Der folgende Beitrag greift ein ebenso wichtiges wie umstrittenes Thema der aktuellen politischen Diskussion auf, das lange Zeit unbeachtet oder gar tabuiert gewesen ist. Es liegt in der Natur der Sache, daß die Autoren zur Verdeutlichung von Strukturen und zur Begründung ihrer Position auf Vorgänge, Personen, fnstitutionen und Organisationen kritisch Bezug nehmen. Die Redaktion vertritt die Auffassung, daß die prononcierten Thesen der Autoren eine — gelegentlich provozierende — Grundlage für eine wünschenswerte und notwendige, auch kontroverse Auseinandersetzung sein können, für die sich die Beilage als Forum anbietet.
Einleitung Kommunistische Unterwanderung: Ein dreidimensionales Problem Im November 1980 erschien von dem Autorenteam Flechtheim/Rudzio/Vilmar/Wilke eine Analyse sowjetkommunistischer 1) Einflußstrategien: „Der Marsch der DKP durch die Institutionen" 2). Nicht nur hat diese Arbeit eine Fülle widersprüchlicher Kritiken und Reaktionen hervorgerufen; es gibt auch eine Reihe wichtiger neuer Tatbestände und Analysen zum Thema — beispielsweise die Kommunismusdiskussion im Vorfeld des DGB-Kongresses im Frühjahr 1981, die Diskussion um den sowjetkommunistischen Einfluß in der neuen Friedensbewegung (Stichwort: „Krefelder Appell"), die Vorgänge an der gewerkschaftlichen „Akademie der Arbeit" in Frankfurt und nicht zuletzt eine Analyse DKP-naher Einflußstrategien an der Universität Oldenburg oder in der Zeitschrift „Konkret".
Fritz Vilmar hat daher in Zusammenarbeit mit Wolfgang Rudzio und Manfred Wilke den Versuch einer weiterführenden Klärung, Analyse und Dokumentation unternommen. Dabei waren vor allem folgende Probleme zu behandeln:
— Die Fakten sowjetkommunistischer Unterwanderung und ihre gesellschaftspolitische Relevanz;
— die Reaktion auf die sowjetkommunistischen Einflußstrategien und ihre kritischen Analysen;
— die Schlußfolgerungen für die politische Bildungs-und Organisationsarbeit.
Nicht zuletzt aber wird (im 4. Kapitel: Zur Soziologie linker Kaderpolitik) versucht, der brisantesten Frage auf die Spur zu kommen: Warum winzige politische Minderheiten, die in freien Wahlen unter
Die Ergebnisse dieser weiterführenden Untersuchungen werden im November 1981 in Buchform vorgelegt
Im folgenden haben wir einige der wichtigsten Partien aus dieser neuen Arbeit ausgewählt; da aus verschiedenen Gründen teilweise erhebliche Kürzungen notwendig waren, bitten wir den interessierten Leser, gegebenenfalls die detaillierten Analysen und Fallstudien des Buches heranzuziehen. Dies gilt insbesondere für bestimmte Fragen persönlicher Verantwortlichkeit, für die Antwort der Autoren auf die teilweise berechtigte Kritik an ihrem Buch „Marsch der DKP durch die Institutionen", ferner für die Fallstudien zu „Konkret", zur „Friedensbewegung", zu DKP-nahen Einflußstrategien im Schulunterricht und bei den Berliner Jusos; es gilt für die hier nur kurz umrissene Soziologie des Machtgewinns kleiner radikaler Minderheiten, und es gilt vor allem für die bildungs-und organisationspolitischen Schlußfolgerungen.
Die hier zusammengefaßte aktualisierte Bilanz ist dringend notwendig geworden, da nur die Sammlung der zahllosen, oft komplizierten Detailinformationen dem kritischen Zeitgenossen einen Überblick verschafft. Hinzu kommt, daß bei vielen Betroffenen eine fatale Neigung besteht, die Problematik „unter den Teppich zu kehren". Daher mußten auch die Mechanismen solcher Konfliktvermeidung, die vornehmlich im demonstrativen Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen oder Diffamieren der Kritik bestehen, mit besonderer Deutlichkeit herausgearbeitet werden. Denn eines ist sicher: Die Auseinandersetzung mit und um DKP-orientierte Tendenzen in manchen gewerkschaftlichen Bereichen, in Jugendgruppen und öffentlichen Bildungseinrichtungen ist nicht geleistet, sie steht den Betroffenen noch bevor. Und ihr Ausgang wird für die langfristige politische Entwicklung in der Bundesrepublik von großer Bedeutung sein.
Dabei sind zwei Vorbemerkungen notwendig.
Zunächst: Wenn im folgenden von DGB-Gewerkschaften die Rede ist, bedeutet dies keineswegs, daß diese allein Objekt kommunistischer Einflußversuche seien. Allerdings waren in Gewerkschaften die Auseinandersetzungen — freilich auch die Verharmlosungsversuche — besonders heftig. So ist das Problem kommunistischer Einflußnahmen mit dem letzten DGB-Programmkongreß und der Präambel des neuen DGB-Grundsatzprogramms keineswegs erledigt — ganz im Gegensatz etwa zu der Wunschvorstellung des „Vorwärts", daß das Votum dieses Programmkongresses gegen eine Einbeziehung der Kommunisten in die Traditionslinien der Einheitsgewerkschaft „das Schreiben weiterer Bücher über die angebliche kommunistische Unterwanderung des DGB unnötig gemacht" habe
Eine zweite klärende Vorbemerkung erscheint zum Begriff der „Unterwanderung" nötig, dessen Verwendung insbesondere in „linken“ Kreisen Stirnrunzeln hervorzurufen pflegt. Sicherlich verkommt der Begriff dann zum leeren antisozialistischen Klischee, wenn allein schon die Benutzung sozialkritischer Kategorien wie „Klassenkampf'oder Forderungen sozialer Neuordnung (Beispiel: Sozialisierung der Produktionsmittel) einer Gruppe den Verdacht einträgt, kommunistisch unterwandert zu sein. Eine präzise Bedeutung jedoch hat der Begriff überall dort, wo innerhalb einer Gruppe oder Organisation eine von außen gesteuerte Minorität, ohne ihre politische Identität offenzulegen, nur mit Hilfe dieses Unerkanntbleibens Machtpositionen erobert und die Organisation zu steuern versucht. Nun hat ein Mitglied des DKP-Parteipräsidiums, Ludwig Müller, den scheinbar plausiblen Einwand erhoben, Arbeitnehmer könnten eine Arbeitnehmerorganisation gar nicht unterwandern; das sei genauso unsinnig wie die Behauptung, der HSV würde von Fußballspielern unterwandert Der 1. Vorsitzende der IG Chemie hat demgegenüber eine Definition von „kommunistische Unterwanderung“ formuliert, die sich mit der hier formulierten weitgehend deckt und sie konkretisiert: „Es ist... gesagt worden: Arbeitnehmer können eine Arbeitnehmerorganisation nicht unterwandern. Natürlich sind die allermeisten KP-Funktionäre Arbeitnehmer. Sie sind aber andere Arbeitnehmer als die Mitglieder und Anhänger demokratischer Parteien. Ohne Zweifel können Arbeitnehmer, die politische Auffassungen haben, die zu gewerkschaftlichen Grundauffassungen im Widerspruch stehen, unsere Arbeitnehmerorganisationen im Sinne dieser abweichenden Auffassungen unterwandern. Ich verstehe unter . unterwandern'dabei:
a) Ein Ausmaß an Einfluß zu gewinnen, das der zahlenmäßigen Stärke dieses Einflusses nicht entspricht. b) Einfluß auf die gewerkschaftliche Meinungsbildung und auf gewerkschaftliche Entscheidungen zu nehmen, der nicht von den Interessen der Mehrheit unserer Mitglieder ausgeht, sondern von den Interessen und von den Aufträgen einer Partei oder einer politischen Gruppierung.
Der Hinweis: , das tun die Mitglieder anderer Parteien auch', geht an der Sache vorbei. Die Mitglieder anderer Parteien tun es aus eigener Erkenntnis und nach eigenem Entschluß. Sie tun es sowohl in die eigene Partei hinein wie in die Gewerkschaften hinein. DKP-Mit glieder haben in die eigene Partei hinein keinen Einfluß. Nach dem Prinzip des , demokrati-sehen Zentralismus'entscheidet die jeweilige Parteispitze, was die Mitglieder zu denken und zu tun haben. Die Parteispitze wiederum tut und denkt das, was die KP der UdSSR will...
Mitglieder der DKP können nur Meinungen und Auffassungen ihrer Partei in den Gewerkschaften vertreten, und sie tun das nicht nur, sie müssen das tun, wenn sie nicht gegen die Disziplin ihrer Partei verstoßen wollen."
I. Die Macht von nullkommadrei Prozent und die Apathie der Mehrheit
Die gesellschaftlichen Prozesse und Probleme sind in der Bundesrepublik derart komplex, daß auch der politisch Interessierte keine Detailkenntnisse in allen Bereichen haben kann. Dies gilt nicht zuletzt für die Diskussion um kommunistische Einflußgewinne in einigen gesellschaftlichen Teilbereichen, zumal sich diese zumeist in einem Halbdunkel abspielen und von interessierter Seite auch in diesem Halbdunkel gehalten werden. Unkenntnis und Fehlurteile in der Öffentlichkeit sind daher gerade bei diesem Problemzusammenhang verbreitet und nicht überraschend. Entgegen verbreiteter Verharmlosungswie Dramatisierungstendenzen ist daher auf drei zentrale Ergebnisse unserer Publikation „Der Marsch der DKP... hinzuweisen:
Erstens kann von generellen Unterwanderungserfolgen in linken Partei-oder Gewerkschaftsorganisationen, in Jugendgruppen oder im Hochschulbereich bislang in der Bundesrepublik keine Rede sein.
Zweitens aber haben DKP-Einflußstrategien in zukunftsentscheidenden gesellschaftlichen Teilbereichen, nämlich in der Jugend-und Bildungsarbeit, insbesondere auch wichtiger Gewerkschaften, im Laufe der siebziger Jahre erfolgreich gewirkt. Sie haben in manchen westdeutschen Gewerkschaften immerhin zu einer derartigen Konfliktunfähigkeit der Funktionärsmehrheit geführt, daß weithin eine offene Auseinandersetzung vermieden wird und statt dessen DKP-kritische Analysen totgeschwiegen bzw. diffamiert werden.
