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Reagan-Amerika und Westeuropa Plädoyer für eine konstruktive Zusammenarbeit | APuZ 32/1981 | bpb.de

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APuZ 32/1981 Reagan-Amerika und Westeuropa Plädoyer für eine konstruktive Zusammenarbeit Das außenpolitische Konzept der Reagan-Administration Darstellung, Hintergründe und Bewertung der neuen Außenpolitik der USA Amerikanische Außenpolitik am Scheideweg Die Außenpolitik der Regierung Reagan Zur Wechselbeziehung von Politik und Demoskopie Das Beispiel der aktuellen Sicherheitspolitik

Reagan-Amerika und Westeuropa Plädoyer für eine konstruktive Zusammenarbeit

Manfred Görtemaker

/ 43 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die USA haben zu altem Selbstvertrauen zurückgefunden. Die Jahre des Selbstzweifels, der Führungsschwäche und außenpolitischen Agonie scheinen vorüber. Die Wahl Ronald Reagans zum Präsidenten der Vereinigten Staaten und der Gewinn der Mehrheit im Senat durch die Republikanische Partei bedeuteten ein überzeugendes Mandat für eine konservative Politik der Konsolidierung. Sie sind Ausdruck einer Veränderung des politischen Klimas der USA, das nach den Erschütterungen durch Vietnam und Watergate nun jene Kräfte begünstigt, die Selbstanerkennung und Stärkung im Innern und nach außen versprechen. Im außenpolitischen Bereich rückte der Konflikt mit der Sowjetunion wieder in den Mittelpunkt des Interesses. Die Nord-Süd-Problematik wird demgegenüber vernachlässigt und im wesentlichen unter dem Gesichtspunkt der Eindämmung des Kommunismus interpretiert. Präsident Carters Betonung der Menschenrechte als Maßstab bei der Führung der amerikanischen Außenpolitik wurde aufgegeben. Was bedeutet dieser Richtungswechsel der amerikanischen Politik für das Verhältnis der USA zu Westeuropa? Welchen Stellenwert nehmen die westeuropäischen Verbündeten in der weltpolitischen Konzeption der Reagan-Administration ein? Und welche Konflikte, Belastungen, aber auch Möglichkeiten der Zusammenarbeit gibt es? — Auf diese Fragen kann es derzeit nur andeutungsweise Antworten gegen. Die USA und Westeuropa könnten nach einem Jahrzehnt vielfältiger Umschichtungen und westlicher Schwäche am Beginn einer neuen Ära der Gemeinsamkeit stehen, sofern beiderseits des Atlantiks realpolitische Vernünftigkeit regiert. Die USA benötigen die Unterstützung der westeuropäischen Partner bei der Vergrößerung der westlichen Verteidigungsfähigkeit, der Konsolidierung der NATO, der Stabilisierung der Golf-Region und der Bewältigung der wirtschaftlichen Probleme. Ohne Westeuropa wären die Ziele der amerikanischen Politik nicht erreichbar.

Die hier vorgelegte Ausgabe von „Aus Politik und Zeitgeschichte" steht in einer engen inhaltlichen Verbindung zu in dieser Zeitschrift bereits veröffentlichten und demnächst erscheinenden Arbeiten.

Zu nennen wären u. a. die Studien von AJois Riklin (Audiatur et altera pars — Dreifache militärische Lagebeurteilung), Dieter S. Lutz (Kriegsgefahr und Kriegs-verhütung in den 80er Jahren), Fritz Birnstil (Krieg oder Frieden in Europa?), alle erschienen in der B 3/81, ferner die Arbeit von Klaus Bloemer (Gibt es eine Alternative zum militärindustriellen Wirtschaftskrieg?), veröffentlicht in der B 22/81, sowie die Arbeiten von Gerhard Wettig (Der Wandel der Rahmenbedingungen für Sicherheitsvereinbarungen in Europa), Reinhardt Rummel (Für eine westeuropäische Mittelostpolitik — Überlegungen zu einem Konzept westlicher Arbeitsteilung), beide veröffentlicht in der B 26/81, und als vorerst jüngste Veröffentlichungen die Aufsätze von Manfred G. Schmidt (Bestimmungsfaktoren des Rüstungswettlaufs zwischen Ost und West), Frank Barnaby(Zum Stand derglobalen Rüstung. Ergebnisse des SLPRf-Jahrbuches 1981), Hans Rattinger (Strategieinterpretationen und Rüstungskontrollkonzepte — Anmerkungen zum NATO-Doppelbeschluß), alle publiziert in der B 28/81.

Den hier genannten Untersuchungen ist gemeinsam, daß sie den Themenkomplex Sicherheitsund Rüstungspolitik im Zusammenhangmit dem Verhältnis der beiden Großmächte zueinander analysieren. Um die oft recht unterschiedlichen Einschätzungen sichtbar zu machen und durch ein weiterführendes Informationsangebot die Komplexität des Themenfeldes selbst sowie die Spannweite der wissenschaftlichen Diskussion darzustellen, konzentrieren sich die Aufsätze des vorliegenden Heftes im wesentlichen auf die Untersuchung der amerikanischen Außenpolitik und des amerikanisch-westeuropäischen Verhältnisses. Zwei weitere Analysen werden in Kürze folgen — die eine von C. -H. Lüders über das Thema „Ideologie und Machtdenken in der sowjetischen Außenpolitik" sowie mehrere Arbeiten über die sowjetische Innen-und Außenpolitik aus dem Bundesinstitut für ostwissenschaftliche Studien in Köln.

Die USA haben zu altem Selbstvertrauen zuückgefunden. Die Jahre des Selbstzweifels, ler Führungsschwäche und außenpolitischen Agonie scheinen vorüber. Die Wahl Ronald Reagans zum Präsidenten der Vereinigten Staaten und der Gewinn der Mehrheit im Senat durch die Republikanische Partei (sowie die Verringerung der demokratischen Mehr-neit im Repräsentantenhaus) am 4. November 1980 bedeuteten ein überzeugendes Mandat für eine konservative Politik der Konsolidierung. Sie sind Ausdruck einer Veränderung des politischen Klimas der USA, das nach den Erschütterungen durch Vietnam und Watergate und den daraus resultierenden, oft quälenden Bemühungen um Selbsterkennung und Selbstreinigung nun jene Kräfte begünstigt, die Selbstanerkennung und Stärkung im Innern und nach außen versprechen.

Amerika ist heute weithin „Reagan-Land“ Das Ostküsten-Establishment hat an Boden verloren. Die Binnenwanderung der amerikanischen Bevölkerung vom „frost-belt" des Nordostens zum „sun-belt" des Südens und Westens findet politisch ihren Niederschlag — eine Entwicklung, die seit langem im Gange ist: John F. Kennedy war der letzte Präsident, der von der Ostküste stammte; Lyndon B. Johnson war Texaner, Richard M. Nixon Kalifornier, Gerald R. Ford ein in Michigan aufgewachsener Mittelwestler aus Nebraska und Jimmy Carter Südstaatler aus Georgia. Doch keiner von ihnen verkörperte wie Ronald Reagan das einfache Amerika des John Smith, in dem religiöse und sittliche Werte noch ih-* ren festen Platz haben und Patriotismus kein Fremdwort ist, in dem die „Main Street" mehr gilt als „Wall Street" und der Blick auf die Welt sich durch jene Klarheit auszeichnet, die sich daraus ergibt, daß Freunde eben Freunde und Feinde eben Feinde sind.

Die Reagan-Administration hat sich nach ihrem Amtsantritt am 20. Januar 1981 in der Innen-wie in der Außenpolitik rasch den Respekt zu verschaffen gewußt, den die einen erhofft und andere gefürchtet hatten. Mit sicherem Gespür für die Machtverhältnisse und die Stimmung im Lande ist sie dabei nicht vorsichtig und behutsam, sondern robust und entschlossen zu Werke gegangen. Innerhalb weniger Monate wurde ein umfassendes Programm zur Sanierung und Stabilisierung der amerikanischen Wirtschaft ausgearbeitet, das durch Steuersenkungen zu Investitionen anregen und die wirtschaftliche Aktivität erhöhen soll und gleichzeitig durch Streichungen und Kürzungen in allen Etats — mit Ausnahme des Verteidigungsbudgets — mittelfristig einen Ausgleich der öffentlichen Haushalte und eine Reduzierung der Inflation anstrebt Bei der Durchsetzung dieses Programms im Kongreß bewies die republikanische Administration ihre Fähigkeit, konservative Demokraten für die Regierungsvorlage zu gewinnen und ihre Blockierung durch das mehrheitlich weiterhin demokratische Repräsentantenhaus zu verhindern. Widerstand gegen die beträchtlichen sozialen Auswirkungen der Verringerung staatlicher Leistungen formiert sich erst allmählich.

Im außenpolitischen Bereich rückte der Konflikt mit der Sowjetunion wieder in den Mittelpunkt des Interesses. Die Nord-Süd-Problematik wird gegenüber dem Ost-West-Gegensatz vernachlässigt und im wesentlichen unter dem Gesichtspunkt der Eindämmung des Kommunismus und internationalen Terrorismus interpretiert Die Verteidigungsausgaben werden drastisch erhöht, um die militärische Position der USA zu konsolidieren unc die Voraussetzungen für die Eindämmung des sowjetischen und kubanischen Expansionis-

mus zu schaffen. Entspannung und Rüstungskontrolle sollen erst fortgesetzt werden, wenr die USA in der Lage sind, aus einer Positior der Stärke zu verhandeln Präsident Carters Betonung der Menschenrechte als Maßstak bei der Führung der amerikanischen Außenpolitik wurde aufgegeben. Die Unterscheidung zwischen (abzulehnenden) „totalitären* Systemen mit weltanschaulichem Absolutheitsanspruch, wie den kommunistischen Ländern, und (gegebenenfalls unterstützungswürdigen) „autoritären" Regimen, wie Südkorea, Südafrika, den Philippinen oder lateinamerikanischen Diktaturen, wird den Umgang mit problematischen Verbündeten erleichtern und sie für die Auseinandersetzung mit der Sowjetunion und Kuba nutzbar machen, anstatt sie, wie zuletzt unter Carter, der Verletzung von Menschenrechten zu bezichtigen, international abzuwerten und als Alliierte zu verunsichern

Was bedeutet dieser Richtungswechsel der amerikanischen Politik für das Verhältnis der USA zu Westeuropa? Welchen Stellenwert nehmen die westeuropäischen Verbündeten in der weltpolitischen Konzeption der Reagan-Administration ein? Und welche Konflikten Belastungen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit gibt es?

I. Von Carter zu Reagan: Ende eines Traumas

Die grundlegende Veränderung der weltpolitischen Szene, die für das amerikanisch-westeuropäische Verhältnis bestimmend sein wird, vollzog sich nicht erst mit dem Wechsel ron Carter zu Reagan, sondern bereits ein Jahr rorher: mit dem am 12. Dezember 1979 auf einer Sondersitzung der Außen-und Verteidigungsminister der NATO in Brüssel gefaßten Jeschluß über die Modernisierung des NATO-Potentials an nuklearen Mittelstrek-

kensystemen und dem Einmarsch sowjeti-

scher Truppen in Afghanistan zwei Wochen Später.

