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„Neue Weltwirtschaftsordnung" und „Weltwirtschaftsrecht | APuZ 20/1981 | bpb.de

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APuZ 20/1981 Artikel 1 „Neue Weltwirtschaftsordnung" und „Weltwirtschaftsrecht Unzureichende Effizienz-und Erfolgskontrolle im UNO-System. Das Beispiel der Welternährungsorganisation (FAO)

„Neue Weltwirtschaftsordnung" und „Weltwirtschaftsrecht

Thomas Wälde

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Zusammenfassung

Mit der vorliegenden Arbeit versucht der Verfasser, die Bedeutung der rechtlichen Dimension des Konzeptes einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung" darzustellen. Rechtlichen Regelungen fällt bei der Organisation wirtschaftlicher Interaktion zwischen Industrie-und Entwicklungsländern vor allem die Aufgabe zu, die notwendige Stabilität langfristiger Kooperations-Projekte zu erhöhen. Dabei sind vor allem zwei Ebenen zu unterscheiden, auf denen Rechtsformen und Rechtsnormen den Entwicklungsprozeß im Rahmen internationaler Arbeitsteilung beeinflussen: Auf der Ebene des Völkerrechts entstehen in Form der Verhaltenskodizes und vom Konsens getragener UN-Resolutionen neue rechtliche Regelungen, die teilweise das von der westlichen Welt getragene klassische Völkerrecht ablösen. Hier geht es darum, ein System eines internationalen Wirtschaftsentwicklungsrechtes zu schaffen, das aufgrund seiner universalen Akzeptierbarkeit und Geltung die Entwicklungsländer zu gleichberechtigten Partnern macht. Neben dieser völkerrechtlichen Dimension eines Weltwirtschaftsrechts ist den Rechtsformen eine besondere Bedeutung zuzumessen, welche die unmittelbaren Projektbeziehungen zwischen Unternehmen und Staaten regeln. Hier bilden sich neben der klassischen Direktinvestition neue Formen langfristiger, vertraglich organisierter Projekt-Kooperation heraus. Diese Rechtsformen sind jedoch einem Test auf ihre „Entwicklungseignung" zu unterziehen. Dabei stellt sich heraus, daß die Eigenart des Entwicklungsprozesses — Infrastrukturschwächen, Verhandlungsunterlegenheit, Verwundbarkeit sich noch entwickelnder Wirtschaftssysteme — eine besondere Rücksicht in dem Inhalt der Rechtsformen der Projekt-Kooperation erfordern. Der Verfasser weist darauf hin, daß in den entstehenden rechtlichen Regelungen für die Nord-Süd-Wirtschaftsbeziehungen Entscheidungen notwendig sind, wie sie in Deutschland etwa zur Korrektur ungleichgewichtiger Verhandlungsmacht im Rahmen einer sozialen Marktwirtschaft erforderlich waren. Ein Weltwirtschaftsrecht, das die Programmatik einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung" konkretisiert, muß den Schutz und die Förderung der Wirtschaftsentwicklung der Staaten der Dritten Welt besonders im Auge haben. Schließlich ist zu bezweifeln, ob der exzessive Legalismus der Industriestaaten für die Dritte Welt überall ein taugliches Rezept darstellt. Die Suche nach neuen Rechtsformen muß sich deswegen von einem vorherrschenden Eurozentrismus trennen und ein gegenseitiges Lernen — von Nord nach Süd, aber auch von Süd nach Nord — ermöglichen.

I. Konzeption und rechtliche Dimension einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung"

Die Konzeption einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung'', in den Sondergeneralversammlungen der Vereinten Nationen 1974 und 1975 zum Ausdruck gebracht, stellt das Leitthema der politischen Diskussion zwischen Industrie-und Entwicklungsländern über die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Nord und Süd dar. Diese Konzeption hat viele Facetten: Einige Interpretationen rücken die vollständige Umstrukturierung der gegenwärtigen Nord-Süd-Wirtschaftsbeziehungen in den Vordergrund mit dem Ziel, den Entwicklungsländern das Aufholen mit der entwickelten Welt und die vollständige Gleichberechtigung zu ermöglichen. Andere Interpretationen — sie können sich weniger auf das rhetorische Beiwerk als auf die inhaltlichen Forderungen stützen, die mit der „Neuen Weltwirtschaftsordnung" verbunden sind — sehen in der Konzeption eher ein Programm, durch Reformen an internationalen Institutionen und Abkommen die Wirtschaftsentwicklung der Dritten Welt zu fördern und ihre Integration in das bestehende Weltwirtschaftssystem zu erleichtern. Am hilfreichsten für das Verständnis dieser schillernden Konzeption ist vielleicht eine Interpretation, die die „Neue Weltwirtschaftsordnung''als den von Entwicklungsländern vorgetragenen Versuch ansieht, wesentliche Elemente der gegenwärtigen Struktur der Nord-Süd-Wirtschaftsbeziehungen zur Diskussion auf die internationale Tagesordnung zu bringen. Damit wird klar, daß es sich tatsächlich weniger um ein konsistentes Programm zur Neuordnung des Weltwirtschaftssystems noch um das einzige Problem der Wirtschaftsentwicklung in der Dritten Welt handelt, als vielmehr um ein Programm zur Diskussion über diejenigen Fragen, die die internationalen Abhängigkeiten des Entwicklungsprozesses in den Staaten der Dritten Welt von Strukturen des Weltwirtschaftssystems betreffen. Mit Karl Sauvant kann man folgende Faktoren des historischen Kontextes der „Neuen Weltwirtschaftsordnung''hervorheben: — die Evolution des politischen Unabhängigkeitsstrebens zu einem Streben nach wirtschaftlicher Gleichberechtigung, zumindestens nach geringerer einseitiger Abhängigkeit; — die Enttäuschung über die Ergebnisse der Entwicklungsanstrengungen der sechziger Jahre und das Versagen aller Modelle, die eine Industrialisierung in kürzesten Zeiträumen versprechen;

— die Entwicklung der Bewegung der Blockfreien zu einer internationalen „Partei“ der Entwicklungsländer mit dem Ziel einer Umgestaltung des Weltwirtschaftssystems zu ihren Gunsten;

— die Politisierung der Entwicklungsproblematik und damit die volle Einbeziehung der Staaten in die Verantwortung für Wirtschaftsbeziehungen; — das wachsende Selbstbewußtsein einer Dritten Welt im Umgang mit den Industriestaaten. Die folgende Untersuchung konzentriert sich auf die rechtliche Dimension der „Neuen Weltwirtschaftsordnung''. Die rechtliche Dimension des Prozesses wirtschaftlicher Integration und wirtschaftlicher Entwicklung, wie er in der Dritten Welt und zusammen mit den Industriestaaten stattfinden soll, hat für die Qualität dieses Prozesses eine erhebliche Bedeutung: Die Erfahrung der Wirtschaftsentwicklung der westlichen Industriestaaten — etwa Englands, Frankreichs, Deutschlands und den USA — im 19. Jahrhundert weist darauf hin, daß die Entstehung eines dem Wirtschaftssystem entsprechenden Rechtssystems für die Wirtschaftsentwicklung maßgeblich war; man mag sich dabei entsprechend dem Streit über das Verhältnis von rechtlichem Oberbau und ökonomischer Basis uneins darüber sein, ob die Entwicklung eines einheitlichen, entwicklungsfördernden Rechtssystems die Ursache oder eine notwendige bzw. günstige Begleitbedingung für die wirtschaftliche Entwicklung ist. Ein Hinweis für die positive, fördernde Wirkung rechtlicher Regelung im Prozeß internationaler Wirtschaftsintegration folgt ebenfalls aus der Geschichte sich integrierender Wirtschaftsregionen — vom deutschen Zollverein über das „interstate commerce law" der USA bis zu gegenwärtigen Integrationsprozessen in der EG, im RGW oder im Anden-Pakt. Eine genaue Analyse der Funktion der Rechtsformen im Prozeß wirtschaftlicher Entwicklung und Integration ist schwer zu leisten; einige Hypothesen für die Wirkung rechtlicher Instrumente auf den Prozeß der Wirtschaftentwicklung lassen sich jedoch formulieren:

Der entscheidende Beitrag rechtlicher Instrumente besteht wahrscheinlich darin, daß die Stabilität von Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Tätigkeit, aber auch von Koordinationsversuchen zwischen den Akteuren erhöht wird. Je langfristiger und komplexer ein Projekt wirtschaftlicher Zusammenarbeit, desto mehr wächst die Rolle von Stabilität. Denn ohne eine einigermaßen gesicherte Stabilität wichtiger Rahmenbedingungen und vertraglicher Abmachungen können langfristige Kooperationsvorhaben nicht unternommen werden. Dies gilt auch für die Funktion von Rechtsformen, solche Organisationsinstrumente zur Institutionalisierung von Kooperation (Gesellschaft; Vertrag) zur Verfügung zu stellen, im Rahmen derer sich langfristige und komplexe Interdependenzen einigermaßen stabil organisieren lassen.