Drittens ist mehr und mehr ein für den Fortbestand demokratischer Organisationsstrukturen höchst bedrohlicher Tatbestand offenbar geworden: die Möglichkeit kleiner, kadermä'g operierender Minderheiten, infolge der Apathie der großen Mehrheit, Machtpositionen in Jugend-, Gewerkschaftsund Bildungsorganisationen zu erobern. Zum Einfluß von DKP-Orientierungen in Gewerkschaften kine „chronique scandaleuse" des sowjetkom-munistischen Einflusses in Gewerkschaften u sich hier auf Beispiele beschränken, die ch folgendes erkennen lassen: — deutliche Schlüssel-bzw. Machtpositionen von DKP-nahen
— „Import" sowjetmarxistisch orientierter Texte in die gewerkschaftliche Bildungsarbeit;
— kommunismus-freundliche Orientierungen an gewerkschaftlichen oder gewerkschaftsnahen Bildungsstätten sowie in einzelnen Hochschulen.
Positionen in Gewerkschaften 1. Die aktuelle Diskussion um die kommunistische Unterwanderung begann nach der 10. DGB-Bundesjugendkonferenz im Dezember 1977. Auf dieser Jugendkonferenz wurde bereits von der Antragskommission ein Initiativantrag zur Solidarität mit dem damals inhaftierten Rudolf Bahro abgeblockt. Auch war eine klare Mehrheit dagegen, daß in eine Resolution für die Weltjugendfestspiele in Kuba ein Passus ausgenommen wurde, der sich gegen die Hegemonieansprüche der Sowjetunion wandte. Auf der Konferenz selbst wurden Beschlüsse der SDAJ (der sowjetkommunistischen „Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend") als Anträge aus gewerkschaftlichen Jugendgremien eingebracht.
Die SDAJ zeigte auf dieser DGB-Bundesjugendkonferenz erstmalig Flagge. Das für die Jugend zuständige DGB-Vorstandsmitglied Karl Schwab schrieb daraufhin einen Bericht, in dem er den „kompromißlosen" Durchmarsch der jungen Sowjetkommunisten beklagte und den Erfolg der SDAJ auf die „Kaderpolitik der DKP" zurückführte. Schwab wurde daraufhin einer heftigen Kritik seitens zweier Vorstandsmitglieder der IG Metall unterzogen: „Der Kollege Schwab hat voreilig mit Rückschlüssen, die einer ernsthaften Prüfung nicht standhalten, dem Gerede von der . kommunistischen Unterwanderung'Vorschub geleistet."
Hervorgetan hat sich der HBV-Vorstand auch im Vorfeld der DGB-Grundsatzprogrammdiskussion. Worum es ihm ging, formulierte Christian Götz in einem Interview mit der Gewerkschaftspostille der DKP, den „Nachrichten“: „Bei der Darstellung der Geschichte geht es um . historisch korrekte'Aussagen, die zugleich die heutige Position der Einheitsgewerkschaft stärken." 10)
Von welcher Qualität die von Götz geforderte „historisch korrekte" Aussage über die Gewerkschaftsgeschichte tatsächlich war, hat Müller-Vogg dargestellt: „Die HBV will unter scheinbarem Verzicht auf die Erwähnung parteipolitischer Richtungen besonders den Beitrag der freigewerkschaftlichen und christlichen Gewerkschaften bei der Entstehung des DGB hervorgehoben wissen ... Die scheinbare historische Genauigkeit der HBV machte es letztlich nur den Kommunisten leichter, mit dieser Formulierung zu leben. Die sogenannten freien Gewerkschaften waren nämlich bis zur Abspaltung der kommunistischen revolutionären Gewerkschaftspositionen Ende der 20er Jahre eine sozialistische Einheitsgewerkschaft, in der die freiheitliche, sozialdemokratische Richtung die Mehrheit und der totall- tire kommunistische Flügel eine einflußreiche Minderheit bildeten. An diese Tradition würde mancher Gewerkschafter gern wieder anknüpfen, und es dürfte kein Zufall sein, daß die drei Vorkämpfer für eine Änderung der vorgeschlagenen Präambel (Druck und Papier, HBV, Holz und Kunststoff) zu den Einzelgewerkschaften zählen, die das DKP-nahe Institut für marxistische Forschungen dem . progressiven' Flügel des DGB zurechnet.
4. Tendenzen zu einer Machtübernahme von DKP-Bündnispartnern bestehen innerhalb der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Im Landesverband Nordrhein-Westfalen der GEW stand im Herbst 1979 die Übernahme der Mehrheit des Landesvorstandes durch das fortschrittliche Bündnis" auf der Tagesordnung. Im Vorfeld der Vertreterversammlung formulierte die Vorsitzende der GEW Nordrhein-Westfalen, Ilse Brusis, für den DGB-Landesbezirksvorstand von Nordrhein-Westfalen „Thesen zur Diskussion um kommunistische Aktivitäten in den DGB-Gewerkschaften".
In diesem Papier ging es um die Methode des Machtgewinns der DKP in den Gewerkschaften:
„In der gegenwärtigen gewerkschaftlichen Auseinandersetzung resultieren die größten Schwierigkeiten mit Kommunisten aus deren Streben, unidentifizierbar zu sein.
Eine Sondergruppe ... betreibt objektiv die Politik der Kommunisten, aber in einer Weise, die sie in der Regel weder sprachlich noch aktionsmäßig besonders auffallen läßt.“ (S. 36)
Durch die Hereinahme eines DKP-Mitgliedes als Leiter des wichtigsten Vorstandsreferates gelang es 1979 noch einmal, eine „fortschrittli-
ehe Mehrheit" im Landesvorstand der GEW Mordrhein-Westfalen abzuwenden. Der damalige Stadtverbandsvorsitzende der GEW in Köln, Fritz Bilz, erklärte dies im März 1981 in einem Gespräch so: 1979 habe personell und qualitativ die Gefahr der Spaltung des Verbandes bestanden, wenn die Linke auf der Vertreterversammlung „durchmarschiert" wäre;
diese Gefahr bestehe 1981 nicht mehr, die Zeit unserer" Rücksichtnahme sei vorbei. Wie zur Bestätigung fand in Düsseldorf am 17. März 981 eine Demonstration der Stadtverbände Düsseldorf, Essen, Bochum, Köln und Wuppertal gegen die Bildungspolitik der nordrhein-westfälischen Landesregierung statt. Das Besondere an dieser Demonstration: Sie wurde gegen den erklärten Willen des DGB-Landesbezirks und des GEW-Landesvorstandes durchgeführt.
Der Einfluß von „fortschrittlichen Bündnissen" war auch auf dem Gewerkschaftstag der GEW im November 1980 in Mainz zu spüren. Die „linken" Landesverbände Hamburg, Berlin, Niedersachsen, Bayern und Hessen trafen vor dem Kongreß Wahlabsprachen. Der damalige Hamburger Landesvorsitzende Dietrich Lembke (SPD) kündigte auf dem Gewerkschaftstag an, daß man das nächste Mal einen Vorstand wählen müsse, der die Beschlüsse dieses Gewerkschaftstages in die Tat umsetzen würde. So ist es in München im September 1981 dann auch geschehen.
Wie es in der GEW Niedersachsen aussieht, wurde grell beleuchtet durch eine „notwendige Rezension" des „Marschs der DKP .. . unter Mitwirkung des Landesgeschäftsfüh-rers
Daß auch von GEW-Bezirken eine Formulierungsänderung zum DGB-Programm eingebracht wurde, die die Ausgrenzung der Kommunisten aus dem Kreis der politischen Kräfte, die die Einheitsgewerkschaft geschaffen haben, vermeiden sollte, rundet das Bild über die in dieser Gewerkschaft sich herausbildenden Mehrheitsverhältnisse ab.
Gewerkschaftliche Bildungsmaterialien mit Schlagseite Seit 1978 wurden nicht weniger als fünf beach-tenswerte Fälle bekannt, in denen — teils mit, teils ohne Erfolg — versucht wurde, Seminar-leitfäden, Broschüren und Bücher in die gewerkschaftliche Bildungsarbeit einzuschleusen, die teilweise oder völlig aus sowjetmarxistischer Sicht geschrieben waren. Besonders skandalös war der Fall eines „Arbeitsheftes''der IG Metall zur Erinnerung und politisch-didaktischen . Aufarbeitung" der vor 100 Jahren (1878) gegen die Sozialdemokratie erlassenen Sozialistengesetze
peralismus, der immerhin für den Kalten Krieg zwischen den beiden Blöcken nach 1945 und das Wettrüsten wie auch für die Militarisierung der Dritten Welt mitverantwortlich zu machen ist.
Ein ähnliches Schicksal ereilt^ im Frühjahr 1981 ein für die Bildungsarbeit im DGB-Landesbezirk NRW erarbeiteter Leitfaden zum Thema „Faschismus — Neofaschismus". Jutta Roitsch berichtet darüber: „Wegen Einseitigkeit, Dürftigkeit und , DKP-Handschrift'hat der Landesbezirk Nordrhein-Westfalen des Deutschen Gewerkschaftsbundes einen in höherer Auflage gedruckten Referentenleitfaden zum Thema . Faschismus-Neofaschismus’ eingezogen. Wie zu erfahren war, untersagte der DGB-Vorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Siegfried Bleicher, die weitere Auslieferung der Broschüre und die Anwendung in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit des DGB." Die entscheidenden Gründe für die Ablehnung der Broschüre waren die im Leitfaden vorgeschriebene Ablehnung der Totalitarismustheorie, weil durch sie mit dem Faschismus auch der (Sowjet-) Sozialismus „diskreditiert würde“, sowie „der vorgeschriebene Vergleich zwischen 1929 bis 1933 ... und 1973 bis 1981", wobei als „Provokationsfrage" vorgegeben sei: „droht heute wie vor 33 eine faschistische Entwicklung?
Mit diesen mehr oder weniger mißlungenen Versuchen der Einflußnahme über Bildungsmaterialien ist dieses Thema aber nicht abgeschlossen. Bereits seit Beginn der siebziger Jahre vollzog sich in der Jugend-Bildungsarbeit eine Auseinandersetzung über den soge-nannten „Erfahrungsansatz" und den „Leitfadenansatz". Während der erstere ohne vorgegebene starre Lernschritte, von den konkreten betrieblichen Erfahrungen der gewerkschaftlichen Lehrgangsteilnehmer ausgehend, das „Ziel der Entwicklung eigenständiger Handlungskompetenz der Teilnehmer“ verfolgt, will der Leitfadenansatz zwar auch von unmittelbaren Erfahrungen der Kollegen ausgehen, diese jedoch lediglich als Anknüpfungspunkt benutzen für eine dann von den Referenten vorzutragende „objektive Lehre“ über den Gegensatz von Kapital und Arbeit im Betrieb und die verschiedenen, von den Funktionären einzuhaltenden gewerkschaftlichen und betriebs-verfassungsrechtlichen Handlungsstrategien.
