegs keineswegs einen monolithischen Block. Wenigstens drei Gruppen kristallisierten sich unter den Schreibenden heraus. Die Autoren des Exils und der „inneren Emigration“ gehörten im wesentlichen einer Generation an, für die die Haltung gegenüber dem NS-Regime zur Schlüsselfrage geworden war. Die Entscheidung Exil oder „innere Emigration“, Flucht oder geistiger Boykott hatte sie in ihrer schriftstellerischen Existenz geprägt Für die „junge Generation“ der deutschen Autoren von Heinrich Böll bis Wolfdietrich Schnurre dagegen wurde das Schreiben nach Krieg und NS-Zeit zur existentiellen Notwendigkeit. Die deutschen Schriftsteller definierten ihren politischen Standort und die Rolle der Literatur in der Gesellschaft durchaus unterschiedlich. Ein Thema aber konnte unter den Literaten niemals ein Streitpunkt werden, sondern motivierte sie immer wieder zu neuen Anläufen, alle Träger des Geistes zusammenzubringen: die nationale Einheit.

Die Zeitschrift „Der Ruf" um Hans Werner Richter und Alfred Andersch beispielsweise ging 1946/47 bei allen politischen Entwürfen für die Zukunft von dem ganzen, ungeteilten Deutschland aus. In diesem Blatt der „jungen Generation" verband sich ein ausgeprägtes Nationalgefühl mit der Haltung eines sozialistischen Humanismus. Die Autoren des „Ruf'glaubten, daß nach dem Zweiten Weltkrieg die nationalstaatliche Ära vorbei sei; sie plädierten für ein vereinigtes Europa unter dem Vorzeichen eines „freiheitlichen Sozialismus". Indem Deutschland die Idee der Demokratie und die Idee des Sozialismus zu verbinden suchte, war es nach den Vorstellungen des „Ruf" in besonderem Maße dafür geeignet, eine „Brücke zwischen Ost und West“ zu bilden. Die Autoren des „Ruf" dachten an eine ost-westliche Symbiose, an einen „dritten Weg“ zwischen Kapitalismus und Kommunismus — eine Vorstellung, die schon 1918/19 diskutiert und in den Debatten nach dem Zweiten Weltkrieg von der literarischen Intelligenz immer wieder aufgegriffen wurde. Die Autoren des „Ruf" sahen in den beiden Zielvorstellungen ihrer außenpolitischen Konzeption keinen Widerspruch: Man wollte die nationale Einheit bewahren und zugleich ein freiheitlich-sozialistisches Europa schaffen.

Der Gedanke, daß Deutschland zwischen Ost und West vermitteln könne, stand auch im Mittelpunkt des ersten (und letzten) gesamtdeutschen Schriftstellerkongresses, der im Oktober 1947 in Berlin stattfand. Das Gespräch zwischen innerer und äußerer Emigration war das besondere Kennzeichen dieses Kongresses. Unmittelbar nach dem Kriege hatte die offene Kontroverse zwischen den Autoren des Exils und den Autoren der „inneren Emigration" die deutsche Literatur noch in zwei Lager gespalten. Nun sollte die Trennung überwunden werden. Alfred Kantorowicz warb engagiert für eine Union von äußerer und innerer Emigration; er betonte die Gleichwertigkeit beider Emigrationsarten Am Ende des Kongresses war nach dem Eindruck von Hans Mayer unter den deutschen Schriftstellern die Kluft zwischen „außen und innen" tatsächlich überbrückt

Der Schriftstellerkongreß erhielt freilich einen besonderen Akzent dadurch, daß sich Literaten aus Ost und West gegen die sich anbahnende Teilung Deutschlands aussprachen. Die politische Großwetterlage hatte sich längst geändert: Der Ost-West-Konflikt stellte die Zukunftspläne der Autoren in Frage. Die Besatzungszonen drohten auseinanderzudriften. In dieser Situation war in den Augen der Autoren die gemeinsame Sprache und Literatur die letzte Klammer, die das Land noch Zusammenhalten konnte. Weil die politische Einheit verlorenzugehen schien, setzten die deutschen Schriftsteller wieder auf die Einheit der Kultur: Sprache und Literatur waren nach ihrer Ansicht in der Lage, die nationale Gemeinsamkeit zu bewahren. Ricarda Huch bezeichnete bereits in ihrer Eröffnungsrede die geistige Einheit durch die Sprache als die Aufgabe der Schriftsteller. Sie hob hervor, daß die Literaten ihre Lehren weniger vorschreiben als vorleben müßten, indem sie Weltbürger würden, aber zugleich und in erster Linie Deutsche Johannes R. Becher brach ebenfalls eine Lanze für die Einheit der deutschen Kultur. Er sah in der Verteidigung der geistigen Einheit eine Bedingung für die Erhaltung der politischen Einheit Deutschlands. Becher sagte 1947 wörtlich: „Es ist verwerflich, Osten und Westen einander gegenüberzustellen oder die Deutschen der verschiedenen Zonen gegeneinander auszuspielen, während es das Interesse aller Deutschen sein müßte, unter keinen Umständen zuzulassen, daß wir uns, aufgrund der Zoneneinteilung, auseinanderleben, und somit gibt es in diesem Sinne auch keine westdeutsche oder ostdeutsche Literatur ...“

Im „Manifest des Ersten Deutschen Schriftstellerkongresses" bekräftigten die Literaten aus Ost und West, daß sie „in unserer Sprache und unserer Kultur die Gewähr für die unveräußerliche Einheit unseres Volkes und Landes und das Bindeglied über alle Zonengrenzen und Parteiungen hinweg" sähen. Die deutschen Schriftsteller wähnten Kräfte am Werk, die den Begriff „Deutschland" aus Geographie und Geschichte auslöschen wollten. Sie bemerkten ein politisches, wirtschaftliches und geistiges Auseinandergehen der Besatzungszonen. Aber sie wollten sich nicht mit dem Auseinanderfallen Deutschlands abfinden, sondern ihren Beitrag leisten zu einer Aussöhnung zwischen Ost und West „Wir gehören zusammen", betonte Gunter Groll in einer Münchner Nachlese zum Schriftstellerkongreß in Berlin. Dieses „erste deutsche Parlament" nach dem Zweiten Weltkrieg hatte nach seiner Meinung gezeigt, daß die Einheit der deutschen Kultur trotz aller Differenzen weiterexistiere Aber bei einem zweiten Schriftstellertreffen 1948 in Frankfurt am Main fehlten bereits die Autoren aus dem Osten Die Schriftsteller standen gegen die Macht des Faktischen letztlich auf verlorenem Posten. Die Spaltung des literarischen Lebens war ein Reflex der sich abzeichnenden politischen Teilung. (Günter Grass hat in seiner Erzählung „Das Treffen in Telgte“ den Widerstand der deutschen Schriftsteller gegen die deutsche Spaltung beschrieben. Grass setzt in seiner Erzählung ein Dichtertreffen 1647 in Parallele zur Gründung der „Gruppe 47“ dreihundert Jahre später. Grass schildert die Poeten als Patrioten: Sie werden umgetrieben von der Not ihres Vaterlands, dem die Zerstückelung droht: „Einzig die Dichter, das sagte der Aufruf, wüßten noch, was deutsch zu nennen sich lohne. Sie hätten (..) die deutsche Sprache als letztes Band geknüpft. Sie seien das an-dere, das wahrhaftige Deutschland." Grass führt vor, wie die Schriftsteller angesichts der territorialen Zerrissenheit Deutschlands eine literarische Ersatzhauptstadt zu bilden versuchen, im Politischen aber ohnmächtig sind.)

Einen letzten Versuch, die deutsche Einheit zumindest symbolisch zu retten, machte Thomas Mann. Im Goethe-Jahr 1949 sprach er zugleich in Frankfurt am Main und in Weimar und erfüllte damit den selbstgewählten Auftrag, als gesamtdeutscher Schriftsteller zu wirken. Bei seinem Festvortrag in Frankfurt am Main beschrieb er, ein Diktum von Kaiser Wilhelm II. ironisierend, seine Position mit folgenden Worten: „Ich kenne keine Zonen. Mein Besuch gilt Deutschland selbst, Deutschland als Ganzem, und keinem Besatzungsgebiet Wer sollte die Einheit Deutschlands gewährleisten und darstellen, wenn nicht ein unabhängiger Schriftsteller, dessen wahre Heimat (...) die freie, von Besatzungen unberührte deutsche Sprache ist?

Thomas Mann begriff sich hier als Repräsentant der deutschen Einheit. Er erhob den Anspruch, gewissermaßen als „letzter Deutscher" für Ost und West sprechen zu können. Angesichts der Entfremdung der beiden Teile Deutschlands entfaltete Thomas Mann freilich einen neuen Begriff der deutschen Nation. Sein Begriff von Deutschland war überterritorial gemeint; er wurzelte im Heimatbegriff. Thomas Mann setzte eine geistige Nation voraus. Er nahm den Topos von der Einheit durch Kultur wieder auf. Er rekurrierte auf die schon in der deutschen Romantik geprägte Vorstellung, daß die Sprache die eigentliche „Heimat“ des Dichters sei. Auch er hatte also die Kultur-nation, nicht die politische Nation im Auge.