Diese Aufgabe, Stabilität für Nord-Süd-Wirtschaftskooperation zu erhöhen, hat zu erheblichen Kontroversen um das Wirtschaftsrecht der Nord-Süd-Beziehungen geführt: Industriestaaten machen sich seit langem eine sehr starre Auffassung von Stabilität — unter dem Stichwort „Investitionssicherheit'— zu eigen. Sie verlangen damit von Entwicklungsländern, sich einem postulierten Rechtsprinzip der „Absoluten Vertragstreue“ zu beugen, selbst wenn solche langfristigen Verträge in einer Zeit erheblicher Verhandlungsschwäche des Entwicklungslandes geschlossen waren und wenn erhebliche Änderungen inzwischen den Vertrag obsolet und ungleichgewichtig erscheinen lassen.

Die Dritte Welt hat — unter Berufung vor allem auf die „Neue Weltwirtschaftsordnung" — dem Grundsatz der „Investitionssicherheit“ die Konzeption der „Absoluten Staatssouveränität' entgegengesetzt. Unter Berufung auf den in den Prinzipien der „Neuen Weltwirtschafts-Ordnung"verankerten Grundsatz der „Ständi gen Souveränität über natürliche Ressourcen'

hat sie ein unbeschränktes Recht der Entwick lungsländer auf Nationalisierung und Revi.

sion bestehender Investitionsverträge postuliert. Eine Lösung dieses Konfliktes, beispielhaft für viele andere Fragen der „rechtlichen Dimension" einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung", setzt voraus, daß die Funktion der Rechtsform nicht mehr als Förderung einer starren Unabänderlichkeit einmal abgeschlossener Verträge begriffen wird, sondern als Schaffung und Verwendung rechtlicher Instrumente, die das prekäre Gleichgewicht zwischen notwendiger Stabilitätserwartung und unabdingbarer Anpassung stabilisieren. Die starre, oft gebetsmühlenhaft wiederholte Formel von der „Investitionssicherheit" wäre deswegen zu ersetzen durch eine Konzeption der „dynamischen Stabilität", die den Interessen der Nord-und der Süd-Partner einer Wirtschaftskooperation Rechnung trägt und dadurch zur Basis eines Konsenses werden kann.

Bei all diesen grundsätzlichen Überlegungen darf man jedoch die Rolle der Rechsformen bei der Wirtschaftsentwicklung, und besonders bei der Organisation wirtschaftlicher Interdependenz im Nord-Süd-Verhältnis nicht überschätzen: Was rein nationale Rechtsformen betrifft, die nur die inländische Wirtschaftsentwicklung betreffen, so hängen Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit erheblich davon ab, ob sie sich in das sozio-ökonomische System des Entwicklungslandes integrieren oder nur ein importierter Fremdkörper bleiben. In vielen Staaten der Dritten Welt wird dies der Fall sein. Allerdings darf man nicht aus den Augen verlieren, daß die „Rezeption", d. h. Import und eigenständige Verarbeitung nichtnationaler Rechtsformen — etwa des Römischen Rechts — auch in der europäischen Wirtschafts-und Staatsentwicklung eine erhebliche Rolle gespielt hat. Nur kann man nicht erwarten — wie in vielen anderen Prozessen der Entwicklung —, daß eine solche Rezeption innerhalb weniger Dekaden aus den importierten Rechtsformen wirksame rechtliche Strukturen zur Förderung nationaler Wirtschaftsentwicklung macht. Schließlich darf man auch nicht vergessen, daß das Entstehen von Systemen modernen Rechts in Begleitung der Industrialisierung nicht naturnotwendig ist, sondern auch spezifische soziale und kulturelle Vorbedingungen der europäischen Welt spiegelt. In anderen Gesellschaftssystemen, etwa in Japan und weiteren asiatischen Staaten, scheint die Industrialisierung weitgehend ohne jene legalistischen Strukturen sich abgespielt zu haben, die wir in den westlichen Staaten kennen.

Gleichwohl läßt sich aus dieser Relativierung eines eurozentrischen Rechtsdenkens nicht folgern, daß die rechtliche Dimension der „Neuen Weltwirtschaftsordnung" letztlich doch keine große Bedeutung für die Entwicklung der Dritten Welt haben könne. Denn die Relativierung der Funktion der Rechtsform im Rahmen wirtschaftlicher Entwicklung bezieht sich primär auf die interne Dimension des Prozesses nationaler Entwicklung. Die „Neue Weltwirtschaftsordnung" und die ihr zuzuordnende Suche nach neuen Rechtsformen der internationalen Wirtschaftsbeziehungen richten sich demgegenüber fast ausschließlich auf die internationale Dimension weltwirtschaftlicher Beziehungen. Diese internationale Ebene wird weitgehend von Rechtsformen strukturiert, und zwar sowohl auf der Ebene internationaler Organisationen, zwischenstaatlicher Beziehungen als auch der konkreten Projekt-organisation und der Handelsbeziehungen, die im legalistischen Rechtsdenken der westlichen Gesellschaft entstanden sind und die diesen Ursprung nicht verleugnen.

Den Entwicklungsländern bleibt demnach nur übrig, sich auf eine Änderung dieser Rechtsformen einzulassen. Ein vollständiger Rückzug aus der vom westlichen Rechtsdenken beherrschten Weltkultur wird zwar immer wieder versucht — meistens im Rahmen eines radikalen internen Systemwandels, regelmäßig unter Berufung auf ideologisch oder religiös geprägte Versuche kultureller Emanzipation und Identitätsfindung —, die Staaten der Dritten Welt werden jedoch auf längere Sicht nicht auf die Organisationsfähigkeit rechtlicher Regelungsformen verzichten können. Der Grund mag vor allem darin liegen, laß kaum ein Staat ohne internationale Wirtschaftsbeziehungen (Technologietranser; Rohstoffzufuhr; Export und Import; Kapialzufuhr) sein eigenes Entwicklungsprogramm durchführen kann und daß für komplecere und langfristigere Kooperationsvorhaben lie stabilisierende Kraft rechtlicher Formen zur Organisierung der geplanten Interdependenz kaum ersetzt werden kann.

Max Weber hat auf den notwendigen Zusammenhang zwischen bürokratisch organisierten Entscheidungsprozessen und der formalen Rationalität der Rechtsform hingewiesen. Wenn man davon ausgeht, daß komplexere Vorhaben der wirtschaftlichen Zusammenarbeit nur unter vollem Einsatz modern — und damit bürokratisch-formal — organisierter Entscheidungsprozesse vonstatten gehen können — sowohl beim Staat als bei Unternehmen —, so zwingt dieses Bedürfnis die Teilnehmer von Großvorhaben dazu, ihre Planungserwartungen und Koordinationserfordernisse auf gemeinsam akzeptierte rechtliche Instrumente abzustützen. Die steigende Bedeutung der Finanzierung und das entsprechende Drängen der Banken auf rechtlich abgesicherte Projekt-planungen in Vertragsform sprechen ebenso für das Vordringen der Rechtskultur westlicher Provenienz in den Nord-Süd-Wirtschaftsbeziehungen wie das in der Sache identische Verhalten der staatssozialistischen Unternehmen, für die eine rechtlich abgesicherte Kooperationsform — regelmäßig durch ein. Netzwerk von zwischenstaatlichen Abkommen und Projektvertrag — unabdingbare Voraussetzung für stabile Wirtschaftsbeziehungen ist.

Im Ergebnis muß daher die Konzeption einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung" bedeuten, daß Entstehungs-und Verwendungsbedingungen der im Nord-Süd-Wirtschaftsverkehr eingesetzten rechtlichen Instrumente den Eintritt der Entwicklungsländer als selbständige Akteure des Weltwirtschaftssystems reflektieren müssen. Dies verlangt eine Evolution dieser Instrumente und Institutionen zu einem Weltwirtschaftsrecht, das einmal die Aufgabe hat, die Wirtschaftsentwicklung der Dritten Welt voranzutreiben, das aber vor allem eine gleichberechtigte Kooperation zwischen Nord und Süd organisieren soll und das schließlich — und dieser Aspekt gerät in der Nord-Süd-Debatte oft zu kurz — eine größere Kooperation zwischen den Entwicklungsländern auf der Süd-Süd-Ebene fördern soll.

