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Volks-, Berufs-, Wohnungsund Arbeitsstättenzählung 1983 | APuZ 51/1981 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 51/1981 Artikel 1 Neue Medientechnik — neues Rundfunkrecht Medienentwicklung und technischer, ökonomischer und sozialer Wandel. Zur Rundfunkpolitik nach dem FRAG-Urteil des Bundesverfassungsgerichts Volks-, Berufs-, Wohnungsund Arbeitsstättenzählung 1983

Volks-, Berufs-, Wohnungsund Arbeitsstättenzählung 1983

Franz Kroppenstedt, Lothar Herberger, Paul B. Würzberger Paul B. Lothar Herberger Franz Kroppenstedt Würzberger

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Zusammenfassung

Das bisherige Ausbleiben einer längst überfälligen Volks-, Berufs-, Wohnungsund Arbeitsstättenzählung wird von öffentlicher wie privater Seite mit zunehmender Sorge betrachtet. Von den auf die Zählung angewiesenen Bundes-und Landesministerien, den Gemeinden, der Bundesanstalt für Arbeit, den Verbänden, den wissenschaftlichen Instituten und dem Statistischen Beirat und seinen Fachausschüssen wird immer wieder auf die Notwendigkeit der Zählung hingewiesen, die in dem vorliegenden Aufsatz an Beispielen konkretisiert wird. Die bei einem Ausfall der Zählung drohenden Fehlplanungen und Fehlinvestitionen dürften den Bund, die Länder und die Gemeinden kostenmäßig wesentlich teurer zu stehen kommen als der ohnehin auf mehrere Jahre verteilte Kostenaufwand der Volkszählung. Zudem wären die Länder und Gemeinden gezwungen, eigene Erhebungen durchzuführen, die nicht abgestimmt und deshalb überregional nicht vergleichbar wären und zum anderen einen wesentlich höheren Kostenaufwand erfordern würden. Bei einem erneuten Scheitern wegen finanzpolitischer Gründe wären zudem die nicht unerheblichen Kosten der bisherigen Vorbereitungsarbeiten vergebens ausgegeben.

Vorbemerkung

Abbildung 2

Volks-, Berufs-, Wohnungsund Arbeitsstättenzählungen haben die Aufgabe, die wichtigsten Eckdaten über — die Größe der Bevölkerung — ihre Zusammensetzung nach wirtschaftlichen, beruflichen und sozialen Strukturmerkmalen — ihre räumliche Verteilung — die Zahl der Gebäude und Wohnungen — die Zusammensetzung des Gebäude-und Wohnungsbestandes nach Alter, Größe und Qualität — die wohnungsmäßige Versorgung der Bevölkerung — die Anzahl und Größe der Unternehmen, Betriebe und Arbeitsstätten — die regionale Verteilung und wirtschaftliche Struktur der Arbeitsstätten zu liefern. Diese Eckdaten können auch beim heutigen Stand der Verwaltungsautomation nur über eine totale Bestandsaufnahme gewonnen werden. Auf diesen Daten sind die Informationssysteme (u. a. Fortschreibungen, Vorausschätzungen, Stichproben) aufgebaut, die für Planungen und Maßnahmen im politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Raum die unerläßliche Grundlage bilden. Da die den Informationssystemen zugrunde liegenden Daten aus mehreren Gründen schnell veralten (z. B. durch Änderungen in der Bevölkerungsentwicklung oder der wirtschaftlichen Entwicklung), müssen sie in gewissen zeitlichen Abständen durch neue Bestandsaufnahmen aktualisiert werden. Ein Verzicht auf die Zählung hätte deshalb schwerwiegende Folgen für das gesamte statistische Informationssystem und würde die Aktualität und Genauigkeit vieler statistischer Ergebnisse in den kommenden Jahren stark gefährden. Planungen und Maßnahmen im politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Raum müßten dann ohne gesicherte Grundlagen erfolgen. Dies könnte zu Fehlentwicklungen und Fehlinvestitionen in Milliardenhöhe führen.

Volkszählungen hat es bereits im Altertum gegeben, und zwar in den Hochkulturen des Nahen und Fernen Ostens, in Israel, im Römischen Reich und in Griechenland. Servius, Tul-lius und Augustus ließen im Römischen Reich alle fünf Jahre aus militärischen und steuerlichen Gründen zählen. Nach der letzten Zählung im Römischen Reich (73 n. Chr.) hat es im Europa des Mittelalters selten, meist nur in Notzeiten, Zählungen gegeben. Hierbei spielten auch soziale Gesichtspunkte, insbesondere die Versorgung der Bevölkerung, eine Rolle. Als entscheidender Wendepunkt auf dem Weg zum heutigen Konzept einer Volkszählung kann die Volkszählung von Kanada aus dem Jahre 1666 gewertet werden, bei der die Bevölkerung zu einem bestimmten Tag mit Namen, Alter, Familienstand, Beruf und Stellung zum Haushaltsvorstand gelistet wurde. In den Vereinigten Staaten von Amerika ist die Durchführung von Volkszählungen (in einem zehnjährigen Turnus) wegen ihrer Bedeutung für das Staatswesen in der Verfassung verankert.

Die erste Volkszählung im Deutschen Reich fand 1871 statt, ab 1875 gefolgt von weiteren Zählungen mit Abständen von jeweils fünf Jahren. Diese Folge wurde nach 1910 häufig durch Kriegs-und Krisenzeiten unterbrochen. -Es gab Volkszählungen in den Jahren 1919, 1925, 1933 und 1939. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in der Bundesrepublik Deutschland 1946, 1950, 1961 und 1970 Volkszählungen durchgeführt. Mit der Industrialisierung und den daraus entstehenden Problemen auf dem Arbeitsmarkt wuchs der Bedarf an erwerbsstatistischen Daten. Aus diesem Grund hat es neben den Volkszählungen vereinzelt gesonderte Berufszählungen gegeben, in denen in erster Linie erwerbsstatistische Tatbestände erhoben wurden (1882, 1895, 1907). Ab 1925 wurden Volks-und Berufszählungen grundsätzlich gemeinsam durchgeführt. Arbeitsstättenzählungen fanden im Deutschen Reich zunächst weniger häufig statt als Volkszählungen. Sie wurden erforderlich, um einen Überblick über Struktur und Entwicklung der einzelnen Wirtschaftszweige zu gewinnen; zunächst wurden sie noch losgelöst von Volkszählungen organisiert, z. T. aber mit Berufszählungen verbunden. Erst ab 1925 hat man sie — von einer Ausnahme abgesehen — regelmäßig zusammen mit einer Volkszählung durchgeführt.

