I. Zur Vorgeschichte der Diskussion
In der bundesdeutschen Diskussion hat es bereits mehrfach im Zusammenhang mit anstehenden Entscheidungen militärstrategischer und/oder sicherheitspolitischer Art Diskussionen-auch um weibliche Soldaten gegeben. Die Gespräche verblieben in der Vergangenheit jedoch weitgehend in den (administrativen) Expertenkreisen und wurden öffentlich kaum wahrgenommen. Das lag sicherlich nicht so sehr daran, daß sich niemand gefunden hätte, um die „Geburt" des Themas zu betreiben, sondern vermutlich standen weder die Streitkräfte in dem Maße wie zur Zeit unter vielfältigem Legitimationsdruck noch war die herkömmliche Rolle der Frau so weitreichend wie heute in Frage gestellt. Rückblickend lassen sich folgende Ereignisse als bestimmend für die heutige Auseinandersetzung ausmachen:
die Diskussion um die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik in den frühen fünfziger Jahren, die Diskussion um die Wehrverfassung Mitte der fünfziger Jahre, die Diskussion um die Notstandsregelung 1960, 4. die Diskussion um die Notstandsgesetzgebung während der Großen Koalition 1966 bis 1968, und schließlich 5. die Diskussion um die Zulassung von weiblichen Offizieren für den Sanitätsdienst der Bundeswehr, 1973 bis 1975 1).
Während des genannten Zeitraumes wurde auch vereinzelt in der sogenannten militärischen „Fach" -presse, in Boulevard-Zeitungen oder in (politischen) Magazinen über weibliche Soldaten in Armeen anderer Länder berichtet; solche Darstellungen blieben jedoch überwiegend im Bereich einer eher unterhaltenden Berichterstattung. Auslöserfunktion für eine weiterreichende öffentliche Diskussion hatten diese Berichte nicht.
Zum „Thema" wurden „Frauen als Soldaten" (mit oder ohne Fragezeichen) in der bundesdeutschen Publizistik und der politischen Öffentlichkeit dann erst um die Jahreswende 1978/79 und ganz besonders seit Mitte 1979.
Dafür gab es zwei unmittelbare Anlässe: Der erste, eher militärspezifische, war ein sich abzeichnendes Rekrutierungsproblem der Bundeswehr. Vom Rückgang der Geburtenziffern (dem sogenannten „Pillenknick") war zwar schon vorher andernorts und auch auf mögliehe Folgen abhebend die Rede, vor allem im Bereich des Bildungssektors. Daß die Streitkräfte „irgendwie" vom Bevölkerungsrückgang auch betroffen sein könnten, in welchem Umfang und ab wann, war — entsprechend der in den Medien üblichen weitgehenden Ausblendung des Themas „Bundeswehr" — verdrängt oder zumindest nicht beachtet worden. Erst drei Publikationen, die diese Problematik einschließlich der möglichen Folgen dezidiert aufgriffen, fanden breitere Resonanz 2). Berechnungen, ab wann spätestens das herkömmliche Rekrutierungsfeld für die eingegangenen sicherheitspolitischen Verpflichtungen im Rahmen des Nordatlantikpaktes nicht mehr ergiebig genug sein würde, und Mutmaßungen über notwendige bzw. mögliche Auffangmaßnahmen 3) für das abzuse-hende Defizit beinhalteten auch — neben anderen Lösungsmöglichkeiten für das „Manpower" -Problem — den Aspekt „weibliche Soldaten".
Im Gefolge der abzusehenden Personalplanungs-und Strukturprobleme, aber auch davon unabhängig, trat als zweiter Anlaß der Emanzipationsgedanke hinzu. „Wenn schon Gleichberechtigung, dann aber auch in allen Lebensbereichen, die Streitkräfte können davon nicht ausgenommen bleiben.“ So oder ähnlich lauteten Forderungen von Emanzipationsbewegungen. Das von einem generellen Gleichheits-und Gleichberechtigungsgedanken abgeleitete Recht auch auf Dienstmöglichkeit in der Bundeswehr, oder anders: die Diskriminierung, als Frau nicht das Recht auf eine eigenständige Entscheidung zur Übernahme einer staatlichen Funktion zu haben, waren besonders gängige Argumentationsmuster.
