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Nachrüstung und Systemwandel Ein Beitrag zur Diskussion um den Doppelbeschluß der NATO | APuZ 5/1982 | bpb.de

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APuZ 5/1982 Artikel 1 Internationale Politik und Friedenssicherung als Probleme politischer Bildung Nachrüstung und Systemwandel Ein Beitrag zur Diskussion um den Doppelbeschluß der NATO

Nachrüstung und Systemwandel Ein Beitrag zur Diskussion um den Doppelbeschluß der NATO

Ernst-Otto Czempiel

/ 65 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die aktuelle Diskussion um die SS-20 und den Doppelbeschluß der NATO greift — aus politikwissenschaftlicher Sicht — zu kurz. Rüstung ist Bestandteil des Ost-West-Konflikts; Rüstungskontrolle und Abrüstung lassen sich daher nicht für sich, sondern nur als Teil einer Konfliktstrategie einleiten. Sie hat dreierlei zu berücksichtigen: 1. Der Ost-West-Konflikt, mehr als 30 Jahre alt, hat längst Strukturqualität gewonnen und sich nicht nur in der Außenpolitik, sondern auch im gesellschaftlich-politischen Aufbau der beteiligten Staaten niedergeschlagen. 2. Das Konfliktverständnis hat sich auf einen abgeleiteten Aspekt, den der Sicherheit, verengt und erzeugt dort höchste Spannungen. Der Konfliktkern: die Differenz auf den Dimensionen der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und herrschaftlichen Ordnung, gerät zunehmend außer Sicht. 3. Entspannung muß als Systemsteuerung betrieben werden, die alle beteiligten Gesellschaften gleichmäßig, wenn auch nicht gleichzeitig erfaßt. Eine solche Systemsteuerung kann nur von den bürgerlich-liberalen Staaten ausgehen, weil nur sie über den erforderlichen hohen politischen Entwicklungsstand verfügen. Sie müßten zunächst ein neues Konfliktverständnis entwickeln, das auf einem neuen Macht-verständnis basiert. Macht bedeutet dann nicht mehr, den eigenen Willen durchsetzen, sondern fremden Willen abwehren zu können. Dieser defensive Machtbegriff entspricht den vermehrten und intensivierten Austauschbeziehungen in der Welt, die die Clausewitz-sehe Konfliktperzeption als anachronistisch ausweisen. Er reflektiert auch die militärische Stärke der Sowjetunion, deren Verminderung nicht mehr erzwungen, sondern nur noch veranlaßt werden kann. Dies bezweckt das entwickelte Konfliktverständnis: durch ein verändertes, differenziertes Verhalten auf den einzelnen Konfliktebenen die Sowjetunion zu induzieren, ihr Machtpotential wieder abzubauen und seinen offensiven Einsatz zurückzunehmen. Den Zugang dazu eröffnet nur der Wandel des gesamten Konfliktsystems. Er verändert die Bedingungen, unter denen die Sowjetunion ihre Machtentfaltung definiert, und beeinflußt auf diese Weise auch die interne Enflußkonstellation in der Sowjetunion. Das Problem für den Westen besteht in der Frage, wie er sein Verhalten so ändern kann, daß sich auch das sowjetische ändert. Die Systemsteuerung muß auf dem Feld des abgeleiteten Sicherheitskonfliktes beginnen. Er ist einerseits der gefährlichste, er hat andererseits mit dem eigentlichen Konfliktzentrum wenig zu tun. Die Entspannung des abgeleiteten Sicherheitskonfliktes verlangt keine substantiellen Veränderungen im Herrschaftsaufbau der Konfliktpartner und bewirkt dort auch nur Einflußverschiebungen. Um den Systemwandel einzuleiten, muß der Westen initiativ werden und der Sowjetunion Vorschläge übermitteln, die ihr attraktiv erscheinen. Andernfalls wird sie sie nicht annehmen. Eine solche Strategie erscheint nur dem traditionellen Konfliktverständnis paradox; im entwickelten Konfliktverständnis ist sie folgerichtig, weil — und soweit — sie den Gegner dazu veranlaßt, verleitet oder verlockt, seine Konfliktattitüde zu vermindern. Solche Initiativen haben nichts mit Appeasement zu tun, weil sie Stärke voraussetzen, und nichts mit Vorleistungen, weil sie deutlich als Anreiz ausgelegt sind. Wird der NATO-Doppelbeschluß innerhalb einer solchen innovativen Strategie des Systemwandels interpretiert, so kann er als geeignete Initiative dienen. Anstelle der Gleich-behandlung von Verhandlung und Rüstung (so fortschrittlich sie im Rahmen traditioneller Konfliktkonzepte zu gelten hat) muß der Beschluß dazu eindeutig als Einladung zur Rüstungskontrolle und Rüstungsminderung implementiert werden.

Einleitung: Nachrüstung und Entspannung

I. II. III. IV. INHALT Einleitung:

Nachrüstung und Entspannung Das internationale System und die Innenpolitik der Staaten Die Bestandteile des Ost-West-Konfliktes Was heißt Entspannung? Das entwickelte Konfliktverständnis V. Die Strategie des Systemwandels VI. Die neue Funktion des Doppel-beschlusses

Die Diskussion um den Doppelbeschluß der NATO gibt Anlaß zum Nachdenken darüber, ob überhaupt die richtigen Probleme verhandelt werden. Für sich genommen, verdient der Beschluß die Bedeutung nicht, die ihm zugemessen wird; sie entstammt eher der innenpolitischen Lage der westeuropäischen Staaten als der Rüstungseskalation zwischen Ost und West. Sie sieht mit dem Beschluß nichtviel anders aus als ohne ihn. Da er aber durch die innenpolitische Debatte einen hohen Aufmerksamkeitswert gewonnen hat, läßt er sich gut zum Anlaß dafür nehmen, das Spannungsverhältnis zwischen Ost und West, dem er entstammt, zu analysieren und auf diese Weise an die Ursachen der wechselseitigen Rüstung heranzukommen. Nicht der Doppelbeschluß der NATO bildet das Problem, sondern der Spannungsgrad, der ihn ausgelöst hat.

Wer sich um SS-20 und Doppelbeschluß Sorgen macht, sorgt sich um Symptome. Sie lassen sich nicht örtlich behandeln, sondern weichen erst einer Therapie, die die Ursachen beseitigt. Ein kritischer Ansatz muß also etwas weiter ausholen, muß fragen, wodurch die Spannungen im Ost-West-Konflikt verursacht werden, und was es bedeutet, diesen Konflikt zu entspannen. Dabei tauchen sehr viele Fragen auf, die normalerweise ungefragt und unbeantwortet bleiben, Fragen nach dem Konfliktverständnis, nach der Konfliktstrategie beider Seiten, nach ihren Zielen.. Das scheint auf den ersten Blick etwas umwegig zu sein, erweist sich beim zweiten aber als ausgesprochene Abkürzung. Es hat in der Wüste wenig Sinn, entweder geradeaus zu gehen oder zurückzuwandern. Man muß, wenn es geht, einen Hügel ersteigen, um sich die erforderliche Orientierung zu verschaffen.

Woran scheitert die Entspannung zwischen Ost und West, warum droht der Fortschritt, den sie in den siebziger Jahren machte, wieder verloren zu gehen? Liegt das an den Russen oder an den Amerikanern, oder liegt es vielleicht daran, daß sich ein Konflikt, der inzwischen mehr als 30 Jahre alt ist, sozusagen von selbst fortentwickelt, eine Art politisches perpetuum mobile geworden ist? Hat er sich nicht auch inzwischen in der Innenpolitik der Staaten bemerkbar gemacht, sie verändert? Wenn das so sein sollte — wie kann man ihn dann entspannen? Was heißt das überhaupt: Entspannung? Bedeutet sie, den Konflikt aufzulösen, zu beseitigen, oder kann sie sich mit Rüstungskontrolle oder kooperativer Rüstungssteuerung zufriedengeben? Heißt Entspan-nung vielleicht, den militärischen Konflikt zurückzudämmen und dafür den politischen, ideologischen, gesellschaftlichen zu profilieren? Solche Fragen aufzuwerfen heißt nicht, vom Thema der Nachrüstung abzulenken, sondern ihm beizukommen. In der Regel entzieht sich die Entspannung dem politischen Zugriff dadurch, daß sie sich vereinfacht präsentiert. Sie scheint stets leicht erreichbar zu sein, entweder durch einen Beschluß oder durch dessen Widerruf. Sie ist aber, in analytischem Licht gesehen, ein Beziehungsmuster, das sich nicht durch einen Federstrich, sondern nur durch eine durchdachte, langfristig angelegte Strategie herstellen läßt. Ihr Erfolg dann wird Not-B Wendigkeiten wie den Doppelbeschluß überflüssig und die Rüstungsverminderung zum Normalfall werden lassen.

Eine solche Strategie wird hier entwickelt. Sie beruht auf einem umfassenderen Begriff des Ost-West-Konflikts und auf einem neuen, entwickelten Konfliktverständnis. Sie legt die Entspannung als Systemwandel an, weil die Spannung als Systemwandel entstanden ist. Und sie weist dem Doppelbeschluß eine Funktion zu, die er vielleicht ausfüllen könnte.

I. Das internationale System und die Innenpolitik der Staaten

Abbildung 4

Das Modell des internationalen Systems, das für eine sinnvolle Entspannungsanalyse erforderlich ist, läßt sich hier nur kurz skizzieren Es lehnt sich an die struktur-funktionale Theorie David Eastons an und versteht unter Politik die autoritative oder anderweitig zwingende Verteilung von Belastungen und Begünstigungen (Werten) auf die drei politisch relevanten Bereiche der Sicherheit, der Wohlfahrt und der Herrschaft. Der wichtigste Verteiler ist das politische System (die Regierung), das gegenüber seiner Gesellschaft über gesetzgebende Kompetenzen verfügt, also über Herrschaft. Gegenüber anderen politischen Systemen, also in der internationalen Politik, kann es dagegen nur Macht einsetzen, ein Verteilungsinstrument, das auch andere gesellschaftliche Akteure, etwa große Konzerne, besitzen. In der Politik, national wie international, werden also Macht und Herrschaft eingesetzt, um innen-und außenpolitische Werte der Sicherheit, der Wohlfahrt und der Herrschaft zu verteilen und zu gewinnen. Daraus entstehen mit der Zeit Verteilungsmuster, die sich gegenseitig stabilisieren. Es entstehen Macht-und Einflußpositionen, die sich auf einen bestimmten Grad von Herrschaft im Innern eines Staates und auf einen bestimmten Grad von Macht in den Außenbeziehungen eingestellt haben. Diese Muster sind nicht unveränderlich; sie entstehen ja gerade dadurch, daß die Gesellschaften sich in ihrer Innen-und Außenpolitik im Lauf der Zeit Problemen gegenübersehen, auf deren Bewältigung sie sich einrichten müssen. Aber die Veränderung geht langsam vor sich, läßt sich also auch nur über lange Zeiträume beeinflussen.

Der auf diese Weise geschaffene Zusammenhang von Innen-und Außenpolitik, vom Zustand des internationalen Systems und den Innenpolitiken der das System bildenden Staaten, ist nicht leicht zu analysieren. Auf der anderen Seite ist er entscheidend wichtige Wenn er existiert, zeigt er sofort, daß Entspannung nicht nur als außenpolitisches und internationales Problem begriffen werden kann, sondern auch innenpolitische Folgen haben würde. Allerdings gibt es darüber nur Vermutungen, keine Kenntnisse. Man ist dennoch gut beraten, wenn man einen Zusammenhang annimmt zwischen Innen und Außen, zwischen System-und Staatenzuständen. Diese vorsichtige Annahme reicht auch völlig aus. Denn sie deutet auf einen entscheidenden Aspekt des Entspannungsproblems: die Beziehung zwischen der außen-und der innenpolitischen Dimension. Diese Beziehung ist selbstverständlich weder umfassend noch statisch. Sie ist auch nicht unveränderlich. Sie kann sowohl von der innenpolitischen wie von der internationalen Seite her angegangen und umgestellt werden. So ist die große Koalition in der Bundesrepublik (später dann die sozial-liberale Koalition) nicht ausschließlich der neuen Ost-politik wegen zustande gekommen, hat jene aber zustande gebracht. So sind die Ereignisse in Polen 1970 wie 1981 undenkbar ohne die Entspannung im Ost-West-Konflikt, die durch die Ostpolitik der Bundesrepublik wie durch die KSZE bewirkt worden war. Desgleichen wurde die Verschlechterung der amerikanisch-sowjetischen Beziehungen zweifellos verstärkt durch die Wahl Reagans, für die im wesentlichen inneramerikanische Konstellationen verantwortlich gemacht werden müssen. Verallgemeinert: Die Balance zwischen den Wertverteilungsprozessen innerhalb einer Gesellschaft und zwischen ihr und ihrer internationalen Umwelt ist gegeben, und sie kann von beiden Seiten aus verändert werden, jedenfalls bei kleineren und mittleren Staaten. Bei den Supermächten ist eine außeninduzierte Veränderung der Beziehungen zwischen dem politischen System und dem gesellschaftlichen Umfeld nur begrenzt möglich.

Dieser Zusammenhang ist in der Sozialwissenschaft seit langem bekannt, aber für die Entspannungsdiskussion bisher nicht fruchtbar gemacht worden. Freilich ist bisher auch nicht geklärt, wie die Entsprechungen aussehen, welche Beziehungen zwischen der Innenpolitik, der Außenpolitik der Staaten und der Welt bestehen Während in der kontinentaleuropäischen Schule traditionell dem internationalen System ein gewisses Übergewicht beigemessen wird, weisen angelsächsische Theoretiker den Akzent mehr dem einzelnen Staat zu Schumpeter hat bekanntlich das Phänomen des Imperialismus damit erklärt, daß gewachsene Entscheidungsstrukturen im Innern einer Gesellschaft sich trotz veränderter Umweltbedingungen erhalten und die Wertverteilung bestimmen, obwohl diese Strukturen längst dysfunktional geworden sind Umgekehrt läßt sich am Beispiel der Vereinigten Staaten seit 1974 ablesen, daß Entscheidungseliten, die durch veränderte Umweltbedingungen ihre Position und ihren Einfluß verloren haben oder zu verlieren fürchten, diese Umwelt, oder doch deren Perzeption, verändern, um ihre Machtpositionen wieder zu erlangen bzw. zu erhalten. Ob in diesem Prozeß die Außenbeziehungen real verändert oder nur instrumentell benutzt werden, kann hier offenbleiben. Beides ist möglich, und beides dokumentiert den engen Zusammenhang, der zwischen der Macht-und Einflußverteilung innerhalb einer Gesellschaft und der im internationalen System besteht.

Diese nachweisbaren, aber nicht nachgewiesenen, komplizierten, aber nicht konvergierenden Zusammenhänge müssen, mitsamt den dazugehörigen Modellen und Theorien, zunächst einmal bearbeitet werden. Ohne die Diskussion dieser Zusammenhänge wird es kaum möglich sein, den Punkt zu benennen, an dem eine aussichtsreiche Entspannungspolitik ansetzen kann. Die bisherige Entspannungspolitik ist ja, abgesehen von der Konfliktgeschichte, auch daran gescheitert, daß sie die wechselseitige Stabilisierung, die zwischen Spannung und Herrschaft besteht, nicht unterbrechen konnte, schon gar nicht beim Gegner, auf dessen Innenpolitik man nicht einwirken kann; aber auch nicht beim Allianz-partner, für den das gleiche gilt. Und schließlich: Wer sollte an der Entspannung interessiert sein, wenn sie, infolge ihres Zusammenhangs mit der Innenpolitik, den eigenen Machtverlust bedeuten könnte?

Angesichts dieser vielen und verschlungenen Zusammenhänge, zu denen dann noch die eigentliche Machtrivalität zwischen West und Ost hinzutritt, könnte Entspannungspolitik fast als so aussichtslos gelten, wie sie sich bisher präsentiert hat. Diese Skepsis ist jedoch unangebracht. Wenn man sich einmal der Komplexität des Entspannungsproblems vergewissert hat, es nicht mehr vereinfacht und deswegen verfehlt, lassen sich sehr wohl Zugänge zu einer Entspannungspolitik entwikkein, die aussichtsreich und praktikabel sind. Wichtig dafür ist zu klären, was eigentlich unter Entspannung zu verstehen ist und was sie für den Ost-West-Konflikt, seine Ursachen und seine Dimensionen bedeutet.

