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Technik in den achtziger Jahren Technologische Entwicklungslinien und ihre Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Arbeitskräfte | APuZ 47/1981 | bpb.de

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APuZ 47/1981 Artikel 1 Hundert Jahre Sozialversicherung in Deutschland Technik in den achtziger Jahren Technologische Entwicklungslinien und ihre Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Arbeitskräfte Industrieangestellte und technische Entwicklung

Technik in den achtziger Jahren Technologische Entwicklungslinien und ihre Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Arbeitskräfte

Udo Frenzel

/ 19 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Notwendigkeit und Auswirkungen neuer Technologien wurden auch in früheren Jahren kontrovers diskutiert. Negative Folgen, die sich in einer „Freisetzung" von Arbeitskräften dokumentieren, wurden in der Bundesrepublik Deutschland in Zeiten der Vollbeschäftigung in den sechziger und frühen siebziger Jahren in der Öffentlichkeit relativ wenig beachte^. Seit der Rezession 1974/75 werden im Jahresdurchschnitt eine Million Arbeitskräfte als arbeitslos registriert. Durch die in den kommenden Jahren auf den Arbeitsmarkt drängenden geburtenstarken Jahrgänge wird sich die Arbeitslosigkeit nach vorliegenden Berechnungen eher noch erhöhen als verringern. Nicht zuletzt deshalb werden die Rationalisierungswirkungen neuer Technologien heute kritischer betrachtet als je zuvor. Neue Technologien schaffen Arbeitsplätze und sparen Arbeitskräfte ein. Die negativen und positiven Arbeitsplatzeffekte treten nicht am gleichen Ort, nicht gleichzeitig und in unterschiedlichen Wirtschaftssektoren auf. Dies zeigt sich bei neuen Werkzeugmaschinen und Industrierobotern ebenso wie beim rechnerunterstützten Konstruieren und bei der Büro-technik. • Eine Schlüsselfunktion im technologischen und gesellschaftlichen Wandel kommt der Mikroelektronik zu mit erheblichen Folgen für die internationale Arbeitsteilung. Da die Mikroelektronik bei Prozeßinnovationen am leichtesten und schnellsten einsetzbar ist, wird es in den kommenden Jahren zu deutlichen „Freisetzungs'-Effekten bei noch steigendem Arbeitskräfteangebot (geburtenstarke Jahrgänge) kommen. Der Beschäftigungseffekt infolge neuer Produkte (Produktinnovation) wird nach heutiger Erkenntnis erst in einer zweiten Phase voll wirksam werden. Der zu erwartende absolute Einsparungseffekt neuer Technologien wird jedoch per Saldo geringer ausfallen, als vor wenigen Jahren noch behauptet wurde. Es ist jedoch mit einer erheblichen Veränderung der Anforderungsprofile in den einzelnen Berufen zu rechnen. Frauen, ältere und weniger qualifizierte Arbeitskräfte werden von den Freisetzungswirkungen relativ stärker betroffen sein als qualifizierte und jüngere Arbeitskräfte. Geänderte wirtschaftliche und demographische Rahmenbedingungen sowie die im Dienstleistungssektor und im Verwaltungsbereich der Industrie erkennbaren Rationalisierungsprozesse verhindern, daß alle freigesetzten Arbeitskräfte — wie in früheren Jahren — im tertiären Sektor (Dienstleistungsbereich einschl. Staat) eine neue Anstellung finden. Ein vorrangiges Ziel der Arbeitsmarktpolitik der nächsten 15 Jahre muß sein, eine sich abzeichnende Dauerarbeitslosigkeit größeren Umfangs zu vermeiden bzw. zumindest ihre sozialen Folgen zu mildern.

Angst und Faszination waren von jeher die Wegbegleiter des technischen Fortschritts. Bereits vor 900 Jahren soll sich der römische Kaiser Vespasian gegen die Verwendung der Wasserkraft ausgesprochen haben, weil er fürchtete, diese Technologie werde Arbeitskräfte freisetzen mit negativen Folgen für das gesellschaftliche Leben 1) -Seit Beginn der industriellen Revolution sorgen sich die betroffenen Arbeitnehmer verstärkt um ihre Arbeitsplätze, wenn neue Technologien vor der Tür stehen. Im 18. Jahrhundert waren es englische Arbeiter, die zu Maschinenstürmern wurden, weil sie die neuen Maschinen als eigentliche Ursache ihrer Notlage ansahen. Die schlesischen Weber erhoben sich 1844 aus ähnlichen Beweggründen.

Besinnt man sich darauf wie auch auf den Begriff von der „friedlichen Nutzung der Atomenergie", der über lange Jahre mehr von Faszination als von Angst geprägt war, so verwundert es eigentlich nicht, daß über Notwendig-keit und Auswirkungen neuer Technologien nach wie vor kontrovers diskutiert wird.

Die einen sehen neue Technologien als unabdingbare Voraussetzung zur Modernisierung unserer Volkswirtschaft, ohne die eine Erhaltung bzw. eine Steigerung der Wirtschaftskraft und eine Sicherung des Lebensstandards unmöglich sind; für andere bedeuten neue Technologien überwiegend eine Gefahr für die Arbeitsplätze und erhöhte Risiken für das System der sozialen Sicherung.

Polarisierende Thesen wie , Jobkiller" auf der einen und , Jobknüller" auf der anderen Seite gewinnen dabei sowohl im öffentlichen als auch im innerbetrieblichen Bereich an Bedeutung und fördern Emotionen. Dies nicht zuletzt, weil derzeit nur wenige gesicherte Daten über die gesellschaftlichen Folgen neuer Technologien vorliegen, auf deren Grundlage eine sachliche Auseinandersetzung und Beurteilung der Entwicklung möglich wären.