Zum „Thema" wurde der Sinnkomplex „weibliche Soldaten" jedoch erst, als eine politische Institution damit an die Medien herantrat und sich diese, wohl eher aus einer intuitiven Einschätzung der politischen Gesamtsituation denn aus nacktem Kalkül, die Problematik der Integration von Frauen in die Bundeswehr zu eigen machten. Anläßlich eines Interviews mit der „Bild-Zeitung" sagte der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Karl-Wilhelm Berkhan, u. a.: „Für die 90er Jahre muß sich der Bundestag möglicherweise mit einer Gesetzesänderung beschäftigen, damit auch Frauen an der Waffe ausgebildet werden können. Wegen der geburtenschwachen Jahrgänge gibt es dann nicht mehr genügend Wehrpflichtige."
Alice Schwarzer, eine wortgewaltige Sprecherin von Feministinnen, charakterisierte zu einem späteren Zeitpunkt rückblickend diese Kreation des Themas und ihre Folgen: „Frauen in der Bundeswehr: Kaum ist das Wort gefallen, geht eine ungeheure Hysterie los.“ Zumindest vom Umfang her, aber auch von der Anzahl der Wortmeldungen und der Bandbreite der Argumentation (und den politischen Positionen der Teilnehmenden an dieser kontroversen Debatte) wurde ein Sturm im Blätterwald ausgelöst.
Im nachfolgenden Abschnitt soll versucht werden, die Fülle der Beiträge zu systematisieren. Dafür wurde nur die Auseinandersetzung, wie sie sich in den bundesdeutschen (nicht in ausländischen) Medien widerspiegelte, herangezogen. Mit wenigen — weil „tendenzbestimmenden" oder besonders symptomatischen — Ausnahmen wurden wegen des qualitativen Charakters der Analyse keine lediglich informativen Nachrichten bzw. Meldungen, sondern vor allem Kommentare und Meinungsäußerungen ausgewertet.
Schon bei grober Übersicht der einschlägigen Äußerungen in den Druckmedien stellte sich heraus, daß auf zwei verschiedenen analytischen Ebenen argumentiert wurde: Zum einen wurde auf eine generelle politische Ebene, also eher auf gesellschaftspolitische Fragen abgehoben. Zum anderen wurde besonders die direkt betroffene Organisation, also die Bundeswehr als „Militärkörper", angesprochen und die Probleme eines Einbezugs von Frauen in die Bundeswehr für die Militärorganisation thematisiert.
An dieser Zweiteilung orientiert sich die nachfolgende Darstellung der publizierten Meinungen zum Thema.
II. Gesellschaftspolitische Fragestellungen
1. Einen wesentlichen Raum in den Medien nahm die „allgemeine" Diskussion um Frauen in der Bundeswehr ein. „Allgemein" war diese Diskussion, weil sie zur Beantwortung irgendeiner Frage kaum etwas beitragen konnte oder wollte: Der Aufforderung, „diesem Problem im eigenen Land sachlich und nicht emotional gegenüberzustehen" standen Positionen wie die generelle Weigerung, darüber nachzudenken oder das plakative Verdikt vom „Sommergeschwätz“ gegenüber, das mit dem Auftrag und den Bedürfnissen der Bundeswehr. nichts mehr zu tun habe. Anstelle einer Auseinandersetzung mit der Thematik, sei es als gesellschaftliches, sei es als militärischpersonalpolitisches Problem, wurde sogar geraten, das „Mobilmachungsgerede für Frauen“ zu beenden Gleichermaßen unverbindlich äußerte sich die Bundesregierung, die alle einschlägigen Überlegungen in den Bereich der „Gedanken" verwies, aber auch darauf aufmerksam machte, daß man noch „sehr ernsthaft über diese Frage nachdenken" müsse. 