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Technologie in den Osten? Zur Konzeption und Praxis des Consultative Group-Coordinating Committee (CoCom) | APuZ 22/1981 | bpb.de

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APuZ 22/1981 Artikel 1 Zivilschutz in der Diskussion INSTITUT FÜR FRIEDENSFORSCHUNG UND SICHERHEITSPOLITIK AN DER UNIVERSITÄT HAMBURG — Der Direktor — MAX-PLANCK-INSTITUT FÜR SOZIALWISSENSCHAFTEN Gibt es eine Alternative zum militärindustriellen Wirtschaftskrieg? Technologie in den Osten? Zur Konzeption und Praxis des Consultative Group-Coordinating Committee (CoCom)

Technologie in den Osten? Zur Konzeption und Praxis des Consultative Group-Coordinating Committee (CoCom)

Angela Stent

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Zusammenfassung

Die Frage, ob Technologien aus den westlichen Industrienationen in den Ostblock exportiert werden sollten, ist nur in einer Hinsicht unumstritten: Der Export von Waffen, militärischer und atomarer Technologie wird generell abgelehnt. Kontrovers sind jedoch folgende Fragen: — Kann (wirklich) zwischen militärisch relevanter Technologie und solcher, die auf keinen Fall für militärische Zwecke nutzbar ist, unterschieden werden? — Ist es zweckmäßig, gegenüber einzelnen kommunistischen Staaten eine unterschiedliche Politik zu betreiben — etwa die kleinen Staaten des Warschauer Paktes weniger restriktiv zu behandeln als die UdSSR; soll China allgemein eine Vorzugsstellung gewährt werden? — Sollen für Exportembargos allgemeingültige Kriterien verwendet werden; oder ist es sinnvoll, sie als Mittel der politischen Sanktion für das jeweilige innen-und außenpolitische Verhalten der Sowjetunion einzusetzen? — Wieweit dürfen nationale Wirtschaftsinteressen einzelner westlicher Länder über gemeinsame politische Entscheidungen gestellt werden? Seit 1949 haben sich die wichtigsten westlichen Industrieländer in einem multilateralen Forum, dem Consultative Group-Coordinating Committee (CoCom), zusammengeschlossen, um in der Frage des Exports von Technologien ein einheitliches und abgestimmtes Verhalten zu erzielen. Das CoCom ist ein informelles Gremium, das seine Beschlüsse nur einstimmig fassen kann und keine Sanktionsmöglichkeiten gegen eventuelle Verstöße hat. Aus dieser Konstruktion ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten. Insgesamt hat sie sich jedoch bewährt, wenn künftig auch erhöhte Anforderungen an Verläßlichkeit, Glaubwürdigkeit und Konsistenz an die Politik der beteiligten Staaten gestellt werden müssen.

I. Einleitung

Der Transfer von Technologie in kommunistisch regierte Staaten wurde in den letzten Jahren zu einem zunehmend umstrittenen Thema sowohl innerhalb der USA als auch in den Beziehungen zwischen den USA und ihren Verbündeten in der NATO. Die frühere westliche Einigkeit, besonders den Export fortgeschrittener nicht-militärischer Technologie einzuschränken, ist erschüttert, und West-Ost-Handel und Technologie-Transfer sind zu einer Quelle offener Spannung innerhalb des Atlantischen Bündnisses geworden. Unter der Regierung Reagan gewinnt das Konzept der Anbindung wirtschaftlicher an politische Interessen an Boden: Handel soll an politische Zugeständnisse seitens der UdSSR gebunden, das Embargo als Maßregelung genutzt werden. In Westeuropa jedenfalls gibt es wenig Unterstützung für zunehmend einschränkende Exportkontrollen und noch weniger zu dem Prinzip, den West-Ost-Handel als politischen Hebel zu benutzen. Diese Meinungsverschiedenheiten sind mit anderen kritischen Themen innerhalb der NATO verknüpft, speziell dem SALT-Thema. Da jedoch die Kontrolle der Technologie-Exporte außerordentlich kontrovers ist, wird diese Frage weiterhin zu Spannungen innerhalb des Bündnisses führen.

Der West-Ost-Handel ist für Westeuropa traditionell wichtiger als für die Vereinigten Staaten, ökonomische und politische Gründe haben dazu beigetragen, diese positivere Einstellung zu schaffen, die von Regierung und Wirtschaft gleichermaßen geteilt wird. Während die Frage nach dem Transfer von Technologien auch innerhalb der USA ein umstrittenes Thema ist, stellt sie sich für die meisten westeuropäischen Länder gar nicht. Mit kommunistischen Ländern Handel zu treiben, ist ein mehr oder weniger normaler Bestandteil auswärtiger Wirtschaftspolitik und kein Gegenstand größerer politischer Debatten, obwohl es in Krisensituationen dazu kommen kann.

In den USA schuf eine veränderte Wahrnehmung der sowjetischen militärischen Aufrüstung in Europa und der Politik in Afghanistan und Iran die erhöhte Vorsicht gegenüber den politischen Auswirkungen des West-Ost-Handels — eine Sichtweise, die von Westeuropa nicht ganz geteilt wird. Als Antwort auf die sowjetische Invasion nach Afghanistan kündigte Präsident Carter im Januar 1980 an, daß die US-Regierung bis auf weiteres alle Lizenzen für die Ausfuhr fortgeschrittener Technologie in die UdSSR aufheben und das gesamte Verfahren der Lizenzerteilung einer Überprüfung unterziehen würde. (Das Gesetz über die Exportkontrolle von 1979 erlaubt dies aus Gründen der nationalen Sicherheit.) Die Verbündeten reagierten darauf unterschiedlich: Die Skala reichte von direkter Unterstützung bis hin zu lautstark geäußerter Mißbilligung. Auch die angekündigte Absicht der USA, hochentwickelte Technologien zwar nicht an die UdSSR, wohl aber an die Volksrepublik China zu verkaufen, ist in der westlichen Allianz umstritten.