II. Die Bestandteile des Ost-West-Konflikts

Eine Analyse des Ost-West-Konflikts ist zunächst auf ein zureichendes Konfliktverständnis angewiesen. Ohne eine Klärung dessen, was unter Konflikt zu verstehen ist, läßt sich weder die Auseinandersetzung zwischen Ost und West beschreiben, noch der erwünschte Prozeß der Entspannung definieren. Dementsprechend blind bleibt die Politik. Ihr eigener Konfliktbegriff ist viel zu sehr Bestandteil des Konfliktprozesses selbst als daß er hilfreich sein könnte. Die wissenschaftliche Erörterung des Konflikts als Begriff und als konkreter Verlauf hat jedoch auch hier keine Hilfen anzubieten. Sie ist über die Diskussion in der klassischen Soziologie eigentlich nicht hinausgekommen Der Begriff des internationalen Konflikts ist ein Stiefkind wissenschaftlicher Diskussion. Ein Einstieg in das Problem findet sich neuerdings bei Werner Link, der den Ost-West-Konflikt mit Hilfe des seinerzeit von Singer entwickelten Konfliktbegriffs analysiert. Link versteht unter Konflikt einen „Prozeß", in dessen Verlauf unvereinbare (oder unvereinbar erscheinende) Tendenzen eine kritische Spannung erzeugen, indem diese Unvereinbarkeit erstens den Akteuren bewußt und zweitens für ihr Handeln bestimmend wird und drittens die Organisation bzw. Struktur der die Akteure integrierenden Einheit potentiell oder aktuell gefährdet Der Versuch, dem Phänomen des Konflikts in erster Linie über den Nachweis seiner Symptome beizukommen, ist analytisch sehr interessant. Praxeologisch bedeutsamer dürfte es indes sein, Konflikt zunächst einmal allgemein zu verstehen als eine Differenz zwischen zwei oder mehreren Verhaltenspositionen und dann den unterscheidenden Akzent zu legen auf die Art und Weise, in der die Differenz überbrückt, aufgehoben oder vertieft wird Mit diesem Ansatz läßt sich die sonst so schwierige Unterscheidung zwischen Konflikt und Wettbewerb treffen insofern der letztere als eine spezifische, über den Austragsmodus zu bestimmende Form des Konflikts erscheint. Es läßt sich aber auch darstellen, daß ein und derselbe Konflikt in den einzelnen Phasen seines Verlaufes unterschiedliche Austragsmodi aufweisen kann, ohne als Positionsdifferenz zu verschwinden. Das grobe Mißverständnis, Entspannung sei gleichbedeutend mit Konflikt-minderung, das die amerikanische Diskussion der ersten Hälfte der siebziger Jahre ebenso bestimmte wie die Reaktion darauf zum Ausgang jener Dekade, tritt bei der Bestimmung des Konfliktes als Positionsdifferenz nicht auf.

Diese Differenz kann auf unterschiedliche Weise bewältigt werden, bis hin zur Kooperation. Sie kann durchaus eine Konfliktstrategie sein — was sich in dem schwierigen, sicherlich aber interessanten Begriff der „antagonisti-sehen Kooperation“ in der politischen Sprache auch anzudeuten scheint In der semantischen Widersprüchlichkeit dieses Begriffs zeigt sich aber auch die Hilflosigkeit der politischen Sprache gegenüber den politischen Phänomenen, zeigt sich auch die Fehldeutung. Denn die „antagonistische Kooperation" ist ja eben keine Zusammenarbeit, keine Konfliktlösung auf dem Modus der Übereinstimmung. Vielmehr handelt es sich um eine Strategie, die eher dem Modus der Koexistenz zuzurechnen ist. Hier werden militärische Austragsmodi, wird also die physische Gewaltanwendung vernachlässigt zugunsten anderer, nicht gewaltsamer Formen des Konfliktaustrags. Dieser Übergang kann durchaus als Entspannung bezeichnet werden — wovon weiter unten ausführlicher gesprochen werden wird. Er hat aber nichts zu tun mit einer Minderung, Abschwächung oder gar Aufhebung des Konfliktes. Das sowjetische Verständnis von Koexistenz kommt dieser Realität sehr nahe, wenn es darunter die Fortsetzung des Konfliktes mit nicht-militärischen Mitteln versteht

Internationalen Konflikt als Positionsdifferenz zu verstehen, ihm verschiedene Austragsmodi zuzuordnen und ihn danach zu klassifizieren, besitzt damit noch einen weiteren Vorteil. Der internationale Konflikt (fast jeder Konflikt) ist kein eindimensionales Phänomen, sondern setzt sich aus mehreren, unterschiedlichen Positionsdifferenzen zusammen. Vom Ost-West-Konflikt zu sprechen, ist daher auch begrifflich nicht zulässig. Die Sprache unterstellt eine Geschlossenheit, eine Einheitlichkeit des Vorgangs, die nicht existiert. Vielmehr lassen sich mehrere, wahrscheinlich sogar zahlreiche Konfliktdimensionen unterscheiden, die auf den drei Sachbereichen der Politik: der Sicherheit, der Wohlfahrt und der Herrschaft aufruhen. Dementsprechend muß man zumindest von einem militärischen, einem wirtschaftlichen und einem herrschaftlichen Konflikt sprechen, zu denen dann noch die Konkurrenz um Einfluß und Macht in der Welt tritt. Es ist evident, daß die einzelnen Sachbereiche, weil sie so komplex sind, mehrere Konfliktdimensionen enthalten. Auf dem Gebiet der Sicherheit spielt sich gewiß zunächst der mit militärischen Austragsmodi ausgestattete Konflikt ab, bei dem es um das Überleben geht. Es tritt aber auch die ideologische Dimension hinzu, die mit den Mitteln der Propaganda, der Überzeugung, der subversiven Destabilisierung ausgetragen wird.

Sicherheit muß aber heute auch schon als soziale Stabilität, als Bewahrung der gesellschaftlichen und der wirtschaftlichen Ordnung gedeutet werden, ist also zu einer Konfliktdimension geworden, die auch den zweiten Sachbereich, die Wohlfahrt, beherrscht. In diesem Sachbereich geht es um den Anteil, den der einzelne an den gesellschaftlich erwirtschafteten Gütern erhält. Hier sind die Positionsdifferenzen zwischen der sozialen Marktwirtschaft und dem kommunistischen Wirtschaftssystem ganz besonders scharf ausgeprägt. Beide Systeme versuchen, durch den Beweis ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit die andere Seite zu beeinflussen (was allerdings dem Kommunismus bisher nicht gelungen ist). Sie versuchen auch, die Dritte Welt für das jeweilige wirtschaftliche System zu gewinnen. Gelänge beides, so wäre zwar nicht die physische Sicherheit, wohl aber die sozio-ökonomische Identität des anderen in Frage gestellt. Sicherheit hat damit im Ost-West-Konflikt längst auch eine soziale Konfliktdimension aufzuweisen. Oder umgekehrt: Die wirtschaftlichen Verteilungsprozesse, die den Sachbereich Wohlfahrt ausmachen, haben längst auch eine Sicherheitsdimension erhalten.

Davon wird selbstverständlich auch der dritte Sachbereich, Herrschaft, betroffen. In ihm werden Beteiligungswerte verteilt, also Teilhaben an politischer Freiheit und politischer Macht. Diese Verteilung muß sich zunächst einmal als solche legitimieren, muß, als Demokratie, den notwendigen Konsens der Betroffenen erhalten. Auch hier hat der sowjetische Machtbereich ganz erhebliche Defizite aufzuweisen, wie gerade das Beispiel Polen zeigt. Andererseits läßt die Jugendrevolte in westlichen Ländern erkennen, daß auch hier erhebliche Fortschritte möglich und nötig sein würden. In dem Sachbereich Herrschaft wird der Ost-West-Konflikt, jedenfalls was die Regierungen anbelangt, relativ behutsam ausgetragen. Keine Seite ist an einer radikalen und überstürzten Destabilisierung der anderen Seite interessiert. Es könnten sonst durch die Ableitung solcher Konflikte nach außen dramatische Sicherheitsprobleme auftreten. Der Konfliktaustrag vollzieht sich dementsprechend hier durch die behutsame Unterstützung endogener Veränderungskräfte.

Dennoch ist der Konflikt in dem Sachbereich Herrschaft zentral, die Positionsdifferenz hier scharf ausgeprägt. Auf dem Grund des Ost-West-Konfliktesliegt die Differenz zwischen den beiden unterschiedlichen Herrschaftsund Gesellschaftssystemen, die sich zumindest im Bewußtsein ihrer Vertreter seit 1917 unversöhnlich gegenüberstehen. Auf der einen Seite die bürgerlich-liberal-demokratisch-soziale Ordnung, die auf den einzelnen und seine Freiheit gerichtet ist und die soziale Gerechtigkeit ausgleichend hinzufügt. Auf der anderen Seite die kommunistische Ordnung meist bolschewistischer Prägung, in deren Zentrum das Kollektiv steht, das die Ansprüche des einzelnen auf Freiheit und Gerechtigkeit zu definieren beansprucht. Werner Link hat in seinem oben erwähnten Buch über den Ost-West-Konflikt nachgewiesen, wie dieser zentrale Konflikt seit 1917 verlaufen ist. Obwohl wir es also hier mit dem originären Konflikt zu tun haben, ist er weitgehend in den Hintergrund getreten, beschränken sich die Formen seines Austrags auf ideologischen Schlagabtausch und Konkurrenz um die Dritte Welt.

In den Vordergrund sind statt dessen ganz andere Konflikte getreten, vor allem der um Sicherheit und der um Macht in der Welt. Die Entwicklungsgeschichte dieser Konflikte läßt sich einigermaßen skizzieren. Der Sicherheitskonflikt, der bis auf’die Periode 1917— 1920 dem Ost-West-Konflikt fremd war, beginnt um die Wende 1945/46 mit dem Zerfall der alliierten Kooperation in Deutschland. In dem Moment, in dem sie nicht mehr als gewährleistet gelten konnte, begannen beide Seiten mit der Sicherung ihrer Einflußsphäre. Die Sowjetunion schloß sehr früh Freundschafts-und Beistandsverträge mit den osteuropäischen Staaten; im Westen war der Brüsseler Pakt von 1947 ein Vorläufer des Nordatlantikvertrages. Trat die Gefährdung der Sicherheit bereits mit dem Zerfall der Kooperation hervor, so schiebt sie sich seit 1950, seit dem KoreaKrieg, in den Vordergrund. Gleichzeitig verschärft sich der Grad der Militarisierung dieses Konfliktes.

Der Zusammenhang mit dem Machtkonflikt in der Welt, den man als sekundären Konflikt bezeichnen könnte, ist also gegeben, aber nur leicht. Dieser sekundäre Konflikt beginnt Anfang 1947, als sich die USA anschickten, in der Nachfolge des sich zurückziehenden britischen Empires die Vakua zu besetzen; er nimmt in dem Maße zu, wie die wachsende Unabhängigkeit der Dritten Welt die historisch entstandene Einflußverteilung in Frage stellt. Auch er hat Rüstung ausgelöst: Es ist die militärische Kapazität der Sowjetunion, die ihre Einflußerweiterung in Afrika und in der Karibik abdeckt; die Amerikaner bauen die Rapid Deployment Force auf, um ihre Präsenz und ihre Schutzbereitschaft in der Dritten Welt zu verstärken.

Aber dieser sekundäre Konflikt treibt die Rüstungsspirale nicht voran, hat es jedenfalls bisher nicht getan. Sie dreht sich mehr auf dem Gebiet der strategischen und eurostrategischen Nuklearwaffen. Sie entstammen einem dritten Konflikt, der sich aus dem Sicherheitskonflikt ableitet und die Dynamik von Rüstung und Gegenrüstung antreibt. Dieser Konflikt ist es, der die Aufmerksamkeit beherrscht, weil er — zugleich — die schärfsten Spannungen erzeugt. Der originäre Konflikt produziert nur geringe, der abgeleitete Konflikt jedoch zwar aufgesetzte, aber höchste Spannungen.

Das ist für eine Konfliktstrategie entscheidend. Würde man diesen abgeleiteten Konflikt drastisch reduzieren, so bliebe die Macht-konkurrenz übrig, die seit 1945 aufgetreten ist. Mit ihr blieben die ihr zuzuordnenden militärischen Austragsmodi zurück, die immer noch beträchtlich sein dürften. Selbst wenn es gelänge, auch diesep Konflikt abzubauen oder doch wenigstens so zu transformieren, daß er nicht mehr in erster Linie militärisch ausgetragen werden würde, gäbe es noch immer zwischen Ost und West genügend Anlässe zu gewaltsamen Konfliktaustragsmodi. Da es im internationalen System keine Recht sprechende und damit Sicherheit gewährleistende Instanz gibt, muß jeder Staat, jede Staatengruppe die eigene Sicherheit besorgen. Dies kann nur durch Verteidigungsmaßnahmen geschehen, die von der anderen Seite notwendig als Bedrohung der eigenen Sicherheit und als Anlaß für die entsprechenden Verteidigungsleistungen angesehen werden. Dieser Mechanismus, der zweifellos einen großen Teil der internationalen Konflikte und vor allem der Gewaltanwendung im internationalen System erklärt, ist von John Herz als Sicherheitsdilemma bezeichnet und analysiert worden.

Dementsprechend müßte der Ost-West-Konflikt am besten als eine Konfliktpyramide bezeichnet werden. Den Fuß bildet der originäre Konflikt als Differenz zwischen unterschiedlichen Herrschafts-und Gesellschaftssystemen. Die ihm zuzuordnenden Austragsmodi sind nicht notwendig und schon gar nicht in erster Linie gewaltsam. Sie können freilich das Sicherheitsdilemma verschärfen, das sozusagen als zweite Konfliktlage anzusehen ist, aber nicht als typisch für den Ost-West-Konflikt zu gelten hat. Er wird vielmehr weiterhin durch eine dritte Konfliktlage bestimmt, die aus der Machtkonkurrenz der beiden Systeme in der Welt stammt. Auch sie ist nicht notwendig auf gewalthaltige Austragsmodi angewiesen. Deren Bevorzugung durch die Supermächte der Gegenwart zeigt erneut, wie dysfunktional diese Modi in bezug auf die ihnen zugewiesenen Ziele eigentlich sind. Afghanistan und Iran sind die entscheidenden Beispiele. Nichtsdestoweniger wird die Machtkonkurrenz zunehmend mit militärischen Austragsmodi ausgestattet — eine Tendenz, die gerade die achtziger Jahre beherrschen dürfte. Damit wird auch die diesem sekundären Konflikt zuzuordnende Spannung erheblich ansteigen.

Oberhalb des originären, des sekundären Konfliktes und des Sicherheitskonfliktes türmt sich dann der abgeleitete, prinzipiell nicht begründbare Konflikt zwischen Ost und West, der sich im Rüstungswettlauf niederschlägt und dort eine zusätzliche, aufgesetzte, aber besonders hohe Spannung erzeugt.

Es ist außerordentlich wichtig, diese Schichtung des Konfliktes und der ihm jeweils zuzuordnenden Spannungsgrade zu berücksichtigen. Gerade weil sich der strukturell unbegründete abgeleitete Konflikt mit seiner aufgesetzten Spannung so sehr in den Vordergrund geschoben hat, daß er das gesamte Verständnis des Konfliktes zu beherrschen scheint, muß dieser in seiner historischen und gesamtpolitischen Größe wiederhergestellt werden. Die Konzentration auf den militärischen Aspekt verschärft zwar den militärischen Austragsmodus, verdunkelt aber gleichzeitig die eigentliche Figur dieses Konfliktes und die ihr zuzuordnenden Austragsmodi. Sich statt dessen auf den militärischen Modus zu konzentrieren, bedeutet nicht nur, ihn zusätzlich zu verschärfen; es bedeutet vor allem, den Konflikt zu unterschätzen. Es bedeutet schließlich, den Zugang zu einer realistischen Entspannungspolitik zu verschließen.

III. Was heißt Entspannung?

Die genauere Bestimmung des Ost-West-Konflikts, seiner Schichtungen und seiner Dimensionen erlaubt es nunmehr, näher zu bestimmen, was unter Entspannung in diesem Konflikt zu verstehen ist Daraus ergeben sich wichtige Anhalte für die Anlage einer entsprechenden Strategie. Wörtlich genommen bedeutet Entspannung, die einer Positionsdifferenz innewohnende Spannung abzuschwächen oder ganz zu beseitigen. Spannung drückt sich in der Regel aus durch die Bereitschaft zur physischen Gewaltanwendung. Einen Konflikt zu entspannen, bedeutet demnach, diese Bereitschaft abzuschwächen. Der Konflikt als solcher, die Positionsdifferenz, wird davon nicht unbedingt beeinflußt.

Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen. Erstens: Ein und derselbe Konflikt kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Spannungsgrade aufweisen. Dafür finden sich zahlreiche Beispiele in der Geschichte, etwa in der Auseinandersetzung zwischen Katholizismus und Protestantismus. Aber auch der Ost-West-Konflikt hat nach 1945 ganz unterschiedliche Spannungsphasen durchgemacht. Ausgedrückt in Graden der Bipolarisierung im diplomatischen und Allianzbereich war die Spannung bis 1948/50 relativ gering, stieg bis 1955 steil an, um dann wellenförmig abzusinken und Anfang der siebziger Jahre einen Tief-punkt zu erreichen Ab 1976 würde dann, in einer gedachten Verlängerung der Kurve, sicher wieder ein Spannungsanstieg zu verzeichnen sein.

Offensichtlich gibt es also, und das ist die zweite Konsequenz, keinen determinierten, unveränderlichen Zusammenhang zwischen Konfliktgegenstand und Spannung. Der Austragsmodus ist weitgehend unabhängig von den Positionsdifferenzen. Der amerikanisch-chinesische Konflikt, der seit 1950 den gewaltsamen Austrag stets mit einschloß, konnte 1972 auf eine fast völlig gewaltfreie Austragsform umgestellt werden, obwohl in den Positionsdifferenzen, vom Kommunismus bis zur Taiwan-Frage, keine substantielle Änderung eingetreten war.

Allerdings gibt es bestimmte Konfliktgegenstände, die bestimmte Austragsmodi nach sich ziehen, jedenfalls in der Regel. Betrifft die Positionsdifferenz territorialen Besitz, d. h. also

Herrschaft über Land und/oder Menschen, so wird in der Regel der Austragsmodus militärischer Gewalt angewendet. Er bildet die Ausnahme, wenn die Positionsdifferenz ökonomische Gewinne betrifft oder wenn es sich rein um ideologische Differenzen handelt. Die Religionskriege sind nicht allein der Religion halber, sondern stets in Verbindung mit territorialen Ansprüchen geführt worden. Diese nachweisbaren Zuordnungen zwischen bestimmten Positionsdifferenzen und bestimmten Austragsmodi bedeuten jedoch nicht, daß diese Zuordnung zwangsläufig, unveränderlich ist Auch territoriale und/oder Herrschafts-Konflikte können ohne den Modus militärischer Gewaltanwendung ausgetragen werden. Anschauungsbeispiele bilden die Osterreich-Regelung von 1954, die Rückkehr des Saargebietes und die Entlassung der Philippinen aus dem amerikanischen Staatsverband. Diese Fälle sind jedoch bisher Ausnahmen; sie zur Regel zu machen, wird sicherlich noch eines längeren geschichtlichen Fortschritts bedürfen. Die Sowjetunion hat 1979 in Afghanistan, die USA haben 1965 in der Dominikanischen Republik die alten Zusammenhänge wieder bestätigt.

Geht oder ging es im Ost-West-Konflikt um Herrschaft und/oder Territorium, so daß ihm der Austragsmodus der militärischen Gewaltanwendung historisch-traditionell zuzuordnen ist? Diese Frage ist schwer zu beantworten, zumal sie in dieser Form noch gar nicht aufgeworfen worden ist. Die Literatur ist sich über die Ursachen des Konfliktes nicht einig, auch nicht, was die Rolle der deutschen Teilung darin anbelangt Daraus kann zunächst einmal negativ geschlossen werden, daß dem Ost-West-Konflikt keineswegs eindeutig territoriale oder Differenzen über Herrschaftsausübung zugrunde lagen. In der Deutschland-frage zerfiel der Konsens der Siegermächte, und er zerfiel in geregelten Bahnen. Am ehesten muß noch die Politik Stalins gegenüber Osteuropa diesem Konflikttyp zugerechnet werden; dort ist dann ja militärische Gewalt angewendet worden. Nur sie wurde vom Westen bestritten und bekämpft, nicht die Zuge-Hörigkeit Osteuropas zum sowjetischen Einflußbereich. Auf der westlichen Seite ist es niemals um territorialen Besitz oder Herrschaft gegangen; die Vereinigten Staaten haben seit 1945 stets nur Zugang und Einfluß, niemals aber Besitz und territoriale Herrschaft gesucht. Für die Sowjetunion kann in der Periode nach Stalin vergleichbares gelten, wobei Afghanistan dieser Interpretation nicht zu widersprechen braucht. In Europa hat es, soweit wir wissen, auf keiner Seite die Absicht gegeben, das Herrschaftsgebiet zu erweitern. Sowjetische Interessen in Polen und Ostpreußen sind mit der Nachkriegsregelung befriedigt worden.

In diese Interpretation paßt, daß die militärische Gewaltanwendung sich erst langsam zum vorherrschenden Gewaltaustragsmodus entwickelte, erst nach 1950, nachdem durch den Korea-Krieg, der von Ost wie von West als der Beginn der Phase gewaltsamer Auseinandersetzung interpretiert wurde, sich die Sicherheitsinteressen voll auswirkten. Der Aufbau der Pakt-Systeme auf beiden Seiten muß dementsprechend verstanden werden als Mittel zur Sicherung der jeweiligen Einfluß-und Machtsphäre, nicht als Instrument militärischer Expansion. Der originäre Konflikt in Europa verlangte keinerlei militärische Gewaltanwendung, weil er nicht auf Herrschaft und territorialen Besitz, sondern auf Einfluß und Zugang gerichtet war, auf gesellschaftlich-wirtschaftlich-politische Ordnungen, von denen Zugang und Einfluß abhängen. Diesem Konflikt wuchs erst durch das Sicherheitsdilemma eine militärische Austragsform zu, ferner dadurch, daß sich über die Machtkonkurrenz in der Welt der sekundäre Konflikt entwickelte. In Europa entstand vielmehr der abgeleitete Konflikt des Gegenübers zweier hochgerüsteter Bündnissysteme mit dem daraus resultierenden Rüstungswettlauf und der von ihm erzeugten aufgesetzten Spannung. Die einzelnen Bestandteile des Konfliktsyndroms weisen also ganz unterschiedliche Spannungsgrade auf, wobei der Teil mit dem höchsten Spannungsgrad die geringste Konfliktqualität besitzt (siehe das Schema auf S. 29). Die Strategie muß sinnvollerweise bei demjenigen Teil ansetzen, der von dem originären Konflikt am weitesten entfernt ist. Die wichtigste Voraussetzung für die Einleitung einer solchen Strategie besteht dann in der Wiederherstellung einer erweiterten Konfliktposition Im Laufe seiner Genese verändert sich jeder Konflikt; im Ost-West-Konflikt ist die Positionsdifferenz in dem Sachbereich Sicherheit mit der von dort stammenden Spannung, dem abgeleiteten Konflikt und seiner aufgesetzten Spannung total in den Vordergrund der Aufmerksamkeit getreten, jedenfalls im Westen. Für die Entscheidungsträger hat sich der Konflikt mit der Sowjetunion auf eine Sicherheitsdifferenz mit exklusiv militärischem Austragsmodus verengt. Demgegenüber sind alle anderen Konfliktdimensionen in den Hintergrund getreten, sind die ideologischen, herrschaftlichen und ökonomischen Dimensionen des Konfliktes weitgehend abgedunkelt worden. Aber auch die „Friedensbewegung" in den westlichen Staaten hat diese Perzeptionsverengung mitgemacht. Vermutlich aus anderen Gründen, aber mit dem gleichen Effekt, konzentriert sie sich auf den militärischen Konfliktaustrag und die dazugehörige Positionsdifferenz. Dabei müßteh gerade diese Gruppen aufgrund ihres Selbstverständnisses die Vielfalt der Positionsdifferenzen deutlich erkennen, die den Konflikt zwischen der kommunistischen Sowjetunion und dem bürgerlich-liberalen Westen bestimmen.

Damit wird keineswegs die Gefahr vermindert, die von dem abgeleiteten Konflikt ausgeht. Im Gegenteil: Seine Gefährlichkeit wird noch dadurch unterstrichen, daß seine Beziehungslosigkeit zum eigentlichen Konflikt deutlich hervortritt. Sie macht auch sichtbar, daß die Entspannung dieses abgeleiteten Konflikts, gegebenenfalls sogar sein Abbau, die Einfluß-, und Machtposition der Entscheidungsträger nicht berührt. Um die aufgesetzte Spannung abzubauen, bedarf es nur sehr weniger Veränderungen in den Beziehungen zwischen Regierung und Gesellschaft, bedarf es nur minimaler Veränderung in der Einflußund Machtverteilung. Sie wird nicht dadurch betroffen, daß die Rüstungsdynamik angehal-ten, der Rüstungsaufwand verringert wird. Die erste Stufe des Entspannungsprozesses, die Verminderung der aufgesetzten Spannung, verlangt nur marginale innenpolitische Konsequenzen. Die Beseitigung der größten Gefahr ist — sozusagen — gesellschaftlich folgenlos. Jede Entspannungsstrategie muß sich daher zunächst auf diese, mit der Struktur des Konfliktes nicht verbundene aufgesetzte Spannung konzentrieren.

Erst beim zweiten Schritt, der Verringerung der mit dem Konflikt in dem Sachgebiet Sicherheit einhergehenden Spannung, sind Korrekturen in der Einfluß-und Machtverteilung zwischen dem politischen System und der Gesellschaft nicht zu vermeiden. Die Beziehung zwischen beiden wurde im Laufe der Zeit dadurch unverändert, daß sich die Gesellschaften zunehmend auf den Konflikt im Sicherheitsbereich einstellten. Dementsprechend wurde der Verteidigungssektor ausgebaut, verschoben sich die Einfluß-und Machtpositionen zugunsten derjenigen, die diese Verteidigungsleistungen zu erbringen hatten.

Ein besonders gutes Anschauungsbeispiel für die dadurch ausgelösten Veränderungen im Regierungsapparat sowie in der Beziehung zwischen Regierung und Gesellschaft bieten die Vereinigten Staaten. Vor 1939 spielten die Streitkräfte eine ganz untergeordnete, die Bundesbehörden und der Präsident eine nicht besonders wichtige Rolle. Der Freiheitsraum des einzelnen war entsprechend groß, die Eingriffsmöglichkeiten und die Verfügungspotentiale der Regierung waren klein. Diese gesellschaftlich-politische Formation, typisch für die bürgerliche Gesellschaft, wurde durch den Zweiten Weltkrieg und dann permanent durch den Ost-West-Konflikt verändert. Militärs und zivile Sicherheitsmanager rückten in das Zentrum der Entscheidungsprozesse, symbolisiert durch den 1947 gegründeten Nationalen Sicherheitsrat, in dessen Zusammensetzung und Aufgabenstellung die Abwehr bewaffneter Angriffe von außen die Hauptrolle spielte. Mit dem Hinweis auf diese Gefährdungen von außen, die sich im Korea-, vor allem im Vietnam-Konflikt veranschaulichten, stieg der Präsident zu jener „imperialen" Figur auf, wie sie von den Präsidenten Johnson und Nixon dargestellt und ausgenutzt wurde. Die Bedeutung des Watergate-Skandals liegt darin, daß sich in ihm zeigte, wie sehr die Präsidenten ihre in der Auseinandersetzung mit der Außenwelt gewonnene Machtfülle auch nach innen wandten. Zusammen mit der Regulierungsbereitschaft einer fast ins Unermeßliche gewachsenen Bürokratie zeigten sich in den Vereinigten Staaten die klassischen Elemente des europäischen Obrigkeitsstaates, des Gegenteils der bürgerlich-liberalen Demokratie. Präsident Nixon wurde gestürzt, Watergate bereinigt, die Kriegsvollmachten des Präsidenten beschnitten. Eine grundlegende Korrektur der veränderten Struktur des amerikanischen Regierungssystems jedoch wurde nicht eingeleitet. Die Verfügungsmöglichkeiten der Bürokratie wurden ebenso belassen wie ihre Ausrichtung auf den Krieg als der primären Erscheinungsform internationaler Konflikte. Würde der Ost-West-Konflikt substantiell verändert, so wäre eine Rückbildung dieser Formation, eine Rückkehr zu den traditionellen Macht-und Einflußfiguren einer bürgerlichen Gesellschaft unvermeidlich.

In ganz besonderem Maße gilt dies für die Sowjetunion. Sie hat in ihrem bolschewistischen System die autoritären Herrschaftsstrukturen des Zarismus nicht vermindert, eher noch vermehrt. Bei dem wachsenden Autonomiestreben und Konsumbedarf ihrer Bevölkerung kann diese Macht-und Einflußverteilung nur aufrechterhalten werden, solange sie mit einer äußeren Gefahr legitimiert und durchgesetzt werden kann. Eine Verminderung der aufgesetzten Spannung würde das nicht grundsätzlich ändern, wohl aber eine Verringerung des substantiellen Sicherheitskonfliktes. In dem Maße, in dem das sowjetische Herrschaftssystem von der Erhaltung eines bestimmten, hohen Spannungsgrades mit dem Westen abhängig ist, wird der Abbau dieser Spannung sicherlich Schwierigkeiten machen.

Mit erheblichen qualitativen Unterschieden sind von dem Problem alle Gesellschaften des Ost-West-Konflikts betroffen, insofern sie sich, über mehr als dreißig Jahre auf ihn eingestellt, ihre Verteilungssysteme danach eingerichtet haben. Wird in einem weiteren und noch schwierigeren Schritt die Positionsdifferenz zwischen Ost und West substantiell vermindert, so ist eine Re-Formierung der Beziehungen zwischen den Gesellschaften und ihren politischen Systemen unvermeidlich. Sie ist bei Gesellschaften, deren politische Systeme über ebensoviel legitimitätsgestützten Konsens wie über Anpassungsfähigkeiten verfügen, zwar nicht mühelos, aber folgenlos zu vollziehen. Ursprung und Qualität der politischen Systeme dieser Gesellschaften sind funktional; sie antworten auf mittel-und langfristige Anforderungen der Gesellschaft. Verändern sie sich, weil sich beispielsweise das Sicherheitsproblem verändert, wandelt sich auch die Funktionsverteilung innerhalb der politischen Systeme. Der Wandel tritt um so schneller ein, je geringer der Grad von Herrschaft in den Beziehungen zwischen dem politischen System und der Gesellschaft sich entwickelt hatte, je demokratischer, je legitimer die Beziehung ist.

Da in der konkreten politischen Wirklichkeit zwischen politischem System und Gesellschaft keine Herrschaftsfreiheit anzutreffen ist, sondern nur verschieden hohe Grade von Herrschaft, werden alle Gesellschaften des Ost-West-Konfliktes Anpassungsprobleme aufweisen. Sie lassen sich abschwächen in dem Maße, in dem, wie erwähnt, die Perzeption des Konfliktes wieder erweitert wird. Treten sämtliche und unverändert erhaltene Dimensionen des Ost-West-Konfliktes in das Bewußtsein, so wird nicht die Beziehung zwischen Gesellschaft und politischem System als Ganzes verändert, sondern nur der auf die Sicherheitsgewährleistung gerichtete Teil vermindert. Der Aufbau der Beziehung bleibt erhalten, sie wird sogar durch die Betonung der anderen Konfliktdimensionen bestätigt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Beziehung zwischen dem politischen System und der Gesellschaft insgesamt, die herrschaftliche Struktur also, funktional angemessen und dementsprechend legitim gewesen, durch die Entwicklung des Ost-West-Konfliktes lediglich verzerrt worden war. Ist die prinzipielle Legitimität nicht gegeben, wurde Legitimität lediglich instrumentell durch die Betonung des Konfliktes reklamiert und mit repressiver Gewalt durchgesetzt, dann werden solche Systeme durch die zweite Phase der Entspannung zweifellos destabilisiert.

Im Sinne einer entwickelten Friedensstrategie ist dies erwünscht und richtig. Friede bezieht sich eben nicht nur auf die Beziehung zwischen den Staaten und beschränkt sich nicht auf die Verringerung und Vermeidung der militärischen Gewaltanwendung zwischen ihnen. Er ist stets auch auf die Vermehrung der sozialen Gerechtigkeit und den Abbau der Gewalt in den Gesellschaften gerichtet muß sich freilich als Strategie seinerseits gewalt-frei und nicht interventionistisch verstehen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so muß die Konsequenz einer so angelegten Entspannungsstrategie, nämlich die perspektivische Destabilisierung repressiver und illegitimer Regime, begrüßt werden. Dies gilt auch partiell: Beziehungssegmente zwischen politischem System und Gesellschaft, die die aus dem Sicherheitskonflikt im Ost-West-Bereich resultierende Spannung zu Repression und einseitiger Nutzenverteilung ausnützen, werden — und müssen — im Zuge der Entspannung verschwinden.