Thomas Mann versuchte, die Spaltung zwischen Kulturnation und Staatsnation zu überwinden, die zur Entfremdung der deutschen Autoren vom Staat geführt hatte. In seinem Roman „Doktor Faustus" machte er deutlich, daß der Nationalsozialismus das Schreckgespenst eines „deutschen Europa" heraufbeschworen hatte. Im Gegensatz dazu wollte Thomas Mann ein „europäisches Deutschland“ verwirklichen. Im Goethe-Jahr 1949 freilich fand er sein Land zerrissen und aufgeteilt in Zonen der Siegermächte, und diese Umstände schienen ihm einer Genesung Deutschlands, seinem „Weg nach Europa“ eher entgegen zu stehen, als daß sie sie begünstigten Seine Idee war es deshalb, die politische Einheit durch die geistige Einheit herbeizuführen. Die äußere Einheit sollte nach seiner Vorstellung eine Folge der inneren Einheit sein. Seine Absicht, als repräsentativer Schriftsteller die Kluft zwischen Deutschland (Ost) und Deutschland (West) zu überbrücken, läßt sich verstehen als das Bemühen, die Divergenz zwischen politischer Einheit und geistiger Einheit aufzuheben. In diesem Sinne sagte Thomas Mann bei seiner Rede in Weimar: „Es ist (...) ein Faktum (...), daß Ost-und Westdeutschland, abseits und oberhalb von allen Unterschieden ihrer staatlichen Regimente, aller ideologischen, politischen und ökonomischen Gegensätze, auf kulturellem Grund sich gefunden und ihre Goethe-Preise in diesem besonders festlichen Jahr ein und derselben Schriftstellerpersönlichkeit zuerteilt haben (...). In dieser Übereinstimmung in kultureller Sphäre darf man ein Symbol sehen für die öfters schon gefährdet scheinende Einheit Deutschlands."

Thomas Mann sah in den ihm zuerkannten Preisen ein Zeichen dafür, daß die Einheit der deutschen Kultur und des deutschen Geistes fortbestand. Er glaubte, daß diese Verbundenheit in der Kultur auch im Politischen ihre Wirkung nicht verfehlen würde. Thomas Mann hing einem kulturellen, ja literarischen Deutschlandbegriff an. Die Kultur, die Literatur war nach seiner Auffassung fähig, den nationalen Zusammenhang herzustellen. Thomas Mann versuchte deshalb, Goethes Begriff der Humanität zur Geltung zu bringen; er sollte das einigende geistige Band sein. Dieser Versuch konnte nicht gelingen, weil Humanität in Ost und West längst unterschiedlich definiert wurde. Thomas Mann verwandte den Begriff der Humanität im Sinne der deutschen Aufklärung und Klassik, während er in den Augen von Bertolt Brecht von ökonomischen Faktoren abhängig war.

VI. Gespaltenes Land — gespaltene Literatur

Die Etablierung von zwei großen politischen Blöcken, die auch zwei deutsche Staaten ein-schlossen, zerstörte die Hoffnungen der meisten deutschen Schriftsteller und Intellektuellen nach 1945. Daß Ost-und Westdeutschland auseinanderdividiert wurden, war das schiere Gegenteil von dem, was die deutschen Schriftsteller politisch wollten. Der Schriftstellerkongreß 1947 in Berlin stand im Zeichen dramatischer Einigkeitsappelle. Bei den Autoren war die These unbestritten, daß es nur eine deutsche Literatur gebe. Diese Auffassung von der Einheit der deutschen Literatur auch über die Grenzen von Zonen, Staaten und Systemen hinweg behielt noch längere Zeit Geltung. In der SBZ bzw. später in der DDR hielten die Autoren am Ziel der Einheit Deutschlands fest, und sie befanden sich damit in voller Übereinstimmung mit der offiziellen Politik der SED. So nannte Johannes R. Becher 1951 auf einem Kulturkongreß in Leipzig den Willen zur Einheit der deutschen Kultur den Vorboten zur wissenschaftlichen und politischen Einheit der Nation. In ähnlicher Weise meinte Otto Grotewohl bei der Eröffnung der 3. Kunstausstellung der DDR in Dresden, die Kunst sei ein Spiegel des Kampfes um die Einheit des Vaterlandes. Erst 1956 formulierte Walter Ulbricht die These von den zwei deutschen Literaturen — eine Folge der inzwischen von der DDR proklamierten Zweistaatentheorie. Die Einheit Deutschlands rückte in den Hintergrund; erstes Gebot war nun die Schaffung einer sozialistischen Nationalliteratur in der DDR

Die deutschen Schriftsteller erkannten aber bald, daß mit der politischen Teilung auch in der Literatur eine Dualität an die Stelle der Einheit getreten war. Die Spaltung Deutschlands mußte wohl langfristig auch die deutsche Kultur in zwei Richtungen lenken und die deutschen Schriftsteller nicht nur ideologisch, sondern auch kulturell auseinandertreiben. Die Autoren und die Leser wurden in sehr unterschiedliche gesellschaftliche Systeme eingebunden, welche die Funktion und die Rezeption, aber auch die Produktion von Literatur beeinflußten. Der Zustand der Zersplitterung der deutschen Literatur wurde in den fünfziger Jahren von deutschen Schriftstellern häufig thematisiert Anfang der fünfziger Jahre notierte Wolfgang Weyrauch: „Wir haben Literaturen. Wir haben eine ostdeutsche und eine westdeutsche Literatur (...). Unsere literarischen Zustände sind unwirklich. Sie sind ein böser Traum. Sie sind durch unsere Obrigkeiten verursacht, die ihrerseits böse Träume sind." Ende der fünfziger Jahre kam Gerhard Zwerenz zu dem Befund: „Unsere zweigeteilte Literatur ist das von uns selbst angefertigte und gesiegelte Protokoll der deutschen Teilung (...). Die zerbrochene Literatur unseres zerbrochenen Landes spiegelt die geistige Großraumwirtschaft der zwei heute weltbeherrschenden Mächte, USA und Sowjetunion."

Diese Spaltung des literarischen Lebens machte das deutsche Teilungsschicksal für die deutschen Schriftsteller besonders schmerzlich. Die Literaten waren aber weit davon entfernt, die deutsche Teilung als unwiderrufliches Faktum hinzunehmen. Bertolt Brecht klagte 1952 zwar über die politische Zerrissenheit Deutschlands, und er kennzeichnete diese Zerrissenheit als Symptom einer inneren Spaltung. Aber er appellierte zugleich an die Deutschen, sich auf ihr geteiltes Los zu besinnen und die Trennung zu überwinden. Brecht ließ an seiner Überzeugung keinen Zweifel, daß die Deutschen ihre nationale Identität erhalten könnten: „O Deutschland, wie bist du zerrissen /Und nicht mit dir allein! /In Kält'und Finsternissen /Läßt eins das andre sein. /Und hatt'st so schöne Auen /Und reger Städte viel; /Tät'st du dir selbst vertrauen /Wär alles Kinderspiel." Viele Schriftsteller insistierten auch in den fünfziger Jahren auf der Idee eines deutschen Einheitsstaates. Sie erblickten in den beiden deutschen Staaten allenfalls eine Übergangslösung auf dem Weg zu einem Gesamt-deutschland. Diese nationalstaatliche Orientierung vieler Literaten trug auch in der Bundesrepublik dazu bei, daß die Schriftsteller gegenüber dem neuen Staat auf Distanz blieben. Viele westdeutsche Schriftsteller konnten sich auch mit der nach dem Muster der westlichen Demokratien begründeten Bundesrepublik nicht identifizieren, weil dieser Staat nach ihrer Auffassung dem Torso der Nation nur einen temporären Rahmen gab. Der Schriftsteller Stefan Andres beschrieb 1958 diese Haltung einer reservatio mentalis bei den deutschen Autoren folgendermaßen: „Ein provisorischer Staat ist (...) ein Widerspruch in sich selbst, ein Mißgebilde und ein höchst ungeeigneter Ort für die Entwicklung staatsbürgerlicher Tugenden (...) Die Bürger (...) können in einem staatlichen Provisorium nicht heimisch werden, sondern blicken nach dem kommenden Staat aus, der von der Ganzheit und Einheit des Volkes getragen wird. Und so verbraucht sich in den verantwortungsbewußten Deutschen im Westen wie im Osten die staatsbürgerliche Substanz in einem ebenso unfruchtbaren wie notwendigen geistigen Vorbehalt gegen ihre Regierungen."