Die Entscheidungen des Westens über eine Exportkontrolle von Technologien in kommunistische Staaten werden seit 1949 von einem multilateralen Forum getragen, dem Consultative Group-Coordinating Committee (CoCom). Es wurde gegründet, um die westliche Exportpolitik gegenüber kommunistischen Staaten zu koordinieren, speziell das strategische Embargo gegen den sowjetischen Block in den fünfziger Jahren, und hat seinen Sitz in Paris. Gründungsmitglieder waren die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg, wozu später noch Norwegen, Dänemark, Kanada, die Bundesrepublik Deutschland, Portugal, Japan, Griechenland und die Türkei kamen. CoCom leitet informell und unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Das Komitee hat drei Hauptaufgaben: Es entwickelt Listen von Gütern und Technologien, deren Export genau beobachtet, kontrolliert oder gestoppt wird. Es hält wöchentliche Treffen ab, auf denen über Ausnahmen von dieser Liste beraten wird; und es beobachtet, ob die abgesprochenen Regelungen eingehalten werden.

Die 1949 beschlossenen Embargo-Listen waren ausgesprochen restriktiv. Nach dem Koreakrieg wurden sie revidiert. Seitdem werden sie regelmäßig überprüft, nicht zuletzt deshalb, weil auch die kommunistisch regierten Länder inzwischen technologische Fortschritte gemacht haben.

Es gibt drei CoCom-Listen: eine militärische, eine für Atomenergie und eine industriell-kommerzielle, auf der Güter verzeichnet sind, die nicht nur, aber möglicherweise auch zu militärischen Zwecken einsetzbar sind. Der allgemeine Trend seit 1949 ging dahin, die Zahl der gesperrten Güter zu verringern: Sie ging von 270 (1951) auf 149 (1976) bzw. 146 (1979) zurück. Außerdem führt jedes CoCom-Mitglied eigene Embargo-Listen; jedoch enthält nur die Liste der Vereinigten Staaten restriktivere Bestimmungen als die des CoCom.

Der Wert der CoCom-Absprachen wurde und wird von den europäischen Staaten unterschiedlich eingeschätzt. Ursprünglich waren sie sehr an diesen Regelungen interessiert, weil sie davon ausgingen, daß diese in ihrem eigenen politischen und ökonomischen Interesse lägen und weil sie die sowjetische Bedrohung fürchteten. Speziell die Bundesrepublik war gezwungen, den USA in jeder Hinsicht zu folgen — schließlich erhielt sie erst 1955 ihre volle Souveränität. Sie trat CoCom 1950, nach Großbritannien und Frankreich, bei, obwohl in Deutschland Stimmen zu bedenken gaben, daß die Annäherung an eine solche Organisation mögliche Fortschritte zu einer Wiedervereinigung behindern könnten. Trotzdem bewog die Furcht vor der Sowjetunion als militärischer Bedrohung und wirtschaftlichem Konkurrenten, zusammen mit der Abhängigkeit von den USA die Bundesrepublik zu einem Beitritt.

Obwohl CoCom in den fünfziger Jahren ziemlich reibungslos funktionierte, gab es Spannungen; das NATO-Stahlröhren-Embargo von 1962/63 illustriert viele der strittigen Themen, die zwischen den CoCom-Partnern immer noch unausgetragen sind. Im November 1962 versuchten die Vereinigten Staaten, ihre Alliierten daran zu hindern, Stahlrohren von großem Durchmesser in die sowjetischen Länder zu exportieren, um die Fertigstellung der Pipeline zwischen der UdSSR und den osteuropäischen Ländern zu verhindern. Innerhalb der NATO wurde ein Embargo beschlossen, weil die USA sich darüber im klaren waren, daß Großbritannien sich einem Exportboykott widersetzen würde und die CoCom-Regeln Einstimmigkeit der Beschlüsse verlangen.

An diesem Fall kann man einiges deutlich machen: Zwar war Washington in der Lage, einige Kooperationsprojekte der Bundesrepublik, die bereits angelaufen waren, zu verhindern. Aber da die Vereinigten Staaten auf ihre anderen NATO-Partner nicht denselben politischen Druck wie auf Bonn ausüben konnten, waren weder Großbritannien noch Italien oder das CoCom-Mitglied Japan daran zu hindern, der UdSSR die gleichen Röhren zu verkaufen. Besonders Großbritannien entschloß sich, die Direktive der NATO zu ignorieren. Und letzten Endes fand die UdSSR nicht nur andere Quellen, um sich mit Stahlrohren zu versorgen, sondern wurde durch das Embargo veranlaßt, ihre eigene Kapazitäten auf diesem Gebiet stärker zu entwickeln. Die Fertigstellung der „Freundschafts-Pipeline“ wurde durch das Embargo nur um ein Jahr verzögert Zudem war in den europäischen Hauptstädten der starke Verdacht entstanden, daß die USA nicht in erster Linie aus Furcht vor der Militärmacht UdSSR gehandelt, sondern dem Druck der heimischen Ölkonzerne nachgegeben hätten, die ihrerseits eher befürchteten, daß die UdSSR den westeuropäischen Markt mit billigem öl überschwemmen könnten. Unbeschadet dessen, ob dieser Verdacht berechtigt gewesen sein mag, schuf er doch eine Atmosphäre des Mißtrauens in den Beziehungen zwischen den USA und Westeuropa und hatte, wie gesagt, nur einen marginalen Effekt auf die Fertigstellung der Pipeline, die unter anderem auch die Truppen des Warschauer Paktes in Osteuropa versorgt Daher gibt es schon seit einiger Zeit Unstimmigkeiten zwischen den CoCom-Mitgliedern über Nutzen und Zweck dieses multilateralen Forums. Trotzdem besteht ein allgemeiner Konsens, daß der Ost-West-Technologie-Transfer koordiniert werden muß, speziell der von strategisch wichtigen Gütern, um die sowjetischen Kapazitäten auf militärischem Gebiet nicht noch zu vergrößern.

