EG-Agrarpolitik: Kurswechsel oder Bankrott. Die Probleme der europäischen Landwirtschaft drängen jetzt zur Entscheidung
Horst-Albert Kukuck
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Zusammenfassung
Die Ursachen der sich zuspitzenden Dauerkrise der europäischen Landwirtschaft sind in einem System zu suchen, das unfähig ist, ein Marktgleichgewicht für die wichtigsten Agrarprodukte herbeizuführen, das den Verbraucher mit überhöhten Preisen belastet und zusätzlich den Steuerzahler zur Finanzierung sinnloser und enorm kostspieliger Maßnahmen zur Überschußbeseitigung zwingt Die bisherige Marktordnungspolitik begünstigt einseitig die großen und rentabel arbeitenden Betriebe und trägt nur unzureichend zur Besserung der Lage der am unteren Ende der Einkommensskala stehenden Betriebe bei. Die europäischen Bauernverbände, die in starkem Maße die Interessen der wohlhabenden Landwirte vertreten, sind wie diese entschiedene Gegner einer durchgreifenden Änderung des bestehenden Systems. Die meisten der angebotenen Reformvorschläge sind entweder völlig unbrauchbar, kurieren nur an Symptomen oder erweisen sich als einseitige Bevorzugung bestimmter Gruppen. Als brauchbarer Alternativvorschlag zum gegenwärtigen System bleibt nur die Überführung der Landwirtschaft in eine marktwirtschaftliche Ordnung. Hierdurch ist nicht nur das Problem der Überschußproduktion und des andere Anbieter schädigenden Dumping auf den Weltmärkten lösbar. Der Agrarmarkt würde entbürokratisiert; der EG-Ministerrat wäre nicht mehr gezwungen, Jahr für Jahr den kleinsten gemeinsamen Nenner egoistischer Sonderinteressen zu suchen. Für den Landwirt wäre es wieder lohnend, flexibel auf die Verbraucherwünsche einzugehen, da mit dem Massenausstoß von Überschußprodukten kein Geld mehr zu verdienen wäre. Der Verbraucher aber hätte den Vorteil echter Marktpreise. Ein solcher Systemwechsel ist allerdings nur langfristig und begleitet von flankierenden Maßnahmen durchzuführen. Die bestehenden Subventionen und Preisvorschriften können nur sukzessive auslaufen. Für die Inhaber der auf lange Sicht nicht zu haltenden Betriebe sind großzügige soziale Maßnahmen erforderlich. Als zeitlich befristete Maßnahme bieten sich u. a. direkte Einkommensübertragungen für die jetzige Generation von Betriebsleitern an. Der verbleibende Teil der Landwirtschaft ist, soweit erforderlich, durch umfangreiche Strukturmaßnahmen auf europäischer Ebene zu sanieren.
I. Einführung
Wird Europa an der Landwirtschaft scheitern? Diese bange Frage begleitete die Entwicklung des gemeinsamen Agrarmarktes von seiner Entstehung bis zum heutigen Tage. In regelmäßigen Abständen kam es auf diesem am stärksten integrierten Sektor der europäischen Gemeinschaft zu gefährlichen Krisen; doch immer wieder rang sich der Ministerrat zu zweifelhaften Kompromissen durch, die dann stets als Beweis für den ungebrochenen Willen zu Europa und für die Lebenskraft der Gemeinschaft herhalten mußten. Schon Ende der sechziger Jahre wurde die Konstruktion des gemeinsamen Agrarmarktes zutreffend als „Wahnsinn mit Methode" charakterisiert, und Fachleute sagten voraus, daß die europäische Agrarpolitik in Kürze nicht mehr finanzierbar sein werde Doch diese Fachleute irrten. Obwohl das zersplitterte System der Marktordnungen mit seiner aus öffentlichen Mitteln geförderten Überschußproduktion nicht nur erhalten blieb, sondern immer weiter ausgebaut wurde, und obwohl infolgedessen die Kosten in einem Maße explodierten, das man vor zehn Jahren noch für unvorstellbar gehalten hätte, ist es bisher allen Warnungen zum Trotz zu einem Zusammenbruch aus finanziellen Gründen nicht gekommen. Doch der Preis, der dafür gezahlt werden mußte, läßt sich nicht allein in DM, Franc, Pfund oder Lira ausdrücken.
Abbildung 6
Tabelle 5
Quelle: Agrarbericht 1981, S. 81
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Quelle: Agrarbericht 1981, S. 81
Wichtiger als die gravierenden Wohlstands-verluste, die die Verschwendung der Agrarmilliarden den Bürgern der Gemeinschaft zumutete, wiegt die Tatsache, daß das ständige Hinausschieben überfälliger Reformen und die Unfähigkeit zu rationalem politischen Handeln auf dem Agrarsektor wohl als die Hauptursachen dafür anzusehen sind, daß die Idee eines vereinigten Europa ihre Begeisterungsfähigkeit und ihre innere Dynamik weit-gehend eingebüßt hat. Für den europäischen Steuerzahler und Verbraucher reduziert sich die Gemeinschaft auf einen überbürokratisierten Agrarmoloch, der fast drei Viertel des ge samten EG-Haushalts verschlingt und damit jeder zukunftweisenden Gemeinschaftspolitik den notwendigen finanziellen Spielraum entzieht. Da im europäischen Ministerrat — im Widerspruch zu den Römischen Verträgen — nach wie vor das Einstimmigkeitsprinzip angewandt wird, bieten die Agrarverhandlungen regelmäßig ein unwürdiges Schauspiel nationaler Egoismen, wobei selbst unverhüllte Erpressungsmanöver und eindeutige Vertragsbrüche keine Seltenheit sind. Die erzielten Kompromisse lassen in der Regel die Ratio einer durchdachten Gesamtkonzeption vermissen und stellen mehr oder weniger eine Addition der verschiedenen nationalen Sonderwünsche dar, die wiederum hauptsächlich vonden agrarischen Interessengruppen der jeweiligen Einzelstaaten vorformuliert sind.
Abbildung 7
Tabelle 6
Quelle: Agrarbericht 1981, S. 15
Tabelle 6
Quelle: Agrarbericht 1981, S. 15
Es hat sich herausgestellt, daß es in der gesamten EG kaum einen Landwirtschaftsminister gibt, der sich nicht auf das engste mit der „grünen Front" seines Heimatlandes verbunden fühlt und der nicht bemüht wäre, die Interessen beziehungsweise die vermeintlichen Interessen des landwirtschaftlichen „Berufsstandes" nach Kräften gegen alle anderen Gruppen zu verteidigen. Das Nachsehen hat die Masse der Steuerzahler und Verbraucher, die gleich doppelt zur Kasse gebeten wird: einmal durch die Milliardensubventionen auf europäischer und auf nationaler Ebene und einmal durch Agrarpreise, die aufgrund der Ministerratsbeschlüsse bei allen entscheidenden Produkten weit über den jeweiligen Marktpreisen angesetzt werden.
Das System der europäischen Agrarpolitik ist inzwischen, nicht zuletzt durch die schwierige Ausbalancierung überzogener nationaler Interessen, so unflexibel und bürokratisch verkrustet, daß jede Erweiterung der Gemeinschaft, so wünschbar sie politisch auch sein Mag, zum Sprengsatz für den gemeinsamen Agrarmarkt zu werden droht. Wenn das bislang praktizierte System nicht geändert wird, muß jeder weitere Beitritt zur EG das finanzielle Desaster und die enorme Überschußproduktion weiter erhöhen. Doch auch ohne die bevorstehende Aufnahme Spaniens und Portugals und unabhängig von den noch kaum spürbaren Folgen des zum Jahresbeginn erfolgten Beitritts Griechenlands stößt die europäische Agrarpolitik nunmehr wohl endgültig an ihre finanziellen Grenzen. Die Preisbeschlüsse vom April dieses Jahres, die speziell im Hinblick auf die Wahlen in Frankreich und Holland gerade bei den Überschußprodukten zu einer drastischen Erhöhung der Erzeuger-preiseführten, dürften dazu beitragen, daß die der EG zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel bereits Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres erschöpft sind.
Die Mitgliedstaaten haben bereits signalisiert, daß sie an eine Aufstockung des EG-Haushalts aus nationalen Mitteln nicht denken. Die einschneidenden Sparmaßnahmen in der Bundesrepublik und in den meisten Partnerstaaten lassen erwarten, daß für den europäischen Agrarbereich Zusatzmittel einfach nicht zur Verfügung stehen und daß im Gegenteil jede Entlastung hochwillkommen ist. Auch scheint es nicht abwegig anzunehmen, daß die von den Haushaltskürzungen betroffenen breiten Massen und ihre Organisationen es nicht tatenlos hinnehmen würden, wenn auf der anderen Seite den bislang so ineffizient und alles andere als verbraucherfreundlich eingesetzten Agrarmilliarden weitere Milliarden nachgeworfen würden, nur um ein marodes System am Leben zu erhalten, das bisher ausschließlich einer kleinen Minderheit von Landwirten einseitig Vorteile verschaffte.
Somit besteht in mehrfacher Hinsicht eine Notwendigkeit zur Reform: 1. Die in Kürze zu erwartende volle Ausschöpfung des finanziellen Spielraums der EG macht eine unveränderte Beibehaltung des alten Systems unmöglich und erfordert schnelle und wirksame Maßnahmen. 2. Auch ohne diesen aktuellen Anlaß ist die grundlegende Änderung eines Marktordnungssystems überfällig, in dem Kosten und Nutzen selbst dann in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen, wenn man den Blick allein auf die Landwirtschaft richtet. 3. Aus übergeordneten europapolitischen Gesichtspunkten kann es nicht länger hingenommen werden, daß die Zweifel am Sinn des europäischen Zusammenschlusses speziell durch die verfehlte Agrarpolitik in der breiten Öffentlichkeit der EG-Staaten immer stärker hervortreten. 4. Um dieser Europamüdigkeit entgegenzuwirken, ist es ferner notwendig, daß der agrarische Wasserkopf der Gemeinschaft verschwindet und daß ein weitaus größerer Teil der EG-Haushaltsmittel für die so lange vernachlässigten Gemeinschaftsaufgaben auf anderen Sektoren freigemacht wird.
Allein schon aufgrund der Finanzmisere sah sich der Ministerrat gezwungen, die EG-Kom-mission mit der Ausarbeitung von Vorschlägen zur Verhinderung der drohenden Katastrophe auf dem Agrarmarkt zu beauftragen. Nach den französischen Parlamentswahlen dürften jetzt in sämtlichen EG-Staaten die Voraussetzungen für eine nüchterne, sachliche, von keinen akuten wahlpolitischen Interessen beeinträchtigte freie Diskussion der anstehenden Probleme gegeben sein. So ist zu hoffen, daß aus der Reform des gemeinsamen Agrarmarktes mehr werden wird als ein erneutes Kurieren an Symptomen.
Die vorliegende Studie soll ein Beitrag zu dieser Reformdiskussion sein. In ihr werden zunächst die wichtigsten Aspekte der herkömmlichen Agrarpolitik skizziert, um anschließend und darauf aufbauend die bedeutendsten Ansätze zur Neuordnung des europäischen Agrarmarktes darzulegen und kritisch zu durchleuchten.
II. Bestandsaufnahme der europäischen Agrarpolitik
Abbildung 2
Tabelle 1
Quelle: Agrarbericht 1981, S. 82
Tabelle 1
Quelle: Agrarbericht 1981, S. 82
1. Allgemeine Probleme der modernen Agrarwirtschaft in der EG
In nahezu allen hochentwickelten westlichen Industrienationen ist heute der Agrarsektor als ein stagnierender Markt anzusehen. Vor allem in der Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg wurden in der Landwirtschaft enorme Produktivitätsreserven Technischer und mobilisiert.