Brock/Mückenberger/Negt haben in einer Analyse
Einen in diesem Zusammenhang besonders bemerkenswerten Versuch, in die gewerkschaftliche Bildungsarbeit einzudringen, unternahm schließlich eine Marburger Politologengruppe um Frank Deppe mit ihrer im DKP-
nahen Pahl-Rugenstein-Verlag erschienenen „Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung“. Dies schien zunächst auch unbemerkt zu gelingen — das zu einem Taschenbuchpreis vertriebene, fast 500 Seiten starke Buch fand ein Jahr lang ungestörte Verbreitung. Erst im Herbst 1978 erschien in mehre-ren Zeitschriften
Selbst diese Rezension hätte wahrscheinlich nicht viel bewirkt, wenn nicht die Besprochenen geholfen hätten. Bevor noch die Besprechung erschienen war, schickten nämlich Deppe u. a. ein zehnseitiges Gutachten (mit einem Kommentar von Wolfgang Abendroth) an alle Gewerkschaftsvorstände und deren Presseabteilungen. Tenor der Marburger Stellungnahme: Scharrer hätte keine Buchbesprechung geliefert, „sondern eine Sammlung von hinterhältigen Unterstellungen, offenen Unwahrheiten und Verzerrungen". Ziel dieses Schreibens: Scharrers Buchkritik sollte unterdrückt werden.
Der Brief wurde entgegen den Intentionen seiner Absender öffentlich. Die Absicht der Verfasser, eine wissenschaftliche und politische Auseinandersetzung über ihre Sicht der Gewerkschaftsgeschichte zu verhindern, kehrte sich ins Gegenteil um: Eine breite öffentliche Auseinandersetzung begann, in der renommierte Gewerkschaftshistoriker wie Theo Pirker, Helga Grebing und Gerhard Beier die eindeutig sowjetkommunistische Tendenz des Buches feststellten.
Wenn auch nach der wissenschaftlichen Kritik die kommunistische Tendenz des Marburger Geschichtswerks den Eingeweihten allgemein bekannt und damit seine „offizielle" Verwendung in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit ausgeschlossen ist, so muß andererseits davon ausgegangen werden, daß es „inoffiziell" — angesichts der bedeutenden Zahl DKP-na-her oder zumindest der Stamokap-Ideologie zuneigenden Teilnehmer und Referenten — in der gewerkschaftlichen (Jugend-) Bildungsar-beit weiterhin eine fatale Rolle spielt. ^owietkommunistischer Einfluß in i^erkschaftlichen Bildungseinrichtungen Dicht überall im Bildungsbereich ist sowjet-kommunistischer Einfluß so spektakulär wie in Marburg, wo die beherrschende Position Sowjetmarxisten im gesellschaftswissenöstlichen Bereich der Universität seit Jah-ren einen derartigen Zustrom DKP-naher Studenten bewirkt hat, daß bei Wahlen in Marburg die DKP ein Vielfaches ihres „normalen" Stimmenanteils erhält (so bei der Kommunalwahl 1981: 8, 1%). Im allgemeinen dringt nur zufällig und schlaglichtartig aufklärendes Licht in die „black boxes" gewerkschaftlicher (Hoch-) Schulen.
Ein erstes grelles Schlaglicht auf Meinungsund Machtverhältnisse in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit warf das „Oberurseler Papier"
Ein weiteres Schlaglicht auf DKP-orientierte Strömungen im gewerkschaftlichen Bildungsbereich warfen die Proteste einer studentischen Gruppe an der gewerkschaftsnahen Hamburger „Hochschule für Wirtschaft und Politik" (HWP). Studenten der HWP berichteten
Der bekannte Gewerkschaftspublizist Heinz Brandt, der als Gastdozent das ideologische Klima 24) in der Akademie kennengelernt hatte, charakterisierte dieses exemplarisch: „Für das derzeitige politische Klima an der Akademie, die von hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionären zur Weiterbildung besucht wird, ist nach Meinung Brandts aufschlußreich, wie dort zum Beispiel der 17. Juni 1953 behandelt wird. Nach Ansicht der Mehrheit der Hörer sei der Aufstand eine Konterrevolution gegen den Sozialismus gewesen, den man heute nur im Zusammenhang mit der NPD und Strauß zu behandeln brauche. Einer kritischen Minderheit sei es aber, so Brandt, gelungen, ihn dennoch für eine Diskussionsveranstaltung einzuladen. Allerdings ist der Marburger Politologe Abendroth als Korreferent hinzugezogen worden ... In der Diskussion habe er (Brandt, d. Vers.) dann freilich den Eindruck gewonnen, die Mehrheit der zuhörenden Gewerkschaftssekretäre hielte die damaligen Vorgänge für einen vom amerikanischen Geheimdienst finanzierten Putsch, wie das von der DKP behauptet werde.“
Die bei weitem größte Bildungsstätte der Gewerkschaften ist das Bildungszentrum Sprockhövel der IG Metall — mehrere Seminare mit bis zu 320 Teilnehmern können dort gleichzeitig durch die 35 Dozenten betreut werden. Das dort herrschende politisch-ideologische Klima wurde schlaglichtartig faßbar, als Peter von Oertzen (ehemaliger Vorsitzender der SPD in Niedersachsen) 1979 eine Kritik an Wolfgang Abendroth veröffentlichte
Exkurs: Einflußstrategien außerhalb der Gewerkschaften am Beispiel der Universität Oldenburg
Die eingangs getroffene allgemeine Feststellung, daß nicht allein Gewerkschaften ein Zielfeld sowjetmarxistischer Einflußstrategien darstellen, soll hier durch ein Beispiel aus dem Universitätsbereich unterstrichen werden. Dieses Beispiel kann auch helfen, die Frage zu beantworten: Wie ist es möglich, daß eine politische Richtung, die in der Bevölkerung kein halbes Prozent Anhänger hat und unter Studenten nur wenige Prozent
Die weitreichende und bis heute nicht überwundene Transformation des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaft an der Universität Marburg in ein von Sowjetmarxisten beherrschtes „Bildungszentrum" hat Vilmar bereits 1974 analysiert
Ähnlich wie anderswo bilden in der Universität Oldenburg MSB (Marxistischer Studentenbund Spartakus), SHB (Sozialistischer Hochschulbund), BdWi (Bund demokratischer Wissenschaftler) und DKP-Hochschulgruppe einen einflußreichen, bei Abstimmungen stets gleichgerichteten politischen Block; nicht zuletzt der örtliche SHB ist fest auf „das prinzipielle Bündnis mit dem MSB" und der DKP singeschworen
Ein Gesamtbild der zahlenmäßigen Verhältnisse anhand von klaren Kampfabstimmungen im höchsten repräsentativen Organ der Universität, dem Konzil, zu gewinnen, ist jedoch schwierig, da es derartige Abstimmungen im wesentlichen nur in der Frühphase gab: Damals eroberten in eindeutigen Kampfabstimmungen MSB/SHB/BdWi/DKP drei von vier Sitzen im Konzilspräsidium und behaupteten später die Hälfte der Sitze
Das Bündnis wird vielmehr durch Kompromisse fallweise weiter gespannt, und nicht selten findet man Abstimmungspartner, die zu Mehrheiten verhelfen. U. a. interessant sind hierbei starke, dem Sozialistischen Büro nahe-stehende Strömungen vor allem bei wissenschaftlichen Mitarbeitern und Professoren, von denen mancher dazu neigt, in der Bundesrepublik „Gewaltverhältnisse" zu diagnostizieren. Daneben spielen Einflußnahmen auf Positionsinhaber eine Rolle, die gar nicht den Gruppen des Blocks angehören: Eine Mischung von Umwerben und Druck, vor allem intensive Kontakte und der taktische Einsatz des eigenen disziplinierten Stimmenpotentials werden offensichtlich mit dem Ziel eingesetzt, auch aus Minderheitenpositionen heraus Einfluß auszuüben bzw.früheren Abstimmungsniederlagen vieles von ihrer Wirkung zu nehmen.
Ein Objekt solcher Einflußnahme war beispielsweise der Universitätsrektor der Jahre 1974— 1979. Ursprünglich gegen die Stimmen von MSB/SHB/BdWi/DKP gewählt, befrie(er mit dem Bemühen um „Konsens" zunehmend seine anfänglichen Kontrahenten. Symptomatisch waren hier offenbar u. a.seine Stellungnahme bei den Berufsverbote-und Ossietzky-Kampagnen des „antimonopolistischen Bündnisses" (s. unten) und sein Verhalten bei einem 1977 von MSB/SHB initiierten „Streik", zu dessen Unterstützung durch umfunktionierte Lehrveranstaltungen auch das Konzil aufgerufen hatte; trotz Aufforderung unternahm der Rektor nichts Erkennbares gegen eine schriftlich und öffentlich angekündigte Vorlesungssprengung durch den MSB/SHB-ASTA
Werbung durch Interessenvertretung I: Zur Rekrutierung studentischen Anhangs Interessanter als der in Gremien manifeste Einfluß ist die Frage: Wie gewinnen die Gruppen des „antimonopolistischen Bündnisses'um die DKP ihren Anhang unter den Hochschulangehörigen? Auch wenn die DKP in der Stadt Oldenburg niedersächsische Spitzen-wahlergebnisse erzielt, im Rat der Stadt vertreten ist und bei den örtlichen Jungsozialisten Stamokap-Positionen vorherrschen —die überwältigende Mehrheit der Hochschulangehörigen kommt doch ohne einschlägige . Vorbildung’ in die Universität. Die politische Sozialisation ins . richtige’ Weltbild kann zumeist erst dort beginnen und muß antikommunistische Vorbehalte überwinden.
Von größerer Bedeutung als offene politische Agitation ist daher indirekte Werbung durch „Interessenvertretung". So führen sich MSB und SHB vor den Studierenden als „gewerkschaftlich orientierte“ Gruppierung auf, als strammste Vertreter studentischer Interessen. BAföG-Erhöhungen, Gremienmitbestimmung, Senkung von Prüfungsund Studienanforderungen, „fortschrittliche Studieninhalte" sind typische Forderungen, die anstelle des Sozialismus ä la MSB/SHB in den Vordergrund gerückt werden.