II. Die Nord-Süd-Debatte im internationalen Wirtschaftsrecht

ie rechtliche Dimension der Diskussion um lie „Neue Weltwirtschaftsordnung" konzenriert sich vor allem auf die Beziehung des Entwicklungslandes zu ausländischen Unternehnen. Dieses Verhältnis ist deswegen zum An-satzpunkt rechtlicher Kontroversen in politischer Form — und politischer Kontroversen in rechtlicher Form — geworden, weil sich die Kritik der Dritten Welt an einer sie benachteiligenden Struktur des Weltwirtschaftssystems an den ausländischen Unternehmen als unmittelbar sichtbaren Transmissionsriemen weltwirtschaftlicher Abhängigkeiten entzündet Die gegenwärtige — und die politisch eingeforderte — Transformation des Weltwirtschaftssystems muß ebenso zu einer Transformation derjenigen rechtlichen Regelungen führen, die einen Bezug zur Organisation „transnationaler" Wirtschaftskooperation haben. Dies drückt sich aus — auf der Mikro-Ebene der Unternehmenskooperation — in der Entwicklung der klassischen Rohstoffkonzession zum Projektvertrag transnationaler Wirtschaftskooperation. Gleiches gilt aber auch für das Makro-Verhältnis, d. h. die internationale Rahmenordnung der Wirtschaftsbeziehung auf Projektebene. Den kontroversen Positionen auf beiden Ebenen soll im folgenden nachgegangen werden.

Investitionsschutz versus absolute Staats-souveränität: Die Kontroverse auf der Ebene des Wirtschaftsvölkerrechts

Das klassische Völkerrecht entstand im Schoße der europäischen Völkerfamilie. Seine — wenig präzisen — Regeln mit Bezug auf internationale Wirtschaftsbeziehungnen drükken das gemeinsame Interesse dieser Staaten an gleichberechtigter Wirtschaftszusammenarbeit aus. Seine Fortentwicklung bis zur heutigen Zeit wird bestimmt durch die Betonung des Investitionsschutzes, d. h.den Versuch, rechtliche Normen zu entwickeln, die den Gaststaat verpflichten, ausländischen Investoren einen besonderen Schutz angedeihen zu lassen. Im Vordergrund dieses Investitionsschutzkonzeptes steht der Versuch, Verträge zwischen Investoren und Gaststaaten — an sich schon ein Indiz für die geringe Verhandlungsmacht des Gaststaates gegenüber einem multi-oder transnationalen Unternehmen — nur noch dem Wirtschaftsvölkerrecht zu unterstellen, und zwar in der Form, daß nach Abschluß des Vertrages der Gaststaat jede Regelungsbefugnis im Hinblick auf das Vertrags-projekt verliert. Ein Eingriff des Gaststaates in das Investitionsvorhaben — etwa Erhebung neuer Steuern, Importbeschränkungen, Verpflichtung zu Beiträgen zur nationalen Wirt-Schaftsentwicklung, Neuverhandlung ode Nationalisierung — wird damit zum Völker rechtlichen Delikt und macht den Gaststaa entschädigungspflichtig. Bilaterale Investi. tionsschutzabkommen bestärken diesen Schutz und drücken die fast ausschließliche Ausrichtung auf den Schutz des Investors aus Diese rechtlichen Konzeptionen werden er gänzt durch Sanktionsmöglichkeiten vielfältiger Art (Kreditsperre; Entwicklungshilfe-sperre; Blockade von Absatzmöglichkeiten; Sanktionen intensiverer und politischerer Natur), denen die rechtliche Ebene wiederum Legitimationsmöglichkeiten liefert.

Die Entwicklungsländer haben diesen Positionen des westlichen Völkerrechts eine konkurrierende Konzeption entgegengestellt; diese Position stellt vor allem auf die absolute und unbeschränkte Souveränität der Staaten ah über ihre Wirtschafts-und vor allem Rohstoff. politik selbständig zu entscheiden. Implizit bedeutet diese Position, daß der Staat das Recht besitzt, jederzeit ausländisches Eigentum zu nationalisieren und eingegangene Verträge unter Berufung auf überwiegende Gemeininteressen abzuändern. In der bilateralen Ab kommenspraxis haben nur wenige Staaten in relativ günstigen Verhandlungspositionen diese Position auch vollständig durchsetzen können; die oft zugestandenen Investitionsschutzabkommen bezeugen dies. Aus diesem Grund haben die Entwicklungsländer vor allem die Vollversammlung der Vereinten Nationen mit dem ihnen günstigen Mehrheitsverhältnis benutzt, um als Gemeinschaft der Dritten Welt ihre alternative Position zu formulieren und sie mit der ihnen zur Verfügung stehenden Legitimität auszustatten.

Unter Juristen ist die derzeitige Situation umstritten. Während die Vertreter der Dritten Welt zum Teil davon ausgehen, daß mit den Resolutionen der UN-Vollversammlung bereits ein neues internationales Wirtschaftsrecht entstanden ist, gehen die westlichen Regierungen — und ein Teil der dort beheimateten Völkerrechtler — davon aus, daß den Resolutionen der UN-Vollversammlung keine rechtsschöpfende Wirkung zukommt, allenfalls sieht man in ihnen ein Indiz für die Meinungsbildung der Weltgemeinschaft. Konsensfähig wird wahrscheinlich eine Kompromißlösung sein: Man wird heute kaum noch abstreiten können, daß die überwiegende Mehrheit der Staaten mit den Resolutionen; der UN-Vollversammlung die Verbindlichkeit des klassischen, von ihnen nicht geschaffenen und nicht getragenen Völkerrechts der westliB chen Staaten wirksam zurückgewiesen hat; mangels eines Konsenses zwischen investierenden und investitionsempfangenden Staaten kann jedoch in diesen Resolutionen noch kein neues, allseits verbindliches Weltwirtschaftsrecht gesehen werden. Allenfalls lassen sich in einigen Bereichen Anzeichen dafür ablesen, wohin der rechtsschöpfende und in den Resolutionen formalisierte Konsens der Welt-

gemeinschaft sich entwickelt. Solche Anzeichen können wir vor allem in den gegenwärtig verhandelten „Verhaltenskodizes" sehen. Mit einem Verhaltenskodex für transnationale Unternehmen, für Technologietransfer, für Wettbewerbsbeschränkungen versuchen Industrie-und Entwicklungsländer, gemeinsam akzeptierte Grundregeln der internationalen Wirtschaftsbeziehungen niederzulegen. Gelingt es, einen solchen Verhaltenskodex zu verabschieden, und die Chancen stehen recht gut. so mag dieser zwar formell keine Rechtsverbindlichkeit erhalten. Da aber im Konflikt zwischen westlichem Völkerrecht und den konkurrierenden Konzeptionen der Dritten Welt keine Einigung erreicht ist und da deswegen ein allgemein verbindliches und allseits akzeptiertes internationales Wirtschaftsrecht nicht (mehr) besteht, wird man im Zweifelsfall auf die Grundnormen künftiger Verhaltenskodizes als Ausdruck akzeptierter verbindlicher Wertvorstellungen — und damit de facto als neues Weltwirtschaftsrecht — zurückgreifen.

Freilich darf die praktische Wirksamkeit der Diskussionen und der langwierigen Prozesse der Normerzeugung auf der Ebene des internationalen Wirtschaftsrechts nicht überschätzt werden: Die Regeln des Wirtschaftsvölkerrechts betreffen grundsätzlich nur Pflichten der Staaten und üben keinen unmittelbaren Einfluß auf den Ablauf konkreter Investitionsprojekte aus. Ob Normen traditioneller oder moderner Provenienz: die Notwendigkeit des Kompromisses zwischen sehr vielen und sehr wenig homogenen Staaten resultiert im Regelfall in recht unbestimmt formulierten Grundsätzen, deren Auslegung weitgehend den zuvor bestehenden Meinungsunterschied widerspiegelt. Wenn auch die Normen des internationalen Wirtschaftsrechts keinen unmittelbaren Effekt auf den tatsächlichen Ablauf der Wirtschaftsbeziehungen ausüben, so ist ihnen freilich eine indirekte, vermittelnde Wirkung nicht abzusprechen: So besteht einmal zwischen dem Prozeß der Evolution eines konkurrierenden Völker-rechts der Dritten Welt in den Vereinten Nationen und den Erfahrungen und nationalen Gesetzgebungen der Entwicklungsländer ein enger Rückkopplungsprozeß, in dem Erfahrungen aus beiden Ebenen sich anregen und überprüfen. In Verhandlungen zwischen transnationalen Unternehmen und Entwicklungsländern über konkrete Investitionsprojektverträge üben die Normvorstellungen — seien es die der Dritten Welt, der westlichen Völkerrechtslehre oder die bereits formulierten Konsenspositionen — einen Einfluß aus, und zwar dadurch, daß im Falle der Kontroverse ein projektspezifischer Kompromiß zwischen ihnen zu suchen ist, oder dadurch, daß sie Möglichkeiten des Kompromisses bereits vorformulieren. In Streitigkeiten über das Investitionsvorhaben — sei es zwischen Staat und Unternehmen vor einem Schiedsgericht, oder sei es zwischen Gast-und Heimatstaat — bietet es sich schließlich an, mangels für beide Parteien gemeinsam verbindlicher Rechtsnormen auf ein vom Konsens getragenes internationales Wirtschaftsrecht zurückzugreifen. Insgesamt ist es also mehr die Funktion, Erwartungen zu definieren, Entscheidungsstandards zu formulieren und gemeinsame Wertvorstellungen festzulegen, welche den Einfluß des entstehenden internationalen Wirtschaftsrechts auf die konkreten Projektbeziehungen des Weltwirtschaftssystems ausmacht.

