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Stellungnahme zum Aufsatz von Horst-Albert Kukuck: „EG-Agrarpolitik: Kurswechsel oder Bankrott" | APuZ 35-36/1981 | bpb.de

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APuZ 35-36/1981 Die Zukunft von Landwirtschaft und Landschaft. Eine politikwissenschaftliche Sicht EG-Agrarpolitik: Kurswechsel oder Bankrott. Die Probleme der europäischen Landwirtschaft drängen jetzt zur Entscheidung Stellungnahme zum Aufsatz von Horst-Albert Kukuck: „EG-Agrarpolitik: Kurswechsel oder Bankrott" Unzureichende Effizienz-und Erfolgskontrolle im UNO-System? Eine Stellungnahme zum Artikel von Otto Matzke in B 20/81 Unzureichende Effizienz-und Erfolgskontrolle im UNO-System. Das Beispiel der Welternährungsorganisation (FAO). Replik auf die Stellungnahme von D. Bommer, Ch. Bonte-Friedheim und Ch. Beringer (FAO, Rom)

Stellungnahme zum Aufsatz von Horst-Albert Kukuck: „EG-Agrarpolitik: Kurswechsel oder Bankrott"

Landwirtschaft und Forsten Bundesministerium für Ernährung

/ 6 Minuten zu lesen

Horst-Albert Kukuck beschäftigt sich überaus kritisch mit der EG-Agrarpolitik. Kritik kann hilfreich sein. Die einseitige Sicht in einigen Passagen der Einführung und Bestandsaufnahme, insbesondere die Anmerkungen zum Agrarbericht, noch dazu in salopp überzogene Formulierungen verpackt, dienen jedoch nicht der sachlichen Information und Diskussion.

Wenn man die Sünden der Agrarpolitik wider die Marktwirtschaft — z. T. mit Recht — beklagt, sollte man zugleich auch die einkommens-und sozialpolitischen Erfordernisse nennen, die bei der Gestaltung der Agrarpolitik ebenfalls beachtet werden müssen. Diese Erfordernisse sieht der Autor zwar, wie sich weiter hinten in seiner Darstellung der Lösungsvorschläge zeigt. Damit identifiziert er sich auch z. T. und liegt darin, was die große Richtung angeht, weitgehend auf der Linie der jedoch, Bundesregierung. Vorn bei der Bestandsaufnahme, stützt er sein Urteil nur auf einige von ihm ausgewählte Aspekte und relativiert diese nicht durch sozial-, aber auch regional-, gesellschafts-und europapolitische Überlegungen, deren größere Zusammenhänge und Zwänge essentiell für die Konstruktion des agrarpolitischen Systems und die Einführung einzelner kritisierter Maßnahmen gewesen sind. Der Autor argumentiert auch nicht widerspruchsfrei. Zum Beispiel bemängelt er die Benachteiligung kleinerer Betriebe durch die Marktordnungen der EG, während auf der anderen Seite ein Befolgen seiner Kritik einen tiefgreifenden Struktur-wandel und entsprechend negative Einkommenswirkungen gerade für diese Landwirte bedeuten würde. Er übernimmt zudem unkritisch journalistische Werturteile zu Details des Agrarberichts, die er durch eigene, meist sehr gewagte Interpretationen der Unterlagen mehr in Frage stellt als bestätigt.

Zu den Ausführungen des Autors im einzelnen einige Anmerkungen:

Anmerkungen zu Seite 21 ff. — Die Einkommenslage der Landwirtschaft. Erstens:

Das LwG fordert in § 1 nicht die Beseitigung der Einkommensdisparität; die Landwirtschaft soll vielmehr in den Standgesetzt werden, die für sie bestehenden naturbedingten und wirtschaftlichen Nachteile gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen auszugleichen. Damit soll gleichzeitig die soziale Lage der in der Landwirtschaft tätigen Menschen an die vergleichbarer Berufsgruppen angeglichen werden. Dies kann nicht als Einkommensgarantie interpretiert werden.

Zweitens:

Die methodischen Probleme des Einkommensvergleichs, auch der Vergleichsrechnung nach § 4 LwG, sind ebenso alt wie der Agrarbericht und werden jährlich im Agrarbericht ausführlich dargestellt. Sie sind weitgehend mit dem Gesetzestext vorgegeben, und zwar sowohl im Hinblick die auf objektiv nicht zu beantwortende der Abgrenzung Frage der Betriebe, die die wirtschaftliche Existenz einer bäuerlichen Familie nachhaltig gewährleisten, wie auch hinsichtlich der methodischen Durchführung.