I. Technik und Vollbeschäftigung

Arbeitsplätze und Arbeitskräfte 1950-1981

Neue Technologien werden heute von vielen Menschen eher als Bedrohung verstanden und weniger mit positiven Zukunftsperspektiven in Verbindung gebracht. Dies war früher anders, als Arbeitskräfte knapp und Arbeitsplätze reichlich vorhanden waren und deshalb verstärkt Arbeitskräfte im Ausland angeworben werden mußten. Dabei muß man sich vergegenwärtigen, daß sich in der längerfristigen Entwicklung seit 1960 die Gesamtzahl der Arbeitsplätze in der Bundesrepublik Deutschland trotz eines relativ starken Wirtschaftswachstums bis zur Rezession 1974/75 kaum verändert hat. Mit rund 26, 7 Mio. Arbeitsplätzen war diese Zahl im letzten Boomjahr 1973 ebenso hoch wie 1962 (1980: 25, 6 Mio. Arbeitsplätze). 2

Demgegenüber ist das Angebot an deutschen Arbeitskräften von 1960 bis 1977 trotz verstärkter Erwerbsbeteiligung der Frauen ständig, insgesamt um 2, 2 Mio. Personen, zurückgegangen. Ursache für den Rückgang der verfügbaren deutschen Arbeitskräfte war der Eintritt geburtenschwacher Jahrgänge der vierziger und frühen fünfziger Jahre in das Erwerbsleben bei relativ hohen altersbedingten Abgängen (Pensionierung).

Im gleichen Zeitraum hat sich die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte um über zwei Millionen Personen erhöht, d. h., das sinkende deutsche Arbeitskräftepotential mußte bei insgesamt konstanter Arbeitsplatzzahl durch Ausländer aufgefüllt werden.

Der bis 1977 anhaltende Rückgang des deutschen Arbeitskräftepotentials bewirkte bis zur letzten Rezession 1974/75 eine Verknappung des Arbeitskräftepotentials auf nahezu allen Qualifikationsebenen und Tätigkeitskategorien. Die langfristige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland war bis 1974 gekennzeichnet durch die Frage: „Wo sind die Arbeitskräfte für die vorhandenen Arbeitsplätze?"

Die Verfügbarkeit von Arbeitskräften war bis 1974 ein limitierender Faktor für das Produktionswachstum. Dies führte zur Errichtung von Produktionsstätten in jenen Regionen, in denen noch Arbeitskräftereserven verfügbar waren oder mobilisiert werden konnten.

Gleichzeitig damit verbunden war ein Prozeß der Umstrukturierung zwischen den Wirtschaftssektoren, der die aufgrund technologischer Neuerungen freigesetzten Arbeitskräfte — auch das gab es in der Vergangenheit — bei reichlichem Arbeitsplatzangebot durch Umsetzung sowie Fortbildung in andere Tätigkeiten/Sektoren vor Arbeitslosigkeit weitgehend bewahrte. Für diejenigen Tätigkeitsbereiche, für die in diesem Umstrukturierungsprozeß keine deutschen Arbeitskräfte mehr zur Verfügung standen, wurden in zunehmendem Maße bis zum Anwerbestopp im Jahre 1973 ausländische Arbeitskräfte angeworben.

Bereits in den fünfziger und sechziger Jahren wurde mit Einführung des Computers über die Freisetzungswirkungen neuer Technologien diskutiert und geforscht Zwischen 1950 und 1960 wurden rund 2 Millionen Arbeitskräfte durch die Einführung neuer Techniken freigesetzt. Von 1960 bis 1968 betrug der Freisetzungseffekt knapp Millionen Arbeitskräfte. Trotz tiefgreifender technischer Änderungen waren diese Jahre des Wiederaufbaus eher von Überbeschäftigung als von Arbeitslosigkeit gekennzeichnet 3).

Als gegen Ende der sechziger Jahre nach der ersten Nachkriegsrezession (1965/66) relativ schnell wieder Voll-(wenn nicht sogar über-) beschäftigung erreicht wurde, schien die Diskussion über Technologiefolgen bald wieder rein akademischer Natur zu sein. Es wurde jahrelang in der Öffentlichkeit kaum mehr über die Beschäftigungswirkungen neuer Technologien gesprochen.

Als wichtiger Faktor zur Steigerung der Arbeitsproduktivität wurde der technische Fortschritt bis in die siebziger Jahre von allen gesellschaftlichen Gruppen überwiegend als Segen betrachtet. Er ermöglichte — den Abbau von physischen Arbeitsbelastungen, — eine Steigerung des Lebensstandards, — eine Verringerung der Arbeitszeit und damit mehr Freizeit, — mehr und vor allem bessere Bildung und Ausbildung, — eine Herabsetzung der Pensionierungsgrenze, — die Finanzierung einer dynamischen Altersrente und vieles mehr.

II. Technik bei Unterbeschäftigung

Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik 1960-1990 Quelle: U. Frenzel: Die Bombe tickt. Kein Ausweg aus der steigenden Arbeitslosigkeit in den achtziger Jahren? In: DIE ZEIT, Nr. 7, Hamburg 1981

Die gegenwärtige Situation auf dem Arbeitsmarkt ist gekennzeichnet durch den Verlust von ca. 1 Million Arbeitsplätzen aufgrund der überaus starken Rezession der Jahre 1974/75.

