Die Redaktion fühlt sich gelegentlich, vor allem gegen Jahresende, gedrängt, so-genannte „Gedenktage" (Daten herausragender Ereignisse, die eine durch 5, besser: durch 10, 15 oder 100 teilbare Zahl von Jahren zurückliegen) in ihrer Planung zu berücksichtigen. Als besonders herausragendes Ereignis begehen wir heuer die 150. Wiederkehr des Nikolaustages von 1831. Wir hoffen, daß diese Festausgabe der Beilage der Würde des Anlasses entspricht.
Ein offensichtlich aus dem Stoffe Flachs zu spinnender Artikel sollte an sich ohne eine einleitende Reflexion zur Methode auskommen. Wenn sich aber in der Themaformulierung der Terminus „politische Bildung" findet ...! In diesem Fachgebiet haben die siamesischen Begriffsschwestern Methodik und Didaktik ein solches Gewicht erlangt, daß man sich auch in einem dem Unernst gewidmeten Skript ihrer Gravitationswirkung nicht entziehen kann. Doch um diese Vor-und Pflichtübung nicht zu übertreiben, soll sie sich auf Methodisches, und hier wieder auf ein einziges der Merkmal, auf das möglichen formalen Typen von UND-Themen 1).
Vermutlich hat die auftraggebende Redaktion so etwas wie ein Vorverständnis von denkbaren Verbindungslinien zwischen dem Nikolaus und der politischen Bildung gehabt, und auch davon, wie hier das „Und" zu interpretieren sei. Wäre sie sonst darauf verfallen, ein solches Thema zu vergeben*)? Leider hat sie nichts von ihren Initialüberlegungen durchsickern lassen, so daß der Autor sich nun auch zum methodischen Part selbst bemühen muß.
Einem kasuistischen Vorgehen erschließen sich auf dem Wege der Generalisierung bald drei Idealtypen solcher Themen mit einem „Und" in der Mitte.
Beispiel 1: Bei der Aufgabe, etwas über „Spranger-Litt-Weniger und die politische Bildung" zu schreiben, wird offenbar eine Auskunft darüber gefordert, was die betreffenden Altväter der Disziplin für deren Etablierung und Entfaltung geleistet haben. Fallgruppe 1 also: „Leistung für ..", „Verdienste um ...“
Beispiel „Cancan und Cancun". Wie es scheint, wird hier zu einem komparatistischen Unternehmen angeregt („Leistung von" A für B oder von B für A scheidet eindeutig aus). Es wird nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den Themengliedern gefragt. In einem „buchstäblichen" Sinn etwa decken sie sich zu fünf Sechstel oder über 80 Prozent und differieren lediglich bei dem schmalen Rest. Inhaltlich gesehen handelt es sich bei dem einen wie dem anderen um eine Art Spitzentanz, doch beschränkt sich anderseits Cancan im Gegensatz zum zweiten nicht auf einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Fallgruppe 2 also: „Vergleich".
Beispiel 3: „Caesar und Kleopatra". Hier geht es nahezu zweifelsfrei um die Beziehungen zwischen den beiden durch das „Und" verbundenen Größen, mögen es nun bestimmte (gewisse) oder schwerer bestimmbare sein, solche der Attraktion oder der Abstoßung, persönlithe oder sachlich-politische. Jedenfalls leuchtet ein: Bei Und-Konstellationen dieser Art ist mit Sicherheit nicht an einen Vergleich nach Gemeinsamkeiten und differentia specifica gedacht. Anderseits ist freilich nicht ganz auszuschließen, daß Fallgruppe 1 („Leistung für..., Verdienst um ...“) auch hier in Betracht kommen könnte, vielleicht sogar primär, doch sei dies hier nicht weiter verfolgt, schon weil der seriöse Charakter der Zeitschrift, in dem dieser Artikel (möglicherweise) veröffentlicht wird, dem entgegensteht. Halten wir vielmehr fest: Und-Themen können es schließlich auch zur Aufgabe machen, generell die Beziehun-gen zwischen A und B zu durchleuchten (Fall-gruppe
In der freien Wildbahn kommen nun bekanntlich Idealtypen nicht in reiner Form vor, sondern nur in unterschiedlichen Mischungsgraden. Es darf daher vermutet werden, daß sich das auch bei dem hier in Rede stehenden Thema so verhält, womit sich vielleicht, wie häufiger zu beobachten, die methodische Vorüberlegung am Ende als entbehrlich erwiesen hätte. Denn wozu schließlich das auseinander-dividieren, was sich dann doch wieder verwischt? Eben dieses kann aber in anderen Fällen doch notwendig und zweckmäßig sein. Man denke etwa an den gastronomischen Begriff Menü und seine Komponenten Vorspeise, Hauptgericht, Dessert. Hier besteht über das Erkenntnisinteresse hinaus ein sehr handfestes kulinarisches an einer vorgängigen sauberen Trennung dessen, was sich späterhin konfundiert. So kommen denn dem Autor doch wieder Zweifel an der Berechtigung seines etwas unfreundlichen Urteils über den Wert des Methodischen.