Obwohl die Bundesrepublik die fortbestehende Notwendigkeit von CoCom akzeptiert, gibt es einige Skepsis darüber, in welchem Ausmaß die Entwicklung sowjetischer Technologien überhaupt verlangsamt werden kann. Außerdem teilt Bonn nicht in jeder Hinsicht die amerikanische Definition dessen, was strategisch wichtige Technologie sein soll. Diese mangelnde Übereinstimmung wurde durch die Definition „kritischer Technologien“ verschärft, die im amerikanischen Gesetz über die Exportkontrolle von 1979 verwendet wird. Dieser Ansatz greift direkt auf die Ergebnisse und Empfehlungen eines Berichtes an den amerikanischen Verteidigungsminister von 1976 zurück, der als Bucy-Report bekannt ge-worden ist. Aus der Differenzierung von „evolutionären“ und „revolutionären“ Technologien folgert der Bucy-Report, daß Konstruktionsund Produktions-Know how strengen Kontrollen unterliegen sollten, während die Exportrestriktionen für bestimmte Arten von Industrieausrüstung gelockert werden könnten Der Ansatz, daß man „kritische Technologien" ausfindig machen könne, setzt die Implikation voraus, daß „one can select the subset of technologies of significant military value on which our national military technology superiority can be presumed to be most dependent" (daß man diejenigen Technologien von militärischem Wert genau bestimmen könne, von denen die amerikanische militärische Überlegenheit am meisten abhängig sei). Der Bucy-Report nimmt an, man könne zwischen Technologie und maschineller Ausstattung unterscheiden und empfiehlt eine stärkere Kontrolle der ersteren, während die Kontrolle über den Verkauf von einzelnen Gütern gelockert werden könne. Das 1979 beschlossene Gesetz möchte die jeweilige Zuständigkeit von Handels-und Verteidigungsministerium klären, indem es eine Liste von kritischen Produkten und Technologien bereithält, deren Exportkontrolle für die nationale Sicherheit von Bedeutung seien. Die entsprechende Liste wurde bereits im Oktober 1980 veröffentlicht, wird aber immer noch diskutiert. Einige europäische Länder bezweifeln den Wert dieses Ansatzes, um Kriterien für eine Exportkontrolle zu ermitteln. Obwohl diese Kriterien Gegenstand eines amerikanischen Gesetzes und nicht der CoCom-Vereinbarungen sind, wurden sie inzwischen innerhalb dieses multilateralen Forums behandelt.

In Europa ist allgemein anerkannt, daß die Co-Com-Listen so schmal angelegt sind, daß sie nur begrenzte Auswirkungen auf den Ost-West-Handel haben, aber immerhin so bedeutend, daß sie die militärischen Kapazitäten des Warschauer Paktes einschränken. Da CoCom ein freiwilliger Zusammenschluß ist und es keine Möglichkeiten gibt, Verstöße gegen einmal gefaßte Beschlüsse zu ahnden, ist es manchmal schwierig, eine Durchführung auch umzusetzen; und das Mißtrauen gegen eventuelle Verstöße ist virulent.

II. Die westdeutsche Politik des Technologie-Transfers

Die Bundesrepublik ist inzwischen der bedeutendste westliche Handelspartner des War-schauer Paktes; 21 Prozent aller OECD-Exporte in kommunistisch regierte Länder werden von ihr getätigt. Obwohl die Geschäftswelt schon immer für den Handel mit den osteuropäischen Ländern und für eine Trennung von politischen und wirtschaftlichen Beziehungen gegenüber der UdSSR war, haben nicht alle Regierungen der Nachkriegszeit diesen Standpunkt geteilt. Vor der Wahl Willy Brandts zum Kanzler 1969 und vor der Etablierung der neuen Ostpolitik wurde der Ost-West-Handel von den vorangegangenen Regierungen, vornehmlich unter dem Einfluß der CDU, als ein primär politisches Problem angesehen. Die offizielle Auffassung ging dahin, daß der Ost-West-Handel, da er wirtschaftlich gesehen relativ unbedeutend war, als Hebel für die westdeutschen politischen Ziele eingesetzt werden sollte, in erster Linie, um die Wiedervereinigung unter einem westlichen System durchzusetzen. Falls dies nicht möglich sei, blieb noch das Ziel einer engeren Bindung Westberlins an die Bundesrepublik. Die Regierungen Adenauer, Erhard und Kiesinger waren stets bestrebt, Strategien der Verbindung von Politik und Geschäft zu entwickeln, wobei eine Öffnung des Handels abhängig war von sowjetischen Zugeständnissen zur Deutschen Frage. Dabei gab es zwei wesentliche Strategien: die negative — eine Verweigerung des Handels, die vor 1969 die vorherrschende Form war, und die positive — eine Förderung des Handels. Wesentliche sowjetische Zugeständnisse haben beide Strategien nicht bewirkt, trotz kleinerer Kompromisse von sowjetischer Seite. Inzwischen gibt es einen allgemeinen Konsens in Westdeutschland, im Osthandel Politik und Geschäft auseinanderzuhalten In den fünfziger und sechziger Jahren stimmten die USA und die Bundesrepublik noch in ihren Auffassungen über den Ost-West-Handel überein, während sie heute zunehmend unterschiedliche Ansichten entwikkeln. Die Bundesrepublik neigt eher zu der Auffassung, daß der Ost-West-Handel eine stabilisierende Kraft werden könnte, um Abhängigkeiten zu schaffen und mäßigenden Einfluß auf das sowjetische Verhalten auszuüben.