Aber auch ohne den Konjunktureinbruch hätte sich Mitte der siebziger Jahre eine Tendenzwende am Arbeitsmarkt vollzogen. Die Trendwende begann mit dem Jahr 1977 und ist gekennzeichnet durch ein nunmehr ansteigendes deutsches Arbeitskräftepotential bis gegen Ende der achtziger Jahre. Detaillierte Untersuchungen des Battelle-Instituts über die quantitative und qualitative Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt haben bereits Anfang der siebziger Jahre gezeigt, daß — entgegen der seinerzeit noch weit verbreiteten Meinung — die geburtenstarken Jahrgänge der fünfziger und frühen sechziger Jahre bis gegen Ende der achtziger Jahre zu steigenden Beschäftigungsproblemen bzw. zu einem geringeren Bedarf an ausländischen Arbeitskräften führen werden und das bei damals noch wesentlich günstigeren Entwicklungschancen der Wirtschaft, als dies nach zwei Ölkrisen und einer Welt-Rezession gegenwärtig noch gegeben ist.

Dies bedeutet, daß die Arbeitsmarktlage in den nächten zehn Jahren nicht mehr wie in den sechziger und frühen siebziger Jahren gekennzeichnet sein wird durch die Frage, wo noch Arbeitskräfte mobilisiert werden könnten, sondern durch die Frage: „Wie und wo schaffen wir die zusätzlich benötigten Arbeitsplätze für die vorhandenen Arbeitskräfte?"

Die geburtenstarken Jahrgänge der fünfziger und frühen sechziger Jahre, die gegenwärtig und in den kommenden Jahren die Bildungsinstitutionen durchlaufen und im dualen System, bei den beruflichen Vollzeitschulen wie im gesamten Hochschulbereich bereits erhebliche Anstrengungen erforderten und noch erfordern, werden als ausgebildete Jungarbeitskräfte nach und nach auf den Arbeitsmarkt strömen und dort bis Ende der achtziger Jahre das Angebot an Arbeitskräften erhöhen.

Es addieren sich dabei zwei demographische Komponenten in ihrer Wirkung: Einerseits werden die geburtenstarken Jahrgänge das Bildungssystem verlassen und auf den Arbeitsmarkt drängen, andererseits sind die in den nächsten zehn Jahren zur Pensionierung anstehenden Geburtenjahrgänge 1915 bis 1925 als Folge der beiden Weltkriege sehr schwach besetzt.

Bereits vor einem halben Jahrzehnt durchgeführte Berechnungen gaben erste Hinweise darauf, daß das deutsche Arbeitskräfteangebot je nach Erwerbsverhalten in der Periode 1985 bis 1990 um mindestens eine Million Personen höher sein würde als 1975. Bei einem konstanten Bestand an ausländischen Arbeitskräften von rund zwei Millionen Personen bedeutet dies, daß bis zum Zeitraum 1985/90 fast zwei Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden müßten, wenn Vollbeschäftigung bereits in den achtziger Jahren wieder erreicht werden soll.

Diese von der Bundesanstalt für Arbeit 1975 veröffentlichte Battelle-Schätzung machte bereits damals deutlich, daß hach der Rezession 1974/75 im Anschluß an den ersten „ölschock" vom Jahre 1974 nicht mit einem grundlegenden Wandel am Arbeitsmarkt zu rechnen sei und die Bundesrepublik Deutschland bis in die neunziger Jahre mit Beschäftigungsproblemen konfrontiert werden würde.

Neben der allgemein schwierigen Beschäftigungssituation wurde insbesondere im Zusammenhang mit den fehlenden Ausbildungsstellen in den letzten Jahren deutlich, daß der Bildungs-risikolose Übergang vom in das Beschäftigungssystem zumindest für einen begrenzten Zeitraum in Frage gestellt sein wird.

Neue Schlüsseltechnologien wie die Mikroelektronik, weitere Ölpreisschocks oder Konjunkturtiefs können das bereits Mitte der siebziger Jahre erkennbare und in den achtziger Jahren starke Auseinanderklaffen von Arbeitskräfteangebot und Kräftebedarf noch verschärfen, insbesondere dann, wenn sich die gegenwärtig niedrigen durchschnittlichen Wirtschaftswachstumsraten bei gleichzeitig steigender Arbeitsproduktivität fortsetzen (Schaubild 2). Bei der Mikroelektronik ist durchaus noch nicht ausgemacht, in welchen Regionen und Ländern — vielleicht müßte man auch besser von Erdteilen sprechen — die positiven Beschäftigungseffekte höher sind als die negativen.

Auch wenn die geschichtliche Erfahrung gegen die generelle These spricht, der technische Fortschritt führe zu Arbeitslosigkeit, bietet die Vergangenheit keine Gewähr dafür, daß auch die achtziger Jahre — unter geänderten ökonomischen und demographischen Rahmenbedingungen — ähnlich erfolgreich verlaufen müssen.

Diese neuen Rahmenbedingungen sowie die im Verwaltungsbereich und zahlreichen anderen Dienstleistungsfunktionen erkennbaren Rationalisierungsbestrebungen werden ver23 hindern, daß in den achtziger Jahren alle freigesetzten Arbeitskräfte — wie in früheren Jahren — im tertiären Sektor (Dienstleistungen einschließlich Staat) eine neue Beschäftigung finden können.

Neue Technologien erfahren bei nunmehr knappen Arbeitsplätzen eine geänderte — weitgehend kritische — gesellschaftliche Wertung. Die Erfahrung der letzten Rezession mit ihrer Vernichtung von rund 800 000 Arbeitsplätzen allein in der Industrie und die verstärkten Automatisierungsmöglichkeiten in vielen Bereichen der Wirtschaft — etwa durch Mikroprozessoren — haben die Beschäftigungswirkungen neuer Technologien zu hautnahen Problemen werden lassen. Die Arbeiter und Angestellten sind verunsichert und wollen gegen die Folgen des Strukturwandels abgesichert werden.

