Zum Stand der globalen Rüstung Ergebnisse des SIPRI-Jahrbuches 1981 <fussnote> SIPRI = Stockholm International Peace Research Institute (Internationales Stockholmer Institut für Friedensforschung). Der Rang dieser Einrichtung sei durch das folgende Zitat gekennzeichnet: „Das kleine Stockholmer Friedensinstitut — zeitweise haben dort kaum mehr als ein halbes Dutzend Wissenschaftler kontinuierlich gearbeitet — ist mit der regelmäßigen Veröffentlichung des Jahrbuches fast schon in die Rolle eines | APuZ 28/1981 | bpb.de
Zum Stand der globalen Rüstung Ergebnisse des SIPRI-Jahrbuches 1981 <fussnote> SIPRI = Stockholm International Peace Research Institute (Internationales Stockholmer Institut für Friedensforschung). Der Rang dieser Einrichtung sei durch das folgende Zitat gekennzeichnet: „Das kleine Stockholmer Friedensinstitut — zeitweise haben dort kaum mehr als ein halbes Dutzend Wissenschaftler kontinuierlich gearbeitet — ist mit der regelmäßigen Veröffentlichung des Jahrbuches fast schon in die Rolle eines
Frank Barnaby
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Zusammenfassung
Das hier vorgelegte Resümee der Ergebnisse des SIPRI-Jahrbuchs 1981 bietet die wichtigsten Orientierungs-und Eckdaten auf dem Gebiet der weltweiten Militärausgaben, der Waffenproduktion, des Waffenhandels und der Rüstungskontrolle. Ein besonderer Akzent liegt auf den Entwicklungen in Ost und West bei den atomaren Waffen und der Abwehr ballistischer Raketen. Dem Überblick folgt eine Lagebewertung, die wenig Raum für hoffnungsvolle Perspektiven läßt: Bei den geplanten und wahrscheinlichen Steigerungen der Militärhaushalte in den nächsten Jahren muß man damit rechnen, daß sich das Wettrüsten zwischen Ost und West wesentlich beschleunigt. Neue atomare Waffen und Waffensysteme werden entwickelt und stationiert. Einige davon werden die Wahrscheinlichkeit eines nuklearen Weltkriegs erhöhen. Der Trend von den Strategien nuklearer Abschreckung zu praktikablen atomaren Gefechtsstrategien wird weitergehen. Der internationale Waffenhandel, der schon seit geraumer Zeit unkontrollierbar ist, verbreitet die wirksamsten Waffen über die ganze Erde. Immer mehr Staaten der Dritten Welt errichten gewaltige Rüstungsindustrien. Einige dieser Staaten sind schon heute am Waffenexport beteiligt Die Unfähigkeit der heutigen Nuklearmächte, das atomare Wettrüsten zu kontrollieren, fördert die Lieferung von Atomwaffen an Länder, die heute noch keine besitzen. Durch die Beschleunigung des atomaren Wettrüstens wächst die Bedeutung von Abrüstungsverhandlungen in Europa.
Der sowjetisch-amerikanische Rüstungswettlauf ist dabei, wieder einen großen Sprung nach vorn zu machen. Diese neue Spiraldrehung wird die bis heute weitaus gefährlichste sein. Das atomare Wettrüsten könnte der Kontrolle durch die politischen Führer so sehr entgleiten, daß es außerordentlich schwer fallen dürfte, sie jemals wieder unter Kontrolle zu bringen, selbst wenn man den politischen Willen dazu einmal voraussetzt.
Vor allem werden gewaltige Mengen atomarer Waffen stationiert, die für die Abschrekkung nutzlos sind, mit denen man aber einen Atomkrieg führen kann. Außerdem ist die Militärtechnologie dabei, Waffensysteme zu entwickeln, die der Vorstellung Nahrung geben, man könne einen Atomkrieg führen und gewinnen. Die Situation im Mittleren Osten und besonders im Persischen Golf hat die USA und die Sowjetunion sehr nervös gemacht. Die USA zum Beispiel glauben, daß sie einige der dortigen Regime militärisch unterstützen, ja, die westliche Ölversorgung sogar mit militärischen Mitteln verteidigen müßten. Sie stellen deshalb gegenwärtig eine schnelle Eingreiftruppe auf, die in Krisenzeiten zum Unruhe-herd transportiert werden kann. Eine Reihe von Schiffen sind schon jetzt an nahegelegenen Orten, wie Diego Garcia im Indischen Ozean, stationiert, so daß sie schnell in Krisengebiete gelangen können, um dann die aus den USA eingeflogenen Truppen dort zu unterstützen. Die USA sind von der Notwendigkeit einer Nachrüstung überzeugt, um der, wie Washington glaubt, neuen militärischen Übermacht der Sowjetunion begegnen zu können. Die Situation in Polen und Afghanistan hat die Forderungen nach höheren Militärausgaben noch lauter werden lassen. Es kann daher kaum überraschen, daß der amerikanische Militärhaushalt in den nächsten Jahren gewaltig steigen soll.
Nachdem die UdSSR in jeder Hinsicht ein militärisches Gleichgewicht mit dem Westen erreicht hat, wird sie es sich wohl kaum erlauben, wieder ins Hintertreffen zu geraten und nochmals eine Demütigung einzustecken, wie 1962 während der Kuba-Krise. Mit Sicherheit wird daher jeder signifikante Anstieg der amerikanischen Militärausgaben durch eine Erhöhung der sowjetischen Militärausgaben mehr oder weniger wettgemacht werden.