Wirtschaftliche Determinanten Eine zentrale Determinante der deutschen Wirtschaftsbeziehungen mit der UdSSR ist die Tatsache, daß diese bereits seit über hundert Jahren andauern. Es gibt eine lange geschichtliche Tradition deutsch-russischer wirtschaftlicher Beziehungen, wobei Deutschland Maschinen, Rußland Rohstoffe exportierte. Nach der Oktoberrevolution war die Sowjetunion weiterhin an deutschen Importen interessiert, und es gab sogar eine heimliche Militär-Kooperation. Obwohl das Handelsvolumen nach der Machtergreifung der Nazis abnahm, wurde die Zusammenarbeit bis zum Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion fortgesetzt. Nach dem Krieg verschob sich die Orientierung des westlichen Deutschlands aus politischen Gründen, aber das Vermächtnis der vorherigen engen Wirtschaftsbeziehungen hat die Einstellungen in dieser Frage nachhaltig geprägt. Trotz des Kalten Kriegs sahen viele westdeutsche Geschäftsleute die Sowjetunion und Osteuropa als natürlichen und wünschenswerten Markt an.

Ein weiterer wichtiger Faktor für den Osthandel ist die starke Exportabhängigkeit der Bundesrepublik. Dreißig Prozent ihres National-produkts entstammen dem Außenhandel; und ein gesunder Export ist wesentlicher Bestandteil Deutschlands wirtschaftlicher Stärke. Da aber gerade diese Abhängigkeit für Deutschland weitaus größer ist als für die Vereinigten Staaten, gibt es eine allgemeine Grundeinstellung zugunsten von Ost-Exporten, auch von Technologien, unabhängig von ihrer Bestimmung. Die zugrundeliegende Prämisse ist, daß Exporte von Technologie für ein kontinuierliches wirtschaftliches Wachstum notwendig seien. Und obwohl die Abhängigkeit der Bundesrepublik vom Ost-West-Handel insgesamt ziemlich gering ist, gibt es einige Bereiche in der westdeutschen Industrie, beispielsweise die Stahlindustrie, die proportional sehr viel mehr auf den Handel mit dem Osten angewiesen sind.

Für diese vom Osthandel — relativ — abhängigen Bereiche ist ein weiteres gewichtiges Argument, daß der Export von Technologien Arbeitsplätze schaffen oder erhalten würde. Die Sowjetunion und Osteuropa sind der größte Einzelabnehmer für die westdeutsche Werkzeugmaschinenindustrie; schätzungsweise ein Drittel ihrer Exporte gehen in den Osten, wodurch dieser besonders für die Mittelbetriebe zu einem wichtigen Garanten von Arbeitsplätzen geworden ist. Dasselbe gilt für die Produzenten von Stahlrohren mit großem Durchmesser.

Obwohl Geschichte und Außenhandelsabhängigkeit gewichtige Faktoren sind, die für den Handel mit dem Osten sprechen, gibt es einige wichtige, nicht von der politischen Großwetterlage abhängige, ökonomische Faktoren, die eher restriktiv wirken und die ich als die systembedingten Beschränkungen des Ost-West-Handels bezeichnen möchte. Sie wurden eigentlich erst mit der Entpolitisierung des Osthandels in der Bundesrepublik wahrgenommen. Das zentrale Problem, das den Ost-West-Handel beträchtlich einschränkt, ist die mangelnde Zahlungsfähigkeit des Ostens. Dies, und das hartnäckige Bestehen des Ostens auf bilateralen Verträgen, bedeutet für die Länder des Ostens, Wege zu finden, ihre Importe anders als in harter Währung zu finanzieren. Zwar würden sie am liebsten in Fertigwaren zahlen; dem Westen ist dies jedoch durchaus nicht recht: zum einen wegen der oft geringen Qualität dieser Produkte, zum anderen wegen der Konkurrenz zu heimischen Waren. Und da die bundesdeutsche Regierung i. d. R. keine Zinsen auf Kredite subventioniert, sind die Sowjets weniger geneigt, deutsche Kredite in Anspruch nehmen, als solche von Regierungen, die diese Subventionen vornehmen. Unter diesen Voraussetzungen sind die Kompensationsvereinbarungen die lebensfähigste Form des Ost-West-Handels und unter kommunistischen Gesichtspunkten auch die wünschenswerteste. Die Vereinbarungen beinhalten, daß deutsche Technologie mit Produkten, die mittels dieser Technologie hergestellt wurden, bezahlt wird. Den Westdeutschen ist klar, daß auch diese Form des Tauschgeschäfts seine Grenzen hat, weshalb sie ebensosehr daran interessiert sind, sie einzuschränken, wie Osteuropa daran, sie auszuweiten.

Vor 1969 gerieten verschiedene Bundesregierungen mit der deutschen Geschäftswelt in der Frage aneinander, ob der Ost-West-Handel erwünscht sei oder nicht. Der Höhepunkt dieser Konflikte wurde in den späten fünfziger Jahren erreicht, obwohl noch 1963 die deutsche Geschäftswelt von Bundeskanzler Adenauer gerügt wurde, daß ihr die Loyalität und das Verständnis für die deutsche Wiedervereinigung fehlen würde, weil sie in die Sowjetunion exportiere. Adenauer kritisierte auch die Vereinigten Staaten wegen ihrer Weizen-exporte und verkündete überdeutlich seine Abneigung gegen das „Geschwätz von der Entspannung". In der Mitte der sechziger Jahre versuchten die Regierungen Erhard und Kiesinger, trotz einer allgemein eher zurückhaltenden Einstellung zum Ost-West-Handel, gerade diesen als Mittel zur Schaffung eines größeren Polyzentrismus im sowjetischen Block einzusetzen. Sie boten den osteuropäischen Ländern günstigere Konditionen an als der UdSSR und versuchten, die Unterstützung der Industrie für diese differenzierende Politik zu gewinnen. Die betroffene Geschäftswelt war jedoch weitgehend skeptisch über diesen erneuten Versuch, den Handel zu politisieren.

Dies Verhältnis hat sich seit der Regierung Brandt/Scheel verändert: Man ist sich inzwischen einig, daß der Ost-West-Handel entpolitisiert werden soll und die wirtschaftlichen von den politischen Beziehungen zu den kommunistischen Ländern getrennt behandelt werden müssen. Während frühere Regierungen interveniert hatten, um den Ost-WestHandel zu behindern, interveniert die Regierung der Bundesrepublik inzwischen, um ihn zu fördern und zu erleichtern. Allerdings ist inzwischen die Geschäftswelt allgemein skeptischer gegenüber den Ausweitungsmöglichkeiten des Handels geworden.