III. Wirkungsbereiche neuer Technologien

Deutsches Arbeitskräftepotential 1960 -2020 -Bundesgebiet-

Von den gegenwärtig in der Entwicklung bzw. in der Einführungsphase stehenden Technologien werden in den achtziger Jahren nahezu alle Lebensbereiche unserer Gesellschaft berührt. Eine Schlüsselfunktion in diesem Prozeß des technologischen und gesellschaftlichen Wandels kommt der Mikroelektronik zu. Ihre Bedeutung reicht von der Veränderung bisheriger Produktionstechnologien (Prozeßinnovation) über die Möglichkeit der Entwicklung zahlloser neuer Produkte (Produktinnovation) bis hin zur Änderung von Qualifikations-und Organisationsstrukturen in Wirtschaft und Verwaltung. Dabei sind die Folgen nicht auf einzelne Wirtschaftszweige begrenzt, sondern erreichen nahezu die gesamte Volkswirtschaft

Da die Mikroelektronik bei Prozeßinnovationen am leichtesten und schnellsten einsetzbar ist, wird es in den kommenden Jahren zu deutlichen Freisetzungseffekten bei noch steigendem Arbeitskräfteangebot (geburtenstarke Jahrgänge) kommen. Der Beschäftigungseffekt infolge neuer Produkte (Produktinnovation) wird nach heutiger Erkenntnis erst in der zweiten Phase voll wirksam werden. Trotz dieser in den nächsten Jahren per Saldo vermutlich negativen Beschäftigungseffekte der Mikroelektronik kann sich die Bundesrepublik Deutschland wie jede andere Nation nicht aus dem Technologiewettbewerb ausklinken. Neue Technologien berühren in starkem Maße die internationale Wettbewerbsfähigkeit und damit unmittelbar die nationalen Zahlungsbilanzen. Gerade für Länder mit geringem Rohstoffvorkommen und einer hohen Exportintensität bei hochwertigen Produkten führt der Verzicht auf die Entwicklung, Einführung und Verbreitung neuer Technologien zu einem tendenziellen Verlust der Exportmärkte und damit automatisch zu Zahlungsbilanzschwierigkeiten. Die Folge wäre ein ständiger Rückgang des Umsatzes, der Realeinkommen und letztlich der Beschäftigung, speziell bei den stark exportabhängigen Industriezweigen und natürlich auch ihren Zulieferern. Der Einkommensausfall würde zu einem Rückgang der Inlandsnachfrage führen und damit zusätzlich die Kapazitätsauslastung drücken. In diesem hier vereinfacht dargestellten multiplikativen Prozeß wäre eine steigende Arbeitslosigkeit fast unvermeidbar.

Neue Technologien schaffen Arbeitsplätze und sparen Arbeitsplätze ein. Die neuen Arbeitsplätze stellen in der Regel andere Qualifikationsanforderungen an die Beschäftigten als die wegrationalisierten Arbeitsplätze. Das hat Konsequenzen für die schulische und betriebliche Ausbildung und auch für die Weiterbildung. Negative Konsequenzen für den einzelnen können nur dann vermieden werden, wenn die Bereitschaft und — was genauso wichtig ist — auch die Chance zu beruflicher Flexibilität und Anpassung der eigenen Qualifikation an neue Erfordernisse sowie eine materielle Absicherung im sozialen Netz gegeben sind.

Diese Faktoren sind unabdingbare Voraussetzung für die Bewältigung des Strukturwandels. Sie helfen, Statusverluste im Erwerbsprozeß zu vermeiden bzw. abzuschwächen. Vorausschauende Analysen können hier zur Transparenz beitragen und ermöglichen eine weitsichtige betriebliche Personalpolitik. Gleichzeitig sind sie ein wichtiger Orientierungsrahmen für die staatliche Bildungs-und Arbeitsmarktpolitik.

Neue Technologien werden häufig nicht akzeptiert. Sowohl bei der Einführung öffentlicher Investitionsgüter, z. B. bei der Post, als auch bei der Einführung neuer Technologien im betrieblichen Produktions-und Dienstleistungsbereich werden die negativen Folgen von den betroffenen Bürgern und Arbeitnehmern heute stärker herausgestellt als die möglichen positiven Folgen und Chancen.

Hier wird es künftig darauf ankommen, mit her Einführung neuer Technologien Organisations-und Personalentwicklungsmodelle zu Verknüpfen, die dem Mitarbeiter als Mensch wie auch dem Unternehmen dienen. Damit können zugleich die positiven Möglichkeiten, die neue Technologien auch für den Mitarbeiter beinhalten, stärker genutzt werden. Gleichzeitig können negative Effekte einer steigenden Technisierung der Arbeitsplätze rechtzeitig erkannt und abgeschwächt werden.