Beide Entwicklungen gehören in den gleichen Sachzusammenhang. Die sowjetische Inter-

vention in Afghanistan war das vorläufig etzte Glied einer langen, in dieser Form zunindest bis Angola 1974/75 zurückreichenden Kette von Aktionen zur Ausdehnung des so-

wjetischen Einflusses in der Welt. Und der NATO-Beschluß war eine Reaktion auf die so-

wjetische Offensive. Er markierte das Ende ier westlichen Unentschlossenheit gegenüber der sowjetischen Expansionspolitik und signalisierte die Bereitschaft der USA und der westeuropäischen Länder, durch verstärkte eigene Rüstungsanstrengungen die weitere Erosion der Mächtebalance zu verhindern und las militärische Gleichgewicht zwischen Ost md West wiederherzustellen. Dabei war dieser „Nachrüstungsbeschluß", wie man ihn im Westen auch nennt, das typische Produkt einer Übergangszeit: ein Doppel-Beschluß, der die Ankündigung westlicher Rüstungsmaßnahmen — die Stationierung von 108 Pershing-II-Mittelstreckenraketen und 464 bodengestützten Marschflugkörpern (cruise missiles) in Westeuropa — mit der Aufforderung an die Sowjetunion verband, in Verhandlungen über die Kontrolle und Begrenzung der eurostrategischen Waffen einzutreten und durch östliche Abrüstung die westliche Nachrüstung entbehrlich zu machen ‘Afghanistan erschwerte die Durchführung dieser besonnen kalkulierten, komplexen Strategie, weil der sowjetische Einmarsch nicht nur ein weiteres Mal die expansionistische Haltung Moskaus bestätigte, sondern durch den direkten und massiven Einsatz sowjetischer Truppen die internationale Lage qualitativ veränderte. Die Intervention diskreditierte die sowjetische Außenpolitik, ließ sie als aggressive Gewaltpolitik erscheinen und 5 beseitigte damit die Voraussetzungen der Entspannungspolitik auf nicht absehbare Zeit. Vor allem in den USA wurde dies so gesehen. Der bereits vorhandene Antikommunismus und Antisowjetismus und die verbreitete außenpolitische Unzufriedenheit besonders nach den Entwicklungen im Iran — dem Nachbarland Afghanistans — steigerten sich zu dem Ruf nach Gegenmaßnahmen, nach Vergeltung. 1. Inkonsistenz und Inkohärenz der Außenpolitik unter Carter Präsident Carter trug den veränderten Gegebenheiten Rechnung, als er zu Beginn des Jahres 1980 als Reaktion auf den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan die Politik gegenüber der Sowjetunion spontan revidierte und drastische Sanktionen verhängte, zu denen u. a.der Aufschub der Ratifizierungsdebatte für das SALT-II-Abkommen im amerikanischen Senat, die Einstellung der Lieferung hochentwickelter Technologie an die Sowjetunion und das Ultimatum eines Boykotts der für den Sommer 1980 in Moskau geplanten Olympischen Spiele gehörten Diese außen-politische Schwenkung, die für viele westeuropäische Regierungen zu plötzlich und unvorbereitet kam, als daß sie ihr sogleich hätten folgen können oder wollen, war nicht nur ein Zeichen persönlicher Enttäuschung Carters, nachdem alle verfügbaren Kräfte der Administration seit Monaten um die Zustimmung der Senatoren zum SALT-II-Vertrag gerungen hatten und eine positive, nun natürlich hinfällige Abstimmung für Ende Januar 1980 intern erwartet worden war, sondern auch eine Folge des zunehmenden innenpolitischen Drucks in den USA, die Haltung gegenüber der Sowjetunion zu verschärfen. Carter, der um seine erneute Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Demokraten und um seine Wiederwahl bangen mußte, beugte sich diesem Druck aus außenpolitischer Einsicht wie aus innenpolitischer Notwendigkeit.

Doch Carters Amtsführung war seit ihrem Beginn im Januar 1977 widersprüchlich gewesen; mehrfach hatte er in wichtigen Fragen Taktik und Richtung gewechselt — in der umstrittenen Menschenrechtskampagne ebenso wie bei Rüstungsentscheidungen und bei den SALT-Verhandlungen mit Moskau. Sein Kurs erschien vielen Beobachtern weder beständig noch folgerichtig, sondern unklar, verschwommen, unsicher, ja sogar unzuverlässig Weder Gegner noch Verbündete wußten oft, woran sie mit diesem Präsidenten waren. Daher wurde auch die antisowjetische Wendung Carters nach der Afghanistan-Intervention eher als erneute, vielleicht sogar als voreilige taktische Schwenkung und nicht als weitreichende strategische Kursänderung interpretiert. Der Versuch, nach Jahren des Schwankens und zahlreicher Fehlschläge endlich Härte und Standfestigkeit zu demonstrieren, wurde nicht mehr ernst genommen, sondern weithin als störende, überdies gefährliche Überreaktion empfunden, die auf Konfrontation mit der Sowjetunion abzielte, ohne Lösungsmöglichkeiten für die Probleme der Ost-West-Beziehungen zu enthalten. Sowohl die Bundesrepublik als auch Frankreich begannen, nach eigenen Wegen für einen Dialog mit der Sowjetunion zu suchen, der weitere Afghanistans verhindern und zugleich die positiven Ergebnisse der Entspannung sichern sollte In den USA wurden die mangelnde Unterstützung der amerikanischen Politik durch die Verbündeten und die außenpolitischen Alleingänge wichtiger NATO-Partner mit verstörtem Mißfallen betrachtet. Bereits am 14. November 1979 hatte James Reston in der New York Times mit Blick auf die Besetzung der amerikanischen Botschaft und die Geiselnahme in Teheran gefragt: „Wo sind die Alliierten?" Am 10. April 1980 erklärte auch Präsident Carter seine Enttäuschung: Es sei lebenswichtig, daß die Last der amerikanischen Vergeltungsmaßnahmen ge November 1979 hatte James Reston in der New York Times mit Blick auf die Besetzung der amerikanischen Botschaft und die Geiselnahme in Teheran gefragt: „Wo sind die Alliierten?" 10) Am 10. April 1980 erklärte auch Präsident Carter seine Enttäuschung: Es sei lebenswichtig, daß die Last der amerikanischen Vergeltungsmaßnahmen gegen den Iran und die Sowjetunion von den Verbündeten und anderen Staaten mitgetragen werde, aber er wisse nicht, „was jene Alliierten und unsere anderen Freunde tatsächlich zu tun bereit sind" 11). Die New York Times griff wenig später die Carter-Äußerung auf und faßte sie in dem Vorwurf zusammen, die USA würden „regelmäßig von ihren Hauptverbündeten miß-achtet und herausgefordert" 12); wenn dieser Trend anhalte, werde die Grundlage der militärischen Allianz zwischen den USA und Westeuropa ausgehöhlt 13).

Ähnliche Klagen und Warnungen waren in jenen Monaten in den USA weit verbreitet. Sie spiegelten die Enttäuschung wider, die aus dem Eindruck entstand, von den Verbündeten im Stich gelassen zu werden, denen man jahrzehntelang politischen, wirtschaftlichen und militärischen Beistand geleistet hatte. Nun, da die USA zum ersten Mal wirklich auf die Hilfe der Westeuropäer (und Japaner) angewiesen: waren, wurde diese Unterstützung unter Aus-; flüchten verweigert, erwiesen sich die Allierten als undankbar, selbstgerecht und nur auf ihr Eigeninteresse fixiert.

Theodore Draper hat aufgezeigt, daß die in der amerikanischen Diskussion 1979/80 häufig gezogene Verbindung zwischen dem Verhalten: der Verbündeten gegenüber den gegenwärtigen Krisen der Weltpolitik und dem weiteren Schicksal des militärischen Bündnisses zwischen Nordamerika und Westeuropa 14) auf falschen Prämissen beruhte Die NATO, wurde 1949 nicht gegründet, um weltweit amerikanische Interessen durchzusetzen und demokratische Werte zu verteidigen, sondern sie wurde als reines Sicherheitsbündnis im nordatlantischen Raum konzipiert; gemeinsame Verteidigung, nicht gemeinsame Politik sei ihr Ziel. Artikel 2 des Vertrages sieht lediglich die Förderung von „Stabilität und Wohlergehen" und „wirtschaftliche Zusammenarbeit" vor. Weitergehende Bestimmungen wurden seinerzeit von der amerikanischen Verhandlungsdelegation unter Dean Acheson abgelehnt, der befürchtete, der amerikanische Senat werde sonst seine Zustimmung verweigern. Eine automatische Anwendung des Vertrages wurde — wiederum auf Drängen Achesons — ausgeschlossen. Das Bündnisgebietl wurde geographisch begrenzt. Es umfaßt Europa und Nordamerika sowie den Raum nördlich des Wendekreises des Krebses und — seitl dem Beitritt Griechenlands und der Türkei 1952 — das Gebiet nördlich der Linie, die vom der Ostgrenze der Türkei bis zur Bering--Straße reicht. Alle Krisenzonen der jüngsten Vergangenheit — Angola, Äthiopien, der Süd-

Jemen, Indochina, Iran, Afghanistan, Pakistan, das Gebiet des iranisch-irakischen Krieges oder der Mittlere Osten und der Indische Ozean — liegen außerhalb des im NATO-Ver-(trag definierten Territoriums. „Die USA mögen Grund haben, die Unterstützung Westeuropas für ihre Politik in den Krisen in Iran und Afghanistan zu erwarten", folgerte deshalb Draper, „aber nicht auf der Grundlage dieses Bündnisses"

Abgesehen von dieser Korrektur eines wichtigen Sachverhalts in einer oft emotional geführten Diskussion bestritt Draper jedoch (nicht, daß amerikanische Klagen über die Haltung der Verbündeten berechtigt waren. Tatsächlich monierten die Westeuropäer in den Jahren der Carter-Administration immer wieIder fehlendes amerikanisches Führungsver-(halten, taten selbst wenig, das entstandene Vakuum durch eigene Initiativen zu füllen, er-

klärten sich aber für übergangen und nicht imstande, den USA zu folgen, als Carter Führungskraft zu beweisen suchte. Die Inkonsistenz und Inkohärenz der amerikanischen Politik — so sahen es in den USA selbst entschie-Hene Kritiker Carters — wurde noch übertroffen von der Vielgesichtigkeit und mangelnden Verantwortungsbereitschaft der Westeuropäer. 2. Die Schwäche Westeuropas Als die amerikanische Außenpolitik Mitte der siebziger Jahre dem Vietnam-Trauma erlag und das Weiße Haus unter dem Schock von Watergate im Ringen mit dem Kongreß seine Stellung als unangefochtenes Führungszentrum der Außen-und Sicherheitspolitik verlor, bot sich den westeuropäischen Regierungen eine Gelegenheit, die sie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr besessen hatten: in der Weltpolitik eine maßgebliche und aktive Rolle zu spielen. Es zeigte sich jedoch bald, daß Westeuropa mit dieser Aufgabe überfordert war, denn die Addition von Bevölkerungszahlen und ökonomischen Potentialen ergibt noch keine Weltmacht.