Die Militärausgaben der Dritten Welt hatten in den letzten Jahren hohe Zuwachsraten zu verzeichnen, allerdings von einem relativ niedrigen Niveau aus. Tatsache ist, daß der Anteil der Dritten Welt (ohne China) an den Welt-Rüstungsausgaben in den siebziger Jahren von etwa 4 auf 16 Prozent gestiegen ist Nichts berechtigt zu der Annahme, daß diese Steigerungsrate geringer werden wird. Es ist also zu erwarten, daß die Militärausgaben der Welt in den nächsten Jahren insgesamt rasch ansteigen werden.
Die Militärausgaben weltweit
Viele Jahre lang haben die weltweiten Militär-ausgaben real um etwa 2 Prozent jährlich zugenommen. Nach den SIPRI-Daten sind in der Welt im vergangenen Jahrzehnt für militärische Zwecke rund viertausend Milliarden US-Dollar aufgewendet worden (in Preisen von 1978). Die Welt-Militärausgaben pro Jahr betragen heute mehr als 500 Milliarden US-Dollar.
NATO Die NATO-Staaten haben sich zu einem drei-prozentigen jährlichen realen Wachstum ihrer Militärausgaben verpflichtet, aber die meisten europäischen Staaten (mit Ausnahme von Großbritannien, Luxemburg und Portugal) haben dieses Ziel verfehlt. Laut US-Verteidigungsminister Caspar Weinberger wird der Militärhaushalt der USA dieses Jahr (162 Mil-Eine der Ambitionen Präsident Reagans scheint die alsbaldige Vergrößerung der US-Flotte zu sein. Die Marine hätte gerne 600 Schiffe und 15 Flugzeugträger-Einheiten (d. h. Flugzeugträger, Jets, begleitende Fregatten und Zerstörer) statt der gegenwärtig 530'Schiffe und 12 Flugzeugträger-Einheiten. Die Reagan-Administration wird wohl der Marine ihre Wünsche erfüllen. Alles in allem soll im Haushaltsjahr 1981 die Flotte um 18 Schiffe erweitert werden und noch einmal um 33 neue Schiffe (die „Entmotteten" eingeschlossen) im Jahr 1982.
Warschauer Pakt Auch die Sowjetunion könnte Schwierigkeiten bekommen, wenn sie von ihren Verbündeten fordert, größere Verteidigungslasten zu übernehmen. Das einzige Land des War-schauer Pakts, das überhaupt bereit ist, seine Militärausgaben wesentlich zu erhöhen, ist die DDR. Die Militärausgaben der DDR sind in den letzten drei Jahren, von 1977 bis 1980, real um rund 25 Prozent gestiegen. Die Zahlen für die anderen Warschauer-Pakt-Staaten scheinen in etwa konstant — mit Ausnahme Polens, wo sie zurückgegangen sind. Der Militärhaushalt der UdSSR selbst blei aufgrund der sowjetischen Geheimhaltung fast aller militärischen Angelegenheiten ein Geheimnis. Es gibt zwar eine Schätzung er CIA die behauptet, die sowjetischen Miitirausgaben seien etwa um 50 % höher als die er Vereinigten Staaten; zum andern gibt es o 17 ziehe Zahlen der Sowjets, die besagen, daß die sowjetischen Militärausgaben nur etwa ein Fünftel der amerikanischen betragen. Beide Zahlen bieten keinen glaubwürdigen Ver gleich. Wenn man von etwa gleich großen Waffenarsenalen ausgeht, ist die Annahme, daß beide Staaten etwa gleich viel für ihr Militär ausgeben, die vernünftigste.
China Vom chinesischen Militärhaushalt weiß man ebenfalls keine Einzelheiten, aber die verfügbaren Quellen lassen einen neuen Trend seit 1971 vermuten. Von 1965 bis 1971 sind die chinesischen Militärausgaben schnell gestiegen — schätzungsweise um rund 10 % jährlich. Das war zu der Zeit, als sich die Spannungen mit der Sowjetunion verschärften. Es sieht so aus, als hätte China 1972 seine Militärausgaben drastisch gekürzt. Allem Anschein nach sind sie zwischen 1972 und 1978 nur noch langsam gestiegen — um weniger als 2 % jährlich. 1979 sind sie dann wegen des Konflikts mit Nordvietnam erheblich emporgeschnellt.
Waffenproduktion und Waffenhandel
Abbildung 4
Militärausgaben weltweit von 1949 bis 1980 liarden US-Dollar) real um 12 % höher sein als 1980; 1982 sollen es real 15 % mehr sein als in diesem Jahr. Solche Steigerungen gab es in Friedenszeiten noch nie.
Militärausgaben weltweit von 1949 bis 1980 liarden US-Dollar) real um 12 % höher sein als 1980; 1982 sollen es real 15 % mehr sein als in diesem Jahr. Solche Steigerungen gab es in Friedenszeiten noch nie.
Das SIPRI-Jahrbuch 1981 behandelt auch die Entwicklungen bei der Waffenproduktion und im internationalen Waffenhandel im Verlaufe des letzten Jahrzehnts. In diesem Zeitabschnitt hat der weltweite Handel mit konventionellen Waffen dramatisch zugenommen. Neue Lieferanten und neue Abnehmer sind aufgetaucht, die angebotenen Waffen sind komplizierter und teurer geworden; die Chancen, den Waffenhandel zu kontrollieren, sind noch weiter geschwunden. Der weltweite Waffenhandel ist in jeder Hinsicht außer Kontrolle.
Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es etwa 140 Kriege oder bewaffnete Auseinandersetzungen; annähernd 50 davon in den letzten zehn Jahren. Diese Kriege wurden fast ausnahmslos in der Dritten Welt geführt und, mit wenigen Ausnahmen, mit Waffen aus den Industriestaaten.
Etwa 130 Milliarden US-Dollar werden jährlich in der Welt allein für Waffen ausgegeben. Das Waffengeschäft ist nach dem Ölgeschäft das zweitgrößte der Welt; es beläuft sich auf rund 35 Milliarden Dollar pro Jahr. Die größten Waffenlieferanten sind die USA und die Sowjetunion. Allein diese beiden Staaten haben in den siebziger Jahren etwa 75 % des gesamten Exports schwerer Waffen (Flugzeuge, Raketen, Panzerfahrzeuge und Kriegschiffe) bestritten. Aber der Anteil der anderen Lieferanten wächst ständig. Auf Frankreich, Italien, die Bundesrepublik und Großbritannien entfielen im vergangenen Jahrzehnt etwa 22 % des gesamten Waffenexports. Das ist eine wesentliche Steigerung im Vergleich zu früheren Nachkriegsjahrzehnten.
Ein weiterer neuer Trend ist der deutliche Anstieg der Produktion in und des Exports aus Staaten der Dritten Welt. Durch Lizenzvereinbarungen mit Industriestaaten und verschiedene Formen technologischer Hilfe wurden einige Dritte-Welt-Länder in die Lage versetzt, Waffen im großen Stil zu produzieren, Die führenden Waffenproduzenten der Dritten Welt sind gegenwärtig Israel, Indien, Brasilien, Südafrika und Argentinien.
Heute ist der Beitrag der Dritten Welt zum weltweiten Export von schweren Waffen noch gering. Er beträgt oder 3 %, aber er wächst. Dank relativ geringer Produktionskosten sind schwere Waffen aus Ländern der Dritten Welt für andere Dritte-Welt-Länder besonders attraktiv. Dritte-Welt-Länder (wie Argentinien, Brasilien und Israel) exportieren deshalb ihre Waffen gewöhnlich in andere Länder der Dritten Welt.
Der Hauptteil (etwa 75 %) der Waffen aus den Industriestaaten geht in die Dritte Welt. Die bei weitem umfangreichsten Waffenimportgeschäfte wurden im Mittleren Osten getätigt: 48 % aller Waffenimporte der Dritten Welt in den letzten zehn Jahren entfielen auf dieses Gebiet, in dem die lokalen Konflikte mit den strategischen Interessen der Großmächte und dem Kampf um die Ölreserven dieser Region zusammenfallen. Der Ölreichtum vieler Staaten im Mittleren Osten erleichtert die Anschaffung komplizierter und teurer Waffensysteme. Sechs der acht größten Waffenimportländer der Dritten Welt (im letzten Jahrzehnt) liegen im Mittleren Osten.
Auf den Fernen Osten und Afrika entfielen im letzten Jahrzehnt je etwa 20 % der Waffenimporte der Dritten Welt. Der Waffenimport der afrikanischen Staaten steigt besonders schnell.
Die Entwicklung bei atomaren Waffen und bei der Abwehr von ballistischen Raketen
Abbildung 5
Ferner Osten 10. 4% Süd-Amerika 6, 0% 7, 4% Südasien 4, 9% südliches Afrika 7, 3% Anteile der Hauptwaffenexportländer und der Importländer der Dritten Welt 1977 -1* 980 Mittelamerika 1, 0% * einschließlich der verkauften Lizenzen zur Produktion von Schweren Waffen Quelle: SIPRI China % Welt % Italien 4, 0% Deutschland 3, 0 % 3, 7% Import-
• r_ -—-_ Nordafrika
Ferner Osten 10. 4% Süd-Amerika 6, 0% 7, 4% Südasien 4, 9% südliches Afrika 7, 3% Anteile der Hauptwaffenexportländer und der Importländer der Dritten Welt 1977 -1* 980 Mittelamerika 1, 0% * einschließlich der verkauften Lizenzen zur Produktion von Schweren Waffen Quelle: SIPRI China % Welt % Italien 4, 0% Deutschland 3, 0 % 3, 7% Import-
• r_ -—-_ Nordafrika
Während des Jahres 1980 hat die qualitative Entwicklung einer Reihe strategischer und taktischer atomarer Waffensysteme 2) in den USA und der Sowjetunion weitere Fortschritte gemacht. Diese verbesserten atomaren Waffen erhöhen die Gefahr eines Atomkriegs. Größere Treffsicherheit und eine vermehrte Zahl von Sprengköpfen pro Trägerrakete lassen einen ersten Schlag immer lohnender erscheinen.
Hätte eine Nation außer ihren offensiven Kapazitäten auch noch einen effektiven Schutz vor einem Gegenschlag, so würde ein erster Schlag noch wahrscheinlicher. Das derzeit gesteigerte Interesse an der Raketenabwehr kann deshalb als einer der wichtigsten Trends der achtziger Jahre betrachtet werden.