Gebäude-und Wohnungszählungen, die anfänglich auf größere Gemeinden beschränkt und auch später meistens unabhängig von den übrigen Zählungsteilen organisiert waren, wurden bisher unregelmäßig durchgeführt. Die erste einheitliche Wohnungszählung im Reichsgebiet fand 1918 statt. Sie hatte insbesondere den Zweck, den Wohnungsbedarf nach dem Kriege festzustellen. Weitere Zählungen folgten 1927 und 1939. Die politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges führten zu einer umfassenden Gebäude-und Wohnungszählung einschließlich der Gebäude ohne Wohnraum im Jahre 1950. Danach wurden Angaben über Gebäude mit Wohnraum und über Wohnungen 1956 sowie anschließend im Rahmen der Volkszählung 1961 erfaßt. Im Jahre 1968 wurde die bisher letzte Zählung der Gebäude mit Wohnraum und der Wohnungen in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt.

Die Bedeutung der Volkszählungen hat ihren Niederschlag auch in den Empfehlungen der Vereinten Nationen gefunden. Nach diesen Empfehlungen sollen alle zehn Jahre, und zwar in den Jahren mit der Endziffer 0 (oder einem benachbarten Jahr), Volkszählungen stattfinden. Den ersten von den Vereinten Nationen vorgeschlagenen „Weltzensus" hat es 1950 gegeben, die folgenden um 1960 und 1970. Anlaß für die internationale Synchronisierung der Zensen waren die zunehmenden weltweiten Verflechtungen und die Notwendigkeit, internationale Organisationen über die demographische und wirtschaftliche Lage in den Mitgliedstaaten zu informieren. Für den europäischen Bereich sehen die Empfehlungen der Europäischen Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen und der Konferenz Europäischer Statistiker die Durchführung einer Volks-und Wohnungszählung um das Jahr 1980 vor. Nach einer Richtlinie des Rates der Europäische!! Gemeinschaften vom 22. November 1973 zur Synchronisierung der allgemeinen Volkszählungen (Dokument 73/403/EWG) sollte die nächste Volkszählung in den Mitgliedstaaten im Jahre 1981 stattfinden. Die Bundesrepublik Deutschland hat diesen Empfehlungen zugestimmt. Bisher ist sie die einzige große Industrienation der Welt, die nach 1970 keine weitere Volkszählung durchgeführt bzw. keine entsprechenden gesetzlichen Vorschriften hierzu erlassen hat.

Die Notwendigkeit einer erneuten Zählung ist unbestritten. Sie ist zusammen mit dem auf ihr aufbauenden Informationssystem für die nächsten zehn Jahre unverzichtbare Grundlage für gesellschaftsund wirtschaftspolitische Pla-B nungen der öffentlichen Hände, stellt notwendiges Material für Verbände, wissenschaftliche Organisationen und Institutionen unterschiedlicher Art bereit und liefert zahllosen Unternehmen Entscheidungshilfe für ihre Dispositionen; zahlreiche gesetzliche Vorschriften nehmen auf ihre Ergebnisse Bezug. Die von den betroffenen Stellen wiederholt vorgetragenen Bedenken über das Ausbleiben der Zählung verdeutlichen diese Tatsache. Deshalb hat die Bundesrepublik Deutschland nunmehr bei der Europäischen Gemeinschaft die Zustimmung zur Durchführung einer Zählung im Jahre 1983 beantragt. Die Bedeutung der einzelnen Zählungsteile soll nachfolgend an einigen Beispielen erläutert werden.

I. Volks-, Berufs-und Arbeitsstättenzählung

Bevölkerungszahl und -Struktur Genaue Kenntnisse über die Bevölkerungsstruktur sind für Bund, Länder und Gemeinden aus einer Vielzahl von Gründen von ganz erheblicher Bedeutung. Ohne diese Kenntnisse ist z. B. eine Beurteilung der laufend beobachteten Geburtenzahlen, Sterbefälle und Eheschließungen nicht möglich. Nimmt beispielsweise die absolute Zahl der Geburten zu, so stellt sich sofort die Frage, ob das vielleicht damit zusammenhängt, daß es mehr Frauen im entsprechenden Alter gibt als früher. Oder man denke an die Ausländerpolitik, die ohne gesicherte regionale Bevölkerungszahlen als Ausgangspunkt nicht zu planen ist, denn die Verteilung der Ausländer im Bundesgebiet hat eindeutig regionale Schwerpunkte. Wesentliche Bedeutung haben exakte Daten über die Bevölkerungszahl und -Struktur auch für die Ergebnisse der Bevölkerungsfortschreibung. Dadurch, daß ihre Basis — die Volkszählung 1970 — nunmehr elf Jahre zurückliegt, hat sich eine zunehmende Kumulierung der der bisherigen Fortschreibung inne-wohnenden Fehler ergeben, die bis jetzt zu einer Überhöhung der Bevölkerungszahl geführt haben, die auf eine Million geschätzt wird.

Genaue Unterlagen über den heutigen Altersaufbau (sogenannte Alterspyramide) der Bevölkerung sind ferner eine wesentliche Voraussetzung für Fortschreibungen und Voraus-schätzungen der Bevölkerung und damit für die Beurteilung künftiger Entwicklungen in vielen weiteren Politikbereichen, wie z. B.der Altersversorgung, des Bildungswesens und .des Arbeitsmarktes. Hierauf wird im folgenden noch näher eingegangen.