2. Einen zentralen Stellenwert hatte beim „lauten Nachdenken“ der Emanzipationsgedanke, die Diskussion über Gleichheit und Gleichberechtigung. Dahinter stand als Anstoß, daß Männer lernen müßten, daß „diese Welt keine reine Männerwelt ist .. .“ daß es unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung nur natürlich sei, wenn auch Frauen Dienst mit der Waffe leisteten ja, es aus der Sicht anderer Länder geradezu als ein Defizit an Demokratie erscheinen müsse, wenn Frauen nicht freiwillig Militärdienst leisten könnten denn: „Es ist unangebracht, den Frauen im sozialistischen Beglückungsstil vorzuschreiben, was sie dürfen und was nicht.“ Ob es jedoch zur Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes bzw.der Gleichberechtigung einer „Handhabung eines Schießprügels“ wirklich be-darf oder ob es sich hierbei um „ein großes Mißverständnis der Emanzipations-Bemühungen“ handelt, steht zumindest auch bei einigen zu Wort kommenden Vertretern der großen Parteien in Frage
3. Einen weiteren, auch als fördernden . Anlaß“ bereits gekennzeichneten Gedankengang nimmt die Problematik der Frauen als Lücken-büßerinnen, als Personalreserve ein. Meist unter Rückbezug auf die beiden Weltkriege wird darauf verwiesen, daß immer dann, wenn es mit den Männern nicht mehr klappt Frauen quasi als Ersatz-Männer gerufen werden: „Es ist mißlich, daß man(n) jetzt die Diskussion unter dem Vorzeichen führt, Frauen sollten dann die Lücke ausfüllen Im übrigen verwahren sich die Autorinnen gegen diese Argumentation wegen ihres diskriminierenden Charakters
4. Wenn überhaupt im Zusammenhang mit den Streitkräften von Frauen als möglichen Soldaten die Rede ist, dann nur, um Verteidigung als gemeinsame Sache von Mann und Frau zu definieren. Am vehementesten äußert sich dazu die Herausgeberin der feministischen Zeitschrift „Emma“, Alice Schwarzer: „Entweder der Zugang zur Waffe wird Frauen und Männern untersagt. Oder aber, wir haben ein Militär, und das steht auch Frauen offen.'' Dieser spezielle Aspekt von Gleichberechtigung wird jedoch nicht einhellig geteilt; schließlich verlange — so Liselotte Funcke — Gleichberechtigung „nicht Gleichbehandlung um jeden Preis
5. Zudem wird in Anknüpfung an derartige Überlegungen an die Gefahr einer totalen Militarisierung, an das „schreckliche Bild eines Volkes in Waffen" verwiesen — ein Gedankengang, der zumeist aber nur angedeutet wird.
6. Auf dieser Betrachtungsebene häufig feststellbar ist die Argumentation, daß das „NichtSoldat-Sein von Frauen ein Bestandteil der Zivilisation" sei Allerdings verlaufen hier die Diskussionsstränge recht diffus; einerseits wird auf „gefühlsmäßige Sperren“, sich eine Frau z. B. als Pilotin eines Jagdbombers oder als Geschützführerin vorstellen zu können verwiesen, andererseits jedoch auf klassische, traditionelle Bilder von Mann-Frau-Rollen mit „Zivilisationsideologie''im Hintergrund aufmerksam gemacht; ob der Wehrdienst ein quasi natürliches Vorrecht des Mannes oder dieses Vorrecht nur ein Mythos ist, ob es wirklich „für eine Frau indiskutabel ist, auf Menschen zu schießen“ und damit: ob alle anderen Nationen, die Frauen als Soldaten beschäftigen, keine oder wenig Zivilisation haben, mag dahingestellt sein; die hier geäußerte „gefühlsmäßige“ und von Stereotypen geprägte Aversion kommt deutlich zu Tage.