Umgekehrt wird diejenige Beziehung zwischen Gesellschaft und politischem System, die einen hohen Legitimitätsgehalt besitzt, durch den Abbau zusätzlicher und die Betonung originärer Konflikte noch verstärkt. Die Wiedererweiterung der Konfliktperzeption auf alle Dimensionen des Ost-West-Konfliktes bewirkt ferner bei Entscheidungsträgern mit hohem Legitimitätsprofil, daß sich die Sorge vor einem Macht-und Einflußverlust verringert. Dies ist zwar ein untergeordneter, taktischer Aspekt; er hat aber für die Einleitung einer realisierbaren Entspannungsstrategie sehr große Bedeutung. Er sichert dem Entscheidungsträger, der die Entspannungspolitik schließlich ausführen und durchsetzen muß, die Beibehaltung seiner Entscheidungsposition. Damit dürften im Westen manche Barrieren entfallen, die einer Entspannungspolitik bis heute im Wege stehen. Im Bereich der sozialistischen Staaten sind die Chancen einer solchen Entwicklung freilich skeptischer zu beurteilen.

Diese Wiedererweiterung der Konfliktperzeption ist vor allem sachlich geboten. Der Ost-West-Konflikt ist durch seine Militarisierung deformiert, seine Perzeption ist verzerrt worden. Interessanterweise dürfte der Westen von dieser Fehlentwicklung stärker betroffen sein als der Osten. Die kommunistische Ideologie bewahrt wenigstens eine Erinnerung an die Bedeutung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Konfliktfaktoren, wenngleich diese Erinnerung durch die Herrschaftsinteressen der kommunistischen Eliten neutralisiert wird, jedenfalls innerhalb des so-genannten real existierenden Sozialismus. Für den sekundären Konflikt um die Machtverteilung in der Welt leistet die Erinnerung aber gute Dienste, verweist sie die Sowjetunion von selbst auf die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Ursachen der dort liegenden Konflikte. Der bürgerliche Liberalismus, dessen Theoretiker diese Zusammenhänge eigentlich entdeckt und analysiert haben, vergißt sie leichter, weil er nicht durch eine geschlossene Ideologie an sie erinnert wird. Bis 1948/49 war man sich im Westen darüber auch im klaren; dieses Bewußtsein und die es tragende gesellschaftlich-politische Ordnung gilt es wiederherzustellen, allerdings — und das muß erneut betont werden — erst im zweiten Schritt der Entspannungsstrategie. Die Rückbildung eines Konfliktes nimmt nicht weniger Zeit in Anspruch als sein Aufbau. Zunächst geht es um die Minderung und Auflösung der aufgesetzten Spannung und des abgeleiteten Konfliktes der Rüstungsdynamik.

Diese Aufgabe ist schon schwer genug. Denn sie läßt sich nicht einseitig lösen, nicht seitens eines Staates allein. Entspannung läßt sich nur für das Konfliktsystem als Ganzes durchsetzen; entweder wandeln sich alle Konfliktpartner entsprechend oder keiner. Ebenso wie der Konflikt das internationale System insgesamt gewandelt, alle teilnehmenden Staaten betroffen hat, kann Entspannung nur als System-wandel vonstatten gehen.

Allerdings bedarf es dazu des Anstoßes von einer Seite. Eine Gesellschaft muß den Anfang damit machen, den Systemwandel einzuleiten und durchzusetzen. Sie muß Entspannung als Systemsteuerung betreiben. Das ist nicht einfach, schafft vielmehr erhebliche strategische Probleme. Ihrer Darstellung vorangeschickt werden muß jedoch eine Erörterung der unerläßlichen Vorbedingung einer solchen Strategie: der Entwicklung eines neuen Konfliktverständnisses. Eine Entspannungsstrategie als Systemwandel kann nur eine Regierung einleiten, die ein hohes Legitimitätsprofil besitzt und es sich deshalb leisten kann, das erforderliche neue Konfliktverständnis zu praktizieren.

IV. Das entwickelte Konfliktverständnis

Wer den Ost-West-Konflikt in diesem Sinne als historisch gewachsene, vermittelte und komplexe Beziehungsstruktur begreift, kann sich in ihr nicht mehr in einfacher Weise verhalten. Selbst wer davon ausgeht, daß der ori-ginäre Konflikt durch die aggressive Ideologie des Kommunismus in einer historischen Synthese mit den Großmachttendenzen des russischen Reiches entstanden ist, kann nicht übersehen, daß diese Beziehung längst überwölbt worden ist durch andere, anders zusammengesetzte Konflikte. Es ist nicht mehr angängig, die Palette sämtlicher Konfliktbeziehungen mit nur einer Farbe anzumischen, überall sowjetische Aggressionen und westliche Verteidigungen zu zeichnen.

Aber auch dort, wo dieses Bild am ehesten noch zutreffen dürfte, bei dem originären Konflikt zwischen Kommunismus und Liberalismus, muß die Frage aufgeworfen werden, ob es den Grund und den Verlauf des Konfliktes angemessen wiedergibt. Sie wäre nur zu bejahen im Rahmen eines deterministischen Geschichtsverständnisses. Nur wenn man die Dialektik als ein mechanisches Bewegungsprinzip der Geschichte versteht, wird die liberale Gesellschaftsordnung unweigerlich von der kommunistischen so herausgefordert, wie seinerzeit die feudale von der liberalen. Hier sind aber Zweifel angebracht, und zwar gleich doppelt. Der Liberalismus hatte den Feudalismus überwinden können, weil dieser funktionslos, jener produktiv geworden war. Vom Kommunismus muß das Gegenteil gesagt werden; wenn es eine neue produktive Klasse gibt, dann am ehesten noch in der technischen Intelligenz, nicht im Proletariat Vor allem aber muß bezweifelt werden, daß sozialer Wandel stets mit Gewaltanwendung im internationalen System einhergeht. Er kann — muß vielleicht — sich als innergesellschaftliche Revolution vollziehen. Sie legitimiert jedoch niemals die Gewaltanwendung nach außen. Tritt sie auf, so wird sie nicht durch den sozialen Wandel oder dessen Verweigerung begründet, sondern durch Macht. Das war beim Frankreich Napoleons nicht anders als bei der Heiligen Allianz Metternichs, bei der Breschnew-Doktrin ebenso wie bei der Trumans. Wo immer im internationalen System Gewalt angewendet wird, ist sie ein untrüglicher Indikator dafür, daß ein Machtinteresse vorliegt. Dieser Zusammenhang bleibt manchen Akteuren verborgen, weil sie dem Ziel-Mittel-Paradox erliegen: Überzeugt von der Gerechtigkeit und der Legitimität ihrer Sache, sind sie bereit, zu deren Gunsten im internationalen System Gewalt anzuwenden. Unkenntnis erzeugt aber noch keine Unschuld. Der Einsatz des Mittels Gewalt im internationalen System stellt die äußerste Ungerechtigkeit dar, weil er die Grundlage jeder Gerechtigkeit desavouiert: die Erhaltung der menschlichen Existenz. Von daher stellt sich allgemein die Frage, ob ein entwickeltes Konfliktverständnis sich nicht in allererster Linie neu zu dem Phänomen zu verhalten hätte, daß den internationalen Konflikten durchweg zugrunde liegt: zur Macht.

Inhalt und Bedeutung des Begriffs der Macht sind bis heute weitgehend ungeklärt geblieben, vor allem im Bereich der Außenpolitik Das gilt für die Wissenschaft, in der sich seit Morgenthau niemand mehr dieser Frage systematisch angenommen hat, und es gilt auch in der Politik, die zweifellos noch immer unter Macht versteht, was Max Weber beschrieben hat: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht." Die offensive, ja aggressive Komponente, die dieser Machtbegriff vor allem in der Außenpolitik widerspiegelt, scheint bisher nicht weiter aufgefallen zu sein. Morgenthau hat sie reflektiert und akzeptiert, wenn er unter internationaler Politik einen „Kampf um die Macht" und unter ihr „die Herrschaft von Menschen über das Denken und Handeln anderer Menschen“ versteht Die politischen Konzepte der Gegenwart, wenn sie sich überhaupt mit dem Phänomen der Macht beschäftigen, sind nicht darüber hinausgelangt. Wird nicht das Prozeßmuster des Ost-West-Konfliktes maßgeblich durch den Versuch beider Seiten bestimmt, „den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen", ihn also der jeweils anderen Seite zu oktroyieren? Die Rationalität dieses Verhaltens wäre dann praktisch die gleiche wie die des europäischen Mächtekonzerts des 19. Jahrhunderts, in dem jeder „den anderen durch physische Gewalt zur Erfüllung seines Willens zu zwingen" sucht Charakteristisch dafür ist die These des amerikanischen Außenministers Haig: „Die Sowjetunion fühlte sich nicht gezwungen, größeren (Rüstungs-JBegrenzungen und angemessenen Kontrollen zuzustimmen, teilweise weil die Vereinigten Staaten nicht die notwendigen Schritte unter-nahmen, um die strategischen und konventionellen Streitkräfte aufrechtzuerhalten." Im Klartext: Die Sowjetunion muß durch die militärische Stärke des Westens zur Rüstungskontrolle und Abrüstung gezwungen werden. Stellungnahmen dieser Art finden sich auf allen Seiten des Ost-West-Konflikts. Er ist ein Machtkonflikt klassischer Art, und zwar nicht nur im Bereich des sekundären, sondern vor allem auch in dem des abgeleiteten Konflikts. Jede Seite versucht, die andere durch Macht, und zwar in Form von Gewaltandrohung, zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen. Dieser Befund interessiert hier nicht so sehr für die Seite der Sowjetunion, weil er dort zu erwarten war. Die Sowjetunion ist ihrer sozioökonomischen Struktur und ihrem Selbstverständnis nach noch immer ein klassischer autoritärer Nationalstaat. Konzeptuelle Innovationen sind von ihr in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Im Westen hingegen sind sie möglich und notwendig. Die Interdependenz hat das Monopol der staatlichen Akteure aufgelöst, die Relevanz gesellschaftlicher Akteure erhöht. Sie hat damit die Basis geschaffen für die Einlösung der liberalen Werte: Pluralismus, Freiheit, Gewaltabbau. Der Westen ist prädestiniert dafür, ein neues, entwickeltes Konfliktverständnis zu konzipieren.

Für eine Außenpolitik des Westens, die „den eigenen Willen auch gegen Widerstreben" durchsetzt, gibt es heute weder eine Berechtigung noch eine Begründung. Seinem Selbstverständnis, seinem Legitimitätskonzept nach ist der Westen weder aggressiv noch offensiv. Er ist vielmehr defensiv. Er möchte nicht fremdem Willen unterliegen, verzichtet aber seinerseits darauf, den eigenen überall durchzusetzen. Es gibt dafür auch keinerlei sachlichen Anlaß. Der Westen ist an einer Weltherrschaft weder interessiert noch politisch, wirtschaftlich oder sozial auf sie angewiesen. Er will auf allen drei Gebieten seinen Besitzstand wahren. Das ist verständlich und nicht offensiv. Er könnte sich einem ganz anderen Machtbegriff verschreiben, nämlich dem, sich nicht anpassen zu müssen. Nicht-Anpassung wird hier im konventionell-sprachlichen Sinne gebraucht als eine Fähigkeit, äußerem Druck nicht nachgeben zu müssen.

Der Begriff der Nicht-Anpassung im internationalen Bereich ist von Karl Deutsch eingeführ worden im Rahmen seiner kommunikationstheoretischen Analyse der internationalen Beziehungen. Deutsch hat dort Macht beschrieben als Fähigkeit, nicht lernen zu müssen, sich nicht anpassen zu brauchen Kybernetisch ist das ein pathologischer Befund, weil ein lernunwilliges, anpassungsunfähiges System sich selbst zerstört. Nicht-Anpassung in dem hier verwendeten Sinn hat eine positive Bedeutung, schließt interne Lernprozesse geradezu ein. Nicht-Anpassung heißt, darauf zu verzichten, der Umwelt den eigenen Willen aufzuzwingen und sich statt dessen darauf zu beschränken, seinerseits nicht durch fremden Willen gezwungen zu werden. Dem traditionellen Machtbegriff wird damit die offensive, aggressive Komponente genommen, aber er behält die defensive. Die Konsequenzen, die sich daraus für die Konzeptualisierung und Praxis der Außenpolitik ergeben, können hier nur angedeutet werden. Das Feld ist neu und muß erst im Detail erarbeitet werden.

Vermutlich wären die erforderlichen Änderungen nur marginal, aber die Folgerungen wären enorm. Der Verteidigungsaufwand beispielsweise bliebe zunächst unangetastet, er bekäme jedoch eine ganz andere Funktion. Gegenwärtig dient er dazu, die Sowjetunion zu einem bestimmten Handeln oder Nicht-Handeln zu zwingen, ihr einige Optionen zu nehmen, andere nicht zu eröffnen. Für ein solches Konflikt-und Machtverständnis sind Entspannung und Abrüstung dysfunktional, jedenfalls uninteressant. Aus diesem Blickwinkel wird verständlich, warum die Rüstungskontrollund Abrüstungsverhandlungen bisher keinen Erfolg haben konnten: Sie waren nicht darauf gerichtet. Sie waren vielmehr Teil der Machtanwendung, die dazu bestimmt war, den eigenen Willen gegenüber dem Gegner durchzusetzen. Da die gleiche Intention, gegebenenfalls sogar noch stärker, auf der anderen Seite vorherrschte und sie anleitete, nimmt das Schicksal der Rüstungskontrolle und das Prozeßmuster des Konfliktes insgesamt nicht Wunder.

Das Ziel, sich nicht anpassen zu müssen, ist in diesem Punkt sehr viel flexibler. Es verzichtet darauf, den eigenen Willen mit Gewalt durchzusetzen. Es beschränkt sich darauf, Bedingungen zu erzeugen, die die Gesellschaft und die Interessen des Westens unangetastet lassen. Dazu ist die Entspannung, ist die Rüstungskontrolle und Rüstungsverminderung nicht nur im Stande, dazu ist sie sogar besonders ge-eignet. Der Westen ist nicht primär auf die militärische Gewalt angewiesen, wenn er die Anpassung vermeiden will. Seine ideologische, ökonomische und soziale Stärke ist derart, daß die Nicht-Anpassung von vornherein gegeben ist. Da er andererseits darauf verzichtete, die Sowjetunion zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen, könnte er sehr viel flexibler mit der Auswahl der Methoden umgehen, die ihn in Stand setzen, sich nicht anpassen zu müssen. Der Verzicht auf die offensive Macht — um das ganz klar zu machen — ist kein Verzicht darauf, die Identität des Westens zu bewahren und eine mögliche Offensive der Sowjetunion abzuwehren. Ganz im Gegenteil: Es geht lediglich darum, mit dem Hinweis auf jenen veralteten Machtbegriff sowohl das verengte Konfliktverständnis wieder zu erweitern als auch vor allem die Palette der Möglichkeiten, den Konflikt zu entspannen, also die Nicht-Anpassung zu verbessern, erheblich zu erweitern. Um das Extrem zum Beispiel zu machen: Angenommen, die Sowjetunion und der Westen würden bis zum Punkt Null abrüsten, so würde zwar der Westen nicht mehr in der Lage sein, der Sowjetunion gegen ihren Willen den seinen gewaltsam aufzuzwingen. Er wäre andererseits aber sehr wohl in der Lage, sich nicht anpassen zu müssen, brauchte gegenüber der Sowjetunion nicht nachzugeben. Die gleiche Situation träte auch schon bei einem realistisch anzunehmenden Grad von Abrüstung ein, praktisch auf jedem Niveau kontrollierter und reduzierter Rüstung. Man könnte sogar argumentieren, daß im Zustand der Hochrüstung der von der Sowjetunion ausgehende Anpassungsdruck im Westen stark spürbar ist, nämlich in Gestalt steigender Rüstungsausgaben und dem damit einhergehenden Verzicht auf eine andere Verwendung dieses Teils des Volkseinkommens. Diese Einschränkung würde aufgehoben, sänke der Grad der Rüstung. Herrschaftsgrade könnten zurückgenommen, Autonomisierungsprozesse intensiviert werden, der Lebensstandard könnte steigen.

Die zentrale Schwäche des herkömmlichen Machtbegriffs liegt darin, daß er nur eine Form der Beeinflussung für wirksam hält: die der Erzwingung durch Gewaltanwendung oder -androhung. Enge und Antiquiertheit dieses Ansatzes sind in anderen gesellschaftlichen Beziehungen längst aufgegeben worden. Die moderne Pädagogik arbeitet mit positiven Sanktionen, der moderne Strafvollzug versteht sich als Therapie und Resozialisierung, nicht als Abschreckung. Auch die demokratische Herrschaft schlägt andere Wege ein, hält den legalen Zwang im Hintergrund und versucht statt dessen zu überzeugen, zu gewinnen, zu werben.