Arbeitsmarktpolitik Die Ergebnisse der Volks-, Berufs-und Arbeitsstättenzählung sind eine wichtige Basis zur Beurteilung aller Fragen des Arbeitskräftebedarfs und des Arbeitskräfteangebots und somit eine entscheidende Grundlage für die Beurteilung der Lage des Arbeitsmarktes unter langfristigen und strukturellen Gesichtspunkten, unabhängig von saisonalen und konjunkturellen Schwankungen. Sie werden z. B. zur Feststellung und Förderung wirtschaftlich unterentwickelter Regionen benötigt (hierbei spielt die Feststellung der regionalen Arbeitslosigkeit und ihre Beurteilung unter Gesichtspunkten der demographischen Struktur eine Rolle), ferner zur Feststellung und Förderung gefährdeter Branchen, zur Feststellung des zukünftigen Bedarfs an Arbeitskräften unterschiedlicher Qualifikationsstufen (u. a. Berechnungen für den Ersatz zukünftig ausscheidender Erwerbstätiger) sowie als Hilfe für die Arbeitsverwaltung bei der Arbeitsvermittlung und Berufswahl. Die gemeinsame Durchführung der Volks-und Berufszählung mit der Arbeitsstättenzählung ermöglicht es, daß für beide genannten Seiten des Arbeitsmarktes ein zeitlich, inhaltlich und räumlich tief gegliedertes Datenangebot zur Verfügung steht, und zwar als Grundlage für vielfältige Aktivitäten des Bundes, der Länder und Gemeinden. So ist es z. B. für eine effiziente regionale Wirtschaftspolitik unabdingbar, das Bundesgebiet in Arbeitsmärkte (. Arbeitsmarktregionen") aufzugliedern. Ohne Daten aus der Volks-und Berufszählung ist es nicht einmal möglich, derartige Märkte abzugrenzen. Erst die in der Volks-und Berufszählung festgestellten Pend37 lerströme, die die räumlichen Verflechtungen von Wohnund Arbeitsorten zeigen, erlauben eine Abgrenzung regionaler Arbeitsmärkte mit ihren engeren und weiteren Einzugsbereichen. Auch für regional gezielte Förderungsmaßnahmen auf dem Arbeitsmarkt sind zuverlässige Angaben über die Bevölkerung und einzelne Bevölkerungsgruppen (u. a. Erwerbstätige, Erwerbslose) unverzichtbar. So werden beispielsweise für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" Vorausschätzungen über die Nachfrage nach Arbeitsplätzen und das entsprechende Angebot in den einzelnen Regionen benötigt. Diese Aufgabe ist in einem speziellen Gesetz begründet und hat zum Ziel, Lebensräume zu schaffen, die ohne staatliche Förderung funktionsfähig sind.

Auch für Maßnahmen, die auf den Abbau unerwünschter Erscheinungen in Ballungsgebieten (z. B. zu große Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, Verödung der Zentren außerhalb der Geschäftszeiten) zielen, werden Ergebnisse der Volks-, Berufs-und Arbeitsstättenzählung benötigt. So werden z. B. für die Abgrenzung der von der Ministerkonferenz für Raumordnung definierten Ballungsgebiete („Verdichtungsräume") Einwohnerzahlen sowie Angaben über die Einwohner-Arbeitsplatzdichte aus der Volks-, Berufs-und Arbeitsstättenzählung benötigt. Hingewiesen sei auch darauf, daß Ergebnisse der Volks-und Berufszählung eine wesentliche Grundlage für die Kommentierungen im Raumordnungsbericht der Bundesregierung darstellen.

Die Arbeitsverwaltung benötigt aus mehreren Gründen Ergebnisse der Volks-und Berufs-zählung. Ohne sie ist keine gezielte Aussage über Beschäftigungschancen einzelner Ausbildungsqualifikationen und damit auch keine ausreichende Berufsberatung möglich. Hierzu sind Unterlagen über die Alters-und Ausbildungsstruktur der Berufe erforderlich, aus denen sich Angaben über Bedarf und Berufsaussichten als eine wesentliche Information für die Berufsberatung ableiten lassen. Nur die Volkszählung kann entsprechend aktuelle Daten für alle Berufe und alle Erwerbstätigen zur Verfügung stellen.

Auch die regionale Arbeitsvermittlung und damit die Bestrebungen für die Beseitigung der regionalen Arbeitslosigkeit werden durch die Basisdaten der Volks-und Berufszählung erheblich verbessert. Eine wichtige Grundlage für diesen Zweck bilden, in Verbindung mit den Ergebnissen der Arbeitsstättenzählung, die auf der jeweils letzten Volkszählung aufbauenden Unterlagen der Arbeitsverwaltung über „Strukturdaten für die Dienststellen".

Zahlenbasis für den Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung und für die Strukturberichterstattung

Bei Durchsicht der Jahreswirtschaftsberichte der Bundesregierung aus der Sicht der verwendeten statistischen Daten wird deutlich, daß eine Vielzahl statistischer Reihen herangezogen wird, deren Basis die Volks-, Berufs-und Arbeitsstättenzählung ist. Entscheidende Aussagen zu Fragen der Politik zur Förderung der Beschäftigung, des Wachstums und der Stabilität erfordern neben Daten über die allgemeine Wirtschaftsentwicklung vor allem solche über die Bevölkerung und ihre Struktur nach Geschlecht, Alter, Familienstand, Familiengröße, Kinderzahl und Beteiligung am Erwerbsleben, über Erwerbstätige und ihre Struktur nach Geschlecht, Alter, Stellung im Betrieb und Berufen, über Arbeitsstätten in fachlicher und regionaler Unterteilung, über die Einkommen der Beschäftigten sowie über die Quellen des überwiegenden Lebensunterhalts. Alle statistischen Reihen über diese Tatbestände setzen verläßliche und aufeinander abgestimmte Grunddaten aus den Zählungen voraus.

Für das weite Spektrum ordnungs-und strukturpolitischer Überlegungen und Maßnahmen werden insbesondere Unterlagen über Unternehmen und Arbeitsplätze in tiefer fachlicher und regionaler Gliederung, über Rechtsform und Größe der Unternehmen (Umsatz-und Beschäftigtengrößenklassen), ferner über Beschäftigte — u. a. über ihre schulische und berufliche Bildung — sowie über die Bevölkerung nach Altersklassen benötigt.

Der in den letzten Jahren verstärkte Bedarf an Untersuchungen über die Strukturveränderungen in der Volkswirtschaft, wie er z. B. in der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen sektoralen Strukturberichterstattung durch die wirtgchaftswissenschaftlichen For-B schungsinstitute zum Ausdruck kommt (vgl.

Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung 1978), stellt entsprechende Anforderungen an das statistische Ausgangsmaterial. Die Strukturanalysen sollen auf den Ergebnissen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen basieren und strukturelle Veränderungen der Nachfrage, der Produktion und Produktionsfaktoren sowie deren Ursachen in tiefer Gliederung nach Wirtschaftsbereichen untersuchen. Hierzu sind fachlich tief gegliederte statistische Angaben über die betreffenden Tatbestände erforderlich. Von ausschlaggebender Bedeutung für den längerfristigen Vergleich und als Basis für die Fortschreibungsreihen dienen die Ergebnisse der Arbeitsstättenzählung über Unternehmen, Beschäftigte, Umsätze, Löhne und Gehälter. Auch für Zwecke der regionalen Strukturpolitik, hier u. a. — wie bereits erwähnt — zur Neuabgrenzung der Fördergebiete im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" — werden zeitnahe Arbeitsmarkt-, Einkommens-und Infrastrukturindikatoren benötigt. Man muß sich im klaren sein, daß eine Regionalisierung der sektoralen Strukturberichterstattung ohne die genannten Informationen aus der Volks-,Berufs-und Arbeitsstättenzählung nicht möglich ist.

Altersversorgung und Rentenversicherung Nach § 1383 Reichsversicherungsordnung bzw. § 110 des Angestelltenversicherungsgesetzes sind die Einnahmen, die Ausgaben, das Rentenniveau und das Vermögen der gesetzlichen Rentenversicherung nach den letzten Ermittlungen der Zahl der Pflichtversicherten und der Zahl der Rentner für die künftigen 15 Kalenderjahre vorauszuschätzen und jährlich fortzuschreiben. Im Rentenanpassungsbericht 1981 der Bundesregierung wird nachdrücklich festgestellt, daß die zugrunde liegenden Berechnungen zunehmend problematisch werden. Auch hier kann nur die Volkszählung eine neue Datenbasis schaffen. Die von der letzten Volkszählung von 1970 fortgeschriebenen Bevölkerungszahlen sind für derartige Vorausschätzungen keine sichere Basis mehr. Wichtig hierbei ist, daß es nicht nur um eine Vorausschätzung der Rentner, sondern auch um eine solche der Beitragszahler geht. Für die Vorausschätzung der Beitragszahler spielt nicht nur ihre Zahl, sondern auch die erwartete Dauer ihrer Erwerbstätigkeit eine Rolle. Zweifellos handelt es sich bei diesen Schätzungen um statistisch-methodisch schwierige Aufgaben. Durch ungenaue Basiszahlen über die Bevölkerung werden die Ergebnisse dieser Berechnungen mit erheblichen zusätzlichen Unsicherheiten behaftet. Bei der Vorausschätzung der Zahl der Rentner z. B. ist neben dem Beginn des Rentenalters die richtige Einschätzung der Lebenserwartung dieses Personenkreises von großer Bedeutung. Diese ist nur anhand verläßlicher Basiszahlen über die Bevölkerungsstruktur möglich.

Bildungswesen und -politik Einige Aspekte der Bedeutung der Volks-und Berufszählungsergebnisse für das Bildungswesen sind bereits im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt angeklungen. Für Entscheidungen, die primär im Bildungsbereich anstehen oder künftig zu treffen sein werden, seien einige Datenanforderungen kurz herausgestellt. Wichtig für die Berechnung des gegenwärtigen und zukünftigen Bedarfs an Lehrkräften, Schulen und Hochschulen sind vor allem Zahlen über den künftigen Bestand der Schüler und Studierenden. Dieser hängt eng von dem gegenwärtigen Altersaufbau der Bevölkerung und der geschätzten Bevölkerungsentwicklung ab. Ohne exakte Zählungsdaten können Berechnungen hierüber zu keinen genauen Ergebnissen führen.

Auch für den gegenwärtigen und vor allem zukünftigen Bedarf an Schulen in den Gemeinden und Gemeindeteilen werden — regional tief untergliederte — Strukturdaten benötigt, wie sie nur in einer Volkszählung zu beschaffen sind.

Die Beurteilung des Ausbildungsbereiches und seiner jetzigen Struktur (insbesondere der beruflichen Ausbildung) bedarf dringend einer Grundlage, von der aus sich der Ersatzbedarf in den einzelnen Berufen berechnen läßt, der sich aus dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ergibt. Als Basis dafür werden für jeden Beruf differenzierte Angaben über die Alters-gliederung benötigt. Dabei müssen auch Un-39 terlagen über die Wandlungen der Berufs-und Qualifikationsstruktur gewonnen • werden. Derartige Aussagen erfordern aktuelle Zahlen aus der Volks-und Berufszählung — u. a. im Vergleich mit entsprechenden Daten der letzten Zählung von 1970 — über den gegenwärtigen Bestand an Erwerbstätigen, ihren Altersaufbau sowie ihren schulischen und beruflichen Werdegang und ihre Verteilung auf die Wirtschaftszweige und Berufe.

Bevölkerungszahlen für Politik und Verwaltung Ungenaue Bevölkerungszahlen werfen erhebliche Probleme für die — am Willen des Gesetzgebers orientierte — Zusammensetzung staatlicher und kommunaler Organe auf. In diesem Bereich werden für die verschiedensten Zwecke genaue Einwohnerzahlen, wie sie in ihren Eckdaten nur die Volkszählung ermitteln kann, verwendet, so z. B. — für die Berechnung der Stimmen der Länder im Bundesrat, — für die Festlegung von Zahl und Größe der Wahlkreise (für Bundes-und Landtagswahlen) und die Verteilung der Bundestagswahlkreise auf die Länder sowie die Verteilung der Landtagswahlkreise in den Ländern, — für die Berechnung der Sitze in den kommunalen Vertretungsorganen, — für die besoldungsmäßige Einstufung kommunaler Wahlbeamter.

Auch im Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern ist für die Verteilung der Umsatzsteuer die Einwohnerzahl, und zwar für die einzelnen Länder zum 30. Juni des Rechnungsjahres, zugrunde zu legen. Ebenso ist für den Finanzausgleich von Land zu Land von der Einwohnerzahl am 30. Juni des Rechnungsjahres auszugehen. Beim Finanzausgleich Län-der/Gemeinden ist ebenfalls die fortgeschriebene amtliche Einwohnerzahl maßgeblich.

Bei der derzeitigen Abweichung zwischen tatsächlicher und fortgeschriebener Bevölkerungszahl insgesamt und den unterschiedlichen regionalen Entwicklungen dieser Abweichungen ist bereits seit einiger Zeit nicht mehr gewährleistet, daß die in den Gesetzen vorgesehenen Ausgleichszahlungen entsprechend den tatsächlichen Bevölkerungszahlen geleistet werden. Ungenauigkeiten in den Bevölkerungszahlen können zu ebensolchen Ungenauigkeiten bei der umzuschichtenden Finanzmasse führen. Gerade bei der Verteilung von Steuergeldern sind genaue Daten angebracht.