Die Schwäche Westeuropas war freilich weniger ein Willens-als ein Strukturproblem. Existierte „Westeuropa" politisch überhaupt? Wenn ja, was wäre darunter zu verstehen? Sind es die Länder der Europäischen Gemeinschaft? Dann wäre das militärisch nicht pakt-gebundene Irland einbezogen, das NATO-Mit-glied Norwegen aber ausgeschlossen gewesen. Sind es alle der NATO angehörenden Länder Europas? Dann hätte Portugal dazugerechnet werden müssen, vielleicht sogar die mit einem halben Bein in Europa stehende Türkei, aber das EG-Mitglied Irland wäre außerhalb geblieben, und Frankreich und Griechenland, die zwar der politischen, nicht aber der militärischen Organisation der NATO angehören, hätte man mit Fragezeichen versehen müssen. Oder sind es gar alle europäischen Länder mit Ausnahme des Ostblocks und der Neutralen? Das hätte die Konfusion nur noch mehr vergrößert.

In den USA begnügte man sich daher inoffiziell mit einer Definition, die zwar ungenau ist, aber alle Vorzüge praktischer Anwendbarkeit besitzt: Westeuropa — das sind die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Den Rest bilden „lower countries", die im Kräftespiel der Machtpolitik vernachlässigt werden können, bei aller Bedeutung, die einzelne dieser Länder, wie etwa Italien, gelegentlich erlangen. Die Europäische Gemeinschaft, die sicherlich nach westeuropäischer Auffassung den wesentlichen Rahmen gegenwärtiger und vor allem zukünftiger westeuropäischer Politik absteckt, wird in den USA weiterhin als politische Einrichtung ignoriert und als reine Wirtschaftsgemeinschaft betrachtet — und meist auch so bezeichnet: als EEC (European Economic Community).

Doch die politische Zersplitterung war nicht das einzige Problem, das die westeuropäischen Länder in den siebziger Jahren daran hinderte, eine weltpolitische Ordnungsfunktion zu übernehmen. Großbritannien war mit der Lösung seiner wirtschaftlichen Probleme, der Bewältigung des EG-Beitritts und der Abwicklung seines letzten großen kolonialen Erbes — Rhodesien/Zimbabwe — beschäftigt, so daß für die Suche nach einer gemeinsamen westeuropäischen Außenpolitik kein Raum mehr blieb; außerdem war die Distanz Großbritanniens zu Europa weiterhin so groß, daß man den Willen Londons zur Gemeinsamkeit ernsthaft bezweifeln mußte. Frankreich betrieb eine recht aktive Afrika-Politik, die im März 1977 und Mai 1978 — mit Unterstützung Marokkos und Belgiens — auch zum militärischen Eingreifen in der Provinz Shaba in Zaire führte, wodurch ein zweites Angola in diesem Teil Afrikas verhindert werden konnte Die französische Außenpolitik war jedoch regional konzentriert, strikt an nationalen französischen Interessen orientiert und jenen Beschränkungen unterworfen, die sich aus den begrenzten wirtschaftlichen und militärischen Möglichkeiten einer Mittelmacht ergaben. Die Bundesrepublik betrat in den siebziger Jahren überhaupt zum ersten Mal in ihrer Geschichte als eigenständiger Faktor die Bühne der Weltpolitik. Von den Fesseln der Deutschland-und Berlin-Frage wenigstens teilweise befreit, nutzte sie den erweiterten diplomatischen Spielraum, den der Erfolg ihrer Ostpolitik bot. In den Vereinten Nationen gelangte sie in den Weltsicherheitsrat; in Afrika beteiligte sie sich an der Suche nach einer Lösung für das Namibia-Problem; nach der Ölkrise von 1973 bemühte sie sich um eine Reform der Weltwirtschaftsordnung und bezog Position im Nord-Süd-Dialog (der frühere Bundeskanzler Willy Brandt wurde Vorsitzender der Nord-Süd-Kommission); und im Ost-West-Verhältnis wurde sie zum wohl wichtigsten westlichen Verfechter der Entspannungspolitik und zum größten Handelspartner der osteuropäischen Länder.

Dieser Wandel der westdeutschen Außenpolitik war nicht radikal, aber groß genug, um in den USA und Westeuropa mit Aufmerksamkeit registriert zu werden Da dieser Wandel außerdem durch eine solide wirtschaftliche Grundlage und — im Gegensatz zu vielen anderen westlichen Ländern — ein funktionierendes Militärpotential untermauert war, schien es ein Gebot der Klugheit zu sein, in politischen Angelegenheiten außerhalb Europas, z. B. im Mittleren Osten, Zurückhaltung zu historisch Ressenti -üben, um die bedingten ments in Westeuropa gegenüber Deutschland nicht unnötig zu verstärken. Die militärischen Optionen der Bundesrepublik waren ohnehin durch Geschichte und Verfassung begrenzt. Alle drei Länder spielten also ihre Rolle als Mittelmächte. Zur Erfüllung von Weltmachtaufgaben war, auf sich allein gestellt, keines von ihnen in der Lage. Zu einer umfassenden Koordinierung ihrer Politik kam es jedoch nicht, erst recht nicht zu einer gemeinsamen Außenpolitik der Europäischen Gemeinschaft. Lediglich die Abstimmung zwischen der Bundesrepublik und Frankreich war bis 1980 aufgrund guter persönlicher Beziehungen zwi-sehen dem Bundeskanzler und dem französischen Staatspräsidenten zufriedenstellend.

Die weltpolitische Schwäche Westeuropas ist daher nicht schwer zu erklären. Sie beruhte auf der politischen Zerrissenheit, dem fehlenden weltpolitischen Bewußtsein, dem Mangel an globalen Perspektiven in der praktischen Politik und dem Nichtvorhandensein eines dem sowjetischen Potential ebenbürtigen militärischen Instrumentariums. Doch wer Einfluß besitzen oder erlangen will, muß zwei Bedingungen genügen: Er muß den Willen haben, Macht auszuüben, und er muß über die Mittel verfügen, seinen Willen gegebenenfalls gegen den Willen anderer durchzusetzen. Westeuropa mangelte es in den siebziger Jahren an beidem. Freundliche Worte in alle Richtungen mögen in ruhigen Zeiten ein Maximum an Bequemlichkeit gewährleisten; im Konfliktfall helfen sie wenig. Und die zweite Hälfte der siebziger Jahre brachte nach Jahren relativer Entspannung eine Vielzahl von Konflikten, die der Stabilisierung durch kalkulierten Einsatz politischer, wirtschaftlicher und militärischer Macht bedurft hätten. Da weder die USA noch Westeuropa in der Lage waren, diese Ordnungsfunktion wahrzunehmen, lagen alle Vorteile auf Seiten der Sowjetunion, die daraus beträchtlichen Nutzen zu ziehen verstand. 3. Rückkehr zur Realpolitik unter Reagan Das uneinige, strukturell vielgliedrige Westeuropa sah sich also Mitte der siebziger Jahre nach dem Scheitern des amerikanischen Glo-

mit balismus dem Problem einer zunehmend geringer werdenden Neigung der USA konfrontiert, sich weltpolitisch auf der Basis verantwortungsbewußter, militärisch fundierter Machtpolitik zu engagieren. Dieser fortschreitende Abbau der weltpolitischen Rolle der USA stand im diametralen Gegensatz zum amerikanischen Führungsanspruch in den fünfziger und sechziger Jahren und war nur vor dem Hintergrund des Fehlschlages der während der Kennedy-Administration auf die Dritte Welt ausgedehnten und seither überspannten Containment-Strategie zu erklären. Der Globalismus hatte nicht nur zur Niederlage in Vietnam geführt, sondern darüber hinaus die amerikanische Währung zerrüttet, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der USA untergraben, den innenpolitischen Kon-sens zerstört und das Verhältnis zu den Verbündeten beeinträchtigt Was lag näher, als eine solchermaßen erfolglose, die eigenen Interessen schädigende Politik umzukehren, die Aufmerksamkeit nach innen zu lenken und die Welt sich selbst zu überlassen?

Doch die USA wählten diesen Weg zunächst nicht. Zwar sah die am 25. Juli 1969 in Guam verkündete Nixon-Doktrin einen Abbau des amerikanischen Überengagements, die Stärkung regionaler Strukturen und internationale Lastenteilung vor. Aber Präsident Nixon und sein damaliger Sicherheitsberater und späterer Außenminister Henry A. Kissinger waren der Überzeugung, die Antwort auf den Fehlschlag des Globalismus dürfe nicht in einer Neuauflage des amerikanischen Isolationismus früherer Zeit bestehen; vielmehr komme es darauf an, die seit der Truman-Doktrin von 1947 gültige Strategie der Eindämmung durch eine Strategie der Entspannung zu ersetzen Die Sowjetunion sollte in einer „Ära der Verhandlungen" in ein umfassendes Netzwerk internationaler Vereinbarungen und Verpflichtungen eingebunden werden; gemeinsam, so hoffte man in Washington, werde man den Rüstungswettlauf bremsen und die ideologische und machtpolitische Auseinandersetzung zwischen Ost und West Juli 1969 in Guam verkündete Nixon-Doktrin einen Abbau des amerikanischen Überengagements, die Stärkung regionaler Strukturen und internationale Lastenteilung vor. Aber Präsident Nixon und sein damaliger Sicherheitsberater und späterer Außenminister Henry A. Kissinger waren der Überzeugung, die Antwort auf den Fehlschlag des Globalismus dürfe nicht in einer Neuauflage des amerikanischen Isolationismus früherer Zeit bestehen; vielmehr komme es darauf an, die seit der Truman-Doktrin von 1947 gültige Strategie der Eindämmung durch eine Strategie der Entspannung zu ersetzen 21). Die Sowjetunion sollte in einer „Ära der Verhandlungen" in ein umfassendes Netzwerk internationaler Vereinbarungen und Verpflichtungen eingebunden werden; gemeinsam, so hoffte man in Washington, werde man den Rüstungswettlauf bremsen und die ideologische und machtpolitische Auseinandersetzung zwischen Ost und West entschärfen 22). Die Watergate-Affäre mit ihrer anhaltenden Vereinnahmung und Lähmung der Administration und ihren schwerwiegenden Folgen für den Handlungsspielraum nicht nur Präsident Nixons, sondern auch seiner Nachfolger machte diese Strategie jedoch zunichte und bewirkte, daß der Vietnam-Effekt sich in einem realen Machtverfall und faktischen Rückzug der USA aus der Weltpolitik bemerkbar machte, den Nixon und Kissinger zu vermeiden gesucht hatten.