Neue Technologien schaffen Umweltprobleme und Risiken die das Sicherheitsbedürfnis des einzelnen in hohem Maße tangieren. Die Sicherheitstechnik erhält hier einen neuen Stellenwert, nicht nur aus technischer Sicht. Die Einführung neuer Technologien, die vorwiegend auf den Erkenntnissen der Mikroelektronik beruhen, berührt nahezu alle Arbeitsplätze und Tätigkeiten in den einzelnen Funktionsbereichen eines Unternehmens. Für die achtziger Jahre ergaben Recherchen des Battelle-Instituts daß zahlreiche bereits bekannte neue Technologien verstärkt markt- wirksam werden. Beispielhaft, wobei die Liste keineswegs vollständig ist, seien folgende Technologielinien genannt:

— automatisiertes Messen und Prüfen, — automatisierte Handhabung und Montage (Industrieroboter), — elektronische Steuerungen, — automatisierte Materialwirtschaft, — Servo-und Stelltechnik (Leistungselektronik),

— Prozeßregelung und -Optimierung, — rechnerunterstütztes Konstruieren (CAD), — computerunterstützte Fertigungssteuerung (CAM), — neue Werkstoffe, — Optoelektronik, — programmierte Textverarbeitung, — automatisierte Datenerfassung am Arbeitsplatz,

— integrierte Digitalschaltungen (Mikroprozessoren),

— Bürotechnik, — Bedientechnik, Mensch-Maschine-Interface,

— Softwareentwicklung, — elektronische Übermittlungssysteme (Bildschirmtext, Telekopie u. ä.). Einige Technologien sind sektorgebunden, andere sind sektorunabhängig und haben — wie etwa die Textverarbeitung — Auswirkungen auf bestimmte Funktionen in allen Wirtschaftssektoren.

Die Anwendung neuer Technologien führt in erster Linie zur Veränderung schon bekannter Produkte mit zum Teil beträchtlichen Märkten. Daraus ergeben sich Marktanteilsverschiebungen zugunsten innovationsfreudiger Wettbewerber und teilweise auch Markterweiterungen als Folge von leistungsfähigeren und kostengünstigeren Produkten.

Gleichzeitig werden durch neue Technologien neue Produktlösungen erst möglich, für die neue Märkte entstehen und erschlossen werden. Wichtige Bedarfsfelder für neue Produkte werden in folgenden sechs Bereichen gesehen:

— im Bereich Energie durch rationellere Energieerzeugung und -Verwendung, — im Bereich Verkehr durch neue Leit-und Regelungssysteme im Transport-und Kfz-Bereich,

— im Bereich Medizin durch neue elektromedizinische Geräte für Diagnose und Prothetik,

— im Bereich Bildung durch Lernhilfen, — im Bereich Information und Kommunikation durch neue Medien (Telekopie und Bildschirmtext u. ä.), — im Bereich Freizeit. durch das weite Feld der Unterhaltungs-und Freizeitelektronik.

Die quantitativen Auswirkungen der Einführung neuer Technologien auf die Arbeitsplätze lassen sich kaum global abschätzen. Vielmehr muß das vorhandene Innovations-und Rationalisierungspotential einzelner Technologielinien fallweise für einzelne Sektoren und Funktionsbereiche untersucht werden.

Durch Befragungen und Expertendiskussionen vor Ort wurde ermittelt daß aus heutiger Sicht in den achtziger Jahren beispielsweise in der baden-württembergischen Industrie pro Jahr etwa 4 000 bis 6 000 Arbeitsplätze technologiebedingt mehr eingespart werden können als gleichzeitig durch neue Technologien entstehen. Dies entspricht einer Arbeitsplatzeinsparungsrate von 0, 3— 0, 5% p. a.

Die einzelnen Sektoren sind davon unterschiedlich betroffen. Negativ ist der Saldo der positiven und negativen Arbeitsplatzeffekte neuer Technologien — im Maschinenbau — hier rechnen wir mit einer technologiebedingten zusätzlichen Einsparung von 2 000 bis 4 000 Plätzen pro Jahr, — in der Textilindustrie mit 1 000 Plätzen pro Jahr, — in der Feinmechanik-Optik mit 400 bis 700 Arbeitsplätzen pro Jahr, — in der EBM-Industrie mit 500 Plätzen pro Jahr, — in der Holzindustrie mit 100 bis 200 Plätzen pro Jahr.

Die zu erwartenden technologiebedingten positiven und negativen Arbeitsplatzeffekte gleichen sich nach unseren Ermittlungen und Berechnungen aus in den fünf Sektoren — Chemie, — Kunststoffverarbeitung, — Straßenfahrzeugbau, — Elektrotechnik, Datenverarbeitungsgeräte,

— Ernährungsindustrie.

In der Elektrotechnik wird damit gerechnet, daß bis Ende der achtziger Jahre das heutige Produktionsvolumen mit etwa 60 % des heutigen Personals erstellt werden kann. Die potentielle Arbeitsplatzlücke von 40 % der heutigen Arbeitsplätze soll nach den Vorstellungen der Unternehmen mit Hilfe neuer Produkte geschlossen werden, so daß insgesamt mit einer Konstanz der Arbeitsplatzzahl in dieser Branche gerechnet wird.

Nach den von den befragten Experten getroffenen Einschätzungen, wie weit sich die einzelnen Technologien durchsetzen werden, ist zu erwarten, daß die Auswirkungen auf Arbeitsplätze in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre relativ stärker sein werden als im Zeitraum 1980 bis 1985

Nach den bisherigen Erkenntnissen wird der zu erwartende absolute Einsparungseffekt neuer Technologien per Saldo wesentlich geringer ausfallen als vielfach behauptet. Dabei muß man jedoch betonen, daß mit der Einführung neuer Technologien eine beachtliche Veränderung der Anforderungsprofile verbunden ist.

Ferner werden die negativen und positiven Arbeitsplatzeffekte in der Regel nicht am gleichen Ort und nicht gleichzeitig, sondern in verschiedenen Sektoren und in zeitlichem Abstand auftreten, so daß es hier zu Anpassungsschwierigkeiten kommen kann. Diese können auch mit Arbeitslosigkeit verbunden sein. Zur Bewältigung dieser Strukturveränderungen sind die individuelle Bereitschaft der einzelnen zu beruflicher Flexibilität und die Chance für ihn, seine Qualifikationen anpassen zu können, unabdingbar.

