Die alma mater entbindet später George Pompidou, der im erlernten Beruf Gymnasiallehrer war, den Schuldienst erfolgreich mit dem Bankgewerbe vertauschte und zum Generaldirektor der Rothschild-Bank avancierte, von dort in die hohe Politik überwechselte und unter de Gaulle französischer Ministerpräsident wurde, soll bei Übernahme des Amtes des Präsidenten der Französischen Republik, auf seinen ungewöhnlichen Werdegang angesprochen, bemerkt haben: Man kommt durch die Schule zu allem — unter der Voraussetzung, man kommt aus ihr heraus.
Die Bestimmung der Schule, den Menschen aus dem Zustand der Unmündigkeit zu befreien und nach erlangter Mündigkeit in die bürgerliche Gesellschaft zu entlassen, diese Bestimmung ist immer mit der Bedingung verknüpft gewesen (oder jedenfalls mit der Annahme), daß der Mensch die Voraussetzungen für die Entlassung in die Freiheit erfüllt. Merkwürdig ist, daß trotz der fortschreitenden Liberalisierung der bürgerlichen Verhältnisse die Bedingungen für die Entlassung in die Freiheit nicht lockerer, sondern strenger, die Hürden nicht niedriger, sondern höher geworden sind, mit dem Ergebnis, daß der Mensch pflichtgemäß oder nach freier Entscheidung immer länger in der Schule verweilt. Diese Erscheinung ist, wie man aus der zitierten Äußerung entnehmen kann, nicht auf die Bundesrepublik beschränkt, aber hier doch wohl besonders ausgeprägt.
Schulentlassung mit Qualifikation Die Anforderungen, die in der Bundesrepublik Deutschland von Staat und Gesellschaft an die Bildung des einzelnen und an das öffentliche Bildungswesen gestellt werden, sind seit Beginn der demokratischen Erneuerung des Bildungswesens Anfang der sechziger Jahre ständig gewachsen. Eine rasch sich verändernde Lebenswirklichkeit, ein neues Verständnis von Lebensqualität mit entsprechenden Ansprüchen von Selbstverwirklichung und der faktisch anerkannte Grundsatz, daß Sozialchancen durch Bildung zugeteilt werden, haben die individuellen Bedürfnisse von Bildung und die Aufgaben der Schule als Teil des Systems staatlicher Vorsorge zur Herstellung von Chancengleichheit in beispielloser Weise ansteigen lassen. Wenngleich fortschreitende Wachstumsraten der staatlichen Leistungen auf vielen Gebieten gegenwärtig nicht mehr realisierbar erscheinen und die Ausbalancierung von Ansprüchen immer schwieriger wird, so hält im Bildungsbereich der Druck von Forderungen nach weiter verbesserten Qualifikationen und Qualifizierungen unvermindert an.
Ein Brennpunkt dieser Forderungen ist die Qualifizierung für den Übergang von allgemeinbildenden Schulen in das Beschäftigungssystem, ein Übergang, der fast drei Viertel des schulpflichtigen Altersjahrgangs betrifft und verbunden ist mit der Entscheidung für einen Beruf oder eine Berufsausbildung. Die Auseinandersetzung über die Gestaltung dieses Übergangs hat sich zum beherrschenden Thema der bildungspolitischen Diskussion der letzten Jahre entwickelt. Die Bundesregierung hat in ihrem Bericht über die strukturellen Probleme des föderativen Bildungssystems vom 22. Februar 1978 (im sogenannten Mängelbericht) die Notwendigkeiten von Strukturverbesserungen bei den Übergängen von den allgemeinbildenden in die berufs-und studienqualifizierenden Bildungsgänge im Se-kundarbereich besonders herausgestellt. Die Kultusministerkonferenz hat in ihrer Stellungnahme vom 20. /21. April 1978 die Notwendigkeit von Verbesserungen anerkannt und dargelegt, mit welchen Maßnahmen und welcher Politik die Länder insgesamt und einheitlich den Problemen begegnen. Die öffentliche Diskussion über das Thema ist seitdem nicht zur Ruhe gekommen.