Das Ende der „imperialen Präsidentschaft“ 23), die sich durch eine allmähliche Vergrößerung der Machtbefugnisse des Weißen Hauses auf Kosten des Kongresses entwickelt und in den sechziger und siebziger Jahren unter Lyndon B. Johnson und Richard M. Nixon ihren Höhepunkt erreicht hatte, bedeutete zumindest vorübergehend auch das Ende einer imperialen Außenpolitik mit globalen Aspirationen und Optionen. Die USA waren auf sich selbst zurückgeworfen — und zwar durch eigene Fehler und Versäumnisse mehr als durch Einwirkung der Gegner.

Die Tragweite dieses Vorgangs wurde zunächst vielfach unterschätzt, seine Entstehung auf falsche Ursachen zurückgeführt, vor allem auf eine angeblich „illusionäre Entspannungseuphorie" 24). In der Tat trug die Entspannung zwischen Ost und West dazu bei, den amerikanischen Rückzug zu rechtfertigen und seine längerfristigen negativen Auswirkungen zu verschleiern. So schien es 1973 nach einer Phase durchaus erfolgreicher Rüstungskontrollpolitik keineswegs abwegig, in den USA die allgemeine Wehrpflicht abzuschaffen. Auch die kontinuierliche Verringerung des Anteils der Verteidigungsausgaben am amerikanischen Bruttosozialprodukt von 7, 8 Prozent im Jahre 1970 auf 5, 2 Prozent 1979 ließ sich mit Blick auf die Entspannung begründen 25). Der eigentliche Grund für diese Maßnahmen war jedoch nicht die Entspannungspolitik, sondern das Vietnam-Syndrom: eine allgemeine Verteidigungsmüdigkeit und die Unlust, sich militärisch außerhalb der Grenzen der USA mehr als unbedingt nötig zu profilieren. Die Zahl der amerikanischen Soldaten ging von 3, 547 Millionen im Jahre 1968 — dem Höhepunkt des Vietnam-Krieges — auf 2, 022 Millionen 1979 zurück; die Mannschaftsstärke der sowjetischen Roten Armee stieg dagegen im gleichen Zeitraum von 3, 220 Millionen auf 3, 658 Millionen Während der Carter-Administration standen den USA darüber hinaus nur etwa 800 000 Reservisten zur Verfügung, der Sowjetunion jedoch mehr als fünf Millio-nen Die konventionelle Beweglichkeit der USA und ihre Interventionsmöglichkeiten außerhalb des Bündnisbereichs der NATO waren bis Ende der siebziger Jahre auf ein Maß geschrumpft, das es dem amerikanischen Präsidenten nicht mehr erlaubte, bei der Führung der Außenpolitik im Bedarfsfall auf einen kurzfristig realisierbaren, nennenswerten Einsatz militärischer Machtmittel zu vertrauen. Die amerikanische Politik in Afrika und im Mittleren Osten war daher Beschränkungen unterworfen, die vom Standpunkt des amerikanischen Weltmachtinteresses nicht zu verantworten waren. Die gewaltigen Potentiale des Systems der nuklear-strategischen Abschreckung nutzten den USA dabei wenig, denn diese Waffen sind aufgrund ihrer überdimensionalen Vernichtungskraft und Eskalationsgefahr für einen Einsatz in einem regional begrenzten Konflikt ungeeignet und deshalb praktisch ohne Wert. Die Sowjetunion, der diese Schwäche natürlich nicht verborgen blieb, hatte somit relativ freie Hand.

Die hauptsächlichen Beispiele für den sowjetischen (und kubanischen) Expansionismus der zweiten Hälfte der siebziger Jahre sind oft genannt und beschrieben worden: Angola, Äthiopien, Süd-Jemen, Afghanistan Daneben gab es einen schleichenden sowjetischen und kubanischen Einflußgewinn in einer Vielzahl anderer Länder Afrikas, des Nahen und Mittleren Ostens und der Karibik. Es ist eine offene Frage, ob es sich dabei um wirkliche Erfolge oder um kostspielige Pyrrhus-Siege handelte, die langfristig zur wirtschaftlichen Erschöpfung und politischen Diskreditierung der Sowjetunion führen werden, wie der Globalismus am Ende die Möglichkeiten der USA überstieg und in Überforderung und Niederlage mündete. Aber kurzfristig war die Sowjetunion in diesen Jahren in der Lage, ihren Einfluß in der Welt auf Kosten des Westens zu vergrößern und die Gewichte in der internationalen Politik zu ihren Gunsten zu verschieben. Diese Störung der Ost-West-Balance und ihre politische und ideologische Ausnutzung durch die Sowjetunion hatte jedoch eine Nebenwirkung, die von sowjetischer Seite vermutlich nicht beabsichtigt war und vielleicht auch nicht vorhergesehen worden ist: die Beseitigung der Voraussetzungen der Entspannungs politik Widerstand gegen die Politik de: Zuammenarbeit zwischen antagonistische! Mächten hatte es von Anfang an auf beider Seiten gegeben, in der Sowjetunion ebenswie in den USA und in der Bundesrepublik, wc sich die Kritik an der neuen Ostpolitik entzün dete. Zur ersten wirklichen Krise kam es, al: sich die durch Watergate geschwächte ameri kanische Administration 1973/74 nicht geger das Jackson/Vanik-Amendment des Kongresses behaupten konnte und daraufhin die Auf kündigung des sowjetisch-amerikanischer Handelsvertrages von 1972 hinnehmen mußte Aber dann wuchs die Abneigung des Westens gegen die Enspannung proportional zur sowje tischen Rüstungsexpansion und zur sowjeti sehen Offensive in Afrika und Asien, geger die es kein Mittel zu geben schien und bei dei sich die Sowjetunion offensichtlich in keine: Weise durch entspannungspolitische Rück sichtnahme bremsen ließ. Es war nur eine Frage der Zeit, wann das sowjetische Verhak ten unmittelbar auf die amerikanisch-sowjetischen Beziehungen und auf Europa zurückwirken und das Ende der Entspannung herbeiführen würde.

Nachdem der Westen mit dem Nachrüstungsbeschluß schon seine Besorgnis zum Ausdruck gebracht hatte, wurde mit der Afghanistan-Intervention die Schwelle endgültig überschritten. Doch erst Präsident Reagan besaß die Au torität und Überzeugungskraft, die Richtung der Ost-West-Beziehungen grundlegend zu ändern. Er hatte den Wahlkampf mit dem Versprechen einer Stärkung Amerikas bestritten und damit vielen Amerikanern aus dem Herzen gesprochen, die es leid waren, die Welt-macht USA herumgestoßen zu sehen und immer neue Hiobsbotschaften über die Verletzung amerikanischer Interessen durch die Sowjetunion, Kuba oder — es erschien wie eine sich ausbreitende Seuche — wen auch immer hören zu müssen. Als Reagan sein Amt mit einem Appell an die nationale Würde Amerikas, einer scharfen Verurteilung der sowjetischen Führer (die für sich das Recht in Anspruch nähmen, „jedes Verbrechen zu begehen, zu lügen, zu betrügen, um-ihre Ziele zu erreichen") und raschen Beschlüssen zur Verbesserung der militärischen Position der USA antrat, i fand er damit breite Zustimmung Reagan verlieh der Veränderung des politischen Klimas in den USA Stimme und außenpolitisches Gewicht. Seine Administration ist realpolitisch geprägt, nicht idealistisch wie diejenige Präsident Carters. Reagan befreite die USA vom Vietnam-Trauma. Erst mit ihm gingen die Nach-Vietnam-Ära und die Nach-Watergate-Ära der amerikanischen Politik zu Ende -Der neue Realismus der amerikanischen Politik führt in die Zeit des Containment zurück. Aber die Strategie, auf der diese Politik beruht, hält Eindämmung nicht für eine Alternative, sondern für eine Voraussetzung der Entspannung: Erst wenn die USA ihren Platz in der Welt zurückerobert hätten, den sie in einer Kombination außergewöhnlicher Umstände im vergangenen Jahrzehnt verloren, sei eine Verständigung mit dem Gegner wieder möglich. Erst dann, so wird unterstellt, sei. dieser Gegner an wirklicher Verständigung und nicht nur an einseitigen Zugeständnissen interessiert

Die Westeuropäer und alle diejenigen, die eine Politik der Rüstungskontrolle und Entspannung für ein wichtiges Erfordernis zur Zukunftssicherung halten, müßten diese Entwicklung begrüßen, denn ohne ein weltpolitisch aktives Amerika, das bereit ist, mit seinen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Möglichkeiten eine ordnende Rolle zu spielen, kann es auf Dauer — wie die siebziger Jahre unmißverständlich gezeigt haben — kein stabiles Gleichgewicht der Mächte geben, das eine entscheidende Vorbedingung der Entspannung ist. Westeuropa war in der Zeit relativer amerikanischer Schwäche nicht in der Lage, die amerikanische Rolle zu übernehmen. Und nichts deutet darauf hin, daß dies in der näheren Zukunft anders sein wird. Nur eine Zusammenarbeit zwischen den USA und Westeuropa läßt deshalb auf die Wiederherstellung einer Konstellation. hoffen, die einen Dialog mit der Sowjetunion nicht aus einer Position der Unterlegenheit, sondern auf der Basis der Gleichheit und die Bewältigung der anstehenden schwierigen ökonomischen Aufgaben ermöglicht. Die Reagan-Administration hat die westeuropäischen Verbündeten wiederholt aufgefordert, diesen Weg der Zusammenarbeit zu beschreiten

II. Gebot zur Zusammenarbeit

Die Bemühungen der Reagan-Administration gelten vorrangig drei Problembereichen: den Ost-West-Beziehungen und dem Verhältnis zur Sowjetunion, der Stabilisierung des Kri-

sengebietes im Nahen und Mittleren Osten sowie der Bewältigung der wirtschaftlichen Probleme, die von der Überwindung der Rezession und der Verringerung der Inflation in den USA bis zur Sicherung der Energie-und Rohstoffversorgung und zur Konsolidierung der internationalen Währungsund Wirtschaftsordnung reichen. In allen drei Bereichen ist Westeuropa zentral betroffen bzw. aufgrund sachlicher Überschneidungen von vornherein in die Thematik einbezogen. Es ist daher nicht nur zu empfehlen, sondern im Interesse beider Seiten unbedingt erforderlich, daß Westeuropa und die USA bei der Lösung der genannten Aufgaben so eng wie möglich zusammenarbeiten. 1. Grundlinien der neuen amerikanischen Außenpolitik und die Rolle Westeuropas

Die Konturen der neuen amerikanischen Außenpolitik haben sich im ersten Halbjahr der Reagan-Administration erst allmählich herausgebildet, obwohl der Richtungswechsel intellektuell seit langem vorbereitet worden war Die neue Politik versucht, das Vertrauen in die amerikanische Führungskraft wiederherzustellen und den Gefahren und Möglichkeiten der internationalen Lage mit einem realistischen Konzept zu begegnen: Ihre Ziele bestehen darin, die Sowjetunion einzudämmen bzw. „in die Schranken zu verweisen", wie man jetzt sagt die Allianzen wiederzubeleben, die Freunde zu stärken und die Entwicklungsländer zu ermutigen, Freiheit und Entwicklung, politische Stabilität und wirtschaftlichen Fortschritt zu kombinieren und sich damit in die internationale Ordnung einzufügen, anstatt sie durch eine neue, noch ungewisse Ordnung ersetzen zu wollen.