7. Verstärkt, wenngleich mit einer anderen Argumentationsrichtung, wird diese Einschätzung durch die Aussage: „Entspannung und Abrüstung statt weiblicher Soldaten“ Allerdings wird diese Begründung zumeist ohne konkrete Vorschläge für eine Umsetzung in politische Praxis vorgetragen. Es wird also mit Argumenten operiert, die allzeit und beliebig zu unterstützen wären: „Es komme nicht darauf an, die Wehrpflicht auszudehnen, sondern darauf hinzuarbeiten, daß Soldaten überhaupt überflüssig würden.“ Einen gezielten Hinweis auf alternative Lösungen „statt" weiblicher Soldaten kommt dagegen aus dem parlamentarischen Raum: „Truppenabbau, wenn Wehrpflichtige fehlen"
8. Ein gleichermaßen plakatives Urteil findet sich bei der formaljuristischen Betrachtung.
Das Gegenargument zum Thema weiblicher Soldaten wird aus der direkten Bezugnahme auf das Grundgesetz abgeleitet: „Dafür haben wir eine klare Gesetzgebung, wir haben das Grundgesetz, und es besteht überhaupt keine Veranlassung, darüber nachzudenken, ob wir das ändern wollen.“
Dieses letztlich juristisch fundamentierte „Denk-Tabu" findet eine Entsprechung in der Übertragung des Wortlautes des Artikels 12a Abs. 4 des Grundgesetzes auf die Äußerung des Wehrbeauftragten. Da im Grundgesetz auf eine (allgemeine) Dienstpflicht-Möglichkeit für Mädchen und Frauen verwiesen wird, dabei jedoch ausdrücklich ein Dienst „mit der Waffe" untersagt ist, wird dem Wehrbeauftragten unterstellt, er hätte eine „Waffendienstpflicht auch für Frauen" gefordert, was er so nicht getan hat. Von daher wird dann argumentiert, derartiges verbiete das Grundgesetz und man kämpfe gegen solche Überlegungen strikt an 9. Dieser Argumentationsverschiebung entspricht eine Verlagerung auf das Feld tagespolitisch-parteipolitischer Auseinandersetzung. Dieses Unzeit-Thema sollte — zumal es sich um eine überflüssige Diskussion handele, die nicht „in irgendeiner Entscheidung enden muß“ — beendet werden „Das Problem stellt sich zur Zeit überhaupt nicht. 10. Im gleichen Feld liegen die Argumentationen, die darauf abheben, daß der Wehrbeauftragte zumindest für derartige Gedanken „nicht zuständig" sei, wenn er nicht gar „über den Zaun gefressen", also „klar gegen seinen Auftrag verstoßen" und damit „sein Amt in Mißkredit gebracht" habe.
III. Militärspezifische Fragestellungen
11. Bei der Diskussion über eine Verwirklichung des Gedankens „weiblicher Soldaten“ in der Bundeswehr wird die Frage gestellt: Wollen die Mädchen und Frauen „Soldat(in)" werden?
War in der Vorphase der Auseinandersetzung auf die bislang vorliegenden Erfahrungen mit den derzeit bereits in der Bundeswehr tätigen, weiblichen Sanitätsoffizieren abgehoben worden, so war eine häufig zitierte Position für den Einbezug weiblicher Soldaten die Zahl von „ständig eingehenden" Bewerbungen junger Mädchen beim Bundesministerium der Verteidigung 43a).