Ein transnationales Recht der Projektverträge: Sonderschutz für Entwicklungsländer?

Die Diskussion hat sich bisher vor allem auf die völkerrechtliche Dimension der „Neuen Weltwirtschaftsordnung“ konzentriert. Von erheblich größerer Bedeutung für die Wirtschaftsentwicklung der Dritten Welt ist es jedoch aller Voraussicht nach, wie die konkreten Projektbeziehungen zwischen dem Entwicklungsland und dem ausländischen Unternehmen, sei es in der Rolle als Investor oder als Kontraktor, geregelt werden. Hier versuchen die Gaststaaten zunächst, mit ihrem nationalen Recht — insbesondere in Form von Investitions-, Zoll-, Steuer-und Kapitaltransferrecht — auf die rechtliche Regelung der Projektbeziehung Einfluß zu nehmen. Jedoch ist die Reichweite und die tatsächliche Geltungskraft dieser nationalen Regelungsmacht durch die Verhandlungsmacht des jeweiligen Staates begrenzt: Während ein relativ einflußreicher Staat — etwa Brasilien oder die Erdöl-produzenten — seine Rechtsvorstellungen noch weitgehend durchsetzen kann, sind schwächere Entwicklungsländer dazu viel weniger im Stande. Sie sind oft gezwungen, auf die Konditionen des ausländischen Unternehmens einzugehen, mangels Kenntnis oder mangels Existenz ihnen günstiger Konditionen oder vor allem, weil sie sonst auf die für sie wesentliche Investition des transnationalen Unternehmens verzichten müssen.

Die Konzeption einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung" hat für diesen Bereich Konsequenzen: Die derzeitig verwendeten Rechtsformen zur Organisation der Projektkooperation (Investitionsverträge; Joint Venture-Verträge; Anlagenverträge; Beratungsverträge; Managementverträge; Verträge der Industrie-Kooperation) beruhen meistens auf Modellen, die sich in den Wirtschaftsbeziehungen der Industriestaaten untereinander entwickelt haben. Für die spezifischen Schwächen und Bedürfnisse der Entwicklungsländer — mit Wirtschaftssystemen sehr empfindlicher Natur, die sich in einem Prozeß sehr beschleunigter Transformation befinden — sind diese Rechtsformen der Projektkooperation häufig ungeeignet. Diese Vertragsformen beruhen zudem häufig auf Arbeiten der Wirtschaftsverbände der industrialisierten Staaten (Branchenverbände; Internationale Handelskammer), die vornehmlich die Interessen ihrer Mitglieder und — legitimerweise — kaum die der prospektiven Partner in der Dritten Welt berücksichtigen. Schiedsinstitutionen, ebenfalls entstanden und getragen in der Zusammenarbeit der internationalen Wirtschaftskreise der westlichen Staaten, tragen dazu bei, diese Rechtsformen durchzusetzen und fortzuentwickeln. Die praktische Konsequenz der Konzeption einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung" auf diesem Gebiet bedeutet, daß die bestehenden Rechtsformen der Nord-Süd-Wirtschaftsbeziehungen auf ihre Eignung für die besonderen Probleme der Entwicklungsländer zu überprüfen sind. Dabei sind folgende Standards bei der Bewertung der „Entwicklungseignung" der Rechtsformen der Projektkooperation zu beachten:

— Das Prinzip, daß die Rechtsformen der Kooperation Rücksicht nehmen müssen auf die besondere Empfindlichkeit der Wirtschaftssysteme der Entwicklungsländer für Schlechter-füllung von Projektverträgen. Rechtsformen sollten deswegen dazu beitragen, die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß von solchen Risiken zu verringern.

— Das Prinzip, daß die meisten Entwicklungsländer als schwächere Verhandlungspartner einen besonderen Schutz genießen müssen ähnlich wie bei schwächeren Vertragspart nern in der Bundesrepublik muß die Verband lungsmacht des Stärkeren durch das Rech kontrolliert und, wenn notwendig, ausgegli chen werden. In vielen Fällen kann dies be deuten, daß eine positive Diskriminierung zu gunsten der nationalen Wirtschaftsentwick lung notwendig ist.

— Das Prinzip, daß die Projektzusammenarbeit einen maximalen Beitrag zur nationalen Wirtschaftsentwicklung leistet.

— Das Prinzip, daß die verwendeten Rechtsformen einerseits zu der für eine langfristige Projektkooperation notwendigen Stabilitäi beitragen und die Partner vor solchen Risiker schützen, die eine langfristige und ernsthafte Zusammenarbeit hindern würden, daß abe zugleich die Verträge eine derartige Anpas sungsfähigkeit besitzen, die angesichts der of unausweichlichen Anpassungsbedürfnisse de: Entwicklungslandes eine Eskalation von Kon flikten zwischen Investitionsschutz unSouveränitätsprärogative ausschließt. Algerien hat solche Vorstellungen in Vertre tung anderer Entwicklungsländer in einen Memorandum für die OPEC niedergelegt Darin wird zugleich eine Verknüpfung de Ebene der Projektverträge mit der Ebene völ kerrechtlicher Abkommen verlangt. Algeriei argumentiert, daß die Industriestaaten, die au den Nord-Süd-Wirtschaftsbeziehungen ihre Unternehmen im Wege der Besteuerung Vor teile ziehen und die diese Unternehmenstätig keit durch bilaterale Investitionsschutzab kommen zu decken bereit sind, auch für di Ergebnisse der Nord-Süd-Kooperation Ver antwortung auf sic nehmen sollten.

Es ist problematisch, wie man derartige Vor Stellungen von „entwicklungstauglicher Rechtsformen der Nord-Süd-Wirtschaftskc Operation am besten durchsetzen kann. Di Entwicklungsländer haben zunächst den We beschritten, in den Verhandlungen über Vei haltenskodizes detaillierte Pflichten und Be dingungen für Projektverträge zu verlanget Inzwischen hat sich herausgestellt, daß dies Weg der internationalen Kodifizierung nich zu einer für alle Projektsituationen verbindl chen und auch angemessenen Detailregelun führen kann, sondern allenfalls zu recht allge mein gehaltenen Grundsätzen, deren Beach tung letztlich doch dem Verhandlungsproze zwischen Gaststaat und Unternehmen oblieg Aus diesem Grund erscheint es neben der En stehung von Verhaltenskodizes ebenso wie! tig, wenn nicht noch wichtiger zu sein, solche Modell-Rechtsformen auszuarbeiten, die den Entwicklungsbedürfnissen der Dritten Welt in der Interaktion mit ausländischen Unternehmen Rechnung tragen. Solche Modellformen haben den Vorteil, daß sie mangels Rechtsverbindlichkeit leichter zu erarbeiten, zu ändern und den individuellen Bedürfnissen eines Projekts anzupassen sind. Darüber hinaus beeinträchtigen sie nicht die Vertragsfreiheit der Partner, da sie nur Vorschläge, nicht aber verbindliche Richtlinien sind. Einen prägenden Einfluß können solche Modell-Rechtsformen gleichwohl ausüben, denn sie beeinflussen die Verhandlungssituation, helfen die geringere Erfahrung schwächerer Entwicklungsländer auszugleichen und unterstützen diese bei der Formulierung ihrer Verhandlungsziele. Vor allem aber können solche Modellverträge einen schon ausgearbeiteten Kompromiß enthalten, der für konkrete Projektverhandlungen einige Konfliktkosten zu vermeiden hilft. Mit Möglichkeiten der inhaltlichen Ausgestaltung solcher Rechtsformen — und flankierender Institutionen — wird sich die weitere Untersuchung befassen.