Dieses Beispiel erklärt auch, weshalb gerade Adenauers Politik der Westintegration in den fünfziger Jahren den lautstarken Protest der westdeutschen Schriftsteller hervorrufen mußte. Denn diese Politik drohte nach Ansicht der Autoren die deutsche Teilung festzuschreiben. Sie lotete nach Meinung der Literaten nicht die Möglichkeiten einer Verständigung zwischen Ost und West aus. Das eigentliche Problem der westdeutschen Nachkriegspolitik war ja der Widerspruch zwischen der politischen Rhetorik und dem politischen Handeln: Die konkret verfolgte westeuropäische Integrationspolitik war unvereinbar mit dem gleichzeitig proklamierten, aber nicht verfolgten Ziel der Wiedervereinigung Deutschlands. Viele Schriftsteller optierten in den fünfziger Jahren für die Priorität eines wiedervereinigten Deutschland und befehdeten gerade unter diesem Aspekt Adenauers Politik heftig. Der Mauerbau 1961 machte ihnen freilich unwiderruflich einen Strich durch die Rechnung, indem er nämlich die beiden deutschen Staaten völlig voneinander abschnürte.

VII. Der Mauerbau und die Folgen

Der Schriftsteller Hans Werner Richter schrieb im August 1961, daß der Mauerbau das „Ende der Illusionen" bedeute. Der „schwarze 13. August" sei ein Stichtag. Mit diesem Tag beginne ein neuer Abschnitt in der deutschen Nachkriegsgeschichte Die einheitsstaatlichen Erwartungen hatten sich als trügerischSchriftsteller machten den westdeutschen Politikern heftige Vorwürfe, daß sie diese Entwicklung selbst herbeigeführt hätten. Hans Werner Richter beispielsweise schrieb in seinem Artikel über den Mauerbau: „Denn dies ist die deutsche Tragödie im August 1961, nach zehn Jahren schöner Reden über die Wiedervereinigung, für die man diplomatisch und politisch nichts, aber auch gar nichts getan hat, und so wird sie vom Osten aus gesehen: Der Westen hat um seiner eigenen Sicherheit willen die deutsche Bevölkerung in der Ostzone fallenlassen und aufgegeben."

Die deutsche Teilung wurde an jenem 13. August 1961 endgültig perfekt. Dieses Faktum der Politik tangierte auch Kultur und Literatur. Die westdeutschen Schriftsteller sahen sich stärker als bisher auf die Realität der Bundesrepublik verwiesen. In den fünfziger Jahren herrschte bei vielen Autoren in der Bundesrepublik eine Haltung des „Ohne mich" vor; die Bundesrepublik blieb für sie eine terra incognita. In den sechziger Jahren setzte sich dagegen bei einem wesentlichen Teil der Literaten die Auffassung durch, daß es nicht genügte, nur nein zu sagen zur Bundesrepublik. Die Autoren hielten es für geboten, sich nun positiv zu engagieren und sich in dem neuen Staat Bundesrepublik einzurichten. Als Exponent dieser Hinwendung zur Republik erschien in den sechziger Jahren vor allem Günter Grass. Die „Einmauerung“ lenkte aber auch das Augenmerk der ostdeutschen Schriftsteller stärker auf die eigenen Lebensverhältnisse. Die Literatur der DDR nahm mehr und mehr ihr Schauplatz der Literatur eigenes Land als an. Die Auffassung der Einheit der -von deut schen Literatur geriet so noch stärker ins Wanken.

Der Disput deutscher Schriftsteller aus Ost und West über die politischen Umstände des Mauerbaus ließ denn auch mehr Dissens als Gemeinsamkeit erkennen. Westdeutsche Schriftsteller wie Günter Grass und Wolfdietrich Schnurre reagierten auf den Bau der Mauer mit schrillen Protesten Sie riefen damit eine heftige Gegenrede ostdeutscher Schriftsteller hervor. Hans Werner Richter, der diese Kontroverse dokumentiert hat, zog 1961 das Resümee: „Schriftsteller sind, so sagt man, das Gewissen einer Nation — das Gewissen einer Nation — ist Gewissen, ist Nation in Deutschland zum Plural geworden?"

Hans Werner Richter war betroffen über die Zwietracht der deutschen Schriftsteller im Jahr des Mauerbaus, weil er sie als Indiz dafür wertete, daß die nationale Einheit verlorenzugehen schien. Richter sträubte sich noch gegen die drohende Spaltung der deutschen Nation. Er kleidete seine Sorge in die Frageform.

Bei Günter Kunert dagegen war die Teilung Deutschlands ein endgültiges Faktum; bei ihm erschien die nationale Einheit als Fiktion. In seinem Gedicht „Wo Deutschland lag" formulierte Kunert 1961: „Wo Deutschland lag, liegen zwei Länder /Zwei Länder liegen dort, /Und es trennt sie mehr als eine Grenze. /Die gleiche Sprache sprechen sie, /Die gleiche, / Aber sie können sich nicht verstehen, weil /Sie eine andere Sprache sprechen, /Eine andere, /Denn sie sind zwei Länder, zwei Länder /sind sie, und liegen, wo Deutschland lag.“ Günter Kunert erteilte hier dem Gedanken der nationalen Einheit eine Absage. Er konstatierte nüchtern: Deutschland existiert nicht mehr; es ist durch zwei Länder, sprich: Staaten, ersetzt worden.

Es gab freilich auch gegenläufige Tendenzen. In der Literatur selbst läßt sich in den Jahren nach dem Mauerbau 1961 Aufarbeitung eine der Teilungserfahrung feststellen. In den beiden deutschen Staaten entstand eine spezifische „Teilungsliteratur“, die im Grunde gegen die Trennung „anschrieb". Durch den Mauerbau, also die Teilung, wurde gerade das Gegenteil, der Widerstand gegen die Teilung, provoziert. Die Literatur als verbindendes Element konterkarierte in gewisser Weise die strikte Politik der Abschließung und der Abgrenzung. Die Texte zur Situation des geteilten Deutschland skizzieren aber unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten für die „deutsche Frage“. In der Erzählung „Der geteilte Himmel“ von Christa Wolf zerbricht eine Liebesbeziehung, wie es scheint, an der deutschen Teilung. Aber das Interesse der Autorin gilt eigentlich weniger der durch den Mauerbau erzwungenen Trennung, sondern viel eher den Möglichkeiten des einzelnen, sich in der Gesellschaft der DDR selbst zu verwirklichen. Die Erzählfigur Rita Seidel hat in dieser Hinsicht noch eine optimistische Perspektive. In dem Roman „Zwei Ansichten" von Uwe Johnson rückt dagegen der Bau der Mauer in den Mittelpunkt. Johnson will zeigen, wie sich dieses reale Geschehen im Bewußtsein der davon Betroffenen auswirkt. Seine Personen sind Symbolfiguren für die beiden Teile Deutschlands: B. (für die BRD) hat ein schlechtes Gewissen, fühlt sich zur Hilfeleistung verpflichtet; D. (für die DDR) empfindet ein Gefühl des Eingesperrtseins und der ohnmächtigen Wut. Der Bau der Mauer bringt B. und D., beide Mitglieder unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen, zusammen. Aber das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit reicht nicht mehr aus; die Wege der beiden trennen sich. Johnson plädiert nicht für Ost oder West; er argumentiert gegen die Mauer, gegen die Entfremdung der Deutschen in den beiden Deutschland. Das Schicksal von B. und D. in Johnsons Roman ist paradigmatisch: Die Mauer trennt die Deutschen nicht nur, sie treibt sie auch aufeinander zu; die Mauer wirkt als hermetischer Trennungsstrich, aber zugleich als Bindeglied; die Mauer trägt dazu bei, die beiden deutschen Staaten im Bewußtsein ihrer Bürger zu verankern, aber die Abschnürung von der jeweils anderen Hälfte der Nation führt dazu, daß man sich wieder auf das ganze Deutschland besinnt. WolfBiermann ist noch völlig befangen in einem traditionellen Themenkreis, der nicht der offiziellen 'Linie der DDR entspricht. Er schreibt die Literatur des „geteilten Vaterlands" fort. Für sein Versepos „Deutschland. Ein Wintermärchen“ entlehnt er einen Titel von Heinrich Heine. Er hat „gesamtdeutsche Gedanken“, er klagt über das zerrissene deutsche Volk: „Mein Vaterland, mein Vaterland /Hat eine Hand aus Feuer /Hat eine Hand aus Schnee /Und wenn wir uns umarmen /Dann tut das Herz mir weh.“ Heine-Parodie weist, bereits durch die Quellenwahl,

auf die Tradition einer Divergenz zwischen Geist und Gesellschaft in Deutschland. Diese Spaltung zeigt Günter Grass in seinem Stück „Die Plebejerproben den Aufstand“ am historischen Fall des Arbeiteraufstandes vom 17. Juni 1953 in Ost-Berlin. In seinem „deut-sehen Trauerspiel" stilisiert Grass das Verhalten Bertolt Brechts zur Allegorie der Intelligenz, die sich der politischen Bewegung der Arbeiterschaft im Geist verbunden weiß, aber sich nicht zum Handeln entschließen kann. Die Figur des „Chefs" in dem Stück von Günter Grass sucht nämlich aus der unerwarteten Aktualität des Aufstandes Nutzen zu ziehen und die revoltierenden Arbeiter in das ästhetische Spiel auf der Bühne zu integrieren. Der „Chef“ denkt zuallererst daran, den Aufstand der Arbeiter künstlerisch zu verwerten, und er vergißt darüber, für die Revoltierenden eine politische Deklaration zu formulieren und so die Einheit von Intelligenz und Volk, von Geist und Gesellschaft herzustellen. Diese Art von Ästhetizismus kritisiert Grass in seinem Stück und die appellativen Schlußsätze seines Stücks gelten deshalb der literarischen Intelligenz von heute als dem eigentlichen Adressaten: „Ihr Unwissenden! Schuldbewußt klag'ich euch an.“