Politische Determinanten Es gibt eine Vielzahl politischer Determinanten, die den bundesdeutschen Transfer von Technologien in den Osten betreffen und die zum Teil widersprüchlich sind. Der wichtigste Faktor ist der Wunsch der Bundesrepublik, die Beziehungen zur DDR zu verbessern. Innerdeutsche Beziehungen sind der Schlüsselfaktor für deutsche Handelsbeziehungen nach Osteuropa, mit der UdSSR und der Volksrepublik China.

Der innerdeutsche Handel ist heute stärker politisiert als der der Bundesrepublik mit anderen kommunistischen Ländern. Es ist sein Hauptziel, die politischen Kontakte zwischen den beiden deutschen Staaten zu verbessern und die Familienzusammenführung zu erleichtern. Auch und insbesondere den Technologietransfer in die DDR möchte die Bundesrepublik für verstärkte innerdeutsche Kontakte nutzen. Im Rahmen der westdeutschen Handelspolitik gegenüber den kommunistischen Ländern kommt den innerdeutschen Wirtschaftsbeziehungen daher eine Sonderstellung zu.

Trotz des Wunsches, gute Beziehungen zur Sowjetunion zu unterhalten, gilt das Hauptinteresse Bonns der Stabilität des westlichen Bündnisses, und daher ist seine Neigung, den Technologietransfer als Ansporn für sowjetisches Wohlverhalten zu nutzen, durch die Anerkennung der Notwendigkeit gezügelt, sich mit den amerikanischen Sicherheitszielen in Einklang zu bringen und der sowjetischen Militärpräsenz in Mitteleuropa wirksam zu begeg-nen. Dieses zweispurige Konzept Bonns von nationaler Sicherheit erzeugt widersprüchliehe Aktionsrichtungen: Seine Westpolitik verlangt eine engere Auslegung dessen, was an Technologietransfer tragbar ist, seine Ost-politik legt jedoch eine flexiblere Handhabung nahe, um einen politischen Wandel zu fördern. Dabei spielen die Beziehungen zwischen den USA und der Bundesrepublik eine nicht zu unterschätzende Rolle. In ihrem Wunsche, mehr politische Flexibilität in Osteuropa herbeizuführen, hat es die Bundesrepublik vermieden, sich in auffälliger Weise — politisch oder wirtschaftlich — an China anzunähern. Angesichts des wachsenden amerikanischen Interesses an China während des letzten Jahrzehnts wirkt in Deutschland der Gedanke beunruhigend, seine Verbündeten könnten dazu übergehen, China beim Handel Vorzugsbedingungen einzuräumen. Deutsche Regierungsvertreter betonen demgegenüber, daß sie bei ihren Wirtschaftsgesprächen alle kommunistischen Länder gleich behandeln, zumal es kaum sinnvoll sein dürfte, Technologie etwa nach Rumänien zu exportieren, die man der UdSSR vorenthalten möchte. Deutsche Richtschnur sei es, keine Technologie — beispielsweise — in die Tschechoslowakei, (ja nicht einmal nach Jugoslawien) auszuführen, die man nicht auch der UdSSR zur Verfügung stellen würde. Denn es gebe keine Garantie dafür, daß diese Technologie in den osteuropäischen Ländern bleiben und nicht etwa ihren Weg auch in die UdSSR finden würde. Die gleiche Logik gelte auch für die Volksrepublik China. Die deutsche Regierung vertritt die Ansicht, daß es eine in sich stimmige Exportkontrollpolitik geben müsse: China etwa eine bevorzugte Behandlung zuteil werden zu lassen, mache aus dem Embargo eine Farce. Da überdies, wie der Ostausschuß hervorhebt, der Handel sowohl mit China wie mit der UdSSR für die Bundesrepublik nur periphere Bedeutung hat, könne der deutsche Exportmarkt beide Länder zufriedenstellen, und es sei daher ökonomisch ohne Sinn, eine Wahl zwischen China und Rußland treffen zu sollen.

III. Die Struktur und die Mechanismen des westdeutschen Technologietransfers

Handel und Technologie Nach Ansicht der meisten zuständigen westdeutschen Repräsentanten verfährt die Bundesrepublik in ihrer Politik des Technologie-transfers gegenüber den kommunistischen Staaten nach in sich konsistenten Grundsätzen. Sie betreibt insofern eine „negative" Politik, als sie — wie bereits dargestellt — mit anderen westlichen Staaten im CoCom zusam-menarbeitet, um den Verkauf bestimmter Technologien in den Osten einzuschränken. Neben diesem multilateralen Exportkontrollsystem hat die deutsche Regierung zwar keine ausdrücklichen nationalen Richtlinien für den Technologietransfer von West nach Ost entwickelt, stattdessen aber eine Reihe von Gesetzen und Verfahrensregelungen geschaffen, die ausreichende Instrumente für die Handhabung des Technologieexports in kommunistische Länder darstellen. Eine Technologietransferpolitik ist also vorhanden, sie ist indessen nicht vorher einheitlich konzipiert worden, sondern nach und nach entstanden.

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es, wie in vielen anderen Ländern auch, keine allgemein anerkannte Definition des Begriffes Technologie. In der Theorie unterscheiden die Zuständigen zwar meistens zwischen „Technologie" und „Industrieausrüstungen", aber viele haben das unbehagliche Gefühl, daß es in der Praxis keine präzise Trennung zwischen „Software“ und „hardware" gibt, weil Technologie oft als Bestandteil in industriellen Ausrüstungen enthalten ist. Einige deutsche Beamte bekundeten daher Zweifel daran, daß die Vorschläge des Bucy-Reports im CoCom in die Praxis umgesetzt werden könnten.