III. Fortentwicklung bestehender Rechtsformen der Nord-Süd-Wirtschaftskooperation

Projektorganisation und Projektherrschaft Auf der Projektebene der Kooperation finden seit einiger Zeit erhebliche Änderungen statt:

Die traditionelle Form des langfristigen Engagements der transnationalen Unternehmen in Entwicklungsländern war die vollständig beherrschte Tochtergesellschaft. Diese Form der Direktinvestition im Ausland wird zunehmend aufgelöst durch neue Formen, die einmal die Mitwirkung des Gaststaates, seiner Staats-oder Privatunternehmen einbeziehen, und in denen weiter die Bedeutung der durch Aktienbesitz vermittelten Herrschaft zurückgeht. Während so auf der einen Seite die traditionelle Direktinvestition durch Tochtergesellschaften aufgeweicht wird, wächst andererseits die Langfristigkeit und die Komplexität gegenseitiger Leistungsverknüpfung in Export-und Lizenztransaktionen: Exportgeschäfte werden zu Anlagenlieferungen; und der Anlagenlieferungsvertrag wird zu einer langfristigen Wirtschaftskooperation, in der der Kontraktor über technische Beratungspflichten und Garantien für die langfristige Leistungsfähigkeit der Anlage einem Joint Venture-Investor in bezug auf geteilte Herrschaft und geteiltes Risiko sich annähert. Dabei hat sich herausgestellt, daß die Auflösung ier traditionellen Rechtsform nicht eine Aufösung der Herrschaft des transnationalen Unernehmens mit sich bringen muß: Statt durch Aktienbesitz wird die Herrschaft durch langristige Management-Verträge vermittelt, in lenen sich das vom Investor zum Kontraktor gewordene ausländische Unternehmen Herrschaftsrechte und Management-Rechte verraglich sichert. Die Einbindung in integrierte Weltkonzerne, die informationsmäßige und finanzierungsbezogene Abhängigkeit, sorgt weiter dafür, daß der ausländische Partner einen weiten Bereich von De-facto-Herrschaft ausüben kann.

In vieler Hinsicht kann man in den moderneren Rechtsformen der Wirtschaftskooperation auf Projektebene neue Etiketten für alten Wein sehen. Die praktische Folgerung der Konzeption der „Neuen Weltwirtschaftsordnung“ kann jedoch nicht nur einen formalen Etikettenwechsel für die Projektzusammenarbeit bedeuten, sondern muß dazu führen, daß entsprechend den Fähigkeiten des Entwicklungslandes und seiner Unternehmen graduell die tatsächliche Herrschaft vom ausländischen Unternehmen übertragen wird. Dies kann dadurch geschehen, daß die Projektherrschaft einmal horizontal geteilt wird, und zwar dadurch, daß jeder der Partner für einzelne Bereiche die Herrschaft übernimmt, aber auch durch eine zeitvertikale Teilung von Herrschaft und Kontrolle, und zwar dadurch, daß mit dem Ablauf der Zeit der Gaststaat graduell die Projektoberherrschaft übernimmt und daß das ausländische Unternehmen dafür Sorge trägt, daß die staatlichen Organe dazu auch befähigt werden.

Entwicklungsbezogene Leistungspflichten Die bisherige Vertragspraxis zu den Leistungspflichten ausländischer Unternehmen ist weitgehend an den Binnentransaktionen zwischen Industriestaaten ausgerichtet. In Investitionsverträgen zwischen einem ausländischen Unternehmen und dem Gaststaat wurden regelmäßig dem Investor vor allem Rechte und Garantien gewährt. In Anlagenlieferungs-B vertragen garantiert der Kontraktor im Regelfall nur die Fehlerfreiheit der einzelnen Anlagenelemente und gegebenenfalls die Produktionsfähigkeit der Anlage bis zu einem Abnahmezeitpunkt. Beide Regelungsformen sind für ein Entwicklungsland nicht ausreichend: Es erwartet von der vom Investor in eigener Verantwortung ausgeführten Investition, daß das Projekt — angesichts der eingeräumten Konzessionen — nicht als Enklave funktioniert, sondern sich in die Wirtschaftsentwicklung integriert und dazu plangemäß beiträgt.

Bei Anlagenverträgen und anderen Dienstleistungsvertragsformen ist eine Umorientierung der Leistungspflichten und ihrer Garantieformen auf die besonderen Bedingungen des Entwicklungsprozesses notwendig: Hier geht es darum, den Kontraktor zu verpflichten, nach seinen Möglichkeiten einen maximalen Beitrag zur Wirtschaftsentwicklung und zur maßgerechten Integration der gelieferten und oft noch gemanagten Anlage zu leisten. Dies bedeutet, daß das ausländische Unternehmen für einen erheblich längeren Zeitraum nach Produktionsbeginn der Anlage Verantwortung und Risiko am Funktionieren der gelieferten Anlage unter den konkreten — und oft vom Heimatstaat sehr unterschiedlichen — Bedingungen des Entwicklungslandes tragen muß.

Angesichts einer mangelhaften Infrastruktur, des Fehlens eines qualifizierten Arbeiter-und Technikerstamms und vielerlei anderer Probleme im Gaststaat bedeutet dies eine erhebliche Herausforderung. Letztlich kann eine solche langfristigere, graduell auslaufende Beteiligung des Kontraktors nur durch Beteiligung am Ertrag nach besonderen Kriterien der Leistungsfähigkeit der Anlage erreicht werden. Damit nähert sich der umfassend fortentwikkelte Anlagenvertrag Formen der gemeinsam getragenen Investition — des Joint Ventures. Bei Investitionsprojekten mit voller Verantwortung des ausländischen Unternehmens haben sich in den letzten Jahren zunehmend umfassendere Pflichten entwickelt, die den Investor zu einer Integration des Projektes in das nationale Wirtschaftssystem motivieren sollen: Pflichten zur Verarbeitung von Rohstoffen im Gaststaat, zur Nachfrage von Gütern und Dienstleistungen auf dem nationalen Markt, zur Beteiligung des staatlichen Partners an Vermarktung und am Transport, zur Qualifizierung der heimischen Arbeitskraft und zum Ersatz von ausländischen Technikern durch nationales Personal sollen zu diesem Ziel beitragen. Die Konsequenz der Konzeption einei „Neuen Weltwirtschaftsordnung“ ist es, diese Entwicklung voranzutreiben und die schritt, weise eingeführten Pflichten mit wirksamen Sanktionen zu versehen. So läßt sich aus der Nichterfüllung von solchen Pflichten zum maximalen Beitrag für die Wirtschaftsentwicklung ein Recht des Staates zur Neuverhandlung der Rechtsgrundlagen eines Projektes folgern.

Technologie-Transfer und Wettbewerbsbeschränkungen Ein wichtiger Faktor der Wirtschaftsentwicklung der Dritten Welt ist die Verfügung über und der sachgemäße Einsatz von angemessenen Technologien. Nach Ansicht der Entwicklungsländer sind die Bedingungen, zu denen Technologien von Nord nach Süd im Rahmen der Wirtschaftskooperation übertragen werden, zu restriktiv und beschränken den an sich möglichen Technologie-Transfer. Als Konkretisierung der „Neuen Weltwirtschaftsordnung" kann man deswegen die Verhandlungen für einen „Verhaltenskodex für Technologie-Transfer“ ansehen, die sich ihrem Ende nähern. Dieser Kodex wird voraussichtlich relativ detaillierte Richtlinien für den Technologie-Transfer aufstellen; vor allem werden bestimmte Beschränkungen des Transfers, wie sie sich typischerweise in Lizenz-und anderen Technologie-Transfer-Verträgen finden, für unzulässig erklärt. Anhand dieses Beispiels ist auf die bereits ausgeführte Grenze der Wirksamkeit juristischer Instrumente zurückzukommen: Ein solcher Kodex mag zwar Anlaß für Entwicklungsländer sein, Verträge mit ausländischen Unternehmen genauer auf „restriktive Abreden“ zu kontrollieren; ein großer Teil der Beschränkungen des Technologie-Transfers entsteht jedoch nicht aufgrund vertraglicher Klauseln, sondern aufgrund der Geschäftspolitik der Unternehmen. Diese ist wiederum mit staatlicher Kontrolle nur wenig zu beeinflussen. Darüber hinaus ist es fraglich, ob es wirklich die restriktiven Praktiken der Unternehmen allein sind, die die Verwendung; angemessener Technologien in Entwicklungsländern behindern. Es ist hier vielleicht zu sehr ein legalistischer Blick zu den Industrie-ländern, der die Erkenntnis verhindert, daß es vor allem die eigenen Anstrengungen der Unternehmen der Dritten Welt sind, denen die Verantwortung zufällt, angemessene Technologie zu besorgen, selbst zu entwickeln und anzuwenden. Ein oft mit dem Technologie-Transfer zusammenhängender Bereich betrifft die Wettbewerbsbeschränkungen durch Unternehmen, welche die Exportanstrengungen der Entwicklungsländer hemmen oder auf andere Weise ihre Entwicklung hindern, etwa dadurch, daß ein Staat sich bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen aus dem Ausland mit einer Absprache der theoretisch miteinander konkurrierenden Unternehmen konfrontiert sieht Hier verwirklicht sich ein weiteres Element der „Neuen Weltwirtschaftsordnung'1 in den „Grundsätzen und Regeln zur Kontrolle wettbewerbsbeschränkender Geschäftspraktiken", die derzeit von den Vereinten Nationen verabschiedet werden. Es geht einerseits um die Unzulässigkeit einer Reihe von wettbewerbsbeschränkenden Abreden zwischen Unternehmen, andererseits aber auch darum, Wettbewerbsbeschränkungen zugunsten von im Aufbau stehenden Industrien in den Entwicklungsländern im Wege einer Vorzugsbehandlung zuzulassen. Auch hier kommt es darauf an, von den rechtlichen Instrumenten nur einen Anfang oder einen Teil-beitrag, nicht aber die gesamte Lösung des Problems zu erwarten. Sonst besteht die Gefahr, daß man die mit der Konzeption der »Neuen Weltwirtschaftsordnung" aufgeworfenen Probleme mit dem Erlaß weltweit geltender — und dementsprechender unbestimmter — Regeln und Grundsätze bereits für gelöst ansieht.