Nur die Außenpolitik hat kaum Fortschritte aufzuweisen, weil sie allein auf den Zwang der offensiven Machtausübung angewiesen zu sein scheint. Damit blockiert sie sich selbst. Zwar ist auch für eine Politik der Nicht-Anpassung militärische Stärke erforderlich. Aber sie ist nicht auf Überlegenheit angewiesen, sondern mit Parität zufrieden und kann deren Niveau beliebig senken. Die Selbstblockade wird in dem Moment beseitigt, in dem Macht statt offensiv defensiv verstanden wird. Der Verzicht darauf, den Gegner gewaltsam zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen (bei Bewahrung der Fähigkeit, selbst nicht gezwungen werden zu können), öffnet die Fülle der Steuerungs-und Beeinflussungsmöglichkeiten, die einer Politik der Nicht-Anpassung zur Verfügung stehen.

Der Wechsel von der offensiven Macht zu der der Nicht-Anpassung würde dem Westen nicht nur zahlreiche Vorteile bescheren. Er würde ihm auch ein genaueres Konfliktverständnis ermöglichen. Das von Henry Kissinger inaugurierte und von seinen Nachfolgern rezipierte Konzept des „Linkage" zwischen außenpolitischem Wohlverhalten der Sowjetunion und Rüstungskontrollvereinbarungen würde sich als das erweisen, was es ist: eine fromme Täuschung. Die Machtmittel des Westens reichen nicht mehr dazu aus, die Sowjetunion zu einem bestimmten Verhalten gegen ihren Willen zu zwingen. Wenn sie zum „selfContainment" nicht bereit ist, wird sie der Westen militärisch dazu nicht veranlassen können, und zwar auch nicht in der Dritten Welt. Die Sowjetunion ist nach Afrika eingedrungen, ohne einen Kanonenschuß abzugeben. Sie wird auch mit Kanonen dort nicht zu vertreiben sein. Hätte sich der Westen statt dessen von vornherein auf eine Politik der Nicht-Anpassung konzentriert, so wäre ihm Ausmaß und Natur des Aufwandes klar geworden, den er in der Dritten Welt leisten muß, um sich auch dort nicht anpassen zu müssen. Er hätte dann mit einer stärkeren kooperativen Politik gegenüber der Dritten Welt die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen gesetzt, die der Sowjetunion den Eintritt dort auf unabsehbare Zeit unmöglich gemacht haben würden.

Nicht-Anpassung hat also gar nichts zu tun mit Appeasement, mit Nachgeben, mit Ver35 zieht oder Verlust. Sie stellt lediglich die Konsequenz aus einem entwickelten Konfliktverständnis dar, das aus den Erfahrungen der Geschichte einerseits, aus der Existenz unvorstellbar zerstörerischer Machtmittel andererseits gelernt hat. Im Nuklearzeitalter ein Machtkonzept beizubehalten, das von europäischen Duodezfürsten entwickelt worden war, ist nicht nur ein gefährlicher Anachronismus, es ist auch ein schwerer politischer Fehler. Rechnet man die Entwicklung der letzten zwanzig Jahre hoch, so wird als Folge dieses veralteten Machtverständnisses des Westens die Sowjetunion in der Dritten Welt weitere Erfolge erzielen, denen der Westen hilflos gegenübersteht. Rechnet man dieses Verhalten in Mitteleuropa hoch, so ist Carl Friedrich von Weizsäckers häufig geäußerter These zuzustimmen, daß die Wahrscheinlichkeit eines Nuklearkrieges zunimmt. Wissenschaftliche Untersuchungen über die Entwicklungstendenzen von Rüstungswettläufen und über das „Para-bellum-Syndrom" lassen keine anderen Schlüsse übrig.

Der Wechsel von der traditionellen Machtpolitik zu einer solchen der Nicht-Anpassung hätte also zahlreiche Vorteile. Er würde die Kluft zwischen dem Selbstverständnis des Westens und seiner Praxis beseitigen, er würde sein Konfliktverständnis erweitern und damit sein Konfliktverhalten verbessern, er würde die Kriegsgefahr in Mitteleuropa senken. Der Westen wäre nicht mehr darauf festgelegt, die Sowjetunion mit der Drohung militärischer Gewalt zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen und dabei nur begrenzte Erfolge zu haben. Er sähe statt dessen eine reiche Auswahl politischer Verfahren vor sich, mit denen die Sowjetunion bewogen, induziert oder sogar angereizt werden könnte, sich so zu verhalten, daß der Westen sich nicht anzupassen braucht. Die für die gegenwärtige Diskussion in Mitteleuropa aktuellste und wichtigste Folge bestünde darin, daß der Westen in der Rüstungsfrage eine andere, erfolgversprechendere Politik an den Tag legen könnte. Da er selbst auf die Instrumente militärischer Macht nicht mehr ausschließlich setzt, könnte er die Sowjetunion ständig und auf verschiedene Weise dazu anreizen, ihrerseits diese

Machtmittel abzuschwächen. Er könnte, in einem ersten Schritt, die Sowjetunion mit der Frage konfrontieren, aus welchen Gründen sie welchen Aufwand an Rüstung eigentlich braucht.

Diese Frage kann sich der Westen gegenwärtig selbst nicht vorlegen, weil er sie durch sein eigenes Verhalten bereits beantwortet. Die Sowjetunion rüstet, um sich in dem abgeleiteten Konflikt und auch im Sicherheitskonflikt gegen den Willen des Westens zu behaupten, ihn gegebenenfalls ihrerseits mit ihrem Willen überwinden zu können. Dies ist eine vollständige und plausible Erklärung. Sie ist wahrscheinlich sogar richtig angesichts des auf beiden Seiten vorherrschenden Konfliktverständnisses und der Konzentration auf die offensive Macht. Der Westen müßte es also nicht nur übernehmen, der Sowjetunion diese Frage zu stellen, er müßte auch die Bedingungen schaffen, unter denen in der Sowjetunion der Zusammenhang überhaupt problematisiert werden kann. Es spricht sehr viel dafür, daß das Konfliktverständnis der Sowjetunion spiegelbildlich dem des Westens gleicht, jedenfalls im abgeleiteten Konflikt. In Moskau gilt demzufolge, das Rüstungsverhalten des Westens ausschließlich der Absicht, der Sowjetunion den westlichen Willen aufzuzwingen. In dieser Lage bleibt ihr nur eine Rüstung übrig, die ihrem Selbstverständnis defensiv erscheint.

Dieser Zirkel wechselseitiger Fehleinschätzung kann nur von einer Seite unterbrochen werden, nur vom Westen. Indem er das Ziel der Nicht-Anpassung an die Stelle der traditionellen Machtpolitik setzt, versetzt er sich einerseits zunächst einmal in die Lage, Entspannung, Rüstungskontrolle und —schließlich — Abrüstung als Mittel zu akzeptieren, die seine Nicht-Anpassung gewährleisten könnten. Von dieser veränderten Position aus ist der Westen konzeptuell zum ersten Mal in der Lage, der Sowjetunion Verhaltensvorschläge zu machen, die ihr bisher monolithisches Aufrüstungsprogramm differenzieren, gegebenenfalls unterbrechen könnten. Moskau müßte sich dann Rechenschaft darüber ablegen, zu welchen Teilen sein eigenes Rüstungsverhalten sowjetische Machtansprüche instrumentieren, westliche militärische Stärke kompensieren und die Herrschaft der KPdSU in der Sowjetunion wie im gbsamten sozialistischen Bereich exekutieren soll. Bisher konnte die Sowjetunion einem solchen Test stets ausweichen, weil ihrem Rüstungsverhalten seitens des Westens nur eine Funktion, die der offensiven Macht, unterstellt worden war. Es ist denkbar, daß sie in der Tat nur diese eine Funktion besitzt. Dies müßte aber erst erwiesen, müßte in jedem Fall erst ausgelotet werden. Es wäre genauso denkbar, daß die beiden anderen Funktionen eine große, vielleicht sogar die größere Rolle dabei spielen.

Wie immer das Ergebnis eines solchen Tests ausfallen mag: zunächst muß er einmal durchgeführt werden, muß erprobt werden, welche Motive die sowjetische Rüstung veranlassen. Dies kann nicht auf dem Wege des Notenwechsels und des Meinungsaustausches in internationalen Konferenzen, sondern kann ausschließlich auf der Ebene praktischen Verhaltens festgestellt werden. Der Wechsel von der offensiven Macht zur Macht der Nicht-Anpassung setzte den Westen in den Stand, die Sowjetunion einem solchen Test zu unterziehen. Er könnte Moskau Verhaltensangebote machen und aus der sowjetischen Reaktion darauf verläßliche Informationen gewinnen.

Ein solches Verfahren wäre bereits kurzfristig doppelt vorteilhaft. Zum einen ließe sich verläßlich feststellen, aus welchen einzelnen Konfliktpositionen die sowjetische Westpolitik sich zusammensetzt, wie sich bei ihr originäre zu sekundären und abgeleiteten Konflikten und deren Spannungen verhalten, welche Funktionen die militärische Macht übernommen hat. Der Westen würde auf diese Weise endlich ein genaueres Bild der Sowjetunion erhalten, das er für die Weiterentwicklung einer differenzierten Politik gegenüber Moskau benutzen könnte. Die Politik der Nicht-Anpassung ließe sich erheblich verbessern, wenn der Anpassungsdruck, der von der Sowjetunion ausgeht, besser lokalisiert werden könnte. Das gilt auch für den nicht auszuschließenden, aber doch unwahrscheinlichen Fall, daß das gesamte Konfliktverhalten der Sowjetunion exklusiv auf offensive Machtpolitik, also auf die Durchsetzung des sowjetischen Willens gegenüber dem Westen ausgerichtet wäre.

Der zweite unmittelbare Vorteil besteht darin, daß eine solche experimentelle Analyse der Sowjetunion genauer erkennen ließe, welche gesellschaftlichen Gruppen an den einzelnen Konfliktbeziehungen mit dem Westen beteiligt sind. Die undifferenziert militärische Ansprache, die der Westen gegenwärtig der Sowjetunion entgegenbringt, läßt eine solche Analyse nicht zu, unterstellt immer eine Homogenität von Regierung, Partei und Bevölkerung. Sie dürfte kaum vorliegen. Vielmehr ist anzunehmen, daß die Konfliktbeziehungen mit dem Westen von der Bevölkerung überhaupt nicht und von Regierung und Partei-gruppierungen in unterschiedlicher Weise getragen werden. Nicht nur, daß es auch in der Sowjetunion „Falken“ und „Tauben" gibt Vielmehr dürften die einzelnen Konfliktbereiche ihre jeweilige Klientel besitzen. Sie würden auf eine differenzierte Ansprache des Westens auch differenziert reagieren. Ideologie und Parteidiktatur schwächen die Unterschiede natürlich ab, sie treten nicht so deutlich hervor wie im Westen. Aber sie würden doch erkennbar und im Laufe einer solchen Entwicklung sicher auch stärker werden. Dementsprechend würden sich die Entscheidungen der Sowjetunion ändern, langsam zwar, aber unverkennbar.

Wenn der Westen seine Politik entsprechend den im entwickelten Konfliktverständnis enthaltenen Möglichkeiten änderte, würde er also nicht nur mehr über die interne Konstellation der politischen und gesellschaftlichen Kräfte in der Sowjetunion erfahren, er würde diese Konstellation auch beeinflussen. Damit kommt er dem Konzept des Systemwandels, wie es oben angedeutet wurde, schon sehr nahe. Wer die Spannung reduziert, statt des militärischen Instruments andere Mittel einsetzt, nimmt unweigerlich Einfluß auf die Konstellation der Entscheidungsträger beim Konfliktgegner. Diese Einflußnahme ist absolut nicht-interventionistisch Aber sie ist wirksam. Aus diesen Zusammenhängen läßt sich eine Politik der Systemsteuerung ableiten. Sie ist selbstverständlich nicht einfach. Den Gegner anzureizen, statt ihn zu zwingen, ihm Offerten statt Drohungen zu übermitteln, ihn zu ermutigen, statt ihn zu ducken, gelegentlich ihn zu hofieren, anstatt ihn zu diskriminieren — das widerspricht jedenfalls scheinbar dem „gesunden Menschenverstand“. Es widerspricht auch der Tradition und der Konvention von auswärtiger Politik. Es widerspricht der natürlichen Reaktion, auf eine Herausforderung mit einer Herausforderung zu antworten. Dem Feind, der sichtbar und erklärtermaßen hochgerüstet und hochrüstend gegenübersteht, Kooperation anzubieten — und um so mehr, je feindseliger und aggressionsbereiter er sich zeigt —, all dies widersteht dem „common sense“. Aber der Widerspruch ist nur vordergründig, nur scheinbar. Im Grunde handelt es sich um* eine hochentwickelte Rationalität. Wenn der Gegner so stark ist, daß er mit offensiver Macht nicht mehr bezwungen werden kann, muß nach anderen Einwirkungsmöglichkeiten gesucht werden. Andernfalls entsteht ein zweckloser Rüstungswettlauf, in dem ein Vorteil der einen Seite von der anderen in kurzer Zeit ausgeglichen und Unsicherheit lediglich auf höheren Niveaus produziert wird. Diese Lage ist im abgeleiteten Konflikt zwischen Ost und West zweifellos gegeben. Einen hochgerüsteten Gegener mit höherer Rüstung bezwingen zu wollen, bewirkt bei ihm nur Höchstrüstung.

Die Alternative kann nur in dem Versuch bestehen, ihn zu niedrigerer Rüstung zu bewegen, ihn zur Rüstungsminderung anzureizen, Zwang gegen Kooperationsofferten auszutauschen. Die Grundlage dafür bietet das differenzierte Verständnis des Konfliktes als eines komplexen Syndroms, in dem der abgeleitete Rüstungskonflikt nur eine, wenn auch eine sehr gefährliche Rolle spielt.

Dem aggressionsbereiten Gegner Kooperation anzubieten, ist das Gegenteil von Appeasement. Die Strategie bedeutet nicht, ihn durch Nachgiebigkeit zu noch größerer Aggressivität zu verleiten, sondern in einer sinnvollen Kombination von Offerte und Sanktion die Möglichkeiten zu erkunden und zu schaffen, die gefährlichsten Teilkonflikte zu entspannen. Darauf zielen das entwickelte Konfliktverständnis und die Politik der Nicht-Anpassung. Ihnen geht es nicht um Überlegenheit und Sieg über den Gegner, nicht um traditionelle, offensive Macht, sondern um eine Konflikt-steuerung, die die Nicht-Anpassung ermöglicht. Innerhalb dieser Orientierung erst gewinnen Rüstungskontrolle und Entspannung einen funktionalen Wert. Sie kollidieren nicht mehr, wie bisher, mit einer Strategie offensiver Macht, sondern werden zu den wichtigsten Instrumenten defensiver, auf Nicht-Anpassung gerichteter Macht. Sie bilden die Rationalität auswärtiger Politik im Nuklearzeitalter ab. Sie wird sich in der interdependenten Welt zunehmend der Notwendigkeit und der Möglichkeit bewußt, den geschichtsmächtigen Zyklus von Macht, Herrschaft und Krieg zu unterbrechen.

V. Die Strategie des Systemwandels

Ebenso wie das neue Konfliktverständnis, unterscheidet sich auch die neue Konfliktstrategie radikal vom Vorgänger. Sie setzt das Interesse an einer Verminderung des Wettrüstens um in ein funktional darauf gerichtetes Verhalten. Das war bisher nicht der Fall. Die Abrüstungs-bzw. Rüstungskontrollverhandlungen von 1945 bis 1980 wurden vielleicht auf beiden Seiten von gutem Willen getragen, keinesfalls aber richtig und erfolgversprechend angelegt. Nur so läßt sich erklären, daß in den 35 Jahren das Niveau der gegenseitigen Rüstung sich massiv gehoben hat, daß stets neuere Generationen von Waffensystemen erfunden und disloziert wurden und die Rüstungsspirale sich weiterdrehte. Was immer die Anwälte der bisherigen Rüstungskontrollpolitik ins Feld führen können: Sie werden durch das vorfindbare und beweisbare Ergebnis des Rüstungswettlaufs widerlegt.

