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Medienentwicklung und technischer, ökonomischer und sozialer Wandel. Zur Rundfunkpolitik nach dem FRAG-Urteil des Bundesverfassungsgerichts | APuZ 51/1981 | bpb.de

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APuZ 51/1981 Artikel 1 Neue Medientechnik — neues Rundfunkrecht Medienentwicklung und technischer, ökonomischer und sozialer Wandel. Zur Rundfunkpolitik nach dem FRAG-Urteil des Bundesverfassungsgerichts Volks-, Berufs-, Wohnungsund Arbeitsstättenzählung 1983

Medienentwicklung und technischer, ökonomischer und sozialer Wandel. Zur Rundfunkpolitik nach dem FRAG-Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Bernd-Peter Lange

/ 33 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Medienentwicklung ist nicht als rein technisches Problem bzw. als Problem der markt-mäßigen Durchsetzung technischer Innovationen zu verstehen. Vielmehr kommt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Ordnungsrahmens für die Medien als sozio-technische Systeme eine maßgebende Rolle in kultureller Verantwortung zu. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem FRAG-Urteil von 1981 für die weitere Rundfunkpolitik klare Daten gesetzt und reinen kommerziellen Rundfunk in der Bundesrepublik praktisch unmöglich gemacht. Die Freie Rundfunk AG (FRAG), ein Zusammenschluß privatwirtschaftlicher Unternehmen, u. a. auch von Presseverlagen, hatte sich um eine Lizenz für einen Privaten Rundfunk bemüht. Offengeblieben und daher in öffentlicher Auseinandersetzung weiter diskussionsbedürftig sind vor allem die Fragen nach der Ausgestaltung von Abrufdiensten und die Finanzierungsproblematik. Gewisse Hinweise hierzu können von den laufenden bzw. geplanten Pilotprojekten erwartet werden.

I. Rahmenbedingungen, Entwicklungstrends, Diskussionsfelder

Technische Neuerungen im Medienbereich werden oft als vorgegebene Größen des ökonomischen und sozialen Wandels verstanden. Ist die neue Technik einmal anwendungsreif, wie es heute z. B. für die „Neuen Medien" Bildschirm-und Videotext, Kabel-und Satelliten-fernsehen behauptet wird, so erscheint es quasi naturnotwendig, daß sie marktmäßig durchgesetzt wird. Aufgabe staatlicher Rundfunkpolitik ist es nach diesem Vorverständnis, daß sogenannte Innovationsbarrieren beseitigt und die rechtlichen Rahmenbedingungen entsprechend angepaßt werden. Dem ist dreierlei entgegenzuhalten: 1. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Rundfunk-und Postpolitik • 1. Medien sind nicht reine technische Übertragungssysteme, sondern sie stellen je spezifische sozio-technische Systeme dar, die geprägt sind von der technischen Infrastruktur, den Organisations-und Finanzierungsformen für die jeweilige Produktion bzw. die Programmveranstaltung, die Zugangsbedingungen für die Kommunikatoren und Rezipienten und die Komplementaritätsbeziehungen zu anderen Medien. Außerdem sind Medien als sozio-technische Systeme gekennzeichnet durch ihre Einbettung in die soziale Umwelt, das heißt, die Nutzungsgewohnheiten und die Funktionen, die sie im Alltag spielen, machen ihren typischen Charakter aus. Kabelfernsehen zum Beispiel stellt ein je anderes sozio-technisches System dar, ob es genutzt wird für hie massenhafte Verteilung eines in öffent-lich-rechtlicher Verantwortung veranstalteten Lokalprogramms ohne Werbung, das durch eine Gesamtgebühr finanziert wird, oder ob es genutzt wird für den individuellen Abruf von Filmen nach Pay-TV-Muster gegen ein Einzelentgelt, das nach der „Qualität" der abgerufenen Dienste gestaffelt ist — um nur zwei Extreme der Anwendung der zukünftigen Informatiönstechnologie zu nennen, wobei die Kombinationsmöglichkeiten bzw. die Konkurrenz-und Substitutionsbeziehungen zum Beispiel mit Satellitenfernsehen und netzunabhängigen Videokassettenrecordern noch gar nicht berücksichtigt wurden. Eine Diskussion, die rein auf die technischen Möglichkeiten abstellt, greift daher zu kurz. 2. Die Medienentwicklung, insbesondere die Entwicklung des Rundfunks, erfolgt in der Bundesrepublik nicht nach den Gesetzen des ökonomischen Wettbewerbs privatwirtschaftlicher Unternehmen. Rundfunksendungen stellen nicht Waren dar, die den Konsumenten auf dem Markt angeboten werden, sondern sie werden im Zusammenhang einer öffentlichen Aufgabe in kultureller Verantwortung diskutiert -Dies bedeutet, daß sich auch die Märkte, die sich an der Peripherie der Medienentwicklung befinden, wie zum Beispiel die Märkte für Endgeräte (zum Beispiel Fernsehund Hörfunkgeräte), nach den Vorgaben der Medienpolitik zu richten haben. Daß von der originären Entwicklungsdynamik der Märkte her Druck auf die Medienpolitik ausgeübt wird, kann freilich nicht geleugnet werden. 3. Die inzwischen über 20 Jahre in ihren wesentlichen Punkten unveränderte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rundfunkordnung umreißt einen klaren Ordnungsrahmen für die Rundfunkentwicklung, der bei allen medienpolitischen Fo Die inzwischen über 20 Jahre in ihren wesentlichen Punkten unveränderte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rundfunkordnung umreißt einen klaren Ordnungsrahmen für die Rundfunkentwicklung, der bei allen medienpolitischen Forderungen nach „neuen Medien" und „neuem Rundfunk-recht" zu beachten ist. Hierzu gehört — und dies zieht sich durch alle Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts leitmotivisch hindurch — die Forderung nach Unabhängigkeit gegenüber dem Staat und gegenüber einer bzw. einzelnen gesellschaftlichen Gruppen. Hierzu gehört auch die klare Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Rundfunkbereich. Die Deutsche Bundespost ist für das Errichten und Betreiben der Sendenetze zuständig; sie stellt die technische Infrastruktur bereit, während den Bundesländern die Kompetenz zusteht, die Organisation der Rundfunkveranstalter und die Finanzierungsfragen zu regeln.

Die bisherige gesellschafts-und parteipolitische Auseinandersetzung um die informationstechnologische Entwicklung wurde in jüngster Zeit beherrscht durch die Kontroverse um das kommerzielle Fernsehen, das heißt, daß privatwirtschaftliche, rentabilitäts-orientiere Unternehmen über Werbung finanzierte Rundfunkprogramme veranstalten sollten in angeblich fruchtbarer Konkurrenz zu den bestehenden öffentlich-rechtlichen, binnenpluralistisch kontrollierten Rundfunkanstalten 2). Diese Diskussion ist durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit der Privatfunkklauseln des saarländischen Rundfunkgesetzes 3), in dem Kommerzfunkplänen eine eindeutige Absage erteilt und die öffentliche Aufgabe des Rundfunks bestätigt wird, zu einem vorläufigen Abschluß gebracht worden. So wie es in der Medienpolitik bis zu diesem Urteil eine Diskus-sion über das „Rundfunkmonopol gab, gibt es jetzt im Telekommunikationsbereich eine ordnungspolitische Diskussion um das Fernmeldemonopol der Deutschen Bundespost Die Monopolkommission, die in ihrem jüngsten Sondergutachten vom Februar 1981 „die Rolle der Deutschen Bundespost im Fernmeldewesen" kritisch analysiert hat, geht dabei jedoch davon aus, daß im Netzbereich gegenwärtig die Zulassung privatwirtschaftlichen Wettbewerbs und damit die Auflösung des Fernmeldemonopols der Deutschen Bundespost nicht vertreten werden könne Es zeigt sich damit, daß im Bereich des Rundfunks die gegenwärtigen Strukturen und Organisationsformen nicht zur Disposition stehen. Die Deutsche Bundespost ist weiterhin allein für die fernmeldetechnische Infrastruktur verantwortlich, während die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten allein die Programme veranstalten. 2. Technische Entwicklungen, Anwendungstrends und Pilotprojekte Im Rahmen dieser Vorgaben sind nun die sich abzeichnenden technischen und ökonomischen Anwendungen zu analysieren und zu bewerten. Zu Zeiten der Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssy-stems (KtK 1974— 1976) gab es noch säuberlich getrennte Denkmuster für die Individualkommunikation (zum Beispiel Telefonieren zwischen zwei Privatpersonen) und die Massen-kommunikation (zum Beispiel Verteilung des bundesweiten ZDF-Fernsehprogramms an unbestimmt viele, gleichzeitig das Programm nutzende Haushalte) und dementsprechend für schmalbandige vermittelte Netze (Fernmeldenetz) und breitbandige Verteilnetze (zum Beispiel terrestrische oder Satelliten-Fernsehsendenetze, aber auch Kabelfernsehverteilanlagen) Außerdem hat die KtK zwar erstmals für die Bundesrepublik den umfassenden Versuch gemacht, die einzelnen Telekommunikationsformen und -dienste gemeinsam zu betrachten — also zum Beispiel bezüglich der Bürokommunikation die einander ergänzenden Funktionen von Telefonieren, Fernkopieren und Fernschreiben bzw. elektronischer Post herauszustellen —, aber es fehlt eine umfassende Analyse des sich abzeichnenden Zusammenwachsens von Telekommunikation und Datenverarbeitung.