Diese Texte einer „Teilungsliteratur“ zeigen, daß der Mauerbau 1961 für das Bewußtsein der deutschen Schriftsteller eine tiefe Zäsur bedeutete. Die Literatur versuchte auf ihre Weise, das Thema der deutschen Trennung zu bewältigen. Der Bezug auf das ganze Deutschland war ein wesentliches Element dieser literarischen „Trauerarbeit". Aber die deutschen Schriftsteller verschlossen deshalb nicht die Augen vor den veränderten Verhältnissen in den sechziger Jahren. Die Autoren in der Bundesrepublik reagierten allergisch auf eine Deutschland-Politik, die zwanghaft die neuen Realitäten leugnete und starr und schematisch an den tradierten Positionen festhielt Die Stagnation in der Deutschland-Politik war eine von vielen Ursachen dafür, daß sich in der Bundesrepublik die Regierenden und die Literaten entzweiten.

Die Äußerungen von Hans Magnus Enzensberger Deutschland-Politik werfen ein Schlaglicht darauf, daß der Immobilismus der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung in den sechziger Jahren mehr und mehr den Protest der literarischen Intelligenz hervorrief und einen Teil dieser Intelligenz schließlich bis in die Fundamentalopposition führte. Schon in seinem Gedicht „landesspraehe" (1960) äußerte Enzensberger seinen Unmut über die querelles allemandes. Er distanzierte sich deutlich von Deutschland; er sah in beiden deutschen Staaten keinerlei Identifikationsmöglichkeiten: „meine zwei landet und ich, wir sind geschiedene leute, /und doch bin ich inständig hier, /in sack und asche, und frage mich: /was habe ich hier verloren?“ In seiner Büchner-Preis-Rede (1963) empfahl Enzensberger als letztes Mittel eine „Politik der kleinen Schritte“, um Bewegung in die deutsch-deutschen Beziehungen zu bringen, aber er glaubte eigentlich nicht mehr daran, daß die Politik zu solcher Flexibilität noch fähig sei: „Undenkbar dagegen ist geworden, was allein uns helfen könnte: Veränderung von hüben und von drüben, durch Mut und durch List, durch Phantasie und Verhandlungsgeduld, mit einem Wort: durch Politik.“ Im Jahre 1967 sprach Enzensberger, verdrossen über den „illusionären Charakter der Bonner Politik", vom „Versuch, von der deutschen Frage Urlaub zu machen" Viele Schriftsteller teilten mit Enzensberger zwar das Unbehagen darüber, daß die Deutschland-Politik in juristischen Formeln erstarrt war. Aber die deutsche Frage verlor für sie deshalb nicht an Interesse. Im Gegenteil: Die sozial-liberale Koalition konnte auf die Unterstützung der westdeutschen Autoren zählen, als sie 1969 einen Wandel im zwischendeutschen Verhältnis einleitete. Die neue Politik machte eine neue Diskussion über Deutschland möglich.

VIII. Zwei Staaten — eine Nation .

Die Deutschland-und Ostpolitik von SPD und FDP konnte sich des Beifalls der Mehrheit der westdeutschen Schriftsteller und Intellektuellen gewiß sein. Diese neue Politik war darauf ausgerichtet, der Bundesrepublik außenpolitisch neuen Spielraum zu sichern. Sie hatte aber vor allem auch einen moralischen Aspekt: sie sollte bei den Völkern, die unter dem besonders schwer zu leiden hatten, deutsche Schuld abtragen. Der Kniefall von Bundeskanzler Brandt am Ehrenmal in Warschau wurde von den Literaten als Sühne-geste verstanden. Horst Krüger notierte Anfang der siebziger Jahre: „Ich sage: dieser Kniefall in Warschau vor dem Mahnmal für die Opfer des deutschen Faschismus, es war eine Geste, die ich nicht vergesse. Es wurde da etwas signalisiert und ausgedrückt, was seit Bestehen der Bundesrepublik weggedrückt, eben verdrängt wurde (...) Ein Antifaschist, ja auch ein Emigrant, der sich nichts vergab, " enn er als deutscher Regierungschef zu-nächst einmal der Opfer Deutschlands so sinn-fällig gedachte. Ich hatte über zwanzig Jahre auf so etwas gewartet."

Hier wird die Meinung der meisten Schriftsteller und Intellektuellen in der Bundesrepudesrepublik deutlich, daß ein solches Zeichen gegenüber dem Osten viel zu lange auf sich warten ließ. Die neue Ostpolitik schien ihnen überfällig zu sein. Die Literaten erinnerten daran, daß Deutschland 1945 nicht nur seine nationale, sondern auch seine moralische Identität verloren hatte. Die grundlegende Frage nach der Moral in der Politik gab den Ausschlag für das Votum zahlreicher deutscher Schriftsteller zugunsten der neuen Ost-politik. Die Autoren Günter Grass und Siegfried Lenz reisten mit Bundeskanzler Willy Brandt zur Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages 1970 nach Warschau. Siegfried Lenz sah seine Rolle bei dieser Reise darin, durch seine Anwesenheit sein Einverständnis mit der Ostpolitik des Kanzlers auszudrükken. Zu dieser Rolle gehörte nach seiner Auf-fassung auch das Vertrauen in die vermittelnde Eigenschaft der Literatur, die helfen könne, ein besseres Verhältnis zwischen zwei Völkern herzustellen. Beim „Nachdenken über Warschau“ wies Siegfried Lenz auf die Kausalität der Geschichte hin; das Datum der Unterzeichnung des Warschauer Vertrages habe nichts anderes als das Ende „prekärer Heimkehr-Illusionen" gebracht: „Denn was verlorengegangen ist, ging nicht an dem Tag der Unterzeichnung verloren. Wir büßten es ein, als Hitler uns zum Krieg überredete und aus den jetzt verlorenen Provinzen sogenannte Bereitstellungsräume zum Angriff machte. Es kam uns abhanden in einer Zeit, als wir mit der Furcht und dem Zittern einverstanden waren, das die unterworfenen Völker vor uns empfanden.“

Bundeskanzler Brandt konnte auch für seine mit der Ostpolitik und mit der Berlin-Frage eng verflochtene Deutschland-Politik die Sympathien der Literaten gewinnen. Günter Grass begleitete den Kanzler im März 1970 bei dessen Treffen mit dem Vorsitzenden des DDR-Ministerrates, Willi Stoph, in Erfurt Die westdeutschen Schriftsteller waren offensichtlich beeindruckt von dem Vorsatz der neuen Deutschland-Politik, ein weiteres Auseinanderleben der Nation zu verhindern und über ein geregeltes Nebeneinander zu einem Miteinander zu kommen. Die sozial-liberale Koalition setzte im Nationsverständnis der Bundesrepublik neue Akzente. Sie nahm die Existenz zweier deutscher Staaten offiziell zur Kenntnis, hielt aber an der Auffassung fest, daß die beiden deutschen Staaten noch immer in einer gemeinsamen deutschen Nation verbunden sind („Zwei Staaten — eine Nation"). Die neue Deutschland-Politik wollte gerade durch die zwischenstaatliche Anerkennung die Möglichkeiten der menschlichen Kontakte im geteilten Deutschland erhalten und stärken. Diese Konzeption stellte in erster Linie auf das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen in Ost und West ab; sie dachte die deutsche Nation vor allem als „Bewußtseinsnation" und lehnte sich damit an die Vorstellungen einer „Kulturnation" an, die das Selbstverständnis der deutschen Schriftsteller mehr und mehr bestimmten.