Vor diesem Hintergrund wurden —von politischer Seite wie von Meinungsforschungsinstituten — die Frauen, oder genauer: eine als repräsentativ erachtete Anzahl von Mädchen und Frauen in der Bundesrepublik zu ihren Meinungen bzw. zu ihren möglichen Absichten, Soldat(in) zu werden, befragt oder eingeschätzt. Die Bandbreite der Resultate variiert dabei erheblich: von 66 % Gegnerinnen der Bundeswehr über 55 % Gegnerinnen der (weiblichen) Wehrpflicht auch wenn diese nur die Dienstleistungen im Sanitäts-und Verwaltungsbereich umfassen würde — wobei anzumerken ist, daß bei dem Dienst auch an der Waffe bei der gleichen Befragungsgruppe 83 % „dagegen“ sind —, über 50 % Befürworterinnen eines freiwilligen Einsatzes, „wenn die Dienstzeit 6— 15 Jahre beträgt, die Belastung nicht zu hoch ist und keine Waffen getragen werden“ bis zu 70% Befürworterinnen eines freiwilligen, waffenlosen Dienstes Neben diesen Zahlen finden sich pauschale Vermutungen darüber, was „die Öffentlichkeit“ meint. Kurz und bündig: „Nein" zu derartigen Überlegungen; auch wenn dabei unterstellt wird, es „wäre den Frauen die Umstellung von Küche auf Kaserne sicher leichtgefallen: Bekanntlich sind Männer ja auch nur große Kinder ... 12. In diesem Zusammenhang wird nunmehr auch öfters und wesentlich unterschieden zwischen der Bundeswehr als Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte für junge Mädchen und der (offenen) Frage, für welche Funktionen und Verwendungen weibliche Soldaten überhaupt vorgesehen werden könnten. Eher aus einem Vorurteil denn aus einer sachlich angemessenen Problematisierung der Thematik heraus werden zuvorderst inhaltliche Probleme der Ausbildung und Verwendung angesprochen oder erst einmal als „wünschenswert“ oder „erwünscht“ unterstellt — allerdings wird auch auf die Möglichkeit einer (unbestimmt artikulierten) Überforderung hingewiesen
13. Vor diesem Hintergrund lassen sich die Meinungen, die direkt Status-, verwendungsund tätigkeitsorientiert sind, systematisieren. Den überwiegenden Teil (zustimmender) Äußerungen nimmt die generelle Aussage: Dienst als Soldat(in): allenfalls freiwillig, ein. Als symptomatisch dafür können die nachfolgenden Zitate erachtet werden: „Wer es freiwillig mag, bitte schön“ denn „mit vernünftigen Argumenten kann man den Mädchen, die unbedingt wollen, den Dienst in der Bundeswehr schwerlich verwehren.“
14. Vom Inhaltlichen her ist daran anschließend eine Differenzierung zumindest ansatz-weise erkennbar. Eine der (möglichen?) Konsequenzen eines Einbezugs weiblicher Soldaten in den Personalstamm der Bundeswehr wird deutlich gesehen: „Wenn schon, denn schon“ — alle Dienstfunktionen und -Verwendungen müßten weiblichen Soldaten offenstehen; der Zusammenhang mit den bereits dargestellten Meinungen, insbesondere den dann erst recht und auch innerhalb der Streitkräfte einsetzenden Gleichheits-, Gleichberechtigungs-und Emanzipationsbemühungen, ist offenkundig und wird auch betont: „Frauen, wenn ihr euch das zutraut — rührt euch“
15. Ob es jedoch primär nur eine Frage des Sich-Zutrauens ist oder ob auch Probleme und Fragen anderer Art auftreten, steht bei der Argumentation „Dienst ja, aber keinerlei Kampf. Verwendungen, kein Waffendienst“, im Vordergrund. Neben einer behaupteten physiologisch-psychologisch begründeten Nicht-Eignung von Frauen kommt bei dieser Fragestellung das kategorische „Da haben Frauen nichts zu suchen“ zum Ausdruck.
16. Es verbleibt also als „Möglichkeit" — und von dort liegen ja, häufig berichtet und allseits bestätigt, angeblich nur gute Erfahrungen vor — Verwendungen im Sanitäts-und Gesundheitswesen der Bundeswehr.
17. Nur selten wird über diese eher einsatz-und verwendungsorientierten Äußerungen hinaus die Sozialorganisation oder die Kampforganisation angesprochen, also die das Binnengefüge der Armee nach Einbezug weiblicher Soldaten betreffenden Probleme thematisiert. Sofern das dann doch geschieht, handelt es sich um Vermutungen; denn „Soldatinnen geben vermutlich mehr Probleme auf als sie lösen: Was macht eine Bundeswehrkompanie, wenn gleichzeitig Spießin und Hauptfrau in Mutterschaftsurlaub gehen? ” Zu diesem Kontext wird auch ein Zukunftsproblem als Folge weiblicher Soldaten angesprochen: Wie ist eigentlich das Problem der Kriegs-/Wehrdienstverweigerung geregelt, wer ist zustän-dig, wie wird (z. B. bei freiwillig dienenden weiblichen Soldaten, die den entsprechenden Antrag stellen) verfahren? 18. Derlei Auswirkungen auf die Bundeswehr können beim Stand der Diskussion nur erahnt werden. Welche Veränderungen des (traditionellen) Militärs tatsächlich eintreten, steht, so-fern wirklich weibliche Soldaten Teil der Bundeswehr werden, dahin. „Wer weiß, vielleicht würde gerade die Anwesenheit von Frauen .frischen Wind'ins militärische Denken bringen und das Wesen der Militärmaschinerie und ihre Denkautomatik langfristig verändern?" Inhaltlich differenziert werden diese Vermutungen so gut wie gar nicht.