Entwicklungen bei den strategischen Atomwaffen der USA 1980 verloren die USA eine TITAN II Interkontinentalrakete (ICBM) durch einen Unfall Dadurch verringerte sich die Zahl der TITAN. Raketen von 53 auf 52 und die Gesamtzahl der einsatzfähigen US-Interkontinentalraketen, von 1 053 auf 1 052.
1980 ging die Montage des MARK 12 A Gefechtskopfs auf MINUTEMAN III ICBMs und die Umrüstung der strategischen POSEIDON Atom-U-Boote auf TRIDENT 1 SLBMs weiter. Auch die Entwicklung der von Flugzeugen aus gestarteten Marschflugkörper der mobilen MX ICBMs und der TRIDENT II SLBMs wurde f*ortgesetzt Außerdem wurden erneut Forderungen nach Entwicklung eines neuen strategischen Bombers laut, der die B-52 ersetzen soll.
Gemäß den Vereinbarungen in SALT I sollen zwei strategische POLARIS Atom-U-Boote 1981 stillgelegt werden. Von acht weiteren POLARIS Altom-U-Booten sollen Ende 1981 die Atomraketen demontiert und die U-Boote in Jagd-U-Boote umgerüstet werden.
Vier POSEIDON Atom-U-Boote wurden 1979 und 1980 auf TRIDENT I SLBMs umgerüstet. Insgesamt sollen 12 POSEIDON U-Boote so umgebaut werden, daß jedes von ihnen 16 TRI-DENT I Raketen tragen kann.
Versuche auf See mit den ersten der strategischen TRIDENT Atom-U-Boote sind, für 1981 vorgesehen. Der ursprüngliche Plan sah acht TRIDENT U-Boote vor (diese wurden schon geordert), doch könnte sich diese Zahl auf 25 erweitern.
Entwicklungen bei den taktischen Atomwaffen und bei atomaren Gefechtswaffen in den USA Die Entwicklung des bodengestarteten Marschflugkörpers (GLCM) und der PER-SHING II RAKETE wurde 1980 fortgesetzt. Das Pentagon hat jedoch im Oktober 1980 einen sechsmonatigen Teststop für die GLCM angekündigt. Die Cruise Missiles werden wohl dennoch im Dezember 1983 einsatzbereit sein.
Nach einem NATO-Beschluß vom Dezember 1979 soll die Stationierung von 464 amerikanischen GLCMs und 108 PERSHING II Raketen in fünf europäischen Ländern 1983 beginnen. Die PERSHING II sollen in der Bundesrepu-blik stationiert werden. Großbritannien, Italien und die Bundesrepublik haben sich bereit erklärt, GLCMs zu stationieren. Ob Belgien voll am Programm teilnehmen wird, ist unklar.
Die Niederlande werden Ende 1981 über die Stationierung von GLCMs auf ihrem Boden entscheiden.
Entwicklungen bei den strategischen Atomwaffen in der Sowjetunion Die Sowjetunion entwickelt ein neues strategisches Atom-U-Boot, die TAIFUN, in der 25 000— 30 000-Tonnen-Klasse, also ein wesentlich schwererer Typ als das amerikanische TRIDENT U-Boot mit seinen 18 700 Tonnen.
Ein Boot der TAIFUN-Klasse, das, wie es heißt, 20 SLBMs tragen kann, ist schon vom Stapel gelaufen; drei andere sind im Bau.
Die neue feststoffgetriebene TAIFUN SLBM, die SS-NX-20, ist sehr wahrscheinlich mit mehreren Sprengköpfen ausgerüstet, die unabhängig voneinander auf Ziele programmiert werden können (MIRVs). Man erwartet, daß sie ab Mitte der achtziger Jahre einsatzfähig ist.
Es gibt Berichte, nach denen die Sowjetunion zwei neue Typen von feststoffgetriebenen Interkontinentalraketen testet. Eine davon soll, wie die geplante amerikanische MX ICBM, ein großes bewegliches System sein. Diese muß man zu den schon entwickelten mobilen Interkontinentalraketen, den SS-16, hinzuzählen, die aber, nach den Vereinbarungen von SALT I, vielleicht nicht aufgestellt werden.
Man muß davon ausgehen, daß die Sowjetunion die Treffsicherheit ihrer Interkontinentalraketen weiter verbessern wird.
Die Stationierung der neuen sowjetischen Mittelstreckenraketen, der SS-20, geht weiter.
Ende 1980 waren rund 180 SS-20 stationiert, gerichtet auf Ziele in Europa und China. Wieder muß man davon ausgehen, daß deren Treffsicherheit ständig verbessert wird. Wie die amerikanischen PERSHING II ist die SS-20 so treffsicher (oder sie wird es bald sein), daß man sie als atomare Gefechtswaffe betrachten kann.
Entwicklungen bei den Atomwaffen in China, Großbritannien und Frankreich Im Mai 1980 hat China eine Interkontinental-rakete (ICBM) getestet, die CSS-4, deren Reichweite auf über 13 000 km geschätzt wird. Solche Raketen könnten Ziele im Westen der USA treffen. Die neue Interkontinentalrakete hat die doppelte Reichweite der anderen chi-15 nesischen ICBMs, der CSS-3, von denen einige wenige seit 1978 aufgestellt worden sind. Man erwartet, daß die CSS-4 bald einsatzbereit ist
Man nimmt an, daß China auch etwa 60 CSS-2 Mittelstrecken-Raketen (Reichweite etwa 3 000 km) und etwa 50 Kurzstreckenraketen (etwa 1 100 km Reichweite) stationiert hat Die CSS-1, die einen Sprengkopf von etwa 20 000 Tonnen TNT Sprengkraft besitzt, wurde 1966 in Dienst gestellt.