Nach § 50 Bundeswahlgesetz erstattet der Bund den Ländern zugleich für ihre Gemeinden die durch die Wahl verursachten notwendigen Ausgaben durch einen festen, nach Gemeindegrößen abgestuften Betrag je Wahlberechtigten. Nach § 18 Parteiengesetz werden den Parteien, die sich an einer Bundestagswahl mit eigenen Wahlvorschlägen beteiligen, soweit sie eine bestimmte Anzahl von Stimmen erhalten haben, Wahlkampfkosten erstattet. Die Wahlkampfkosten werden mit einem Betrag von 3, 50 DM je Wahlberechtigten der Bundestagswahl pauschaliert. Sie basieren, wie die Erstattungen nach dem Bundeswahl-gesetz, auf den Bevölkerungszählen der Melderegister. Diese Zahlen sind aber genauso fehleranfällig wie die allgemeine Bevölkerungsfortschreibung. Die genaue Zahl der Wahlberechtigten kann daher erst durch einen Registerabgleich im Rahmen einer Volkszählung festgestellt werden.

Neuer Bevölkerungsbegriff und Bevölkerungsfortschreibung Mit dem neuen Melderechtsrahmengesetz ist erstmalig für alle Bereiche der Verwaltung ein einheitlicher Bevölkerungsbegriff verbindlich eingeführt worden. Die Melderegister sind innerhalb eines vorgegebenen Zeitraumes an den neuen Bevölkerungsbegriff anzupassen. Die Anpassung läßt sich am rationellsten und einfachsten in Verbindung mit der Volkszählung durchführen, da bei ihr ohnehin alle Haushalte aufgesucht werden. Andernfalls müßten die Meldebehörden ihre Register auf der Grundlage eigener Erhebungen bereinigen, die aller Wahrscheinlichkeit nach weder zeitlich noch methodisch aufeinander abgestimmt wären und somit neue Fehlerquellen für die Fortschreibung der Bevölkerung darstellten. Nur wenn für das gesamte Bundesgebiet diese Umstellung einheitlich erfolgt, ist die Gewähr dafür gegeben, daß die sogenannte Bevölkerungsfortschreibung, bei der mit Hilfe der Meldungen über Geburten, Sterbefälle und Wanderungen die Bevölkerungszahl für die einzelnen Gemeinden fortgeschrieben wird, künftig genauer ermittelt wird, als es jeweils zwischen den letzten Volkszählungen der Fall war. Ohne neue Volkszählung könnte diese für das statistische Informationssystem entscheidende Verbesserungsmöglichkeit nicht wahrgenommen werden, die für eine Vielzahl gesetzlicher Bestimmungen (rd. 80) von Bedeutung ist.

Die Ergebnisse der Volkszählung sind, was bereits verschiedentlich angeklungen ist, die Grundlage für die Bevölkerungsfortschreibung und für Vorausschätzungen. Beide dienen der Beobachtung der laufenden Bevölkerungsentwicklung. Die Bevölkerungsfortschreibung aber ist sehr fehleranfällig (insbesondere durch fehlende Abmeldungen bei Fortzügen); deshalb wird dringend eine neue Zählungsgrundlage benötigt. Aufgrund von Untersuchungen bei der Volkszählung 1970 wird, wie bereits erwähnt, angenommen, daß die fortgeschriebene Bevölkerungszahl gegenwärtig um etwa 1 Million erhöht ist. Dabei muß man bedenken, daß sich die Fortschreibungsfehler nicht gleichmäßig auf die Gemeinden der Bundesrepublik verteilen. Je nach Häufigkeit der Wanderungen gibt es von Gemeinde zu Gemeinde erhebliche Unterschiede.

II. Gebäude-und Wohnungszählung

Bevölkerung und Wohnungsbedarf Die Verbindung einer Gebäude-und Wohnungszählung mit einer Volkszählung schafft die Möglichkeit, das Wohnen der Bevölkerung in seinem räumlichen Bezug differenziert zu untersuchen und dabei nicht nur räumliche Bedarfsschwerpunkte zu ermitteln, sondern auch die Bevölkerungsgruppen, für die ein Wohnungsbedarf besteht, in ihrer zahlenmäßigen Größe abzuschätzen. Die zur Zeit aus verschiedenen Statistiken vorliegenden Bevölkerungs-, Haushalts-und Wohnungszahlen lassen keine Schlüsse auf die tatsächliche Wohnungsversorgung der Bevölkerung und damit den tatsächlichen Wohnungsbedarf zu. Bei der bereits mehrfach erwähnten Überschätzung der jetzigen Bevölkerungszahlen von etwa 1 Million Personen ergeben sich für die Haushaltszahlen Differenzen von bis zu 500000 Haushalten. Welche Folgen sich aus einer überhöhten Bevölkerungszahl von 1 Million Einwohnern für den Bau-und Wohnungssektor ergeben können, wird aus folgendem Beispiel deutlich: Legt man die Zahl von 2, 6 Personen je Wohnung — wie sie sich aus der Be-völkerungsund Wohnungsstichprobe 1978 ergibt — zugrunde, bedeutet eine Abweichung von 1 Million Personen rd. 380000 Wohnungen zu viel oder zu wenig. Ungenaue Zahlen können einen Bedarf in Gebieten signalisieren, wo er nicht besteht, oder umgekehrt. Dies kann zu Fehlplanungen und letzen Endes sogar zu Fehlinvestitionen in Milliardenhöhe führen.

Der Wohnungsbedarf konzentriert sich auf bestimmte Gebiete; zuverlässige, kleinräumlich differenzierte Informationen darüber fehlen jedoch. Wenn räumlich gezielte Abhilfe geschaffen werden soll und vor allem es darum geht, das gesamte Ausmaß notwendiger inve-stiver Maßnahmen und die finanziellen Auswirkungen (Lasten) zu beurteilen, kann ohne gesicherte Daten der Volkszählung keine rationale Wohnungspolitik betrieben werden.