Verdeckt und anscheinend am wirksamsten jedoch ist die Werbung auf andere Weise, nämlich wenn MSB und SHB als Organisationen gar nicht in Erscheinung treten, sondern ihre Aktiven unter dem Mantel unverfänglicher Organisationsformen „Interessenvertretung" betreiben. Als passende Hülle bieten sich hier die studentischen „Fachschaften" an: Deren Fachschaftsräte, weil aus Seminarsprechern (zu deren — leicht manipulierbarer — Wahl es merkwürdigerweise nur in einem Teil der Lehrveranstaltungen kommt) und studentischen Mitgliedern der Studienkommissionen zusammengesetzt, stellen ein leicht von MSB/SHB besetzbares Feld dar — auch wenn sich dort daneben noch schwach organisierte andere Grüppchen tummeln. Interessant sind die Fachschaften als eingeführte Träger von „Studienberatung", die zudem auch Einführungs-und Wochenendveranstaltungen für Erstsemester anbieten. Nach „erfolgreicher Studienberatung durch als solche nicht erkennbare MSB/SHB-Vertreter wandern Studierende zum anspruchlosesten Dozenten oder landen in ideologischen Paradeveransta • tungen. Die Wirkung nahestehender Lehrkräfte wird auf diese Weise höher, als es ihrer Zahl oder der ihrer Veranstaltungen entspräche; eine Mammutveranstaltung mit 150 oder 300 Teilnehmern erreicht (mit Tutoren.) ebenso viele Adressaten wie 10 bzw. 20 durchschnittlich besuchte Veranstaltungen.
Die zweite Funktion der Fachschaften im Rahmen der MSB/SHB-Strategie ist die des ideologischen . Durchlauferhitzers': Sie sind der Ort, wo MSB/SHBler unverfänglich in Kontakt mit potentiellem Nachwuchs kommen, wo persönliche Sympathiegewinne unmerklich politisch umgemünzt werden können. Am Ende steht dann die Story, mit der MSB/SHB-Flugblätter gern neue Kandidaten vorstellen: Kam ahnungslos in die Uni, fand mich nicht zurecht und hatte Schwierigkeiten, fand nette Hilfe bei Fachschaftlern, bin nun, aufgeklärt über den Zusammenhang zwischen „Studienmisere“ und „Grundwiderspruch", MSBbzw. SHB-Mitglied.
Ein verlockendes Feld für Interessenvertretung sind auch jene 32% Oldenburger Studenten, die als Nichtabiturienten in die Universität kommen
Werbung durch Interessenvertretung II:
Zielgruppe Dienstleister Beim nichtwissenschaftlichen Personal der Universität produziert sich die DKP-Hochschulgruppe (übrigens die einzige Parteigruppe an der Universität) als vorbildliche Vertreterin seiner Interessen: Sie ficht vehement für die Konzentration der Verwaltung im Zentrum der Universität (auf Kosten der wissen-schaftlichen Bereiche), gegen Stechuhren bei gleitender Arbeitszeit und ringt für Höher-gruppierungen sowie Beförderungen auch ohne Verwaltungsprüfungen
Entscheidend aber ist auch hier, daß man zumeist nicht unter dem DKP-Firmenschild agiert. Unterschlupf haben Orientierungen des „antimonopolistischen Bündnisses" innerhalb der OTV-Betriebsgruppe gefunden. Diese unverfängliche Organisation ist strategisch um so interessanter, als die OTV bei Personalratswahlen gegenüber der Konkurrentin DAG deutlich dominiert. Ergebnis: Ein DKP-Rats-kandidat konnte 1975— 1977 (bis zum beruflich bedingten Ausscheiden) sogar als Personalratsvorsitzender der Universität amtieren, und auch 1980 gehören von insgesamt fünf Vorstandsmitgliedern des Personalrats zumindest zwei der DKP bzw.dem BdWi an
Manipulative Bewußtseinsbildung I: Berufsverbotekampagne MSB, SHB und DKP betreiben zwar Schulungsarbeit im Sinne ihrer grundsätzlichen Vorstellungen, und jeder, der dorthin geht, weiß, wovon er überzeugt werden soll. Die Masse der Hochschulangehörigen ist aber auf diesem Wege nicht zu erreichen. Neben werbender Interessenvertretung zielen auf sie daher Methoden manipulativer Bewußtseinsveränderung, Kampagnen, bei denen unverfängliche Positionen als Transporteur ideologischen Sprengstoffs dienen.
Ein charakteristisches Beispiel hierfür ist die Dauerkampagne gegen die „Berufsverbote". Sie gehört fast zum offiziösen Selbstverständnis der Universität Oldenburg, standen doch fast immer einschlägige „Fälle" bei Absolventen oder Mitarbeitern der Universität an, Anlaß ständiger Agitation der Kräfte des „antimonopolistischen Bündnisses" und — nicht zuletzt — zahlreicher Gremienbeschlüsse, vor allem des Konzils. Nun läßt sicherlich Kritik an den einschlägigen Regelungen und der Praxis in der Bundesrepublik nicht schon auf DKP-Orientierungen schließen und muß diese auch nicht mittelbar fördern. Aber: Spezifische Argumentationen, wie sie von „antimonopolistischen Kräften" bei dieser Thematik erfolgreich in den Meinungsbildungsprozeß an der Universität Oldenburg eingeschleust sind, sprechen jedenfalls in ihrer Summe für DKP-Nähe:
— So wird, nicht nur von Seiten der Block-Gruppen, sondern auch vom Konzil der Universität, immer wieder von den „verfassungswidrigen Berufsverboten" gesprochen
— Auch das Konzil hat bezüglich Betroffener einfach von „politisch mißliebigen Bewerbern" gesprochen oder davon, es gehe bei ihnen um die Tätigkeit in einer „legalen" Partei oder um ihre Arbeit für „Frieden und Freundschaft"
— In diese Linie fügt sich, wenn der Senat der Universität Oldenburg beschloß, die von „Berufsverbote-Verfahren Betroffenen „soweit wie möglich durch Einstellung als Hilfskräfte (in der Universität, d. Vers.) finanziell zu unterstützen"
— Bemerkenswert ist ferner, daß sich das Konzil der Universität — ganz im Sinne des „antimonopolistischen Bündnisses“ — in seinem Kampf gegen Berufsverbote „mit allen demokratischen Hochschulangehörigen und allen Demokraten einig" sah
— Schließlich hat auch das Konzil mehrfach die Hochschulangehörigen zur Unterstützung kommunistisch beeinflußter Berufsverbote-Aktionskomitees außerhalb der Universität aufgefordert
Manipulative Bewußtseinsbildung II: Ossietzky-Kampagne Auch die Forderung der Universität, sie nach dem im Dritten Reich verfolgten politischen Publizisten und Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky zu benennen, wird für die Zwecke des „antimonopolistischen Bündnisses" zu instrumentalisieren gesucht. Ossietzky als Symbol für die Opfer des Nationalsozialismus und den Willen zum Frieden: Dies wäre eine diskutable Sache, die viele (so auch den Autor dieses Beitrags) die Namensnennung bejahen ließ.
Tatsächlich aber ist der Block um den MSB (aus dem auch der Namensvorschlag stammt) seit Anbeginn bestrebt, mit Ossietzky die Universitätsangehörigen auf eine Volksfrontpolitik und einen Kampf gegen „Rechts" zu verpflichten. Er war dabei so weit erfolgreich, daß bereits 1975 der damalige sozialdemokratische Wissenschaftsminister den Universitätsgremien öffentlich den Vorwurf machte, nicht der Instrumentalisierung Ossietzkys für das Volksfrontbündnis entgegenzutreten. Die Reaktionen hierauf wirkten wenig widerlegend. Man wolle sich mit Ossietzky nicht auf eine bestimmte Strategie festlegen, erklärte zwar der Rektor, zugleich aber hervorhebend, Ossietzky sei in einer bestimmten Situation für ein Zusammengehen mit der KPD eingetreten; und der Pressesprecher der Universität charakterisierte Ossietzky bei dieser Gelegenheit als „Kritiker der politischen Szenerie (der Weimarer Republik, d. V.) vom demokratischen Standpunkt aus ..., ein Kämpfer um Demokratie, dessen zahlreiche Schriften sich auch mancher Sozialdemokrat hinter den Spiegel stecken sollte"
Weniger der Verfolgte als Konsenssymbol für Demokraten, sondern mehr der politische Schlagstock gegen „Rechts” (wozu sich auch die Mehrheit der SPD zählen darf) kam in einem Ossietzky-Beschluß des Konzils von 1978 zum Vorschein: Darin wird u. a. hervorgehoben, Ossietzky sei sowohl im Dritten Reich wie in der Weimarer Republik verfolgt worden und habe sich „für konsequenten gesellschaftlichen Fortschritt und gegen retardierende politische Kompromisse" eingesetzt
Volkerung nicht mehr geleistet werden können
Der Namensstreit um Ossietzky gibt schließlich noch mehr her. Mit ihm nämlich läßt sich die Universität und der gutgläubige Student immer wieder in Konfrontationen mit der früher SPD-, jetzt CDU-geführten Landesregierung treiben. Diese ist gegen die Namensgebung, also gegen einen Friedensnobelpreisträger, gegen die Ehrung des „antifaschistischen" Widerstands, lauten u. a. die einschlägigen Argumentationen. Im übrigen fordert man den Namen nicht nur, man führt ihn einfach: nicht nur selbstverständlich MSB/SHB/BdWi/DKP in ihren Veröffentlichungen, auch Fachschaften, der öffentlich-rechtliche ASTA und gelegentlich das Konzil
Das Meinungsklima: Im Vorhofder antimonopolistischen Demokratie?
MSB/SHB/BdWi/DKP können sich teilweise in Gremien und Versammlungen infolge verbreiteter Apathie anderer, insbesondere Studierender, durchsetzen, zuweilen auch durch massenhaftes Auftreten, durch „unseren massiven Druck", dessen sich der ASTA beim Kippen von Gremienmehrheiten rühmt
Einzelne widerspenstige Professoren und Assistenten werden gelegentlich schriftlich und öffentlich als „Ratten", „Henker" oder „Erpresser" gebrandmarkt; nicht zum „antimonopolistischen Bündnis" gehörige Hochschullehrer-fraktionen als „Gang" bzw. „Zusammenrottung" bezeichnet; mal wird auch einem Hochschullehrer und einem Teil seiner Hörer vom ASTA schriftlich das moralische Recht zum Leben abgesprochen — selbstverständlich ohne daß irgendein Universitätsorgan dagegen öffentlich Laut gibt. Dies hinzunehmen ist, wie neu in diese Universität Gekommene lernen, „Sozialisation nach Oldenburger Art"
Mehr als durch solche partiellen und eher punktuellen Regelverletzungen ist das Meinungsklima jedoch durch zwei andere Faktoren bestimmt: Dies ist einmal eine verbreitete politische Apathie, vor allem bei Studierenden (was sich in Wahlbeteiligungen von zuweilen nur 20 % zeigt), verbunden mit unpolitischer Konfliktscheu bei vielen Wissenschaftlern und Studierenden, die mit kommunistischen Orientierungen nichts zu tun haben. Der andere prägende Faktor sind gänzlich offene, fließende Übergänge zwischen harten DKP-Kadern, festabonnierten Bündnispartnern, unverbindlichen Sympathisanten bis hin zu ahnungslos Verführten und opportunistisch Kooperierenden; die Unterscheidung demokratisch/antidemokratisch hat weithin kaum Gewicht. Indem in einer Art Lagermentalität die politisch-gesellschaftliche Umwelt vielfach als feindlich empfunden wird, neigt mancher zu zumindest „kritischer Solidarität" mit den doch „auch linken" MSB/SHB/BdWi/DKP gegenüber der Außenwelt.