Zusätzlich zu diesen Raketen haben die Chinesen etwa 60 HONG-6 Mittelstreckenbomber mit einer Reichweite von 3 500 km, die wahrscheinlich Atombomben mit einer Sprengkraft von mehreren Millionen Tonnen (Megatonnen) TNT an Bord haben. Sie verfügen ferner über ein Atom-U-Boot und sind dabei, weitere zu bauen. Diese sind mit Raketenabschußrampen ausgerüstet. China hat noch keine U-Boot-Raketen entwickelt, wird dies aber sicher bald nachholen.
Großbritannien hat 1980 beschlossen, vier neue Atom-U-Boote zu bauen, die mit je 16 amerikanischen TRIDENT I Raketen ausgerüstet werden sollen. Sie sollen in den frühen neunziger Jahren die britischen POLARIS U-Boote ersetzen. Die heute existierenden engli.sehen POLARIS Raketen (die mit drei 200-KtSprengköpfen bestückt sind) werden jetzt mit dem CHEVALINE-Gefechtskopf ausgerüstet, der bekanntlich Anti-Raketen-Raketen ausweichen kann.
Frankreich hat im Juni 1980 bekanntgegeben, daß es eine „Waffe mit erhöhter Strahlung" (Neutronenbombe) entwickelt und getestet hat. Nach offiziellen Angaben wird Frankreich 1982/83 entscheiden, ob die Bombe produziert werden soll.
Die Entwicklung der französischen M-4 U-Boot-Rakete, die sechs oder sieben unabhängig voneinander steuerbare Gfechtsköpfe (MIRVs) mit je 150 Kt Sprengkraft tragen soll, geht weiter voran. Sie soll die M-20 (Reichweite 3 000 km, ein 1 Mt Sprengkopf) ersetzen, mit der heute Frankreichs strategische Atom-U-Boote ausgerüstet sind. Der erste Testflug der M-4 fand im Dezember 1980 im Pazifik statt.
Die nukleare Abschreckung dankt ab
Das langsame Ende der nuklearen Abschrekkung und die Entwicklung atomarer Gefechts-strategien sind inzwischen mehr oder weniger in das allgemeine Bewußtsein gedrungen. Zum größten Teil stammt das Wissen der Öffentlichkeit aus der Publicity, die bei Ex-Präsident Carters Wahlkampfkampagne um die zunächst streng geheime Direktive 59 entstanden ist.
Nukleare Abschreckung beruht auf der Annahme, daß der Feind nicht zuerst angreift, wenn er weiß, daß im Gegenschlag der größte Teil seiner Bevölkerung und seiner Industrie vernichtet wird. Städte sind die Geiseln der Abschreckung. Wenn der Gegner nicht mehr um seine Städte fürchtet, funktioniert auch die nukleare Abschreckung nicht mehr. Genau das aber wird passieren, sobald man treffsichere und verläßliche Raketensprengköpfe hat.
Man darf nicht vergessen, daß Abschreckung hauptsächlich eine psychologische Sache ist. Entscheidend ist, was der Gegner glaubt. Es ist deshalb unmöglich, mit punktgenau treffenden Waffen eine Politik der atomaren Abschreckung beizubehalten, ganz einfach deshalb, weil der Gegner wohl oder übel annehmen muß, daß die Sprengköpfe der anderen Seite auf militärische Ziele gerichtet sind und nicht auf Städte. Mit anderen Worten: Treffsicherheit ist der Tod der Abschreckung. Begrenzbarer atomarer Krieg, d. h. Zerstörung der feindlichen Militärbasen und Stellungen, ist dann die einzig glaubhafte und daher auch die einzig mögliche Strategie.
Die Vorstellungen vom begrenzten Atomkrieg werden im Augenblick durch eine beträchtliche Zahl von Erstschlagstechnologien genährt. Diejenigen, die mit der U-Boot-Bekämpfung Zusammenhängen, sind dabei die gefährlichsten. Da inzwischen die bodenstationierten Raketen bei -einem ersten Schlag durch feindliche Raketen leicht zerstörbar sind, beruht die atomare Abschreckung allein auf der Unverwundbarkeit der strategischen U-Boote. Sollten strategische Atom-U-Boote tatsächlich einmal verwundbar werden (und das ist wohl, nach heutigen Untersuchungen, nur eine Frage der Zeit), könnte ein erster Schlag sich anbieten, ja, sogar als notwendig erscheinen, bevor der Gegner seinerseits die Fähigkeit zum ersten Schlag erlangt.
Andere Erstschlagssysteme, die gerade entwickelt oder aufgestellt werden, sind Navigationssysteme mit nie zuvor gekannter dreidimensionaler Genauigkeit, Anti-Satelliten-Sy steme, Anti-Raketen-Systeme, Frühwarnsysteme, Befehls-, Kontroll-, Kommunikationsund Informationssysteme, Aufklärungssysteme. Das größte Interesse bei diesen meist im Weltraum angesiedelten Technologien gilt heute der Abwehr ballistischer Raketen.