Die Ministerkonferenz der ARGEBAU hat bei ihrer Sitzung am 11. Dezember 1980 in Bonn u. a. die Befürchtung geäußert, „daß bei einem Fehlen des aktuellen Datenmaterials Fehlinvestitionen getroffen werden, die die Kosten einer solchen Erhebung (Volkszählung) bei weitem übersteigen".

Die Gebäude-und Wohnungszählung in der vorgesehenen Form enthält alle Daten über Gebäude und Wohnungen, die zur Beurteilung der verschiedenen Aspekte des Wohnungsmarktes und Zur Beurteilung der Wohnsituation der Bevölkerung in Stadt und Land erforderlich sind. Staatliche Förderung im Wohnungs-und Städtebau Bei der zur Zeit diskutierten Überprüfung des bisherigen staatlichen Förderungssystems im Wohnungsund Städtebau wird unter anderem an eine Neuauflage des Modernisierungs-und Energiesparprogramms, an eine Neugestaltung des § 7b Einkommensteuergesetz, der Grunderwerbsteuer sowie des steuerlichen Instrumentariums für die Bodenpolitik gedacht. Wichtige Grundinformationen zur objektiven Beurteilung des bisherigen Förderungssystems, auch in seinen regionalen Auswirkungen, können nur durch die Gebäude-und Wohnungszählung geliefert werden. Eine sachgerechte Neugestaltung in diesen Bereichen ist ohne die tief gegliederten Ergebnisse der Gebäude-und Wohnungszählung nicht möglich.

Um die ohnehin knappen Mittel der öffentlichen Hand, die für wohnungspolitische Maßnahmen zur Verfügung stehen (z. B. Modernisierung von Gebäuden und Wohnungen), möglichst effizient einsetzen zu können, werden dringend Informationen über das tatsächliche Qualitätsniveau der vorhandenen Wohnungen und die regionale Verteilung der Wohnungen minderer Qualität benötigt. Überlegungen, die einen Beitrag zum Abbau von Fehlbelegungen öffentlich geförderter Wohnungen leisten sollen, kommen ebenfalls ohne Daten über regionale Verteilung, Qualität, Mietenniveau und Belegung dieser Wohnungen nicht aus. Derartige Daten lassen sich nur aus einer totalen Volks-sowie der Gebäude- und Wohnungszählung gewinnen.

Miete und Wohnen In der Diskussion um die Wohungsversorgung spielen nicht nur die Fragen des Mietrechtes eine Rolle, sondern auch Fragen der Miethöhe. Die Höhe der Miete einer Wohnung richtet sich nach einer Reihe von Faktoren. Die Gebäude-und Wohnungszählung ermittelt davon wesentliche Faktoren, wie z. B. das Bau-alter des Gebäudes, Größe und Ausstattung der Wohnung sowie die öffentliche Förderung der Gebäude und Wohnungen. Ihre Ergebnisse geben damit einen umfassenden Über-blick über das Mietengefüge in seiner gesamten regionalen Differenzierung. Damit werden auch für die Aufstellung neuer und die Beurteilung vorhandener regionaler Mietspiegel die dringend benötigten Informationen gewonnen. Die Basis zuverlässiger Mietspiegel ist die Kenntnis der Gesamtzahl der Mietwohnungen in den einzelnen Regionen und ihre Verteilung nach einer Reihe wichtiger Merkmale, wie z. B.der öffentlichen Förderung.

Wohnraumversorgung bestimmter Bevölkerungskreise Nach § 26 des 2. Wohnungsbaugesetzes sind unter anderem die Wohnbedürfnisse kinderreicher Familien, junger Ehepaare, älterer Menschen und alleinstehender Elternteile mit Kindern zu fördern und den gesetzlichen Regelungen entsprechend zu unterstützen. Die Wohnungszählung und die Volkszählung liefern hierüber die regional tief gegliederten Informationen über die mit den bereits eingesetzten Mitteln erzielten Wirkungen und über das Ausmaß der in Zukunft hierfür benötigten Mittel, weil sie zeigt, ob und in welchen Gebieten diese Gruppen besonders stark vertreten sind und welche Bedarfsschwerpunkte sich daraus ergeben.

Grundvoraussetzung z. B. für die soziale Integration der ausländischen Familien ist eine angemessene Versorgung mit Wohnraum. Dies wird in Zukunft eine der zentralen Aufgaben der Wohnungspolitik sein, insbesondere dann, wenn die heute in der Bundesrepublik Deutschland lebenden ausländischen Kinder und Jugendlichen in ein Alter kommen, in dem sie eigene Familien gründen werden. Die geplante Zählung liefert dazu die Grundinformationen.

Energieversorgung der Haushalte Durch die Frage nach Heizungsarten und verwendeten Brennstoffen bei der Gebäude-und Wohnungszählung sollen zur Zeit nicht bekannte kleinräumliche Informationen über das bestehende Energieversorgungsniveau und -System gewonnen werden. Damit können zugleich aktuelle Bezugsdaten für regionale energiepolitische Maßnahmen zur Sicherung des künftigen Energiebedarfs bereitgestellt werden. Mit der Frage nach Heizungsarten und verwendeten Brennstoffen-würden darüber hinaus regional differenzierte Aufschlüsse über Umweltbelastungen gewonnen. Gebäude-und Wohnungsfortschreibung Wie für die Bevölkerungszahlen gibt es auch für die Gebäude und Wohnungen eine Fortschreibung auf der Basis der letzten Gebäude-und Wohnungszählung von 1968. Wesentliche Daten dafür liefert die Bautätigkeitsstatistik, die die Zugänge an Gebäuden und Wohnungen nahezu vollständig erfaßt. Andererseits aber sind für die Fortschreibung von Gebäuden und Wohnungen die Umwidmungen und und Zusammenlegungen von Wohnungen sowie Abbrüche von Gebäuden wichtige Tatbestände, die nicht oder nur unvollständig gemeldet werden. Außerdem ist zu bedenken, daß die Bautätigkeitsstatistik die Zahl der Wohnungen gemäß Baugenehmigung erfaßt und nicht gemäß der tatsächlichen Nutzung, wie z. B. bei Einfamilienhäusern mit einer so-genannten Einliegerwohnung. Auch für die Fortschreibung der Gebäude und Wohnungen gilt, daß derartige Ungenauigkeiten regional zu erheblichen Verzerrungen führen können. Die Wohnungszahlen können insgesamt Differenzen von etwa 500000 oder mehr Wohnungen aufweisen. Klarheit kann hier nur eine Volks-und Wohnungszählung schaffen.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß die Basis für die Fortschreibung mittlerweile 13 Jahre als ist, was zu einer zunehmenden Kumulierung der erwähnten Fortschreibungsfehler führt. Da eine neue Basis für die Fortschreibung der Gebäude nd Wohnungen fehlt, können auch die Möglichkeiten zur inhaltlichen Verbesserung der Fortschreibung, die sich durch 'die Reform der Bautätigkeitsstatistik ergeben, nicht voll genutzt werden.