Wenn man bedenkt, daß die KtK 1975 Überlegungen für die Zeit von 1985 bis zum Jahr 2000 angestellt hat und dann berücksichtigt, daß heute alle diese Denkmuster als wenig tragfähig für die Zukunft erscheinen, dann wird der atemberaubende technische und infrastrukturelle Wandel deutlich. Zunächst gilt es zu konstatieren, daß ein zunehmendes Potential von technischen Kombinationen von Datenverarbeitung und -Speicherung einerseits und nachrichtentechnischer Übertragung andererseits geschaffen wurde, das viele neue Anwendungen denkbar macht. So liegt das Potential von Bildschirmtext gerade in dem individuellen Zugriff auf Datenspeicher und Datenverarbeitungsanlagen, zum Beispiel beim Ferneinkauf über den Bildschirm oder beim Fernbezahlen vom heimischen Sessel aus und so liegt das eigentlich Neue hierbei in dem Zusammenführen von Telekommunikation und Informatik, in den neuen „Telematik" -Diensten. Das gleiche gilt für breitbandige Abruf-dienste, also zum Beispiel für den in Kabelfernsehanlagen mit Rückkanal technisch möglichen individuellen Zugriff auf gespeicherte Filme, Fernsehsendungen etc.

Gerade in bezug auf derartige Abruf-bzw. Dialogdienste stellt sich die Frage, ob sie eher der Individualoder aber der Massenkommunikation zuzurechnen sind oder ob sie eine spezifisch neue Zwischenstufe im Sinne eines neuen sozio-technischen Systems darstellen werden, das vorhandene Kommunikationsstrukturen stark verändert. Die angebotenen Dienste sind zum Teil jedenfalls für den Abruf durch eine unbestimmte Vielzahl von Teilnehmern gedacht und insofern für die Information „der Massen" geeignet. Der Zugriff erfolgt aber durch individuelles Anwählen zu der vom Abrufer gewünschten Zeit, unabhängig von dem, was gerade in anderen Haushalten an technischer Kommunikation genutzt wird, und insofern ähneln diese Dienste Dialogdiensten der Individualkommunikation.

Schließlich gehen inzwischen die Planungen der Deutschen Bundespost dahin, mittel-bis langfristig alle ihre Telekommunikationsdienste über integrierte Netze in Glasfasertechnik abzuwickeln, also insbesondere das schmalbandige Kupferkabelnetz zum Telefonieren zu ersetzen und leistungsfähiger zu machen. Dies bedeutet, daß auch die bisher installierten breitbandigen Kupferkoaxialkabel für Gemeinschaftsantennen bzw. Kabelfernsehanlagen langfristig in derartige Netze integriert werden. Derartige integrierte Netze werden für ganz verschiedene Dienste wie das Telefonieren und das Bildtelefonieren, das Bürofernschreiben, Bildschirm-und Kabeltext, breitbandige Abrufdienste, aber auch, wenn einmal eine bundesweite Verbreitung der Netze erreicht sein sollte, für die Verteilung der vorhandenen Hörfunk-und Fernsehprogramme im herkömmlichen Sinne geeignet sein. Aus diesen Zukunftsperspektiven, die aber nur bei gewaltigen Investitionen in die Modernisierung der technischen Kommunikationsinfrastruktur zu realisieren sein werden, folgt viererlei: 1. Es ist zu prüfen, ob und wenn ja, wieweit technische Netzstrukturen der Zukunft be21 stimmte Nutzungsformen präjudizieren und wie ein „bedarfsgerechter“ Ausbau vonstatten gehen soll.

2. Zukünftige Dienste werden nicht mehr wie bisher bei den vorhandenen Medien durch eine bestimmte Produktionsbzw. Übermittlungstechnik gekennzeichnet sein. Zum Fernsehen zum Beispiel gehört bisher die drahtlose Ausstrahlung über ein terrestrisches Sendernetz. 3. Auch die Wiedergabegeräte können zu multifunktionalen Terminals werden. Das Fernsehgerät — bisher ausschließlich zum Fernsehen genutzt — wird zum Bildschirm, der zum Beispiel auch Bildschirmtext mit seinen je spezifischen Diensten sichtbar macht.

4. Dies hat zur Konsequenz, daß unternehmerisch-geschäftliche Information und Kommunikation (zum Beispiel Bürofernschreiben, Datenaustausch etc.), privat-geschäftliche Inanspruchnahme von „Telematik-Diensten“ durch die Haushalte (zum Beispiel Abruf von Testberichten, Ferneinkauf, Buchung von Reisen, Zugriff auf Rechtsprechungsdatenbanken durch Rechtsanwälte, aber auch durch „Laien") und individuelle und massenhafte Nutzung von publizistisch relevanten Informationen und Programmen in den Familien (insbesondere Hörfunk-und Fernsehprogramme, aber auch neue Abrufdienste) einerseits und von Unterhaltungsangeboten (zum Beispiel Filme, Shows, Telespiele) andererseits über die gleiche technische Infrastruktur mit den gleichen Ein-und Ausgabegeräten abgewickelt wird. Die erwähnten „Individualisierungsmöglichkeiten“ in der Nutzung dieser denkbaren neuen sozio-technischen Systeme werfen eine Reihe von Fragen auf hinsichtlich der politischen Gestaltungserfordernisse und -möglich-keiten.

Festzuhalten bleibt freilich, daß die neuen Techniken der „Telematik" heute und auch morgen noch nicht massenhaft zur Verfügung stehen und wir uns zunächst mit den getrennten Übertragungstechniken des schmalbandigen Telefonnetzes und des breitbandigen Fernsehnetzes begnügen müssen. Eine wissenschaftliche Beschäftigung mit möglichen sozio-technischen Systemen der Zukunft hat das Ziel, rechtzeitig für die politische Gestaltung die Konsequenzen alternativer Organisations-und Finanzierungsformen aufzuzeigen.

In dieser gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung vertrauen — grob vereinfacht — die einen auf die weitgehende Regulierung über den privatwirtschaftlichen Wettbewerb am Markt, und sie wollen — falls es zu negativen Auswirkungen zum Beispiel durch Programme mit rohen Gewaltdarstellungen auf Kinder kommt — der Medienpädagogik die Aufgabe zuweisen, im Nachhinein eine gesellschaftliche Verträglichkeit zu sichern Die anderen hingegen fordern von vornherein einen Ordnungsrahmen, der durch Strukturentscheidungen — wie zum Beispiel Begrenzung der Werbungsfinanzierung von Fernsehprogrammen — dazu beiträgt, daß negative Auswirkungen gar nicht erst eintreten

Da nun die Möglichkeiten der Prognose sowohl hinsichtlich der Frage, welche potentiellen sozio-technischen Systeme sich in der Zukunft real, in welcher Geschwindigkeit und in welcher Ausgestaltung werden durchsetzen (lassen), also auch hinsichtlich der Frage, welche möglichen negativen Auswirkungen dann eintreten können, sehr begrenzt sind und auch vorhandene ausländische Erfahrungen nicht immer direkt auf die Verhältnisse in der Bundesrepublik übertragen werden können bleibt als Weg der Versachlichung der gesellschafts-und wirtschaftspolitischen Auseinandersetzungen nur der Test über begrenzte und befristete Pilotprojekte. Zwar haben die jetzt inzwischen fünf Jahre andauernden Diskussionen über Pilotprojekte insbesondere zum Kabelfernsehen die Restriktionen aufgezeigt, unter denen aus Modellversuchen Schlüsse auf zukünftige Nutzungen, Verbreitung, Ausgestaltung etc. gezogen werden können — so kann es insbesondere keine echte Repräsentativität geben sowohl hinsichtlich der Teilnehmerpopulation als auch hinsichtlich der „realistischen" Preise bzw. Gebühren für die Dienste —, aber wenn „Wildwuchs" nach Laissez-fair-Vorstellungen nicht zum Prinzip erhoben werden soll, dann gibt es zu . gesellschaftlichen Experimenten" in der Form von Modellversuchen keine realistischen Alternativen

Die 1978 von den Ministerpräsidenten der Länder im Prinzip beschlossenen vier Pilotprojekte zum Kabelfernsehen befinden sich immer noch in der Schwebe der Planungsprozesse. Für Ludwigshafen gibt es zwar ein rheinland-pfälzisches Gesetz aber die Anwendung dieses Gesetzes scheint doch gerade auch im Lichte des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum saarländischen Rundfunkgesetz — Staatsunabhängigkeit und realer Außenpluralismus, — einige Schwierigkeiten zu machen Für alle Pilotprojekte ist die Finanzierung nach wie vor das Hauptproblem

Auch wenn Kabelfernsehpilotprojekte noch in der „alten" Kupferkoaxialkabeltechnik ausgelegt werden, so sollten doch zur möglichst umfassenden Simulation zukünftiger Anwendungsmöglichkeiten heuere Trends wie die geschilderten Planungen zu integrierten Netzen und damit auch zu breitbandigen Abruf-diensten Berücksichtigung finden Eine Diskussion über den erforderlichen Ordnungsrahmen für bundesrepublikanische Pay-TV-

Angebote kann dann besser als bisher geführt werden.