Raketenabwehr Ein Raketenabwehrsystem soll feindliche Raketen im Flug orten und zerstören. Die heutigen Systeme arbeiten mit Bodenradar und Computern, die feindliche Sprengköpfe orten und deren Bahn verfolgen sollen, und atombestückten Anti-Raketen-Raketen mit extrem hoher Beschleunigung, die die feindlichen Sprengköpfe zerstören sollen.
Da aber diese Systeme schwerwiegende Fehler aufweisen, sind beide Seiten dabei, neue Raketenabwehrsysteme zu entwickeln. Bei einem dieser Systeme auf amerikanischer Seite soll ein Frühwarnsatellit den Start einer feindlichen Rakete kurz nach dem Abschuß registrieren. Er schickt ein Signal zur Erde, worauf ein Infrarot-Teleskop mit einer Rakete in den Weltraum geschossen wird — im wesentlichen ein Mosaik aus vielen kleinen Infrarot-Sensoren, die auf der Brennebene im optischen System des Teleskops angeordnet sind —, außerdem wird eine Abfangrakete gestartet. Das Teleskop und sein Computer sollen die feindlichen Sprengköpfe orten, ihre Bahn verfolgen und diese Information an die Abfangrakete weitergeben. Die Abfangrakete hat einen eigenen Infrarot-Zielsucher, der durch Signale vom Teleskop auf die feindlichen Sprengköpfe eingestellt wird.
Die Abfangrakete könnte nun direkt mit dem feindlichen Sprengkopf kollidieren oder aber einen Stoß Metallteilchen in die Bahn des Sprengkopfs werfen, um ihn zu zerstören. Nach dem heutigen Stand der Planung soll das System nächstes Jahr unter Gefechtsbedingungen getestet werden: Eine MINUTE-MAN III Interkontinentalrakete mit drei . blinden'Sprengköpfen soll gestartet werden; die Abfangrakete soll diese Sprengköpfe im Weltraum zerstören.
Infrarot-Teleskope arbeiten auf mikroelektronischer Basis. Tatsächlich hat die Revolution der Mikroprozessoren viele der jetzt in der Entwicklung befindlichen Erstschlagstechnologien erst möglich gemacht.
Das im Weltraum stationierte Raketenabwehrsystem wird, falls es eingerichtet wird, wahrscheinlich mit einem bodenstationierten System gekoppelt werden. Jeder Sprengkopf, der dem ersteren entgeht, wird dann, so hofft man, vom letzteren zerstört. Ein spezielles — •Abwehr in niedriger Höhe" genanntes — System soll die höchst komplizierten mobilen MX Interkontinentalraketen schützen, deren Stationierung für die Mitte der achtziger Jahre vorgesehen ist. Dieses System soll einen Hochfrequenzradar mit phasengesteuerter Abtastung benutzen, der mit relativ wenig Energie auskommt.
Man entwickelt auch Hochenergie-Laser zur Raketenabwehr, doch sind das nicht die einzig möglichen Instrumente. Die US-Luftwaffe testete einen Hochenergie-Laserstrahl aus ihrem in ein KC-135 Flugzeug eingebauten AIR-BORNE LASER LABORATORY mit voller Energie. Der Test fand auf einem Flugplätzen New Mexico am Boden statt, ein Test in der Luft steht nächstes Jahr bevor.
Wenn ein Energiestoß einer Hochenergie-Laserstrahlung auf ein Objekt trifft, erhitzt er blitzschnell eine dünne Schicht von dessen Oberfläche. Diese explodiert sofort und es geht eine Druckwelle durch das Objekt. Eine Rakete und ihr Sprengkopf sind empfindliche Geräte, die dadurch ziemlich sicher zerstört werden. Außerdem könnte der Zusammenstoß des Laserstrahls mit seinem Ziel eine große Menge Röntgenstrahlen freisetzen, die wiederum die empfindliche Elektronik der Rakete und ihres Sprengkopfes schwer beschädigen. Im Weltraum stationierte Hochenergie-Laser haben die beste Chance, eine Rakete zu zerstören, wenn sich diese noch im Aufstieg befindet. Die Rakete bietet dann ein großes Ziel, das langsam fliegt und eine riesige Menge entflammbaren Treibstoffs mit sich führt. Außerdem ist die Rakete durch die Reibung der Atmosphäre in dieser Phase sehr heiß und kann dadurch leicht von Infrarot-Sensoren geortet werden.
Hochenergie-Laser haben zwar schon „erfolgreich" Ziele aus kurzer Entfernung zerstört, aber es gibt noch viele Probleme zu lösen, bevor sie gegen feindliche Raketensprengköpfe eingesetzt werden können. Vor allem muß man ein schnellfliegendes Objekt erst einmal verfolgen und treffen. Die Meinungen über die Schwierigkeiten bei diesem Problem gehen auseinander. Einige Fachleute glauben, sie seien größtenteils schon gelöst. Tatsächlich sollen Geräte für diese Aufgaben im Space Shuttle getestet werden (in einem Programm, das euphemistisch Talon Gold, goldene Klaue, genannt wird).