Qualifikationsproblem „Berufswahlvorbereitung" Ein besonderer Problemaspekt in diesem Zusammenhang ist die Frage, wie die Vorbereitung auf die Berufswahl durch Berufsorientierung und Berufsberatung bereits in der Schule gesichert werden kann. In einem Veranstaltungsprojekt der Theodor-Heuss-Akademie war zu dieser Frage kürzlich zu lesen: „Die Entscheidung für einen Beruf oder eine Berufsausbildung ist auch heute noch eher Ergebnis eines Zufalls als eines Prozesses der Berufsfindung. Die Berufsberatung wird dabei trotz aller Bemühungen von den Betroffenen als wenig hilfreich empfunden. Da eine schulische Förderung der Berufsorientierung kaum stattfindet, kommen ihre Angebote für die Schüler unvorbereitet. Die Ausbildungsplatzkrise erschwert schließlich auch noch die Vermittlung: Vorhandene Berufswünsche lassen sich nicht realisieren. Was können Schule, Betriebe und Berufsberatung für eine frühzeitige Berufsberatung tun? Läßt sich die Effizienz der Berufsberatung verbessern? Wo liegen die Schwierigkeiten?"
Der Defizitanteil, der nach diesen Feststellungen bei der Berufswahlvorbereitung zu Lasten der Schule geht, deckt sich mit Feststellungen, wie sie kürzlich Axel Schnorbus in der Frankfurter Allgemeine Zeitung getroffen hat (25. 1.
1980, Seite 11): „Mag (die Schule) früher auch reaktionärer oder . repressiver'gewesen sein, die Schüler hatten in der Regel eine Bezugs-person: Lehrer, die ihre Schüler beeinflußten, von denen Anregungen ausgingen, auch für die Berufswahl. Die Memoirenliteratur gibt hierfür anschauliche Beispiele. Das ist nach der Bildungsreform nicht mehr der Fall. Kurs-system und Fachlehrerprinzip haben enge persönliche Bindungen zwischen Schüler und Lehrer fast unmöglich gemacht. Berufs-und Arbeitslehre sind in der Schule ohnehin stets zu kurz gekommen. Obwohl soziale Themen heute überaus beliebt sind, bleibt die eigentliche Berufswelt für die Jugendlichen hinter einem Schleier aus politologischer, soziologischer, psychologischer und historischer Halb-bildung verdeckt."
Entspricht diese Kennzeichnung den allgemeinen Verhältnissen? Werden hier strukturelle oder zufällige Mängel von Schule angesprochen, die behoben werden müssen, oder offenbart sich in den angeblichen Defiziten ein Mißständnis der Möglichkeiten von Schule?
Berufswahlvorbereitung als Aufgabe der Schule Es mag hilfreich erscheinen, hierzu aus der Perspektive der Kultusministerkonferenz einige grundsätzliche und kritische Bemerkungen zu machen. Grundsätzlich im Sinne der Klärung der Aufgaben, die der Schule gestellt sind, zur Berufswahlvorbereitung von Schülern einen Beitrag zu leisten, kritisch im Sinne der Klärung der Möglichkeiten und Grenzen, die der Schule vorgegeben sind, ihren Auftrag zu erfüllen. Vielleicht wird das Bild der Verhältnisse, wenn man die Maßstäbe und Rahmenbedingungen kennt, etwas modifizierter erscheinen, das Urteil darüber etwas differenzierter ausfallen. Der Weg soll uns entlang der gesamtstaatlichen Leitlinien und Rahmenregelungen führen, unter denen die Schule ihre Bildungsaufgaben wahrnimmt, um in der Befragung von Bildungszielen, Bildungsgängen und Bildungsinhalten festzustellen, mit welchem Anteil die Schule an der Vorbereitung der Berufswahl beteiligt ist. Ich glaube, daß ein solches Vorgehen nicht nur den Realitäten der Schule gerecht wird, sondern daß dabei auch die Schulwirklichkeit in den Blick kommt, um die es ja letztlich geht.
Die Konkretisierung der Ziele und Aufgaben, die der demokratischen Schule in der Bundesrepublik Deutschland gestellt sind, hat sich, wie der Rückblick auf die Entwicklung zeigt, im öffentlichen Bewußtsein relativ spät vollzogen — in einem erst Anfang der sechziger Jahre beginnenden Prozeß politisch-gesellschaftlicher Auseinandersetzung über unser Verständnis von Demokratie und bei fortschreitender Aneignung und Auslegung der Prinzipien der Verfassung. Bedeutsamstes Ergebnis dieser Auseinandersetzung für den Bildungsbereich war die öffentliche Anerkennung des Rechts auf Bildung und des Prinzips der Chancengleichheit. Unter dem Gebot, Bildung für alle möglich zu machen und chancen-gleiche Ausgangsbedingungen zu schaffen, ist Anfang der sechziger Jahre die Reform des Bildungswesens eingeleitet worden, die zu einer Neugestaltung der allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen und zu einer Neubewertung ihrer Aufgaben geführt hat.