Dies ist aber nur dann sinnvoll, wenn erst nach Abschluß von Pilotprojekten Entscheidungen über die Einführung neuer Dienste und Organisationsstrukturen getroffen werden. Vor diesem Hintergrund ist das „Vorpreschen" von Baden-Württemberg mit dem Ziel, ohne Pilot-projektergebnisse abzuwarten direkt ein Mediengesetz in bezug auf die neuen Übertragungsmöglichkeiten zu machen, mehr als bedenklich. Wenn es hier zu keiner Einigung zwischen den einzelnen Bundesländern mehr , kommen sollte, dann ist der letzte Rest von Gemeinsamkeit in der Rundfunkpolitik zwischen den großen Parteien endgültig verspielt. 3. Okonomische Imperative und soziale Auswirkungen Die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung um die Medienentwicklung wird momentan geführt in der unversöhnlichen Gegenüberstellung von volks-und betriebswirtschaftlichen Innovationsimperativen einerseits und arbeitsmarktpolitischer und kulturkritischer Hervorhebung negativer sozialer Auswirkungen des informationstechnologischen Wandels andererseits.

Volkswirtschaftlich geht es zunächst um die Modernisierung der technischen Kommunika-tionsinfrastruktur durch die Deutsche Bundespost, um dadurch die Leistungsfähigkeit der in der Bundesrepublik angesiedelten Unternehmen auch in der internationalen Konkurrenz zu stärken Der „Faktor" Information und Kommunikation gewinnt in der wettbewerblichen Auseinandersetzung um bessere Produktion und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen eine immer größere Bedeutung. Volkswirtschaftlich gesehen stellen Investitionen im Infrastrukturbereich — und der Ausbau der Telekommunikationsnetze und Telematikdienste gehört hierzu — nicht nur eine Ergänzung nach dem Subsidiaritätsprinzip zu den Marktfunktionen privatwirtschaftlichen Wettbewerbs dar, sondern sie bilden geradezu die Voraussetzung für eine bessere Funktionsweise der Marktwirtschaft Vor diesem Hintergrund gewinnen die Tätigkeit und die Planungen der Deutschen Bundespost als öffentliches Unternehmen mit Infrastrukturverantwortung ihre Legitimation über die bloße Argumentation mit dem Subsidiaritätsprinzip hinaus. Dies bedeutet aber, daß die Netzausbaustrategie und das Angebot neuer Dienste vorrangig am Bedarf von Wirtschaft und Verwaltung nach effizienten und das heißt kostengünstigeren Telekommunikationsdiensten orientiert wird und dabei über die Nachfrage der Deutschen Bundespost nach Leistungen zur Errichtung der verbesserten Infrastruktur die Innovationskraft und die Exportchancen der nachrichtentechnischen Industrie der Bundesrepublik gestärkt werden. Der Ausbau von Netzen zur vermehrten Verteilung von Hörfunk und Fernsehprogrammen spielt in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle.

Betriebswirtschaftlich wird Druck auf die schnelle „Modernisierung" der technischen Kommunikationsinfrastruktur ausgeübt, zum einen von der Geräteindustrie, zum anderen von bestimmten Presseverlagen und zum Dritten von der werbetreibenden Wirtschaft. Die Geräteindustrie erhofft sich bei leistungsfähigeren Telekommunikationsnetzen und neuen Telematikdiensten mittel-bis langfristig Umsatzsteigerungen durch den Verkauf neuer Ein-und Ausgabegeräte. Diese materiellen Unternehmensinteressen werden zum Teil verbrämt durch Kritik am „Monopol" der Deutschen Bundespost, die durch ihre restriktive Zulassungspraxis sich als Innovationshemmer betätige Daß der Markt aber keineswegs blockiert ist, sieht man gerade an dem „take off" des Umsatzes mit Videokassettenrecordern. Einige große Presseverlage drängen nicht nur deshalb auf die Einführung „neuer Medien", weil sie nach neuen Kapitalanlagesphären suchen, sondern auch, weil sie die realistische Chance zu Renditesteigerungen durch multimedia-Vertrieb von Inhalten und Programmen sehen. Diversifikation von inhaltlich gleichen Angeboten auf vielen Kanälen und Medien aus einer Hand!

Die werbetreibende Wirtschaft erhofft sich die Chance, insbesondere über Abrufdienste Zielgruppen ohne große Streuverluste erreichen und die „neuen Medien" als direkten Vertriebsweg nutzen zu können.

Was nun die möglichen negativen gesellschaftlichen Auswirkungen angeht, so wird zu Recht darauf hingewiesen, daß sich der Einsatz der Informationstechnologie in Wirtschaft und Verwaltung als Rationalisierung darstellt — dies ist ja das „Modernisierungsziel" ihrer Anwendung! Die in diesem Zusammenhang aufzumachende Arbeitsmarktbilanz — Aufrechnungsversuch der durch Rationalisierung ausgelösten Freisetzungen gegen zusätzliche Arbeitsplätze durch Entwicklung, Produktion, Installation, Betrieb und Wartung der neuen informationstechnologischen Anwendungen — wird beeinflußt von der Geschwindigkeit des ökonomischen und technischen Wandels und den allgemeinen Wachstumsraten des Sozialprodukts. Befürchtet wird unter Status-quo-Annahmen niedriger Wachstumsraten und eines schnellen Prozesses der Innovationen, daß die Arbeitsmarktbilanz negativ ausfällt

Bezüglich der Möglichkeiten zur Vermehrung von Rundfunk-, insbesondere Fernsehprogrammen werden negative Auswirkungen auf die Gruppe der heute schon vorhandenen Vielseher und auf die Kinder in kognitiver und emotionaler Hinsicht befürchtet In diesem Zusammenhang erscheint der Verweis auf den „mündigen Bürger", der souverän aus dem Medienangebot auswählt und auswählen wird und der seine Kinder entsprechend sozialisiert, mehr als fragwürdig. Die geäußerten Befürchtungen erscheinen noch plausibler, wenn man berücksichtigt, daß ein Großteil zusätzlicher technisch vermittelter Medienangebote über Werbung finanziert werden dürfte und von daher die inhaltliche Orientierung an der Rolle des einzelnen als Konsument dominieren wird. Dies kann dann eine Verstärkung der Wert-und Handlungsorientierung insbesondere bei Kindern an den Maßstäben einer schein-heilen Konsumwelt zur Folge haben. Schließlich wird in den möglichen zukünftigen Abrufdiensten die Gefahr einer Segmentierung und einer weiteren sozialstrukturellen Differenzierung gesehen. Nur einkommens-kräftige Haushalte können sich die wichtigen Informations-und „gehobenen" Unterhaltungsangebote leisten, und da jeder nur nach den eigenen „Vorurteilen" auswählt, gibt es keine Diskussionsanlässe mehr in bezug auf kontroverse, von vielen gleichzeitig angesehene Programme

Nimmt man sowohl die geschilderten volks-und betriebswirtschaftlichen Imperative zur Einführung neuer Telematikdienste als auch die kritischen Einwände ernst, so muß man feststellen, daß Wirtschafts-, Technologie-und Postpolitik einerseits und Arbeitsmarkt-, Ge-sellschaftsund Medienpolitik andererseits sich in einem als unauflösbar erscheinenden Spannungsverhältnis befinden. 4. Diskussionsfelder und offene Fragen Hält man sich diese Perspektiven der informationstechnologischen und der Medienentwicklung vor Augen, so ergeben sich folgende Fragen:

1. Welcher ordnungspolitische Rahmen ist von der Verfassung her der weiteren Entwicklung gezogen? Insbesondere: Welches ist die Reichweite des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu den Privatfunkklauseln des saarländischen Rundfunkgesetzes?

2. Welcher Ordnungsrahmen sollte für die zukünftigen schmal-und breitbandigen Abruf-dienste gezogen werden?

3. Welche Finanzierungsalternativen kommen in Betracht?

4. Wie können in Zukunft die Zuständigkeiten von Bund und Ländern im Telekommunikationsbereich abgegrenzt werden?

5. Läßt sich eine Integration der verschiedenen und auseinanderstrebenden Politikbereiche in bezug auf die Medienentwicklung erreichen, eine Integration, die in einer demokratischen Gesellschaft das ökonomisch Vernünftige und Notwendige mit dem gesellschaftlich und kulturell Wünschenswerten verbindet? Kann es zu diesen Fragen, die die Grundlagen unseres Gesellschaftssystems betreffen, in absehbarer Zeit wieder einen Grundkonsens zwischen den großen politischen Parteien geben?