Die Wirkung des skizzierten Einflusses ist zumeist auch nicht bewußte DKP-Anhängerschäft. Seine Sozialisationseffekte bestehen bei vielen Hochschulangehörigen hingegen darin, daß — die Bundesrepublik als Land schwerster und zunehmender gesellschaftlicher Mißstände und politischer Repression empfunden wird;
— kommunistische Orientierungen als legitimer Part im Lager der „fortschrittlichen“ Kräfte betrachtet werden;
— institutionalisierten demokratischen Regeln geringere Bedeutung zugemessen wird, wenn sie dem erkannten Fortschritt entgegenstehen. 2. Apathie plus Kaderpolitik: Der Tod der Demokratisierung Mb)
Auf dem Hintergrund der bisher referierten Tatbestände muß nun eine prinzipielle Frage gestellt werden: Wie können relativ kleine Gruppen von Aktivisten, meist mit minimaler Anhängerschaft, in wichtigen „linken" Organisationen und Bildungsbereichen einen derarti-gen Einfluß erreichen? Und: Was bedeutet dies für den demokratischen Willensbildungsprozeß in gesellschaftlichen Teilbereichen?
1. Die Antwort auf die erste Frage lautet, daß diese Erfolge das Ergebnis von zwei auf sehr verschiedene Weise undemokratischen Verhaltensweisen sind: politische Apathie der großen Mehrheit auf der einen Seite und totale Präsenz und Kaderpolitik einer Minderheit auf der anderen Seite. Gefahr kann demokratischen Organisationen also nur drohen, weil es jene inaktive und konfliktscheue Biedermannshaltung der Mehrheit gibt, die dem zerstörerischen Wirken der rechten oder linken Antidemokraten Wege zum Erfolg öffnet
Das Kalkül mit der Apathie der großen Mehrheit, das kleinen Aktivistengruppen auf völlig .demokratischem“ Wege ganz überproportionale Machtanteile verschafft, ist einfach: Ein politischer oder gewerkschaftlicher Ortsverband, ein Fachbereich, ein Jugendverband etc. mag 2 000 Mitglieder haben. Wenn von ihnen nur 5— 10 % aktiv sind und wenn von diesen 100 bis 200 Aktiven, die bei „Voll-“ oder Mitgliederversammlungen, bei Demonstrationen und politischen Aktionen anwesend sind, nur 60 bis 120 (meist kaum identifizierbare, sich nicht zum Sowjetmarxismus offen bekennende) DKP-Freunde sind, so bestimmen diese 3 bis 6 % eben die„Linie" des Verbandes; sie werden zu Delegierten und in Gremien gewählt, während die 94— 97 % Andersdenkenden dies ils bequeme, inaktive Biedermänner geschehen lassen.
Dieses scheinbar simple Zahlenbeispiel führt zum entscheidenden Punkt der Erörterung: zu der sich ausbreitenden Gefahr einer Zerstörung demokratisierter Strukturen durch Apathie der großen Mehrheit einerseits und zielbewußter Kaderpolitik einer kleinen Aktivistengruppe andererseits. An sich ist es weder neu, noch erscheint es für demokratische Or-ganisationen besonders besorgniserregend, daß demokratische Prozesse — von politischen Wahlen abgesehen! — von Minderhei-ten getragen werden und daß die von diesen linderheiten gewählten Vertreter — die De-
egierten, Räte, Vorstände, Sprecher, Aus-schösse — de facto oft nur von einem Brucheil der Betroffenen ausgewählt werden; angesichts des Mangels an Personen, die bereit sind, ehrenamtliche Funktionen zu übernehen kann häufig noch nicht einmal von Wahl er Auswahl auf dieser verminderten Basis " eRedesein
Mit diesem zweifellos defizienten Modus demokratischer Prozesse kann man sich — insbesondere, wenn man ein bestimmtes Maß an politischer Apathie für unausweichlich hält — solange abfinden, wie jene aktiven Minderheiten und Funktionsträger, wenn auch formal nicht gerade sehr breit demokratisch legitimiert, sich inhaltlich legitimieren, indem sie nach bestem Wissen und Gewissen im Interesse aller Betroffenen und ihrer „Flügel" handeln.
Die Krise und die Zerstörung demokratisierter Strukturen und schließlich des gesamten Demokratisierungskonzepts aber tritt dann ein, wenn diese Voraussetzung — daß die Aktivisten subjektiv als Interessenvertreter ihrer Basis fungieren — nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt gilt
II. Reaktionen: Flagge zeigen oder unter den Teppich kehren?
Die dargestellten Fakten (die nach Lage der Dinge nur die Spitze eines Eisberges sein können) sollten alarmierend genug sein, um innerhalb wie außerhalb der Gewerkschaften eine aktive Auseinandersetzung mit DKP-nahen Tendenzen auszulösen. Zu registrieren ist statt dessen ein zweiter alarmierender Tatbestand: daß nämlich diese Auseinandersetzung nur in einem recht begrenzten Ausmaß stattfindet und eher stärker dagegen die Tendenz ist, weiterhin den Tatbestand der kommunistischen Unterwanderung „unter den Teppich zu kehren", seine Kritiker totzuschweigen oder aber zu diffamieren — ganz der Feststellung Tucholskys gemäß, daß in Deutschland nicht etwa derjenige ein Nestbeschmutzer genannt wird, der das Nest beschmutzt, sondern derjenige, der den Schmutz beim Namen nennt.
Schon als 1974 die Kritik der kommunistischen Lehrinhalte und Personalpolitik am gesellschaftswissenschaftlichen Fachbereich in Marburg erschien, kam zwar einiges an öffentlichen Diskussionen und Maßnahmen in Gang, dem Autor jedoch wurde vorgehalten, er habe der CDU Munition geliefert. Diese klassische Rechtfertigung des Unter-den-Teppich-Kehrens wurde dann gegenüber der DKP-Kri-tik des Oberurseler Teams und den Autoren des „Marsches der DKP ...“ zu einem Haupt-motiv der Tabuierung. Auch die Veröffentlichung des Buches „Der Marsch der DKP durch die Institutionen" hat eine gespaltene Reaktion hervorgerufen, in der die Schwierigkeiten bundesdeutscher Auseinandersetzung mit kommunistischen Einflußstrategien besonders erkennbar werden. 1. Die Flagge zeigen 1. Zunächst zu den Reaktionen, in denen das Problem akzeptiert und die Auseinandersetzung mit ihm ausgenommen wurde: Im Bereich der Presse hat — jedenfalls bis zu einem gewissen Zeitpunkt — nicht nur die „Frankfurter Rundschau" durch Dokumentation fast aller relevanten Papiere und Statements in diese Auseinandersetzungen Licht gebracht
Was die Gewerkschaftspresse betrifft, zeugten vor allem Artikel in den „Gewerkschaftlichen Monatsheften", im „OTV-Magazin", in der „Gewerkschaftlichen Umschau" der IG Chemie und in der „Einheit" der IG Bergbau und Energie von einem wiedererwachten Bewußtsein für die Gefahr kommunistischer Unterwanderung. Als Resümee der Kommunismus-Diskussion in einem nicht unwichtigen Teil der gewerkschaftlichen Presse läßt sich formulieren, daß in einer meist relativ allgemein bleibenden Form kommunistische Geschichtsklitterung, DKP-und Stamokapideologie, aber auch die Destruktivität kommunistischer Gewerkschaftsarbeit dargestellt wurden. Das wichtigste Ergebnis war dabei, daß nach den Nachweisen verfälschender Umdeutung der Gewerkschaftsgeschichte im sowjetmarxistischen Sinn, wie sie in den Gewerkschaftsorganen „Die Quelle" (Manfred Scharrer), „Gewerkschaftliche Monatshefte" (Helga Grebing) und „OTV-Magazin" (Gerhard Beier) vorgelegt wurden, die Marburger „Geschichte der deutschen Gewerkschaften" für jeden Gewerkschaftsfunktionär, der nicht selbst ein Anhänger einer solchen DKP-nahen Geschichtsauffassung ist, als nur sehr bedingt verwendungsfähig in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit gelten muß.
2. Im übrigen blieb es nicht nur bei solch allgemeiner Kritik. Vielmehr suchte im „OTV-Magazin" dessen Chefredakteur, das Vorstandsmitglied Dieter Schneider, die dezidierte Konfrontation mit dem IG-Druck-Vorstandsmitglied Detlef Hensche — ein außergewöhnlicher Vorgang, da im allgemeinen zwischen den Gewerkschaften strikt das Prinzip der „Nichteinmischung", also auch des Verzichts auf öffentliche kritische Stellungnahmen zu Äußerungen einer anderen Gewerkschaft des DGB, eingehalten wird. Hensche hatte in mehreren Artikeln die kommunistische Unterwanderung in den DGB-Gewerkschaften verharmlost und als Legendenbildung abgetan. Seine Generalthese: „Bisher ist nirgends aufgezeigt worden, in welchen Fragen sich denn etwa kommunistische Gewerkschaftsarbeit von sonstiger, etwa sozialdemokratischer Gewerkschaftspolitik unterscheidet."
In seinem sehr entschiedenen Schlußkommentar zu dieser Kontroverse wies Schneider Hensche nach, daß dieser sich bewußt naiv verhalte, indem er unterschlage, daß Kommunisten seit jeher mit einem klaren parteipolitischen Auftrag und mit begrenzter Loyalität in den Gewerkschaften arbeiten. Dazu gehöre nicht nur, daß sie sich, laut DKP-Programm, nur für diejenigen Gewerkschaftsbeschlüsse einzusetzen haben, die nach der Festlegung des DKP-Parteivorstandes den „Interessen der Arbeiterklasse“ dienen, sondern auch, jeden Kritiker des sowjetkommunistischen Systems mit dem Hinweis mundtot zu machen, daß dies . bürgerlicher“, fortschrittsfeindlicher Anti-
kommunismus sei. „Antikommunismus," so Schneider, „ist eben nicht von bösen Kapitalisten erfunden und in die Arbeiterbewegung hineingetragen worden oder gar — wie uns Detlef Hensche glauben machen möchte -erst neuerdings wieder von der . Frankfurter Allgemeinen Zeitung'oder von CSU-Generalsekretär Edmund Stoiber auf die Tagesordnung gesetzt worden. Antikommunismus ist vielmehr von den Kommunisten selber gefördert und wachgehalten worden: durch ihre eigene Herrschaftspraxis. Er ist gewachsen aus bitteren und leidvollen Erfahrungen unzähliger Menschen, von denen nicht wenige unter uns leben."