Nun zur Sache: Etymologisch gesehen, haben der Nikolaus und die politische Bildung nichts miteinander gemeinsam, da Nikolaus zu deutsch „Volkssieger" heißt. Wahrlich, derartiges kann man der politischen Bildung auch bei etwa vorhandenem Wohlwollen nicht nachsagen. Eher ist sie, wie die Erfahrung von nunmehr drei belegt, einer der -Jahrzehnten Prü gelknaben der Nation 3). Für den Nikolaus gilt dagegen — kraft Rute, dem Symbol „vorbeugender" Erziehung — gelegentlich die Umkehrung: Knabenprügler Solcher pädagogischer Gewalttätigkeit entbehrt die politische Bildung vollständig. Dieser wohltuende Mangel muß sie nun freilich noch nicht zum Objekt der Rute machen. Wieso sie das geworden ist, offenbart ein Vergleich der politischen Bildung mit dem Nikolaus, sofern man für ihn das Synonym „Weihnachtsmann" einsetzt. Diesem nun ähnelt sie durchaus. Vom Weihnachtsmann erwartet man, daß er in der Saison vor dem Christfest überall gleichzeitig zur Stelle ist und er dank dieses Vermögens der simultanen Multilokation allen das beschert, was sie sich wünschen
An die politische Bildung werden vergleichbare Ansprüche gestellt. Wann und wo immer Defizite an demokratischen Tugenden oder gar Haarrisse im Hause Bundesrepublik sich zeigen, soll sie schnell und effizient Abhilfe leisten, und das möglichst überall und zur gleichen Zeit — wie der Nikolaus. Mehr aber noch als der Weihnachtsmann muß die politische Bildung solche überzogenen Erwartungen enttäuschen. Denn jener erfüllt ja — alles in allem — in seiner kurzen Jahresdienstzeit redlich sein Soll — dank einer Millionenschar von freiwilligen Helfern (ein Potential, wie es der politischen Bildung bei weitem nicht zur Verfügung steht). Dennoch: Die bei all seiner Emsigkeit sich am Dezember und später unter 'dem Christbaum offenbarenden Wunscherfüllungslücken haben offensichtlich alle Jahre wieder zu nachhaltigen Grollgefühlen gegenüber dem Nikolaus und schließlich zu der — sonst schwerlich erklärbaren — Absenkung des Begriffs „Weihnachtsmann“ ins Pejorative geführt 6). Und also herabgestuft, eignet er sich nun vorzüglich zur Weiterverwendung: Mit verstärktem Negativakzent werden, wie sich durch eine empirische Untersuchung wohl leicht belegen ließe, die Vertreter der politischen Bildung gern als Weihnachtsmänner tituliert die überdies noch — gemäß einem häufiger gehörten malmot — dazu neigen sollen, „im Schlafwagen dahinzudämmern" (während der Nikolaus — Respekt! — sich mit dem eigenen Schlitten durchquälen muß)
Ob die „Basis" apathisch und resigniert ist, ob aufmüpfig bis rebellisch, ob Teile der Jugend aufbegehren oder — eine Phase später — der Duckmäuserei zu zeihen sind —, der schwarze Peter der Verantwortung wird gern der politischen Bildung zugeschoben. Zu den von ihren Vertretern geforderten „Tätigkeitsmerkmalen“ gehört offenbar eine fast übernatürliche Witterung für „kommende Dinge". Das ist ein Verlangen, das nicht auf dem Boden der betrüblichen, aber wohl zutreffenden Sentenz gewachsen sein kann: „Sicher, die Physik kennt verbindliche Zeitmaße. Aber was wirklich zeitgemäß ist, weiß man wohl erst, wenn die Zeit um ist — wenn überhaupt" (Lothar von Balluseck, Gold und Blech, Bad Godesberg, 1969, S. 77).