II. Das FRAG-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und seine Konsequenzen

1. Die Asgangslage Aufgrund schlechter historischer Erfahrungen ist der Rundfunk in der Bundesrepublik so organisiert worden, daß sowohl Unabhängigkeit dem Staat gegenüber als auch gegenüber einseitigem Druck gesellschaftlicher Gruppen gewährleistet ist Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung gewinnt der öffentlich-rechtliche, das heißt der binnenpluralistisch organisierte, nicht kommerzielle und einem gesetzlich fixierten Programmauftrag verpflichtete Rundfunk seine spezifische Legitimation. Dies ist insbesondere im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Jahre 1961 gegen das soge-nannte Adenauer-Fernsehen in seiner Verquickung von parteipolitischen mit kommerziellen Interessen auf Bundesebene klargestellt worden, damals allerdings noch mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Sondersituation des Rundfunks, die gekennzeichnet war und ist durch den Frequenzmangel und den unverhältnismäßig hohen finanziellen Aufwand für die Rundfunkveranstaltung 29). Das Urteil, das unter anderem auch wegen der großen Wirkungen des Rundfunks dessen Bedeutung als Medium und Faktor für die Bildung der öffentlichen Meinung herausstellt, ist richtungsweisend in bezug auf die Anforderungen an die gesellschaftliche Kontrolle über den Rundfunk durch die gesellschaftlich-relevanten Gruppen und in bezug auf die unter damaligen Verhältnissen klare Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. 1967 sind im Saarland in Abweichung von der bisherigen Rundfunkorganisation erstmals in der Bundesrepublik durch Gesetz Voraussetzungen für die Veranstaltung privater Rundfunksendungen (Hörfunk und Fernsehen) geschaffen worden. Durch staatliche Konzession, so bestimmte es das Gesetz, konnten private Veranstalter in der Rechtsform von Aktiengesellschaften zugelassen werden, wenn ihnen ein Beirat aus Vertretern gesellschaftlich-relevanter Gruppen zugestellt war, der die Allgemeinheit gegenüber dem Veranstalter vertreten sollte 30). Über die Vereinbarkeit dieser BeStimmungen mit dem Grundgesetz, insbesondere Art. 5 GG, hatte das Bundesverfassungsgericht 1981 zu entscheiden. Dabei wurde das Verfahren insofern kompliziert, als insbesondere die niedersächsische Landesregierung und der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger zur Begründung der Übereinstimmung dieser Vorschriften mit dem Grundgesetz den Wegfall der „Sondersituation" eines Frequenzmangels behaupteten und daraus folgerte Das Urteil, das unter anderem auch wegen der großen Wirkungen des Rundfunks dessen Bedeutung als Medium und Faktor für die Bildung der öffentlichen Meinung herausstellt, ist richtungsweisend in bezug auf die Anforderungen an die gesellschaftliche Kontrolle über den Rundfunk durch die gesellschaftlich-relevanten Gruppen und in bezug auf die unter damaligen Verhältnissen klare Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. 1967 sind im Saarland in Abweichung von der bisherigen Rundfunkorganisation erstmals in der Bundesrepublik durch Gesetz Voraussetzungen für die Veranstaltung privater Rundfunksendungen (Hörfunk und Fernsehen) geschaffen worden. Durch staatliche Konzession, so bestimmte es das Gesetz, konnten private Veranstalter in der Rechtsform von Aktiengesellschaften zugelassen werden, wenn ihnen ein Beirat aus Vertretern gesellschaftlich-relevanter Gruppen zugestellt war, der die Allgemeinheit gegenüber dem Veranstalter vertreten sollte Über die Vereinbarkeit dieser BeStimmungen mit dem Grundgesetz, insbesondere Art. 5 GG, hatte das Bundesverfassungsgericht 1981 zu entscheiden. Dabei wurde das Verfahren insofern kompliziert, als insbesondere die niedersächsische Landesregierung und der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger zur Begründung der Übereinstimmung dieser Vorschriften mit dem Grundgesetz den Wegfall der „Sondersituation" eines Frequenzmangels behaupteten und daraus folgerten, daß die Aufrechterhaltung des Monopols 31) der öffentlich-rechtlichen Anstalten verfassungsrechtlich nicht mehr haltbar sei.

Aus Art. 5 GG als individuellem Freiheits-rechtend aus der Berufsfreiheit des Art. 12 GG folge ein Zugangsrecht Privater zur Veranstaltung von Rundfunksendungen 32). Auf diese Weise wurde sozusagen von der Flanke der neuen Medientechnologien her, die im übrigen bisher nur als Möglichkeiten diskutiert werden, der Angriff auf den Kernbestand der Rundfunkorganisation, die öffentlich-rechtliche Struktur, geführt. 2. Was ist entschieden worden?

Das Bundesverfassungsgericht hat in dem FRAG-Urteil von 1981 die Bestimmungen dessaarländischen Rundfunkgesetzes zum Privat-funk für verfassungswidrig erklärt. Damit ist nach langen Auseinandersetzungen der erste Versuch, auf gesetzlicher Basis Privatfunk einzuführen, gescheitert.

Das Bundesverfassungsgericht hat entgegen den vorgetragenen Meinungen, die aus den Grundrechten als individuelle Freiheitsrechte Ansprüche auf privaten Zugang zur Rundfunkveranstaltung ableiten wollten, zumindest implizit den institutionellen Charakter der Grundrechtsgewährleistungen des Art. 5 GG hervorgehoben, das heißt, daß der Rundfunk als Institution auszugestalten und nicht nur vor staatlichen Übergriffen zu schützen ist „Der Rundfunk ist . Medium" und . Faktor'dieses verfassungsrechtlich geschützten Prozesses freier Meinungsbildung. Demgemäß ist Rundfunkfreiheit primär eine der Freiheit der Meinungsbildung in ihren subjektiv-und objektiv-rechtlichen Elementen dienende Freiheit: Sie bildet unter den Bedingungen der modernen Massenkommunikation eine notwendige Ergänzung und Verstärkung dieser Freiheit; sie dient der Aufgabe, freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk zu gewährleisten."

Daran anschließend wird hervorgehoben, daß der (Landes-) Gesetzgeber einen Ordnungsrahmen zu schaffen hat, der der institutioneilen Garantie der Rundfunkfreiheit in der Realität gerecht wird.

„Freie, individuelle und öffentliche Meinungsbildung durch den Rundfunk verlangt zunächst die Freiheit des Rundfunks von staatlicher Beherrschung und Einflußnahme. Insofern hat die Rundfunkfreiheit, wie die klassischen Freiheitsrechte, abwehrende Bedeutung. Doch ist damit das, was zu gewährleisten ist, noch nicht sichergestellt. Denn bloße Staatsfreiheit bedeutet noch nicht, daß freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk möglich wird; dieser Aufgabe läßt sich durch eine lediglich negatorische Gestaltung nicht gerecht werden. Es bedarf dazu vielmehr einer positiven Ordnung, welche sicherstellt, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet und das auf diese Weise umfassende Information geboten wird. Um dies zu erreichen, sind materielle und organisatorische Verfahrensregelungen erforderlich, die an der Aufgabe der Rundfunkfreiheit orientiert und deshalb geeignet sind zu bewirken, was Art. 5 GG gewährleisten will."

Das Entscheidende ist nun — und darin liegt die große Bedeutung des Urteils als Rahmen-setzung für die Medienentwicklung insgesamt —, daß das Bundesverfassungsgericht zu dieser geforderten positiven Ordnung auf gesetzlicher Basis nicht nur abstrakte Ausführungen macht, sondern aufgrund von gesicherten Erfahrungen mit privatwirtschaftlicher Medienorganisation und Medienkonzentration dem rentabilitätsorientierten Wettbewerbsmodell im Rundfunkbereich eine klare Absage erteilt. Es stellt die verfassungsrechtliche Zielvorstellung für den Rundfunk, daß die Vielfalt der Meinungsrichtungen tatsächlich und unverkürzt im Gesamtangebot zum Ausdruck gelangen muß, in den Vordergrund und hält das freie Spiel der privatwirtschaftlichen Kräfte für unvereinbar mit dieser Zielvorstellung — und dies auch bei einem in der Zukunft möglichen Fortfall des Frequenzmangels.