Kontrolle transnationaler Unternehmen Angesichts des oft erheblichen Verhandlungsmachtvorteils transnationaler Unternehmen und deren Grundprinzip, nicht das Interesse eines einzelnen Entwicklungslandes und der dort befindlichen Tochtergesellschaft, sondern das Gesamtinteresse des Weltkonzerns zu maximieren, besitzen Entwicklungsländer ein erhebliches Anliegen an einer Erweitenmg ihrer Fähigkeit zur Kontrolle und Steuerung der Aktivitäten solcher Unternehmen.

Ein Grundprinzip der Konzeption der „Neuen Weltwirtschaftsordnung“ ist denn auch die „Ständige Souveränität“ über Rohstoffe und Wirtschaftspolitik. Praktisch bedeutet dies, daß den Entwicklungsländern die Möglichkeit zugestanden werden muß, wirksam die Tätigkeit der transnationalen Unternehmen zu steuern, soweit dies für ihre Wirtschaftsentwicklung von Bedeutung ist Verwirklicht worden ist diese Konzeption zunächst einmal in einer Reihe von Investitionsgesetzen (etwa:

Brasilien, Mexiko, Anden-Pakt), mit denen Bedingungen und Möglichkeiten der Investition durch ausländische Unternehmen einem Genehmigungsverfahren unterworfen sind. Eine andere — interne — Ausrichtung des Kontrollgedankens ist durch die Politik nationaler Beteiligung an ausländischen Investitionen durchgeführt worden; so sind in einer Reihe von Staaten Joint Ventures mit staatlichen Unternehmen vorgeschrieben; in anderen Bereichen wird der Investor verpflichtet, einen Teil des Aktienbesitzes seiner Tochtergesellschaften Staatsangehörigen des Gaststaates anzubieten. Auch diese Maßnahmen können nur einen begrenzten Erfolg herbeiführen: Denn einmal hängt die Durchsetzung von der Verhandlungsmacht des Gaststaates ab; darüber hinaus läßt sich die weltweite Strategie von Großunternehmen nur durch eine entsprechende weltweite Kontrollstrategie auf internationaler Ebene begegnen.

Dementsprechend wird derzeit — mit Aussicht auf Erfolg — im Rahmen der Vereinten Nationen um einen „Verhaltenskodex für transnationale Unternehmen“ verhandelt. Er soll — ohne Rechtsverbindlichkeit beanspruchen zu können — Pflichten der Unternehmen gegenüber den Entwicklungsländern, aber auch einige Rechte der Unternehmen gegenüber den Gaststaaten festlegen. Das 1976 geschaffene UN-Zentrum für transnationale Unternehmen soll in diesem Zusammenhang Entwicklungsländern technische Hilfe gewähren. Aber auch hier ist Skepsis gegenüber der Erwartung einer allzu großen Wirksamkeit angebracht. Denn einmal wird der Kodex nur relativ unbestimmte Pflichten enthalten; effektive Sanktionen zu ihrer Durchsetzung werden kaum vereinbart werden können. Es handelt sich demnach hierbei mehr um eine — insoweit wertvolle — gemeinsame Absichtserklärung der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen. Im Endeffekt ist für die Kontrollfähigkeit der Entwicklungsländer entscheidend, ob sie einmal — auf der nationalen Ebene — einigermaßen wirksame Strukturen staatlicher Wirtschaftsaufsicht und eigenständiger Unternehmen zur Kontrolle über und zur Partnerschaft mit den transnationalen Unternehmen aufzubauen imstande sind. Ebenso ist — auf der internationalen Ebene — entscheidend, inwieweit die einzelnen Entwicklungsländer fähig sind, wirksam sich miteinander abzusprechen und die Strategie der Unternehmen, einzelne Staaten im Wettbewerb um Investitionsgarantien und Investitionsförderungen auszuspielen, zu konterkarieren. Hier sind die Resolutionen internationaler Konferenzen zwar voll von hochgemuten Erklärungen zur Solidarität mit der Dritten Welt; in der Praxis überwiegt aber häufig gegenseitiges Mißtrauen und das Fehlen institutionalisierter Möglichkeiten zur Verhandlungskoordination der Staaten gegenüber den transnationalen Unternehmen.

Streitschlichtung und Vertragsanpassung Auf dem Gebiet der Streitschlichtung überwiegt derzeit die von der westlichen Wirtschaft geprägte internationale Schiedsgerichtsbarkeit, insbesondere bei der Internationalen Handelskammer und dem Schiedszentrum für Investitionsstreitigkeiten der Weltbank. Seitens der Entwicklungsländer — und vor allem der lateinamerikanischen Staaten — wird gegen diese Schiedsgerichtsbarkeit eingewandt, sie sei in ihren Strukturen und in den angewandten Rechtsprinzipien auf die Usancen und Bedürfnisse der transnationalen Unternehmen ausgerichtet und könne nicht ein Recht anwenden, das die Grundprinzipien der „Neuen Weltwirtschaftsordnung" verwirkliche. Diese Abneigung wird gestützt auf Erfahrungen der lateinamerikanischen Staaten, aber auch von anderen Entwicklungsländern in neuerer Zeit mit einigen Schiedssprüchen in Investitionsstreitigkeiten: Waren hier — wie regelmäßig — „Rechtshonoratioren" westlicher Staaten zur Entscheidung berufen, so beruhte ihr Schiedsspruch auf dem traditionellen westlichen Völkerrecht mit seiner sy, stemimmanenten Neigung zum Vorrang des Investitionsschutzes. Andererseits sind aber Schiedsverfahren an sich ein durchaus geeignetes Mittel, um die oft unausweichlichen Konflikte in einer für Kompromiß und Kooperation förderlichen Stimmung zu bewältigen. Konsequenz des Konzeptes einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung" wäre deswegen die Einrichtung von Schiedsverfahren, die für Industrie-wie Entwicklungsländer akzeptierbar sind — möglichst unter der Ägide der Vereinten Nationen und mit dem Auftrag, Rechts-prinzipien auszubilden und anzuwenden, die den Entwicklungserfordernissen der Dritten Welt Rechnung tragen.

In diesem Rahmen läßt sich auch dem Problem der Stabilität in ihrem Spannungsverhältnis zu Anpassungserfordernissen Rechnung tragen: Wie bereits ausgeführt, ist die Lösung der fruchtlosen Kontroverse zwischen Investitionssicherheit auf der einen Seite und absoluter Staatssouveränität auf der anderen Seite in flexiblen Vertragsformen und gemeinsam akzeptablen Verfahren der Vertragsanpassung zu suchen. Hier geht es auch darum, Stabilität nicht als nur von den Industriestaaten vertre. tene Forderung an die Dritte Welt zu verstehen, sondern als eine vor allem für die Entwicklungsländer notwendige Rahmenbedingung langfristiger Wirtschaftskooperation. Die Verwirklichung der Grundsätze der „Neuen Weltwirtschaftsordnung" würde hier bedeuten, in den Normen eines künftigen Weltwirtschaftsrechts, aber auch in Vertrags-formen der Wirtschaftskooperation Kriterien und Verfahren zur periodischen Anpassung langfristiger Projektverträge vorzusehen. Ein den Vereinten Nationen zugeordnetes Organ internationaler Streitschlichtung könnte auf Antrag der Parteien die Aufgabe der Vertrags-anpassung übernehmen, wenn die Partner selbst nicht zu einer Einigung gelangen.

Regierungsabkommen zur Projekt-Kooperation Von den Entwicklungsländern wird verlangt daß die westlichen Industriestaaten — entsprechend der Praxis der staatssozialistischen Länder •— eine größere Mitverantwortung für die Aktivitäten ihrer Unternehmen in der Dritten Welt auf sich nehmen. Einige Länder — etwa Frankreich — sind aufgrund der traditionell starken Rolle des Staates in den Wirtschaftsbeziehungen dazu auch in größerem Maße bereit gewesen. Regelmäßig beschränkt sich die unmittelbare Beteiligung der westlichen Staaten an der Projekt-Kooperation durch Unternehmen darauf, mit Hilfe von bilateralen Investitionsschutzabkommen die Investitionssicherheit vom Entwicklungsland garantieren zu lassen und mit Hilfe von Doppelbesteuerungsabkommen die fiskalische Belastung ihrer Unternehmen durch Tätigkeit in Entwicklungsländern gering zu halten.