Natürlich wirkt sich diese Praxis ä la longue auf den Habitus derjenigen aus, die das Geschäft der politischen Bildung betreiben. Mögen sie auch aus triftigen Gründen das Etikett „Weihnachtsmann" nicht akzeptieren, so gemahnen doch manche unter ihnen, zumal alte Fuhrleute, an eine Variante der östlichen Variante des Weihnachtsmannes - an Väterchen Frust.
Da mögen sich einige nun insgeheim - wenn sie sicher auch nach professionell-pflichtgemäßer Reflexion diese schwarze Regung sofort wieder verwerfen - in die machtvolle Rolle des Nikolaus hineinwünschen und sich beispielsweise lustvoll vor Augen halten, wie er schon im „Struwwelpeter" rassistische Verhaltensweisen bei der Jugend mit handfesten Methoden zu eliminieren trachtet Welch
Sozio-X'mas-Limericks
Soll ein weihnachtlich'Plaudern sich lohnen, muß man Topoi und Zielgruppen schonen: nicht zuviel Substantielles, Kreatives und Helles und kein „Lärmziel" mit Innovationen!
Ein politischer Bildner mit Taktik, wohl geschult in Methodik-Didaktik, weist den Niklaus aus Myra als Legende — samt Lyra — auf das Eeld ungesicherter Praktik.
Manch curricularer Stratege versucht auch empirische Wege zum Sozialisieren und Politmotivieren; welcher Weihnachtsmann ist schon so rege?
Einen Alternativen aus Clostern vergrämten zum Christfest wie Ostern Tannenbäume und Strauch, die zu schneiden dann Brauch — er empfiehlt deshalb Festschmuck mit Postern. Rainer Collasius
ein Vergnügen, solches Vorurteil dadurch bekämpfen zu können, daß man böse Buben in die Tinte taucht! Indem der Nikolaus durch diesen Taufakt sie den von ihnen Verspotteten und Mißachteten gleichmacht, will er ihnen die Sünde der Diskriminierung austreiben — eine Radikalpädagogik, die durch erzwungenen existentiellen Perspektivenwechsel Spontanheilung bringen soll. In der Tat: Manchem würde es gut tun, das Experiment jenes — allerdings von Negerhaß völlig freien — weißen Amerikaners nachzuvollziehen, der sich durch Dunkelfärbung auf Zeit in einen Neger verwandelte. Bedenklich stimmt an der Schocktherapie des Nikolaus indessen, daß die Metamorphose der Buben durch das Tintenbad offenbar als Strafe angesehen wird, nicht lediglich als Erkenntnis — und Verständnishilfe: Man soll zwar die „Mohren“ ungeschoren lassen, aber einer von ihnen zu werden, bedeutet dann doch wohl schon den Abstieg zu einer minderen Form des Menschseins, scheint der große Ruten-Nikolaus des Dr. Heinrich Hoffmann zu meinen
Kann sich Nikolaus, ausgestattet mit Drohund Strafgewalt, im Bedarfsfall leicht als „Sieger" fühlen, so bleibt er andererseits mit sei-• nen rigorosen Methoden, „Betroffenheit“ zu erreichen, ethisch hinter der auf Information und Überzeugung durch Analyse bedachten politischen Bildung zurück, die jedoch ihrerseits — weil sie (meist) „nur" an den Kopf und nicht an die Beletage der Emotionen appellieren kann — den Dauervorwurf mangelnder Effizienz einstecken muß.
überhaupt: Nach heutigen Begriffen wäre Nikolaus-Weihnachtsmann gänzlich ungeeignet, in der politischen Bildungsarbeit tätig zu sein, weil ihm jegliches Verständnis für das Zentral-prinzipder Ausgewogenheit zu fehlen scheint.
Schon das dominant rote Gewand legt über-deutliches Zeugnis von seinen Präferenzen ab.
Da der Weihnachtsmann für alle dazusein hat, müßte er seine Kleidung zumindest in rouge et noir halten. In merkwürdigem Kontrast zu seiner textilischen Schlagseite steht die Un-ausgewogenheit bei der Erfüllung seiner dienstlichen Obliegenheiten: Von ihm als Sendboten einer anderen, besseren Welt dürfte man erwarten, daß er die Einkommens-disparitäten in unserer harten Realität durch ausgleichende Gnade zu mildern versuchen würde. Aber weit gefehlt! Einäugig, wie er nun wohl einmal ist, hat er in der Manier der „selektiven Perzeption" offenbar auch seine Bibel studiert: Vertraut scheint ihm der Spruch zu sein: „Wer da hat, dem wird gegeben", fremd dagegen das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg. Da lobt man sich denn doch die von der politischen Bildung angestrebte justitia distributiva (obwohl auch hier die „VerteilerGerechtigkeit" von Insidern manchmal angezweifelt wird).