Der Fortbestand der Nation als Kulturnation erschien vielen Literaten als ideelles Gegengewicht zu der Bereitschaft, der Vorstellung einer „Wiedervereinigung" im Rahmen einer Staatsnation innerhalb eines überschaubaren Zeithorizonts abzuschwören. Günter Grass beispielsweise notierte Anfang der siebziger Jahre: „Das Wort . Wiedervereinigung'und der Wunsch nach Wiedervereinigung waren zwanzig Jahre lang stärker als die uns täglich belehrende Realität (...) Doch der Glaube an die Wiedervereinigung hat keinen Berg, geschweige denn die Berliner Mauer versetzen können. Heute wagen wir auszusprechen, was viele wußten, aber nur hinter der hohlen Hand sagten (...) Es wird keine Wiedervereinigung geben: keine unter den Vorzeichen unseres Gesellschaftssystems, keine unter kommunistischen Vorzeichen. Zwei deutsche Staaten deutscher Nation, die gegensätzlicher und einander feindlicher nicht gedacht werden konnten, müssen lernen, nebeneinander zu leben und miteinander die Hypotheken gemeinsamer Geschichte zu tragen.“

Die neue Deutschland-Politik erweckte keine einheitsstaatlichen Erwartungen mehr; sie brachte Nation und staatlichen Status quo in Ausgleich; sie entschärfte mit dem Verzicht auf überschießende Ambitionen die emotional aufgeladene Kategorie der deutschen Nation. Während die alte Deutschland-Politik bestimmte Rechtspositionen festzuschreiben suchte, ging es der neuen Deutschland-Politik um andere politische Umgangsformen. Die Deutschland-Politik der sozial-liberalen Koalition war konzipiert als eine Politik des Prozeßhaften, die etwas in Bewegung bringen wollte.

Ihr Ziel war die konkrete Verbesserung der deutsch-deutschen Kommunikation. Die deutschen Schriftsteller wollten tatkräftig dabei mithelfen, die Bürger beider deutscher Staaten zusammenzuführen, statt sie weiter voneinander zu entfremden. Die Literaten dachten aber hier nicht nur daran, zwischen den beiden Deutschland eine Brücke zu schlagen.

Im Laufe der siebziger Jahre verdichtete sich bei den deutschen Schriftstellern die Vorstellung, daß allein die Literatur die beiden Deutschland noch verbinde, während die Poli-

tik sie trenne und teile.

IX. „Wiedervereinigung" in der Literatur

Die Bundesrepublik beharrt nach wie vor auf dem Konzept der einen deutschen Nation. Die DDR hat diese Idee längst aufgekündigt. Sie geht davon aus, daß die „sozialistische Nation“ der DDR nun der „bürgerlichen Nation“ der Bundesrepublik gegenübersteht Sie behauptet, daß es wegen der sozio-ökonomischen Gegensätze kein Zusammengehörigkeitsgefühl mehr zwischen den Menschen in der Bundesrepublik und in der DDR gibt. Die offizielle Doktrin der DDR lehnt also den Gedanken entrüstet ab, daß noch irgendwelche Gemeinsamkeiten zwischen den beiden deutschen Staaten bestehen. Dieser Auffassung widersprechen deutsche Schriftsteller aus Ost und West seit einigen Jahren besonders entschieden. Sie rekurrieren wieder häufig auf den Begriff der deutschen Nation. Denn nach ihrer Meinung erinnert inzwischen nur noch die deutsche Literatur an das ganze Deutschland, an das gemeinsame Vaterland.

Viele Jahre lang überwogen die Signale einer Spaltung des literarischen Lebens. In den siebzigerJahren aber zeichnete sich immer deutlicher eine Konvergenzbewegung der deutschen Literatur ab. Autoren aus der DDR standen immer wieder im Mittelpunkt der literarischen Diskussion in der Bundesrepublik Die Literatur von Autoren aus der DDR hat in der Bundesrepublik verschiedene Funktionen. Erstens erreichen Schriftsteller, die in der DDR keine Möglichkeit haben, ihre Werke zu veröffentlichen, ein Lesepublikum. Zweitens werden dem Leser in der Bundesrepublik auf wichtige diesem Wege Informationen und Erfahrungen aus dem „real existierenden -lismus“ vermittelt. Drittens wirken Autoren, die das einer anderen, nicht westlichen Gesellschaft reflektieren, entscheidend auf die Diskussion im Westen ein

Die Literatur von Autoren aus der DDR spielte in den siebziger Jahren für das Bewußtsein der westdeutschen Schriftsteller eine immer grö-ßere Rolle. Nicht mehr das Trennende wurde betont; ein Gespräch über die Grenze hinweg stand auf der Tagesordnung. Der Eindruck, daß wieder eine Einheit der deutschen Literatur existiere, verstärkte sich, als nach der Ausbürgerung von Wolf Biermann aus der DDR im Herbst 1976 zahlreiche Schriftsteller der DDR in die Bundesrepublik übersiedelten. Der Wechsel von Schriftstellern aus dem einen Teil Deutschlands in den anderen war zwar kein Novum. Aber in den Jahren seit der Ausbürgerung Biermanns hatte der Exodus von bedeutenden Autoren aus der DDR zweifellos eine besondere Dimension. Man sprach von einer „DDR-Literatur im Exil“ (Fritz J. Raddatz). Die Ausgereisten, Ausgebürgerten, Abgeschobenen machten mit ihrem Staatenwechsel neue Erfahrungen, die in ihrem literarischen Werk produktiv wurden. Die „In-Die-HeimatVertriebenen" (Heinrich Böll) schreiben längst nicht mehr hur Erinnerungsliteratur an die DDR, sondern setzen sich kritisch mit den Verhältnissen in ihrem neuen Staat Bundesrepublik auseinander. Sie sind Autoren mit einer doppeldeutschen Perspektive. Ein Beispiel: der Schriftsteller Udo Steinke, der schon 1968 dem „eingemauerten Staat“, dem „Igelstaat“ den Rücken kehrte, debütierte Ende der siebziger Jahre mit Erzählungen, die die Bundesrepublik und die DDR gleichermaßen genau in den Blick nehmen.

Eine „Wiedervereinigung" wenigstens in der Literatur scheint sich hier in den Augen vieler Autoren Nach anzudeuten.der Meinung der deutschen Schriftsteller spricht vieles dafür, daß die deutsche Gegenwartsliteratur in den beiden deutschen -Staaten zusammengewach sen ist. In der Literatur zeigen sich Korrespondenzen, so sehr auch die beiden deutschen Staaten im Politischen gegeneinander leben und sich gegenseitig ausschließen Gleichzeitig schrieben etwa Günter Grass an seiner Erzählung „Das Treffen in Telgte" und Christa Wolf an ihrer Erzählung „Kein Ort. Nirgends“ — zweimal ein fiktives Dichtertreffen, zweimal das Thema Geist und Gesellschaft, zweimal die Vision der Vergangenheit, um Fragen der Gegenwart kenntlich zu machen. Eine Konvergenz, ja eine Einheit der deutschen Literatur behauptet Günter Grass besonders nachdrücklich: »Als etwas Gesamtdeutsches läßt sich in beiden deutschen Staaten nur noch die Literatur nachweisen; sie hält sich nicht an die Grenze, so hemmend besonders ihr die Grenze gezogen wurde.“

Der Rekurs der Schriftsteller auf die deutsche Nation hat freilich Folgen für das Verhältnis der Literaten zu ihrem jeweiligen Staat Viele westdeutsche Schriftsteller tun sich schwer dabei, ein positives Bekenntnis zur Bundesrepublik abzulegen, weil diese Republik in ihrer Perspektive nur ein Teil des ganzen Deutschland ist Die Schriftsteller deutscher Sprache haben über die Sprache nicht zugleich auch eine nationale Identifikation, wie dies für Schriftsteller anderer Länder, z. B. Frankreich, gilt. Viele westdeutsche Autoren vermögen deshalb die Bundesrepublik nicht als ihre politische Heimat zu begreifen, aber das „andere Deutschland", die DDR, erscheint ihnen noch weniger attraktiv. Martin Walser beschrieb seine „Schwierigkeiten mit dem Vaterland“ mit folgenden Worten: „Diese Nation, als gespaltene, ist eine andauernde Quelle der Vertrauensvernichtung. Diese Nation widerspricht sich. Ich bin unfähig, nur weil ich in der BRD lebe, nur als Bewohner der BRD zu denken und zu empfinden. Aber noch weniger kann ich mir die DDR zu eigen machen. Ich kann keinen der beiden deutschen Staaten in mir oder überhaupt verteidigen. Jeder sozusagen natürliche Identifikationsprozeß (...) wird andauernd durch den anderen Teil der Nation gestört. Allmählich erfahre ich, daß nur noch eine Identifikation übrigbleibt: die mit dem Widerspruch zwischen den beiden deutschen Teilen."