Westdeutschland ist unter den westlichen Staaten der größte Lieferant von fortgeschrittener Technologie an die Sowjetunion. 1977 kamen 34 % der sowjetischen Importe von Hochtechnologie aus der Bundesrepublik, außerdem 29 % der Fertigwaren. Der nächst-wichtige Lieferant der UdSSR war Japan mit einem Anteil von 17 % an den Einfuhren von fortgeschrittener Technologie und von 20 % bei den Fertigwaren. Deutschland ist — nach Japan — Chinas zweitwichtigster Lieferant von moderner Technologie: 1977 kamen 15 % der chinesischen Hochtechnologieimporte aus der Bundesrepublik und 16% der Einfuhr von Fertigwaren 5).

Das Genehmigungsverfahren Der rechtliche Rahmen, in dem sich der Technologietransfer in Westdeutschland bewegt, unterscheidet sich etwas von dem in den Vereinigten Staaten angewandten System. Nach deutschem Recht unterliegen Exporte grundsätzlich keiner Einschränkung, doch ergeben sich Beschränkungen aus dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) von 1961, dessen Bestimmungen alle deutschen Exporte unterliegen. Ergänzt wird das AWG durch eine Außenhandelsverordnung. Die Regierung kann danach Exporte aus wirtschaftlichen und politischen Gründen einschränken, § 7 des AWG nennt ausdrücklich als Kriterien für Handelsbeschränkungen die nationale Sicherheit und außenpolitische Rücksichten. Obwohl die Bundesregierung autorisiert ist, die Exporte von Rohstoffen und technischen Unterlagen, im Interesse der nationalen Sicherheit zu kontrollieren, kann der Bundestag diese Einschränkungen innerhalb von vier Monaten nach ihrer Bekanntgabe außer Kraft setzen. Auf diese Weise kann die Legislative in der Bundesrepublik unmittelbar und mit bindender Rechtswirkung alle Außenhandelsregelungen, die von der Regierung getroffen werden, überprüfen.

Die deutsche Exportkontrolliste ist in vier Abschnitte geteilt, von denen die ersten drei sich auf Kriegsmaterial, Atomenergie und auf „andere strategische Güter" beziehen. Sie stimmen im wesentlichen mit den CoCom-Listen bzw.den „Internationalen Strategischen Listen" überein. Die vierte Liste enthält hauptsächlich nichtindustrielle Güter wie Pflanzen, Alkohol und Rohstoffe, deren Ausfuhr entweder aufgrund von EG-Bestimmungen oder wegen ihrer Knappheit in der Bundesrepublik kontrolliert wird. Das AWG beschränkt schließlich auch die Ausfuhr bestimmter Arten von technischen Unterlagen und Dokumenten, die sich auf die Herstellung von Gütern beziehen, die auf der „Internationalen Strategischen Liste" aufgeführt sind.

Nach dem deutschen Exportlizenzsystem haben sich die Unternehmungen wegen der Ausstellung von Exportgenehmigungen zunächst an das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft in Frankfurt/Main zu wenden. Wenn eine solche Genehmigung weiterer Prüfung bedarf, wird der Antrag an das; Bundeswirtschaftsministerium weitergeleitet. Dieses Ministerium arbeitet mit dem Auswärtigen Amt und dem Verteidigungsministerium bei der Entscheidung darüber zusammen, ob der Antrag dem CoCom vorgelegt werden sollte. Wird ein solcher Fall aus Deutschland dem CoCom unterbreitet und dort nach dem Verfahren über Ausnahmegenehmigungen behandelt, vergehen etwa drei Monate bis zu einer Entscheidung, es sei denn, daß amerikanische Wiederausfuhrgenehmigungen erforderlich sind. In diesem Fall kann das Verfahren bis zu zwei Jahren dauern.

Soweit das Wirtschaftsministerium betroffen ist, sind die Entscheidungskriterien dafür, ob eine Genehmigung erteilt werden kann oder ob das CoCom eingeschaltet werden sollte, die Endnutzung, die mögliche militärische Verwendung, die Art der Technologie sowie der Gesichtspunkt, ob die betreffende Ware schon einmal an kommunistische Länder verkauft worden ist. Dies sind Kriterien, die auch im CoCom-System festgeschrieben worden sind.

Für das Auswärtige Amt sind die politischen Gesichtspunkte am wichtigsten. Jedoch dürfen „politische" Überlegungen nicht dazu führen, daß die Technologietransferpolitik irgendwelchen gerade aktuellen außenpolitischen Ereignissen untergeordnet wird. In diesem Sinne hat das Auswärtige Amt 1979 dementiert, daß die Bundesrepublik jemals Exporte in die UdSSR von innerrussischen Entwicklungen abhängig machen würde. Es gibt auch keine gesetzliche Grundlage für Bonn, Exportgenehmigungen auf Grund von lediglich innersowjetischen Ereignissen zu verweigern. Das Auswärtige Amt kann jedoch ein Verbot aussprechen, wenn es der Ansicht ist, daß die Ausfuhr eines bestimmten Produkts internationale Konflikte verschärfen und so die deutsche Sicherheit gefährden könnte.

Kreditregelungen Westdeutschland hat Kreditbestimmungen, die von denen anderer westlicher Länder abweichen. Die Bundesregierung subventioniert zwar offiziell die Kreditzinsen nicht, andererseits gibt es mehrere informelle Wege, auf denen die Regierung die kommerziellen Zinssätze beeinflussen kann. Im allgemeinen sind gleichwohl die westdeutschen Zinssätze höher als die der anderen NATO-Länder, und die Osteuropäer beklagen sich häufig darüber. Gelegentlich, wie etwa bei den Vereinbarungen über die Lieferung von Rohren gegen Erdgas, räumen zwar die Banken einen Zinssatz ein, der unter dem normalen Marktsatz liegt, aber die Unternehmungen belasten dafür andererseits die Sowjets mit höheren Produkt-preisen und vergüten dann den Banken die Differenz zwischen dem Marktzins und dem effektiv vereinbarten Satz. Kommerzielle Bankkredite stehen den kommunistischen Ländern unmittelbar zur Verfügung; die Regierung übernimmt für sie die Bürgschaft. 1974 gab es eine umfänglichere Debatte darüber, ob die Regierung die Zinssätze subventionieren sollte; es wurde jedoch beschlossen, die bisherige Politik beizubehalten, wobei die Wirtschaft die Regierung bei dieser Entscheidung unterstützte. Gegenwärtig sind also kommerzielle langfristige Kredite an die kommunistischen Länder durch Bürgschaften gesichert. Diese werden von der Hermes Kreditversicherungs-AG verwaltet, einer Privatfirma, die im Auftrag der Regierung tätig wird. Ein zwischenbehördliches Regierungskomitee trifft sich alle zwei Monate mit Vertretern der Banken und der Industrie, um die Exportkreditentscheidungen zu diskutieren.