. Auch bei einem Fortfall der bisherigen Beschränkungen könnte nicht mit hinreichender Sicherheit erwartet werden, daß das Programmangebot in seiner Gesamtheit kraft der Eigengesetzlichkeit des Wettbewerbs den Anforderungen der Rundfunkfreiheit entsprechen werde. Gewiß mag manches dafür sprechen, daß sich dann eine begrenzte Vielfalt einstellen werde, wie sie heute etwa im Bereich der überregionalen Tageszeitungen besteht. Doch handelt es sich dabei nur um eine Möglichkeit. Während bei der Presse die geschichtliche Entwicklung zu einem gewissen bestehenden Gleichgewicht geführt hat, so daß es heute zur Sicherung umfassender Information und Meinungsbildung durch die Presse grundsätzlich genügen mag, Bestehendes zu gewährleisten, kann von einem solchen Zustand auf dem Gebiet des privaten Rundfunks zumindest vorerst nicht ausgegangen werden. Demgemäß ist ungewiß, ob bei einer Behebung des bisherigen Mangels in dem . Gesamtprogramm'als Inbegriff aller gesendeten inländischen Programme alle oder wenig-stens ein nennenswerter Teil der gesellschaftlichen Gruppen und geistigen Richtungen auch tatsächlich zu Wort kommen, ob mithin ein . Meinungsmarkt'entsteht, auf dem die Vielfalt der Meinungen unverkürzt zum Ausdruck gelangt. Zudem müssen gerade bei einem Medium von der Bedeutung des Rundfunks die Möglichkeiten einer Konzentration von Meinungsmacht und die Gefahr des Mißbrauchs zum Zwecke einseitiger Einflußnahme auf die öffentliche Meinung in Rechnung gestellt werden. Bei dieser Sachlage würde es dem verfassungsrechtlichen Gebot, die Freiheit des Rundfunks zu gewährleisten, nicht gerecht werden, wenn nur staatliche Eingriffe ausgeschlossen würden und der Rundfunk dem freien Spiel der Kräfte überlassen würde; dies um so weniger, als einmal eingetretene Fehlentwicklungen — wenn überhaupt — nur bedingt und nur unter erheblichen Schwierigkeiten rückgängig gemacht werden könnten. Es liegt vielmehr in der Verantwortung des Gesetzgebers, daß ein Gesamtangebot besteht, in dem die für die freiheitliche Demokratie konstitutive Meinungsvielfalt zur Darstellung gelangt. Es muß der Gefahr begegnet werden, daß auf Verbreitung angelegte Meinungen von der öffentlichen Meinungsbildung ausgeschlossen werden und Meinungsträger, die sich im Besitz von Sendefrequenzen und Finanzmitteln befinden, an der öffentlichen Meinungsbildung vorherrschend mitwirken. Dies ist sicher nicht mit letzter Gewißheit möglich; zumindest muß aber eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, daß sich in dem gesetzlich geordneten Rundfunksystem eine solche gleichgewichtige Vielfalt einstellt."

Die ganze Tragweite dieser Ausführungen wird erst deutlich, wenn man sie konfrontiert mit den im Urteil zurückgewiesenen Meinungen, die aus der Interpretation der Rundfunk-freiheit des Art. 5 GG als Individualgrundrecht der Unternehmerfreiheit die zwingende Notwendigkeit eines ökonomischen Markt-modells für den Rundfunk analog zur Presse ableiten wollten

Nun hat das Bundesverfassungsgericht auch — wie schon 1961 — ausgeführt, daß Rundfunkveranstalter in privatrechtlicher Organisationsform zugelassen werden können, sofern der Gesetzgeber sicherstellen kann, daß das Gesamtangebot den geschilderten Anforderungen der Rundfunkfreiheit auch tatsächlich gerecht wird. Er kann sich hierzu an den Modellen des Binnen-oder Außenpluralismus orientieren. Die gesetzliche Gewährleistung der Rundfunkfreiheit kann dadurch erfüllt werden, daß bei jedem einzelnen — also auch privatrechtlichen — Rundfunkveränstalter eine binnenpluralistische Struktur vorgeschrieben wird.

„Doch kommt es bei dieser Organisationsform in besonderem Maße darauf an, daß alle gesellschaftlich relevanten Kräfte in dem Organ vertreten sind, welches ihren Einfluß vermitteln soll, und daß dieser Einfluß ein effektiver ist; darin liegt nach der Konzeption dieses Modells die ausschlaggebende Gewähr dafür, daß der Rundfunk nicht nur einer Richtung oder einem Interesse, insbesondere dem unternehmerischen Interesse der Trägergesellschaft, zu Lasten der durch die Rundfunkfreiheit geschützten Belange dienstbar gemacht wird. Insoweit sind daher an gesetzliche Regelungen privaten Rundfunks strenge Anforderungen zu stellen.“

In dieser Formulierung wird deutlich, daß das Bundesverfassungsgericht Garantien dafür verlangt, daß das privatwirtschaftliche Unternehmensinteresse eines kommerziellen Rundfunkveranstalters nicht das Programmangebot bestimmt Der Gesetzgeber kann aber auch die Rundfunkfreiheit durch Regelungen für eine externe („außenpluralistische") Vielfalt sichern, „sofern er durch geeignete Vorkehrungen gewährleistet, daß das Gesamtangebot der inländischen Programme der bestehenden Meinungsvielfalt auch tatsächlich im wesentlichen entspricht" (Hervorhebung vom Verfasser).

„Darüber hinaus hat der Gesetzgeber für den Inhalt des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich zu machen, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten."

Bei binnenpluralistischer Struktur der Veranstalter gilt diese Anforderung für das Gesamtprogramm jedes einzelnen Veranstalters. Beim außenpluralistischen Modell obliegt den einzelnen Veranstaltern keine Ausgewogenheit; doch bleiben sie zu sachgemäßer, umfassender und wahrheitsgemäßer Information und einem Mindestmaß an gegenseitiger Achtung verpflichtet. Daneben sind alle Veranstalter an die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG gebunden. Namentlich für den Jugendschutz wird in den Rundfunkgesetzen Sorge zu tragen sein.

Bei der Frage der gesetzlichen Regelung zur Lizenzvergabe wird nochmals ausdrücklich betont, daß das freie Spiel privatwirtschaftlicher Kräfte hier nicht ausschlaggebend sein darf.

„Sofern die zur Verfügung stehenden Verbreitungsmöglichkeiten es nicht erlauben, allen auftretenden Bewerbern den Zugang zur Veranstaltung privater Rundfunksendungen zu schaffen, müssen in die Zugangsregelungen auch Regeln über die Auswahl der Bewerber aufgenommen werden. Das gebietet der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Frage, wem eine der knappen Möglichkeiten zur Programmveranstaltung zugutekommen soll, darf daher nicht dem Zufall oder dem freien Spiel der Kräfte anheimgegeben werden. Es genügt auch nicht, die Entscheidung dem ungebundenen Ermessen der Exekutive zu überlassen. Dies wäre mit dem Vorbehalt des Gesetzes unvereinbar. Vielmehr muß der Gesetzgeber selbst die Voraussetzungen bestimmen, unter denen der Zugang zu eröffnen oder zu versagen ist, und er muß ein rechtsstaatliches Verfahren bereitstellen, in dem hierüber zu entscheiden ist."

Durch diese Ausführungen zum theoretisch möglichen Modell des Außenpluralismus von Rundfunkveranstaltern in der Form privaten Rechts wird nochmals die Ablehnung des Wettbewerbsmodells kommerziellen Rundfunks deutlich.

Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich die Organisationsform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestätigt, auch unabhängig von etwaigen Sondersituationen. „Sofern sich der Gesetzgeber für eine — nach dem Fernsehurteil verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende — . binnenpluralistische'Struktur der Veranstalter, also eine Organisation entscheidet, bei welcher der Einfluß der in Betracht kommenden Kräfte intern, durch Organe der jeweiligen Veranstalter vermittelt wird, bedarf es namentlich einer sachgerechten, der bestehenden Vielfalt prinzipiell Rechnung tragenden Bestimmung und Gewichtung der maßgeblichen gesellschaftlichen Kräfte und der Sicherstellung des effektiven Einflusses desjenigen Organs, in dem diese vertreten sind."

Die strengen Anforderungen an Privatfunk gelten auch dann, wenn dieser neben öffentlich-rechtlichen Anstalten zugelassen wird. „Eine zusätzliche einseitige Berücksichtigung nur einzelner Meinungsrichtungen im privaten Rundfunk würde das für die Gesamtheit der dem einzelnen Teilnehmer zugänglichen inländischen Programme wesentliche Gleichgewicht des , Zu-Wort-Kommens'der gesellschaftlichen Gruppen stören, wenn nicht aufheben."

An diesen Ausführungen wird deutlich, daß das Bundesverfassungsgericht einen Wettbewerb unterschiedlicher Rundfunkveranstalter nur dann für sinnvoll hält, wenn sie nach den gleichen Organisationsprinzipien ausgestaltet sind und das heißt, wenn der publizistische Wettbewerb unter gleichen Voraussetzungen stattfindet. 3. Was ist offengeblieben?

Offen geblieben sind folgende Fragen, die in der zukünftigen medien-und gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung sicher eine große Rolle spielen werden:

1. Wieweit entsprechen die Landesrundfunkgesetze beziehungsweise die Praxis der Gre-

mienzusammensetzung und der Gremienmit-Wirkung den zitierten Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts in bezug auf Bestimmung und Gewichtung der maßgeblichen gesellschaftlichen Kräfte?