Wenn man die Mikroelektronik im Hinblick auf neue Anforderungen an die Qualifikation der Beschäftigten untersucht, so kann man dies nicht tun, ohne die diesbezüglichen Entwicklungen in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten mit zu betrachten. So hat sich in den letzten Jahren schon gezeigt, daß mit steigender Komplexität gesellschaftlicher Zusammenhänge und beschleunigtem gesellschaftlichen Wandel neben fachlichen vor allem die fachübergreifenden Qualifikationen an Bedeutung gewinnen.

Diese können umschrieben werden als — Fähigkeit zum abstrakten, auch theoretischen Denken, — Fähigkeit zum analytischen Denken, — Bereitschaft zum Lernen und Weiterlernen, — Kommunikationsfähigkeit, — Sozialfähigkeit, — Fähigkeit zum planerischen Denken, — größere Entscheidungsfähigkeit -und letzt lich auch die — Fähigkeit zur Teamarbeit.

Diese allgemeinen fachübergreifenden Qualifikationen gewinnen neben den fachlichen Qualifikationen für die Beschäftigten in allen Bereichen mehr und mehr an Bedeutung. Dies stützt auch die These des Streits zwischen Generalisierung und Spezialisierung innerhalb der Ausbildung und gilt etwa auch für den Teil der Berufsgruppen, in denen bislang handwerkliche Fähigkeiten dominierend waren, wie etwa bei den Metallberufen.

So wird beispielsweise durch das zunehmende Vordringen der Mikroelektronik in der Maschinenbauindustrie von den Angehörigen der traditionellen Metallbearbeitungsberufe in zunehmendem Maße allgemeines Elektronikwissen gefordert — umschrieben auch mit dem Schlagwort „digitales Denken". Hier werden die Grenzen zwischen Elektro-und Metallberufen aufgeweicht. Allein vom Mikroprozessor sind etwa ein Drittel aller Ausbildungsberufe unmittelbar betroffen

Darüber hinaus werden durch neue Formen der Arbeitsorganisation, die durch die neuen Technologien ermöglicht werden, einzelne Berufe in ihrem Tätigkeitsspektrum erweitert. Für den einzelnen entstehen daraus Anforderungen in Richtung auf einen besseren Systemüberblick, eine höhere Verantwortung und ein geändertes Entscheidungsverhalten. In kaufmännischen und Verwaltungsberufen wird die Mikroelektronik Routine-und Hilfsaufgaben übernehmen und den hier Beschäftigten mehr Zeit und mehr Möglichkeiten für die Ausübung kommunikativer und analytischer Tätigkeiten geben. Andererseits wird sie den Beschäftigten ein größeres Beurteilungsund Entscheidungsvermögen abverlangen. Beispiele für diese Entwicklung finden sich schon im Bankenbereich, wo durch die Terminalisierung neue Möglichkeiten der Kundenberatung heute schon eröffnet sind.

Die sozialen Folgen neuer Technologien werden wieder verstärkt diskutiert wie auch die Frage, inwieweit sich der Mensch der Technik oder die Technik dem Menschen anpassen müsse.

IV. Wirtschaftspolitische Konsequenzen

Die Verteilung der Arbeitskräfte auf die Wirtschaftssektoren zeigt, daß die Frauen im Dienstleistungsbereich mit 56 % relativ genauso stark vertreten sind wie die Männer im produzierenden Gewerbe. Stimmt man der These zu, daß der Dienstleistungsbereich im weitesten Sinne, d. h. einschließlich der Dienstleistungsteile des produzierenden Gederbes, in seinen Funktionsbereichen Organisation und Verwaltung in Zukunft verstärkt aufgrund von Rationalisierung und steigendem Technisierungsgrad beeinflußt wird, dann ergibt sich hieraus für Frauen ein relativ höheres Arbeitsplatzrisiko als für Männer.

Das Wachstum der Beschäftigung im tertiären Sektor wird in Zukunft weniger steigen als in den zurückliegenden Jahren. Insbesondere die Zurückhaltung des Staates bei der Personaleinstellung könnte dazu führen, daß nicht* alle im primären und sekundären Sektor nach wie vor freigesetzten Arbeitskräfte im tertiären Sektor wieder eine Beschäftigung finden können. Trotzdem ist damit zu rechnen, daß im Jahre 1990 mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen im tertiären Sektor arbeiten wird. Es bleibt abzuwarten, ob die — weitgehend finanzpolitisch motivierten — Vorgaben im öffentlichen Dienst (einschließlich Bahn und Post) bei steigender Arbeitslosigkeit eingehalten werden können.

Bei einem Sockelbestand an Ausländern mit Daueraufenthaltsrecht deutet sich bereits seit mehreren Jahren ean, daß die niedrigen Arbeitslosenquoten früherer Jahre ohne weitergehende Maßnahmen in den achtziger Jahren noch nicht wieder erreicht werden. Ein vorrangiges Ziel für die Arbeitsmarktpolitik der nächsten 15 Jahre wird es deshalb sein müssen, durch geeignete Maßnahmen eine sich abzeichnende Dauerarbeitslosigkeit größeren Umfangs zu vermeiden bzw. zumindest ihre sozialen Folgen zu vermindern.