IV. Zusammenfassung
Beim Versuch einer zusammenfassenden Bewertung der in den Medien vorfindbaren Meinungen zum Thema fällt zunächst auf, daß die Mehrzahl der beobachteten Äußerungen „oberflächlich" ist. Es ergibt sich der Eindruck, daß bei einem Großteil der ausgewerteten Meinungen das Thema „weibliche Soldaten“ eigentlich gar nicht gemeint war, daß es eine Art Stellvertreterfunktion für ein anderes Thema hatte: das der „Emanzipation" (einschließlich der auch als Emanzipationsproblem zu begreifenden weiblichen „Reservearmee"). Anders betrachtet, diente das Thema nach seiner „politischen Kreierung“ durch den Wehrbeauftragten erst einmal oder besonders als Katalysator oder Vehikel, um originär gesellschaftspolitische Kontroversen über die gesellschaftliche Rolle der Frau zu aktualisieren und auszutragen. Erst als sich das Thema auf diese Weise als „vermittelt" darstellte, war jedem, der sich dazu berufen fühlte, ein Anlaß geboten, sich in einem vertrauteren Metier als dem der Sicherheitspolitik zu äußern. Kaum ableitbar aus dem publizierten Material sind Mutmaßungen über die Einschätzung der derzeitigen oder zukünftigen Struktur, Rolle und Funktion der Streitkräfte, die spätestens dann angesprochen sein dürften, wenn es um eine sachadäquate Diskussion der Probleme im Gefolge weiblicher Soldaten geht. Ohne es ausdrücklich als Alternativen zu sehen, hätte die Einbeziehung weiblicher Soldaten wohl unterschiedlich auszusehen, je nachdem, ob man zuvorderst in den Streitkräften ein Integrationssymbol im Sinne nationaler Identität oder ein effizientes sicherheitspolitisches Instrument sieht Der bisherigen Tabuisierung militär-und sicherheitspolitischer Fragestellungen folgend, wurde das tatsächliche Interesse beim Publikum von Seiten der Medien als nicht vorhanden eingeschätzt: deshalb wurde die Einbeziehung von Frauen in die Bundeswehr auf einem anderen, dem als vertrauter oder geläufiger unterstellten Terrain der Emanzipationsdiskussion in den Konsequenzen weiterreichender diskutiert. Oder: Nach der Einschätzung der in den Medien Tätigen sind die Streitkräfte entweder nicht dem sozialen und gesellschaftlichen Wandel unterlegen oder folgen eigenen Gesetzmäßigkeiten, jedenfalls dürfen sie wegen dieses besonderen „sui-generis“ -Status nicht von solchen „nebensächlichen“ Fragen angerührt werden.
In jedem Falle aber könnte die dargestellte Gesamtsituation es der Militärbürokratie erleichtern, unbemerkt — zumindest aber unkontrolliert von der öffentlichen Aufmerksamkeit — solche Lösungen für die anstehenden Personalprobleme voranzutreiben, die ihr besonders unter kurzfristig pragmatischen Gesichtspunkten als naheliegend erscheinen und dabei prinzipiellen bzw. weiterreichenden Erörterungen auszuweichen Inwieweit durch einen solchen Vorgriff im Sinne der normativen Kraft des Faktischen dann politische Entscheidungen beeinflußbar sind, bliebe abzuwarten.