Fazit

Die Schriftsteller spielten für das Selbstverständnis der Deutschen als Nation nach 1945 eine zentrale Rolle. Schon in den ersten Nachkriegsjahren waren es vor allem die Literaten, die eine Spaltung Deutschlands zu verhindern suchten. Sie hegten die Hoffnung, daß die bindende Kraft der Kultur das Auseinanderfallen des Landes und des Bewußtseins seiner Bewohner unmöglich machen werde. Ein neues, nicht faschistisches, demokratisches, einheitliches Deutschland stand bei den Autoren im Mittelpunkt politischer Wünsche und Sehnsüchte. Die tatsächliche Entwicklung nach 1945 ließ solchen Aspirationen wenig Raum. Selbst die Literatur blieb vom Spaltpilz nicht verschont Lange hoben die Autoren das Gemeinsame oder wenigstens das Gemeinsame im Trennenden hervor. Aber auch im kulturellen Bereich war der Bruch bald erkennbar.

Die SBZ bzw. die DDR verstand die Schriftsteller als . Avantgarde" beim Aufbau einer neuen, sozialistischen Gesellschaft. Die Literaten hatten in der Sicht der DDR einen gesellschaftlieben Auftrag zu erfüllen: Sie sollten auf ihre Weise, als Künstler, helfen, den Aufbau des Sozialismus voranzutreiben. Die Schriftsteller unterlagen in diesem Modell einer „Literaturgesellschaft" (Johannes R. Becher) von Anfang an bewußter Lenkung und Kontrolle. Sie hatten sich den Direktiven der Partei unterzuordnen.

In den westlichen Besatzungszonen verlief die Entwicklung anders. Zwar traten hier einzelne Emigranten wie Klaus Mann oder Alfred Döblin als „Umerzieher" auf, die die Deutschen nach 1945 auf den rechten demokratischen Weg führen wollten. Aber die Reintegration der Exilliteratur wurde mehr oder minder versäumt. Die Schriftsteller waren von den unterschiedlichen Konzepten der Besatzungsmächte abhängig. Es gab kulturpolitische Unterschiede zwischen den einzelnen Zonen, also eine größere Differenzierung. Der Wiederaufbau ging nach dem Willen der westlichen Besatzungsmächte sehr pluralistisch vonstatten. Die . Schriftsteller suchten der territorialen Zersplitterung entgegenzuwirken. Sie schufen sich mit der „Gruppe 47" ein Zentrum der Integration der Literatur. Den Autoren wurde in der Bundesrepublik nicht wie in der DDR eine bestimmte Parteilichkeit abverlangt. Ihnen stand in der neuen Demokratie wie allen Bürgern das Recht auf freie Meinungsäußerung zu; ihnen wurde allerdings weniger öffentliche Beachtung und Anteilnahme zuteil; die Politiker ließen nämlich in Anfangsphase der der Bundesrepublik das politische Engagement der Literaten links liegen.

Die Errichtung von zwei deutschen Staaten mit unterschiedlichen Gesellschaftssystemen trieb so auch die deutschen Literaten auseinander. In den lünfziger Jahren mehrten sich deshalb die Stimmen von Schriftstellern, in denen von einer gespaltenen Literatur in einem gespaltenen die Rede war. Dieses Bewußtsein Land verschärfte sich nach dem Mauerbau 1961. Denn nach der Errichtung des steinernen Symbols der Teilung sahen sich die beiden deutschen Staaten auf sich selbst zurückgeworfen; sie mußten sich auf die schwierige Suche nach einer neuen Identität begeben. Die Schriftsteller hatten gesamtdeutschen Träumen zu entsagen; sie akzeptierten nolens vo-lens die Bundesrepublik bzw. die DDR als „ihr Land".

Während das 19. Jahrhundert und noch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts durch den Begriff der National-Literatur, durch den Streit um Kulturnation versus Staatsnation gekennzeichnet war, bestimmte nach 1960 eine Tendenz der Regionalisierung und der Provinzialisierung die literarische Szene. Die landschaftsgebundene Literatur, die Dialektdichtung gewannen an Bedeutung. Viele Autoren erschienen als Regionalisten, die jeweils einen estimmten Mikrokosmos beschrieben: Gün-ter Grass (Danzig) und Heinrich Böll (Rhein-

and), Siegfried Lenz (Ostpreußen) und Her-mann Lenz (Schwaben), Walter Kempowski °stock) und Martin Walser (Bodensee), Hans inich Nossack (Hamburg) und Horst Bienek 'erschlesien). Diese Orte und Landschaften snd bei vielen Autoren Erinnerungsbilder eij‘es durch den Nationalsozialismus geschängeistigen Deutschland An die Stelle der „deutschen" Literatur trat nach 1960 zunehmend die österreichische Literatur, die schweizerische Literatur, die Literatur der Bundesrepublik und die Literatur der DDR.

Die Reaktionen deutscher Schriftsteller auf den Einschnitt des Mauerbaus 1961 waren aber durchaus Die ambivalent Zementierung der deutschen Teilung bewirkte nicht nur eine Zuwendung deutscher Autoren zu dem Staat in dem sie lebten, bis hin zu einer partiellen Identifikation und zu einer Haltung kritischer Solidarität. Der Mauerbau evozierte auch eine regelrechte „Teilungsliteratur“, die an der Grenze, die die Deutschen in Ost und West trennt, nach der Idee des gemeinsamen Deutschland suchte. Deutsche Schriftsteller hielten in den sechziger Jahren den Gedanken an die deutsche Nation wach, während deutsche Politiker noch auf Alleinvertretungsanspruch hier, auf Abgrenzung da setzten. Die Deutschland-und Ostpolitik der sozial-liberalen Koalition machte einen neuen Anfang; sie fand zu Beginn der siebziger Jahre die Unterstützung der Schriftsteller, weil sie versprach, vom Gegeneinander zum Miteinander zu kommen.

Die hochfliegenden Erwartungen konnten in der politischen Praxis häufig nicht erfüllt werden. Ende dersiebzigerJahre flammte die Diskussion über die deutsche Frage wieder auf. Die deutschen Schriftsteller machen sich seither mit Vehemenz zum Anwalt der deutschen Nation. Diese „Heimkehr ins Vaterland“ erscheint ihnen an der Zeit, weil äußere Trieb-mächte und innere Fliehkräfte den Zusammenhang der Nation mehr und mehr gefährden. Selbst die Standardsprache in den beiden deutschen Staaten beginnt sich ja bereits stellenweise auseinanderzuentwickeln. Viele heute lebende Autoren glauben deshalb, -daß nur die Literatursprache noch den Gedanken an Deutschland, an die Einheit der deutschen Kultur und Sprache bewahrt. Sie knüpfen dabei an die deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts an, die vielfältig thematisiert hat, daß nicht das „Vaterland", sondern die „Muttersprache“ die eigentliche Heimat des Dichters sei. In dieser Tradition steht heute beispielsweise Horst Bienek: „O Deutschland, immer noch bleiche Mutter, /geborgen fühl ich mich nicht in deinem Schoß, /dabei wünscht ich, es wäre anders, /(...) Ich geb's zu: ich trau dir nicht /(Nur in deiner Sprache fühl ich mich zu Haus.) /(...) Deutschland, meine Mutter. Meine Sprache."

Die deutschen Schriftsteller vertreten heute vielfach die Auffassung, daß der Literatur eine besondere Verantwortung für den Zusammenhalt der Nation zufalle; die Literaturnation, die Kulturnation sei allein noch ein einigender Faktor in Deutschland. Dieses Nationsverständnis, das auf die Gemeinsamkeit der Sprache und der Kultur abhebt, hat positive und negative Aspekte. Der Begriff der Kulturnation kann insofern fruchtbar sein, als er wegführt von der obsoleten Konzeption des Bismarckschen Nationalstaats und das Bewußtsein dafür schärft, daß die Deutschen für die Zukunft besser neue Optionen entwickeln sollten, statt noch länger einer rückwärtsgewandten Utopie des 19. Jahrhunderts anzuhängen. Auf der Kontrastfolie des Begriffs der Kulturnation erscheint eine Politik auf der Grundlage des verbrauchten Nationenbegriffs des vorigen Jahrhunderts deutlich als Anachronismus, zumal sie die europäischen Nachbarn Deutschlands in Angst und Schrecken versetzen würde, wenn sie ernsthaft betrieben werden wollte und könnte.

Gleichwohl ist es eine Frage, ob die Einengung auf die Kulturnation, auf kulturelle Bande genügt Nation ist, wenn es das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit und den Willen zur Einheit gibt, immer auch ein politischer Begriff. Dem Verständnis der deutschen Nation als einer Kulturnation fehlt eine wichtige Dimension. Die Konzeption der Kulturnation läßt sich wohl nicht als kulturelle Initiative beschränken, sie führt zwangsläufig zu politischen Schlußfolgerungen Es fragt sich überdies, wie es um die Idee der Kulturnation realiter bestellt ist. Zu einer deutschen Kulturnation gehören wesentlich gemeinsame Lese-möglichkeiten und Leseerfahrungen. Zwar findet ein wichtiger Teil der Literatur von Autoren aus der DDR ein Publikum in der Bundesrepublik. Dagegen sind den Bürgern der DDR zentrale literarische Werke von Autoren aus der Bundesrepublik nicht zugänglich. Die von Günter Grass ventilierte Idee einer deutschen Nationalstiftung hat angesichts der intransigenten Abgrenzungspolitik der DDR keinerlei Aussicht auf Erfolg. Auch die Versuche eines Kulturaustauschs auf niedrigerer Ebene scheitern bislang regelmäßig. Über die Notwendigkeit, die Hypotheken deutscher Geschichte gemeinsam zu tragen, besteht zwischen der Bundesrepublik und der DDR ebenfalls keine Einigkeit.