Dieser Befund ist gefährlich und sollte alarmieren. In der Vergangenheit haben Rüstungsverläufe dieser Art in 23 von 28 Fällen zum Kriege geführt Eine vorsichtigere Be-rechnung stellt immer noch fest, daß 55 Prozent aller Rüstungswettläufe die bewaffnete Auseinandersetzung nach sich ziehen Dieses Ergebnis wird durch die Erfahrung, daß die wechselseitige Abschreckung in Mitteleuropa zweifellos zur Stabilisierung des Konfliktes beigetragen hat, nicht abgeschwächt. Abschreckung und Rüstungswettlauf müssen nicht identisch sein. Im Ost-West-Konflikt fallen sie erst seit dem Anfang der sechziger Jahre zusammen, als die Sowjetunion mit einem kontinuierlichen Aufrüstungsprogramm begann und die Vereinigten Staaten mit der Vermirvung ihrer Raketen die Entwicklung neuer Waffengenerationen beschleunigten. Da SALT II nicht ratifiziert wurde, steht ein strategischer Rüstungswettlauf bevor; in Mitteleuropa droht ein taktischer, nachdem die Sowjetunion die SS-20 eingeführt und der Westen darauf mit dem Doppelbeschluß reagiert hat. Auf beiden Ebenen ist damit der abgeleitete Konflikt in eine neue und beschleunigte Phase des Rüstungswettlaufs eingetreten. Die Ratifizierung von SALT II hätte im strategi-sehen Bereich diese Entwicklung verlangsamt, aber nicht prinzipiell unterbrochen. Die bisherige Rüstungskontrollpolitik reicht in Ansatz und Praxis nicht aus.

Der Befund darf nicht überraschen, überprüft man die Konzeptualisierung der bisherigen Rüstungskontrolle, so bleibt sie im Hinblick auf Anreiz und Motivation hinter den Antrieben zurück, die die Aufrüstung auf beiden Seiten fördern. Nimmt man als Motiv nur das Sicherheitsdilemma an, so entsteht der Anlaß zur Aufrüstung durch die perzipierte, antizipierte oder analysierte Vor-Rüstung der anderen Seite. Das Ziel der Sicherheit verlangt, den Gegner einzuholen, wenn möglich zu überholen. Darauf sind die Anforderungen der Gesellschaft gerichtet, und das politische System muß sie erfüllen. Im abgeleiteten Konflikt des Rüstungswettlaufs steht die Erlangung der Superiorität sogar obenan. Denn nur sie bietet die Möglichkeit, dem Gegner Optionen aufzuzwingen oder zu nehmen, ihn zu einer bestimmten Politik zu veranlassen. Die offensive Macht orientiert sich wenn nicht am Sieg, dann wenigstens an der klaren Überlegenheit. Solchen kräftigen Antrieben hatte die Rüstungskontrolle bisherigen Stils nichts entgegenzusetzen. Sie erwies sich als hinderlich, bestenfalls als nutzlos. Natürlich: Hätte sie bewirken können, daß der Gegner Unterlegenheit auf einem niedrigeren Rüstungsniveau akzeptierte, hätte niemand etwas dagegen gehabt. Da ein solches Ergebnis jedoch von vornherein als unwahrscheinlich gelten konnte, wurde die Rüstungskontrolle auf einem Nebengleis abgestellt.

Ein neuer Anlauf muß daher prinzipiell anders angelegt sein. Er muß andere Ziele verfolgen — sie wurden oben besprochen. Er muß andere Verfahren anwenden und er muß — vor allem — gesellschaftliche Interessen für sich mobilisieren können, die schwächer sein werden als das Sicherheitsinteresse, aber mindestens genauso stark sein müssen wie die den abgeleiteten Konflikt tragenden offensiven Machtinteressen. Eine solche Strategie ist weder leicht zu finden noch leicht zu entwikkeln. Ein grundlegender Ansatz dazu wurde 1962 von dem amerikanischen Soziologen Osgood vorgelegt der ihn 1974 im Hinblick auf die MBFR-Problematik operationalisierte und er-weiterte Von ihm „Graduated and Reciprocated Initiatives In Tension Reduction" (GRIT) genannt, von Etzioni als Gradualismus bezeichnet versucht dieser Ansatz, den Aktions-Reaktions-Mechanismus, der der Aufrüstung zugrunde liegt, in umgekehrter Richtung für die Abrüstung zu benutzen. Vereinfacht dargestellt, verlangt GRIT, dem Gegner eine begrenzte Abrüstungsofferte für eine bestimmte Zeit zu unterbreiten und sie selbst zu realisieren. Durch diese Vor-Abrüstung wird dem Gegner die Ernsthaftigkeit des Abrüstungsinteresses signalisiert, und zwar in der einzigen Art, die im internationalen System verläßlich informiert, durch praktisches Verhalten. Es wird erwartet, daß der Gegner darauf reagiert und seinerseits nach-abrüstet. Ist dies der Fall, kann die erste Seite mit einem weiteren Rück-Schritt vorangehen, der dann von der anderen Seite nachgeholt wird. Rüstung wird auf die gleiche Weise vermindert, wie sie aufgebaut wurde: wechselseitig. Angetrieben wird der Vorgang durch den Aktions-Reaktions-Mechanismus, diesmal nur mit Schubumkehr.

Die offerierende Seite geht dabei zweifellos ein gewisses Risiko ein, doch ist es dem Umfang wie der Zeit nach begrenzt Gegen die Ausnutzung durch den Gegner wird die Offerte dadurch abgesichert, daß sie bei Nichtannahme nicht nur zurückgezogen, sondern durch vermehrte Rüstungsanstrengungen ersetzt wird. Der Gegner steht also in diesem Falle schlechter da als vorher. Darin liegt zweifellos ein weiteres Moment des Anreizes. Ist die Sanktion erfolgt, soll nach gewisser Zeit ein weiteres Angebot unterbreitet werden. Es ist so lange zu wiederholen, bis es vom Gegner akzeptiert und auf diese Weise der Abrüstungsprozeß eingeleitet wird.

Daß dieses Verfahren im Ansatz richtig ist, liegt auf der Hand. Seine Brauchbarkeit wurde bei Experimenten mit Gruppen und mit einzelnen nachgewiesen Neben Osgood hat auch Granberg das Verfahren an einem gedachten Szenario vorgeführt Die Attrakti-vität dieses Ansatzes hat politische Gruppen in der Bundesrepublik dazu geführt, sich ihm zuzuwenden GRIT ist damit nicht nur die einzige alternative Strategie, die zur Konflikt-steuerung zur Verfügung steht, sie ist vermutlich auch die brauchbarste.

Allerdings bedarf sie der Vorbedingung eines veränderten Konfliktverständnisses und mehrerer Modifikationen. Sie betreffen vor allem die Herausbildung und die Aktivierung eines Interesses. Aktion und Reaktion folgen ja nicht automatisch aufeinander, sondern nur dann, wenn sie von einem Interesse ausgelöst werden. In dem vom Sicherheitsdilemma bestrittenen Konfliktteil wird Rüstung dadurch ausgelöst, daß die Sicherheit durch die Existenz des anderen und seine Rüstung beeinträchtigt wird. Die Aufrüstung bewegt sich in Aktions-Reaktions-Prozessen, angetrieben durch das Interesse an der Sicherheit. Im abgeleiteten Konflikt motiviert das Ziel der Überlegenheit die Rüstungsdynamik.

Eine Umkehrungsstrategie kann daher nicht davon ausgehen, daß die einseitige Aktion der Rüstungsverminderung durch eine entsprechende Reaktion der anderen Seite beantwortet wird. Vielmehr muß ein Interesse gesucht und dingfest gemacht werden, das den Abrüstungsprozeß auf beiden Seiten in ähnlicher Weise in Gang setzt und hält wie das an Sicherheit und Überlegenheit der Aufrüstung. Ein solches Interesse darf nicht oder darf nur wenig schwächer sein als das an der Sicherheit Andernfalls kann es mit diesem Primär-ziel nicht konkurrieren, wird ihm stets unterliegen. Darüber hinaus muß es ein Interesse sein, das nicht nur in westlichen Gesellschaften, sondern bei allen Konfljktpartnern vorhanden ist. Wie sieht dieses Interesse aus und wo kann es gefunden werden?

Die Antwort ist einfach: Es ist das Interesse an wirtschaftlicher Wohlfahrt. Es gehört zusammen mit dem Interesse an physischer Sicherheit zu den beiden Fundamentalbedürfnissen jeder Gesellschaft. Ebenso wie der einzelne zunächst an der Erhaltung seiner Existenz und dann an deren Entfaltung grundlegend interessiert ist, richten sich auch die Primärinteressen einer Gesellschaft darauf, nicht von außen gewaltsam zerstört zu werden und nicht zu verhungern, sondern statt dessen einen aus-reichenden, möglichst einen steigenden Lebensstandard zur Entfaltung der Existenz ihrer Mitglieder zu verwirklichen. Das Ziel der Sicherheit hat dabei einen gewissen Vorrang, weil der Verlust der Existenz jeden anderen Wert unmöglich macht. Die Werte der wirtschaftlichen Wohlfahrt aber folgen dicht auf, werden nicht minder intensiv angestrebt als die der Sicherheit. Beide zählen zusammen mit der Herrschaft, bei der es um Freiheitswerte geht, zu den drei großen entscheidenden Sachbereichen, die den Gegenstand der Politik ausmachen.

Das Interesse an der wirtschaftlichen Wohlfahrt könnte zu einem wichtigen Antrieb einer modernen Entspannungsstrategie werden. Immerhin haben die NATO-Staaten in den siebziger Jahren rund 17 Prozent ihrer öffentlichen Ausgaben auf das Rüstungsbudget verwandt, bei den Vereinigten Staaten waren es am Ende des Vietnam-Krieges immerhin noch fast 30 Prozent; sie sollen es unter Präsident Reagan wieder werden. Die Staaten des War-schauer Paktes haben fast 50 Prozent für diesen Zweck aufgewendet. Es ist schwer zu ermessen, welchen Anteil daran der abgeleitete Konflikt und die für ihn erforderlichen Aufwendungen haben. Nur er ist ja das Objekt einer Entspannungsstrategie. Als sicher aber kann gelten, daß 10 bis 20 Prozent der Verteidigungsbudgets mühelos eingespart oder für andere, volkswirtschaftlich produktive Zwecke ausgegeben werden könnten. Wirtschaftspotentiale, die jetzt Rüstungsgüter produzieren müssen, könnten dem zivilen Bedarf zugute kommen. Die wirtschaftliche Wohlfahrt der am Ost-West-Konflikt beteiligten Gesellschaften könnte entsprechend steigen, soziale Probleme könnten gelöst oder doch abgeschwächt werden. Anstatt jedes Jahr die Rüstungsausgaben um 3 Prozent netto zu steigern, könnte die NATO (und könnte der War-schauer Pakt) die Rüstungsausgaben netto senken.

Um das hier liegende Interesse zu mobilisieren, bedarf es lediglich einer veränderten Information der Gesellschaft durch die Regierung. Bisher ist sie umgekehrt informiert und zugunsten höherer Rüstungsausgaben stärker belastet worden. Das entwickelte Konfliktverständnis und die ihm zuzuordnende neue Strategie würden es jetzt möglich machen, die Gesellschaften differenzierter zu unterrichten über unvermeidliche und vielleicht entbehrliche Rüstungsanstrengungen. Dadurch würden die Interessen freigesetzt, die zugunsten der möglichen Korrektur wirken und sie schließ40 lieh auch durchsetzen. Sie können mit dem Interesse an der Sicherheit nicht kollidieren, weil dieses Interesse nicht berührt wird. Es geht lediglich um den abgeleiteten Konflikt und die ihm eigenen aufgesetzten Spannungen. Davon werden die Verteidigungsleistungen, die zum einen durch das Sicherheitsdilemma und zum anderen durch die originären Konfliktspannungen bedingt werden, praktisch nicht berührt. Nur der obere Teil der Rüstungsausgaben und deren Tendenz zu ständiger Eskalation wird betroffen. Er würde der Konkurrenz mit den Interessen an wirtschaftlicher Wohlfahrt ausgesetzt, könnte und sollte ihnen unterliegen.

Diese Korrektur kann um so eher eingeleitet und stimuliert werden, als sie die Sicherheit nicht nur nicht beschädigt, sondern sogar erhöht. Im Ost-West-Bereich hat Rüstung längst das Maß überschritten, das durch den Konflikt und seine originäre Spannung sowie durch das Sicherheitsdilemma bedingt wird. Die Rüstungsdynamik entstammt dem abgeleiteten Konflikt, der, wie erwähnt, besonders gefährlich ist. Die Fachleute der Rüstungskontrolle wissen, daß das Ziel der Sicherheit im Prinzip durchaus auch auf niedrigeren Rüstungsniveaus erreicht werden könnte, was lediglich durch den Rüstungswettlauf verhindert wird. Ihm unkontrolliert zu folgen, erhöht also keinesfalls die Sicherheit, gefährdet sie sogar. In einer zwar verständlichen, aber prinzipiell unnötigen Unterschätzung des Differenzierungsvermögens der öffentlichen Meinung wird der Gesellschaft dieser Zusammenhang nur nicht vermittelt. Sie wird in einer Weise informiert, die die Unterstützung dessen bezweckt, was die Regierung im Rüstungswettlauf tun zu müssen glaubt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß einige Regierungen befürchten, daß eine genauere Information die Konfliktbereitschaft der öffentlichen Meinung zerstören, jedenfalls abschwächen und es damit unmöglich machen würde, den Ost-West-Konflikt weiterhin mit der notwendigen Intensität fortzuführen. Diese Sorge ist jedoch völlig unberechtigt. Einmal ist das Differenzierungsvermögen der Gesellschaft im Zweifelsfalle höher, als es von der Regierung angenommen wird. Zum anderen ist es ein wichtiger Bestandteil des neuen Konfliktverständnisses, die Perzeption des Konfliktes zu verbreitern und nicht nur den militärischen, sondern auch den politischen, wirtschaftlichen, sozialen und ideologischen Differenzen Aufmerksamkeit zuzuwenden, die den Ost-West-Konflikt ausmachen. In einem solchen Verständnis wird das Konflikt-profil zugespitzt, keineswegs verkleinert.

Würde die Gesellschaft über den wahren Umfang des Ost-West-Konfliktes informiert, so würden dadurch gesellschaftliche Anforderungen nach einer Gewährleistung von Sicherheit ausgelöst, die exakt dem Sicherheitsproblem entsprechen. Die Gesellschaft würde begreifen, daß die einseitige Konzentration auf den militärischen Konflikt und dann auch auf dessen abgeleiteten Teil ihre Interessen an Sicherheit nicht fördert, sondern beschädigt. Sie würde dementsprechend rasch lernen, daß ihr Interesse an wirtschaftlicher Wohlfahrt in dem Bereich des abgeleiteten Konfliktes mit dem Interesse an Sicherheit nicht nur nicht kollidiert, sondern konform geht.

Freilich müßte sie darüber informiert werden. Die Gesellschaft ist darauf angewiesen, daß ihr die Regierung angemessene und verläßliche Analysen der politischen und militärischen Lage übermittelt. Das ist bisher in der traditionellen, dem offensiven Machtbegriff verhafteten Weise geschehen. Eine Korrektur muß selbstverständlich langsam, geradezu unmerklich vor sich gehen, damit die Gesellschaft nicht verunsichert wird. Wie die Diskussion um den Doppelbeschluß der NATO zeigt, ist die Lernbereitschaft der Gesellschaft jedoch beträchtlich, ist die Glaubwürdigkeit der sozial-liberalen Koalition entsprechend groß. Eine behutsame Umstellung der Interpretation von einem veralteten zu einem entwickelten Konfliktverständnis würde von der Gesellschaft zweifellos ohne weiteres akzeptiert werden. Es muß sogar, umgekehrt, damit gerechnet werden, daß eine Weiterführung der bisherigen, in bezug auf Rüstungskontrolle und Abrüstung erfolglosen Politik von der Gesellschaft nicht mehr hingenommen werden wird. Einerseits hat sie mit Recht Angst davor, daß ein möglicher „Betriebsunfall" in dem spannungsgeladenen abgeleiteten Konflikt den Krieg auslösen könnte; andererseits ist sie zunehmend weniger bereit, für einen offenbar endlosen Rüstungswettlauf endlos mehr Belastungen hinzunehmen.