Schneider zeigte, daß sich die „VerniedliChung" der sowjetkommunistischen Gefahr Wie ein roter Faden durch die Argumentation Hensches zieht, und er verwies als Beispiel duch auf dessen Reduzierung der Kontroverse uni die gewerkschaftliche Jugendarbeit auf Methodenfragen. Das sei angesichts der Aus-emandersetzung um Rudolf Bahro auf dem etzten DGB-Bundesjugendkongreß eine „un-glaubliche Bewertung". Darüber hinaus kon-statierte Schneider die Unvereinbarkeit von gewerkschaftlicher Autonomie mit den Zielen kommunistischer Parteipolitik: Es geht „um Ziele, die eine Partei, in diesem Falle die DKP, innerhalb der Gewerkschaften verfolgt. Hier sind die Gewerkschaften betroffen und gefordert; hier geht es darum, sich von Positionen abzugrenzen, die niemals — es ist zu betonen: niemals — von freien Gewerkschaften akzeptiert werden können — es sei denn, sie wollten sich selber aufgeben."
Schließlich war auch das „OTV-Magazin" eines der wenigen gewerkschaftlichen Organe, das eine ausführliche kritische Würdigung des Buches „Der Marsch der DKP .. " publizierte
3. Während bei der OTV die Bereitschaft zur offensiven Auseinandersetzung seit 1980 nicht mehr so hervortritt, profilierten sich der 1. und 2. Vorsitzende der IG Chemie in immer deutlicherer Weise bei der Auseinandersetzung mit dem sowjet-marxistischen Einfluß. Bereits im Frühjahr 1979
In einem Rundschreiben an die Funktionäre der IG Chemie wurde nach Erscheinen des „Marsch der DKP ..." ausdrücklich auf diese Analyse als wichtiges „Hintergrundmaterial" hingewiesen.
Vor allem aber im Vorfeld des DGB-Grundsatzprogrammkongresses, auf dem es bekanntlich nur eine wirklich kontroverse Frage gab: ob die Kommunisten zu den „Traditionsströmungen" der Einheitsgewerkschaft zu zählen sind, bezog die Spitze der IG Chemie mit großer Entschiedenheit Position. Angesichts vorliegender Formulierungsvorschläge von GEW, IG Druck und HBV, die die Kommunisten in der Präambel des neuen Grundsatzprogramms als „Traditionsströmung" der Einheitsgewerkschaft einschließen — oder zumindest nicht ausschließen — sollten, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der IG Chemie, warum die sozialdemokratischen, die christlich-sozialen und liberalen Gewerkschaften, nicht aber kommunistische die Basis der heutigen Einheitsgewerkschaft bilden: „Die demokratische Republik war die Staatsform, die alle drei Richtungen wollten. Den demokratischen Staat wollten sie bewußt mittragen. Mittragen heißt aber auch: ihn mit Entschiedenheit verteidigen und schützen. Schon diese drei Punkte markieren deutlich den Unterschied zu den Kommunisten und ihre Vorstellung von Gewerkschaften."
Rappe wies darauf hin, daß die Kommunisten in den zwanziger Jahren einen spalterischen und gewerkschaftszerstörerischen Kurs verfolgt haben, und fuhr fort: „Heute wird nun von der DKP und ihren Freunden so getan, als seien diese Fehler alle revidiert, und nach 1945 hätte man doch uch nur die Einheit gewollt. Dabei wird allerdings unterschlagen, daß es eine Einheit unter kommunistischer Führung sein sollte. So wie es im anderen Teil Deutschlands (ist), wo die FDGB in Satzung und Programm die Führungsrolle der SED hervorhebt ... Trotz aller wohlklingenden Erklärungen:'Die Kommunisten haben weder in den deutschen Gewerkschaften noch anderswo das Selbstbestimmungsrecht der Arbeiter und Angestellten respektiert. — In Deutschland rollten Panzer nach 1945 nur einmal gegen streikende Arbeiter, und das war am 17. Juni 1953 in der DDR. Auf diesem Hintergrund ist die schlaue Diskussion über das Hintertürchen im Grundsatzprogramm, daß es auch den Kommunisten erlaubt sein soll, als eine Traditionsströmung des DGB aufzutreten, einfach erbärmlich. Kommunisten wollten Gewerkschaften immer nur erobern oder spalten. Sind es dann . ihre’ Gewerkschaften, werden die Andersdenkenden rücksichtslos , ausgeschaltet'und statt innergewerkschaftlicher Wahlen regiert die Partei. Solche Gewerkschaften wollen wir nicht, und daß deshalb die Gewerkschaftszerstörer ebenfalls zu unserer Tradition gehören sollen, vermag ich nicht einzusehen."
Der 1. Vorsitzende der IG Chemie, Karl Hauenschild, ging in einer Funktionärskonferenz kurz vor dem DGB-Programmkongreß noch einen Schritt weiter. Nachdem er begründet hatte, warum der Begriff der Unterwanderung sehr wohl auch in der Gewerkschaftsorganisation zutreffen kann, erörterte er das Problem administrativer Maßnahmen. Anlaß zu solchen Maßnahmen habe es 1953 gegeben, als die KPD ein Parteiprogramm beschloß, in dessen These 37 praktisch die Obstruktionspolitik der „Revolutionären Gewerkschaftsopposition" (RGO) der zwanziger Jahre wieder aufgegriffen wurde
Für die aktuelle Situation empfahl Hauen-schild: „Es gibt derzeit keinen Anlaß, uns administrativ mit DKP-Anhängern unter unseren Mitgliedern und Funktionären auseinander-zusetzen. Trotzdem haben wir aber keinen Anlaß, Kommunisten zur Mitarbeit in unserer Gewerkschaft . einzuladen'. Noch viel weniger gibt es einen Anlaß, ihnen mit den Stimmen von Sozial-und Christdemokraten Mehrheiten und Funktionen und damit Einfluß in unserer Organisation zu verschaffen."
4. Nicht zuletzt sind die kritischen Beiträge in der Zeitschrift der IG Bergbau und Energie, „Einheit", von Bedeutung, in denen immer wie-der auf sowjetkommunistische Tendenzen im DGB hingewiesen worden ist — zuletzt am 15. Mai 1981 (Nr. 10/81), als die Redaktion in einem völlig einseitigen Abrüstungsappell eines „Hamburger Forums" (einem Ableger des „Krefelder Appells"), der „die seit 77 fortlaufend produzierten ... sowjetischen Mittelstreckenraketen ... verschweigt“ (S. 3), unter den 905 Unterzeichnern 40 % Lehrer ausmachte, mit dem Kommentar: „Alarmsirenen auch im DGB muß allerdings der erdrückende hohe Anteil von Lehrern mit dem Hamburger GEW-Landesvorsitzenden an der Spitze schrillen lassen. An diesen zumeist im sicheren Schutz des staatlich finanzierten öffentlichen Dienstes gebetteten Lehrern sind die Warnungen des im Umgang mit kommunistischer Praxis erfahrenen ehemaligen Bergmanns Heinz Oskar Vetter vor politisch einseitigen Abrüstungsforderungen offenbar spurlos vorübergegangen. Das wird auf Dauer nicht ohne Spuren im DGB bleiben können" (S. 2)
Die IG Bergbau hat denn auch — wie die IG Chemie und die IG Bau — keine Veranlassung gesehen, die im „Marsch der DKP... vorgelegten Analysen totzuschweigen oder zu diffamieren; vielmehr werden sie in ihrer Aufklärungs-und Bildungsarbeit verwendet
H. O. Vetter demonstrierte also auf dem DGB-Programmkongreß eine gemischte Strategie von „Flagge zeigen“ und „Unter-den-Teppich-kehren“. Nun mag man fragen, warum das Kommunismus-Thema überhaupt vom DGB-Vorsitzenden aufgegriffen wurde. Die Antwort: Nicht allein aus eigenem Antrieb, sondern vor allem, weil diese Diskussion ihm von denjenigen vier Gewerkschaften aufgezwungen wurde, die in die Präambel ein „Hintertürchen" (H. Rappe) einbauen wollten, mit dessen Hilfe die Kommunisten sich in die Tradition der Einheitsgewerkschaft, im Gegensatz zur Absicht des Programmentwurfs, hätten einschleichen können.
Müller-Vogg hat diese Versuche präzise zusammengefaßt: „Die Debatte über die Wurzeln der Einheitsgewerkschaft hat sich an dem Vorschlag des Bundesvorstandes entzündet, den Beitrag der freiheitlich-sozialistischen und der christlich-sozialen Richtungen der Arbeiterbewegung bei der Entstehung des Gewerkschaftsbundes besonders hervorzuheben. Die Formulierung, die neue Gewerkschaftsbewegung habe insbesondere diese beiden selbständigen Arbeitnehmerorganisationen aus der Weimarer Zeit zusammengeführt, macht deutlich, daß daneben noch andere ihren Beitrag zur Neuformierung geleistet haben ... Ausgerechnet die gewerkschaftlichen Gruppierungen, die in der Präambel die Würdigung des kommunistischen Engagements bei der DGB-Gründung vermissen, berufen sich nun auf die fehlende Erwähnung der Liberalen. Da sie sich für eine ausdrückliche Erwähnung der Kommunisten auf dem Kongreß keine Mehrheit ausrechnen, wenden sie sich ... gegen jede „Gewichtung" der verschiedenen gewerkschaftlichen Richtungen, die 1949 im DGB aufgegangen sind. Statt dessen soll der Antifaschismus zum einigenden Band der deutschen Gewerkschaften ... ausgerufen werden. Dafür machen sich neben anderen die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die Industriegewerkschaft Druck und Papier und die Gewerkschaft Holz und Kunststoff stark.“
Gegen diese Absichten mobilisierte der DGB-Bundesvorstand zunächst mit einer Dokumentation, in der die Hintertürchen-Funktion der Abänderungsanträge aufgedeckt wurde
Hiermit verband sich jedoch eine Distanzierung von denen, die durch konkrete Analysen überhaupt erst eine offene Auseinandersetzung mit den Unterwanderungstendenzen in Gang gebracht hatten: „Aber wenn wir so Flagge zeigen, schlagen wir uns doch nicht auf die Seite derer, die Amok laufen gegen eine angebliche kommunistische Unterwanderung.“ Die Auseinandersetzung mit kommunistischen Einflußstrategien müsse man „in eigener Verantwortung durchstehen. Das können wir nicht Randgruppen oder Eiferern überlassen.“ So bleibt abzuwarten, ob und wie der DGB, nachdem er dem Machtgewinn DKP-naher Kräfte jahrelang — auch nach dem spektakulären Jugendkongreß von 1977 — nahezu tatenlos zugesehen hat, den Worten Vetters Taten wird folgen lassen
Der Rezensent der „Zeit" hatte sich zu früh gefreut, als er die Veröffentlichung unseres Buches „Der Marsch der DKP.. " als „Bruch eines Tabus“ begrüßte und schrieb: „Dieses Buch ist ein Politikum. Bisher wurden die Probleme kommunistischer Infiltration in den Gewerkschaften behandelt, als ob man eine Familien-schande verbergen müsse. Man kannte die Organisation, die Organisationseinheit oder den Aufgabenbereich, der vom Krebs befallen war; man dachte aber nicht daran, den Krankheitsherd zu isolieren, geschweige denn, den Patienten zu operieren. Die Familienmitglieder, welche vor der Gefahr von Metastasen warnten, wurden verfemt. Man bekämpfte nicht den Virus, sondern die Diagnose und diejenigen, die sie stellten... Man glaubte, die Krankheit sei solange nicht gefährlich, als man sie nicht zur Kenntnis nehme."