III. Bisherige parlamentarische Beratung des Volkszählungsgesetzes

In der 8. Legislaturperiode Angesichts fehlender gesicherter Angaben über Bevölkerung, Gebäude, Wohnungen und Arbeitsstätten hat die Bundesregierung im Herbst 1978 den „Entwurf eines Gesetzes über eine Volks-, Berufs-und Arbeitsstättenzählung (Volkszählungsgesetz 1981)" mit einem Zählungstermin 20. Mai 1981 in die parlamentarische Beratung eingebracht. Vom Bundestag wurde das Gesetz über alle Parteien hinweg einstimmig verabschiedet. Auch der Bundesrat war einstimmig der Auffassung, daß dieses Gesetz nicht nur notwendig, sondern auch unverzichtbar sei. Genauso einmütig und unabhängig von der parteipolitischen Zusammensetzung der einzelnen Länderregierungen forderten jedoch die Länder von der Bundesregierung einen Zuschuß zu ihren Kosten Bisher hatte nämlich der Bund in den Nachkriegsjahren den Ländern jeweils einen Kostenzuschuß für die Großzählungen gezahlt, wenn auch teilweise erst nach harten Ver-handlungen und längeren Vermittlungsverfahren. Im Kern der finanzpolitischen AuseinanderSetzung stand eine finanzpolitische Prinzipienfrage: Die Länder beriefen sich auf eine Bestimmung in Artikel 106 des Grundgesetzes, wonach sich der Bund an finanziellen Mehrbelastungen beteiligen kann, die den Ländern durch Bundesgesetze entstehen. Der Bund wiederum lehnte dies mit dem Argument ab, daß sich seit 1970 seine Finanzlage im Verhältnis zur Gesamtheit der Länder verschlechtert habe und zu seinen Lasten unausgewogen sei. Dabei stand im Hintergrund die Diskussion um eine Neuordnung des Finanz-ausgleichs zwischen Bund und Ländern.

Wegen des geforderten Bundeszuschusses wurde vom Bundesrat Ende 1979 der Vermittlungsausschuß angerufen, der eine Finanzzuweisung von 4, 30 DM je Einwohner an die Länder und Gemeinden empfahl. Der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses wurde vom Bundestag abgelehnt, worauf der Bundesrat dem Volkszählungsgesetz 1981 seine Zu-43 Stimmung versagte. Die Bundesregierung rief dann ihrerseits den Vermittlungsausschuß an. Der Vermittlungsausschuß bat daraufhin die Bundesregierung, im Einvernehmen mit den Ländern und unter Berücksichtigung der Kosten-und Nutzengesichtspunkte einige Kürzungsmodelle zu erarbeiten.

Insgesamt wurden zehn Kürzungsmodelle erörtert, von denen die meisten jedoch nicht die Zustimmung der Vertreter des Bundes und der Länder fanden, da die Kürzungen so weit gingen, daß die grundlegenden Ziele einer Volkszählung nicht erreicht worden wären und — wegen der hohen Fixkosten der Zählung — ein Mißverhältnis zwischen Kosten und Nutzen entstanden wäre. Im Vermittlungsausschuß waren sich dann alle Beteiligten einig, daß die Zählung möglichst im ursprünglich beschlossenen Umfang durchgeführt werden sollte. Der Vrmittlungsaus-schuß schlug daher im Mai 1980 vor, das bisherige Programm der Volkszählung nicht zu kürzen und eine Finanzzuweisung des Bundes von 30 DM je Einwohner vorzusehen. Der Deutsche Bundestag lehnte den Vermittlungsvorschlag jedoch wiederum ab, und der Bundesrat verweigerte daraufhin dem Gesetz erneut seine Zustimmung. Damit war die Verabschiedung des Volkszählungsgesetzes in der 8. Legislaturperiode gescheitert. Der Termin der Volkszählung — 20. Mai 1981 — war damit zunächst auf dem „Altar eines finanzpolitischen Prinzipienstreits“ geopfert. Erhebliche Vorbereitungsarbeiten in den Statistischen Ämtern des Bundes, der Länder und Gemeinden waren hinfällig geworden. Steuergelder waren teilweise nutzlos vertan.

In der 9. Legislaturperiode Zu Beginn der neuen Legislaturperiode wurde von der Bundesregierung der Entwurf eines Volkszählungsgesetzes 1982 vorgelegt 4). Als neuer Zählungstermin war der 19. Mai 1982 vorgesehen. Der Fragenkatalog blieb im wesentlichen unverändert. Das Plenum des Bundesrates beschloß im ersten Durchgang, dem Volkszählungsgesetz für den Fall zuzustimmen, daß der Bund sich „seiner verfassungsmäßigen Verpflichtung aus Artikel 106 Abs. 4

Satz 2 des Grundgesetzes nicht entzieht" und die vorgesehenen Erhebungen auf das unverzichtbar Notwendige beschränkt werden.

Außerdem wurden einige kleine formelle Änderungen vorgeschlagen.