Fortschritt, organisatorischer Züchtungserfolge bei Pflanzen und Tieren, der Einsatz von Dünge-und Pflanzenschutzmitteln und neue Methoden der Viehhaltung und -fütterung ermöglichten eine einzigartige Erhöhung des Mengenausstoßes trotz einer scharfen Reduzierung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte. In den Ländern der Europäischen Gemeinschaft halbierte sich in Zeit von 1960 bis der 1980 die Zahl der in der Landwirtschaft beschäftigten Personen; in der Bundesrepublik war der Rückgang noch wesentlich stärker. Da eine Arbeitskraft heute ein Vielfaches von dem produziert, was in der Nachkriegszeit von ihr erzeugt werden konnte, erwies eine sich Änderung in der Betriebsstruktur unumgänglich. Ein Vollerwerbsbetrieb mußte auf jeden Fall groß genug sein, den rentablen Einsatz zumindest einer Arbeitskraft zu gewährleisten. Die Folge war, daß sich in den von Klein-und Mittelbetrieben geprägten europäischen Ländern eine starke Tendenz zu größeren Betriebseinheiten durchsetzte. Da die Produktion ständig zunahm, wuchs in den EG-Staaten der Selbstversorgungsgrad, und bei den wichtigsten Agrarprodukten wird nunmehr seit Jahren ein erheblicher Überschuß produziert, der infolge der hohen europäischen Produktionskosten unter normalen Umständen auf dem Weltmarkt unabsetzbar ist. Das Dilemma der europäischen Produzenten wird daran deutlich, daß sie im Durchschnitt pro Jahr % mehr produzieren, während die Nachfrage im EG-Bereich allenfalls um 1 % zunimmt. 2. Grundlagen des europäischen Marktordnungssystems Bekanntermaßen sind in einem funktionierenden Über-schüsse marktwirtschaftlichen langfristig gesehen ein Ding der Unmöglichkeit. Gelangen mehr Waren an den Markt als nachgefragt werden, so kommt es zu einem drastischen Preisverfall. Grenzproduzenten, die bei dem neuen Preis erhebliche Verluste machen, scheiden aus; für sämtliche Betriebe erhöht sich der Anreiz zur Produktionsumstellung. Schließlich geht die erzeugte Menge des Überschußprodukts zurück; der Preis stabilisiert sich. Allein durch die Wirkung des Marktmechanismus wird das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage wiederhergestellt. Die in der europäischen Gemeinschaft regelmäßig produzierten enormen Überschüsse sind ein deutliches Zeichen dafür, daß die Kräfte des Marktes auf dem Agrarsektor ausgeschaltet weitgehend wurden. Die lange protektionistische Tradition der Landwirtschaft 3) setzte sich im europäischen Marktordnungssystem unvermindert fort, obwohl der EG-Vertrag durchaus andere Möglichkeiten offenläßt. Er verlangt lediglich eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte mit dem Ziel, die Produktivität der Landwirtschaft zu erhöhen, den Bauern eine angemessene Lebenshaltung zu ermöglichen, die Märkte zu stabilisieren, die Versorgung sicherzustellen und die Verbraucher zu angemessenen Preisen zu beliefern (Art. 39 und 40). Was die Mittel zur Erreichung dieser Zielebe-trifft, so wird zwar ein Katalog möglicher Maßnahmen aufgezählt, der jedoch die europäischen Organe in ihrer Politik nicht bindet Das praktizierte Marktordnungssystem basier) auf einem ungehinderten Warenverkehr innerhalb der EG, auf einem hochwirksamen Außenschutz gegenüber dem Weltmarkt und auf einer gemeinsamen Finanzierung des Agrarmarktes durch die Partnerstaaten. Das entscheidende Wesensmerkmal der gemeinsamen Agrarpolitik besteht in der Festsetzung garantierter Mindestpreise für die wichtigsten Produkte, deren Realisierung durch staatliche Abnahmegarantien gewährleistet wird. Allein für die Verwertung der überschüssigen, am europäischen Markt nicht absetzbaren Mengen an Getreide und Milcherzeugnissen, für die eine unbegrenzte Abnahmepflicht besteht, muß die EG 1981 schätzungsweise 18 Mrd. DM aufwenden — dies ist mehr als die Hälfte des europäischen Agrarhaushalts Inzwischen verfügt die Gemeinschaft über ein fast lückenloses System von mehr als zwanzig Marktordnungen, die alle ihre Besonderheiten aufweisen und in ihren komplizierten Bestimmungen kaum noch zu überschauen sind. Neben den Instrumenten der obligatorischen und der fakultativen Intervention besteht ein ganzer Wust von sonstigen Stützungsmaßnahmen und Beihilfen Für mehr als zwei Drittel der europäischen Agrarproduktion wird inzwischen das Preisniveau durch Stützungskäufe abgesichert. Verständlicherweise üben die südlichen Staaten einen starken Druck in der Richtung aus, daß ihnen für ihre Hauptprodukte, wie etwa Wein, Obst, Gemüse, Oliven, eine ähnlich lückenlose Absicherung gewährt wird, wie sie die nördlichen Staaten für Milchprodukte, Getreide und Zucker bereits erhalten. Ein Eingehen auf ihre Wünsche würde aber — bei den vorhandenen Produktionsreserven — auch auf diesen Sektoren die Überproduktion gewaltig anheizen und die jährlichen Steigerungsraten im Agrarhaushalt, die bereits seit 1975 durchschnittlich mehr als 20 Prozent betrugen noch einmal in die Höhe treiben. Da jedoch mit Sicherheit damit zu rechnen ist, daß der EG-Haushalt, der sich aus Zöllen und Abschöpfungen gegenüber Drittländern sowie aus nationalen Zuwendungen in Höhe von 1 % des jeweiligen Mehrwertsteueraufkommens speist, bereits im laufenden Wirtschaftsjahr an seine Grenzen stößt, sind nennenswerte Steigerungen der Agrarausgaben im EG-Bereich ab 1982 nicht mehr möglich. Bei weiter wachsenden Überschüssen bleiben mithin als Lösung. nur Preissenkungen, die isoliert kaum durchsetzbar sein dürften, oder Änderungen in der Organisation des Agrarmarktes.
Die extrem hohen Kosten der Überschußverwertung entstehen dadurch, daß die entsprechenden Produkte von den staatlichen Aufkaufstellen Zwecken zugeführt werden, die es ausschließen, daß sie auf dem Markt mit Produkten der gleichen Kategorie in Konkurrenz treten. So wird die überschüssige Milch zu Butter und Milchpulver verarbeitet, die sich — wenn auch nur mit horrenden Kosten — lagern lassen und schließlich, soweit möglich, zu Dumpingpreisen auf dem Weltmarkt abgesetzt werden. Die Butterexporte in die Sowjetunion mußten z. T. zu einem Preis abgewickelt werden, der um 70 % unter dem Interventions-preis der EG lag. Milchpulver wurde in großen Mengen „denaturiert" und an Kälber und Schweine verfüttert, wobei die erzielten Erlöse häufig nicht einmal die Trocknungskosten deckten Obst und Gemüse wurden nicht selten direkt der Vernichtung zugeführt Auch bei anderen Produkten stellt die Überschußverwertung ein riesiges Verlustgeschäft dar Das Prekäre aber ist, daß es für die Bauern betriebswirtschaftlich durchaus vernünftig ist, Produkte zu erzeugen, deren Abnahme ihnen zu einem festen Preis garantiert wird. Dabei wird ihnen jedes Absatzrisiko abgenommen, dem sie in anderen Bereichen durchaus noch ausgesetzt sind; es besteht für sie also absolut kein Anreiz, sich nicht mehr an der Überschußproduktion zu beteiligen, im Gegenteil! Solange sie, wie bisher, durch den politischen Druck der Bauernverbände erhebliche Preis-erhöhungen auch für diese Erzeugnisse durchsetzen können, werden sie zu einem gesamtwirtschaftlich verantwortungsvollen Verhalten, das für sie mit freiwilligen Einkommens-opfern verbunden wäre, kaum zu bewegen sein. Mit anderen Worten: Das bestehende System fordert die für die Allgemeinheit ebenso kostspielige wie nutzlose Überproduktion geradezu heraus.
Für den Verbraucher bringt der gemeinsame Agrarmarkt zwar eine sichere Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten, doch diese Sicherheit ist teuer erkauft. Von angemessenen Preisen, wie sie der EG-Vertrag verlangt, kann sicherlich keine Rede sein, und zwar nicht nur bei einem — in mehrfacher Hinsicht problematischen — Vergleich mit den Weltmarkt-preisen, sondern ebenso bei einem Vergleich mit den — natürlich nur schätzungsweise zu ermittelnden — innereuropäischen Marktpreisen. Hinzu kommen die horrenden Interventionskosten, die den Verbraucher als Steuerzahler belasten. Die sinnlose Produktion un-verkäuflicher Überschüsse bedeutet zudem, daß Arbeit und Kapital in einem gigantischen Ausmaß fehlgeleitet werden. Beide könnten an anderer Stelle weit nutzbringender eingesetzt werden. Im Agrarbereich werden die entsprechenden Disproportionen daran deutlich, daß 96, 4 % des EG-Haushaltsansatzes für Interventionsmaßnahmen aufgewendet werden, nur 3, 6 % dagegen für die zukunftsweisende Struktur-und Regionalpolitik und für die Sozialpolitik zusammen Hinzuweisen ist ferner auf die schädlichen Auswirkungen auf den Weltmarkt, die durch die europäischen Autarkietendenzen im Agrarbereich, mehr noch aber durch das Dumping mit den Überschußprodukten entstehen. Hierdurch wird einem allgemeinen Protektionismus Vorschub geleistet, den sich die europäischen Staaten auf dem industriellen Sektor gar nicht leisten können und der sich eines Tages in gravierenden Wohlstandsverlusten für jeden einzelnen niederschlagen kann
Ein bisher wenig beachtetes Problem sind die riesigen Reibungsverluste, die das europäische Agrarsystem mit sich bringt. Gemeint sind hier nicht jene grotesken Fehlentscheidungen, wie sie etwa in dem Nebeneinander-bestehen von Kuhabschlachtprämien zur Reduktion des Milchüberschusses und gleichzeitiger Vergabe von Investitionsprämien für den Bau neuer Kuhställe zu erblicken sind' Es geht vielmehr um die Tatsache, daß die Kosten für die Preisstützungspolitik ganz entscheidend höher sind als die Einkommenswirkungen dieser Politik für die Bauern. Im Hinblick auf den Milchmarkt hatte der SPD-Agrarex-perte Schmidt (Gellersen) bereits 1973 resignierend festgestellt: „Das Perverse an dem System ist, daß von den Marktordnungsausgaben nur ein Bruchteil die Bauern erreicht; es bleiben den Landwirten von jeder Mark Stützungskosten ganze 10 Pfennig." Wolfram Engels geht unter Berufung auf Schätzungen zu Beginn der siebziger Jahre davon aus, daß der Wirkungsgrad jener Mittel, die der Landwirtschaft in Form von hohen Nahrungsmittelpreisen, landwirtschaftlichen Subventionen und Minderbesteuerung zur Verfügung gestellt werden, deutlich unter 20% liegt Auch wenn diese Berechnungen zu pessimistisch sind, so ist doch anzunehmen, daß nur ein Minimum der von der EG aufgebrachten Agrarmittel in der Landwirtschaft ankommt und daß der weitaus größte Teil durch Verwaltungs-, Lagerungs-und Überschußbeseitigungskosten aufgesogen wird. Ein derart ineffizientes System aber richtet sich selbst. 3. Die Einkommenslage der Landwirtschaft Aus dem bisher Dargelegten geht hervor, daß von den agrarpolitischen Zielen des Vertrags von Rom die Produktivitätssteigerung der Landwirtschaft und die Sicherstellung der Versorgung erreicht werden konnten. Die tatsächlich erfolgte Stabilisierung der Märkte kann dagegen nur als eine Scheinstabilisierung bezeichnet werden, da sie mit dem Milliarden verschlingenden Aufkauf einer gigantischen Überschußproduktion steht und fällt. Die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen, und das heißt doch wohl zu innereuropäischen Marktpreisen, war bei dem praktizierten Marktordnungssystem von vornherein ausgeschlossen. Wie aber steht es mit dem Ziel, der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu sichern, oder, wie es im deutschen Landwirtschaftsgesetz von 1955 heißt, die Disparität zwischen der sozialen Lage der Bauern und der vergleichbarer gewerblicher Arbeitnehmer zu beseitigen? Klaus Peter Krause macht zu Recht darauf aufmerksam, daß hier nicht nur das Einkommen angesprochen ist, sondern daß die soziale Lage auch durch die großen Vermögenswerte der Landwirte, die zusätzliche Sicherheit verleihen, entscheidend bestimmt wird. Darüber hinaus bezweifelt er, wie es übrigens die meisten der unabhängigen Agrarjournalisten und Wissenschaftler tun, daß heute noch eine Einkommensdisparität zwischen dem landwirtschaftlichen und dem außerlandwirtschaftlichen Bereich besteht In der Tat ist ein Vergleich zwischen den 24 309 DM Gewinn, den eine Familienarbeitskraft im Vollerwerbsbetrieb pro Jahr durchschnittlich erzielt und den 29 471 DM des gewerblichen Vergleichslohns sehr problematisch. Einmal ist dabei zu berücksichtigen, daß die Masse der Landwirte kaum Steuern zahlt; hinzu kommt, daß in beide Zahlen berechnungsmäßige Vorgaben eingehen, die für die Landwirtschaft recht vorteilhaft sind. Gravierender noch ist die Tatsache, daß der Agrarbericht der Bundesregierung der Einstufung bei der zum Vergleich heranzuziehenden Vollerwerbsbetriebe „ständig zu mogeln [... ] pflegt" Während bei der Investitionsförderung korrekt 20— 25 % der Betriebe als Vollerwerbsbetriebe eingestuft werden, sind es bei der Statistik des Vergleichseinkommens 49 %. In dieser Zahl sind auch jene Betriebe enthalten, die als Vollerwerbsbetriebe nicht überle-bensfähig sind und die deshalb auch nicht die im Landwirtschaftsgesetz genannte Bedingung erfüllen, „die wirtschaftliche Existenz einer bäuerlichen Familie nachhaltig [zu] gewährleisten". Dadurch wird der Einkommens-durchschnitt der bäuerlichen Familienarbeitskräfte so stark gedrückt, daß der errechneten Zahl im Hinblick auf die Vergleichseinkommen keine echte Aussagekraft zukommt. Eine entsprechende Korrektur macht deutlich, daß von einer Disparität zu Ungunsten der Landwirtschaft überhaupt keine Rede mehr sein kann
Das eigentliche Problem liegt auf einer ganz anderen Ebene. Innerhalb der Landwirtschaft bestehen gewaltige Einkommensunterschiede, an denen die Milliardensubventionen, die die Allgemeinheit diesem Wirtschaftszweig Jahr für Jahr zufließen läßt, offenbar nichts ändern können. Ein Vergleich der Durchschnittsgewinne des am besten verdienenden Viertels aller Vollerwerbsbetriebe mit denen des am schlechtesten verdienenden Viertels weist aus, daß die ersteren den siebenfachen Gewinn je Familienarbeitskraft erwirtschaften wie die letzteren. Da es sich dabei um Durchschnittswerte handelt, sind die tatsächlich auftretenden Diskrepanzen noch weit stärker. Die Unterschiede gehen auf die verschiedensten Ursachen zurück, wie etwa Bodenqualität, Klima, Marktferne, Anbauarten, Betriebsgröße, etc., wodurch sich auch erhebliche Abweichungen von Bundesland zu Bundesland ergeben (s. Tabelle 4). Ein Vergleich der letzten zehn Jahre belegt, daß der absolute und sogar der relative Abstand zwischen den beiden extremen Vierteln nicht kleiner, sondern erheblich größer geworden ist
Daß die Marktordnungspolitik der EG an dieser gewaltigen innerlandwirtschaftlichen Disparität nichts ändern kann, wird durch eine einfache Überlegung deutlich. Die Subventionierung der Landwirtschaft erfolgt nach dem Gießkannenprinzip fast ausschließlich über den Preis (in Verbindung mit den mehr oder weniger lückenlosen Absatzgarantien). Sie orientiert sich mithin an der Produktionsleistung, ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Produktionskosten oder die soziale Bedürftigkeit des einzelnen Landwirts zu nehmen. Wer nur wenig produziert, der erhält durch gestiegene Preise nur wenig mehr; wer dagegen viel und kostengünstig produziert, der profitiert weit überproportional von jeder Preiserhöhung. So ermöglicht die EG-Politik den ohnehin rentabel arbeitenden Spitzenbetrieben erhebliche Zusatzgewinne auf Kosten des Steuerzahlers -Es gibt nichts daran zu deuteln:
Eine ausschließlich oder hauptsächlich am Erzeugerpreis orientierte Politik fördert die Einkommensunterschiede in der Landwirtschaft. Sie kann die Lage der wirklich Bedürftigen kaum verbessern. Diesen ist nur durch eine entscheidende Veränderung ihrer Produktionsbedingungen oder durch eine großzügige soziale Absicherung ihres Ausscheidens aus der Landwirtschaft nachhaltig zu helfen. Die entsprechende Schwerpunktänderung in der Förderung war 1968 die Grundidee des so häufig verketzerten Mansholt-Planes Die hierzu im krassen Gegensatz stehende Ak-zentsetzung der EG wird durch nichts besser demonstriert als durch die erwähnte Aufteilung ihres Agrarbudgets, von dem mehr als 96 % der Preisstützung, aber nur knappe 4 % der Struktur-und Sozialpolitik zugute kommen. Für die gut verdienenden Mittel-und Großbetriebe, die den eigentlichen Nutzen aus der europäischen Agrarpolitik ziehen, bedeutet die hoffnungslose Situation der am unteren Ende der Skala angesiedelten Höfe eine hoch-willkommene Legitimationsbasis für ihre Forderung nach „Gerechtigkeit für die Landwirtschaft", die für sie gleichbedeutend ist mit dem Verlangen nach höheren Preisen. Der Clou dieser Politik besteht darin, daß die Landwirtschaft stets als eine Einheit dargestellt wird, die die gleichen Interessen hat. Eine, derart einseitige, wenn nicht gar bewußt die Tatsachen verfälschende Sicht der Dinge mag als Interessentenäußerung hingenommen werden; unverzeihlich ist es dagegen, wenn das Bonner Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten entsprechenden Manipulationen Vorschub leistet. Das aber tut es, wenn es die Vergleichsrechnungen zwischen Land-23 Wirtschaft und gewerblicher Wirtschaft durch das Spiel mit der Zahl der Vollerwerbsbetriebe zugunsten des Agrarbereichs verändert. Vor allem hierauf zielt auch die zornige Bemerkung Klaus Peter Krauses: „Das Agrarministerium unter Josef Ertl versteht den Agrarbericht offenbar mehr als Schützenhilfe für die Forderungen grüner Funktionäre denn als Rechenschaftsbericht für die Verbraucher und die Steuerzahler, die gezwungen werden, Arme und Reiche in der Landwirtschaft kräftig zu subventionieren. Aber der Agrarbericht soll nicht verschleiern, sondern offenlegen, was ist."