Die aus dem entwickelten Konfliktverständnis resultierende, auf Spannungsverminderung ausgerichtete Strategie würde also keinen Dissens bewirken, sondern gegebenenfalls einem möglichen Konsensverfall entgegenwirken. Desgleichen sind bei einer solchen Strategie keine Folgen für die Verteilung der Macht-und Einflußpositionen zu besorgen. Wie eingangs dargelegt, stellt der abgeleitete Konflikt eine zusätzliche Formation dar, deren Beseitigung den Aufbau der politischen Beziehungen in einer Gesellschaft und die Macht-41 und Einflußverteilung nicht tangiert. Sie würde wahrscheinlich sogar eher stabilisiert werden dadurch, daß sie den Interessen der Gesellschaft an Sicherheit und wirtschaftlicher Wohlfahrt entgegenkommt. In ihnen jedenfalls kann ein kräftiger Motor für das entwickelte Konfliktverständnis und die daraus abzuleitende Konfliktstrategie vermutet werden. Damit sind aber noch längst nicht alle Modifikationen erörtert worden, die für eine Implementierung von GRIT erforderlich sind. Entspannung, Rüstungskontrolle und Abrüstung können, wie erwähnt, nur als Systemwandel realisiert werden. Sie sind darauf angewiesen, daß die Interessen an Sicherheit und wirtschaftlicher Wohlfahrt bei allen Partnern des Konfliktes aktiv sind, gleichzeitig, oder doch fast gleichzeitig, in Richtung der Entspannung wirken. Man kann sich daher nicht darauf beschränken, diese Wirkung nur bei der eigenen Gesellschaft zu erzeugen; sie muß auch bei allen anderen, vor allem bei den gegnerischen Gesellschaften in Gang gesetzt werden. Hier liegt die eigentliche Schwierigkeit der Systemsteuerung. Die Möglichkeit, sie zu bewältigen, wurde oben bereits angedeutet. Sie beruht auf den Mechanismen der „gewinnfreien Werbung"

Der Aufschwung an Wohlfahrt und Wohlstand, der im Westen zunächst tendenziell, später real durch eine Verringerung der Verteidigungslasten entstünde, würde von selbst auf den Osten einwirken. Der Westen war sich schon immer dessen bewußt, daß er einen Schaufenstereffekt auf den Osten ausübt, dem dort die Regierungen Rechnung tragen mußten. Ihn weiterzuentwickeln, und zwar über die bessere Versorgung mit Konsumgütern hinaus zu einer Effizienzsteigerung des politischen Systems bei der Produktion von Werten und deren zunehmend gleichmäßiger Verteilung, würde den Qualitätsvorsprung der westlichen Systeme erneut deutlich in Erscheinung treten lassen. Wenn sich im Westen Wohlfahrt, Sicherheit und Freiheit erhöhen, muß der Osten, wenn auch langsam, nachziehen. Denn seine Gesellschaften haben genau die gleichen Interessen. Sie werden auf deren Verwirklichung gegenüber ihren Regierungen um so mehr drängen, je mehr die gradualistisehe Strategie des Westens die Möglichkeiten dazu eröffnet. Wenn dem Warschauer Pakt realistische Abrüstungsofferten in gradualisti-scher Form, also in der Kombination von Vorteil und Sanktion, angeboten werden und gleichzeitig im Westen demonstriert wird, welche Steigerungen von Wohlfahrt und Sicherheit davon zu erwarten sind, werden die Regierungen des Warschauer Paktes den entsprechenden Anforderungen ihrer Gesellschaften nachgeben müssen. Auf diese Weise wird auch im sozialistischen Bereich ein Interesse freigesetzt und aktiviert, das auf die Unterbrechung der Rüstungseskalation gerichtet ist. Damit ist der Anfang des Systemwandels gesetzt.

Freilich ist zu berücksichtigen, daß die autoritäre Struktur der sozialistischen Staaten den Wert gesellschaftlicher Anforderungen reduziert. Er wird aber nicht neutralisiert, wie die Entwicklung des Warschauer Paktes seit dem Ausgang der sechziger Jahre zeigt. Die Entspannung im Ost-West-Konflikt hat dort Prozesse freigesetzt, die durchaus als gesellschaftliche Korrekturen gelten können. Wenn auch reduziert und verlangsamt, wird der sozialistische Bereich der „gewinnfreien Werbung" des Westens folgen und damit die Voraussetzungen zunehmend verbessern dafür, daß das System auf die Rüstungskontrolle und auf die Abrüstung hingesteuert werden kann.

Der Prozeß wird lange Zeit in Anspruch nehmen; er braucht sie auch. Denn im Gegensatz zum Westen muß im Osten angenommen werden, daß die Verminderung und der Abbau des abgeleiteten Konfliktes Konsequenzen für die Einfluß-und Machtverteilung innerhalb der sozialistischen Gesellschaft haben wird. Sie ist sehr viel stärker vom Spannungsgrad im internationalen System abhängig, als es im Westen der Fall ist. Polen zeigt in den Jahren 1980/82, daß die Korrekturerwartungen der Gesellschaften sich beim kleinsten Anlaß aktivieren und beträchtliche Folgen nach sich ziehen. Es kann nicht die Aufgabe des Westens sein, das Tempo solcher Veränderungen zu beeinflussen. Er sollte es aber nicht zusätzlich beschleunigen, um das System nicht zu destabilisieren. Mit diesen Modifikationen stellt sich GRIT als einsatzfähige Strategie zur Systemsteuerung in Richtung auf Entspannung und Abrüstung dar. Sie ist eine realistische Alternative zum traditionellen Konfliktverhalten, das die Rüstungseskalation antreibt. Diese neue Strategie ist in der Lage, den abgeleiteten Konflikt und dessen aufgesetzte Spannung zu reduzieren, langsam aufzulösen. Nicht mehr und nicht weniger ist ihre Absicht. Sie wendet die Rüstungseskalation zurück, stellt eine Schubum-B kehr der Rüstungsdynamik dar. Tieferliegende Konfliktformationen wie das Sicherheitsdilemma und — vor allem — der originäre Konflikt werden von ihr nicht betroffen. Es ist denkbar, daß sie auch zu einer gewissen Verminderung des Sicherheitsdilemmas im Stande ist. Der Zeitpunkt, an dem darüber diskutiert werden kann, ist in sehr weiter Ferne. Die Probleme, die davon betroffen sein werden, sind vielfach größer und schwieriger als die, die von einer Korrektur des abgeleiteten Konflikts ausgelöst werden. Nur um sie, um diese Korrektur, geht es der hier vorgestellten Strategie. Sie wird Jahre, wenn nicht Jahrzehnte brauchen, um ihr Ziel zu erreichen. Komplexe Konfliktformationen verändern sich nur sehr langsam. Hinzu kommt, daß die Strategie viel Zeit brauchen wird, um akzeptiert und eingeleitet zu werden. Wenn sich die Bundesregierung ihr verschreiben würde, müßte sie sie nicht nur gegenüber der deutschen Gesellschaft, sondern auch gegenüber den anderen NATO-Partnern, vor allem den Vereinigten Staaten, vertreten und durchsetzen. Der Systemwandel kann nicht von einem westlichen Staat aus, sondern kann nur vom Westen insgesamt eingeleitet werden.

Andererseits erfordert das entwickelte Konfliktverständnis nur marginale Verhaltenskorrekturen. In seinem Selbstverständnis hat sich der Westen schon immer so verhalten, wie es der hier vorgestellten entwickelten Strategie entspricht. Um die Praxis mit diesem Selbstverständnis in Übereinstimmung zu bringen, bedarf es nur eines kleinen Steuerausschlags. Die dadurch eingeleitete Kursänderung aber wird mit der Zeit sehr beträchtlich sein.

VI. Die neue Funktion des Doppelbeschlusses

Die praxeologischen Konsequenzen dieses neuen Konfliktverständnisses lassen sich am Beispiel des Doppelbeschlusses der NATO exemplarisch vorführen. Er versteht sich „als Beitrag zu einem stabileren militärischen Kräfteverhältnis zwischen Ost und West", bezweckt, „durch Rüstungskontrolle ein stabileres umfassendes Gleichgewicht bei geringeren Beständen an Nuklearwaffen auf beiden Seiten zu erzielen" Er hat zum Ziel die „Vereinbarung von Begrenzungen für amerikanische und sowjetische landgestützte LRTNF-

Raketen" und fordert als Bemessungsgrundlage den „Grundsatz der Gleichheit zwischen beiden Seiten" So gemäßigt diese Angebote klingen, so unzureichend sind sie selbst schon nach dem traditionellen Verhaltensstandard. Der Grundsatz der Gleichheit würde erfordern, daß die Vereinigten Staaten genauso Viele LRTNF stationieren können wie die Sowjetunion. Deren Position würde sich dementsprechend verschlechtern, weil sie ihr bisheriges eurostrategisches Übergewicht einbüßen würde. Schon nach der alten Logik bliebe der Sowjetunion nichts anderes übrig, als durch vermehrte Rüstung den Nachteil wieder aus-

zugleichen.

Im Rahmen des traditionellen Konfliktverständnisses kann in diesem Angebot nur die Kombination von Rüstungsbeschluß und Verhandlungsofferte als ausgesprochen progressiv bezeichnet werden. Eine solche Kombination hat es bisher nicht gegeben; der äußerste Fortschritt bestand darin, Rüstungsprodukte als „bargaining chips" zu bezeichnen. Auch ist im NATO-Beschluß von Superiorität nicht die Rede, sondern von Gleichheit. Der Vorsprung der Sowjetunion soll ausgeglichen werden, und dazu möglichst noch auf einem niedrigeren Rüstungsniveau. Hier sind freilich Zweifel angebracht, weil es ein eurostrategisches Gleichgewicht bisher nicht gegeben hat; um Notwendigkeit und Ausmaß der Nachrüstung dreht sich die aktuelle Debatte. Die Kritiker des Nachrüstungsbeschlusses verlassen nicht das konventionelle Konfliktverständnis. Die vielen — sicher gutmeinenden — Gegner lassen mit ihren Vorschlägen zum Alleingang das Phänomen des Konfliktes gänzlich beiseite.

Trotz seiner unbestreitbaren Fortschrittlichkeit wird der Doppelbeschluß der NATO sein Ziel verfehlen, weil er so, wie er angelegt ist und verstanden wird, innerhalb der alten Verhaltenslogik verbleibt. Wer die Sowjetunion zum Abbau ihrer SS-20 und zum Verzicht auf die Entwicklung von SS-21 und SS-22 bewegen will, muß ihr dies zunächst als vorteilhaft, später als angemessen erscheinen lassen. Da die Sowjetunion ebenfalls, und zwar noch viel stärker als der Westen, dem traditionellen Konfliktverständnis folgt, ist das NATO-Angebot unzureichend. Moskau hätte die SS-20 nicht disloziert, wenn ihr dies nicht als richtig und vorteilhaft erschienen wäre in einer Lage, in der der Westen nichts Vergleichbares vorzuweisen hatte. Der Doppelbeschluß verlangt von der Sowjetunion, dieses Kalkül einseitig, ohne Gegenleistung des Westens zu ändern. Was sollte Moskau dazu veranlassen? Ein Anreiz ist im Doppelbeschluß nicht enthalten, ein Druckmittel stellen die 572 Systeme aber auch nicht dar, zumal sie Moskau durch erhöhte Dislozierung der SS-20 bequem neutralisieren kann. Der Westen ist nicht mehr in der Lage, die Sowjetunion gegen ihren Willen zu einem Verhalten zu zwingen. Es reicht auch nicht aus, die Sowjetunion wegen ihrer unbegründeten Vor-Rüstung zu kritisieren. Es kommt darauf an, sie davon abzubringen.

Da der Westen nicht weiß, aus welchen Gründen die Sowjetunion aufrüstet, kann er ihr nicht einen Grund, nämlich Aggressivität und offensive Macht, unterstellen. Er muß vielmehr davon ausgehen, daß auch die Sowjetunion die vier Konflikte mitträgt, in die sich der Ost-West-Konflikt erweitert hat. Zumindest läßt es sich nicht ausschließen, läßt sich die Möglichkeit, die Sowjetunion durch eine differenzierte Ansprache im abgeleiteten Konflikt zu einem veränderten Verhalten zu bewegen, nicht von vornherein diskreditieren. Man muß diese Möglichkeit ausprobieren, weil nur sie die Aussicht auf Rüstungsminderung und Eskalationsstopp enthält. Man kann sie ausprobieren, weil das Risiko dabei gering ist.

Eine Politik, die auf die Verminderung der SS20 gerichtet ist, müßte der Sowjetunion ein Angebot unterbreiten, das es ihr attraktiv erscheinen ließe, zunächst die Zahl der dislozierten LRTNF zu reduzieren, sodann die Weiterentwicklung der SS-20 ganz zurückzunehmen. Das ist sehr viel mehr als die sogenannte Null-Option, die interessanterweise schon als solche seitens der Bundesrepublik nicht für möglich gehalten wird. Im Rahmen der alten Logik ist das auch verständlich. Die neue Logik aber würde exakt dies erforderlich und möglich machen: zu versuchen, die Null-Option zu realisieren und sodann über sie hinauszukommen. Es ist denkbar, daß die Sowjetunion auf solche Vorschläge nicht reagiert. Das muß einkalkuliert werden. Zunächst aber muß erst einmal ausprobiert werden, ob und wie sie darauf reagiert. Dazu bedarf es eines Vorschlags, der, legt man die sowjetischen Maßstäbe an, in Moskau insofern für attraktiv gehalten werden könnte, als mit seiner Annahme die Sowjetunion mehr Vorteile erhalten würde als durch die Ablehnung. Wie ein solcher Vorschlag im einzelnen ausgestattet werden könnte, verdient eine längere und ausführliche Diskussion. Hier geht es nur um das Prinzip und um dessen Veranschaulichung. Ein westliches Angebot könnte, in diesem Sinne exemplarisch gesehen, darin bestehen, auf eine Nachrüstung zu verzichten, wenn und solange die Sowjetunion lediglich die SS-4 und SS-5 durch die SS-20 ersetzt. Das würde, berücksichtigt man die Ausstattung der SS-20 mit drei Sprengköpfen, bei einer Zahl von 450 SS-4 und SS-5 bedeuten, daß die Sowjetunion 150 SS-20 stationieren könnte, ohne daß der Westen'darauf reagiert

Zweifellos geht der Westen mit einem solchen Vorschlag ein Risiko ein, ebenso zweifellos ist es jedoch begrenzt. Es verändert nicht prinzipiell die Lage, in der sich Westeuropa stets und vor allem seit Anfang der siebziger Jahre befunden hat, als die Vereinigten Staaten zu Beginn der SALT-Verhandlungen ihr LRTNF-Potential aus Westeuropa abzogen. Der Westen hat bisher auf ein eurostrategisches Gleichgewicht verzichtet und kann dies als Einleitung für eine Induktionsstrategie zumindest für eine begrenzte Anzahl von Jahren weiterhin tun. Das Argumemft, daß die Basis des bisherigen Verzichtes, die amerikanische Überlegenheit im strategischen Bereich, nicht mehr gegeben sei, ist unrichtig. Die USA hatten sich bereits unter der Administration Nixon bewußt mit der Tatsache abgefunden, daß die Sowjetunion strategische Parität erreicht hat, und sie haben nach einem Intervall in der Ära Ford auch unter Carter auf eine eurostrategische Komponente, die die Sowjetunion direkt bedrohen könnte, verzichtet. Erst nach 1979, sicher im ZusammeAhang mit der Londoner Rede Helmut Schmidts, änderte sich die amerikanische Haltung.

Ist also mit einer solchen Offerte ein Risiko gegeben, so ist es klein. Vor allem wird es weiter gemindert dadurch, daß es zeitlich begrenzt ist. Die Offerte stellt keine einseitige Abrüstungs-oder Rüstungsverzichtmaßnahme dar. Sie ist unbrauchbar, weil sie folgenlos bleibt. Der Verzicht Präsident Carters auf den B-l Bomber hat ebenso wenig eine sowjetische Reaktion hervorgebracht wie der Abzug sowjetischer Panzer aus der DDR eine westliche. Wer eine Beziehung beeinflussen will, darf nicht einseitig vorgehen, sondern muß sein Verhalten bewußt so anlegen, daß sich das des anderen ändert. Der Vorteil, der der Sowjetunion eingeräumt werden soll, muß dadurch erhöht (und das westliche Risiko verkleinert) werden, daß ihr bei Nicht-Annahme eine Verschlechterung ihrer Lage in Aussicht gestellt wird.

Bei dem gegenwärtigen Dislozierungstempo dürfte die Sowjetunion innerhalb eines weiteren Jahres die Zahl von 150 SS-20-Raketen stationiert haben. Das Angebot, das nicht nur einen westlichen Dislozierungs-, sondern auch einen Produktionsstopp enthalten sollte, müßte daher auf rund zwei Jahre begrenzt sein. Es spricht aber sehr viel dafür, daß die Sowjetunion auf einen solchen Vorschlag eingeht, da sie sich mit dem Angebot eines Moratoriums selbst bereits auf eine Zahl eingelassen hat, die kleiner als 150 ist. (Freilich hat sie nicht davon gesprochen, die SS-20 gegen die SS-4 und SS-5 auszutauschen). Es ist sicherlich richtig, daß das Angebot eines Moratoriums taktischen Charakter hat. Die Sowjetunion ist sehr viel mehr noch als der Westen in der alten Logik befangen und deswegen darauf fixiert, ihr Machtpotential gegenüber dem Westen zu verstärken. Es ist ebenfalls richtig, daß das Moratoriumsangebot, insofern es die SS-4 und SS-5 ausklammert, der Sowjetunion beim gegenwärtigen Stand einen für den Westen unzumutbaren Vorteil einräumte. Andererseits kann niemand erwarten, daß eine Seite bei einem Verhandlungsvorschlag sofort den endgültigen Kompromiß offeriert. Auch wenn die Sowjetunion das Moratoriumsangebot in der Erwartung gemacht haben sollte, daß der Westen darauf nicht eingehen, sie es deswegen nicht einzulösen haben wird, hat Moskau einen Ansatzpunkt geboten, der unter verhandlungsstrategischen Gesichtspunkten interessant ist. Die Sowjetunion kann hinter dieses Angebot nicht zurückgehen, wenn es vom Westen aufgegriffen und mit einem Gegenangebot übertroffen wird, daß der Sowjetunion noch attraktiver erscheinen muß.