Entsprechend § 2 LwG, der die umfassende Darstellung der Lage der Landwirtschaft fordert, wird im Agrarbericht schon seit Jahren keine durchschnittliche Disparität mehr ausgewiesen. Vielmehr werden auch die Ergebnisse der Vergleichsrechnung differenziert nach Betriebsformen und Größenklassen dargestellt. So ergibt sich ein wesentlich zutreffenderes Bild der unterschiedlichen Verhältnisse, und es ist zudem möglich, die Gruppen speziell im Hinblick auf die jeweilige Fragestellung abzugrenzen. Der abwegige Vorwurf der Mogelei beruht offenbar auf einer Verwechslung der nach dem einzelbetrieblichen Förderungsprogramm entwicklungsfähigen Betriebe mit den landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieben sowie der Vorschriften zu den §§ 2 und 4 LwG.

Die pauschale Behauptung, daß von einer Disparität zuungunsten der Landwirtschaft überhaupt keine Rede mehr sein könne, läßt vermuten, daß zumindest die aktuelle Einkommensentwicklung in den landwirtschaftlichen Betrieben nicht berücksichtigt wurde. Drittens:

Große intrasektorale Einkommensdisparitäten sind keineswegs auf die Landwirtschaft beschränkt, auch nicht deren Anwachsen im Zeitablauf. Nach Untersuchungen des DIW liegt die Streuung der Haushaltseinkommen von Landwirten sogar deutlich unter der anderer Haushaltstypen.

Viertens:

Es entspricht durchaus marktwirtschaftlichen Prinzipien, daß besonders produktive Betriebe bei steigenden Preisen die größeren Gewinn-steigerungen verzeichnen. Dies vergrößert natürlich zumindest die absoluten Einkommens-unterschiede. Stagnierende Erzeugerpreise und steigende Betriebsmittelpreise, wie sie für die letzten Jahre typisch sind, treffen allerdings ebenfalls verstärkt die größeren, umsatz-starken Betriebe.

Alle Maßnahmen zur Verminderung von Ein-kommensunterschieden, besonders einkommensverbessernde Maßnahmen in kleineren einkommensschwachen Vollerwerbsbetrieben, müssen auch auf ihre Nebenwirkungen, insbesondere auf ihre strukturellen Auswirkungen hin geprüft werden.

Fünltens:

Die Bundesregierung vermeidet im Agrarbericht sorgfältig, die Verhältnisse in der Landwirtschaft undifferenziert darzustellen, in besonderem Maße bei der Vergleichsrechnung. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß diese schon seit Jahren nicht mehr für den Durchschnitt der landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe durchgeführt wird. Auch bei den übrigen Einkommensrechnungen nehmen die differenzierten Ergebnisse in unterschiedlicher Gruppierung einen wesentlich breiteren Raum ein als die wenigen, für die agrarpolitische Diskussion unverzichtbaren Zusammenfassungen. Es kann nicht dem Agrarbericht als Verschleierung oder Manipulation angelastet werden, wenn verschiedene Interessenten aus einer objektiven Darstellung von Tatsachen je nach Zielsetzung unterschiedliche Schlüsse ziehen.

Sechstens:

Die Ausführungen zur „Überschuldung" zeigen, wie komplex einige Sachverhalte sind. Ohne Zweifel trifft es zu, daß in Teilen der Landwirtschaft zumindest gut verdient wurde.

Trotzdem ist die unmittelbare Verknüpfung von Einkommensniveau und Vermögenslage nicht zulässig. Die Höhe der Vermögen und damit der Fremdkapitalanteil an der Finanzierung werden entscheidend von der Bewertung des Bodens bestimmt. Die Eigenkapitalrentabilität ist selbst in gut geführten Betrieben mit überdurchschnittlichen Einkommen wesentlich niedriger als beispielsweise die Verzinsung festverzinslicher Wertpapiere. Die finanziellen Schwierigkeiten vieler Betriebe, die gelegentlich ungenau mit Überschuldung bezeichnet werden, bestehen nicht in mangelnden dinglichen Sicherheiten für die Kredite, sondern in der Notwendigkeit, laufende Eigenkapitalverluste mit zusätzlichem, oft kurzfristigem Fremdkapital decken zu müssen, weil die Gewinne nicht ausreichen, um die notwendigen Entnahmen zu decken.