Doch obwohl der Agrarbericht möglichst Informationen, vor allem aber Interpretationen meidet, die bei der „Standesvertretung" allzu starkes Mißfallen erregen könnten, so läuft doch das ausgebreitete Zahlenmaterial weitreichende Schlüsse zu, die ein selbständiges Urteil durchaus ermöglichen. Es ist daraus beispielsweise ebenso sicher abzuleiten, daß den Schlußlichtern unter den Betrieben durch die Preispolitik nicht zu helfen ist, wie andererseits deutlich wird, daß die Subventionierung der Spitzenbetriebe durch den Steuerzahler ein Skandal ist. Dabei lassen allerdings die Einkommensdurchschnitte des „oberen Viertels" nur erahnen, welche enormen Gewinne von den wirklichen Branchenführern erzielt werden. Mit Sicherheit brauchen diese den Vergleich mit den bestgeführten gewerblichen Unternehmen nicht zu scheuen. Die Tatsache, daß an der Spitze der Vermögenspyramide der Bundesrepublik neben den übrigen Selbständigen die Bauern stehen, von denen bereits 1973 14, 5% (!) über Vermögenswerte von mehr als einer halben Million DM verfügten ist eben nicht nur auf Tradition und Erbe, sondern ebenso darauf zurückzuführen, daß in Teilen der Landwirtschaft ganz ausgezeichnet verdient wird. Von daher gewinnt auch eine leicht zu übersehende Angabe des Agrarberichts 1981 an Gewicht, die besagt, daß der Sektor Landwirtschaft sich mit einem — im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen — ungewöhnlich hohen Anteil von knapp 80 % Eigenkapital finanziert Wenn man daneben berücksichtigt, daß der Landwirtschaft Fremdkapital in der Regel zu außergewöhnlich günstigen Konditionen zur Verfügung steht, so kann das nur heißen, daß ein großer Teil der Betriebe auf eine dauerhafte Verschuldung verzichten kann. Die von der Agrarlobby immer wieder vorgebrachte These von einer Überschuldung „der” Landwirtschaft entbehrt somit jeder Grundlage. Allerdings ist davon auszugehen, daß den ertragsschwächsten Vollerwerbsbetrieben durch die staatlichen Förderschwellen der Zugang zum subventionierten Kapitalmarkt weitgehend versperrt ist und daß für sie eine Kreditaufnahme auf dem freien Markt kaum in Frage kommt Ein schwieriges Problem stellt zweifellos die Frage dar, inwieweit die Einkommensverhältnisse in der Landwirtschaft mit denen in den übrigen EG-Staaten vergleichbar sind Natürlich gibt es — parallel zum gewerblichen Sektor — gravierende Unterschiede im Einkommensniveau. Abstrahiert man einmal hiervon, so läßt sich mit Sicherheit sagen, daß die innerlandwirtschaftliche Disparität in den meisten Staaten ähnlich groß sein dürfte wie in der Bundesrepublik. Speziell für die südlichen Staaten (und damit auch für die Beitrittskandidaten Spanien und Portugal) ist davon auszugehen, daß der Anteil der ökonomisch nicht überlebensfähigen Betriebe noch weit höher ist. Diese aber profitieren dort ebensowenig wie in der Bundesrepublik von der preisorientierten EG-Politik, die zwar ihre Not kurzfristig lindern, ihre Lage aber nicht nachhaltig bessern kann. Den Nutzen haben auch hier die großen und ertragsstarken Betriebe. 4. Die Rolle der nationalen Maßnahmen Um die Situation der europäischen Landwirtschaft realistisch zu erfassen, darf man nicht nur von den Maßnahmen auf EG-Ebene ausgehen, sondern muß die nationale Förderung mit einbeziehen. Diese macht für die Bundesrepublik noch einmal mehr als den gleichen Betrag aus, der dem Agrarsektor aus Brüsseler Mitteln zufließt. Der Löwenanteil kommt dabei mit 3, 7 Mrd. DM der landwirtschaftlichen Sozialpolitik, speziell den Zuschüssen zur Alters-, Kranken-und Unfallversicherung sowie der Landabgaberente zugute. Der Staat scheut also keine Kosten, um auch der Landwirtschaft den Schutz des sozialen Netzes voll zukommen zu lassen, was für viele Bauern den Rückzug aufs Altenteil bzw.den Übergang in andere Wirtschaftszweige erst möglich macht. Uber eine Milliarde DM stehen für Agrarstrukturmaßnahmen zur Verfügung, mit Schwerpunkt auf der Flurbereinigung und der einzelbetrieblichen Investitionsförderung Während die erstere fast durchweg eine sinnvolle Zukunftsinvestition darstellt, kann die letztere ebenso wie jede davon unabhängige Zinsverbilligungsaktion recht problematisch werden, wenn damit beispielsweise Investitionen gefördert werden, die der verstärkten Überschußproduktion dienen Einen Posten von über 600 Millionen DM macht im Bundeshaushalt die Dieselölverbilligung aus, die allerdings nach neueren Planungen reduziert werden und schließlich ganz wegfallen soll
Einen ganz erheblichen Teil der nationalen Landwirtschaftsförderung stellen die enormen Steuerprivilegien dieses Wirtschaftszweiges dar, die nach vorsichtigen Schätzungen weit über 2 Mrd. DM hinausgehen dürften. Hierauf anspielend wurde in der Presse der Spruch kolportiert: „Das wahre Steuerparadies liegt nicht in der Schweiz, sondern in der Landwirtschaft." Es gelang der Agrarlobby, die Besteuerungsreform von 1980 so zu verwässern, daß allenfalls 0, 3 Mrd. DM an Mehrbelastun-gen zu erwarten sind. 75 % aller Betriebe fallen nach wie vor unter die extrem günstige pauschalierte Gewinnermittlung; 8 % dürfen sich mit der wenig wirksamen „Schuhkartonbuchführung" begnügen, und 17 (statt bisher 10) % sind voll buchführungspflichtig wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß bisher schon über die Hälfte der buchführungspflichtigen Betriebe dieser Pflicht nicht nachkam und dafür vom Finanzamt mit einer sie begünstigenden Steuerschätzung belohnt wurde Es besteht auf landwirtschaftlicher Seite offenbar ein handfestes Interesse daran, die wahren Einkommensverhältnisse undurchsichtig zu halten. Immerhin läßt sich durch den Agrarbericht 1981 ermitteln, daß Vollerwerbsbetriebe 1979/80 auf den Gewinn von 24 309 DM pro Familienarbeitskraft im Durchschnitt ganze 1 478 DM Einkommensteuer pro Familie und Jahr zahlten Aus der minimalen Steuerbelastung im Agrarbereich ergibt sich u. a. auch, daß selbst wohlhabende Landwirte ihre Kinder zum vollen BAFöG-Satz studieren lassen können.
Auch in den anderen EG-Staaten werden der Landwirtschaft auf nationaler Ebene erhebliche direkte und indirekte Subventionen zugeführt, die natürlich an der Finanzkraft des jeweiligen Landes ihre Grenze finden. Die Bundesrepublik ist hier in einer günstigen Position. Doch auch Frankreich konnte es sich beispielsweise leisten, vor den Präsidentschaftswahlen 4 Mrd. Francs als direkte Einkommenshilfe an seine Bauern zu verteilen Während die Sozialleistungen vor allem der Angleichung an die jeweiligen nationalen Standards auf dem sozialen Sektor dienen und nur zum geringen Teil echte Wettbewerbsverzerrungen verursachen, sind nationale Investitionshilfen und sonstige agrarstrukturelle Maßnahmen alles andere als wettbewerbsneutral. In einem gewissen Umfang aber können solche Leistungen, wie in anderen Wirtschaftszweigen auch, wohl hingenommen werden, zumal die meisten Staaten Anstrengungen in dieser Richtung unternehmen. Die ärmsten EG-Mitglieder sollten dafür verstärkt aus dem EG-Strukturfonds bedacht werden, was prinzipiell anerkannt ist, faktisch aber an zu knappen Mittelzuweisungen scheitert. Was die Besteuerung der Landwirtschaft betrifft, so bemühen sich fast alle Staaten, ihren Bauern Privilegien zukommen zu lassen, wenn diese auch tatsächlich nur selten deutsche Ausmaße erreichen. Insgesamt läßt sich zu den nationalen Zuwendungen im Agrarbereich sagen, daß sie kaum ein stärkeres Integrationshemmnis darstellen als nationale Einzelmaßnahmen auf anderen Gebieten; dies schließt natürlich nicht aus, daß eine stärkere Harmonisierung wünschenswert wäre. Wenn von einer Reform des europäischen Agrarmarktes die Rede ist, so kann von diesen nationalen Zuwendungen zunächst einmal abstrahiert werden. Dennoch sollte man natürlich stets im Auge behalten, welch enorme Mittel der Landwirtschaft auch von dieser Seite her zufließen. Schätzungen der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände gingen dahin, daß zu den EG-Agrarausgaben (1981 wohl fast 35 Mrd. DM) noch einmal der gleiche Betrag aus den nationalen Kassen hinzukomme und daß sich infolge der überhöhten Agrarpreise diese Gesamtsumme noch einmal verdoppele Die letztgenannte Aussage basiert allerdings auf einem Vergleich mit den von zahlreichen marktfremden Einflüssen bestimmten und daher extremen Schwankungen unterworfenen Weltmarkt-preisen und ist von daher kaum als realistisch anzusehen. 5. Die Befürworter der bisherigen Agrarpolitik und ihre Argumentation Es ist erstaunlich, daß eine Agrarpolitik, die mit so gravierenden Mängeln behaftet ist wie die europäische, in den entscheidenden politischen Gremien nur selten auf grundsätzlichen Widerstand stieß Das hängt wohl primär damit zusammen, daß sich die politische Öffentlichkeit lange Zeit kaum für die Probleme der Landwirtschaft interessierte und daß auch die Volksvertretungen in den einzelnen Staaten die Agrarpolitik weitgehend den Interessenten in den eigenen Reihen und nur ausnahmsweise auch einigen unabhängigen Fachleuten überließen. Auch im europäischen Parlament übernahm die Ägrarlobby die Initia-tive und brachte es fertig, die Mehrheit der Abgeordneten für die immer stärkere Forcierung der Preispolitik bei Erweiterung der Abnahmegarantien zu gewinnen. Nur einmal, Ende 1979, begehrte das erstmals direkt gewählte europäische Parlament auf und lehnte den gesamten EG-Haushalt 1980 ab, weil die überwuchernden Agrarausgaben nur noch einen minimalen Spielraum für wichtige Gemeinschaitsaufgaben ließen Letztlich aber gaben die Parlamentarier doch klein bei und führten nachträglich ihren Beschluß ad absurdum, indem sie zu Beginn dieses Jahres eine 12prozentige Preisanhebung für die Landwirtschaft forderten, womit die finanzielle Beweglichkeit der Gemeinschaft erst recht blockiert worden wäre. Daß das Parlament mit seinem Votum nicht nur der Kommission in den Rükken fiel, die den Bauern um knapp 8 % höhere Einnahmen zubilligen wollte, sondern daß es mit seinem Vorschlag den schließlich im Ministerrat erzielten Kompromiß um durchschnittlich mehr als 2 % übertrumpfte, ist als ein klarer Sieg der Agrarlobby zu werten Die Kommission betrieb traditionell eine stärker marktorientierte Politik, die durch Preisstillstand oder nur geringe Preisanhebungen bei den Überschußprodukten gekennzeichnet war. Alle diesbezüglichen Bemühungen wurden jedoch regelmäßig vom Ministerrat zunichte gemacht, der den Forderungen -der bäu erlichen Interessenverbände erheblich weniger Widerstand entgegenzusetzen Diese Tatsache wird verständlich, wenn man bedenkt, daß die nationalen Agrarminister, die in allen Landwirtschaftsfragen den Ministerrat bilden, sich fast durchweg mit ihren Bauernverbänden eng verbunden fühlen und bestrebt sind, ein Maximum für „ihre Bauern“