Die Leitziele, die für Erziehung und Unterricht einheitlich in den Ländern aus den Prinzipien der Verfassung zu folgern sind, sind erstmals in der Erklärung der Kultusministerkonferenz vom 25. Mai 1973 zur Stellung des Schülers in der Schule beschrieben. Die Erklärung ist für die Frage nach Stellung und Anteil des Beitrags der Schule zur Berufswahlvorbereitung ebenso bedeutungsvoll wie aufschlußreich: Die Schule soll „— Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten vermitteln, — zu selbständigem kritischen Urteil, eigenverantwortlichem Handeln und schöpferischer Tätigkeit befähigen, — zu Freiheit und Demokratie erziehen, — zu Toleranz, Achtung vor der Würde des anderen Menschen und Respekt vor anderen Überzeugungen erziehen, — friedliche Gesinnung im Geist der Völkerverständigung wecken, — ethische Normen sowie kulturelle und religiöse Werte verständlich machen, — die Bereitschaft zu sozialem Handeln und zu politischer Veraniwortlichkeit wecken, — zur Wahrnehmung von Rechten und Pflichten in der Gesellschaft befähigen, — über die Bedingungen der Arbeitswelt orientieren."
Die Aufgabe der Vorbereitung auf die Berufswahl ist in diesem Aufgabenkatalog zwar nicht dem Namen, aber der Sache nach zweimal angesprochen: einmal indirekt unter der Aufgabe, zur Wahrnehmung von Rechten und Pflichten in der Gesellschaft zu befähigen, insofern das Recht auf freie Berufswahl zu den verfassungsmäßig geschützten Grundrechten gehört, und einmal direkt unter der Aufgabe, über die Bedingungen der Arbeitswelt zu orientieren, insofern die Arbeitswelt nach unserem Verständnis wesentlich Erwerbs-und Berufswelt ist.
Die Ausdeutung der so umschriebenen Aufgabe der Vorbereitung auf die Berufswahl erlaubt zum Begriffsgehalt und zum Stellenwert mehrere grundsätzliche Feststellungen:
Zum Begriffsgehalt: 1. Die Schule soll den Bereich beruflicher Wirklichkeit aufhellen, der für alle im Anschluß an Bildung und Ausbildung wesentlicher Bereich ihrer Lebenswirklichkeit ist. Sie soll über seine Bedingungen Wissen und Kenntnisse vermitteln und zur Orientierung in diesem Bereich führen. Im Horizont der Aufgabe liegt die ganze Breite der Berufs-und Arbeitswelt. Eine Eingrenzung auf bestimmte Ausschnitte aus der beruflichen Wirklichkeit wird nicht vorgegeben. Allgemeine Berufs-orientierung ist damit Aufgabe der Schule.
2. Die Schule soll auf die Wahl vorbereiten, die im Anschluß an die allgemeine Bildung von jedem beim Übergang aus dem allgemeinbildenden in einen beruflichen Ausbildungsgang oder in eine berufliche Tätigkeit zu treffen ist. Kern der Vorbereitung ist die Vermittlung der Kenntnis des Berufswahlrechts als individuellem Freiheitsrecht und der damit verbundenen Ausbildungsrechte. Die Schule soll zur Wahrnehmung dieser Wahl bereit und für die Selbständigkeit der Entscheidung reif machen. Berufswahlreife ist damit erklärtes Ziel von Bildung und Erziehung.
Zum Stellenwert: 1. Die Aufgaben der allgemeinbildenden Schule lassen sich nicht hierarchisieren, stellen untereinander keine Rangfolge dar und bilden kein vollständiges System von Zwekken. Das gilt für die Aufgaben im einzelnen und im ganzen. 2. Die Aufgabe der Vorbereitung auf die Berufswahl ist keine vorrangige Aufgabe der Schule vor anderen, sondern eine gleichrangige neben anderen. Aber sie ist auch eine Aufgabe von eigenem Rang, die für sich zur Geltung zu bringen ist, und sie ist vor allem eine Aufgabe von übergreifendem Rang, die alle Schulformen betrifft, die von Schülern im Rahmen der allgemeinbildenden Schulpflicht besucht werden. Vorbereitung auf die Berufswahl gehört daher zum Pflichtangebot und Besuchsgebot von Unterricht.