Die Bundesrepublik Deutschland und das CoCom Die Bundesrepublik Deutschland verfolgt eine Politik des Ost-West-Handels und des Technologietransfers, die durch ihre besonderen wirtschaftlichen und politischen Interessen im Rahmen ihrer Ostpolitik mitbestimmt, andererseits jedoch auch von den CoCom-Ent-scheidungen abhängig ist. Die für diesen Bereich verantwortlichen Beamten in der Bundesrepublik stimmen darin überein, daß das CoCom notwendig und nützlich sei. Niemand in Bonn bestreitet die Notwendigkeit, militärisch wichtige Technologie mit einem Embargo zu belegen. Darüber hinaus glaubt man in Bonn, daß, wenn es die Institution des Co-Com nicht gäbe, die Japaner die Ausfuhr von strategisch wichtigen Technologien in die osteuropäischen Staaten nachlässiger handhaben würden, weil Tokio sich durch so weit entfernte Länder nicht bedroht fühlt. Die Deutschen unterstützten auch das Prinzip, die westliche Exportpolitik in einer multilateralen Organisation zu koordinieren. Trotz der Zustimmung zu den Zielen der CoCom betonen aber viele deutsche Offizielle, daß das Co-Com reformbedürftig sei und insbesondere nicht so schwerfällig wie bisher bleiben dürfe, daß mehr Gleichberechtigung bei der Aufstellung der Industrieliste anzustreben sei und diese Liste insofern revidiert werden müsse, als man den beträchtlichen technologischen Fortschritt in Osteuropa zu berücksichtigen habe.

Die am häufigsten von deutscher Seite vorgebrachten Kritikpunkte betreffen das CoCom nicht selbst, sondern die amerikanische Rolle in dieser Organisation, und hier wiederum besonders die erheblichen Entscheidungsverzögerungen, die mit Wiederausfuhrgenehmigungen verbunden sind, ferner auch die Widersprüchlichkeiten der amerikanischen Politik auf diesem Gebiete. Wenn ein deutsches Unternehmen ein Produkt ausführen möchte, das technologische Bestandteile amerikanischen Ursprungs enthält, muß es nicht nur einen Exportgenehmigungsantrag in Deutschland stellen, sondern sich außerdem eine amerikanische Wiederausfuhrgenehmigung beschaffen. Dauer und Ausgang dieser Prozedur sind oft nicht voraussehbar, denn die amerikanischen nationalen Exportkontrollisten sind strenger als die CoCom-Listen, zudem können Genehmigungen auch aus aktuellen außenpolitischen Gründen versagt werden. Die amtlichen Stellen in Bonn haben außerdem das Gefühl, daß die verschiedenen Behörden innerhalb der amerikanischen Regierung, die mit Exportgenehmigungsfragen befaßt sind, nicht hinreichend koordiniert sind und daß sich dadurch die Probleme der Verzögerung und Unvorhersehbarkeit noch verschärfen, überdies sind die amerikanischen Kriterien für Ausfuhrgenehmigungen den Bonner Stellen nicht immer klar. Vorherrschende Ansicht in der Bundesrepublik Deutschland scheint zu sein, daß die amerikanischen Listen stärker mit den CoCom-Listen in Einklang gebracht werden müßten; daß das Genehmigungsverfahren in Washington rationalisiert werden sollte und die Kriterien für Wiederausfuhrgenehmigungen nicht von der jeweiligen Situation auf dem Gebiet der Menschenrechte in der Sowjetunion bestimmt werden dürfen. Mit etwas Verwirrung weisen die deutschen Stellen auf das widersprüchliche Verhalten des damaligen amerikanischen Präsidenten hin, der zunächst — im Juli 1978 — der Firma Sperry Univac eine Exportgenehmigung verweigerte und diese Entscheidung dann im April 1979 durch eine gegenteilige ersetzte. Solche Entwicklungen, meinen die Deutschen, tragen nicht eben zum guten Funktionieren des Co-Com bei.

Trotz ihrer Vorbehalte gegenüber der amerikanischen Politik im CoCom hat die Bundesrepublik Deutschland sich nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan den amerikanischen Reaktionen angepaßt. Bonn beteiligt sich ferner kooperativ an den Diskussionen über eine Verstärkung der CoCom-Kontrollen beim Computerexport, hat andererseits jedoch — wie auch einige andere europäische Mitglieder des CoCom — dem amerikanischen Ansinnen widerstanden, für jedes einzelne Ost-West-Handelsprojekt eine Obergrenze von 100 Millionen Dollar festzusetzen, weil — so meinen sie — das CoCom eine Organisation sei, die geschaffen wurde, um strategische Exporte zu kontrollieren, nicht aber dazu, den Ost-West-Handel zu begrenzen.

Man hat übrigens in Bonn den Eindruck, daß die kommunistischen Länder keineswegs immer gerade die fortgeschrittenste Technologie zu importieren wünschen, sondern erprobte Technologien oft vorziehen, weil sie leichter zu handhaben sind. Die amtlichen Stellen beziehen sich dabei auf zahlreiche Fälle, in denen die Sowjets ältere Ausstattungen anstelle der modernsten bestellt haben, weil sie sehr wohl wissen, daß ihre Wirtschaft mit der Technologie nach dem letzten Stand noch nicht umgehen kann. (Die betreffenden Stellen in Deutschland sind der Ansicht, daß der Westen einen technologischen Vorsprung gegenüber dem Osten von fünf bis acht Jahren hat.) Hingegen ist die Deutsche Demokratische Republik weit fortgeschrittener und daher auch eher in der Lage, modernste Technologien zu übernehmen und zu integrieren. Sprecher der deutschen Stellen äußern in diesem Zusammenhang, daß es für die Russen zahlreiche andere Wege gibt, sich über westliche Technologien zu informieren, als deren Import, besonders anhand der vielen wissenschaftlichen Zeitschriften, die leicht zu beschaffen sind.