herauszuholen Auch die Masse der hohen Ministerialbeamten in den nationalen Ministerien hat eine deutliche Affinität zum „Berufsstand“, so daß es dort zu keinem echten Interessenclearing zwischen der Agrarlobby und den Verbraucherinteressen kommt. Den Arbeitnehmerorganisationen, deren Mitglieder und Sympathisanten die Hauptmasse der Verbraucher darstellen, ist der Vorwurf zu ma-
hen, daß sie die Bedeutung der Agrarpolitik für den Lebensstandard des einzelnen lange Verschätzt haben und daß sie sich auf die-48 sem Gebiet weitgehend passiv verhalten. Wo blieben z. B. die Proteste, als die CDU/CSU es wagte, den Präsidenten des deutschen und des europäischen Bauernverbandes, Heereman, der seit vielen Jahren für seine aggressive Interessenpolitik bekannt ist, als ihren Kandidaten für das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorzuschlagen? Warum gab es keinen Sturm der Entrüstung, als zum Jahresbeginn der als harter Vertreter von Agrarinteressen bekannte dänische Landwirtschaftsminister Dalsager zum Brüsseler Agrärkommissar ernannt wurde? Lag es nicht nahe anzunehmen, daß Dalsager die gemeinsame Kommissonslinie mit ihrer Politik der drastischen Erhöhung der finanziellen Erzeugerbeteiligung am Überschußabbau nur allzu schnell verlassen würde, wie es dann auch tatsächlich geschah
Faktisch ist heute davon auszugehen, daß sowohl das Europa-Parlament als auch der Ministerrat weitgehend auf der Linie der bäuerlichen Interessenvertretung liegen und daß die unabhängige Position der Kommission mehr denn je bedroht ist. Der Grundtenor der offiziellen Politik dieser Organe geht dahin, daß müsse der behauptet wird, man benachteiligten Landwirtschaft durch regelmäßige Preiserhöhungen den Anschluß an die gewerblichen Einkommen ermöglichen, man müsse diese Agrarpolitik beibehalten, um die europäische Einigung nicht zu gefährden, und die hohen Kosten seien speziell für die Bundesrepublik ein zumutbares Opfer für die Öffnung des europäischen Marktes für die deutschen Industrieprodukte. Diese offizielle Agrarpolitik, die sich gemäßigt gibt, nur den politischen Notwendigkeiten zu folgen scheint, unangenehme Fragestellungen mit Vorliebe umgeht oder mögliche Alternativen von vornherein als unpraktikabel abblockt, unterscheidet sich immerhin noch wohltuend von der grobschlächtig-massiven Propaganda, mit der die Bauernverbände alle Einwände gegen ihre Politik gleichsam niederwalzen. Eine Lektüre der neuesten Nummern der Deutschen Bauernkorrespondenz, des offiziellen Organs des Deutschen Bauern-verbandes, ergab ein erschreckendes Bild. So waren nicht nur unseriöse statistische Praktiken an der Tagesordnung; teilweise schienen die angegebenen Zahlen über die landwirtschaftliche Entwicklung direkt aus der Luft gegriffen zu sein. Um nur wenige Beispiele zu nennen: Schnieders behauptet in der Mainummer der Zeitschrift, in der deutschen Landwirtschaft habe es „nach den Unterlagen der EG-Kommission seit 10 Jahren keine realen Einkommensverbesserungen mehr gegeben" Tatsache aber ist, daß sich das Einkommen einer Familienarbeitskraft im Vollerwerbsbetrieb jährlich im Durchschnitt um 7 % erhöht und in den genannten 10 Jahren nominal verdoppelt hat. Auch bei Berücksichtigung der Inflationsrate bleibt damit eine erhebliche Steigerung Heereman führt in der März-nummer aus, das Einkommen der deutschen Landwirtschaft sei in den letzten beiden Jahren real um 25 Prozent gesunken in der Aprilnummer redet er von einer Senkung des Realeinkommens der Landwirte um den gleichen Prozentsatz, diesmal allerdings in den letzten fünf Jahren Gemessen am Agrarbericht der Bundesregierung sind beide Anga-ben unhaltbar überhaupt fällt auf, daß der Bauernverband vorzugsweise mit eigenen Zahlen arbeitet, die eine Vergleichbarkeit mit anderen Daten erschweren, wenn nicht un möglich machen und seltsamerweise stets dem Verbandsinteresse entgegenkommen Wenn es sich auszahlt, begnügt sich die Agrar, lobby auch einmal mit sehr ungenauen Zahlen, so etwa wenn Heereman behauptet, der Landwirt verdiene heute schon im Durchschnitt 30— 40 % weniger als sein Nachbar, der im Büro oder in der Fabrik arbeite Selbst nach der offiziellen Statistik des Agrarberichts beträgt dieser Abstand nur 18 % Ähnlich manipulativ ist die sonstige'Informationspolitik. Mit Krisenangst und der Forderung nach Katastrophenbevorratung sucht der Bauernverband das Überschußproblem herunterzuspielen In der Aprilnummer der Bauernkorrespondenz wird aufgrund des Anstiegs derWeltmarktpreise für Butter und Magermilchpulver von einer „günstigen Marktsituation für Milch" geredet, die zur Einsparung von 1 Mrd. DM Exportsubventionen führe. Wie viele Milliarden diese Ausfuhr immer noch kostet, wird schamhaft verschwiegen. Dafür wird die Erzeugerabgabe von 2, 5% für Milch, mit der sich die Produzenten ganz bescheiden an der Überschußverwertung beteiligen sollen, als „überflüssige Kürzung der Agrareinkommen" angeprangert Die landwirtschaftliche Einkommensteuerreform, die nach offiziellen Schätzungen zu 300 000 DM Mehrbelastung führen soll, rechnet Heereman kurzerhand auf 1 Mrd. DM hoch; aus der Nichtanhebung der Vorsteuerpauschale konstruiert er einen Verlust von einer halben Milliarde DM, den er als „Steuerwucher" brandmarkt, usw. usw.... • Ein ernstes Legitimationsproblem stellt für den Bauernverband zu Recht die Frage dar, ob die europäische Agrarpolitik wirklich die wohlhabenden Bauern begünstige. Entsprechende Feststellungen werden in der Regel mit billiger Polemik abgetan, etwa der Behauptung, daß sie von interessierten Kreisen verbreitet würden, um die Solidargemeinschaft der Landwirtschaft zu torpedieren Im der Januar glaubte Präsident des Niedersächsischen Landvolks, Bockhop, These durch die die neuesten Buchführungsergebnisse widerlegen zu können: Er stellte fest, die größeren Höfe hätten erstmals wesentlich schlechter abgeschnitten als die kleineren Betriebe. Davon konnte natürlich überhaupt keine Rede sein. Faktum war lediglich, daß die Gewinne der größeren Betriebe prozentual stärker zurückgegangen waren als die der kleineren. An dem großen Abstand zwischen beiden änderte das gar nichts
Ein Blick auf führenden wie auch die Vertreter auf die Politik des Bauernverbandes genügt, um festzustellen, daß hier ganz vorrangig die Interessen der großen Betriebe zum Zuge kommen und daß die Masse der Mitglieder die Funktion hat, dem Verband die Legitimation zu geben, für die gesamte Landwirtschaft zu sprechen und das politische Druckpotential des ganzen Wirtschaftszweiges in die Waagschale zu werfen Das Zusammenhalten der Mitgliedschaft gelingt offenbar besten dadurch, daß die Bauern durch die systematische Verstärkung ihres Gefühls der Unterprivilegierung und durch radikale Forderungen, die ihnen eine tendenziöse Berichterstattung nahebringt, ständig in Aktion gehalten werden Die meisten von ihnen scheinen nicht zu merken, daß sie nicht informiert, sondern indoktriniert werden, oder aber sie halten diese Vorgehensweise für eine gute Interessenpolitik gegenüber der breiten Öffentlichkeit. In der Tat gelang es dem Bauernverband durch seine geschickte Pressepolitik, seinen Forderungen zu einer breiten Publizität zu verhelfen und viele Bürger von der Not „der" Landwirtschaft zu überzeugen.
Die hier für die Bundesrepublik exemplarisch dargestellten Charakteristika der agrarischen Interessenvertretung dürften in den meisten EG-Staaten ihre Parallelen haben, besonders was die Ausrichtung der Verbandspolitik auf die großen Betriebe angeht. Nicht zufällig wurde Constantin Freiherr Heereman zum Vorsitzenden der COPA, des Zusammenschlusses der europäischen Bauernverbände, gewählt.
Um eine Objektivierung der Diskussion herbeizuführen, dürfen vor allem die großen Arbeitnehmerorganisationen Verbraucher-vertreter nicht länger an den Problemen der vorbeigehen. Einen erfreulichen Agrarpolitik Anfang machte die deutsche Sozialdemokratie, deren . Arbeitsgruppe zur Reform des europäischen Agrarmarktes" ihre Vorschläge im November 1980 vorlegte Die Chancen für eine breite öffentliche Auseinandersetzung sind durch die Zuspitzung der Finanzschwierigkeiten der EG gestiegen. Regierungschefs und Finanzminister können nicht länger dulden, daß die Landwirtschaftspolitik wie bisher eine Angelegenheit nur der Agrarressorts bleibt, und ebensowenig können es die europäischen Steuerzahler und Verbraucher.
III. Vorschläge zur Reform der europäischen Agrarpolitik
Abbildung 3
Tabelle 2
Quelle: Agrarbericht 1981, S. 30
Tabelle 2
Quelle: Agrarbericht 1981, S. 30
1. Die finanzielle Beteiligung der Erzeuger an der Uberschußverwertung und die Lockerung der staatlichen Interventionspflicht
Zur inzwischen allgemein als notwendig anerkannten Reform des gemeinsamen Agrarmarktes werden eine Reihe prinzipieller Lösungsmöglichkeiten angeboten, die, je nach ihrer konkreten Ausgestaltung, zu äußerst verschiedenen Resultaten führen. Das gilt auch für die Heranziehung der Erzeuger zur Beseitigung der Überschüsse gemäß dem Verursacherprinzip. Das Instrument wird in bescheidenem Umfang bereits von der EG eingesetzt; die Milcherzeuger müssen 2, 5% ihres Erlöses zur Überschußfinanzierung abführen. Die von der Kommission geforderte drastische Erhöhung dieser Abgabe und ihre Ausweitung auf andere Überschußprodukte wurde vom Ministerrat im April dieses Jahres abgelehnt. Spürbare Wirkungen aber sind von einer Erzeugerbeteiligung nur zu erwarten, wenn sie zu drastischen Erlöseinbußen führt. Durchsetzbar und sozial vertretbar wären entsprechende Maßnahmen wohl nur, wenn sie langfristig angekündigt und sukzessive durchgeführt würden. So ließen sich die Mittel für Exportsubventionen, Denaturierung, Lagerung oder Sonderaktionen (wie etwa die prämierte Kuhabschlachtung) zunehmend auf die Erzeuger verlagern und würden die Produktion in diesem Bereich zumindest für eine Übergangszeit unattraktiv machen. Am Ende könnte dann ein Marktgleichgewicht erreicht werden, das aber nur dann stabil bliebe, wenn sich ein europäischer Marktpreis durchsetzen könnte.