Wenn man den heutigen Trend zu atomaren Gefechtsstrategien betrachtet, ist zu erwarten, daß die Supermächte fieberhaft an Raketenabwehrsystemen im Weltraum arbeiten werden. Wenn sie dabei Erfolg haben, wird die Welt noch unsicherer sein, als sie es jetzt schon ist. Andere militärische Entwicklungen im Weltraum 1980 wurden 103 Militärsatelliten gestartet, 14 von den USA und 89 von der Sowjetunion. Dadurch wuchs die Zahl aller seit Beginn des Raumzeitalters 1957 gestarteten Militärsatelliten auf 1801. Das sind mehr als 75 % aller Satelliten, die je gestartet worden sind.
Rund 40 % der 1980 gestarteten Militärsatelliten waren Fotosatelliten zur Aufklärung, die meisten davon stammen von der Sowjetunion. Diese startet deshalb so viele, weil ihre Satelliten eine relativ kurze Lebensdauer haben (normalerweise nur 13 Tage). Die amerikanischen Satelliten dagegen bleiben sehr lange auf ihrer Umlaufbahn.
Zur Ozeanaufklärung startete die Sowjetunion 1980 einen Satelliten, der dem ähnlich ist, der Anfang 1978 in Kanada niederging, und wohl wieder einen Atomreaktor an Bord hat. Er wurde nach einigen Wochen in eine größere Umlaufbahn gebracht und wird dort für einige Jahrhunderte bleiben. Im März 1981 hat die Sowjetunion zwei besondere Satelliten gestartet: Einen Killersatelliten und einen Zielsatelliten. Das Experiment hatte Erfolg. Der Zielsatellit wurde im Weltraum zerstört. Das war der Höhepunkt eines sowjetischen Anti-Satellitenprogramms, bei dem etwa 37 Ziel-und Killersatelliten gestartet worden sind. Es war der erste Versuch der Sowjetunion, einen Satelliten im Weltraum wirklich zu zerstören.
Die USA haben ebenfalls ein Anti-Satelliten-Programm. Sie werden wohl bald den Versuch machen, nicht-nukleare Sprengköpfe von einem schnellen und sehr hoch fliegenden Flugzeug zu starten. Der Sprengkopf soll durch ein Infrarot-Suchgerät zum Zielsatelliten geführt werden.
Rüstungskontrolle
Die zweite Konferenz zum Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen Das Hauptereignis zum Thema Rüstungskontrolle war die zweite Konferenz über die Einhaltung des Nichtweiterverbreitungsvertrages. Die Konferenz kam zu keiner gemeinsamen Erklärung. Das ungünstige politische Klima, in dem die Konferenz scheiterte, hatte mehrere Ursachen: Die unsichere Zukunft der Gespräche über die Beschränkung strategischer Waffen, das Scheitern eines umfassenden Test-Stopps, die Unfähigkeit der US-Regierung, während einer Kampagne zur Präsidentschaftswahl Entscheidungen zu treffen, die internationale Reaktion auf die Intervention der Sowjets in Afghanistan, der aktuelle Konflikt in der Region um den Persischen Golf und die Auseinandersetzung um die eurostrategischen Raketen, überdies erhoben die Staaten der Dritten Welt den Vorwurf, daß bisher bei der nuklearen Abrüstung nicht die geringsten Fortschritte gemacht worden seien. Eine der Hauptkontroversen war die Anwendung der Sicherheitsbestimmungen des Artikel III des Nichtweiterverbreitungsvertrags. Alle Konferenzteilnehmer stimmten im Prinzip darin überein, die umfassenden Sicherheitsbestimmungen auch auf Nichtunterzeichnerstaaten anzuwenden, aber man konnte sich nicht darüber einigen, ob diese Bestimmungen zur Bedingung für Lieferungen gemacht werden sollten. Fortgesetzte Lieferungen an Nichtunterzeichnerstaaten, vor allem an solche, die Beschaffungsmöglichkeiten ohne Sicherheitsklausel haben, gefährden die Existenz des Vertrages genauso wie das Scheitern jeglicher wirklichen Abrüstung bei den Nuklearstaaten. Die meisten Delegierten bei der Konferenz bedauerten das Scheitern der trilateralen Verhandlungen zwischen den USA der UdSSR und Großbritannien über einen umfassenden Atomteststopp. Die Nuklearmächte führen nach wie vor Atomwaffentests durch. 1980 fanden 49 Atomexplosionen statt; 20 entfielen auf die UdSSR, 14 auf die USA auf Frankreich 11, drei auf Großbritannien und eine auf China. Dadurch erhöht sich die Zahl aller Atomexplosionen von 1945 bis 1980 auf 1 271; davon fanden 62 % nach der Unterzeichnung des Teststoppabkommens im Jahre 1963 statt, das Tests in der Atmosphäre verbietet.
Das Verbot unmenschlicher und unterschiedslos wirkender Waffen Die zweite Runde der UN-Konferenz über „unmenschliche Waffen" fand von September bis Oktober 1980 statt. Der Generalversammlung der UN wurden ein Abkommen über Verbot bzw. Beschränkung des Gebrauchs bestimmter konventioneller Waffen und drei Protokolle zur Empfehlung vorgelegt.
Das einzig konkrete Ergebnis der ersten Runde (1979) der Konferenz war die Überein-stimmung aller Teilnehmerstaaten beim vorbehaltlosen Verbot aller Waffen (wie z. B. Plastik-Splitterbomben), deren Splitter im menschlichen Körper durch Röntgenstrahlen nicht festgestellt werden können. Dieses VerB bot wurde auch in der zweiten Runde verhandelt und als Protokoll verabschiedet.