Bereits heute „kostet" ein Arbeitsloser durch den Ausfall an Steuern und Sozialversiche -rungsbeiträgen sowie die zu zahlende Arbeitslosenunterstützung bzw. Arbeitslosenhilfe mehr als 20 000 DM pro Jahr, d. h. die gegenwärtigen Arbeitslosen „kosten" pro Jahr etwa 17 Milliarden DM (Ausfälle an Steuern und Beiträgen).

Die gesamten volkswirtschaftlichen Kosten der Erwerbslosigkeit wurden für 1978 auf rund 74 Milliarden DM geschätzt Aus den Erfahrungen mit der Arbeitslosigkeit — ökonomisch wie sozial — in den letzten fünf Jahren sowie in Kenntnis der sich abzeichnenden Entwicklungslinien in Bund und Ländern wird deutlich, daß die Wiedererlangung bzw. Sicherung der Vollbeschäftigung zu den vordringlichen Aufgaben der Wirtschaftspolitik in den achtziger Jahren gehört. '

Es ist zu vermuten, daß sich die Wiederbeschäftigungschancen von arbeitslosen älteren Arbeitnehmern oder Arbeitnehmern mit gesundheitlichen Einschränkungen in der Konkurrenz mit den stark nachrückenden qualifiziert ausgebildeten jungen Arbeitskräften wesentlich verschlechtern. Hier wird die Weiterbildung besonders gefordert werden.

Bereits in den letzten Jahren hat sich der Anteil der schwer vermittelbaren Arbeitskräfte an den Arbeitslosen ständig erhöht. Zu diesen

Problemgruppen gehören auch Arbeitskräfte, die in Zeiten der Arbeitskräfteknappheit auf eine qualifizierte Ausbildung verzichtet haben und heute als Ungelernte von Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich stark betroffen sind. Bereits Ende der sechziger Jahre, während und nach der damaligen Rezession, waren die älteren Arbeitnehmer schon einmal das Sorgenkind am Arbeitsmarkt. Heute sind es die Jugendlichen, für die ein Ausbildungsplatz und — was bisweilen heute noch übersehen wird — anschließend ein Arbeitsplatz vorhanden sein muß, wenn der Start ins Berufsleben gelingen soll.

Als Folge des Geburtenrückgangs werden sich mit entsprechender Zeitverzögerung die quantitativen Beschäftigungsprobleme in späteren Jahren wieder von den Jugendlichen zu den Älteren verlagern. Die damit verbundene Verschlechterung der Altersstruktur des Arbeitskräftepotentials hat noch weitere Konsequenzen. Nach Berechnungen des Battelle-Instituts werden etwa % des Arbeitskräfte bis 1995 45 -bestands des Jahres 1976 aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Die hierdurch frei werdenden Arbeitsplätze werden häufig nicht mehr besetzt, sondern die Jungarbeitskräfte gelangen sofort auf andere Arbeitsplätze. Der notwendige Wirtschaft der vollzieht sich deshalb zu einem beachtlichen Teil relativ problemlos über den Generationswechsel. Das Nachwachsen geburtenstarker Jahrgänge erleichtert aus dieser Sicht den Strukturwandel. Wachsen als Folge des Geburtenrückgangs später schwächere Jahrgänge hach, so muß der notwendige Strukturwandel über mehr Arbeitsplatzänderungen und Umsetzungen oder Umschulung bei den bereits Erwerbstätigen bewältigt werden. Der Geburtenrückgang führt damit langfristig zu höheren Anforderungen an die Mobilitätsbereitschaft. Bekanntlich sind beide um so größer, je höher das Bildungsniveau ist. Versäumnisse bei der qualifizierten Ausbildung der Jugendlichen heute könnten so gesehen später teuer zu stehen kommen.

Die qualifizierte „Ausbildung auf Vorrat” heute und im nächsten Jahrzehnt sollte ge-rade aus Flexibilitätsgesichtspunkten noch ernster genommen werden.

Trotz einer möglichen Stagnation bzw. eines Rückgangs der Bevölkerungszahl wird — mit steigendem Wohlstand der Anteil der Ausgaben für hochwertige forschungs-und entwicklungsintensive Konsumgüter und Spezialerzeugnisse steigen und — der internationale Wettbewerb den Trend zum Export von forschungs-und entwicklungsintensiven Produkten weiter vorantreiben. Je mehr qualifizierte Arbeitskräfte benötigt werden, um so weniger wird die wachsende Konkurrenz der Länder zu fürchten sein, in denen qualifizierte Arbeitskräfte noch auf sehr lange Zeit knapp bleiben werden.

Es ist aus heutiger Sicht nicht auszuschließen, daß gegen Ende dieses Jahrhunderts die dann vorhandenen deutschen und ausländischen Arbeitskräfte wieder — wie in den sechziger Jahren und Anfang der siebziger Jahre — ein limitierender Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland sein könnten. Eine dann prinzipiell mögliche Zuwanderung könnte — den heute vorausgeschätzten Rückgang der Bevölkerung und auch des Arbeitskräfte-potentials verhindern oder stark abschwächen, — die bekannten Probleme bei der Integration der Ausländer erheblich verschärfen, — die Probleme der Rentenfinanzierung im nächsten Jahrhundert erleichtern.