Eine andere westdeutsche Sorge gilt der künftigen Behandlung Chinas innerhalb des Co-Com; man fürchtet, daß das CoCom nicht mehr funktionieren würde, wenn China eine zuvorkommendere Behandlung als die UdSSR bei den Exportkontrollen erfahren würde.

Schließlich glaubt man allgemein, daß wirtschaftliches Eigeninteresse die Wirksamkeit des CoCom fördern könnte. Deutsche Unternehmen agieren oft — aus rein kommerziellen Motiven heraus — als „inoffizielle Wachhunde", die aufpassen, ob etwa die Technologie, die auszuführen ihnen nicht erlaubt wird, nicht doch irgendwo in einem kommunistischen Land auftaucht — geliefert von einem Unternehmen aus einem anderen Land, das die CoCom-Regeln umgangen hat. So gibt es also Selbstregulierungsmechanismen neben den CoCom-Listen, die verhindern, daß irgendwo undichte Stellen nach Osten hin entstehen. Die für diesen Bereich in Deutschland Verantwortlichen sind sich darin einig, daß, wenn aus dem CoCom eine offizielle Organisation gemacht würde, dies seinen Zusammenbruch bedeuten würde, weil andere Mitglieder — vornehmlich Frankreich — nicht bereit wären, eine solche Organisation offiziell anzuerkennen. Hätte man die CoCom-Bestimmungen in den nationalen Parlamenten ratifizieren müssen, so hätte man die Embargopolitik öffentlich diskutieren und begründen müssen, was wiederum ihrer Effizienz sehr geschadet hätte.

Die Bundesrepublik bleibt daher trotz gewisser Differenzen mit den USA über den Ost-West-Technologietransfer eine verläßliche Stütze des CoCom.

Schlußfolgerungen

Auf der Basis von Interviews und Untersuchungen in Westdeutschland, Großbritannien und Frankreich lassen sich folgende Schlußfolgerungen formulieren: — Obwohl das CoCom nur eine informelle Organisation ist, hat sie sich im ganzen bewährt und wird auch weiterhin als Koordinationsstelle für westliche Technologieexporte eine zweckmäßige Einrichtung bleiben. — Wenn das CoCom bei seinen Mitgliedern glaubwürdig bleiben will, müssen seine Verfahrensweisen vereinfacht und so gestaltet werden, daß man die Ergebnisse verläßlicher im voraus einschätzen kann. Die amerikanische Regierung sollte auch die Fristen verkürzen, die bis jetzt üblich sind, um Entscheidungen über Exportgenehmigungen zu fällen. — Washington sollte wissen, daß ein Mißlingen des Bemühens, seine nationalen Entscheidungen und auch die des CoCom von jeweils aktuellen außenpolitischen Erwägungen abzuklammern, die Probleme mit den CoCom-Part-nern verschärfen und Tendenzen bei ihnen verstärken könnte, die Bestimmungen des Co-Com zu umgehen. Die USA könnten letztlich vor die Wahl gestellt werden, entweder den Ost-West-Technologietransfer als möglichen außenpolitischen Hebel in ihren Beziehungen zur UdSSR zu benutzen oder aber die Kooperation des Bündnisses auf dem Gebiet des Ost-West-Handels zu erhalten.

— Das CoCom sollte weiterhin alle kommunistischen Länder (mehr oder weniger) gleich behandeln, obwohl die CoCom-Regeln es an sich gestatten, jedem Land gegenüber unterschiedlich zu agieren. Man sollte vor allem keine auffällige „China-Ausnahme" machen und damit das Exportkontrollniveau im Handel mit Peking senken, weil dies zu Meinungsverschiedenheiten und Streit innerhalb der Organisation führen muß.

— Das CoCom muß eine informelle Organisation bleiben. Jeder Versuch, es in eine offizielle Institution umzuwandeln, würde sein Ende bedeuten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. N. Spulber, East-West Trade and the Paradoxes of the Strategie Embargo, in: A. Brown and G. Neuberger (Hrsg.), International Trade and Central Planning, Berkely 1968, S. 121.

  2. Vgl. A. Stent Yergin, The Political Economy of West German-Soviet Relations, 1955— 1973, Ph. D. Dissertation, Cambridge 1977, Kapitel 5.

  3. An Analysis of Export Control of U. S. Technology — A DOD Perspective. A Report of the Defense Science Board Task Force on the Export of U. S. Technology (= Bucy-Report), Washington 1976, S. 24.

  4. R. N. Davis, The Department of Defense Statement on Critical Technology for Export Control. Statement Before the Subcommittee on International Economic Policy and Trade, Committee on Foreign Affairs of the United States House of Representatives, 22. März 1973.

  5. J. P. Young, Quantification of Western Exports oi High Technology Products to Communist Nations; U. S. Department of Commerce, Washington 1977, S. 15 ff.

Weitere Inhalte

Angela Stent, Prof. Dr., geb. 1947, Department of Government, Georgetown University, Washington; Associate: Harvard University Russian Research Center und The Washington Center of Foreign Policy Research. Veröffentlichungen u. a.: Ostpolitik and Trade, Cambridge 1981 (erscheint im Herbst 1981 in deutscher Übersetzung: „Wandel durch Handel? Die deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen 1955— 1980"); East-West Technology Transfer: European Perspectives, The Washington Papers, No. 75; West Germany's Süd-politik. Social Democrats and Eurocommunism, Orbis, Vol. 23, No. 1, Spring 1979.