2. Ist das rheinland-pfälzische Gesetz für das Pilotprojekt Ludwigshafen mit den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere hinsichtlich der staatlichen Konzessionsvergabe und der konketen Sicherung der pluralistischen Ausgewogenheit des Gesamtprogramms, vereinbar

3. Ist ein außenpluralistisches Modell in der Realität entsprechend den sehr präzisen und hohen Zielvorgaben des Bundesverfassungsgerichts herstellbar? Wenn sich zum Beispiel der Axel-Springer-Verlag um eine Lizenz bemüht, wer „wiegt" ihn dann aus, um ein plurali-stisches Spektrum des Gesamtangebots zu sichern? Wenn sich der Bundesverband der Deutschen Industrie bewirbt, der DGB aber gar nicht Rundfunkveranstalter werden will beziehungsweise die erforderlichen Finanzmittel nicht aufbringen kann, ist dann privater Rundfunk zum Scheitern verurteilt? 4. Wie soll beziehungsweise wie darf der Rundfunk in Zukunft finanziert werden Ist zum Beispiel eine ausschließliche Werbungsfinanzierung privaten Rundfunks wegen der Rückwirkung auf die Programmangebote zulässig? Sind bei Finanzierungsfragen auch Rückwirkungen auf andere Medien, zum Beispiel auf die Werbeeinnahmen der Presse, zu berücksichtigen?

5. Wo sind in Zukunft die Linien der Abgrenzung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern gezogen? Wie weit tragen hier noch die Begriffe der Individualund der Massenkommunikation? Ist der Bund, das heißt die Deutsche Bundespost, auf Wunsch bestimmter Länder zum Beispiel zur Durchführung von Kabelfernsehpilotprojekten verpflichtet, Kabelnetze auch noch in veralteter Koaxialkabeltechnik zu installieren?

6. Wieweit trägt angesichts der neuen Abruf-dienste der Rundfunkbegriff, das heißt konkret, auf welche Medienangebote treffen die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu?

III. Ausgrenzung der Abrufdienste aus dem Rundfunkbegriff?

Angesichts der klaren Absage des Bundesverfassungsgerichts an kommerziellem Rundfunk scheint sich die medienpolitische Auseinandersetzung auf die schmal-und die breitbandigen Abrufdienste zu verlagern. Es wird die Meinung vertreten, daß die „Grundversorgung" mit Informationen, Meinungen und eventuell auch Unterhaltungsangeboten von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erfolgen, daß aber ein darüber hinaus gehender individueller Bedarf über den Wettbewerb am Markt gedeckt werden solle Die neuen Abrufdienste wären dann nach dem Modell des Außenpluralismus der privatwirtschaftlichen Angebotsvielfalt zu organisieren. Es wird darauf verwiesen, daß hier eine ähnliche Situation wie beim Film entstehen könne, daß individuell ausgewählt werde und daher nicht eine Vielzahl zum gleichen Zeitpunkt das gleiche Programm ansehe. Der Rundfunkbegriff mit der Konsequenz der Anforderungen an faktische Widerspiegelung der Meinungsströmungen in der Gesellschaft stelle demgegenüber insbesondere auf die Wirkungen ab, die sich durch das feste Programmschema einerseits und die massenhafte Nutzung andererseits ergeben Sofern die praktische Nutzung von Abrufdiensten von diesen Kriterien abweichen werde, würden sie nicht dem Rundfunkbegriff unterfallen. Diese sich abzeichnende Ausgrenzungsmöglichkeit zum Beispiel des Pay-TV aus dem Rundfunkbegriff — wenn die Sendung nur erfolgt bei individuellem Anwählen, und dies nicht zeitgleich von vielen Teilnehmern erfolgt — legt dann nahe, die Anforderungen an externe Pluralität zu diskutieren. Hier muß dann insbesondere ökonomi-sehe Konzentration des Angebots durch Multimediakonzerne verhindert und Marktzugang zum Beispiel auch für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gesichert werden. Hierbei spielen die Finanzierungsfragen eine ausschlaggebende Rolle.

Ob die angedeuteten Kriterien der Ausgrenzung aus dem Rundfunkgeschäft tragfähig sind oder ob nicht von den Wirkungen her breitbandige Abrufdienste genauso zu behandeln sind wie bisher der Rundfunk als Medium der Massenkommunikation und dann die Technik der Übermittlung eine untergeordnete Rolle spielt, dies sind Fragen, die soweit wie möglich durch Pilotanwendungen geklärt werden sollten. Nachdem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts den Kernbestand des Rundfunks in der bisherigen Struktur abgesichert hat, sollte man den Test auf die politische Gestaltung der Rahmenbedingungen für diese neuen Dienste mit einigem Selbstbewußtsein angehen — in rückholbaren Modellversuchen!

IV. Zur Finanzierungsproblematik

Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten hat im Oktober 1981 vorgeschlagen, die Rundfunkgebühren zum 1. Januar 1984 um insgesamt 2, 25 DM auf dann 15, 25 DM anzuheben Die Rundfunk-anstalten haben diesen Vorschlag als unzureichend in der Höhe und zu spät vom Zeitpunkt her kritisiert. In dieser Auseinandersetzung geht es um folgende Punkte: 1. In einer Zeit des allgemeinen Null-Wachstums werden auch die Rundfunkanstalten mit Spar-Forderungen konfrontiert, bzw. mit Forderungen, bei ihren Zielsetzungen Prioritäten zu setzen.

2. Die Gefahr dieser Auseinandersetzung liegt darin, daß der „politische Preis" der Rundfunkgebühren niedrig gehalten wird und dann von den Rundfunkanstalten — als Ausweichstrategie — der Versuch gemacht wird, über mehr Werbung, zum Beispiel beim Hörfunk, oder aber durch den vermehrten Ankauf von billigen Serien doch noch auf die Kosten zu kommen. Dies würde eine schleichende Binnen-kommerzialisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedeuten, die im Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen und gesellschaftspolitischen Funktionserwartungen an den Rundfunk steht. Es geht nicht an, noch mehr Unterhaltungsserien, die für den rein werbungsfinanzierten US-amerikanischen Rundfunk produziert wurden und die daher geprägt sind von den Interessen der Werbetreibenden, nach Herausschneiden der Werbespots im bundesrepublikanischen Rundfunk zu senden. Bei allem Verständnis für die Diskussion um Einsparungsmöglichkeiten bei den Ausgaben der Rundfunkanstalten muß daher die Forderung aufgestellt werden, daß die Gebührenerhöhung so gestaltet wird, daß wieder mehr — auch kostspielige — Eigenproduktionen mög31 lieh werden. Dies ist auch aus Gründen kultureller Identität und darüber hinaus aus arbeitsmarktpolitischen Gründen von großer Bedeutung.

3. Bei der Auseinandersetzung um die Gebührenhöhe geht es auch um die Frage, welchen Spielraum die Rundfunkanstalten erhalten, um ihre Angebote auch in Zukunft über neue Übertragungssysteme anzubieten, beziehungsweise wieweit sie bei der Ausgestaltung neuer sozio-technischer Systeme im Kommunikationsbereich mitwirken können. Es besteht die Gefahr, daß diejenigen Ministerpräsidenten, die bisher und auch nach dem FRAG-Urteil des Bundesverfassungsgerichts für die Zulassung privater Rundfunkveranstalter eintreten, die Rundfunkgebühren als Hebel benutzen könnten, um die Rundfunkanstalten auf dem Status quo ihres Programmangebots festzuhalten, um dann die zukünftigen „Lükken" im Angebot, wenn die Rundfunkanstalten finanziell nicht in der Lage sind, die neuen Übertragungskapazitäten mit Inhalten zu füllen, für die privaten Veranstalter freizuhalten. Hier zeichnet sich — nachdem die Fragen der Rundfunkorganisation durch das FRAG-Urteil weitgehend geklärt erscheinen — eine Verlagerung der medienpolitischen Auseinandersetzung auf das Gebiet der Finanzierung ab.

Bei den Finanzierungsfragen in bezug auf Rundfunkprogramme geht es grundsätzlich um das Problem, ob und wenn ja unter welchen Bedingungen eine Finanzierung über Werbung als mit der öffentlichen Aufgabe des Rundfunks vereinbar angesehen werden kann.

Kommerzielle Rundfunkprogramme werden in der Regel ausschließlich über Werbung („Commercials" als Einschaltungen in das Programm oder aber als Nennung der kommerziellen Sponsoren am Anfang und Ende des Programms) finanziert. Jedermann kann sie dann — vordergründig — kostenlos empfangen. Diese Finanzierungsart wirkt auf Grund ökonomischer Mechanismen auf die Programmproduktion zurück.

„Der erste und bedeutsamste Fehler, den ein Analytiker der Fernsehindustrie machen kann, ist es, anzunehmen, daß Fernsehstationen geschäftig Programme produzieren. Sie tun es nicht. Fernsehstationen betreiben das Geschäft, Zuhörer-bzw. Zuschauerschaften zu produzieren. Diese Zuhörer-bzw. Zuschauerschaften, oder aber der Zugang zu ihnen, werden den Werbetreibenden verkauft. Das Produkt einer TV-Station wird gemessen in den Dimensionen der Teilnehmerzahlen und der Zeit. Der Preis des Produkts wird berechnet in Dollar pro tausend Zuschauer pro Minute Werbezeit.'