Die Last politischer Unkultur, für die die Deutschen in der Vergangenheit verantwortlich waren, müßte ja bei dem Begriff der Kulturnation als problematische Kehrseite mitgedacht werden. Während die Bundesrepublik deutsche Schuld abzutragen sucht, leugnet die DDR jegliche Verantwortlichkeit und reklamiert für sich, wie die jüngste Debatte über Preußen zeigt, allein die fortschrittlichen Traditionen der deutschen Geschichte, obschon ihre politische Praxis freiheitlichen, demokratischen Prinzipien Tag für Tag Hohn spricht (So hat die DDR in den vergangenen Jahren ihren eigenen Anspruch, daß in dem östlichen Deutschland mit der Machtübernahme der Arbeiterklasse der alte Gegensatz zwischen Geist und Macht überwunden worden sei, auf besonders drastische Weise Lügen gestraft, indem sie einen wesentlichen Teil ihrer Literatur außer Landes trieb.)

Hinter der Idee einer deutschen Kulturnation stehen also manche Fragezeichen. Aber die von den Schriftstellern favorisierte Vorstellung ist dennoch geeignet, den Deutschen eine realistische Möglichkeit zu eröffnen, sich als Nation zu definieren. Die deutschen Schriftsteller haben vergangenen Visionen von einer besonderen Sendung Deutschlands in der Welt eine entschiedene Absage erteilt. Mit ihrem aufgeklärten Patriotismus möchten sie allein daran erinnern, daß sich die deutsche Nation trotz staatlicher Teilung als beständiger erwiesen hat, als viele erwartet hatten. Der DDR-Schriftsteller Rainer Kirsch spricht stellvertretend für viele Autoren: „An der staatlichen Überdachung der deutschen Nation besteht bei der gegenwärtigen Welt-Machtverteilung kein Interesse, so daß auch wir sie nicht wollen können. Doch heißt das nicht, wir sollten oder dürften nationales Denken/EmP finden wegwerfen; als Staatsbürger bleiben wir der Nation verpflichtet, um sie, schreibend oder sonstwie handelnd, für mögliche bessere Zeiten mit allem auszurüsten, was sie als Teil einer künftigen Weltgemeinschaft braucht"

Bei aller Entzweiung haben die Deutschen noch genug Gemeinsamkeiten. Die neuerliche Virulenz der Debatte über Deutschland rührt nicht zuletzt von dem Verlust politischer Handlungsfreiheit unter dem Druck internationaler Spannungen her. Längst hat der Ost-West-Konflikt die Deutschen wieder eingeholt Der Spielraum der Deutschland-Politik ist durch die Veränderung der politischen Rahmenbedingungen kleiner geworden. Die Turbulenzen der neuen Ost-West-Krisen drohen die beiden deutschen Staaten nach einer Phase des Neben-und Miteinanders wieder auseinanderzutreiben. Die deutschen Schriftsteller verfolgen hüben wie drüben das Verhalten der politisch Mächtigen zunehmend besorgt. So richteten im April 1980 die Autoren Thomas Brasch, Sarah Kirsch, Peter Schneider und Günter Grass in gemeinsamer Friedenssorge ein „gesamtdeutsches Manifest“ an die Regierung der Bundesrepublik Deutschland Der Appell der Schriftsteller an die Politiker hat ein berühmtes Vorbild. Anfang der fünfziger Jahre schrieb Bertolt Brecht: „Werden wir Krieg haben? Die Antwort: Wenn wir zum Krieg rüsten, werden wir Krieg haben. Werden Deutsche auf Deutsche schießen? Die Antwort: Wenn sie nicht miteinander sprechen, werden sie aufeinander schießen (...) Das große Carthago führte drei Kriege. Es war noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten. Es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten.“

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die Zeit vom 30. 1. 1981, S. 3.

  2. Süddeutsche Zeitung vom 30. 5. 1979, S. 11.

  3. Vgl.den bezeichnenden Titel einer neueren Text-sammlung zum Thema Literatur und Politik: Klaus Wagenbach, Winfried Stephan, Michael Krüger (Hrsg.), Vaterland, Muttersprache. Deutsche Schriftsteller und ihr Staat von 1945 bis heute, Berlin 1979.

  4. Günter Grass, Kopfgeburten oder Die Deutschen sterben aus, Darmstadt/Neuwied 19802, S. 18.

  5. Friedrich Schiller, Sämtliche Werke, Bd. 1, hrsg. von Gerhard Fricke und Herbert G. Göpfert, München 1973, S. 473.

  6. Vgl. zur jüngsten Debatte über Deutschlands Sonderentwicklung: Kurt Sontheimer, Deutschlands historischer Sonderweg. über Diskontinuitäten in der deutschen Geschichte, in: Süddeutsche Zeitung vom 30. /31. 5. 1981, S. 106.

  7. Vgl. Hermann Lübbe, Die philosophischen Idee von 1914, in: Politische Philosophie in Deutschland. München 1974, S. 171— 235.

  8. Wolfgang Frühwald, „Ruhe und Ordnung". Litera™rsPrache — Sprache der politischen Werbung, München/Wien 1976, S. 158f.

  9. Friedrich Schiller, Gedichte und Balladen, München 1961, S. 193.

  10. Friedrich Sengle, Die deutsche Literatur des Jahrhunderts, gesellschaftsgeschichtlich gesenen, in: Literatur — Sprache — Gesellschaft, München 1969, S. 81.

  11. Robert Minder, Deutsche und französische Literatur— inneres Reich und Einbürgerung des/Dichers, in; Kultur und Literatur in Deutschland und iTankreich, Frankfurt 1962, S. 5— 43.

  12. Vgl. Hans Mayer, Leiden an Deutschland. Die eutschen Schriftsteller und ihre Gesellschaft, in: rrankfurter Hefte, 1978. H. 3. S. 49— 59.

  13. Vgl. Helmuth Plessner, Die verspätete Nation, über die politische Verführbarkeit des bürgerlichen Geistes, Stuttgart 1959.

  14. VgL vor allem Heinrich Manns Essays „Geist und Tat“ und „Dichtkunst und Politik“.

  15. Näheres dazu bei: Wolfgang Frühwald, Kunst als Tat und Leben, über den Anteil'deutscher Schriftsteller an der Revolution in München 1918/19, in: Wolfgang Frühwald, Günter Niggl (Hrsg.), Sprache und Bekenntnis, Berlin 1971, S. 361— 389.

  16. Kurt Tucholsky, Hitler und Goethe, in: Die Welt-bühne, 28. Jg., Nr. 20, vom 17. 5. 1932, S. 752.

  17. Vgl. die aktuelle Diskussion bei: Wolfgang Früh-wald, Wolfgang Schieder (Hrsg.), Leben im Exil. Probleme der Integration deutscher Flüchtlinge im Ausland 1933— 1945, Hamburg 1981.

  18. Wolfgang Frühwald, Exil als Ausbruchsversuch. Ernst Töllers Autobiographie, in: Manfred Durzak (Hrsg.), Die deutsche Exilliteratur 1933— 1945, Stuttgart 1973, S. 490.

  19. Ernst Toller, Eine Jugend in Deutschland, Reinbek bei Hamburg 1963, S. 10.

  20. Emst Toller, Briefe aus dem Gefängnis, in: Prosa — Briefe — Dramen — Gedichte, Reinbek bei Hamburg 1979, S. 25.

  21. Vgl. Herbert Lehnert, Bert Brecht und Thomas Mann im Streit über Deutschland, in: John M. Spalek. Joseph Strelka (Hrsg.), Deutsche Exilliteratur seit 1933, Bd. 1: Kalifornien, Bern/München 1976. S. 62— 88.

  22. Bertolt Brecht, The Other Germany, in: Schriften zur Politik und Gesellschaft 1919— 1956, Frankfurt 1968, S. 283— 289.

  23. Thomas Mahn, Deutschland und die Deutschen, in: Essays, Bd. 2: Politik, hrsg. von Hermann Kurzke, Frankfurt 1977, S. 296f.

  24. Ehrhard Bahr, Der Schriftstellerkongreß 1943 an ner Universität von Kalifornien, in: John M. Spalek, J°seph Strelka (Hrsg.), a. a. O„ S. 51.

  25. Thomas Mann, Schicksal und Aufgabe, in: Essays, Bd. 2: Politik, hrsg. von Hermann Kurzke, Frankfurt 1977, S. 245— 261.