Die Begrenzung der sowjetischen Macht genießt oberste Priorität, weil ihre Ausweitung nach gegenwärtiger amerikanischer Auffassung „die Hauptquelle der heutigen internationalen Unsicherheit" darstellt, wie Außenminister Alexander Haig am 24. April 1981 in einer programmatischen Rede in Washington erklärte Die sowjetische Politik versuche, Hoffnungen auf Wandel zu nutzen, um Konflikte zu schaffen, in denen sie den Gebrauch von Gewalt und sogar das Mittel der Invasion rechtfertige. Moskau unterstütze kontinuierlich internationalen Terrorismus und Stellvertreterkriege. In Gebieten, in denen westliche Interessen auf dem Spiel stünden, sei die Sowjetunion darauf aus, Schwierigkeiten zu bereiten, obwohl schwerlich sowjetische Sicherheitsinteressen berührt seien. Kurz: Die sowjetische Begünstigung von Gewalt als Instrument des Wandels bilde die größte Gefahr für den Weltfrieden

Um die Aussicht auf eine friedliche Lösung der Konflikte zu erneuern, soll der Sowjetunion gezeigt werden, daß aggressives und gewalttätiges Betragen auch Moskaus eigene Interessen bedroht. Der Umsturz von Regierungen durch von der Sowjetunion oder ihren Helfern unterstützte bewaffnete Interventio-nen, wie in El Salvador, soll nicht länger geduldet, die sowjetische Besetzung anderer Länder, wie Afghanistan, nicht mehr einfach hingenommen werden. Nur die USA, so glaubt man, hätten die nötige Stärke, die Sowjetunion davon zu überzeugen, daß Gewalt ihrer Sache nicht diene. Nur die USA könnten die sowjetischen Führer zur Einsicht bringen, daß bessere Beziehungen zwischen den USA und der Sowjetunion dem Interesse beider Länder nütze. Daher habe man nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, auf die Sowjetunion in dieser Richtung einzuwirken. Voraussetzung dafür sei jedoch die Wiedererlangung einer ausreichenden militärischen Stärke der USA, da nur sie den Argumenten den nötigen Nachdruck verleihen könne, wie die Entwicklung in den siebziger Jahren bewiesen habe

Hohe Priorität besitzt in der neuen amerikanischen Außenpolitik ebenfalls die Stärkung der Allianzsysteme, denen die USA als Mitglied angehören und die in den vergangenen Jahren zunehmendem Verfall ausgesetzt waren. Die Wiedererrichtung der Bündnissolidarität gilt als Vorbedingung für die Beseitigung des militärischen Ungleichgewichts zwischen Ost und West und die Mäßigung des sowjetischen internationalen Verhaltens. Die Konsultation zwischen den Verbündeten soll nicht nur — wie so oft in der Vergangenheit am Beginn neuer Administrationen — rhetorisch beschworen, sondern faktisch verbessert werden und zu gemeinsamen politischen Strategien und Aktionen führen. Dabei denkt man in Washington natürlich vor allem an die NATO, aber auch an andere Vereinigungen, wie die ASEAN-Gruppe oder das pazifische Bündnis i der USA mit Australien und Neuseeland (AN-I ZUS), wie Reisen und Besprechungen Außen-

minister Haigs Mitte Juni 1981 gezeigt haben und sogar an Einrichtungen wie den „Weltwirtschaftsgipfel“, der seit seinem ersten Treffen im November 1975 in Rambouillet jährlich einmal getagt hat, zuletzt im Juli 1981 in Otta wa. Eine Zusammenfassung aller westlich orientierten Kräfte und ihre Ausrichtung aut gemeinsame Ziele soll die eigene Position stärken und es ermöglichen, der Herausforde-rung des sowjetischen Expansionismus, der Folgen regionaler Instabilität und den Pro: blemen wirtschaftlicher Interdependenz zu begegnen

über die Alliierten hinaus sollen auch jene Freunde der USA gestärkt werden, die nicht iri Bündnisse eingebunden sind. Notwendig er scheint dies im Augenblick vor allem im Nas hen und Mittleren Osten, der besonders instas bil und daher für Krisenentwicklungen anfäli lig ist. Dieser Aspekt der neuen amerikanü sehen Außenpolitik betrifft deshalb zur Zeit iii erster Linie Israel, Ägypten, Saudi-Arabier und Pakistan, gilt aber als Leitlinie amerikanü sehen Verhaltens auch für andere Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika. Stärkung meint politische ebenso wie wirtschaftliche und militärische Unterstützung, wobei das Schwergewicht bisher auf Waffenlieferungen liegt, die schnell zu realisieren sind und unmittelbare Wirkung im amerikanischen Interesse versprechen.

Der Dritten Welt als dem unterentwickelten Bereich, der umfassendere Hilfe von Seiten der fortgeschrittenen Industrieländer bedarf, wird schließlich unter Reagan erheblich weniger Aufmerksamkeit gewidmet als während der Carter-Administration, in der sogar die Überzeugung vorherrschte, der Nord-Süd-Konflikt habe den Ost-West-Konflikt an Bedeutung überholt. Dieses Urteil wurde revidiert. Man erkennt allerdings, daß in den Entwicklungsländern aufgrund schwerwiegender wirtschaftlicher und politischer Probleme die Möglichkeiten zur Einflußnahme für die Sowjetunion und ihre Verbündeten besonders groß sind. Die USA möchten dieser Gefahr begegnen, indem sie, wie Außenminister Haig erklärte, „zeigen, daß Freunde der Vereinigten Staaten von dieser Freundschaft profitieren, sogar im Angesicht sowjetisch unterstützter Intervention"

Die Richtung der neuen amerikanischen Politik ist also festgelegt; ihre Hauptziele — Stärkung des Westens und Eindämmung der Sowjetunion — sind nicht debattierbar. Aber bei der bevorstehenden Implementierung dieser Politik fällt Westeuropa eine wichtige Rolle zu, die Raum zur Mitentscheidung schafft. Die USA benötigen die Unterstützung der westeu-

ropäischen Regierungen bei der Vergrößerung der westlichen Verteidigungsfähigkeit, der 'Konsolidierung der NATO, der Stabilisierung der Golf-Region und der Bewältigung der wirtischaftlichen Probleme. Ohne Westeuropa wären die Ziele der amerikanischen Politik nicht erreichbar. Die amerikanische Regierung kann Beispiele geben, wie sie es mit den Beschlüssen zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben und der Änderung ihrer Haltung gegenüber der Sowjetunion getan hat. Aber sie ist nicht mehr, wie vielleicht vor dreißig Jahren, in der Position, eine Pax Americana zu oktroyieren, sondern bedarf der Verbündeten, die ihrerseits prüfen müssen, inwieweit sie sich die amerikanischen Ziele zu eigen machen wollen, taktische Änderungen für not-

wendig halten oder eine unabhängige Politik anstreben wollen. 2. Die Ost-West-Beziehungen und das Verhältnis zur Sowjetunion Die Frage der zukünftigen Entwicklung des Ost-West-Verhältnisses, die auch die Frage der Zukunft der Rüstungskontroll-und Entspannungspolitik einschließt, ist der Bereich, in dem die Meinungen der Westeuropäer und Amerikaner in den vergangenen eineinhalb Jahren besonders weit auseinandergingen Während die USA eine zunehmend härtere Position gegenüber der Sowjetunion einnahmen, versuchten die westeuropäischen Länder, auch nach Afghanistan von der Entspannung so viel wie möglich zu retten und die in langen Jahren mühsamer Verhandlungen im politi durchgesetzten Verbesserungen -schen, wirtschaftlichen und humanitären Bereich zu bewahren. Das überraschende Treffen des französischen Staatspräsidenten Valery Giscard d'Estaing mit Leonid Breshnew in Warschau kurz nach der Afghanistan-Intervention und die (allerdings schon vor Afghanistan geplante) Reise Bundeskanzler Helmut Schmidts nach Moskau wenig später waren Beispiele für diesen Versuch, der in den USA wenig Beifall fand Mit dem Antritt der Reagan-Administration hat sich diese Frage so weit zugespitzt, daß es gelegentlich scheint, als hätten die Westeuropäer nur noch die Wahl, ihre Politik zu ändern und auf die amerikanische Linie einzuschwenken oder einen offenen Bruch mit den USA zu riskieren.

Dieser Eindruck ist zutreffend. Wenn damit gleichzeitig unterstellt wird, die Westeuropäer seien bedingungslose Entspannungsbefürworter und die Amerikaner bedingungslose Kalte Krieger, wird das Bild jedoch grotesk verzerrt. Weder wollen die Westeuropäer eine Politik einseitiger Zugeständnisse im Rahmen einer falsch verstandenen Entspannung; vielmehr bekennen sie sich seit dem Harmel-Bericht vom Dezember 1967 zu einer Politik der Ausgewogenheit, die militärische Sicherheit und politische Entspannung auf der Basis von Stabilität und Gleichgewicht als Einheit betrachtet. Noch wollen die Amerikaner eine Rückkehr zum Kalten Krieg mit Wettrüsten, Wirtschaftsembargo und politischer und ideologischer Konfrontation; vielmehr streben sie die Wiederherstellung des auch von den Westeuropäern befürworteten Ost-West-

Gleichgewichts an, das in den siebziger Jahren zunehmend verlorengegangen ist, um danach die Verhandlungen mit der Sowjetunion auf der Basis der Gleichheit wieder aufnehmen zu können.