Soviel zur Kennzeichnung der allgemeinen und für die Länder gemeinsamen Leitziele der Berufswahlvorbereitung als Aufgabe der Schule, genauer als Bestimmung des Beitrages, den die Schule zu dieser Aufgabe leisten soll. Denn sie leistet diese Aufgabe nicht allein, sondern in Partnerschaft und Zusammenarbeit mit der Berufsberatung.
Kooperationsverhältnis von Schule und Berufsberatung Das Kooperationsverhältnis von Schule und Berufsberatung spielt für das Verständnis des schulischen Teils der Aufgaben der Berufswahlvorbereitung eine besondere Rolle und bedarf gesonderter Darstellung. Das Kooperationsverhältnis ist begründet und beschrieben in der Rahmenvereinbarung über die Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung, die die Kultusministerkonferenz am 5. Februar 1971 im Einvernehmen mit der Bundesanstalt für Arbeit getroffen hat, und in dem Übereinkommen zur Realisierung dieser Rahmenvereinbarung, das am 12. Februar 1971 zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und der Kultusministerkonferenz beschlossen worden ist. Beide Vereinbarungen sind für das Entstehen eines zwischen Schule und Berufsberatung abgestimmten Konzepts von Berufswahlvorbereitung, für eine partnerschaftliche und kooperative Maßnahmengestaltung und eine gemeinsame Strategie für die Zukunft von grundlegender Bedeutung.
Wesentlich für die Kooperation ist zunächst die Abgrenzung der Aufgaben der Schule in der Zusammenarbeit mit der Berufsberatung und der Aufgaben der Berufsberatung in der Zusammenarbeit mit der Schule. Hierzu heißt es in den entsprechenden Bestimmungen: „— Die Schule vermittelt grundlegende Kenntnisse über die Berufs-und Arbeitswelt. Durch die Einbeziehung sozialer Aspekte der Wirtschafts-und Arbeitswelt in den Unterricht soll die Grundlage für reflektiertes Arbeitsverhalten gelegt werden. — Die Berufsberatung bereitet die Schüler im Rahmen der Berufsaufklärung auf die individuellen Erwägungen zur Berufswahl und auf die Berufsentscheidung vor. In Fragen der Berufswahl werden auch die Eltern orientiert."
Aus dieser Kompetenzverteilung wird für den Anteil der Schule an der Berufswahlvorbereitung noch deutlicher, was ihre Aufgabe und was nicht ihre Aufgabe ist: Nicht Aufgabe der Schule ist die Vorbereitung des einzelnen auf seine individuelle Entscheidung für einen bestimmten Beruf und die Bereitstellung eines entsprechenden Informationsangebots. Das ist im Rahmen der allgemeinen Berufsaufklärung, der speziellen Berufsinformation und der Individualberatung und Entscheidungshilfe Sache der Berufsberatung.
Aufgabe der Schule ist es, die sozio-ökonomischen Grundkenntnisse über die Wirtschaftsund Arbeitswelt zu vermitteln, von denen die bestehenden Berufsverhältnisse bestimmt sind. Aufgabe der Schule ist es weiterhin, zu einem zweckrationalen und sozialen Arbeitsverhalten zu erziehen, wie es bei Eintritt in die berufliche Ausbildung oder Tätigkeit vorausgesetzt wird und das über die Arbeitshaltung, die für die Schularbeit gefordert wird, hinausgeht. Für die Koordinierung der Aktivitäten von Schule und Berufsberatung ist die Regelung der Abfolge der Maßnahmen beider Seiten und der Abstimmung ihrer Inhalte wichtig.