Eine Variante dieses Instruments empfehlen die Agrarökonomen Hantelmann und Wolffram von der Universität Bonn Sie wollen das bisherige Interventionssystem der EG mit Stützpreisen und Abnahmegarantien beibehalten und die Überschüsse durch von den Erzeugern zu finanzierende, gewaltige Abschlachtaktionen von Milchkühen beseitigen. Nach ihrem Modell müßten so auf einen Schlag vier Millionen Kühe dem Metzger zugeführt werden, wobei eine Abschlachtprämie von 6 000 DM den Anreiz zur Aufgabe der Milchproduktion gewaltig erhöhen sollte. Ähnliche Aktionen seien zu wiederholen, wenn der Kuhbestand erneut ansteige. Ein solches System bringe sowohl für die Landwirte als auch für die Volkswirtschaft einen weitaus höheren Nutzen als andere Alternativen; es gestatte eine Halbierung der Kosten der EG-Milchmarktordnung trotz einer moderaten jährlichen Erhöhung der Erzeugerpreise, Selbst wenn man einmal von der Frage absieht, ob die Schlachthöfe die vier Millionen Stück Großvieh in nur wenigen Monaten zusätzlich verarbeiten könnten, ob die Lagerkapazitäten für das Zusatzangebot an Fleisch ausreichend wären, ferner ob der Markt für Rindfleisch nicht völlig aus den Fugen geraten würde, so bleibt immer noch ein gerüttelt Maß an Skepsis gegenüber den Ergebnissen Hantelmanns und Wolfframs. Wenn die Milchproduktion wie bisher für viele Erzeuger attraktiver bleibt als andere Produktionen, so werden die Kuhbestände immer wieder zunehmen. Ist es dann aber wirklich für die Milchbauern günstiger, immer neue Abschlachtaktionen auf ihre eigenen Kosten durchzuführen, statt sich auf Dauer mit Marktpreisen zufriedenzugeben? Plausibler erschiene eine einmalige Schlachtaktion des erwähnten Ausmaßes, wenn dann anschließend die Preise freigegeben würden. Die Landwirtschaft kann man, wenn man es für nötig hält, sicher auf intelligentere und nutzbringendere Weise subventionieren als über künstlich hochgehaltene Preise
Auch die Vorschläge der SPD-Arbeitsgruppe gehen u. a. von einer stärkeren finanziellen Heranziehung der Erzeuger für den Absatz ihrer Produkte aus. Zunächst einmal soll von höchster Stelle eine politische Entscheidung über eine feste Ausgabenbegrenzung (Plafon-dierung) auf dem EG-Agrarmarkt getroffen werden, die für die nationalen Agrarminister absolut verbindlich ist. Gleichzeitig sollen die geltenden Marktordnungsinstrumente hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Eingriffsintensität eingeschränkt werden, etwa durch Auflockerung der Absatzgarantien (zeitweises Aussetzen der Intervention, Beschränkung der Intervention auf bestimmte Qualitäten oder Regionen, etc.), Variierung der Interventionspreise, Streichung von Beihilfen, vor allem auf Nebenmärkten. Die SPD-Arbeitsgruppe möchte in diesem Zusammenhang die Eingriffsmöglichkeiten der Kommission er-heblich ausweiten, jedoch bei strikter Begren60) zung auf die zur Verfügung gestellten Mittel. Die Erzeugerabgaben zur Überschußverwertung sollen zur schrittweisen Wiederherstellung des Marktgleichgewichts auf diesen Sektoren führen und durch Einsparungen bei der Überschußfinanzierung den Spielraum für eine aktive Agrarpolitik der EG vergrößern. Soziale Härten, die für ertragsschwache Betriebe durch eine Verringerung, Stagnation oder sehr geringe Erhöhung der Erzeugerpreise unvermeidlich würden, möchten die sozialdemokratischen Agrarpolitiker durch direkte, personenbezogene und produktneutrale Einkommensübertragungen ausgleichen
Bedenklich ist an diesem Plan, daß die Erweiterung der Kommissionsspielräume bei gleichzeitiger scharfer Mittelverknappung die Brüsseler Bürokraten stets dem Vorwurf der Willkür und einem allseitigen politischen Druck aussetzen müßte, dem sie auf die Dauer nicht gewachsen wären. Doch abgesehen von diesem psychologischen Element, das die Kommission zum Sündenbock nicht nur für enttäuschte Produzentengruppen, sondern ebenso für die Politiker der Einzelstaaten stempeln würde, haben die Vorschläge der SPD-Arbeitsgruppe den weiteren Nachteil, daß sie durch eine Verstärkung der Ad-hoc-Maßnahmen die für den Erzeuger so wichtige Berechenbarkeit der Agrarpolitik spürbar vermindern würden. Abwegig ist die Empfehlung, die im europäischen Rahmen zu streichenden Beihilfen durch entsprechende nationale Maßnahmen zu ersetzen. Das würde auf eine Desintegration des gemeinsamen Marktes hinauslaufen und die ärmeren Mitglieder unverantwortlich benachteiligen. Auch die vorgeschlagene Möglichkeit nationaler Währungsausgleichsmaßnahmen erscheint bedenklich, da die Vor-und Nachteile geänderter Währungsparitäten nicht exakt zu messen sind und die nationalen Regierungen daher versucht sein könnten, sich auf diesem UmWeg einseitige Startvorteile für ihre Bauern zu verschaffen Was die Plafondierung der EG-Agrarausgaben angeht, so fragt es sich natürlich, in welcher Höhe sie erfolgen soll. Während sich die SPD-Arbeitsgruppe nicht festlegt, plädiert der deutsche Sachverständigen-rat, der sich ebenfalls mit dem Problem beschäftigt hat, zunächst für eine Begrenzung des Zuwachses auf den Anstieg des EG-Volks-einkommens, später für eine Absenkung des Niveaus
Wenn der Bauernverband gelegentlich verlauten läßt, auch er sei prinzipiell nicht gegen eine Erzeugerbeteiligung an der Überschußfinanzierung, so macht er diese Erklärung durch seine Vorbedingungen faktisch wertlos. Eine entsprechende Abgabe will er nur akzeptieren, wenn das Marktgleichgewicht infolge struktureller Überschüsse nachdrücklich gestört sei. Das aber bestreitet er in der heutigen Situation selbst für Milch und Getreide. Sollte es in der Zukunft einmal eine solche Störung geben, so seien nur die zusätzlich produzierten Mengen mit der Abgabe zu belegen. Es muß sehr befremden, daß der Verband eine derart vage Zusage über die Anwendung eines in seiner Wirkung äußerst beschränkten Mittels als konstruktiven Beitrag zur Lösung des Agrarproblems verstanden wissen will 2. Die Herstellung einer Agrar-Autarkie auf EG-Basis Obwohl die europäische Agrarpolitik extrem protektionistisch ist und die EG auf den wichtigsten Agrarmärkten den Selbstversorgungsgrad erreicht, wenn nicht überschritten hat, gibt es speziell in Frankreich und der Bundesrepublik immer noch Bestrebungen, die die spärlich fließenden Importe noch weiter zurückdrängen wollen. So beklagt der Deutsche Bauernverband „die Aushöhlung der Milch-, Rindfleisch-, Zucker-und Obst-und Gemüse-Marktordnungen durch Sonderkonzessionen an Drittländer" und stellt sie zusammen mit den steigenden Importen für Getreidesubstitute als Beispiel dafür hin, „wie durch fehlende Einhaltung der Gemeinschaftspräferenz die Bemühungen der Gemeinschaft zur Herstellung des Marktgleichgewichts zunichte gemacht wurden" Dem Ministerrat wird dabei der polemische Vorwurf gemacht: „Härte gegenüber den eigenen Bauern, Nachsicht mit den Drittländern“ Tatsächlich aber verletzt die EG seit langem den Art. HO des Vertrags von Rom, der den Abbau von Handelshemmnissen vorschreibt, und baut — von gewissen Minimalkonzessionen neueren Datums und von älteren vertraglichen Verpflichtungen einmal abgesehen — unüberwindliche Barrieren gegen solche Agrarimporte auf, die den eigenen Produzenten Konkurrenz machen könnten. Auf die Lage der Entwicklungsländer wird dabei erschreckend wenig Rücksicht genommen Die Polemik des Bauernverbandes richtet sich zunehmend auf die Getreidesubstitute Soja, Tapioka und Ölsaaten, die noch in nennenswertem Umfang in die EG importiert werden. Dabei wird vorgerechnet, wieviele Millionen Tonnen europäischen Getreides diese Produkte zum Schaden der europäischen Bauern verdrängen Die Gemeinschaft kann sich jedoch aus verschiedenen Gründen eine Ausdehnung ihres Protektionismus auf diesen Sektor nicht leisten:
1. wären die erheblichen Soja-Lieferungen der USA nur bei einer Änderung des GATT durch Zollerhöhungen zu reduzieren; Amerika aber könnte sich durch Importrestriktionen auf dem industriellen Sektor erfolgreich zur Wehr setzen;
2. würde eine Verdrängung der Ölprodukte aus dem Kraftfutter die Milchleistung der Kühe reduzieren und zu vehementen Protesten der Milchproduzenten führen; 3. würde sie vor allem jene EG-Staaten treffen, die in besonders starkem Umfang Importfutter verwenden, und diese würden entsprechende Maßnahmen mit Sicherheit blockieren. Die höhere Belastung der Verbraucher durch notwendige Preiserhöhungen und die Schädigung der Ölsaaten und Tapioka exportierenden asiatischen Entwicklungsländer Indonesien, Malaysia, Philippinen und Thailand würden nach den bisherigen Erfahrungen sicher keine unüberwindlichen Hindernisse darstellen. Als Reformkonzept für den Agrarmarkt aber ist das Streben nach Autarkie — abgesehen von den katastrophalen Wirkungen auf den Außenhandel — ohnehin nur von beschränktem Wert, da die Manövriermasse durch den hohen Selbstversorgungsgrad der Gemeinschaft zu eng ist, um den europäischen Agrarmarkt nachhaltig entlasten zu können. Das weiß natürlich auch der Bauernverband, der sich den Verzicht auf das angebliche Recht der europäischen Bauern zum totalen Ausschluß Dritter aus dem EG-A^rarmarkt letztlich wohl durch eine verstärkte Überschußfinanzierung abkaufen lassen will -Nicht die Autarkie liegt heute im Interesse der EG-Staaten, sondern im Gegenteil ein Abbau des übertriebenen und extrem handelshemmenden Agrarprotektionismus. 3. Der Übergang zur Mengenkontingentierung Das einzige Mittel, um die bisherige Marktordnungspolitik mit all ihren grotesken Fehl-wirkungen, ihrer unzumutbaren Belastung der Steuerzahler und Verbraucher, aber auch ihrem einseitigen Nutzeffekt für die großen und rentablen Betriebe zu erhalten, ist der Über-gang zur Mengenkontingentierung. Dieses Instrument beseitigt für Produkte, die nicht oder nur schwer substituierbar sind, die natürlichen Marktbarrieren gegen Preiserhöhungen, ohne dafür eine Überschußproduktion in Kauf nehmen zu müssen. Die Angebotsmengen könnten so weit reduziert werden, daß sie gerade die Nachfrage befriedigen; die Einkommenswünsche der Landwirtschaft wären allem durch Preiserhöhungen erfüllbar. Um aber beispielsweise ein Ausweichen des Verbrauchers von Butter auf Margarine zu verhindern, müß-'te auch letztere künstlich verteuert werden.
Dieses brutale Mittel, das dem Verbraucher völlig überhöhte Preise zumutet, ist ansonsten ist ansonsten in der Wirtschaft durch die Kartellgesetzgebung streng verboten. Es wäre in der Landwirtschaft nur mit ungeheurem bürokratischen Aufwand einzuführen und nur bei einem gigantischen Kontrollapparat wirksam. Jedem Betrieb müßten Quoten eingeräumtwerden, die zur Erstarrung der Betriebs-strukturen und zur Behinderung einer weiteren Rationalisierung in der Landwirtschaft führen würden. Ein ähnliches System wurde bisher nur bei Zucker praktiziert. Hier zeigte sich allerdings, daß der Interessendruck der Landwirtschaft ausreichte, um die Quotenregelung zu unterlaufen und dennoch erhebliche Überschüsse zu produzieren Soziale Gründe spielten dabei übrigens keine Rolle, denn der Anbau von Zuckerrüben erfolgt nahezu ausschließlich durch rentable Mittel-und Großbetriebe
Während eine umfassende Mengenkontingentierung in der Öffentlichkeit und auch in den europäischen Agrarministerien nahezu einmütig abgelehnt wird nimmt es kaum Wunder, daß der Deutsche Bauernverband eine entsprechende Lösung, die in etwa der Wiedereinführung der im nationalsozialistischen Staat üblichen Hofkarte gleichkäme, propagandistisch bereits vorbereitet. In der Mainummer der Deutschen Bauern-Korrespondenz heißt es, den Erzeugern sei wenigstens zu garantieren, daß die Realeinkommen bei den bisherigen Produktionsmengen nicht weiter zurückgingen. Dazu müßten „auf den Individualbetrieb wirksame Mengensteuerungsmaßnahmen zur Ergänzung der EG-Agrarmarktordnungen bei der Anhebung der Preise — entsprechend dem Kostenanstieg — eingeführt werden“. Nach der wahrheitswidrigen Feststellung, daß mengenbegrenzende Maßnahmen „in allen Wirtschaftsbereichen selbstverständlich“ seien, folgt dann die Drohung: „Wer nicht bereit ist, als verantwortlicher Politiker über mengensteuernde Lösungen nachzudenken, muß damit rechnen, daß er der Radikalisierung derjenigen Betriebe, die durch ständig zunehmende Verschuldung in eine aussichtslose Situation geraten, Vorschub leistet.“ Von der bauernverbandsnahen Wissenschaft werden Quotenregelungen seit langem ins Spiel gebracht Heereman selbst hielt sich bisher zurück und forderte eine Mengenkontingentierung bislang nur für Milch im Zusammenhang mit seiner Variante der Erzeugerabgabe, die nur für die über dem Kontingent liegende Milchmenge gelten soll. Der Präsident des Bauernverbandes will dieses Kontingent, wie bereits dargelegt, in der Höhe der bisherigen Produktion festsetzen. Es bliebe also bei der Notwendigkeit, die gegenwärtigen Überschüsse voll zu finanzieren. Damit würden dramatische, die Öffentlichkeit aufrüttelnde Preissteigerungen für Milchprodukte verhindert, die zweifellos die Folge wären, wenn das Mengenangebot administrativ auf die nachgefragte Menge reduziert würde
Im übrigen scheint der Bauernverband auch hier flexibel zu sein. Er sammelt lediglich Pfeile in seinem Köcher. Ihm wäre offensichtlich auch eine den Verzicht auf Reformen ermöglichende Erweiterung des EG-Haushalts angenehm, wenn sie sich politisch durchsetzen ließe. Der Interessendruck in dieser Richtung wird zweifellos gewaltig sein. Eine weitere Möglichkeit sieht er — und leider nicht nur er! — in isolierten nationalen Maßnahmen, um die eigene Landwirtschaft im EG-Wettbewerb zu stärken. Immer wieder erfolgt in diesem Zusammenhang der Hinweis auf Frankreich und die vertragswidrige direkte Einkommensübertragung an die französischen Bauern zu Beginn dieses Jahres. Um die gemeinschaftsschädigende Wirkung solcher Maßnahmen kümmert sich die Bauernlobby trotz aller Lippenbekenntnisse zum europäischen Agrarmarkt dabei nicht 4. Die Umstellung auf eine ökologische Agrarproduktion der Das Reformkonzept Ökologen soll hier an dem in dieser Beilage veröffentlichten Ansatz von P. C. Mayer-Tasch exemplifiziert werden Für die Vertreter der ökologischen Richtung ist es keineswegs eine Ausnahme, daß agrarpolitische Darlegungen eingebettet sind in eine umfassene Kulturkritik. Mayer-Tasch stellt dem Ethos yon Leistung, Konkurrenz und Wachstum ein solches von Humanität, sozialem Wohlbefinden und immaterieller Lebensqualität gegenüber. Den Bankrott der europäischen Agrarpolitik sieht er nicht so sehr in der finanziellen Verschwendung, sondern in der durch das System provozierten Gemeinwohlschädlichkeit der modernen, industriellen Agrarproduktion. Die EG-Landwirtschaft fordere die Entstehung von chemie-und maschinengerechten Agrarsteppen mit entsprechenden Monokulturen ebenso heraus wie die chemiegesteuerte Massentierhaltung. Die Folge seien eine Zerstörung der Kulturlandschaft, eine Gefährdung des lebenswichtigen Wasserhaushalts, die Verschlechterung der Nahrungsmittelqualität durch Schadstoff-verseuchung und die Entleerung der ländlichen Räume infolge der Rationalisierung der Landwirtschaft. Mayer-Tasch will diesen Tendenzen durch eine „grüne Gegenrevolution“ Einhalt gebieten. In ihr sollen Natur-und Landschaftserhaltung sowie die Produktion gesunder Nahrungsmittel die obersten Ziele sein. Sie sind seiner Meinung nach nur mit einer klein-bis mittelbäuerlichen Landwirtschaft zu erreichen, die ganz auf die Erhaltung der natürlichen Bodenfruchtbarkeit und Schädlingsresistenz, auf vielfältige Fruchtfolgen und den Verzicht auf Chemie und auf landwirtschaftliche Höchstleistungstechnologien abgestellt ist und in der es ferner eine Massentierhaltung nicht mehr gibt. Er empfiehlt daher eine Agrarpolitik, die ihre Subventionen an die ökologische Unbedenklichkeit der Produktion bindet, den Verzicht auf Kunstdünger, Herbizide, Antibiotika, die Umstellung der Massentierhaltung auf eine natürliche Viehzucht mit eigener Futtergrundlage etc. Großbetriebe will er von der Förderung ausschließen.