Die Unterschiede zwischen den USA und Westeuropa liegen im taktischen Vorgehen;

sie müßten deshalb überwindbar sein. Im wesentlichen beziehen sie sich auf drei Komplexe: a) TNF-Modernisierung und Rüstungskontrolle Die Modernisierung der nuklearen Mittelstreckenkapazität (Tactical Nuclear Force, TNF) in Westeuropa ist durch Bau des -den so wjetischen Backfire-Bombers und die Ersetzung SS-4-und sowjetischer SS-5-Raketen durch zielgenauere, bewegliche und außerdem mit Mehrfachgefechtsköpfen ausgestattete SS-20-Raketen erforderlich geworden Der NATO-Beschluß vom 12. Dezember 1979 hat den Weg dafür freigemacht. Streit ist in Westeuropa jedoch darüber entbrannt, ob die TNF-Modernisierung auch dann durchgeführt werden sollte, wenn die USA unter Reagan sich dem zweiten Teil des Doppelbeschlusses — der Aufnahme von Verhandlungen mit der Sowjetunion über die Begrenzung landgestützter nuklearer Mittelstreckenraketen — widersetzen oder die Verhandlungen verzögern bzw. obstrurieren sollten. A Tatsächlich ist die Reagan-Administration zu solchen Verhandlungen bereit, wie Bundeskanzler Schmidt bei seinen Gesprächen mit Präsident Reagan am 21. /22. Mai 1981 in Washington noch einmal versichert wurde Diese Bereitschaft wurde in einem Brief Reagans an Schmidt bestätigt, den letzterer unmittelbar vor dem Beginn des Wirtschaftsgipfeltreffens in Ottawa erhielt. Erste Kontakte mit Moskau über diese Frage haben bereits stattgefunden und werden Ende dieses Jahres voraussichtlich in Vorverhandlungen einmünden. Der stellvertretende amerikanische Außenminister für europäische Angelegenheiten, Lawrence S. Eagleburger, teilte Mitte Juni 1981 auf einem europäisch-amerikanischen Workshop über Sicherheitsfrager den versammelten Parlamentariern und Militär-

und Abrüstungsspezialisten verschiedener NATO-Länder mit, die USA suchten das Gespräch mit Moskau über die nuklearen Mittelstreckenraketen, und wenn die Gespräche fehlschlügen, dann deshalb, weil die Russen nicht gewillt seien, ihre „absolute Vorherrschaft im kritischen Bereich der nuklearen Mittelstreckenwaffen" aufzugeben

Da nicht abzusehen ist, ob die Sowjetunion außer zu Verhandlungen auch zu Zugeständnissen bereit ist, die einen erfolgreichen Abschluß der Gespräche erlauben, ist die Gefahr eines Scheiterns selbst bei gutem Willen der Amerikaner nicht auszuschließen. In diesem Fall würde das Mißtrauen in die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Entspannungsbereitschaft in Westeuropa aber sicher wieder wachsen und die Durchführung des Nachrüstungsbeschlusses erschweren. Die USA könnten dem begegnen, indem sie nicht nur im TNF-Bereich, wo sie unter dem Druck der Westeuropäer stehen, sondern auf allen Ebenen der Rüstungskontrollpolitik — also auch bei SALT — dokumentieren, daß Stärkung des Westens nur ein Teil der neuen amerikanisehen Strategie ist, die verantwortungsbewuß-te Suche nach einem Ausgleich mit Moskau aber ein anderer, und daß beide Teile tatsächlieh zusammengehören. Sofern dies rechtzei-i tig geschieht, würde dies es den westeuropäi-i sehen Regierungen erleichtern, im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen die TNF-Ent-i Scheidung trotz starken innenpolitischen Wi-i derstandes in ihren Ländern durchzusetzen. Die Westeuropäer ihrerseits müssen bedenken, daß der TNF-Modernisierung in den USA neben der militärischen Bedeutung auch ein hoher Signalwert beigemessen wird Dei stellvertretende Außenminister Eagleburger erklärte dazu, der Westen würde bei einer Zurücknahme des Nachrüstungsbeschlusses seine Glaubwürdigkeit gegenüber der Sowjet! union verlieren, der man damit demonstrie ren würde, „daß sie ein Veto über NATO-. Rüstungsentscheidungen" habe. Außerdem würde man bei vielen Amerikanern Zweife entstehen lassen, die nicht verstehen würden; warum die Verbündeten „weniger für ihre Si cherheit zu tun bereit sind als die Vereinigter Staaten“. Am schlimmsten aber: „Wir alle wä ren zutiefst verunsichert über unsere künftige Fähigkeit, schwierige Entscheidungen gemeinsam zu tragen." b) Erhöhung der Verteidigungsausgaben Die neue amerikanische Ost-West-Strategie hält eine deutliche Anhebung der Verteidigungsausgaben der westlichen Länder für unbedingt erforderlich, um der sowjetischen Rüstungsexpansion begegnen zu können. Schätzungen in den USA besagen, daß der Anteil der Militärausgaben am Bruttosozialprodukt in der Sowjetunion von 12— 13 Prozent im Jahre 1970 auf etwa 18 Prozent 1980 gestiegen ist In den USA betrug der Anteil 1979 5, 2 Prozent Nach Angaben des Pentagon soll die Sowjetunion seit 1970 etwa 240 Milliarden Dollar mehr für Rüstung ausgegeben haben als die USA Die Reagan-Administration hat daher für den Zeitraum von 1981 bis 1986 Verteidigungs-Mehrausgaben — zusätzlich zu den zuletzt unter Präsident Carter geplanten — in Höhe von 169, 5 Milliarden Dollar beschlossen -Insgesamt belaufen sich die Verteidigungsausgaben in den USA in diesem Zeitraum damit auf 1, 5 Billionen Dollar. Dies entspricht einer Ausweitung des amerikanischen Verteidigungshaushaltes um 158 Prozent bis 1986 gegenüber 1980

Kritiker bezweifeln allerdings, daß sich das Programm in vollem Umfang finanzieren lassen wird. In jedem Fall ist eine solche enorme Verteidigungsanstrengung nur durch eine Umverteilung des Gesamthaushalts zu Lasten des sozialen Bereichs möglich und für die amerikanischen Bürger mit empfindlichen Einbußen öffentlicher Leistungen verbunden. Es ist deshalb verständlich, daß die USA darauf drängen, daß auch die Verbündeten ihre Militärausgaben erhöhen, um eine gerechtere Lastenverteilung zu erreichen.

Der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttosozialprodukt betrug 1979 in der Bundesrepublik 3, 3 Prozent, in Italien 2, 4 Prozent und in Japan sogar nur 0, 9 Prozent; Großbritannien mit 4, 9 Prozent und Frankreich mit 3, 9

Prozent schnitten noch am besten ab Würden alle NATO-Verbündeten und Japan ihre Militärausgaben auf einen Anteil von etwa fünf Prozent anheben, hätte dies eine Steigerung um 36 Prozent oder 67, 6 Milliarden Dollar zur Folge Sicherlich sind Verteidigungsausgaben — ob in Prozenten oder absoluten Beträgen — nicht das alleinige Kriterium für Sicherheit. Aber es wird den Verbündeten schwerfallen, sich den amerikanischen Argumenten auf Dauer ganz zu entziehen. c) Verhalten gegenüber Polen Eine Zerschlagung der polnischen Reformbewegung durch eine sowjetische Invasion hätte für die Polen wie für das Ost-West-Verhältnis Folgen, deren Ausmaß kaum hoch genug veranschlagt werden kann Nur Mäßigung aller Beteiligten — der polnischen Reformer, der sowjetischen Kritiker und der westlichen Beobachter — wird die Entwicklung auf eine Weise verlaufen lassen, die Gewaltaktionen ausschließt und eine Fortsetzung des Ost-West-Dialogs erlaubt.

Die USA haben die Sowjetunion wiederholt vor einer Invasion gewarnt und dabei einen Ton gewählt, der manchen Westeuropäern als zu scharf erschien. Auf beiden Seiten des Atlantik besteht jedoch Übereinstimmung, daß eine sowjetische Invasion in Polen das internationale Klima fundamental verändern und auf lange Zeit jeglichen Fortschritt in den Ost-West-Beziehungen unmöglich machen würde 3. Die Krise im Mittleren Osten Der zweite wichtige Gegenstand der amerikanischen Außenpolitik — neben der Frage der Ost-West-Beziehungen — ist der Mittlere Osten, dessen Stabilität gegenwärtig im umgekehrten Verhältnis zu seiner politischen und wirtschaftlichen Bedeutung steht. Das wirtschaftliche überleben der westlichen Industrieländer ist von Öleinfuhren aus diesem Raum abhängig. Die USA bezogen 1979 zwar nur noch 11 Prozent ihres Erdöls von dort, Westeuropa jedoch 55 Prozent und Japan sogar 78 Prozent Der politische Umbruch, in dem sich dieses Gebiet befindet, bedroht nicht nur den Fluß des Erdöls, sondern auch den Weltfrieden, weil die regionale Instabilität Großmachtinteressen berührt und mit Interventionismus einhergeht, der die Gefahr der Eskalation in sich birgt.

Vier Konflikte haben im vergangenen Jahrzehnt die politischen Bedingungen dieses Raumes verändert und die gegenwärtige Verwirrung heraufbeschworen:

— das „traditionelle" Nahost-Problem zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn, das seit 1947 zu mehreren Kriegen führte, dessen letzter — der Yom-Kippur-Krieg im Oktober 1973 — die erste Ölkrise auslöste (eine Nebenfolge dieses Konflikts war die Zerrüttung des Libanon und seine teilweise Besetzung durch syrische Truppen);

— die iranische Revolution 1978/79 und die Vertreibung des Schah, mit dem die USA ihren „Protektor" am Persischen Golf und ihren Einfluß im Iran verloren, den sie als regionale Vormacht zur Sicherung westlicher Interessen betrachtet und entsprechend mit Waffen ausgerüstet hatten (die Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran und Geiselnahme der Botschaftsangehörigen am 12. November 1979 — wenige Wochen vor dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan — verstärkten das Bewußtsein dieses Verlustes und demonstrierten die neue Machtlosigkeit der USA, die völlig im Gegensatz zum vorherigen Einfluß stand);

— der Umsturz in Afghanistan im April 1978 und die sowjetische Invasion im Dezember 1979;

— der iranisch-irakische Krieg, der Ende 1980 begann und einen Teil der Ölversorgung lahmlegte.

Außer der Tatsache einer allgemeinen Destabilisierung der Region gab es zwischen diesen Konflikten auch konkrete Verbindungen.

Nachdem die USA im Yom-Kippur-Krieg Israel vor der Vernichtung der in Suez eingekesselten 3. ägyptischen Armee zum Waffenstillstand überredet (wenn nicht gezwungen) hatten, gelang es einer geschickten amerikanischen Diplomatie, Israel und Ägypten zur Annäherung und im September 1978 zur Unterzeichnung der Vereinbarungen von Camp David zu bewegen, die den israelisch-ägyptischen Konflikt beenden sollen Der diplomatisches Akt hatte zur Folge, daß die Sowjetunion ihren Einfluß in Ägypten, der bereits seit 1972 im Schwinden begriffen war, endgültig verlor und sich nach neuen Stützpunkten in diesem Raum umzusehen begann, womit sie 1976 in Äthiopien, im April 1978 in Afghanistan und:

im Juni 1978 im Süd-Jemen Erfolg hatte. Die;

USA nahmen dies hin, da sie mit Ägypten, dem:

Iran und Saudi-Arabien auf genügend Optionen rechnen konnten und die sowjetischem Zugewinne alles andere als verläßlich schienen. Die islamische Revolution im Iran und die Besetzung Afghanistans durch sowjetische Truppen änderten diese Konstellation grundlegend. Die anti-modernistische, anti-westliche islamische Bewegung im Iran beendete nicht nur die amerikanische Präsenz, sondern sie ließ auch entsprechende Nachfolge-Bewegungen in anderen islamischen Ländern — vor al-

lern in Saudi-Arabien und den übrigen Anrai-

nern des Persischen Golfes — befürchten. Und das Ausgreifen der Sowjetunion nach Afghanistan verschaffte Moskau einen direkten Zu-:

gang zum Krisengebiet der Golf-Region, der den USA nach der Entwicklung im Iran versagt war.