Zwar nur Diener vieler Herren oder, um enger am Thema entlangzusurfen, nur der Knecht Ruprecht der Politik, kann politische Bildung doch gegenüber dem selbstherrlichen Nikolaus neben dem „ethischen" einen weiteren Pluspunkt verbuchen. Sie hat und bewahrt sich bei ihrem aufklärerischen Tun immerhin eine reale Existenz, während jener unvermeidlich ein Opfer fortschreitender Aufklärung werden muß. Vor allem als Kinderschuhe füllender oder auch die Rute schwingender Rollenträger in der Vorweihnachtszeit muß er schließlich der Entmythologisierung anheim-fallen. Von diesem Prozeß ist bedauerlicherweise auch der sympathische Ahnherr der späteren windigen Nikoläuse, der kinderfreundliche Bischof von Myra, nicht ganz ausgenommen. Denn nach dem (schon in Fußnote 4 erwähnten) Artikel in „Religion in Geschichte und Gegenwart" ist „Nikolaus, der Heilige,... eine historisch nicht zu fassende Persönlichkeit (Hervorhebung vom Vf.). Als wahrscheinlich darf nur angenommen werden, daß es zu Beginn des 4. Jahrhunderts in Myra einen Bischof N. gegeben hat, von dem wir aber weiter nichts wissen". Welch betrüblich schwache reale Basis! Nicht nur ein Mythos zu sein, ist sicher ein Trost für die oft gebeutelte politische Bildung (die erst bei vollendeter Aufklärung in die Nichtexistenz versetzt werden dürfte — also nie).
Verweilen wir aber noch kurz bei dem klein-asiatischen Kirchenmann, da er selbst in einer spezifischen Beziehung zur politischen Bildung zu stehen scheint. Im genannten RGG-Artikel heißt es weiter: „üppig wucherte die Legende: es gibt kaum ein Wunder, das dem N. nicht angedichtet wurde". Lassen wir die Wunder als Vergleichsmoment zur politischen Bildung beiseite. Hier geht es um einen anderen Punkt: Nikolaus — ein Zentrum der Legendenbildungl Da horcht alles, was mit politischer Bildung zu tun hat, sofort auf, ist es doch eine ihrer vornehmsten Aufgaben, Legenden aus politik und Zeitgeschichte (und Geschichte) aufzudecken und — principiis obsta! — der Bildung neuer zuvorzukommen. Doch dürfte sie schon beim zweiten Hinsehen erkennen, daß sie hier getrost darauf verzichten darf, sich als Zerstäuber der rührenden, um den St. Nikolaus gewobenen Mären zu betätigen, denn Legenden ohne Anspruch auf historische Wahrheit liegen außerhalb ihres Aktionsfeldes.
Bleibt noch eine — nicht nur scheinbare — Beziehung zwischen dem heilig gesprochenen Bischof von Myra und der politischen Bildung aufzudecken. Im „Heiligen" verbinden sich, wie man weiß, u. a. zwei Wesenszüge von unterschiedlicher, ja entgegengesetzter Wirkung auf den, der ihm begegnet: das „fascinans“ und das „tremendum“, das überwältigend Wundervolle und das beängstigend Unheimliche. Schon mit diesen beiden — transhumanen — Merkmalen bleibt das Heilige dem Menschlich-Allzumenschlichen entrückt; es ist, um es modisch zu sagen, „nicht zum Anfassen". Im Zuge entschleiernder Aufklärung und vor dem Hintergrund der Forschungen zumal von C. G. Jung über den „Schatten", den jeder Mensch als archaisches Primitiv-und Negativ-erbteil in sich trage, ist man indessen geneigt zu fragen, ob das personifizierte Heilige, hier also St. Nikolaus, nicht — bei Licht besehen — doch auch einen Schattenkegel werfe und also kein Schlemihl-Wesen sei (was ihn uns sozusagen menschlich näherbringen würde).