Genau dies aber: Die Krankheit heilen wollen durch Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen ist nach wie vor eine verbreitete Methode. Sie wurde schon gegenüber der DKP-Analyse des Oberurseler Referententeams angewandt: seine Verbreitung im DGB wurde verboten. Nun wird dieselbe Methode gegenüber der Analyse „Marsch der DKP durch die Institutionen“ angewandt. Den Vogel schoß dabei der 1. Vorsitzende der Gewerkschaft Holz und Kunststoff, Kurt Georgi, ab. In einem Brief 88) an die Funktionäre seiner Gewerkschaft empfahl er Totschweigen und Diffamieren: „Ich möchte Euch sehr herzlich bitten, überall dort, wo diese Broschüre erörtert bzw. zitiert wird, deutlich zu machen, daß es sich bei ihren Darstellungen um Halbwahrheiten, Unterstellungen und blinde Verdächtigungen handelt. Ansonsten haben wir allen Grund, diese Broschüre zu ignorieren und dafür zu sorgen, daß sie in unserer Organisation weder Beachtung noch Anklang findet.“
Die gleiche Politik, wenn auch meist nicht so offen, wird in vielen anderen tfortschrittliolien" Bereichen praktiziert, und auch KP-kritsche Beiträge anderer Autoren stoßen auf ^Gierigkeiten
Eine besonders schlitzohrige Variante des Totschweigens leistete sich der „Stern“. Hier wurden die Auseinandersetzungen um die kommunistische Unterwanderung im DGB-Bereich in eine rechtssozialdemokratische „Hatz auf linke Kollegen" umgefälscht und ein Zur-Kenntnis-Nehmen des Buches „Der Marsch der DKP... durch irreführende Bibliographie (als handele es sich um eine Gewerkschaftsbroschüre!) nahezu unmöglich gemacht
Stereotypen der Diffamierung Es überrascht nicht, in jenem journalistischen Meisterstück just auf die gleichen diffamierenden Stereotypen zu stoßen, die sich auch in der gegen den „Marsch der DKP.. . geschriebenen Broschüre des DKP-Vorsitzenden Herbert Mies
Es sind folgende vier Abwehrargumentationen, die in diesen Veröffentlichungen in be-merkenswerter Gleichförmigkeit auftauchen und in ihrer Gesamtheit ein Diffamierungssyndrom bilden, mit dem sowjetmarxistische Einflüsse gegen Kritik abgeschottet werden: 1. Es gehe eigentlich gar nicht um Kritik an den Sowjetkommunisten und ihren Freunden, sondern um den Kampf „rechter", sozialpartnerschaftlich eingestellter Sozialdemokraten gegen „linke“, aufrechte Sozialisten und Marxisten. 2. Die Autoren betrieben die Ausgrenzung der Kommunisten aus der Gewerkschaft und gefährdeten damit das Prinzip der Einheitsgewerkschaft. 3. Die Autoren würden in das Horn von CSU-Generalsekretär Stoiber blasen — sie verfielen in den reaktionären Antikommunismus und nutzten daher nur den Gewerkschaftsgegnern. 4. Die Analyse sei „unwissenschaftlich", „unseriös“ etc.
Zum Stereotyp: Kampf gegen „aufrechte Linke“
Dieses Argument wird durch seine 60jährige stete Wiederholung nicht richtiger
So schreibt DKP-Chef Mies auf S. 5 seiner zitierten Broschüre: „Man schlägt auf Kommunisten und meint alle Gewerkschafter, die auf kämpferischen Positionen stehen ... und ... die von Sozialpartnerschaft nicht viel halten. Man schlägt auf Kommunisten und meint alle kritischen Sozialdemokraten, die sich nicht mit der Einordnung gewerkschaftlicher Aktivitäten in den Rahmen der Regierungspolitik ... abfinden wollen." Analog die STERN-Redakteure in dem genannten Artikel: Rechte Gewerkschaftsvorständler und „SPD-Bundestagsabgeordnete ... (warnten) mit einer Broschüre ... vor dem . Marsch der DKP durch die Institutionen'... Gerade diese Kampfschrift macht die eigentliche Stoßrichtung der Kampagne deutlich: Im DGB soll der SPD-interne Streit zwischen rechten und linken Sozialdemokraten ausgetragen werden. Die linken Genossen sollen mit dem Vorwurf mundtot gemacht werden, sie seien Steigbügelhalter sowjetmarxistischer Einflußstrategien ... Diese Funktionäre haben für die DKP nichts übrig... Was sie aber für ihre konservativen Gegner im DGB so gefährlich macht, ist ihre harte Haltung gegenüber der Theorie von der Sozialpartnerschaft." Lehnert/Lauenstein operieren mit demselben Stereotyp — nur legen sie es den wegen ihrer DKP-Toleranz kritisierten Gewerkschaftern Benz, Preiss und Hensche in den Mund: Diese seien „Gegenstand böser Kritik" geworden, nachdem sie behauptet hätten, „die Legende von der kommunistischen Unterwanderung richte sich im Grunde gar nicht gegen die wenigen Kommunisten, sondern gegen alle jene Gewerkschafter, zumeist Sozialdemokraten, die gegen die Sozialpartnerschaftsideologie und für eine aktive gewerkschaftliche Interessenvertretung eintreten." Keuter kleidet dasselbe Stereotyp, daß es eigentlich gegen „ganz andere" gehe, in die Behauptung, „in weiten Teilen befassen sich die Autoren überwiegend nicht mit Kommunisten, sondern mit jenen, die sie als Freunde der DKP bezeichnen.“
Die Frage ist, ob jene Gewerkschafter oder Wissenschaftler oder Jungsozialisten, die das SPD-Parteibuch in der Tasche tragen, aber verhohlen eine Bündnispolitik im Interesse derer betreiben, die den Sozialismus in aller Welt in Mißkredit gebracht haben, „aufrechte Linke sind
. Gefährdung der Einheitsgewerkschaft"
Die DKP und ihre Freunde sind unentwegt auf der Suche nach großen „Dächern“ organisatorischer und ideologischer Art, unter die sie schlüpfen und andere in einem gefühlvollen Dunstkreis von „Einheit" an sich binden können. Der . Antifaschismus" ist ein solches Dach, der „Kampf für den Frieden" ein anderes und die „Einheitsgewerkschaft" ist ein drittes Integrationsdach. Heinz Oskar Vetter hat auf dem DGB-Programm-Kongreß deutlich gemacht, -daß die Kommunisten als politische Gruppierung nicht zu den tragenden Elementen dieser Einheitsgewerkschaft gehören, was nicht ausschließt, — daß sowjetkommunistisch orientierte Gewerkschafter als einzelne in ihr Platz finden können, solange sie nicht gegen Satzungen verstoßen.
Die gleiche Position wie Vetter nimmt die Arbeit über den „Marsch der DKP... ein.
Die DKP und andere jedoch folgern, eine Ausgrenzung der sowjetkommunistischen Position aus dem demokratischen Selbstverständnis der Gewerkschaften bedeute die Gefährdung von deren Einheit So schreibt DKP-Chef Mies, die gegenwärtige schwierige, krisenhafte Wirtschaftslage „erfordere ein Maximum an Zusammenarbeit der in der Einheitsgewerkschaft vereinten Sozialdemokraten, Christen, Kommunisten und Parteilosen. Aber gerade diese Einheit, diese Solidarität wollen die Verfasser und die, die ihr Buch preisen, verhindern".
WdA-Rezensent Keuter warnt vor „Eiferer-tum“, „wenn es um die Art der Auseinandersetzung in der Einheitsgewerkschaft geht". Massiver noch tabuieren die IG Metall-Rezensenten Richter/Pinkall die geforderte offene Diskussion mit dem Einheitsgewerkschafts-Argument: „Es ist klar, wem das nützt. Klar ist auch, daß diese Treibjagd nur stattfinden kann, wenn man sich zuvor von der Einheitsgewerkschaft verabschiedet hat.“ Auch die STERN-Redakteure unterstellen den Kritikern der KP-Unterwanderung, sie seien „überzeugt, eommunisten) dürfen keinen Platz in den Arbeitnehmerorganisationen haben". Lehnert/-uenstein schließlich wollen den Unterschied zwischen einer Ausgrenzung sowjetommunistischer
Positionen und einer Ausgenzung
von Personen nicht akzeptieren, und dowjetkommunisten schlicht als „Marxisten"
eklarierend fordern sie: „Entweder haben un Marxisten ihren legitimen Platz in der Gewerkschaftsbewegung, was allein dem Prinzip der Einheitsgewerkschaft ... entspricht, oder sie haben ihn nicht Und wenn ihnen dieser Platz zuerkannt wird, wie das verbal ja auch die Buchautoren tun, dann darf man ihnen nicht ankreiden, daß sie ihre Denkansätze in die gemeinsamen gewerkschaftlichen Auf-’ gaben einbringen.“
Gemeinsam ist den zitierten Autoren, daß sie — ganz im Gegensatz zum DGB-Bundeskongreß — in ihrem Verständnis von Einheitsgewerkschaft eines nicht begreifen oder hinnehmen wollen: daß eine Einheitsgewerkschaft sehr wohl Kommunisten als einzelne Personen integrieren kann, aber zugleich ebenso entschieden sowjetkommunistische Denkansätze, nämlich antidemokratische Orientierungen auf den totalitären Führungsanspruch einer von Moskau abhängigen Partei, als unvereinbar mit ihren Grundsätzen abweisen muß. Die Ausgrenzung von Personen aber, die die genannten Autoren den Kritikern der DKP-Bündnispolitik wider besseres Wissen unterstellen, ist von diesen nirgends gefordert worden.