Ob die Bundesrepublik Deutschland Ende dieses Jahrhunderts aus Arbeitsmarktgründen zum Einwanderungsland wird — ein Begriff, den man heute wegen der aktuellen Arbeitsmarktsituation und des Anwerbestopps noch weit von sich weist —, das ist (noch) weniger wichtig. Wichtiger ist, ob es gelingt, die Flexibilität der bis dahin ausgebildeten Arbeitskräfte so zu erhöhen, daß eine Anpassung an geänderte Arbeitsmarktstrukturen ohne schwerwiegende Konflikte möglich wird. Damit könnte ein wesentlicher Teil des Konfliktpotentials, das die Diskussion über die Arbeitsmarktwirkung neuer Technologien heute belastet, rechtzeitig aus dem Weg geräumt werden. Andernfalls besteht bei den gegebenen und in den achtziger Jahren zu erwartenden Arbeitsmarktkonstellationen die Gefahr, daß die bereits heute sehr stark emotional geführte Diskussion sich noch zuspitzt und Maßnahmen gefordert werden, die die Stellung der Unternehmen im nationalen Markt und die der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Wettbewerb ernsthaft gefährden könnten.

In einer sich ständig wandelnden Wirtschaft und Gesellschaft sollte man sich nicht darauf beschränken, neue Technologien nur unter dem Blickwinkel ihrer arbeitsplatzschaffenden bzw. arbeitsplatzvernichtenden Effekte zu beurteilen. Diese Erkenntnis hat sich zwar bei den Tarifparteien in der Bundesrepublik Deutschland erst spät; aber dennoch bereits weitgehend durchgesetzt. Damit ist erstmals die Chance gegeben, künftig neue Technologien so zu konzipieren und einzusetzen, daß sich die Technik weitgehend den Menschen anpaßt und nicht — wie leider allzu häufig in der Vergangenheit — der Mensch sich dem „Joch" der Technik zu fügen hat.

Fussnoten

Fußnoten

  1. K. Derry und T. I. Williams, A short history of Technology from the earliest times to A. D. 1900, in: Oxford University Press, 1970, S. 252.

  2. Vgl. Wirtschaftliche und soziale Aspekte des technischen Wandels, 9 Bände, herausgegeben vom Rationalisierungskuratorium der deutschen Wirtschaft, Frankfurt 1970-, Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziale Fürsorge (Hrsg.), Soziale Probleme der Automation in Bayern, München 1969.

  3. O. Issing, Vernichtet der technische Fortschritt Arbeitsplätze?, in: Volkswirtschaftliche Korrespondenz der Adolf-Weber-Stiftung 3/80, München 1980.

  4. Vgl. A. Blüm, U. Frenzel, Analyse und Prognose der Arbeitsmarktentwicklung in Bayern (bis 1990), Frankfurt 1973.

  5. Vgl. A. Blüm, U. Frenzel, U. Weiler, Vom Schüler-berg zum Rentnerberg — Die programmierte Dauerkrise?, in: Batelle-Information 24 (1976), unveränd. Nachdruck, Frankfurt 1980-, ABlüm, U. Frenzel, Quantitative und qualitative Vorausschau auf den Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990) — Stufe 3, Bericht für die Bundesanstalt für Arbeit, in: Beiträge zur Arbeitsmarkt-und Berufsforschung, Band 8. 1 (Textband) und Band 8. 2 (Tabellenband), Nürnberg 1975, 2. unveränd. Auflage

  6. Vgl. A. Blüm, U. Frenzel u. a„ Technologische Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf Arbeitsplätze in ausgewählten Industriezweigen, Battelle-

  7. Vgl. Battelle-Institut e. V., Untersuchungen über die technischen, organistorischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen für Risikostrategien im Bereich technologischer Entwicklung. Berichte für das Bundesministerium des Innern, Frankfurt 1980.

  8. A. Blüm, L. Böckels, U. Frenzel u. a., Technologische Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf Arbeitsplätze in den Bereichen Maschinenbau und Feinmechanik/Optik, Battelle-Bericht 63. 381-2, Frankfurt 1978.

  9. A. Blüm, L. Böckels, U. Frenzel u. a„ Der Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg. Analyse der Gesamtentwicklung bis zum Jahre 1995, Battelle-Bericht 63. 381-6, Frankfurt 1979.

  10. Ebd.

  11. R. v. Gizycki, U. Weiler, Mikroprozessoren und Bildungswesen, in: Sozialwissenschaftliche Reihe des Battelle-Instituts, Band 2, München, Wien 1980.

  12. M. Koller, Die Kosten der Erwerbslosigkeit, in: MittAB 2/79, Nürnberg 1979.

  13. U. Frenzel, Flexibilität bei veränderten Bedingungen am Arbeitsmarkt, in: Sozialwissenschaftliche Reihe des Battelle-Instituts, Bd. 3, München Wien 1980. Nachdruck aus „Beiträge zur Arbeitsmarkt-und Berufsforschung" BeitrAB 30(1), herausgegeben vom Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg.

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Udo Frenzel, Diplom-Volkswirt, geb. 1941; seit 1968 wissenschaftlicher Referent im Battelle-Institut e. V., Frankfurt am Main, Hauptabteilung Wirtschafts-und Sozialforschung. Veröffentlichungen u. a.: Vom Schülerberg zum Rentnerberg — Die programmierte Dauerkrise?, Frankfurt 1976; Noch mehr Arbeitslose, Weinheim 1977; Der Arbeitsmarkt der Zukunft im Modell, Wien 1978; Bildungswunsch und Arbeitsmarktrealität, Frankfurt 1978; Flexibilität bei veränderten Bedingungen am Arbeitsmarkt, Nürnberg 1978; Technologische Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf Arbeitskräfte, Stuttgart 1978; Technologischer Stand mittelständischer Unternehmen, Bonn 1980; Projektionen als Entscheidungshilfe für die Bildungsund Arbeitsmarktpolitik, Wien 1981; weiterhin zahlreiche Publikationen zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie zur technologischen und wirtschaftlichen Entwicklung.