In ihrer Gegenäußerung stimmte die Bundesregierung den formellen Änderungsvorschlägen des Bundesrates zu. Hinsichtlich der Frage eines Bundeszuschusses verwies sie jedoch erneut auf ihre bisher vertretene Auffassung, wonach die Voraussetzungen für die Gewährung eines Bundeszuschusses nicht gegeben sind. Der Gesetzentwurf wurde im Juni 1981 im Bundestag in erster Lesung beraten und an die Ausschüsse verwiesen. Der Innenausschuß des Bundestages bildete eine Arbeitsgruppe, die Kürzungsvorschläge erarbeiten sollte. Das Statistische Bundesamt wurde 11 beauftragt, in Zusammenarbeit mit den Statistischen Landesämtern das bisherige Zählungsprogramm und die in der vergangenen Legislaturperiode erörterten drei Kürzungsmodelle auf mögliche Kosteneinsparungen hin zu überprüfen. Unter Berücksichtigung gewisser Umstellungen und Einsparungen ergaben sich für das ursprüngliche Zählungsprogramm sowie für drei Kürzungsmodelle (I, II und III) für Bund, Länder und Gemeinden folgende Gesamtkosten ursprüngliches Programm rd. 460 Mill. DM Modell rd. 341 Mill. DM Modell II rd. 369 Mill. DM Modell III rd. 313 Mill. DM Die Überlegungen zu einem möglichen Alternativprogramm zum bisherigen vollständigen Zählungsprogramm konzentrierten sich auf das Kürzungsmodell I, das bei den Vermittlungsbemühungen in der vergangenen Legislaturperiode noch die breiteste Zustimmung bei Bund, Ländern und Gemeinden gefunden hatte, wobei die Mehrheit der Länder auf die Merkmale Größe der Wohnung und Miete nicht verzichten wollte. Auch vom Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau) wurden diese Merkmale als unverzichtbar für wohnungspolitische Maßnahmen angesehen. Nach seiner Auffassung war darüber hinaus eine Mindestinformation über Gebäude für wohnungspolitische Maßnahmen unbedingt erforderlich, weshalb es das Modell I ablehnte. Es ist daher eine Variante zum Modell I (Modell I A) entwickelt worden, die den Anforderungen des BMBau besser Rechnung trägt. Bei diesem Modell I A werden folgende Gebäudeangaben erhoben: Art des Gebäudes, Baujahr, Eigentumswohnung, öffentliche Förderung. Die wohnungsbezogenen Fragen dieses Modells bleiben gegenüber dem von der Regierung eingebrachten Entwurf im wesentlichen unverändert.

Nach Beratungen mit den Ländern, den kommunalen Spitzenverbänden und dem Bundesministerium des Innern wurde vereinbart, das Modell I A als mögliche Alternative zum bisherigen vollständigen Zählungsprogramm den Berichterstattern des Innenausschusses vorzulegen. Man ging davon aus, daß bei der derzeitig schwierigen Finanzlage von Bund, Ländern und Gemeinden die Verabschiedung eines Volkszählungsgesetzes nur mit einem reduzierten Zählungsprogramm zu erreichen sein dürfte, das jedoch genügend Informationen für Bund, Länder und Gemeinden liefert, um die anstehenden Aufgaben bewältigen zu können.

Der federführende Innenausschuß des Deutschen Bundestages hat sich am 28. Oktober 1981 für dieses gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf reduzierte Zählungsprogramm I A ausgesprochen. In der umstrittenen Frage der Kostenfinanzierung hat die Bundesregierung Kompromißbereitschaft signalisiert. Der Bundesminister der Finanzen hat nunmehr erklärt, daß die Bundesregierung zwar an ihrer bisherigen Rechtsauffassung zur Frage der Finanzzuweisung des Bundes an die Länder festhalte, daß sie aber in Anbetracht der Bedeutung der geplanten Großzählung bereit sei, Finanzzuweisungen in Höhe von 1 DM je Einwohner an die Länder zu zahlen. Vertreter der Länder haben die Erklärung des Bundesministers der Finanzen als einen ersten Schritt in die von ihnen gewünschte Richtung grundsätzlich begrüßt. Sie haben jedoch darauf hingewiesen, daß nach ihrer Auffassung der vom Bundesminister der Finanzen genannte Betrag von 1 DM je Einwohner keine angemessene Kostenbeteiligung im Sinne des Beschlusses des Bundesrates vom 3. April 1981 darstelle.

Der Deutsche Bundestag hat das Volkszählungsgesetz am 2. Dezember 1981 in 2. und 3. Lesung verabschiedet. Der Bundesrat wird am 18. Dezember 1981 das Gesetz beraten. Es bleibt nun zu hoffen, daß das Volkszählungsgesetz nicht erneut am finanzpolitischen Prinzipienstreit zwischen Bund und Ländern scheitert.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Arbeitsgemeinschaft der für das Bau-, Woh-nungsund Siedlungswesen zuständigen Minister der Länder.

  2. Bundestagsdrucksache 8/2516 vom 26. 1. 1979.

  3. Bundestagsdrucksache 8/2516 vom 26. 1. 1979.

  4. Bundesratsdrucksache 86/81 vom 20. 2. 1981.

  5. Bundestagsdrucksache 9/451 vom 18. 5. 1981.

  6. Modell I: Ohne Grundstücke, reduziertes Fragen-programm für Gebäude, Wohnungen und Arbeitsstätten, volles Programm für den Bevölkerungsteil.

  7. Modell II: Ohne Grundstücke, reduziertes Fragenprogramm für Gebäude, Wohnungen und Arbeitsstätten, 10 %-Stichprobe für Grundstücke und Gebäude nach zwei Jahren, volles Programm für den Bevölkerungsteil.

  8. Modell III: Ohne Grundstücke, reduziertes Fragenprogramm für Gebäude, Wohnungen, Arbeitsstätten und Bevölkerung, zusätzlich 5 %-Stichprobe bei Bevölkerung und Wohnungen. (Dieses Modell wurde von den Ländern und Gemeinden abgelehnt, da es nicht die von ihnen benötigten Regionaldaten liefert.)

Weitere Inhalte

Franz Kroppenstedt, geb. 1931; Studium der Rechtswissenschaft in Marburg; 1971 bis 1979 als Ministerialdirigent Leiter der Unterabteilung „Reform des öffentlichen Dienst-rechts“; Präsident des Statistischen Bundesamtes und Bundeswahlleiter. Lothar Herberger, geb. 1924; Studium der Volkswirtschaft in Frankfurt/Main; Leiter der Abteilung „Bevölkerung, Erwerbstätigkeit, Wohnungswesen, Wahlen, Allgemeine Auslandsstatistik" beim Statistischen Bundesamt und nebenamtlicher Direktor beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung; maßgeblich beteiligt an den Volkszählungen von 1961 und 1970. Paul B. Würzberger, geb. 1936; Studium der Rechts-und Staatswissenschaft in Hamburg und Würzburg; seit 1978 als Ltd. Regierungsdirektor Leiter der Gruppe VIII A „Bevölke-rungs-und erwerbsstatistisches Gesamtbild, Volks-und Berufszählungen, Grundstücke, Gebäude, Wohnungen, Wahlen" im Statistischen Bundesamt.