Zu einer unmittelbaren Projektverantwortung ist die Bundesrepublik bisher nur in Ausnahmefällen bereit gewesen, vor allem dann, wenn es darum ging, die Versorgung der Bundesrepublik mit Uran durch ein Entwicklungsland sicherzustellen. Dies spiegelt die in Teilen der Regierung vorherrschende ordo-liberale Schule wieder, nach der der Staat allenfalls günstige Rahmenbedingungen schaffen darf, aber nicht unmittelbar am Wirtschaftsgeschehen sich beteiligen kann. Daß diese Theorie in der Praxis des bundesrepublikanischen und des europäischen Wirtschaftssystems von der Realität einer „mixed economy" überholt ist, liegt auf der Hand. Sie entspricht weder unbedingt den Interessen der Wirtschaft noch denen der Bundesrepublik selbst, die sich im Direktkontakt zu Staaten der Dritten Welt Garantien hinsichtlich der Rohstoff-und Energieversorgung im Austausch gegen Garantien entwicklungsbezogener Investitionsleistungen und des Zuganges zu den deutschen Märkten beschaffen kann. Schließlich ist es nicht unwahrscheinlich, daß der Wettbewerb anderer Staaten diejenigen Teile der Regierung unterstützt, die bereits in größerem Maße unmittelbare Projektbeteiligung im Umgang mit den Entwicklungsländern zu übernehmen bereit waren. Auch sind durchaus Möglichkeiten der staatlichen Projektbeteiligung denkbar, die der Privatwirtschaft nicht nur wesentliche Entscheidungsautonomie überlassen, sondern sogar diejenigen Risiken abnehmen, die die Privatwirtschaft aus vielerlei Gründen nicht zu übernehmen bereit war. Zwischenstaatliche Regierungsabkommen können entweder einen Rahmen für Projekt-verträge zwischen Unternehmen abgeben und dabei Regeln hinsichtlich der Streitschlichtung, des Marktzugangs für Produkte aus dem Projekt, der Investitionsstabilität und der Mißbrauchskontrolle vorsehen; sie können aber auch Teile der Projektrisiken für Unternehmen (politische und wirtschaftliche Risiken) und Entwicklungsland (Risiko einer nicht entwicklungsbezogenen Leistung und Schlechterfüllung) übernehmen. Teilweise geschieht dies bereits jetzt insoweit, als staatliche Beteiligungsgesellschaften (etwa: Deutsche Entwicklungsgesellschaft) sich am Risikokapital deutscher Investitionen in Entwicklungsländern beteiligen.

IV. Besondere Rechtsformen zur Förderung der Süd-Süd-Wirtschaftsbeziehungen

Seitens der Industriestaaten, aber auch seitens der Entwicklungsländer wird häufig übersehen, daß ein wesentlicher Faktor einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung''die Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten der Dritten Welt ist. In der überkommenen Wirtschaftsstruktur bewegt sich der wirtschaftliche Austausch — oft aufgrund kolonialer Vergangenheit — vor allem zwischen den Staaten der Dritten Welt und den Industriestaaten, obgleich aufgrund einer Reihe von Gründen — geographische Nähe, kulturelle und sprachliche Verwandtschaft, ähnli-

Probleme der Wirtschaftsentwicklung — che wirtschaftliche Integration und Kooperation wischen den Staaten einer Region besonders mtwicklungsfähig erscheint.

In der Tat haben auch eine Reihe internationaler Konferenzen die wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit zwischen Entwickungsländern zu einem vorrangigen Ziel er-klärt. Wie so oft, entspricht diese Dritte-Welt-Rhetorik nicht den Tatsachen: Versuche wirtschaftlicher Integration scheitern häufig an der inneren Schwäche der beteiligten Staaten, in historischem — und oft aus internen Gründen fortgeschürtem — Mißtrauen gegeneinander, an der hohen Instabilität politischer Strukturen und an ihrer Inkompatibilität. Nur die Gruppe der ASEAN-Staaten und der An-den-Pakt haben ein gewisses Maß an Integraionsfähigkeit bisher bewiesen. Diese Schwäche ist um so schwerwiegender, als viele der neugeschaffenen Staaten kaum eine eigenständige wirtschaftliche Lebensfähigkeit besitzen. Ein wichtiges Element der rechtlichen Dimension der „Neuen Weltwirtschaftsordnung" besteht deswegen in Rechtsformen, deren Hauptzweck es ist, die Integrations-und Kooperationsfähigkeit zwischen den Staaten der Dritten Welt zu fördern. Grundgedanke solcher rechtlicher Instrumente muß es sein, die Wettbewerbsnachteile von Unternehmen aus Entwicklungsländern gegenüber den transnationalen Unternehmen der Industriestaaten auszugleichen. Dies wird häufig eine positive Diskriminierung zugunsten von Projekten der Süd-Süd-Wirtschaftskooperation bedeuten. Auch hat die Frage der Stabilität und ihrer Annexfunktionen — Streitschlichtung und Risikoabsicherung — im Süd-Süd-Zusammenhang eine besondere Bedeutung, da Unternehmen aus Entwicklungsländern weniger fähig sind, die erheblichen politischen und wirtschaftlichen Risiken transnationaler Wirtschaftskooperation zu verarbeiten. Eine Reihe von kontroversen Diskussionspunkten der Nord-Süd-Diskussion — Investitionsstabilität, Streitschlichtung, zwischenstaatliche Kooperationsabkommen — kann deswegen im Süd-Süd-Dialog eine besondere Qualität gewinnen. Schließlich kann die Diskussion um geeignete Rechtsformen der Süd-Süd-Kooperation nicht an den Erfahrungen der wirtschaftlichen Integration in der Europäischen Gemeinschaft und dem Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe vorbeigehen. Dort ist die wirtschaftliche Integration stets begleitet gewesen von einer Harmonisierung des auf grenzüberschreitende

Transaktionen anwendbaren Wirtschafts, rechts. Auch haben sich in diesen Integrationsprozessen eine Reihe von Methoden her. ausgebildet, die für die Rechtsvereinheitlj. chung von Integrationsregionen der Dritten Welt von Bedeutung sein können.

V. Die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Entstehung einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung"

Die Bundesrepublik hat ein erhebliches Eigeninteresse an einer in Stabilität verlaufenden Wirtschaftsentwicklung der Dritten Welt. Schon jetzt ist sie nicht nur in der Rohstoffversorgung auf Entwicklungsländer angewiesen, und diese Abhängigkeit wird voraussichtlich wachsen. Stärker noch wirkt die dynamische Nachfrage aus der Dritten Welt nach hochqualifizierten Industrieprodukten und technologischen Dienstleistungen als Wachstumsanreiz und Garant von Arbeitsplätzen. Eine „Neue Weltwirtschaftsordnung'', verstanden als die Institutionalisierung einer gleichberechtigten Interdependenz auf der Ebene internationaler Institutionen und auf der Ebene von Projektverträgen zur Wirtschaftskooperation, entspricht demnach dem Eigeninteresse der Bundesrepublik, da sie zu der Stabilität der Wirtschaftsentwicklung beiträgt. Demgegenüber erscheint die offizielle internationale Wirtschaftspolitik zu oft als ein vor allem defensives Beharren auf bundesdeutschen Methoden und Ordnungsvorstellungen — vor allem einem auf den Weltmaßstab projizierten Ordo-Liberalismus —, die ihre Eignung zur Lösung der Probleme einer „mixed economy” auf Weltebene nicht bewiesen haben. Häufig wird so auch den bundesdeutschen Predigten der Verweis auf eine ganz andersläufige deutsche Praxis entgegengehalten; dies gilt nicht nur für die EG-Marktordnungen oder die durchaus aktive Wirtschaftsintervention in vielen Bereichen, sondern vielmehr für die deutsche Wirtschaftsgeschichte, in denen der diskriminierende Schutz inländischer Industrien („Deutscher Zollverein'') und die aktive Staats-intervention entscheidende Faktoren der Industrialisierung waren. Ein doktrinärer Ordo-Liberalismus im Weltmaßstab ignoriert nicht nur die ganz anderen Sachzwänge vieler Entwicklungsländer, sondern er vergißt auch, welche Art der Industrialisierung im Deutschen Reich aus einem Agrarland einen hochentwik. kelten Industriestaat hervorgebracht hat.