Nach der Rahmenvereinbarung stützt sich die Berufsberatung bei ihren berufswahlvorbereitenden Maßnahmen auf die durch die Schule geleistete Hinführung zur Wirtschaftsund Arbeitswelt. Die Berufsberatung ihrerseits stellt der Schule berufskundliches Lehrund Anschauungsmaterial zur Verfügung, bei dessen Erarbeitung Lehrer beratend mitwirken sollen. Das Curriculum der Hinführung zur Wirtschafts-und Arbeitswelt als Vorgabe der Schule erhält damit für die weiterführenden Maßnahmen der Berufsberatung eine spezifische Relevanz im Sinne einer festen Bezugs-größe, mit der gerechnet wird. Seine Anforderungen und Inhalte sollen für die Berufsberatung grundlegende, ausbaufähige Ansätze enthalten und praktisch verfügbar sein. Das Angebot der Berufsberatung, hierfür die Ergebnisse der Arbeitsmarkt-und Berufsforschung zur Verfügung zu stellen, soll gewährleisten, daß in die Lehrmittel für die Hand des Lehrers und die Lernmittel für die Hand des Schülers wissenschaftlich gesicherte Daten einfließen. Die Kooperation von Schule und Berufsberatung im engeren Sinn als Bereich gemeinsamer Aktionen spielt sich auf verschiedenen Feldern ab. Ich möchte diejenigen herausgreifen, die für den Beitrag der Schule zur Berufswahlvorbereitung von unmittelbarer Bedeutung sind: die Schullaufbahnberatung, die Vorbereitung von Berufserkundungen und die Entwicklung von Modellen der Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung.
Nach der Rahmenvereinbarung wirken Schule und Berufsberatung bei der Schullaufbahnberatung in den Stufen zusammen, von denen aus ein Übergang in andere Schularten oder in den Beruf möglich ist. Die Einbeziehung der Schullaufbahnberatung in den Kooperationsbereich von Schule und Berufsberatung eröffnet dieser nicht nur die Möglichkeit der Mitwirkung in einem Bereich, in dem die Schule bislang allein tätig war; sie stellt die Schullaufbahnberatung zugleich in den Horizont von Vorentscheidungen für den Beruf. Diese Verlängerung der Perspektive entspricht zweifellos in folgerichtiger Weise nicht nur den formalen Beziehungen, die zwischen Schullaufbahn und den damit verknüpften Berufschancen bestehen, sondern ebenso den inhaltlichen und curricularen Anbindungen, die bestimmte Schullaufbahnen an bestimmte Berufslaufbahnen haben, sowohl im allgemein-
bildenden wie im berufsbildenden Bereich.
Nach der Rahmenvereinbarung arbeiten Schule und Berufsberatung auch bei berufsaufklärenden Maßnahmen zusammen. Dieses gilt insbesondere für die Vorbereitung von Berufs-erkundungen und berufsorientierenden Betriebspraktika. Die Bedeutung dieser speziellen Maßnahmen liegt auf der Hand. Die Vermittlung von Erfahrungen aus der Begegnung mit der Berufswirklichkeit wird bei der Hin-führung zur Berufs-und Arbeitswelt und der Vorbereitung von Berufswahlentscheidungen um so wichtiger, je mehr die Einheit der menschlichen Tätigkeiten in den verschiedenen Bereichen räumlich und sachlich zerfällt, durch Differenzierung unübersichtlich wird und durch die Entwicklung der Arbeitstechnologien sich ständig ändert. Die Ermöglichung von praktischen, exemplarischen Erfahrungen über berufliche Tätigkeiten in Betrieben und die Verarbeitung dieser Erfahrungen im Unterricht ist daher sinnvoll ergänzender Bestandteil der Aufgaben der Schule.
Die in der Rahmenvereinbarung beschriebenen Formen der Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung verstehen sich als Beschreibung der Regelformen. Nach der Vereinbarung können neue Formen der Zusammenarbeit in Modellschulen und bei Schulversuchen erprobt werden. Wenn der Begriff von Schulversuchen mehr den Experimentalcharakter, der Begriff von Modellversuchen mehr den Leitbildcharakter von Erprobung kennB zeichnet, dann wird deutlich, daß die vereinbarte Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung sowohl für qualitative Neuerungen im Sinne von Verbesserung offen ist als auch für quantitative Neuerungen im Sinne eines systematischen Ausbaues der Zusammenarbeit in Bereichen, in denen sie zur Zeit noch unterentwickelt ist.