Noch 1980 begannen die USA daher mit der Ausarbeitung und Durchführung einer neuen Strategie für den Mittleren Osten, die umfassende Militärhilfe für Saudi-Arabien, Ägypten und Pakistan sowie den Aufbau einer Rapid Deployment Force zum Schutz der amerikanisehen Interessen vorsieht Die Beteiligung der USA an einer internationalen Streitmachti im Sinai ist Bestandteil der Camp-David-Ver einbarungen; die Truppen werden nicht de;

Rapid Deployment Force zugeordnet, sine aber natürlich trotzdem auf die künftige mili tärische Präsenz der USA in diesem Raum an zurechnen. Inzwischen werden bereits die Rollbahnen der von den USA benutzten Militärbasis der britischen Insel Diego Garcia im Indischen Ozean verlängert, um sie für B-52-

Bomber tauglich zu machen, und die Häfen von Mombasa in Kenia und Barbara in Somalia ausgebaut, die der Stationierung und Versorgung amerikanischer Kriegsschiffe dienen sollen. Das gesamte Programm der Rapid Deployment Force wird 300 000 Mann umfassen, die nicht notwendigerweise alle im Mittleren Osten — dem derzeit wahrscheinlichsten Operationsgebiet — stationiert sein müssen, aber in der Lage sein sollen, den Einsatzraum binnen kurzer Zeit unter Einschluß der für einen längeren Verbleib notwendigen Ausrüstung und Versorgungseinrichtungen zu erreichen

Die politischen und materiellen Lasten dieses Programms sind beträchtlich. Da die USA davon ausgehen, hierbei nicht nur amerikanische, sonderen gesamtwestliche Interessen zu vertreten, rechnen sie auf die Unterstützung der Verbündeten. Die westeuropäischen Länder und Japan scheuen jedoch vor einem militärischen Engagement zurück (was zumindest im Falle Japans und der Bundesrepublik im Blick auf die jüngste Vergangenheit beider Länder in den USA auch weiterhin, wenngleich nicht durchgängig verstanden wird) und halten überdies die amerikanische Betrachtung für einseitig, da sie die politischen und wirtschaftlichen Aspekte vernachlässige und nur auf militärische Lösungen ausgerichtet sei — was wiederum die Amerikaner für eine typische Rechtfertigung der Westeuropäer und Japaner halten, nichts zu tun.

Ein Konflikt zwischen den USA und Westeuropa in dieser Frage ist also nicht ausgeschlossen. Die Abhängigkeit vom arabischen öl macht die Position Westeuropas besonders schwierig: Da lebenswichtige wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel stehen, sehen die westeuropäischen Regierungen die Notwendigkeit, sich an der Suche nach Lösungen für den Mittleren Osten zu beteiligen, womit sie zugleich dem Drängen der USA entgegenkommen würden; auf der anderen Seite könnte ein zu starkes Engagement bei einem Fehlschlag der Politik jedoch zu einer Sperrung des Ölflusses führen und damit gerade das bewirken, was zu vermeiden Ziel aller Bemühungen sein muß. Nur eine langfristige Reduzierung der Abhängigkeit vom arabischen öl kann Westeuropa von diesem Dilemma befreien. Bis dahin wird jede Entscheidung in dieser Frage die Wahl zwischen zwei Übeln sein. 4. Wirtschaftliche Probleme und Belastungen Die weltwirtschaftlichen und bilateralen ökonomischen Probleme zwischen den USA und Westeuropa sind so komplex, daß sie im Rahmen dieses Beitrages nur angedeutet werden können

Das Hauptproblem ist gegenwärtig die Strukturkrise der Weltwirtschaft, deren wichtigste Ursache die steigenden Zahlungsbilanzüberschüsse der OPEC-Staaten (1980 über 100 Milliarden Dollar sind. Sie bewirken Rezession, Arbeitslosigkeit und Zahlungsbilanzschwierigkeiten in den Industrieländern und hoffnungslose Verschuldung und ruinösen wirtschaftlichen Verfall in den Entwicklungsländern, deren Leistungsbilanzdefizit in diesem Jahr 70 Milliarden Dollar betragen wird und in denen die 1980 empfangene Entwicklungshilfe in Höhe von 23 Milliarden Dollar allein durch die von 1979 auf 1980 um fast 24 Milliarden Dollar gestiegene Ölrechnung aufgezehrt wurde Eine Beruhigung der Ölpreisentwicklung, die Umstellung auf energie-und rohstoffsparende Produktion und die Erschließung alternativer Energiequellen sowie eine verantwortungsbewußte Abstimmung zwischen Ölexporteuren, Industriestaaten und Entwicklungsländern über die künftige Struktur der Weltwirtschaft ist dringend erforderlich, wobei den USA, Japan und Westeuropa als den größten Energieverbrauchern eine besondere Rolle und Verantwortung zufällt. Die Verminderung der Öleinfuhren ist in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung. Die USA werden in den nächsten fünf Jahren eine halbe Billion — 500 Milliarden — Dollar für Ölimporte ausgeben. Anders als die westeuropäischen Regierungen, die in unterschiedlichem Umfang Staatsinterventionis-mus befürworten, möchte die Reagan-Administration dieses Problem durch eine Politik des „decontrol" der Regelung durch den Marktmechanismus überlassen. Kritiker befürchten daher, daß in dieser Administration das Bewußtsein der Notwendigkeit entschiedener Maßnahmen zur Selbstversorgung und zur Verringerung der Abhängigkeit von ausländischem öl — vom öl überhaupt — gering ist Die gegenwärtige amerikanische Regierung scheint jedenfalls von der westeuropäischen Position noch weiter entfernt als die Carter-Administration

Ein weiterer Streitpunkt zwischen den USA und Westeuropa sind die hohen amerikanischen Zinssätze, die seit Ende 1980 mit nur geringen Schwankungen bei 20 Prozent liegen und den Wechselkurs des Dollar gegenüber dem japanischen Yen und den westeuropäisehen Währungen erheblich haben ansteigen lassen. Die Stärke des Dollar führt inzwischen in Westeuropa bereits zu Zahlungsbilanz-schwierigkeiten und zur Verschärfung der Rezession. Die von der Reagan-Administration im ersten halben Jahr ihrer Amtszeit getroffenen Budget-und Steuerentscheidungen werden nicht dazu beitragen, die Liquidität auf dem amerikanischen Geldmarkt zu erhöhen, sondern im Gegenteil durch die Ankurbelung der Konjunktur eine Phase weiterer Verknappung einleiten. Bundeskanzler Schmidt hat dieses Problem bei seinem Treffen mit Präsident Reagan im Mai 1981 erörtert, ohne die USA jedoch vorerst zu einer Änderung ihrer Politik bewegen zu können Der Wirtschafts-und Währungsbereich wird daher auch weiterhin eine Quelle für Konflikte zwischen den USA und Westeuropa sein.

III. Neue Atlantische Partnerschaft oder neuer Konflikt?

Was ist angesichts der skizzierten Veränderungen im amerikanisch-westeuropäischen Verhältnis und der bevorstehenden schwierigen politischen und wirtschaftlichen Aufgaben zu tun?

Zunächst: Es ist eine Tatsache, daß die USA zwar über eine neue, zur weltpolitischen Führung entschlossene Administration verfügen, aber mittlerweile zu schwach sind, die damit verbundenen Lasten allein zu tragen, und daß Westeuropa inzwischen zu stark ist, um — wie in den fünfziger und sechziger Jahren — wenig mehr als ein Instrument amerikanischer Politik zu sein, aber zu einer eigenständigen weltpolitischen Rolle noch nicht imstande ist. Ein Ausweg aus diesem doppelten Problem ist nur durch enge Zusammenarbeit im Rahmen einer neuen Atlantischen Partnerschaft zu erwarten, die auf beiden Seiten durch Verläßlichkeit und das Bewußtsein gemeinsamer Ziele und Verantwortung gekennzeichnet sein muß

Dies ist allerdings leichter dahingeschrieben, als in der politischen und ökonomischen Wirklichkeit unterschiedlicher oder sogar gegensätzlicher Interessen praktiziert. Dieser Beitrag hat jedoch zu zeigen versucht, daß die USA und Westeuropa nach einem Jahrzehnt vielfältiger Umschichtungen und westlicher Schwäche am Beginn einer neuen Ära der Gemeinsamkeit stehen könnten, sofern beiderseits des Atlantiks realpolitische Vernünftigkeit regiert. Die Dringlichkeit der Wiederherstellung eines ausgewogenen Ost-West-Ver-hältnisses, der Stabilisierung regionaler Konfliktzonen und der Bewältigung globaler und bilateraler wirtschaftlicher Fragen sollte hinreichenden Anreiz bieten, diese Gemeinsamkeit tatsächlich anzustreben.

Die beiden Treffen Bundeskanzler Helmut Schmidts mit Präsident Ronald Reagan im Dezember 1980 und Mai 1981, die vorsichtige amerikanische Reaktion auf die Wahl des Sozialisten Francois Mitterrand zum französischen Staatspräsidenten und auf die anschließende kommunistische Regierungsbeteili gung in Frankreich sowie erste Äußerunger des neuen französischen Außenministers Claude Cheysson zeigen, daß man sich auf der politischen Ebene auch bereits um eine in den vorhergehenden Jahren oftmals vernachlässigte Abstimmung bemüht.

Es ist zu hoffen, daß dieses Bemühen nicht in seinen Anfängen steckenbleibt oder neuen Auseinandersetzungen weicht, von denen sich weder die USA noch Westeuropa einen Nutzen versprechen könnten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Sheldon S. Wolin, Reagan Country, in: The New York Review of Books, 18. Dezember 1980, S. 9 ff.

  2. Einzelheiten in: Excerpts From a White House , Fact Sheet'Describing the Economic Program, in: The New York Times, 19. Februar 1981.

  3. Vgl. Arnaud de Borchgrave und Michael Ledeen, An Interview with Alexander Haig, in: The New Republic, 7. Februar 1981, S. 18 ff.

  4. Ein Beispiel hierfür war die amerikanische Reaktion auf die Rede Leonid I. Breschnews vor dem XXVI. Parteitag der KPdSU am 23. Februar 1981, in der er die sowjetische Bereitschaft zur Fortsetzung der Rüstungskontrollverhandlungen und zur Verbesserung der Beziehungen mit den USA erklärte! Vgl. Excerpts From Address by Brezhnev to the So-viet Communist Party Congress, in: The New York Times, 24. Februar 1981. Zur amerikanischen Ant-wort vgl. The New York Times, 25. Februar 1981, so-) wie An Interview with Haig, in: Time, 16. März 1981, S. 25.

  5. Grundlegend bei der Formulierung dieser Position war der Beitrag von Jeane Kirkpatrick, Dictatorships and Double Standards, in: Commentary, November 1979, S. 34 ff. Kritisch dazu Tom J. Farer, Reagan s Latin America, in: The New York Review of Books, 19. März 1981, S. lOff.