Folgt man Mayer-Tasch, so stellt sein Ansatz ein ideales Reformkonzept dar, das die Lösung mehrerer Probleme auf einen Schlag anbietet: Eine Umstellung auf Öko-Produktion würde Produktivitätseinbußen von 10— 30% mit sich bringen, man wobei realistischerweise wohl eher von der höheren Zahl ausgehen müßte, und könnte damit erheblich zur Lösung des Überschußproblems beitragen. Die geschätzten Produktmehrkosten von 20— 30% würden sich schon hierdurch bezahlt machen und er-führen eine zusätzliche Rechtfertigung durch den gesamtgesellschaftlichen Nutzen des Landschaftsschutzes und gesunder Nahrungsmittel. Letztendlich würde die Abkehr von der industriellen Landwirtschaft wieder mehr Arbeitskräfte auf dem Agrarsektor binden und damit den angespannten Arbeitsmarkt entlasten. Leider sind bei diesem Ansatz, zu dessen kulturphilosophischen Prämissen man stehen kann wie man will, die ökologischen Erkenntnisse in einem weit höheren Maße als gesichert anzusehen als die daraus gezogenen agrarwirtschaftlichen Konsequenzen. Daß gesunde Nahrungsmittel und Landschaftsschutz heute keine Selbstverständlichkeiten, sondern Probleme ersten Ranges sind, ist — zumindest außerhalb des Bauernverbandes — allgemein anerkannt. Doch fragt es sich, ob die gesteckten Ziele wirklich nur durch eine „grüne Gegenrevolution" erreichbar sind. Mayer-Taschs Vorliebe für wenig technisierte, kleine oder mittlere Bauernhöfe, seine Forderung nach krisensicherer Selbstversorgung durch regionalisierte Märkte, seine Aversion gegen jeglichen Einsatz der Chemie scheint ebenso ideologiegeprägt zu sein wie seine Annahme, daß Großbetriebe per se die Landschaft zerstörten oder ungesunde Nahrungsmittel produzierten. Als Reformkonzept für die akuten Probleme des EG-Agrarmarktes ist der Über-gang zu einer ökologischen Produktion aber schon deshalb nicht geeignet, weil die entsprechende Umstellung 20— 30 Jahre dauert, vor allem aber, weil die mit der Umstellung verbundenen Probleme und Kosten noch viel zu wenig erforscht sind und sich daher auch die Wirkung auf den Arbeitskräftebesatz und auf die Erzeugerpreise noch gar nicht übersehen lassen 5. Die Einführung eines Systems direkter Einkommensübertragungen Die Idee der Umstellung der EG-Agrarpolitik auf ein System direkter Einkommensübertragungen basiert auf der Überlegung, daß die Preispolitik ihrer Doppelfunktion des Ausgleichs von Angebot und Nachfrage und der Einkommenssicherung für die Bauern bisher nicht gerecht werden konnte und auch in Zukunft nicht gerecht werden kann. Zur nachhaltigen Beseitigung der Überschußproduktion soll eine Heranführung der Preise an echte Marktpreise erfolgen. Im gleichen Zuge sollen die Preis-und Abnahmegarantien reduziert werden und später eventuell ganz wegfallen, und mit ihnen die unproduktiven Aufwendungen für die Lagerung, Vernichtung, Denaturierung und den Export von Agrarprodukten. Die direkte Subventionierung würde einen gezielten Mitteleinsatz nach regionalen, strukturellen oder sozialen Kriterien ermöglichen und die ungewollte Förderung von Spitzenbetrieben ausschließen. Die Folge wären nicht nur sinkende Agrarpreise, sondern auch Milliardeneinsparungen im EG-Haushalt, ohne daß die ertragsschwachen Betriebe Einkommens-einbußen erleiden würden. Den wirklich Bedürftigen könnte im Gegenteil eine spürbare Einkommensverbesserung zukommen. Die Mittel ließen sich ferner produktneutral einsetzen, so daß kein Anreiz zur Überschußpro-
duktion durch sie ausgelöst würde Doch wie so oft, steckt auch hier der Teufel im Detail. Zunächst einmal fragt es sich, ob ein völliger Systemwechsel angestrebt werden oder ob nur eine geringere Anhebung des Preisniveaus durch direkte Subventionen für die schwächsten Betriebe (wie bisher schon für die Bergbauern!) sozial erträglich gemacht Werden soll. Überlegungen der SPD und der Bundesregierung scheinen in die letztgenannte Richtung zu gehen Vor entspre-chenden Schritten kann gar nicht genug gewarnt werden, denn es besteht bei einer solchen Vorgehensweise die akute Gefahr, daß sich die Kosten beider Systeme addieren, wenn nämlich die Agrarlobby sich als stark genug erweisen sollte, durch politischen Druck eine marktgerechtere Preispolitik zu verhindern. Ein weiteres Problem stellt die Frage dar, ob die direkten Subventionen eine Übergangsmaßnahme oder — wie in England vor seinem EG-Beitritt — eine Dauerregelung sein sollen. Bei einer Absenkung des Preisniveaus auf Weltmarktniveau käme wohl nur Letzteres in Betracht, wenn nicht nur die europäischen Spitzenbetriebe überleben sollen. Weder die SPD noch die Bundesregierung haben sich bezüglich der Dauer näher festgelegt, doch spricht einiges dafür, daß sie — wie eine Reihe von Experten — an eine Übergangslösung für die gegenwärtige Generation denken Ob im Falle eines vollen Systemwechsels eine Absenkung der Agrarpreise auf das Niveau von Weltmarkt-oder von EG-Gleichgewichtspreisen erfolgen sollte, ist ebenfalls umstritten. Die erstgenannte Lösung hätte den Nachteil sehr starker Produktionsrückgänge im EG-Bereich und damit einer Abhängigkeit der Versorgung Europas von den unberechenbaren Einflüssen auf dem Weltmarkt. Größer als das Interesse an der Produktion wäre für die europäischen Bauern das Interesse an möglichst hohen Einkommensübertragungen. Ein künstliches System mit neuen Ungerechtigkeiten wäre die Folge. All diese Nachteile wären bei der Zugrundelegung von EG-Gleichgewichts-preisen nicht gegeben. Direkte Subventionen könnten nunmehr zeitlich begrenzt zur Erreichung bestimmter sozialer Ziele eingesetzt und dann sukzessive abgebaut werden Wenn auch Einigkeit darüber besteht, daß Einkommensübertragungen produktneutral sein sollten, so bleibt doch die Frage offen, ob eine Personen-oder eine Flächenbindung der Zahlungen präferabel wäre. Bundesregierung und SPD scheinen, ebenso wie mehrere Experten, der personengebundenen Subventionierung den Vorzug zu geben, weil sie eine soziale Be-dürftigkeit zur Anspruchsvoraussetzung machen wollen Demgegenüber macht etwa Priebe darauf aufmerksam, daß eine solche Lösung dem Subventionsberechtigten jeden Leistungsanreiz nimmt, da er die Differenz zwischen seinem tatsächlich erzielten Einkommen und einem fixierten Mindesteinkommen vom Staat erhielte. Er plädiert daher für die weniger soziale, dafür aber ökonomisch sinn-vollere Flächenbindung der Subventionen, die aber auch große Nachteile hätte Aus finanziellen Erwägungen sprechen sich Bundesregierung und SPD für eine Übernahme der direkten Einkommensübertragungen auf die nationalen Haushalte aus, wobei dafür Sorge getragen werden soll, daß eine neue Gießkannensubvention an alle Betriebe zur Kompensation geringerer Preiserhöhungen unterbunden wird. Der Vorschlag der SPD-Arbeitsgruppe, beim Nachweis besonderer Kostensteigerungen in einem Land generelle Subventionen zuzulassen, würde diese Bestimmung allerdings völlig aufweichen und zum Mißbrauch geradezu herausfordern Überhaupt wäre eine so weitgehende Nationalisierung des EG-Agrarmarktes eine eklatante Verletzung des Prinzips der Gemeinschaftssolidarität, die voll zu Lasten der schwächsten Mitgliedstaaten ginge. Sie kann allein aus diesem Grunde als echte Alternative nicht in Frage kommen.
Verständlicherweise macht der Bauernverband entschieden Front gegen jeden System-wechsel in Richtung auf direkte Einkommensübertragungen. Er polemisiert scharf gegen die angebliche Absicht gewisser Kreise, die Bauern zu Almosen-und Sozialhilfeempfängern zu machen, „die bei jeder Haushaltsberatung Gefahr laufen, ins soziale und gesellschaftspolitische Abseits gestellt zu werden" Daß die Bauern auch heute weitgehend Kostgänger der Allgemeinheit sind, wird schamhaft verschwiegen. Ebenso wird bestritten, daß es den Vertretern des Konzepts der direkten Subventionen um mehr Hilfe für die Klein-und Mittelbetriebe gehe. Als „Beweis" wird die neue Einkommensbesteuerung herangezogen, die angeblich „gerade die kleineren und mittleren Betriebe erheblich stärker belastet" Tatsächlich aber bleiben 75 % aller Betriebe von der ganzen Aktion unberührt, und das sind doch wohl die kleinen und mittleren Höfe. Wenn der Bauernverband — allen Fakten zum Trotz — behauptet, auch den Kleinbauern werde nur durch Preiserhöhungen geholfen so versucht er offenbar davon abzulenken, daß er letztlich Interessenpolitik für die großen und rentablen Höfe betreibt, denen die bisherige EG-Agrarpolitik zu erheblichen, durch das Konzept direkter Subventionen nunmehr in Frage gestellten Zusatzgewinnen verhalf. 6. Die Lösung über den Markt und flankierende Maßnahmen Die bisher diskutierten Reformvorschläge zielten in der Regel darauf ab, einzelne Fehlentwicklungen im europäischen Marktordnungssystem zu korrigieren. Sie waren jedoch kaum geeignet, die Agrarpolitik insgesamt auf eine rationalere Basis zu stellen. Eine Ausnahme macht dabei nur die erwähnte Konzeption, die einen Systemwechsel in Richtung auf direkte Einkommensübertragungen bei gleichzeitiger Umstellung auf sich frei entwikkelnde Marktpreise für Agrarprodukte anstrebt. Die entscheidende Änderung liegt dabei in der Herstellung des Marktgleichgewichts, während den direkten Subventionen ordnungspolitisch betrachtet nur eine flankierende Wirkung zukommt. Der marktwirtschaftliche Lösungsansatz soll nunmehr einmal systematisch darauf abgeklopft werden, was er für eine Reform des europäischen Agrarmarktes bieten kann.
Als erstes bleibt festzuhalten, daß sich mit dem Marktautomatismus ein allgemeines Prinzip anbietet, das geeignet ist, den Agrarmarkt herauszuführen aus dem ständigen und oft erbitterten Gerangel nationaler Interessen um den kleinsten Vorteil für die eigene Landwirtschaft. Die wesentlichen Marktdaten werden dann nicht mehr administrativ durch die Kompromisse im Ministerrat fixiert, sondern dem grenzüberschreitenden freien Spiel der Kräfte überlassen. Die zahllosen und hochkomplizierten Marktordnungen und Beihilfe-regelungen für einzelne Produkte oder Pro duktgruppen werden überflüssig. Mit der Ent bürokratisierung ist auch den längst nicht mehr übersehbaren Mißbrauchsmöglichkeiten weitgehend der Boden entzogen. Das europäische Marktordnungssystem wird also denkbar vereinfacht und auf drei wesentliche Punkte konzentriert: einen freien Verkehr mit Agrärprodukten zwischen den Mitgliedstaaten; eine einheitliche Agrarpolitik gegenüber Drittländern; eine gemeinsame Konzipierung und Finanzierung der notwendigen sozialen und strukturellen Maßnahmen auf dem Agrarsektor. Damit findet zum erstenmal eine wirkliche Integration der europäischen Landwirtschaft statt. Die natürlichen Standortvorteile kommen voll zur Geltung, ohne daß den Verbrauchern diese wohltätigen Effekte eines großen Marktes durch Dutzende von Ausnahmeregelungen heimlich wieder entzogen werden können. Ungewollte Überschüsse entstehen nicht länger, denn der Preismechanismus sorgt dafür, daß die Herstellung von Produkten, die im Übermaß angeboten werden, finanziell zunehmend unattraktiv wird. Unternehmerqualitäten sind damit in der Landwirtschaft wieder gefragt. Wer sich rechtzeitig auf die Marktbedürfnisse ausrichtet, kann gut verdienen; wer am Markt vorbeiproduziert, muß mit Gewinneinbußen rechnen. In einer marktwirtschaftlichen Agrarordnung ist es unmöglich, daß permanent falsche und sozialschädliche Signale gesetzt werden, wie das beispielsweise bei der EG-Milchmarktordnung der Fall ist, so daß sich eine Produktion, die betriebswirtschaftlich hochrentabel ist, volkswirtschaftlich als eine Katastrophe erweist. Die Lösung des Überschußproblems schließlich macht das europäische Dumping auf dem Weltmarkt überflüssig, entlastet also dritte Länder von unfairer Konkurrenz. Auch der Verbraucher hat einen starken Nutzen von einer Marktlösung. Er profitiert von einer Verlagerung der Produktion zu jenen Betrieben, die am rentabelsten wirtschaften, und vom Ausscheiden der Grenzproduzenten; er partizipiert voll an den entstehenden Produktivitätsgewinnen. Die sich aus der Konkurrenz der Erzeuger entwickelnden Gleichgewichts-Preise können vom Verbraucher zweifellos als dngemessen" im Sinne von Art. 39 des EG-
Vertrages akzeptiert werden. Auf die Dauer reguliert der Markt auch das Einkommen der Landwirte zufriedenstellend. Seine Höhe wird allerdings stark davon abhängen, ob sich die obilität hin zum nichtlandwirtschaftlichen Sektor, vor allem im Gefolge des Generationenwechsels, vergrößert. Sollte der Beruf des Bauern für viele so attraktiv sein, daß sie selbst unter Einkommensverzichten bereit sind, Landwirt zu bleiben oder zu werden, so läßt sich daraus keineswegs ein „Paritätsanspruch“ an die Allgemeinheit ableiten. Sie werden dann eben offensichtlich durch immaterielle Werte für ihren materiellen Verlust entschädigt, was im Wirtschaftsleben nichts Außergewöhnliches ist
Diese Darlegungen mögen auf den ersten Blick sehr theoretisch und praxisfern klingen, selbst wenn man berücksichtigt, daß gerade auf dem Agrarsektor die Voraussetzungen für das Funktionieren des marktwirtschaftlichen Gleichgewichtsmodells günstig sind, da die Vielzahl der Anbieter die Entstehung einer zum Mißbrauch verleitenden Marktmacht auch dann ausschließen würde, wenn der wünschenswerte Trend zu großen Erzeugergemeinschaften sich verstärken sollte. Niemand wird indes behaupten wollen, daß man das „reine Modell" quasi durch einen Federstrich von heute auf morgen in die Praxis umsetzen könnte. Eine entsprechende Systemänderung, deren große Vorzüge oben dargelegt wurden, ist an zahlreiche Voraussetzungen gebunden, deren Realisierbarkeit nunmehr untersucht werden soll.