Berufswahlvorbereitung in den Bildungsgängen und Bildungsinhalten der Schule Eine Auslegung des Schulsystems und seiner Bildungsgänge auf das Berufssystem zeigt, daß einem hochdifferenzierten Berufssystem in der Bundesrepublik Deutschland ein ebenso hochdifferenziertes kombiniertes allgemeinbildendes und berufsbildendes Schulsystem zugeordnet ist. Berufswahlvorbereitung ist unter diesem Gesichtspunkt ganz wesentlich zunächst Bildungswahlvorbereitung. Diese Bildungswahlvorbereitung erfolgt durch die Schule auf allen Stufen, auf denen Entscheidungen für den Besuch differenzierter Bildungsgänge zu treffen sind: in der Orientierungsstufe als Entscheidung für den Besuch weiterführender allgemeinbildender Schulen, am Ende der Sekundarstufe I als Entscheidung für den Besuch weiterführender allgemeinbildender und berufsbildender Schulen und am Ende der Sekundarstufe II in der Entscheidung für Ausbildungsgänge im tertiären Bereich. Durch die unterschiedliche Dauer der allgemeinbildenden Bildungsgänge als Eingangs-voraussetzung für die anschließende berufliche Ausbildung konzentrieren sich die Schwerpunkte der Vorbereitung auf die Berufswahlvorbereitung an allgemeinbildenden Schulen auf die verschiedenen Phasen des Auslaufens dieser Bildungsgänge. Sehr vereinfacht heißt das: auf die Phase vor dem Abschluß der neunjährigen Hauptschule als Eingangsvoraussetzung für die Berufsschule, auf die Phase vor dem Abschluß der zehnjährigen Realschule als Eingangsvoraussetzung für eine weitere Allgemeinbildung oder eine Berufsbildung mit gehobenen Allgemeinbildungsansprüchen und auf die Phase vor Abschluß des Gymnasiums als Eingangsvoraussetzung für Berufsausbildungen, die über ein wissenschaftliches Studium laufen.
Die Unterrichtsorganisation des Beitrages der Schule zur Berufswahlvorbereitung erfolgt im Rahmen des Fächerangebots der genannten Schulformen. An der Hauptschule und der Gesamtschule dienen der Aufgabe, Jugendliche auf die Berufswelt vorzubereiten, insbesondere die Fächer Arbeitslehre, Wirtschaftslehre und technische Fächer (z. B. Technisches Werken, Textilarbeit, Hauswirtschaft). Sie werden als eigene Fächer in den Jahrgangs-stufen 7 bis 9 unterrichtet, zum Teil schon in Klasse 5 und 6.
An der Realschule wird neben den oder statt der vorgenannten Fächer in den letzten drei Jahrgangsstufen angeboten: Rechtslehre, Gesellschaftslehre, Politik und Weltkunde, Wirtschafts-und Sozialkunde, Sozialarbeit.
An den Gymnasien übernehmen Fächer wie Sozialkunde, Politik, Wirtschaftswissenschaften, Gemeinschaftskunde die Aufgabe der Vorbereitung auf die Berufswelt.
An den Sonderschulen werden soweit wie möglich die Lehrpläne der regulären Schulen verwendet. An den Schulen für Lernbehinderte erfolgt die Berufsvorbereitung im Rahmen der Fächer Arbeitslehre, Wirtschaftslehre und technischer Fächer.
Die Organisation der Aufgaben der Berufs-orientierung in einer Mehrzahl verschiedener Fächer, die dazu noch in einer gewissen Variationsbreite zwischen den Ländern differieren, ist ständig wiederholter Anlaß zu der Frage, wie durch die Fächerzersplitterung die Einheit der Aufgaben gewährleistet wird. Hierzu möchte ich zunächst darauf hinweisen, daß eine Mehrzahl von Aufgaben der Schule nicht durch fachlich eigenständige Fächer, sondern im Verbund von Fächern wahrgenommen werden. Ich erinnere außer der Aufgabe der Hinführung zur Wirtschaftsund Arbeitswelt z. B. an die Aufgaben der politischen Bildung, der Umwelterziehung, der Sexualerziehung, der Verkehrserziehung oder der Verbraucher-erziehung, für die keine eigenständigen Fächer, sondern Ansatzpunkte in dafür besonders geeigneten herkömmlichen Fächern bestehen. Die Nichtexistenz eines eigenen Faches „Berufswahlunterricht" mit einer korrespondierenden eigenen Lehrbefähigung ist also nicht der Punkt. Wichtig ist, daß jedes geeignete Fach der Schule sich von seinem eigenen Wirklichkeitsbegriff her den Problemen der beruflichen Praxis nähert und damit eine Aufgabe realisiert, die der Schule insgesamt gestellt ist. Wichtig ist weiterhin, daß diese Annäherung nicht beliebig und zufällig, sondern verläßlich wahrgenommen wird und daß sie nach Inhalt und Umfang objektivierbar ist.