Die Maximierung der Einschaltquoten beziehungsweise korrekter die Bindung von möglichst vielen kaufkräftigen Rundfunkteilnehmern an ein bestimmtes Programm dient dem Ziel, ein für die Werbetreibenden möglichst attraktives Publikum diesen anbieten zu können, um so über die Preisgestaltung für die Werbung die eigenen Gewinne zu maximieren. Zielgruppen für die Angebote kommerzieller Rundfunkveranstalter sind also die potentiellen Konsumenten industrieller Produkte oder von Dienstleistungen, die über den Markt angeboten werden, nicht aber — wie fälschlicherweise immer wieder suggeriert wird — die mündigen Bürger, die aus einem qualitativ vielfältigen inhaltlichen Angebot von Informationen, Meinungen und Unterhaltung nach ihren Bedürfnissen auswählen. Das inhaltliche Angebot im Umfeld um die Werbespots muß also so gestaltet werden, daß die „Werbebotschaften" unterstützt werden. Dies geht über die Themenauswahl bis hin zur von der zeitlichen Abfolge der Werbeeinblendungen bestimmten Dramaturgie der Sendungen — Höhepunkte der Handlungen sind so zu gestalten, daß sie unmittelbar mit der Unterbrechung durch die Werbeeinblendung zusammenfallen, um „die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf die Werbebotschaften" zu übertragen. Da alle kommerziellen Rundfunkveranstalter nach den gleichen ökonomischen Prinzipien agieren — die Konkurrenz um die Werbung zwingt sie dazu —, sind die Programme auch inhaltlich gleich und konform — more of the same! Zielgruppenprogramme für einzelne Gruppen der Gesellschaft, die nicht über eine entsprechende Kaufkraft verfügen, haben in diesem Unternehmerkalkül keinen Platz. Die Kritik an der möglichen beziehungsweise sich abzeichnenden Werbungsfinanzierung weiterer Rundfunkprogramme beziehungs-weise breitbandiger Abrufdienste wird jedoch noch von einer anderen Seite vorgetragen. Da der zu verteilende „Werbekuchen" nicht unbegrenzt wachsen kann, bedeutet die Verlagerung von Werbung auf die „neuen Medien" gleichzeitig eine Einschränkung der Werbung bei den vorhandenen Medien, insbesondere also im lokalen Bereich bei der Presse. Wenn man nun medienpolitisch im Pressebereich sich begnügen will, „Bestehendes zu gewährleisten", wie es das Bundesverfassungsgericht formuliert so kann es nicht darum gehen, den Zeitungsverlegern den unbeschränkten Zugang zu den elektronischen Medien zu eröffnen — sie würden dann lediglich das, was ihnen an Pressewerbung verlorengeht, in die dann eigene Rundfunktasche übertragen —, sondern es sollten die Möglichkeiten der Begrenzung der reinen Werbungsfinanzierung bei den neuen Medien erörtert werden.

V. Resümee

Die Diskussion um die Zukunft des Rundfunks und um die „neuen Medien" sollte von den verfassungsrechtlichen Vorgaben, wie sie im FRAG-Urteil präzisiert wurden, ausgehen und Medien als sozio-technische Systeme zu begreifen versuchen, für die die Finanzierungsfragen von ausschlaggebender Bedeutung sind. Es wird bei der zukünftigen Ausgestaltung des Rundfunks und der schmal-und breitbandigen Abrufdienste darauf ankommen, daß Bund und Länder sich bei Wahrung ihrer je spezifischen Verantwortungsbereiche über die Ausgestaltung der „Medienlandschaft" verständigen, denn die technische Infrastruktur und die politische Gestaltung von Organisationen und Finanzierungsalternativen gehören zusammen, wenn sozio-technische Systeme funktionieren sollen. DieMedienentwicklung, so wie sie sich im technischen, ökonomischen und sozialen Wandel abzeichnet, bewegt sich im Spannungsfeld von verfassungsrechtlichen und gesellschaftspolitischen Anforderungen einerseits und politischen und ökonomischen Macht-und Markt-interessen andererseits. Der politische Gestaltungsraum ist vorhanden. Er sollte mit sozialer Phantasie genutzt werden, denn die Perspektiven der Marktideologie im Rundfunkbereich sind begrenzt und wenig attraktiv.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Im sog. „Mehrwertsteuerurteil" des Bundesverfassungsgerichts von 1971 wurde festgestellt, daß die Tätigkeit der Rundfunkanstalten nicht gewerblicher oder beruflicher Art ist Zum Verständnis des Rundfunks als . Angelegenheit öffentlicher Verantwortung" vgl. Peter Lerche, Landesbericht Bundesrepublik Deutschland, in: Martin Bullinger, Friedrich Kübler (Hrsg.), Rundfunkorganisation und Kommunikationsfreiheit, Baden-Baden 1979, S. 15ff, S. 23 ff.

  2. FRAG-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 1981, Media-Perspektiven 6/1981, S. 421 ff. Die Freie Rundfunk AG (FRAG), ein Zusammenschluß privatwirtschaftlicher Unternehmen, u. a. auch von Presseverlagen, hatte sich vergeblich um eine Lizenz für Privaten Rundfunk bemüht.

  3. Da die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten binnenpluralistisch organisiert sind, d. h., daß die gesellschaftlichen relevanten Gruppen in den Organen vertreten sind und im Gesamtprogramm zu Wort kommen, die Rundfunkprogramme also die Pluralität der Meinungen widerspiegeln, ist ein Meinungsmonopol ausgeschlossen. Da die Rundfunkanstalten über die Gebührenhöhe nicht selbst bestimmen — sie wird durch einen von allen Land-tagen zu ratifizierenden Staatsvertrag geregelt—, ist eine Anwendung der Vorstellungen eines privatwirtschaftlichen Marktmonopols auch nicht zulässig; vgl. dazu Bernd-Peter Lange, Zum Monopolbegriff in der Medienpolitik, Media-Perspektiven 9/79, S. 581 ff.

  4. „Nachdem es (das Fernmeldemonopol, der Verf.) lange Zeit verfassungsrechtlich dahingedämmert hatte, auf dem bequemen Polster einer gewissen natürlichen Selbstverständlichkeit.. „ so darf heute gesagt werden, daß die Fragen des Fernmeldemonopols zu einem der wichtigsten Verfassungsprobleme der Gegenwart und der nahen Zukunft gediehen sind." Peter Lerche, Das Fernmeldemonopol — öffentlich-rechtlich gesehen, in: Ernst-Joachim Mest mäcker (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole, über Legitimation und Grenzen des Fernmeldemonopols, Baden-Baden 1981, S. 140.

  5. Vgl. im hektographierten Manuskript der Monoi polkommission S. 12.

  6. Vgl. Telekommunikationsbericht der KtK, Bonn

  7. Ob derartige neue Anwendungen dann neue Medien sein werden im Sinne spezifisch neuer soziotechnischer Systeme oder aber ob es sich lediglich um neue übertragungsbzw. Vermittlungstechnologien handeln wird, ist damit noch nicht entschieden.

  8. Die einzelnen Dienste, die über Bildschirmtext abgewickelt werden, sind so unterschiedlich, daß das Wort „Bildschirmtext" — zunächst jedenfalls — nur als Oberbegriff für ein einheitliches technisches Obertragungssystem brauchbar ist.

  9. Von einer derartigen Innovationsphilosophie geht etwa die Expertenkommission Neue Medien-EKM Baden-Württemberg aus-, vgl. Abschlußbericht I, Stuttgart 1981.

  10. Vgl. dazu z. B. Wolfgang Hoffmann-Riem, Kommerzielles Fernsehen. Rundfunkfreiheit zwischen ökonomischer Nutzung und staatlicher Regelungsverantwortung: Das Beispiel USA, Baden-Baden 1981, insb. S. 309.

  11. Befragungen potentieller Nutzer sind wenig ergiebig, da diese die neuen Anwendungsmöglichkeiten nicht kennen und ihr zukünftiges Verhalten auch nicht abschätzen können. Einfache Trend-extrapolationen sind auch nicht möglich, weil sie die Beständigkeit der sonstigen Umweltfaktoren voraussetzen.

  12. Die jeweiligen Medien und deren Entwicklung sind sehr stark geprägt von den spezifischen kulturellen, politischen und ökonomischen Bedingungen der einzelnen Länder. So ist die Verbreitung des Pay-TV in den USA nur zu verstehen als Reaktion auf bzw. als Ergänzung zu einem rein durch Werbespots finanzierten Rundfunk.

  13. Die Pilotprojekte im Telekommunikationsbereich können außerdem nur dann zu relevanten Aussagen führen, wenn gleichzeitig die Entwicklung der Medienangebote im netzungebundenen Umfeld, z. B. bei den Videokassetten und den dazugehörigen Abspielgeräten, berücksichtigt wird. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Diskussion um Kabelfernsehpilotprojekte belastet worden ist durch die allgemeine medienpolitische Kontroverse um die Rundfunkorganisation.