  6. Vgl. Europa-Archiv 2/1980, S. D 35 ff.

  7. Vgl. Europa-Archiv 4/1980, S. Z 39.

  8. Den Versuch einer abschließenden Bilanz und Würdigung der Außenpolitik Carters nach dem Ende seiner Präsidentschaft unternahm Stanley Hoffmann, Requiem, in: Foreign Policy, Nr. 42, Frühjahr 1981, S. 3 ff.

  9. Vgl. Andre Fontaine, Transatlantic Doubts and Dreams, in: Foreign Affairs, Vol. 59, Nr. 3, 1981, S. 578 ff.

  10. The New York Times, 14. November 1979.

  11. Zum Beispiel von William Pfaff, in: The New Yorker, 1. September 1980, S. 30 ff. Aber auch Außenminister Haig erklärte noch im Februar 1981: „The whole world is in fact NATO's concern." Vgl. Borchgrave/Ledeen, a. a. O. (s. Anm. 3), S. 20.

  12. Vgl. Theodore Draper, The Western Misal-, liance, in: The Washington Quarterly, Vol. 4, Nr. 1, 1 Winter 1981, S. 13ff., hier bes. S. 15f.

  13. Ebenda, S. 17.

  14. Zu Hintergrund und Problematik der Entwicklung in Shaba vgl. Peter Mangold, Shaba I and Shaba II, in: Survival, 21. Jg. (1979), H. 3 (Mai/Juni), S. 10711.

  15. Vgl. W. R. Smyser, German-American Relations, The Washington Papers Nr. 74, Beverly Hills und London 1980, sowie Fritz Stern, Germany in a Semi-Gaullist Europe, in: Foreign Affairs, Vol. 58, Nr. 4, 1980, S. 867 ff.

  16. Vgl. James O. Goldsborough, The New Entente Cordiale, in: The New York Times Magazine, 26. August 1979, S. 15 ff.

  17. Vgl. Stanley Hoffmann, Primacy or World Order. American Foreign Policy since the Cold War, New York u. a. 1978.

  18. Vgl. ebenda, bes. S. 33 ff.

  19. Vgl. World Armaments and Disarmament. SIPRI Yearbook 1974, Stockholm u. a. 1974, S. 209, sowie The International Institute for Strategie Studies, The Military Balance 1980— 1981, London 1980, S. 96.

  20. Vgl. The International Institute for Strategie Studies, The Military Balance 1979— 1980, London 1979, S. 92.

  21. Vgl. ebenda, S. 96.

  22. Vgl. z. B. Raymond Aron, From Yankee Imperi-alism to Russian Hegemony?, in: Encounter, August 1979.

  23. Zu diesem außergewöhnlich komplexen Problem sowjetischen Verhaltens vgl. Robert Legvold, Containment Without Confrontation, in: Foreign Policy, Nr. 40, Herbst 1980, S. 74ff.

  24. Vgl. Inaugural Address of President Ronald Reagan, in: Weekly Compilation of Presidential Do-: cuments, Vol. 17, Nr. 4, Washington, D. C., 26. Januar

  25. Kritisch dazu Stanley Hoffmann, The New Orthodoxy, in: The New York Review of Books, 16. April 1981, S. 22 ff., sowie Michael M. Harrison, Reagans World, in: Foreign Policy, Nr. 43, Sommer 1981. S. 3ff.

  26. Vgl. Address by Secretary Haig before the American Society of Newspaper Editors in Washington, 0. C., 24. April 1981: A New Direction in U. S. For-eign Policy, in: Current Policy, Nr. 275, United States Department of State, Bureau of Public Affairs, Washington, D. C. o. J. (1981), S. 2.

  27. Vgl. ebenda, S. 3.

  28. Besonders umfassend in der Umgebung der Zeitschrift der Neokonservativen, Commentary, und ihrem Herausgeber Norman Podhoretz, dessen Buch The Present Danger. „Do we have the will to reverse the decline of American power?", New York 1980, als frühe außenpolitische Programmschrift gelten kann.

  29. Anstelle des Begriffs „to contain" wird im Amerikanischen die Bezeichnung „to restrain" gewählt.

  30. Address by Secretary Haig, a. a. O. (s. Anm. 32), S. 2.

  31. Vgl. ebenda.

  32. Vgl. ebenda. Eine Analyse dieses Aspektes de neuen amerikanischen Außenpolitik unternimm Dimitri K. Simes, Disciplining Soviet Power, in: For eign Policy, Nr. 43, Sommer 1981, S. 33 ff.

  33. Vgl. Address by Secretary Haig, a. a. O (s. Anm. 32), S. 2 f.

  34. Ebenda, S. 3.

  35. Vgl. Robert G. Kaiser, U. S. -Soviet Relations: Goodbye to Dtente, in: Foreign Affairs, Vol. 59, Nr. 3, 1980, S. 500f., Stanley Hoffmann, The Crisis in the West, in: The New York Review of Books, 17. Juli 1980, S. 41ff„ sowie Josef Joffe, European-American Relations: The Enduring Crisis, in: Foreign Affairs, Vol. 59, Nr. 4, 1981, S. 835 ff.

  36. Vgl. Fontaine, a. a. O. (s. Anm. 9), S. 579 ff.

  37. Vgl. Raymond L. Garthoff, The TNF Tangle, in: Foreign Policy, Nr. 41, Winter 1980— 81, S. 82 ff., sowie Pierre Lellouche, Europe and Her Defense, in: Foreign Affairs, Vol. 59, Nr. 4, 1981, S. 822 f.

  38. Vgl. Excerpts From a Statement on Reagan and Schmidt Discussions, in: The New York Times, 23. Mai 1981.

  39. The New York Times, 20. Juni 1981.

  40. Vgl. William G. Hyland, The Atlantic Crisis, in Daedalus, Vol. 110, Nr. 1, Winter 1981, S. 41 ff.

  41. The New York Times, 20. Juni 1981.

  42. Vgl. William T. Lee, Soviet Defense Expenditures in the Era of SALT, United States Strategie Institute Report 79— 1, Washington, D. C. 1979, S. lOL

  43. Vgl. The Military Balance 1980— 1981, a. a. O. (s. Anm. 25), S. 96.

  44. Vgl. U. S. News & World Report, 16. Februar 1981, 5. 34.

  45. Zahlenangabe ermittelt nach: Excerpts From a White House , Fact Sheet', a. a. O. (s. Anm. 2).

  46. Vgl. A Bonanza for Defense, in: Time, 16. März 1981, S. 31.

  47. Vgl. The Military Balance 1980- 1981, a. a. O. (s. Anm. 25), S. 96.

  48. Barry R. Posen und Stephen W. Van Evera, Overarming and Underwhelming, in: Foreign Policy, Nr. 40, Herbst 1980, S. 101.

  49. Zu den Hintergründen der polnischen Entwicklung und möglichen Folgen einer Invasion vgl. Seweryn Bialer, Poland and the Soviet Imperium, in: Foreign Affairs, Vol. 59, Nr. 3, 1981, S. 522ff„ sowie Tadeusz Szafar, Resolving the Polish Dilemma. Bet-ween Political Emergencies and Ideological Limits, in: Encounter, Mai 1981, S. 41 ff.

  50. Vgl. z. B. Excerpts From a Statement on Reagan and Schmidt Discussions (am 21. /22. Mai 1981 in Washington), a. a. O. (s. Anm. 44). Dort heißt es wörtlich: „Der Präsident und der Bundeskanzler bekräftigten unmißverständlich ihre Auffassung, daß jede äußere Intervention die schwerwiegendsten Folgen für die internationalen Beziehungen haben und die gesamte internationale Lage fundamental verändern würde."

  51. Zahlenangaben nach J. C. Hurewitz, The Middle East: A Year of Turmoil, in: Foreign Affairs, Vol. 59, Nr. 3, 1981, S. 554.

  52. Eine Bilanz der Camp-David-Entwicklung zieh; Hermann Frederick Eilts, Improve The Framework! in: Foreign Policy, Nr. 41, Winter 1980— 81, S. 3ff.

  53. Vgl. Elliot Royce, Building the R. D. F., in: Har vard International Review, Vol. 3, Nr. 6, März 1981 S. 14 ff., sowie Kenneth N. Waltz, A Strategy for the Rapid Deployment Force, in: International Security Vol. 5, Nr. 4, Frühjahr 1981, S. 49ff.

  54. Bisher ist dieses Ziel noch bei weitem nicht erreicht. Ende 1980 war die Rapid Deployment Force entsprechend einer Veröffentlichung des Congres-sional Budget Office zwar in der Lage, innerhalb von 16 Tagen 49 200 Mann in die Golf-Region zu verlegen, doch am 9. Tag der Operation würden sich erst 14 200 Mann im Einsatzgebiet befinden. Vgl. The New York Times, 23. Februar 1981.

  55. Überblicke bieten Anton W. DePorte, Europe between the Superpowers. The Enduring Balance, New Haven und London 1979, S. 196 ff., sowie aktuell Harold van B. Cleveland und Ramachandra Bhagavatula, The Continuing World Economic Crisis, in: Foreign Affairs, Vol. 59, Nr. 3, 1981, S. 594ff.

  56. Zahlenangabe nach: Helmut Schmidt, A Policy of Reliable Partnership, in: Foreign Affairs, Vol. 59, Nr. 4, 1981, S. 751.

  57. Vgl. ebenda, S. 752.

  58. Vgl. Felix G. Rohatyn, Testimony before the Committee on Ways and Means of the U. S. House of Representatives on March 5, 1981, zit. nach: A Matter of Psychology, in: The New York Review of Books, 16. April 1981, S. 14.

  59. Zur Energieabhängigkeit und Energiesicherung des Westens vgl. Joseph S. Nye, Jr., Energy Nightmares, in: Foreign Policy, Nr. 40, Herbst 1980, S. 132 ff.

  60. Vgl. The New York Times, 23. Mai 1981. Zum wirtschaftlichen West-West-Konflikt vgl. auch Immanuel Wallerstein, Friends as Foes, in: Foreign Policy, Nr. 40, Herbst 1980, S. 119 ff.

  61. Vgl. Schmidt, a. a. O. (s. Anm. 62), S. 743 ff.

  62. Vgl. An Interview with Claude Cheysson, in: Time, 29. Juni 1981, S. 34, sowie Flora Lewis, Franco-American Blinkers, in: The New York Times, 26. Juni 1981.

Weitere Inhalte

Manfred Görtemaker, Dr. phil., geb. 1951, Dipl. -Pol., Research Associate am Center for European Studies der Harvard University, Cambridge/Mass. Veröffentlichungen u. a.: Sicherheit für Europa? Die Konferenz von Helsinki und Genf, Opladen 1974 (zus. mit Wichard Woyke und Klaus Nieder); Die unheilige Allianz. Die Geschichte der Entspannungspolitik 1943— 1979, München 1979; Der gebändigte Kontinent. Verteidigung und Entspannung in Europa. Analyse und Dokumente, Bonn 1979.