Nun muß man eingestehen, daß die Länder insgesamt in der Beschreibung der Gegenstände von Berufswahlvorbereitung und Berufswahlorientierung als Bestandteil der fachlichen Aufgaben der Schule noch am Anfang stehen. Die Kultusministerkonferenz hat, in Weiterführung einer Initiative der Bundesanstalt für Arbeit, mit ihrer Dokumentation „Inhalte der Berufsorientierung in den Arbeitslehrplänen der Länder (Schuljahr 1978/79)", die zum zehnjährigen Bestehen der Kontaktkommission zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und der Kultusministerkonferenz der Öffentlichkeit vorgelegt worden ist, erstmals eine Beschreibung der Erlasse und der Aktivitäten der Länder im Bereich der Hauptschule gegeben, für die Arbeitslehre ein eigenständiger Lernbereich ist. Walter Hirsch von der Bun-
desanstalt für Arbeit hat in seiner grundlegenden Vorarbeit zu dieser Dokumentation (in: ibv Nr. 7 vom 12. Februar 1975) und Julius Wöppel vom Ministerium für Kultus und Sport, Baden-Württemberg, hat in kommentierenden Aufsätzen (in: Handbuch zur Berufswahlvorbereitung, herausgegeben von der Bundesanstalt für Arbeit, 1979, und in der Zeitschrift für Berufs-und Wirtschaftspädagogik, 76, 1980, 1) zu der von ihm bearbeiteten Fortführung der Dokumentation dargelegt, was dazu aus fachlicher Sicht zu sagen ist. Durch die Dokumentation der Kultusministerkonferenz, die regelmäßig fortgeschrieben werden soll, wird für alle Interessierten und Beteiligten erstmals transparent, was insgesamt in den Ländern zur Berufsorientierung geschieht und wie es geschieht. Die Maßnahmen und Konzepte werden in ihrem Begründungszusammenhang vorgestellt und durch die Systematik der Anlage untereinander vergleichbar. Das hier angewandte Verfahren der Herauslösung der berufsorientierenden Aspekte aus den Lernbereichen, in denen die Aufgabe verankert ist, sollte übertragen werden auf eine Beschreibung der berufsorientierenden Aspekte in den entsprechenden Fächern der Realschule und des Gymnasiums, die gegenwärtig noch fehlt. Es darf angenommen werden, daß es zu diesen Beschreibungen kommen wird, jedenfalls im Bereich der Sekundarstufe I. Der Stand der Vorarbeiten zum Bildungsgesamtplan II läßt erkennen, daß die Erleichterung des Übergangs in die berufliche Bildung durch berufsorientierende Angebote, durch Vermittlung von Kenntnissen aus der Berufs-und Arbeitswelt und durch die Abstimmung der Lehrpläne künftig noch verstärkt ein Schwerpunkt der Aufgaben der Schule sein soll.
Die Eingliederung der Berufsorientierung in die gymnasiale Oberstufe steht — anders als in der Mittelstufe des Gymnasiums — gegenwärtig noch vor strukturellen Schwierigkeiten. Mit der Kursgestaltung der gymnasialen Oberstufe und der Unterscheidung von Grund-und Leistungskursen ist zwar nicht der Fächerrahmen des Unterrichts, aber die Bestimmtheit der Inhalte und des fachbezogenen Unterrichtsvolumens verändert worden, die für den Bildungsgang durch die gymnasiale Oberstufe verbindlich sind. Damit werden nicht nur die Anteile der auf die Berufs-und Arbeitswelt bezogenen Inhalte des Unterrichts variabel, es wird für die Berufsberatung auch die Basis schwerer bestimmbar, auf die sie ihre Arbeit stützen soll. Hier müssen neue Wege der Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung gefunden werden. Nach Lage der Dinge werden dies vermutlich eigene Kursangebote sein müssen, wie sie bereits in einzelnen Ländern erprobt werden. Die Kultusverwaltungen der Länder sind gegenwärtig damit befaßt, zu prüfen, welche Erkenntnisse aus diesen Modellen gewonnen werden können und ob es darüber zu Verfahrensabstimmungen in der Kultusministerkonferenz kommen soll.