Darüber hinaus vergibt eine derartig defensive internationale Wirtschaftspolitik viele Chancen, eigenständig deutsche Modelle der Wirtschaftsentwicklung in den Prozeß der Entwicklung der Dritten Welt einzubringen. Die soziale Marktwirtschaft, ihre Kombination staatlicher Rahmen-, aber auch unmittelbarer Projektförderung, die Kontrolle des Mißbrauches wirtschaftlicher Macht sowohl im großen (Wettbewerbsrecht) als auch im kleinen (Verbraucherschutz; Ausgleich ungleichgewichtiger Verhandlungssituationen durch Eingriffe in die Vertragsfreiheit) können eine Reihe von Erfahrungen beisteuern, die im ungleichgewichtigen Nord-Süd-Umgang von Bedeutung sein können. Das gleiche gilt etwa für das Modell der Unternehmensmitbestimmung: Während in der Bundesrepublik die Mitbestimmung als solche — auf Betriebs-und Unternehmensebene — weitgehend vom Grund-konsens getragen ist, hat die bundesdeutsche internationale Wirtschaftspolitik bisher ängstlich davor zurückgeschreckt, dieses Modell als eine Möglichkeit der Kontrolle transnationaler Unternehmen auf Weltebene vorzuschlagen. Betrachten wir viele der im Konzept der „Neuen Weltwirtschaftsordnung“ liegenden Ziele und Instrumente, so drängt sich der Vergleich mit einer Wirtschaftsentwicklung auf, die in Deutschland vom liberalen Wirtschaftssystem zur sozialen Marktwirtschaft mit „Mixed-economy" -Elementen geführt hat. Daß eine solche Entwicklung die Stabilität des Entwicklungsprozesses gefördert hat, liegt für das deutsche Beispiel auf der Hand. Daß es die Stabilität auch im Weltmaßstab zu fördern geeignet ist, bleibt zumindestens eine plausible Hypothese.

VI. Schlußfolgerung: Vom Eurozentrismus zum Geozentrismus

Ein Leitmotiv, das für die Evolution einer Neuen Weltwirtschaftsordnung" Geltung beanspruchen kann, ist die Notwendigkeit eines Überganges vom „Eurozentrismus" zum „Geojentrismus". Das juristische Weltbild — und nur dieses steht in dieser Untersuchung zur Debatte — wird beherrscht von Wertvorstelungen, von Rechtsformen und von Denkweisen, die in dem historischen Prozeß der europäischen Entwicklung entstanden sind. Mit liesen Maßstäben werden auch die Beziehunzen zur Dritten Welt gestaltet und gemessen. Eine wesentliche Erfahrung, die dabei genacht werden muß, ist, daß diese eurozentrisch orientierten Rechtsvorstellungen von der Dritten Welt nicht mehr anerkannt werfen. Es ist abzusehen, daß der europäische octroi von Wert-und Rechtsvorstellungen immer häufiger zu Versuchen führt, eine eigene Identität im diametralen Gegensatz zu diesen fremden westlichen Kulturprodukten aufzubauen. Die gegenwärtigen Konvulsionen im Iran sind nur ein Beispiel für diesen Prozeß ler Haßliebe, der Rezeption und Ablehnung, de er der westlichen Zivilisation in den Entnicklungsländern widerfährt. Wer nicht die Embleme der Identitätsfindung in Entwickungsländern kennt, deren eigene Identität rerstört ist, ohne daß eine neue, festgebaute Identität an deren Stelle getreten ist, der wird len relativen und historischen Charakter der m eigenen Land zumeist noch als selbstverständlich angesehenen Wertvorstellungen sher verstehen.

ie Konzeption einer „Neuen Weltwirtchaftsordnung" ist noch nicht Ausdruck einer ler westlichen Rechtskultur diametral entgeengesetzten „alternativen" Rechtskonzeption: iie spiegelt in vielem das Bestreben der zuneist westlich geprägten Eliten der Dritten Veit, als gleichberechtigte Partner im Konzert ler Industriestaaten mitspielen zu dürfen. Sie liefet aber Gelegenheit, den Versuch eines ächt mehr eurozentrisch formulierten Grundonsenses für Wirtschaftsbeziehungen zu unernehmen. Ein solcher Versuch verlangt, daß nhaltlich — aber auch, und vielleicht noch iel mehr symbolisch — das Streben der Entvicklungsländer nach Teilhabe an der Erzeuung von Rechtsformen und universalen Vertstandards ernst genommen wird. Es verangt Konzessionen, die soweit gehen müssen, aß auch das, was wir als selbstverständlich nd sachzwangmäßig richtig halten, manchal geopfert werden muß. Denn was von der westlichen Rechtskultur auch auf der Welt-ebene noch Universalität beanspruchen kann, hängt weniger von unserem defensiven Beharren als von der Konsensbereitschaft der jungen Staaten der Dritten Welt ab. Diesen Prozeß mag man dialektisch sehen: Es gibt vielleicht viele Rechtsformen, die in sich vernünftig sind und den Sachzwängen einer industrialisierten Gesellschaft entsprechen. Solche Rechtsformen dürfen aber nicht den sich entwickelnden Wirtschaftssystemen aufgestülpt werden, sondern müssen von diesen Gesellschaften selbst — unter Verarbeitung von Außeneinflüssen — geschaffen werden. Wie in der Rezeption des Römischen Rechts in Europa mag manche Rechtsform europäischen Ursprunges nach einem Prozeß unbeschränkten Imports, spontaner Zurückweisung, von den Entwicklungsländern letztlich doch als Ausdruck eigener Identität nach entsprechender Anpassung akzeptiert werden können. Ein solcher Prozeß der auf aktiver Anpassung beruhenden Rezeption kann jedoch nicht künstlich beschleunigt werden.

Schließlich ist die Evolution eines Weltwirtschaftsrechtes nicht nur eine Frage des konflikthaften Transfers von Rechtsvorstellungen von Nord nach Süd: Die Kulturen vieler Staaten der Dritten Welt haben Streitschlichtungsmechanismen nicht-legalistischer Art entwickelt, die in vielem den immens komplizierten und kostspieligen Rechtsmaschinerien der westlichen Staaten in bezug auf Flexibilität, auf soziale Befriedigungswirkung und auf soziale Kosten überlegen sind. Nur die Arroganz eines absoluten Eurozentrismus wird das eigene Rechtssystem und die daraus folgenden Rechtsvorstellungen und Verfahren als der Weisheit letzten Schluß ansehen. Gerade der sich überall ausbreitende Legalismus, die immer länger wachsenden, komplizierteren, personalintensiven und nur hochspezialisierten Rechtsexperten noch einsichtigen Verfahren der Entscheidung in Industriestaaten, das ungebremste Wachstum juristischer Texte — von Gesetzen bis zu einzelnen Projektverträgen — setzt ein deutliches Fragezeichen hinter jene Selbstverständlichkeit, mit der die legalistische Methode der Konfliktbewältigung und Zukunftsicherung als Sachzwang einer post-industriellen Gesellschaft ausgegeben wird. Auch in diesem Bereich mag es sinnvoll sein, nicht — aus Entwicklungs-und Industriestaaten — den Blick immer auf den Transfer von Nord nach Süd zu richten, sondern ebenso auf die noch unbeschriebenen Möglichkeiten des Transfers von Süd nach Nord. Ein künftiges, auf einem Weltkonsens aufgebautes Weltwirtschaftsrecht sollte deswegen nicht als statisches System von Rechtsnormen und Rechtsformen gesehen werden, sondern als stetiger Prozeß eines Gesprächs, eines gegenseitigen Lernens voneinander.

Literatur K. Sauvant, Von der politischen zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit, Vereinte Nationen 1979.

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Th. Wälde, North/South Cooperation and the Evolution of a New International Economic Development Law: Legal Process & Institutio. nal Considerations, German Yearbook of In. ternational Law, 1980.

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M. Sornarajah, Compensation for Expropriation, Journal of World Trade Law 1979.

S. K. Asante, Stability of Contractual Relations in the Transnational Investment Process, ICQL 28 (1979).

Fussnoten

Fußnoten

  1. Damit soll nicht gesagt werden, daß es nur westliche Privatunternehmen sind, die sich die Schwäche vieler Entwicklungsländer zunutze machen; dem Verfasser sind aus seiner Beratungspraxis ebenso Fälle der Ausbeutung durch westliche Unternehmen wie durch Organisationen der „sozialistischen“ Staaten bekannt.

Weitere Inhalte

Thomas Wälde, Dr. jur,, LL. M. (Harvard); Studium in Heidelberg, Berlin, Genf/Lausanne, Frankfurt, Harvard; Wiss. Mitarbeiter am Institut für Ausländisches und Internationales Wirtschaftsrecht, Frankfurt/Universität Frankfurt; Associate Officer am UN Centre on Transnational Corporations, New York; Referent für internationales Wirtschaftsrecht an der UN Industrial Development Organization (UNIDO), Wien; Missionen für UN Centre on Transnational Corporations/Centre on Natural Ressources in Algerien und in Lateinamerika; Beratung von Entwicklungsländern (Haiti, Äquatorial-Guinea) bei Verhandlungen mit transnationalen Unternehmen; Rechtsberater bei der Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung (DSE); Nachwuchsforschungspreis der Bundesregierung für internationales Recht (1978), im Juni 1981: Interregional adviser on international contracts and mining legislation, Vereinte Nationen, New York. Veröffentlichungen über Rechtsprobleme der Nord-Süd-Beziehungen, über transnationale Unternehmen und über Vertragsformen internationaler Wirtschaftskooperation.