  26. Thomas Mann, Aberglauben und free enterprise, in: Klaus Wagenbach u. a. (Hrsg.), Vaterland, Muttersprache. Deutsche Schriftsteller und ihr Staat von 1945 bis heute, Berlin 1979, S. 98.

  27. Alfred Kantorowicz, Deutsche Schriftsteller im äxiLin: Ost und West, Okt. 1947, S. 42— 51.

  28. Hans Mayer, Macht und Ohnmacht des Wortes, an: Frankfurter Hefte, H. 12, 1947, S. 1180.

  29. Ricarda Huch, Begrüßung, in: Ost und West, Akt 1947, S. 25— 28; Vgl. dazu auch: Gerhard Hay Hrsg., Zur literarischen Situation 1945— 1949, Kronberg 1977, S. 189 ff.

  30. Zitiert nach: Fritz J. Raddatz, Traditionen und pendenzen. Materialien zur Literatur der DDR, Frankfurt 1972, S. 84.

  31. Zitiert nach: Bernhard Zeller (Hrsg.), Als der Krieg zu Ende war". Literarisch-politische Publizistik 1945— 1950, Marbach 19742, S. 326f.

  32. Vgl. die „Resolution des Schriftstellerkongresses“ bei Zeller, a. a. O„ S. 327.

  33. Gunter Groll, Wir gehören zusammen, in: Ost und West, Nov. 1947, S. 89 f.

  34. Hans Mayer, Vom ersten zum zweiten deutschen Schriftstellerkongreß, in: Frankfurter Hefte, H. 8, 1948, S. 693— 696.

  35. Günter Grass, Das Treffen in Telgte, Reinbek bei Hamburg 1981, S. 90.

  36. Thomas Mann, Ansprache im Goetheiahr 1949, Frankfurt 1949, S. 12.

  37. Thomas Mann, Ansprache im Goethejahr 1949, a. a. O., S. 11.

  38. Zitiert nach Zeller, a. a. O„ S. 496.

  39. Gerhard Kluge, Die deutsche Teilung im lyrischen Gedicht der DDR, in: Karl Lamers (Hrsg.), Die deutsche Teilung im Spiegel der Literatur. Beiträge zur Literatur und Germanistik der DDR, Stuttgart 19802, S. 30. Vgl. die entsprechenden Belege in: Elimar Schubbe (Hrsg.), Literatur-und Kulturpolitik der SED, Stuttgart 1972.

  40. Wolfgang Weyrauch, Im literarischen Hubschrauber, in: Die Literatur, H. 2, 1952, S. 1

  41. Gerhard Zwerenz. Gespaltenes Land — gespaltene Literatur, in: Die Kultur, Nr. 138, Aue. 1959, S. 1.

  42. Zitiert nach Kluge, a. a. O., S. 32.

  43. Stefan Andres, Um die Freiheit unseres Handelns. Deutsche Spaltung fordert neues Verhältnis zur Wahrheit, in: Die Kultur, Nr. 113, Aug. 1958, S. 1.

  44. Hans Werner Richter, Das Ende der Illusionen. Zur deutschen Situation unserer Tage, in: Die Kultur, Nr. 166, Aug. 1961, S. 1.

  45. Hans Werner Richter, Das Ende der Illusionen, a. a. O., S. 1

  46. Vgl. dazu eine Notiz bei: Wolfdietrich Schnurre, Der Schattenfotograf, Frankfurt u. a. 1981, S. 193f.

  47. Hans Werner Richter (Hrsg.), Die Mauer oder text 13August, Reinbek 1961, vgl.den Klappen-

  48. Zitiert nach Kluge, a. a. O., S. 39. Günter Kunerts Einstellung zur Nationenproblematik ist differenzierter, als es in diesem Textbeispiel erscheint. In einem neueren Beitrag hebt Kunert zwar hervor, daß ein Bezug auf eine Gesamtnation, auf „Deutschland“ ausscheide. Auch die Ausstrahlungskraft der gemeinsamen Sprache und Kultur sei schwach geworden. Aber die Deutschen in Ost und West teilen nach Kunert nicht nur bestimmte Traditionen und Mentalitäten, sie stehen gemeinsam auch vor dem Dilemma, eine Identität zu finden. Kunert glaubt, daß anstelle der Nation „Europa" dem Deutschen „höhere Heimat“ sein könnte. Vgl. dazu: Günter Kunert, Auf der Suche nach dem verlorenen Selbst, in: Marlies Menge/Rudi Meisel, Städte, die keiner mehr kennt, München 1979, S. 5— 9.

  49. Wolf Biermann, Deutschland. Ein Wintermärchen, in: Nachlaß 1, Köln 1977, S. 91.

  50. Vgl. Wolfgang Frühwald, „Ruhe und Ordnung'Literatursprache — Sprache der politischen Werbung, München/Wien 1976, S. 160f. ,

  51. Günter Grass, Die Plebejer proben den Aufstand, Frankfurt 1968, S. 100.

  52. Vgl. entsprechende Beiträge in den Bänden: Martin Walser (Hrsg.), Die Alternative oder Brauchen wir eine neue Regierung?, Reinbek 1961; Hans Werner Richter (Hrsg), Plädoyer für eine neue Regierung oder Keine Alternative, Reinbek 1965.

  53. Hans Magnus Enzensberger, landessprache, Frankfurt 1960, S. 12.

  54. Hans Magnus Enzensberger, Darmstadt, am t 3ktober 1963, in: Deutschland, Deutschland unS 22nderm. Äußerungen zur Politik, Frankfurt 1967,

  55. Hans Magnus Enzensberger, Versuch, von der deutschen Frage Urlaub zu nehmen, in: Deutschland, Deutschland unter anderm. Äußerungen zur Politik, Frankfurt 1967, S. 37— 48.

  56. Horst Krüger, Der Staat und die Intellektuellen. Autobiographie eines Verhältnisses, in: Frankfurter Hefte, H. 7, 1972, S. 492.

  57. Siegfried Lenz, Nachdenken über Warschau, in: Die Zeit, Nr. 51, 1970, S. 13.

  58. Günter Grass, Was Erfurt außerdem bedeutet, in. Denkzettel. Politische Reden und Aufsätze, Darmstadt/Neuwied 1978, S. 131 f.

  59. Vgl. Hans Mayer, Literatur heute im geteil-sen Deutschland, in: Politik und Kultur, H. 4, 1978, * 321.

  60. Geoffrey V. Davis, „Bloß kein Berufs-Dissident Rn j n’'Zum Phänomen der DDR-Literatur in der Srh esrepublik, in: Paul Michael Lützeler, Egon ranwarz (Hrsg.), Deutsche Literatur in der Bundes‘Pubik seit 1965, Kronberg 1980, S. 237.

  61. Udo Steinke, Ich kannte Talmann, München 1980, S. 80.

  62. Vgl. Wolfram Schütte, Die liegengebliebenen Themen. Ein Gespräch mit Günter Grass, in: Frankfurter Rundschau, Nr. 24, 1980, S. 9.

  63. Günter Grass, Kopfgeburten oder Die Deutschen sterben aus, a. a. O. S. 8.

  64. Martin Walser, Händedruck mit Gespenstern, in Jürgen Habermas (Hrsg.), Stichworte zur „Geistige Situation der Zeit“, Bd. 1: Nation und Republik Frankfurt 1979, S. 44.

  65. Vgl. Wolfgang Frühwald, Grenzgänger der Erinnerung in: Michael Krüger (Hrsg.) Bienek lesen, München/Wien 1980 S.17-43.

  66. Horst Bienek, Baracke Deutschland, in: Jochen Jung (Hrsg.), Deutschland, Deutschland. 47 Schriftsteller aus der BRD und der DDR schreiben über ihr Land, Reinbek 1981, S. 15/18.

  67. Vgl. zur aktuellen Diskussion: Andreas Roßmann, Die Einheit — eine (literarische) Fiktion?, in: Deutschland-Archiv, H. 6, 1981, S. 568f.

  68. Bertolt Brecht, Offener Brief an die deutschen Künstler und Schriftsteller, in: Klaus Wagenbach u. a. (Hrsg.), Vaterland, Muttersprache. Deutsche Schriftsteller und ihr Staat von 1945 bis heute, Berlin 1979, S. 108.

  69. Rainer Kirsch, Wertschätzung der Umfelder. Zum Begriff des Nationalen, in: Jung, a. a. O, S. 108.

  70. Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 19. /20. April 1980, S. 6

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Helmut L. Müller, Dr. phil., geb. 1954; Studium der Politikwissenschaft, Germanistik, Geschichte und Soziologie an der Universität München; seit 1976 Stipendiat des Instituts zur Förderung publizistischen Nachwuchses, München; freier Mitarbeiter bei Zeitungen und beim Hörfunk; wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geschwister-Scholl-Institut der Universität München. Veröffentlichungen: Aufsätze zum Thema Literatur und Politik in der Bundesrepublik.