Das zweite Protokoll behandelt Beschränkung bzw. Verbot von Minen und „anderen Vorrichtungen" (es handelt sich hier um jene handverlegten Sprengsätze und Vorrichtungen zum Zwecke der Tötung, Verletzung und Beschädigung, die durch Fernsteuerung oder Zeitzünder gezündet werden). Das dritte Protokoll betrifft Verbote bzw. Beschränkungen des Gebrauchs von Brandwaffen. Der Gebrauch von Brandwaffen gegen Soldaten bleibt weiterhin unbeschränkt und selbst der Schutz der Zivilbevölkerung vor solchen Angriffen ist unvollständig. Die Bedeutung der neuen Konvention und der Protokolle wird durch den bewußten Ausschluß von atomaren Waffen und anderen Massenvernichtungswaffen aus den Verhandlungen beträchtlich eingeschränkt.
Schlußfolgerungen
Die größte Enttäuschung für alle Befürworter einer Kontrolle des atomaren Wettrüstens war 1980, daß die Ratifizierung des SALT-II-Vertrags (1979 durch die UdSSR und USA unterzeichnet) • im amerikanischen Senat gescheitert ist. Ohne SALT oder wenigstens entscheidende Fortschritte bei den SALT-Verhandlungen gibt es schwerlich irgendeinen tatsächlichen Fortschritt bei anderen Rüstungskontrollverhandlungen wie zum Beispiel über einen umfassenden Teststopp. Solange SALT II nicht ratifiziert ist, kann man nur hoffen, daß die USA und die Sowjetunion sich an die in den SALT-Verträgen festgelegten Begrenzungen halten. Beide haben es jedenfalls versprochen.
Trotz des enormen Ressourcenverbrauchs für militärische Zwecke fühlen sich die meisten Menschen immer unsicherer. Die Kosten der Militärausgaben müssen deshalb als tragische Verschwendung unserer begrenzten Ressourcen bezeichnet werden, die im Grunde durch nichts zu rechtfertigen ist.
Die Auswirkungen auf den Lebensstandard des Durchschnittsbürgers wären beträchtlich, wenn die Rohstoffe, die industriellen Kapazitäten und vor allem die menschliche Energie und Erfindungsgabe, die man heute für die Rüstung der Welt verwendet, zivilen Zwecken zugute kämen. Die Trennung von Wissenschaft und Vernunft ist besonders tragisch. Die komplexesten wissenschaftlichen, technologischen und organisatorischen Probleme werden vom Militär und seinen Wissenschaftlern gelöst. Wenn zur Lösung von Problemen, wie z. B.der Weltgesundheit oder der Welternährung, die gleichen Anstrengungen unternommen würden, so wären die Ergebnisse wohl eindrucksvoll. Die Erde verbraucht beträchtlich mehr Ressourcen für militärische Zwecke als für die Gesundheit der Menschen und etwa gleich viel wie für deren Erziehung und Bildung.
Bei den geplanten und wahrscheinlichen Steigerungen der Militärhaushalte in den nächsten Jahren muß man damit rechnen, daß sich das Wettrüsten zwischen Ost und West wesentlich beschleunigt. Neue atomare Waffen und Waffensysteme werden entwickelt und stationiert. Einige davon werden die Wahrscheinlichkeit eines nuklearen Weltkriegs erhöhen. Der Trend von den Strategien nuklearer Abschreckung zu praktikablen atomaren Gefechtsstrategien wird weitergehen.
Der internationale Waffenhandel, der schon seit geraumer Zeit außer Kontrolle ist, verbreitet die wirksamsten Waffen über die ganze Erde. Immer mehr Staaten der Dritten Welt errichten gewaltige Rüstungsindustrien und werden ihre Waffen wohl auch verkaufen, wie man aus den Erfahrungen in der Vergangenheit wohl mit Recht schließen darf. Einige dieser Staaten sind schon heute am Waffenexport beteiligt.
Es hat sich gezeigt, daß die Vereinbarungen über die Nichtweiterverbreitung die Ausbreitung atomarer Waffen nicht hat verhindern können. Deshalb werden auch Staaten in un-stabilen Regionen zunehmend nervös, wenn ihre Nachbarn Atomreaktoren und andere Elemente des nuklearen Brennstoffkreislaufs für friedliche Zwecke anschaffen. Die Unfähigkeit der heutigen Nuklearmächte, das atomare Wettrüsten zu kontrollieren, fördert die Lieferung von Atomwaffen an Länder, die heute noch keine besitzen.
Durch die Beschleunigung des atomaren Wettrüstens wächst die Bedeutung von Abrüstungsverhandlungen in Europa. Schließlich stehen sich hier die Armeen der Supermächte direkt gegenüber. Mindestens 10 000 Atomwaffen sind auf Ziele in Europa gerichtet, und beide Seiten planen hier die Stationierung neuer atomarer Gefechtswaffen. Es gibt deshalb viele gute Gründe, eine Abrüstungskonferenz für Europa einzuberufen. Es bleibt zu hoffen, daß dies bald geschieht.
Frank Barnaby, Dr. phil., geb. 1927; nach Tätigkeit in der britischen Atombehörde und im Hochschuldienst Sekretär der Pugwash Conferences on Science and Worldaffairs; seit 1970 Direktor des Friedensforschungsinstituts SIPRI in Stockholm.
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