Zum Stereotyp: „Kommunistenhatz nützt Gewerkschaftsgegnern"
Bereits oben ist darauf hingewiesen worden, daß der Hinweis, die Beschäftigung mit negativen Erscheinungen im eigenen Lager nütze nur dem Gegner, eine beliebte und weitverbreitete Rechtfertigung für das „Unter-den-Teppich-Kehren“ ist. Dieses polemische Stereotyp darf daher natürlich auch bei Mies und den anderen hier Zitierten nicht fehlen, ebenso wenig wie das immer wieder gern gebrauchte Horrorbild von der „Treibjagd“ (Mies), „Hatz" (Straubert/Tornow), „Büchsenspanner" und „Kammerjäger“ (Richter/Pinkall). Ein Kommentar zu solchen Sprach-und Argumentationsformen, mit denen man sich Kritik vom Leibe hält, dürfte sich erübrigen.
Zum Stereotyp: „Unwissenschaftlich“
Für die sowjetkommunistische Position, die sich selbst als „wissenschaftlicher Sozialismus" begreift, liegt der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit gegenüber anderen Auffassungen nahe. Er begleitet die politische Auseinandersetzung. Selbstverständlich taucht dieses Stereotyp bei Mies, fast gleichförmig aber auch bei den Stern-Redakteuren, bei Keuter, bei Lehnert/Lauenstein und Richter/Pinkall auf: „Der Marsch der DKP durch die Institutionen" sei ein lediglich mit wissenschaftlichem Heiligenschein geschmücktes Buch, wissenschaftlich unseriös, enthalte „historische Ver35 Zerrungen und Unterlassungen" und entbehre „wissenschaftlicher Redlichkeit".
Daß den „Marsch der DKP... eine wertbezogene, aber offengelegte Kritik des Sowjetmarxismus durchzieht, daß er sich in seiner sprachlichen Formulierung an eine breitere Öffentlichkeit als an Fachkollegen wendet, mag Kritikern nicht schmecken — sachlicher Richtigkeit tut dies jedoch keinen Abbruch. Und wenn eine Betrachtung sowjetkommunistischer Einflußnahme, die sich im Halbdunkel abspielt, nur schlaglichtartig sich herausbildende Machtverhältnisse und politisch-ideologische Optionen beleuchtet, so ist dies hier ein dem Gegenstand angemessenes Verfahren, sofern nur — was geschehen ist — unzulässige Generalisierungen vermieden werden.
Liest man die z. T. umfangreichen Texte der wissenschaftlichen Linienrichter und sucht nach genaueren Begründungen für ihren Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit, so kommt man schließlich zu einem erstaunlichen Resultat: Von wenigen, nebensächliche Details betreffenden Einwänden abgesehen, findet sich nicht ein einziger konkreter Beleg für ihre These
Einige tatsächliche Detailfehler, auf die teilweise von anderer Seite hingewiesen wurde, konnten in der 2. Auflage des „Marsches der DKP.. nicht korrigiert werden, da der Verlag ohne Abstimmung mit den Autoren nachdruckte; in dem Buch „Was heißt hier kommunistische Unterwanderung“ wird ausführlich darauf eingegangen
III. Schlußfolgerungen für die Bildungsund Organisationsarbeit
Die Beispiele sowejtkommunistischer Unterwanderung oder Einflußnahme, vor allem aber die weithin fehlende oder unzureichende Auseinandersetzung mit ihnen fordert die Frage heraus, was zu tun sei. Hier seien wenigstens einige Konsequenzen für die Bildungsund Organisationsarbeit demokratischer Organisationen vorgeschlagen
Im „Marsch der DKP ...“ haben die Autoren, gemeinsam mit Ossip K. Flechtheim und Manfred Wilke, speziell für die gewerkschaftliche und politische Bildungsarbeit die wichtigsten sowjetmarxistischen Ideologien und Einflußstrategien ausführlich dargestellt. Die gerade auch mit dieser Arbeit ermöglichte organisationspolitische und ideologiekritische Auseinandersetzung muß naturgemäß insbesondere in den linken Organisationen, in SPD und DGB, geführt werden. Bildungs-, Satzungsund organisationspolitische Maßnahmen müssen dabei in der Verhinderung des „verdeckten" Machtgewinns, in der Identifikation und unerbittlichen politischen Kritik DKP-naher Personen, Gruppen, Medien, Initiativen, Komitees etc. bestehen, nicht dagegen in Ausschlüssen — solange eine Person oder Gruppe nicht durch konkrete politische Aktionen eindeutig, (schieds) gerichtsnotorisch gegen die Verbandssatzungen verstößt. Die strukturell antidemokratische Haltung, die dem Sowjet-marxismus zur Last gelegt werden muß, ist in offener und öffentlicher Kritik, in der politischen Informationsund Bildungsarbeit der Parteien und Verbände sowie durch strengere Verfahrensregelungen bei Gremienwahlen etc. (s. unten) ins allgemeine Bewußtsein zu bringen, nicht aber administrativ zu bekämpfen — solange sie sich nicht nachweislich ver-bandssschädlich auswirkt.
Für diese Bildungsarbeit, aber auch für eine wohl unabdingbare Ergänzung in den Grundsatzerklärungen wäre es schon ein großer Schritt nach vorn, wenn die demokratischen linken Organisationen die grundlegenden Gegensätze zwischen Reformprinzipien und dem Sowjetkommunismus in verbindlicher Form für alle Mitglieder herausarbeiteten. Daß dies klar und deutlich, auch zusammengefaßt formulierbar
ist, zeigt das folgende Tableau
-orientieren sich an Grundwerten, über deren politische Umsetzung immer neu Überein-stimmung („Konsens") erzielt werden muß;
-begreifen die Verfassung der parlamentarischen Demokratie als unabdingbare politische Norm;
-lehnen daher die Sowjetunion als Sozialismusmodell ab.
Sowjetkommunisten -begreifen Sozialismus als grundlegend hergestellt durch Sozialisierung der Produktionsmittel in einem revolutionären Akt;
— orientieren sich an marxistisch-leninistischer Kenntnis des Geschichtsablaufs;
-begreifen „Parlamentarismus“ als „bürgerlicSeDemokratie", daher nicht als unabdingbare Politische Norm;
-akzeptieren dagegen die Sowjetunion als Vormacht und Vorbild des Sozialismus. 2. Organisationspolitische Erfordernisse;
demokratische Auswahlverfahren garan-
tieren Auch derjenige, der die inhaltliche Auseinanersetzung vorzieht, kann sich nicht so naiv stellen, daß er die Bindung von Organisations-^gliedern an Satzungsregeln für unnötig elte — allerdings müssen diese satzungsmä-ßigen Regelungen gerade nicht auf den „Rausschmiß"
von Kommunisten hinzielen, sondern erstens auf die Verhinderung ihrer Manipulation von „Basisdemokratie" und zweitens auf die unabdingbare Verpflichtung, politische Positionen offenzulegen; schließlich, wenn tatsächlich „Unvereinbarkeit" festgestellt wird, können die damit verbundenen Sanktionen eine sehr abgestufte Folge von Maßregelungen beinhalten, deren letzte erst der Ausschluß sein muß.
Die erste Forderung im hier zu diskutierenden Zusammenhang ist, sämtliche unmittelbaren Delegationsverfahren so abzusichern, daß nicht die Manipulation durch kleine, aktive Kadergruppen weiterhin als „Basisdemokratie"
ausgegeben werden kann. Zur Zeit erleben wir in der Tat, wie oben dargestellt, in vielen Bereichen eine Pervertierung des gesamten Demokratisierungskonzepts, die deren Bestand überhaupt zerstören kann, wenn man nicht strengere Voraussetzungen für die Gewährleistung ihrer Prinzipien schafft. Das bedeutet konkret:
1. Wo immer eine bestimmte Minderheit der Betroffenen Widerspruch gegen die Zusammensetzung ihrer durch Wahlen in „Basisversammlungen"
zustande gekommenen Gremien anmeldet (seien es nun Vertreter bzw.
Gremien der Eltern, der Schüler, der Jugendgruppen — insbesondere Stadt-oder Landesjugendringe —, der Studenten, der Bürgerinitiativen oder der Belegschaften, der politischen oder gewerkschaftlichen Jugendverbände), dort müssen Neuwahlen unter strengeren Bedingungen stattfinden: Anstelle einer Vertreterwahl durch die de facto Anwesenden oder Wählenden einer Gesamtheit (von Eltern, Betroffenen, Studenten, Mitgliedern ...)
muß eine Urwahl mit unabdingbarer Mindestbeteiligung oder Wahlpflicht'0*) treten.
Außerdem sollte die Möglichkeit einer Auswahl (mehr Kandidaten als zu Wählende) bestehen.
Drittens ist es unabdingbar notwendig, daß Kandidaten ihre politische Position offen darlegen.
Nur durch konsequente Anwendung dieser Mindestregeln kann reale Basisdemokratie in gesellschaftlichen Teilbereichen gesichert
Was die Sozialdemokratische Partei betrifft, so sollte es klare Satzungsbestimmungen geben: Für Mitglieder der SPD, die nicht nur einige analytische Elemente der Stamokap-Theorie sondern auch die sowjetmarxistische „antimonopolistische" Bündniskonzeption übernehmen, sich politischen Aktionen oder Koalitionen anschließen, die von DKP-(Tarn) Organisa-tionen dominiert werden, muß schlicht gelten, daß dies mit der SPD-Mitgliedschaft unvereinbar ist und daß es als parteischädigendes Verhalten offen und öffentlich artikuliert wird. Wobei „Unvereinbarkeit" keineswegs mit „Rausschmiß" gleichgesetzt werden muß, sondern eine Folge von Sanktionen nach sich ziehen kann.
Was die Gewerkschaften betrifft, so müßte zumindest die Offenlegung der partei-und bündnispolitischen Position für Gewerkschaftsmitglieder, die sich für Funktionen zur Wahl stellen, durch Grundsatzbeschluß festgelegt sein. Denn es nützt wenig, auf die formelle DKP-Mitgliedschaft abzustellen — im Gegenteil, die „offenen“ Kommunisten sind nicht (oder am wenigsten) das Problem. Weitaus wirkungsvoller wäre jedoch eine ganz konkreteAbgrenzung der gewerkschaftlichen von der sowjetkommunistischen Theorie und Praxis als mit den demokratischen und sozialen Grundsätzen, zu denen sich das DGB-Grundsatzprogramm bekennt, unvereinbar. Die bloße Ausgrenzung der Kommunisten aus der gewerkschaftlichen Geschichte und Tradition leistet dies nicht — im Gegenteil, sie behält ein diskriminierendes, willkürliches Element wenn sie nicht auch für das Hier und Heute ganz präzise begründet wird