Für eine Reihe von Produkten, die bisher nur wenig dem Dirigismus der EG-Bürokratie ausgesetzt waren, wäre eine Umstellung auf die Marktgegebenheiten nahezu problemlos und könnte deshalb sehr rasch erfolgen. Erzeugnisse hingegen, in deren Bereich stärkere Eingriffe, etwa in Form erheblicher Beihilfen oder gar Marktinterventionen, getätigt wurden, in denen aber noch nicht regelmäßig Über-schüsse produziert werden, dürften erst nach einer gewissen Übergangszeit, die für gezielte Anpassungsmaßnahmen genutzt werden müßte, dem freien Spiel der Kräfte ausgesetzt werden. Die eigentlichen Problemfälle sind die notorischen Überschußprodukte, von denen hier paradigmatisch auf die Milcherzeugnisse eingegangen werden soll. Würden die Über-schüsse auf diesem Sektor, die z. Zt. bei über 20 % liegen dürften, ungehindert auf den Markt gelangen, so würden die Preise ins Bodenlose fallen; der Ruin zahlreicher Betriebe wäre die Folge, und zwar keineswegs nur solcher, auf deren Verbleiben am Markt man auf Dauer verzichten könnte. Eine solche Schocktherapie wäre ökonomisch verfehlt, da sie wertvolle Ressourcen vernichten müßte; sie wäre politisch unverantwortlich, da sie zu stärksten Widerständen der betroffenen Bauern führen müßte; sie wäre aber auch moralisch unvertretbar, da die Milchproduzenten sich auf einen Vertrauensschutz gegenüber einer Politik berufen können, die ihnen jahrelang die falschen Signale setzte und die sie damit faktisch zur Überschußproduktion veranlaßte. Ein Wandel kann hier realistischerweise nur langfristig angestrebt werden, wobei, wie bei allen anderen Produkten auch, eindeutige Signale in Form fester Zeitpläne zu setzen sind Für den Milchsektor könnten diese etwa so aussehen: Fünf Jahre lang werden die Milchpreise noch jährlich um etwa die halbe Inflationsrate erhöht. Dann bleibt der Preis nominal unverändert stehen, solange, bis sich ein echter Marktpreis einpendelt. Dann erst kann auch der Staat aus seiner Interventionspflicht entlassen werden. Betriebe, die glauben, auf die Dauer nicht mit den sich abzeichnenden Marktpreisen auszukommen, können ihre Produktion in Ruhe auslaufen lassen, wobei sie unter Verzicht auf nennenwerte Neuinvestitionen auf dem Milchsektor gegebenenfalls noch jahrelang rentabel, arbeiten können. Flankierend sollten allerdings starke und wirksame Anreize zur Aufgabe der Milchproduktion geschaffen werden, wobei u. U. an Abschlachtaktionen gemäß den Vorschlägen von Hantelmann und Wolffram zu denken wäre, deren Kosten man allerdings kaum den Erzeugern von Milch aufbürden könnte Die Investitionshilfen, die heute ziemlich wahllos selbst für den Überschußbereich gewährt werden, müßten gezielt zur Herstellung des Marktgleichgewichts eingesetzt werden. Wer also die Milchproduktion aufgibt, dem sollte bei der Umstellung seines Betriebs wirkungsvoll geholfen werden. Abgesehen von solchen einmaligen Zuwendungen zur Förderung einer marktgerechten Produktion sollte es keine heruntersubventionierten Kredite für die Landwirtschaft mehr geben, da diese letztlich nur zur Fehlleitung von Kapital führen und mehr Geld in den Agrarsektor hinein-pumpen, als dort nach strengen Rentabilitätsgesichtspunkten benötigt wird
Bei der Umstellung von Milchbetrieben auf andere Produktionen könnte möglicherweise auch die ökologische Landwirtschaft eine zunehmende Rolle spielen. Da der Trend zu „natürlichen“ Lebensmitteln ungebrochen ist und der Verbraucher durchaus bereit ist, hierfür nicht unerhebliche Aufschläge zu zahlen, ist davon auszugehen, daß eine entsprechende Produktion durchaus rentabel ist Offensichtlich ist das Angebot in dieser Richtung noch äußerst unzureichend. Aus diesem Grunde wäre es sicher eine lohnenswerte Aufgabe, Starthilfen für einige Großversuche auf dem Gebiet des Öko-Landbaus und der Öko-Tierzucht zu leisten, vor allem aber den Aufbau entsprechender Verteilernetze zu fördern, feste Normen für eine Öko-Produktion zu entwickeln und ein Kontrollsystem für deren Einhaltung einzurichten Dabei kämen nicht nur die unvermeidlichen Produktivitätseinbußen der Öko-Betriebe dem Ziel einer Beseitigung der Überschüsse auf dem europäischen Agrarmarkt entgegen. Die Erfolge oder Mißerfolge der ökologischen Produktionsweise könnten dem Gesetzgeber wertvolle Hinweise vermitteln, welche Auflagen dem gesamten Agrarbereich hinsichtlich der Grenzwerte chemischer Schadstoffe in Nahrungsmitteln zugemutet werden können. Daß es hier einer erheblichen Verschärfung des geltenden Rechts und einer Intensivierung der Kontrollmaßnahmen dringend bedarf, ist — zumindest außerhalb der unmittelbar betroffenen Interessentenkreise — heute weitgehend unbestritten
Geht man einmal davon aus, daß eine europaweite Umstellung auf einen marktwirtschaftlich organisierten Agrarmarkt ohne größeren Schaden für die Landwirtschaft als Wirtschaftszweig möglich und auch volkswirtschaftlich sinnvoll ist, so bleibt immer noch die Frage nach den sozialen Folgen einer solchen Maßnahme. Daß sich der Druck auf die Grenzbetriebe, die Produktion aufzugeben, verstärken würde, darf als sicher vorausgesetzt werden. In der Bundesrepublik würde besonders das in den Agrarberichten ausgewiesene einkommensschwächste Viertel der Vollerwerbsbetriebe Einbußen, und seien sie nur vorübergehend, nicht mehr verkraften können. Doch schon in der gegenwärtigen Situation ist der Masse dieser Betriebe ökonomisch nicht mehr zu helfen. Für sie kommen so oder so nur noch soziale Maßnahmen in Betracht, und zwar zusätzlich zu den bereits heute praktizierten, die imwesentlichen einer Einbeziehung der Landwirtschaft in das soziale Netz dienen. Es wäre etwa an einen Ausbau der Landabgaberenten, an Aufgabeprämien und an verbesserte Umschulungsprogramme zu denken. Doch all das reicht noch nicht aus. Hinzukommen müssen für eine längere Übergangszeit direkte Einkommensübertragungen, die den Betriebsinhabern ein Mindesteinkommen sichern
Diese sind allerdings nur unter der Bedingung sinnvoll, daß sie eindeutig auf die gegenwärtige Generation von Betriebsinhabern beschränkt bleiben und sich nicht zu Dauersubventionen entwickeln. Sie dürfen ferner keine Höhe erreichen, die einen Berufswechsel der betroffenen Landwirte von vornherein unattraktiv macht. Vor allem aber sind sie nur zu verantworten, wenn wirklich ein könsequenter Systemwechsel hin zur Marktwirtschaft erfolgt; sonst würden sie die Misere der Agrarpolitik nur noch vergrößern.
Wie aus dem Gesagten bereits deutlich wird, muß der strukturelle Wandlungsprozeß in der Landwirtschaft auch in Zukunft weitergehen.
Wo der optimale Einsatz von Menschen und technischem Fortschritt noch nicht erreicht ist, werden auch fernerhin Arbeitskräfte aus dem Agrarsektor ausscheiden. Optimierung aber ist keinesfalls gleichzusetzen mit Monokulturen, mit verantwortungslosem Chemikalieneinsatz, mit der Aufzucht kranker, degenerierter Tiere in fließbandähnlicher Massenproduktion. Die Allgemeinheit hat es in der Hand, hier im Sinne des Landschafts-, Umwelt-und Verbraucherschutzes feste Normen zu setzen. Optimierung kann, je nach den speziel-
en Bedingungen eines Betriebes (wie etwa Kima, Standort oder Betriebsgröße), ganz ver-schiedene Formen annehmen. Sie mag einmal in der Spezialisierung bestehen, ein andermal in der kostensparenden Kooperation auf dem Maschinensektor, dann wieder in der Wahrnehmung von Direktvermarktungschancen oder im Anschluß an eine Erzeugergemeinschaft, u. U. aber auch in der Extensivierung der Produktion und im Übergang zur Nebenerwerbslandwirtschaft Gefragt sind vor allem Flexibilität und eine schnelle Reaktion auf die sich wandelnden Bedürfnisse des Marktes. Während in gesunden Branchen dieser Anpassungsprozeß von selbst funktioniert, sind auf dem durch eine lange protektionistische Tradition dem Markt entwöhnten Agrarsektor erhebliche strukturelle Hilfsmaßnahmen nötig, um überlebensfähige Betriebe dort, wo sie nicht schon vorhanden sind, zu schaffen und um sie auf eine solide Basis zu stellen. Während die Sozialpolitik dem notwendigen Abgang aus der Landwirtschaft die Härte nehmen soll, fällt der Strukturpolitik die Aufgabe zu, den überlebensfähigen Teil der Landwirtschaft, soweit er sich nicht von sich aus der neuen Lage anpassen kann, nachhaltig zu sanieren, so daß er in Zukunft auf Dauersubventionierung verzichten kann. Neben einmaligen betrieblichen Ihvestitionshilfen wird vor allem die Flurbereinigung auch weiterhin eine bedeutende Rolle spielen müssen. Ansonsten aber dürfte sich das Schwergewicht verlagern auf Starthilfen zur Verbesserung der Marktstruktur, zur Lagerhaltung als Maßnahme gegen kurzfristige Preisschwankungen, zum Aufbau eines funktionierenden Systems der Marktbeobachtung, zur Verbesserung des Beratungswesens, zur Schaffung von Überwachungsstellen für die Qualitätskontrolle, etc. Die hier angedeuteten Aufgaben sollten allerdings letztendlich von den Erzeugern selbst wahrgenommen werden.
Da die sozial-und strukturpolitischen Maßnahmen zur Sanierung der Landwirtschaft in hohem Maße die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe beeinflussen, müssen sie im wesentlichen auf europäischer Ebene erfolgen. Das bedeutet, daß der EG-Agrarhaushalt, der bisher nur 3, 6 % der Mittel für solche Zwecke zur Verfügung stellt, entschieden nach dieser Richtung hin verlagert werden muß. Gefordert ist in diesem Zusammenhang auch die allgemeine, d. h. alle Wirtschaftsbereiche übergreifende Struktur-und Regionalpolitik, die in der EG bisher zu kurz gekommen ist. Sie hat, besonders in den benachteiligten Gebieten, dafür zu sorgen, daß für die aus der Landwirt-schäft Ausscheidenden alternative Arbeitsplätze zur Verfügung stehen Das oft gehörte Argument, in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit sollte die Freisetzung von Arbeitskräften selbst dort, wo sie nicht mehr sinnvoll beschäftigt sind, tunlichst vermieden werden, ist kurzsichtig. Branchen, die Überkapazitäten mit sich herumschleppen und fällige Rationalisierungsmaßnahmen aus beschäftigungspolitischen Gründen nicht durchführen, fallen letztlich der Allgemeinheit zur Last. Ein hervorragendes Beispiel hierfür bietet die europäische Stahlindustrie Weitaus sinnvoller als die Zahlung unproduktiver Erhaltungssubventionen für marode Wirtschaftszweige ist in jedem Falle die Förderung zukunftsträchtiger Investitionen zur Festigung der technologischen Spitzenstellung der EG-Staaten auf dem Weltmarkt. In Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs mag man sich beides nebeneinander leisten können; in Zeiten der Stagnation und der knappen Haushaltsmittel hingegen müssen klare Präferenzen gesetzt werden. Auch aus diesem Grunde sind die EG-Staaten gezwungen, dafür zu sorgen, daß die Landwirtschaft nicht länger ein Faß ohne Boden bleibt.
Nachdem nun gezeigt worden ist, daß die marktwirtschaftliche Lösung die einzige ist, die die Agrarpolitik auf eine solide und von Dauersubventionen unabhängige Basis zu stellen vermag, und nachdem ferner geklärt ist, daß die Vorbedingungen für eine entsprechende Reform durch Maßnahmen der Struktur-, der Sozial-und der Regionalpolitik durchaus geschaffen werden können, bleiben nunmehr noch zwei weitere Fragen zu klären.