Et voilä: Der Forschung ist nicht entgangen, daß der würdevolle St. Nikolaus in der Tat ein — weniger respektables — alter ego hat: den „Nickel". Dieser Zweitname des Heiligen deutet, wie insonderheit aus der erweiterten Fassung „Bosnickel" hervorgeht, auf Minuseigenschaften hin. Bestätigung hierfür läßt sich dem „Lexikon der deutschen Sprache" (hrsg. v. R. Köster, Berlin-Darmstadt-Wien, 1969, S. 636) entnehmen: ..... da die Bergleute aus diesem Erz (dem Kupfernickel — d. Vf.) kein Kupfer zu gewinnen vermochten, schrieben sie die Schuld daran einem . Nickel', einem Kobold (vgl. Kobalt) zu. Nickel = Koseform von Nikolaus." Kommentierend ist hier hinzuzufügen: Da fast alles, was mit dem heiligen Nikolaus zusammenhängt, dem Reich der Fabel angehört und hier auch das „Angedichtete" (legendäre) Existenz hat, darf insoweit der dem Nikolaus von den Bergleuten „zugeschriebene" Zug von Unterwelt ebenso als real gewertet werden wie die ihm nachgesagte Wundertätigkeit, so daß die zuvor benutzte Wendung, St. Nikolaus habe ein alter ego, korrekt ist. (Nebenbei: Hier wird in geradezu klassischer Weise der ungreifbare psychische Schatten mit der konkreten, lokalisierbaren Finsternis parallelisiert.) Der Negativcharakter des gütig-freundlichen Nikolaus ist nun zwar auch, wie könnte es anders sein, „infernal", dem Unterirdischen verhaftet, aber keineswegs „infernalisch". Ein Nickel, ein Kobold, ist kein Teufel, so, wie er bei gelungenem Schabernack allenfalls kichert, aber nicht in ein Höllengelächter ausbricht. Der liebenswerte St Nikolaus kommt demnach sozusagen mit einem Halbschatten aus.
Was aber hat dieser Mini-Exkurs mit politischer Bildung zu tun? Sehr viel, meinen wir. Die fundamentale Erkenntnis, die am Beispiel des Nikolaus gewonnen wurde, aber wohl als repräsentativ gelten darf, daß nämlich sogar Heilige ihren Schatten haben, sollte a fortiori im unheiligen Normalmenschen das (leider noch immer unterentwickelte) Bewußtsein für die eigene psychische „Kehrseite" stärken. Hier — und das ist nun fast trivial, leider aber hochaktuell — liegt ein zentraler, fast archimedischer Punkt für die politische Bildung: Nur wer seines Schattens gewahr wird und ihn „annimmt", kann Abschied nehmen von dem fatalen Hang, die Welt nach altunehrwürdiger Weise moralisch zu halbieren und den eigenen Negativanteil „dem Anderen" zuzudiktieren. Daß erst aus solchem Verzicht ein solides Fundament für wirklichkeitsadäquates Umgehen mit den anderen (auch und gerade mit dem Gegner, ja dem Feind) entstehen kann, ist weithin bekannt, wird aber in praxi immer wieder verleugnet. Unter dem bekannten Stichwort „Abbau von Feindbildern" stellt sich hier der politischen Bildung eine Permanent-aufgabe (derer sie sich seit langem unermüdlich annimmt).
Doch ruft sich hier nun der Autor schnell ein „Halt!" zu, bevor am Ende bei allen Schattenspielen der versprochene Unernst selbst zum Teufel geht. Zu guter Letzt daher nur noch ein Rat zur Nikolausnacht: Man möge sich gut überlegen, ob man ein Paar Stiefel vor die Tür stelle. Denn es gibt nach den vorstehenden Ausführungen auch hier — wie bei Franz Werfels „Jakubowski" — zwei Möglichkeiten: Entweder St. Nikolaus, der gute, füllt sie mit Angenehmem, oder sein Schatten, der boshafte Nickel, schiebt etwas in die Schuhe, was (be-) drücken könnte. Wenn solches — reflektiertes — Verhalten Platz greift, ist eines der Lernziele erreicht: aufgrund von differenzier-terer Information auch mehr Rationalität im Umgang mit dem Nikolaus. Ein weiteres Lernziel wäre Betroffenheit ob der fatalen Unkenntnis hinsichtlich der Relevanz des Nikolaus für die politische Bildung. Dieser aber, Schutzpatron des Autors de natura (s. Vita), möge ihm gnädig die nicht immer gute Nachrede verzeihen!