Anmerkung zu Seite 26 ff. — Die Befürworter der bisherigen Agrarpolitik und ihre Argumentation

Unter Einschluß der aktuellen Einkommens-entwicklung sind die Aussagen des DBV, obwohl stark verallgemeinert und teilweise ausgehend von verbandspolitisch besonders wirkungsvollen Basisjahren, durchaus nicht aus der Luft gegriffen. Bei der Kommentierung wird leider darauf verzichtet, das zugrundeliegende Zahlenmaterial kritisch zu überprüfen; statt dessen wird, in bester verbandspolitischer Manier, mit nicht vergleichbaren Zahlenreihen aus anderen Quellen, unterschiedlichen Betrachtungszeiträumen und ebenfalls nicht nachvollziehbaren Berechnungen gekontert.

Anmerkung zu Seite 30ff. — Vorschläge zur Reform der europäischen Agrarpolitik Die Bundesregierung hat in ihrer Regierungserklärung vom November 1980 dargestellt, daß sie verstärkte Importbehinderungen oder aggressive Exportförderung nicht für geeignete Lösungen der Überschußprobleme der Europäischen Gemeinschaft hält. Diese Haltung kommt auch in der Note der Europa-Staatssekretäre der Bundesregierung an die EG-Kommission vom Juni 1981 (sog. Dohnanyi-Papier) zum Ausdruck. Darin wird außerdem vorgeschlagen, die Einfuhrspielräume für Drittländer zu erweitern und die Subventionierung der Agrarexporte zu begrenzen. Für die Frage der subventionierten Substitute soll auf dieser Basis unter Beachtung der Regeln des GATT eine Lösung gesucht werden. Anmerkung zu Seite 32 ff. — Der Übergang zur Mengenkontingentierung Erstens: Übergang Mengenkontingentierung Der zur ist nicht Ziel der Bundesregierung. Solche Kontingentierungen verletzen Prinzip der das ökonomischen Entscheidungsfreiheit. Sie behindern den Strukturwandel und damit den Produktivitätsfortschritt, vermindern also auf längere Sicht den Anstieg des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens im Agrarsektor. Die Probleme der Quotenfindung und Administration, die Wahrscheinlichkeit steigender Preise, verbunden mit Absatzrückgängen, sowie zu erwartende Ausweichreaktionen der Betroffenen lassen es zweifelhaft erscheinen, ob auf diese Weise das Marktgleichgewicht leichter als durch eine marktorientierte Anwendung des bestehenden agrarpolitischen Instrumentariums gefunden werden kann.

Zweitens:

Der Wissenschaftliche Beirat beim BML, dem auch die beiden in Fußnote 76 zitierten Professoren angehören, hat entgegen dem Zitat in mehreren Gutachten darauf hingewiesen, daß die Mengensteuerung durch Kontingentierung ein untaugliches Mittel für die Lösung der ausstehenden Aufgaben darstellt (Sammelband der Gutachten von 1949 bis 1974; 20., 23., 26. und 29. Gutachten, zuletzt: Gutachten zur Markt-und Preispolitik der EG, Schriftenreihe des BML, Reihe A Heft 250, Hiltrup 1981).

Anmerkung zu Seite 36 ff. — Die Lösung über den Markt und flankierende Maßnah. men

Hier bleibt die Frage offen, in welche Richtung eine Umstellung erfolgen sollte, denn außer pflanzlichen Fettrohstoffen gibt es praktisch keinen defizitären Produktbereich mehr.

Anmerkung zu Seite 41 f. — Fazit Der Autor liegt mit der Bewertung der Lösungsvorschläge, was die grobe Richtung angeht, weitgehend auf der Linie der Bundesregierung. Dies Ergebnis erstaunt, wenn man an die überaus heftige, zum Teil in salopp überzogene Formulierungen verpackte Kritik an dieser Politik im ersten Teil des Beitrags denkt Bei der Bestandsaufnahme beklagt er — z. T. mit Recht — die Sünden der Agrarpolitik wider die Marktwirtschaft, nennt aber nicht die einkommens-und sozialpolitischen Erfordernisse, die bei der Gestaltung der Agrarpolitik ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Die größeren Zusammenhänge und Zwänge aus sozial-, aber auch regional-, gesellschafts-und europapolitischen Überlegungen sind jedoch essentiell für die Konstruktion des agrarpolitischen Systems und die Einführung einzelner kritisierter Maßnahmen gewesen. Widersprüche in der Argumentation des Autors liegen auch darin, daß er die Benachteiligung kleinerer Betriebe durch die Marktordnungen der EG bemängelt, während auf der anderen Seite ein Befolgen seiner Kritik einen tiefgreifenden Strukturwandel und entsprechend negative Einkommenswirkungen gerade für diese Landwirte bedeuten würde.

Fussnoten

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