Zunächst einmal geht es um die Drittländer-problematik. Wenn Rede von EG-bisher die Gleichgewichtspreisen war, so heißt das, daß der Gemeinsame Markt sich auch nach einer Systemänderung in der Agrarpolitik durch Zölle und Abschöpfungen vom Weltmarkt abgrenzen eigenen nur innerhalb des Bereichs volle Freiheit für die Verlagerung von und für den der Produktionsstandorten Fluß Warenströme garantieren würde. Sache der Außenhandelspolitik wäre es, Importware so in den EG-Bereich zu schleusen, daß dort weder ein Preisdruck durch Importe noch eine künstliche Verknappung des Angebots durch Importbeschränkungen entstünde. Die Ein-fuhr von Agrarprodukten, die mit EG-Erzeugnissen konkurrieren, ist bereits soweit zurückgegangen, daß im Interesse einer allgemeinen Handelsfreiheit eine stärkere Marktöffnung angezeigt erscheint. Zur Orientierung der eigenen Produzenten sollte für die verschiedenen Güter eine Import-Mindestquote fixiert werden, sobald die Überschüsse erst einmal abgebaut sind. Große Absatzchancen aber dürften den Drittländern bei den wichtigsten EG-Produkten kaum eingeräumt werden. Eine Änderung im System der europäischen Agrarpolitik in dem beschriebenen Sinne hätte für sie aber zumindest den Vorteil, daß ihnen die Weltmarktpreise nicht mehr durch ein Dumping mit EG-Überschußprodukten verdorben würden
Das zweite Problem kreist um die Funktion des Bauern als Natur-und Landschaftsschützer. Darf man, so wird gelegentlich gefragt, einen Wirtschaftszweig dem harten Wettbewerb aussetzen, der der Gemeinschaft bedeutende Wohlfahrtsleistungen kostenlos erbringt? So allgemein ist die Frage sicher falsch gestellt, denn außer der Agrarlobby wird kaum jemand behaupten wollen, daß der Landbau per se Natur-und Landschaftspflege darstelle und dafür gesondert entschädigt werden müsse Der Bauer ist Unternehmer, der seinen Lebensunterhalt verdienen will, und kann als solcher sehr wohl mit dem Natur-und Landschaftsschutz in Konflikt geraten, so etwa bei der Flurbereinigung, bei der Trockenlegung von Feuchtgebieten, bei der Verwendung von Herbiziden oder der Überdüngung des Bodens. Die Frage einer Entlohnung für ökologische Leistungen an die Allgemeinheit stellt sich ernsthaft wohl nur, wenn Grenzbetriebe in landschaftlich reizvollen Gebieten nach rein ökonomischen Gesichtspunkten zum Aufgeben gezwungen wären, wenn ihnen nicht besondere Hilfe zuteil würde. Entsprechende Überlegungen führten zu dem größtenteils von der EG finanzierten Bergbauernprogramm. Dieses besteht im wesentlichen der Ausgleichszulage, aus sog. die insofern eine bedenkliche Tendenz hat, als Landwirten bestimmter Regionen allein für die Aufrechterhaltung der Produktion globale Subventionen zufließen, ohne daß im einzelnen geprüft wird, was sie tatsächlich für den Natur-und Landschaftsschutz leisten. Ein solcher Automatismus ist auf die Dauer kaum vertretbar, da er letztlich zu unerfüllbaren Ansprüchen führen müßte -Landschaftsund Naturschutz müssen vielmehr unabhängig von landwirtschaftlichen Interessen definiert und, wenn die Allgemeinheit hierfür zahlt, so preiswert wie möglich durchgeführt werden. Der Berg-bauer wäre dann nicht automatisch ein bezahlter Landschaftsschützer, sondern nur dann, wenn er bestimmte Leistungen, quasi im Nebenverdienst, erbringt, die im Falle seiner Betriebsaufgabe gegebenenfalls von anderer Seite, etwa der Forstverwaltung, erbracht werden müßten. Menschen nur dafür zu subventionieren, daß sie in bestimmten Gebieten wohnen bleiben, also deren „Entleerung" verhindern ist ohnehin sinnlos, weil hierfür in Kürze Summen erforderlich wären, die faktisch nicht aufzubringen sind. Eine Unterstützung im bisherigen Ausmaß aber kann die Abwanderung nicht ernsthaft aufhalten und sollte deshalb getrost als das bezeichnet werden, was sie ist: eine soziale Hilfe an Leute, die sie nötig brauchen. Mit Natur-und Landschaftsschutz hat das wenig zu tun. Dieser sollte, um die Kategorien sorgfältig auseinander-zuhalten, ebenso wie der Verbraucherschutz vor chemisch verseuchten Lebensmitteln, nicht in die Kompetenz von Ministerien fallen, die sich in erster Linie als Interessenwahrer eines Wirtschaftszweiges, hier der Landwirtschaft, definieren. Wahrscheinlich wäre es angesichts der zunehmenden Bedeutung dieser Fragen an der Zeit, europaweit eigene Ministerien für Umwelt-und Verbraucherschutz zu schaffen und sie mit weitreichenden Kompetenzen auszustatten, die ihnen auch mächtigen Interessengruppen gegenüber eine Durchsetzungschance geben
IV. Fazit
Abbildung 4
Tabelle 3
Quelle: FAZ, 27. 3. 1981, zusammengestellt nach Angaben des Agrarberichts 1981, Materialband S. 192-207.
Tabelle 3
Quelle: FAZ, 27. 3. 1981, zusammengestellt nach Angaben des Agrarberichts 1981, Materialband S. 192-207.
Die Untersuchung hat ergeben, daß die Krise der europäischen Agrarpolitik nur durch einen entschlossenen Systemwechsel hin zu einer mdrktwirtschaftlichen Lösung aufeine für älle Teile befriedigende Weise überwunden werden kann. Allein die Einigung auf ein allgemein anerkanntes, objektivierbares Prinzip kann aus der Sackgasse herausführen, in die die EG-Politik geraten ist. Dieses Prinzip kann nach Lage der Dinge nur der Marktmechanis-mus darstellen, der es gestatten würde, von jener unheilvollen, irrationalen und nicht länger finanzierbaren Politik der Summierung nationaler Einzelinteressen abzurücken, die die politisch wünschenswerte Erweiterung der EG finanzpolitisch zu einer Schreckvision werden läßt Auch aus nationaler Sicht stellt eine marktwirtschaftlich organisierte Agrarpolitik ein faires Lösungsangebot dar, da die einzelnen Mitgliedstaaten ihre natürlichen Vorteile am Markt voll ausspielen könnten: die Bundesrepublik, England, Dänemark und die Beneluxstaaten den hohen Technisierungsgrad, die gute Kapitalausstattung und teilweise die Verbrauchernähe, Frankreich seine großen Produktionsreserven und partiell seine klimatische Begünstigung, die südlichen Länder ebenfalls die Klimavorzüge und — zusammen mit Irland — die billigen Arbeitskräfte. Letztlich aber zählt für die Marktlösung auch das Argument, das jüngst der Sachverständigenrat mit Nachdruck in die Debatte warf: Es gibt keinen vernünftigen Grund, um der Landwirtschaft auf Dauer eine Sonderbehandlung ge-genüber anderen Wirtschaftszweigen zukommen zu lassen und den Bauern größere einkommenspolitische Garantien einzuräumen als den übrigen Bevölkerungsgruppen Die Landwirtschaft als Wirtschaftszweig kann auch unter marktwirtschaftlichen Bedingungen gut leben, allerdings nicht mehr unter ei-ner protektionistischen Käseglocke, die ge. rade den rentabelsten Betrieben leistungsunabhängige Zusatzgewinne auf Kosten der Allgemeinheit sichert. Wenn Europa nicht an der Landwirtschaft scheitern soll, ist es höchste Zeit, die Reform des Agrarmarktes entschlossen in Angriff zu nehmen.
Replik auf die nachfolgende Stellungnahme des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Abbildung 5
Tabelle 4
Quelle: Agrarbericht 1981, S. 18
Tabelle 4
Quelle: Agrarbericht 1981, S. 18
Der Autor des vorliegenden Beitrags freut sich, daß das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine Auseinandersetzung mit seinen Gedankengängen nicht gescheut hat. Es stimmt ihn optimistisch, daß ihm — trotz aller Kritik — vom Ministerium bestätigt wird, daß er mit der Richtung seiner Lösungsvorschläge weitgehend auf jener Linie liegt, die die Bundesregierung im Rahmen der EG zu verfolgen gedenkt. Das verdient um so mehr Beachtung, als der Verfasser keinen Zweifel daran gelassen hat, daß seiner Meinung nach die Krise desAgrarmarktes nur durch dieAbschaffung des künstlichen Marktordnungssystems und den Übergang zu marktwirtschaftlichen Verhältnissen nachhaltig überwunden werden kann.
Obwohl die Stellungnahme des Ministeriums teilweise nur ergänzenden Charakter trägt, enthält sie doch einige Bemerkungen, die der Richtigstellung bedürfen:
Ob die teilweise bewußt pointiert gehaltenen Ausführungen zur „Bestandsaufnahme“ und speziell die Bemerkungen zum Agrarbericht der Sachinformation dienlich sind oder nicht, kann getrost dem Urteil des Lesers überlassen bleiben. Bemerkt sei nur, daß die angeblich unkritisch übernommenen „journalistischen Werturteile" keineswegs von sachunkundigen Provinzredakteuren stammen, sondern von ausgewiesenen Fachleuten aus den Wirtschaftsredaktionen der angesehensten Tages-bzw. Wochenzeitungen. Was Klaus Peter Krauses Vorwurf der „Mogelei“ mit unter-schiedlichen Schwellengrößen angeht, so liegt ihm zweifellos nicht die unterstellte Verwechslung zugrunde, sondern die berechtigte Kritik an der Tatsache, daß die „Vollerwerbsbetriebe" im Agrarbericht künstlich anders definiert werden als die „entwicklungsfähigen Betriebe" nach dem staatlichen Förderungsprogramm. Ist es nicht absurd, daß der Agrarbericht auch solche Höfe als „Vollerwerbsbetriebe“, die ja die wirtschaftliche Existenz einer bäuerlichen Familie nachhaltig gewährleisten sollen, bezeichnet, die nach dem Urteil fiziellen Agrarpolitik des Ministeriums nicht mehr entwicklungsfähig sind?
Wenn auch der Vorwurf, die einkommens-und sozialpolitische Komponente der Agrarpolitik nicht ausreichend berücksichtigt zu haben, sich seltsamerweise nur auf den ersten Teil des Beitrags bezieht, so muß ihm doch entschieden widersprochen werden. Der Autor hofft, auch in der „Bestandsaufnahme" keinen Zweifel daran gelassen zu haben, daß er die Wirtschafts-, Sozial-und Einkommenspolitik im Bereich der Landwirtschaft als ein untrennbares Ganzes betrachtet. Auch die These, es bestehe ein Widerspruch darin, einerseits die Benachteiligung der kleinen Betriebe in der EG zu kritisieren, andererseits aber Struktur-wandlungen zu propagieren, die sich negativ auf deren Einkommenslage auswirken müßten, vermag in keiner Weise zu überzeugen. Wie eine aufmerksame Lektüre des Beitrags deutlich macht, soll als Ziel ein Strukturwandel angestrebt werden, in dessen Verlauf die zu kleinen oder gar Kümmerbetriebe weitgehend aufgestockt oder zusammengelegt werden, so daß sie zumindest einer Vollerwerbskraft eine gesicherte Existenz und das heißt ein mit anderen Berufsgruppen vergleichbares Einkommen sichern können. Ebenso deutlic wurde gesagt, daß die nicht sanierungsfähigen Betriebe langfristig — und möglichst mit dem Generationenwechsel — aus der Produktion ausscheiden sollten. Der notwendigen sozialen Absicherung dieses Prozesses (u. a. durch direkte Einkommenssubventionen für die heutige Generation) wurde ein breiter Raum gewidmet. Die Frage, wohin die Agrarproduktion bei der heutigen Marktlage denn noch ausweichen sollte, ist so sicher falsch gestellt. Wenn die in der Landwirtschaft beschäftigten Arbeitskräfte wirklich nur durch Überschußproduktion ausgelastet werden können, dann ist dieser Arbeitskräftebesatz eben zu hoch.
Mit Aufmerksamkeit sollte zur Kenntnis genommen werden, wie stark sich das Ministerium bemüht, die Kritik des Verfassers an den im Beitrag wiedergegebenen unhaltbaren Aussagen des Bauernverbandes zu relativieren. Rein inhaltlich ist dazu zu bemerken, daß hat, das zugrunde liegende Zahlenmaterial kritisch zu überprüfen. Es wurde vielmehr mit den Angaben der Agrarberichte 1980 und 1981 detailliert verglichen; allein auf diesem Vergleich und auf den herausgearbeiteten logischen Widersprüchen in den analysierten DBK-Artikeln beruhen die gezogenen Schlußfolgerungen. Die in diesem Zusammenhang gemachten Unterstellungen sind daher unverständlich. Bezeichnend aber ist die Tatsache, daß sich das Ministerium bemüßigt fühlt, hier offiziell, wenn auch mit unzureichenden Argumenten, einem angegriffenen Interessenverband beizuspringen. Besser hätte die These von den engen Verbindungen zwischen Agrarlobby und Agrarbürokratie gar nicht belegt werden können. Auf der gleichen Linie liegt die offenkundige Absicht, bestimmte Wissenschaftler in Schutz zu nehmen. Natürlich ist auch dem Verfasser bekannt, daß sich weder das Ministerium noch sein wissenschaftlicher Beirat bisher für Mengenkontingentierungen außerhalb der Zuckerproduktion ausgesprochen haben. Werden mit dieser Feststellung aber wirklich frühere Äußerungen der Professoren Meinhold und Weinschenk irrelevant, nur weil sie beide Mitglieder dieses Gremiums sind?
Horst-Albert Kukuck, Dr. phil., geb 1939; Staatsexamen in Politischer Wissenschaft, Geschichte und Anglistik; Zweitstudium der Volkswirtschaftslehre. Z. Zt. wissenschaftlicher Angestellter an einem Forschungsprojekt der DFG. Veröffentlichungen u. a.: Die Grüne Hürde Europas. Zur europäischen Agrarpolitik, in: Neue Politische Literatur 1970; Artikel „Landwirtschaft", in: Eynern/Böhret (Hrsg.), Wörterbuch zur politischen Ökonomie, Opladen 1977 2; Zum Problem der politischen Komponente im Richterrecht, Kronberg 1980; Etappen im Ringen um eine Wirtschaftskonzeption der CDU 1945— 1949, in: Lothar Albertin und Werner Link (Hrsg.), Politische Parteien auf dem Weg zur Demokratie in Deutschland. Festschrift für Erich Matthias, Düsseldorf 1981, S. 239— 260.
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