  14. Die bisherigen Erfahrungen mit dem Bildschirmtextversuch in Düsseldorf/Neuß zeigen, daß Fragen der politischen Gestaltung der Rahmenbedingungen für die neuen Dienste wesentlich besser in bezug auf konkret vorliegende Angebote diskutiert werden können als am grünen Tisch.

  15. Gesetz des Landes Rheinland-Pfalz über einen Versuch mit Breitbandkabel vom 4. 12. 1980, GV BRh. Pf. 24/1980, S. 229 ff.

  16. Nach diesem Gesetz können unter einem „öffentlichen-rechtlichen Dach" auch private Rundfunkveranstalter zugelassen werden. Bei der Kon-Zessionsvergabe an diese „freien Veranstalter" wirkt auch die Landesregierung mit, was mit der geforderten Staatsferne des Rundfunks nur schwer zu vereinbaren sein dürfte. Zum Problem der Widerspiegelung aller relevanten Meinungen im Gesamtprogramm vgl. weiter unten.

  17. Vgl. dazu Hartwin-Vieweg, Das rheinland-pfälzische Versuchsgesetz für Ludwigshafen im Lichte des FRAG-Urteils, in: Film und Recht 8/1981, S. 421 ff.

  18. Vgl. dazu die Vorschläge der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten zur Anhebung der Rundfunkgebühren und deren Berechnungen zum Finanzrahmen für den Pro-

  19. Zumindest in Teilen der Projekte sollten die Anwendungsmöglichkeiten zukünftiger Glasfasernetze simuliert werden.

  20. Bei der sich abzeichnenden Vollversorgung mit Telefonhauptanschlüssen ist die Deutsche Bundespost im übrigen bemüht, neue Dienste zu erschließen, um das bisherige Investitionsvolumen und die bisherige Beschäftigung zu halten.

  21. Die Netze stellen insofern „natürliche Monopole" dar, als es volkswirtschaftlich eine sinnlose Vergeudung von Ressourcen wäre, wollte man parallele Netze errichten, um privatwirtschaftlichen Wettbewerb zu simulieren. Im übrigen gibt es erhebliche Verbundvorteile, wenn Telekommunikationsnetze und Telematikdienste von ein und demselben öffentlichen Unternehmen betrieben bzw. angeboten werden.

  22. Nach dem Subsidiaritätsprinzip ist eine Betätigung öffentlicher Unternehmen nur dann legitimiert, wenn der Nachweis erbracht wird, daß privatwirtschaftlicher Wettbewerb nicht funktionsfähig

  23. Die Monopolkommission, die nur die Möglichkeiten des Wettbewerbs im Fernmeldebereich selbst analysiert hat, hat diesen Aspekt nicht hinreichend gewürdigt.

  24. Die Monopolkommission z. B. geht mit einem derartigen kritischen Vorverständnis an die Erstellung ihres Gutachtens heran, wenn sie ausführt, daß

  25. Zunächst kann noch mit der Schaffung einiger neuer Arbeitsplätze durch die Schaffung der neuen informationstechnologischen Anwendungen gerechnet werden, aber dann dürfte der Rationalisierungseffekt insbesondere im Dienstleistungsbereich größer sein.

  26. Vgl. die Zusammenfassung erwarteter Auswirkungen auf den Menschen, EKM Bericht I, a. a. O., S. 105 ff., insbesondere zur Verminderung von Kreativität, Verstärkung emotionalen Streß und von Fernsehängsten.

  27. Hinter den Befürchtungen stehen immer Annahmen zur speziellen Ausgestaltung sozio-technischer Systeme, hier insbesondere die Annahme, daß die reine Marktökonomie treibender Motor für die Entfaltung neuer Medienangebote ist. Die Diskussion über derartige mögliche Entwicklungstrends hat den Zweck, einen Ordnungsrahmen zu finden, der hilft, die Gefahren zu vermeiden.

  28. BVerfGE 12/205 ff.

  29. Abschnitt II des saarländischen Rundfunkgesetzes, abgedruckt im FRAG-Urteil von 1981, Media-Perspektiven 6/81, S. 421 ff.

  30. Media-Perspektiven, a. a. O., S. 435.

  31. Media-Perspektiven, a. a. O., S. 436.

  32. Media-Perspektiven, a. a. O., S. 437. Zu den Grundlagen derartiger Ausführungen vgl. u. a. Bernd-Peter Lange, Kommerzielle Ziele ... a. a. O.; Wolfgang Hoffmann-Riem, Kommerzielles Fernsehen ..., a. a. O.

  33. Willi Geiger, a. a. O., S. 201: „Art 12 GG garantiert auch die freie Wahl des Berufs eines Rund-

  34. Media-Perspektiven, a. a. O., S. 441.

  35. Hierin sind auch die Gründe dafür zu suchen, weshalb die Beiratslösung nach dem saarländischen Rundfunkgesetz als unzureichend angesehen wurde. Dort handelte es sich lediglich um Beiwerk, das die reine Rentabilitätsorientierung der privaten Rundfunkunternehmer verschleiern sollte.

  36. Media-Perspektiven, a. a. O„ S. 438.

  37. Media-Perspektiven, a. a. O., S. 439.

  38. Media-Perspektiven, a. a. O., S. 438.

  39. Media-Perspektiven, a. a. O„ S. 438. Dies ist besonders wichtig zur Ausschaltung einer sonst zu erwartenden ruinösen Konkurrenz. Vgl. dazu Bernd-Peter Lange, Kommerzielle Ziele .., a. a. O., S. 71 ff.

  40. Vgl. dazu Hartwin-Vieweg, a. a. O. Grundsätzlich zu den Rahmenbedingungen und den tatsächlichen Realisierungsmöglichkeiten und Auswirkungen eines außenpluralistischen Rundfunks: Martin Stock, Zur Theorie des Koordinationsrundfunks, Baden-Baden 1981, und Martin Stock, Koordinationsrundfunk im Modellversuch. Das Kabelpilotprojekt (Mannheim-) Ludwigshafen, Berlin 1981. Es dürfte in der Realität praktisch undurchführbar sein, eine außenpluralistische Rundfunkorganisation derart herzustellen, daß das Gesamtangebot der einzelnen privaten Veranstalter dem Pluralismus der Meinungen in der Gesellschaft auch faktisch entspricht und dabei gleichzeitig das Gebot der Staatsferne einzuhalten.

  41. Das Bundesverfassungsgericht hat im FRAG-Urteil eine Stellungnahme zu Finanzierungsfragen ausdrücklich offen gelassen. Es bleibt daher zu fragen, ob es — dem bisherigen Rhythmus der Fernsehurteile entsprechend — bis 1991 dauern wird, bis ein Urteil hierzu ergeht.

  42. Vgl. etwa Peter Lerche, Das Fernmeldemonopol — öffentlich-rechtlich gesehen, a. a. O., S. 154. Derartige Argumente erinnern sehr stark an die Diskussion um „Rosinenpickerei" bei der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Demgegenüber ist immer wieder darauf hinzuweisen, daß Rundfunk-programme, die u. a. alle Sparten der Angebote umfassen und alle Meinungsrichtungen zu Wort kommen lassen, insgesamt eine integrierende Funktion auf die Gesellschaft ausüben.

  43. Vgl. dazu das Würzburger Papier der Rundfunk-referenten der Länder, Media-Perspektiven 6/79, S. 400 ff.

  44. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Gefahr von Meinungsmonopolen durch ökonomische Konzentration im privatwirtschaftlichen Wettbewerb sollten sehr skeptisch stimmen, ob allein durch wettbewerbsrechtliche Maßnahmen hier ein funktionsfähiger Außenpluralismus hergestellt werden kann.

  45. 3. Bericht der KEF. S. 88 ff.

  46. Bruce M. Owen. Jack H. Beebe, Willard G. Man; ning, Jr„ Television Economics, Lexington, Toronto, London 1974, S. 4.

  47. Vgl. oben das ausführliche Zitat aus dem FRAG-Urteil.

Weitere Inhalte

Bernd-Peter Lange, Dr. jur., Diplom-Volkswirt, geb. 1938; Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Osnabrück; Mitglied der Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems (KtK 1974— 1976); Mitglied der Gruppe zur wissenschaftlichen Begleitung des Bildschirmtextfeldversuches in Düsseldorf/Neuß im Auftrage der Landesregierung NRW. Veröffentlichungen u. a.: Neue Medien — alte Probleme? Politische Weichenstellungen für die Zukunft der Kommunikation, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 32/77, S. 3ff.; zus. mit Wolfgang Kaiser u. a., Kabelkommunikation und Informationsvielfalt, München/Wien 1978; zus. mit Jürgen Reese u. a., Gefahren der informationstechnologischen Entwicklung. Perspektiven der Wirkungsforschung, Frankfurt/New York 1979; Kommerzielle Ziele und binnenpluralistische Organisation bei Rundfunkveranstaltern, Frankfurt 1980; zahlreiche Zeitschriftenaufsätze zu Fragen der Medienentwicklung.