Das Charakteristische des westlichen Vorschlags muß darin liegen, daß er die Sowjetunion für Moskau klar und erkenntlich in einen Vorteil versetzt. Das klingt nur in der alten Logik widersinnig. Im entwickelten Konfliktverständnis ist es absolut rational. Um in der Sowjetunion einen Lernprozeß einzuleiten, muß sie zum ersten Schritt gelockt, angereizt werden. Da der Stimulus sowohl zeitlich als auch durch die Sanktionsperspektive begrenzt wird, verhindert er das mögliche Mißverständnis, der Westen zeige Schwäche. Vielmehr wird durch diese Ausstattung der Offerte eindeutig ausgedrückt, daß der Westen die aufgesetzte Spannung mindern, die Rüstungdynamik unterbrechen will. Nur ein solcher Vorschlag stellt die Sowjetunion vor die Alternative, entweder darauf einzugehen oder mit der Ablehnung klar zu signalisieren, daß sie an Aufrüstung und Aggression interessiert ist. Die Spiegelbildtheorie nimmt an, daß in der Sowjetunion, wenn auch in spezifisch anderer Mischung, die Motive zur Aufrüstung ähnlich verteilt sind wie im Westen. Trifft das zu, dann wird die Sowjetunion auf einen solchen Vorschlag, wenn auch vielleicht erst nach seiner Wiederholung, letztlich positiv reagieren.

Sie wird das zunächst deshalb tun, weil ihr die vom Westen offerierte Lage vorteilhafter erscheint als die bestehende. Gleichzeitig aber wird in einigen Teilen der sowjetischen Partei und Regierung der westliche Vorschlag als das interpretiert werden, was er realiter darstellt: als klarer Indikator westlicher Absichten. Das würde in der Sowjetunion eine Diskussion auslösen, die das bisherige Rüstungsverhalten der Sowjetunion in Frage stellte. Ohne daß sich die Macht-und Einflußverteilung in der Sowjetunion maßgeblich ändern müßte, würden die Perzeptionen sich verschieben. Die Sowjetunion würde lernen, daß der Westen nicht der aggressionsbereite Gegner ist, für den sie ihn hält, daß er effektiv an Abrüstung interessiert ist. Innerhalb des sowjetischen Entscheidungsprozesses würden damit die „Tauben“ gestärkt werden. Diese Prozesse würden sehr langsam ablaufen, auf lange Zeit hin vielleicht sogar unmerklich. Das starre Regierungs-und Gesellschaftssystem der Sowjetunion erschwert den Lernprozeß, kann ihn aber nicht aufhalten. Zunächst geht es darum, die aufgesetzten Spannungen daran zu hindern, sich weiter zu erhöhen. Der abgeleitete Konflikt muß erst eingedämmt werden, bevor er reduziert werden kann. Das braucht Zeit. Der Westen wird daher warten müssen, ehe er mit einem sich anschließenden Vorschlag, etwa die verbliebenen FBS gegen eine weitere Reduktion der SS-20 zu tauschen, die Spannungen weiter abbaut. Allerdings könnte er dann schon damit rechnen, in der Sowjetunion auf eine gewisse Kooperationsbereitschaft zu treffen. Ist der Trend erst einmal unterbrochen und der Sowjetunion das Rüstungsminderungsinteresse des Westens verläßlich übermittelt worden, können die westlichen Offer45 ten ihren Anreizcharakter verlieren, können sie gleichmäßiger ausgestattet werden. Der Anreiz ist nur unentbehrlich, um den Prozeß in Gang zu setzen; danach kann er entfallen. Wie weit der Prozeß geführt werden kann, ehe er auf den Sicherheits-und den originären Konflikt trifft, auf die er nicht zugeschnitten ist, kann hier offenbleiben, weil das Problem nicht aktuell ist. Es geht nur um den abgeleiteten Konflikt der Rüstungsdynamik und seine aufgesetzte Spannung. Hier greift eine adaptierte gradualistische Strategie.

Vielleicht tragen drei kurzfristige Vorteile dieser Strategie dazu bei, ihre Annahme im Westen zu erleichtern. Zunächst bedarf sie keiner grundsätzlichen Änderung der bisherigen Politik, sondern nur einer neuen Akzentuierung. Es geht, wie oben schon kurz gestreift, darum, die operative Politik des Westens seinem Selbstverständnis und seinen erklärten Zielen anzupassen. Dazu ist der Doppelbeschluß der NATO sehr gut geeignet, weil er die beiden Teile einer gradualistischen Strategie, die Offerte und die Sanktion, bereits enthält, wenn auch in einer alten, dysfunktionalen Verbindung. Wird sie umgestellt, wird aus der Gleichzeitigkeit von Verhandlung und Dislozierung eine Nachrangigkeit der letzteren, so ist die gradualistische Konstellation schon gegeben. Werden die Verhandlungen in dem beschriebenen Sinne mit der Absicht geführt, nicht Parität beider Seiten, sondern einen temporären Vorteil der sowjetischen Seite zu erzielen, so ist die erweiterte gradualistische Strategie verwirklicht. Aus der sowjetischen Reaktion über Zeit wird sich dann ablesen lassen, welche Möglichkeiten zur Rüstungsminderung effektiv bestehen.

Der Doppelbeschluß braucht also weder aufgehoben noch geändert, sondern nur etwas anders gehandhabt zu werden, damit er als Steuerungselement des Systemwandels verwendet werden kann.

Der zweite Vorteil der neuen Strategie besteht darin, daß sich die Verhandlungen mit der Sowjetunion, etwa SALT III oder jedes etwaige eurostrategische Abkommen, erheblich einfacher gestalten. Es entfällt der Zwang zu absoluter beiderseitiger Gleichheit, der es bisher bei den Rüstungskontrollverhandlungen so schwer gemacht hat, Fortschritte zu erzielen. Da der Westen ohnehin entschlossen ist, der Sowjetunion in einem Teil des Kräftepotentials einen Vorteil zu gewähren, könnte er bei dessen Berechnung relativ großzügig verfahren. Er brauchte lediglich sein eigenes Risiko begrenzt zu halten, dafür zu sorgen, daß seine erhaltene Abschreckungskapazität die Ausnutzung des eingeräumten Vorteils durch die Sowjetunion mit einem aggressiven Akt unwahrscheinlich macht.

Der dritte kurzfristige Vorteil für den Westen wäre größer und politischer. Die neue Strategie würde ihn aus der Defensivposition herausführen, in der er sich gegenwärtig befindet. Solange er auf den Versuch fixiert ist, die Sowjetunion mit offensiver Macht zur Abrüstung zu zwingen, kann sie seine Ziele diskreditieren und seine Mittel kritisieren, indem sie Moratorien und eigene Abrüstungsinitiativen anbietet. Sie mögen — und werden — in erster Linie taktisch gemeint sein. Das politische System der Sowjetunion braucht auf die eigene Gesellschaft keine Rücksicht zu nehmen, weil sie keine Rolle spielt. Diktaturen sind taktisch immer beweglicher als Demokratien, die dafür langfristig überlegen sind. Diesmal ist der taktische Vorteil Moskaus besonders groß, weil den betroffenen Mitteleuropäern vor allem der Nutzen der Nachrüstung nicht ohne weiteres zu vermitteln ist. Ihre Reaktion ist politisch und strategisch falsch; aber sie beruht insoweit auf einem richtigen, wenn auch unbewußten Gesamteindruck, daß auch der Doppelbeschluß das traditionelle Aktions-Reaktions-Muster der Rüstungseskalation nicht durchbricht.

Die neue Strategie würde, indem sie den Zielen des Westens endlich adäquate Mittel zuordnet, diese Situation beenden, den Konsens nicht nur wiederherstellen, sondern verstärken. Sie würde dem Westen im Ost-West-Konflikt wieder diejenige Funktion zuweisen, die ihm aufgrund seines Leistungsvorsprungs zweifellos zukommt: die initiative System-steuerung. Diese drei taktischen Vorteile mögen hilfreich sein bei dem Versuch, das entwickelte Konfliktverständnis und die neue Strategie zu verbreiten — im Endeffekt hängt der Erfolg beider natürlich von ihrer Substanz ab. Wie das nukleare Abschreckungssystem so viele Vorzeichen umgekehrt, etwa Verteidigungsvorkehrungen zum Indiz von Erstschlagsabsichten gemacht hat, ist auch die neue Strategie nur scheinbar absurd. Sie zieht lediglich für das Konfliktverhalten die Konsequenz daraus, daß im Ost-West-Konflikt die Gewalt als Austragsmodus sich disqualifiziert hat.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Einzelheiten bei E. -O. Czempiel, Internationale Politik, Paderborn 1981, passim.

  2. K. N. Waltz, Man, the State, and War. A Theoretical Analysis, New York 1954.

  3. Vgl. zu den Unterschieden P. Gourevitch, The Second Image Reversed: The International Sources of Domestic Policies, in: International Organization, 32, 4, Herbst 1978, S. 881 ff.

  4. J. A Schumpeter, Zur Soziologie der Imperialismen, in: dersM Aufsätze zur Soziologie, Tübingen 1953.

  5. Vgl. die informative Diskussion dieses Begriffs bei H. -A. Jacobsen, Bedingungsfaktoren realistischer Entspannungspolitik, in: DGFK-Jahrbuch 1979/80, Baden-Baden 1980, S. 66ff., 71 ff.

  6. Etwa bei G. Simmel, Der Streit, in: ders., Soziologie, Leipzig 1908, S. 310 ff. Ferner L. A. Coser, Theorie sozialer Konflikte, Neuwied 1965. Vgl. dazu auch die - freilich theoretisch sehr einseitigen - Abeiten von H. J. Krysmanski, Soziologie des Konflikts, Hamburg 1971, und ders, Kooperation und Konflikt in den Beziehungen zwischen unterschiedlichen Gesellschaftssystemen, in: G. Zellentin (Hrsg.), An-

  7. W.Link, Der Ost-West-Konflikt, Stuttgart 1980,

  8. Dazu E. -O. Czempiel, Friede und Konflikt in den internationalen Beziehungen, in: H. Haftendorn (Hrsg.), Theorie der internationalen Politik, Hamburg 1975, S. 89 ff.

  9. Zu den Schwierigkeiten auch innerhalb der Sozialpsychologie vgl. H. Feger, Annäherung und Abgrenzung politisch-sozialer Systeme aus sozialpsychologischer Sicht, in: Zellentin (Anm. 6), S. 451 ff.

  10. Zum sowjetischen Koexistenz-Begriff vgl. Ch. Royen, Die sowjetische Koexistenzpolitik gegenüber Westeuropa. Voraussetzungen, Ziele, Dilemmata, Baden-Baden 1978.

  11. Sicherheitsdilemma wörd definiert und beschrieben von J. H. Herz, Weltpolitik im Atomzeitalter, Stuttgart 1961, S. 130 ff.

  12. Siehe die Berechnungen von Roger G. Wall bei Link (Anm. 7), S. 131 ff.

  13. Siehe etwa die Diskussion bei W. v. Buttlar, Ziele und Zielkonflikte der sowjetischen Deutschland-Politik, Stuttgart 1980. W. Loth, Die Teilung der Welt Geschichte des Kalten Krieges 1941— 1955, München 1980. Dazu die Rezension von A Hillgruber, Auch die Sowjetunion hatte kein klares Konzept, in: FAZ 30. 4. 1981, S. 28.

  14. Dazu R. Jervis, Perception and Misperception in International Politics, Princeton (N. J.) 1976.

  15. Vgl. V. Zsifkovits, Der Friede als Wert. Zur Wert-problematik der Friedensforschung, München 1973.

  16. Vgl. D. Bell, Die nachindustrielle Gesellschaft, Frankfurt 1975.

  17. Die beste Analyse stammt, aus struktur-funktionaler Sicht, von Niklas Luhmann, Macht, Stuttgart 1975. Im übrigen: St. Hradil, Die Erforschung der Macht, Stuttgart 1980; K. Lenk, Macht, Herrschaft, Gewalt. Differenzierungen der politischen Soziologie, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 24/81, 13. Juni 1981, S. 13ff.; A Görlitz, Politikwissenschaftliche Theorien, Stuttgart 1980, S. 80 ff.

  18. M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Studien-ausgabe, Neuwied 1964, S. 28, und, schärfer noch, S. 520, 542.

  19. H. J. Morgenthau, Macht und Frieden. Grundlegung einer Theorie der internationalen Politik, Gütersloh 1963, S. 69— 71.

  20. C. von Clausewitz, Vom Kriege, Pfaffenhofen 1969 2, S. 29.

  21. Der amerikanische Außenminister A. Haig: Arms Control for the Eighties: An American Policy, in: Wireless Bulletin 131, 15. 7. 1981, S. 2.

  22. K. W. Deutsch, Politische Kybernetik, Freiburg 1970.

  23. M. D. Wallace, Arms Races and Escalation, Some New Evidence, in: Journal of Conflict Resolution, 23, 1, März 1979, S. 3 ff.; E. Weede, Arms Races and Escalation, Some Persisting Doubts, ebd., 24, 2, Juni 1980, S. 285 ff.

  24. M. D. Wallace, Old Nails in New Coffins: The Para Bellum Hypothesis Revisited, in: Journal of Peace Research, 18, 1, 1981, S. 91 ff.

  25. inzelheiten dazu bei E. -O. Czempiel, Schwerpunkte und Ziele der Friedensforschung, Mainz 1972, S. 38 ff.

  26. Wallace (Anm. 23), S. 15.

  27. Weede (Anm. 23), S. 286.

  28. Charles Osgood: An Alternative to War or Surrender, Urbana, Ill„ 1962.

  29. Ders., GRIT for MBFR: A Proposal for Unfreezing Force-Level Postures in Europe, 1973, mimeo. Eine gekürzte Fassung ist abgedruckt in: Peace Research Reviews, VIII, 2, Februar 1979, S. 77 ff.

  30. A. Etzioni, The Kennedy Experiment, in: The Western Political Quarterly. 20, 1967, S. 361 ff.

  31. Einzelheiten bei Osgood (Anm. 29).

  32. S. Lindskold, M. G. Collins, Inducing Cooperation by Groups and Individuals: Applying Osgoods GRIT Strategy, in: Journal of Conflict Resolution, 22, 4, Dezember 1978, S. 689ff.

  33. D. Granberg, GRIT in the Final Quarter: Revers-

  34. A. Bach, Rüstungskontrolle oder Abrüstung? Überlegungen zu einem neuen Konzept für Abrüstung, in: Die Neue Gesellschaft, 28, 5, Mai 1981, S. 423 ff.

  35. Einzelheiten dazu bei Czempiel (Anm. 25),

  36. Zitat nach dem Abdruck in: Bundesministerium ur Verteidigung (Hrsg.), Die nuklearen Mittelstrek-Ke nwaffen. Modernisierung und Rüstungskontrolle, Bonn o. J. (1980), S. 10.

  37. Ebd., S. 11.

  38. Die Zahlen ebd., S. 37.

Weitere Inhalte

Ernst-Otto Czempiel, Dr. phil., geb. 1927; Professor für Auswärtige und Internationale Politik an der Universität Frankfurt; Forschungsleiter an der Hessischen Stiftung Friedens-und Konfliktforschung, Frankfurt. Neuere Buchpublikationen: Amerikanische Außenpolitik. Gesellschaftliche Anforderungen und politische Entscheidungen, Stuttgart 1979; Internationale Politik. Ein Konfliktmodell, UTB 1067, Paderborn 1981; (zusammen mit Gerd Krell, Harald Müller und Reinhard Rode) United States Interests and Western Europe: Arms Control? Energy and Trade, Frankfurt 1981; Amerikanische Außenpolitik im Wandel. Von der Entspannungspolitik Nixons zur Konfrontation unter Reagan (Hrsg.), Stuttgart 1982.