I. Einleitung
Die Mitwirkungsrechte der Eltern im Schulbetrieb seien heute mehr denn je ausgebaut und rechtlich abgesichert, befand Minister Schmude in der familienpolitischen Debatte des Bundestages im Januar dieses Jahres In seiner positiven (wenngleich nicht unkritischen) Bilanz übersah Jürgen Schmude freilich, daß Elternmitwirkung'heute nicht den Nutzen haben kann, den er sich von ihr erhofft: den Eltern verstehen zu helfen, was in der Schule gefordert wird, sie mitreden zu lassen, wenn es um schulische Bildungsangebote geht, und ihren Wunsch zu befriedigen, sich ein Bild vom Alltag der Schule ihrer Kinder machen zu können. Denn Elternmitwirkung heißt heute vor allem Mitverwaltung der Schule, Teilhabe an der Verwaltung (und Reparatur) einiger Rahmenbedingungen der schulischen Erziehungsund Bildungsarbeit; die Schule schließt die Eltern Teilhabe von der an dieser Arbeit aus, die weiterhin Reservat des pädagogischen Personals und Domäne der „Fachleute" bleibt.
Im politisch-publizistischen Meinungsund Konfliktfeld des letzten Jahrzehnts spielte die elterliche Schulmitwirkung eine untergeordnete Rolle, öffentliches Interesse fand die traditionsreiche Frage nach dem Verhältnis von „Eltern" und „Staat" vielmehr in drei soziopolitischen Zusammenhängen:
— bei den Aktivitäten von Elterngruppen und -initiativen als Teil der „Bürgerinitiativbewegung" (Meyer-Tasch);
— bei den Ansprüchen von Elternvereinen, die sich — oft als Allianzpartner einer breiten oppositionellen Koalition gegen das jeweilige Kultusministerium — in der Auseinandersetzung um curriculare und strukturelle Bildungsreformen formierten;
— beim (vorläufig) weitgehend akzeptierten schulpolitischen Konsens, die Frage „Gesamt-schule oder dreigliedrige Schule?" von der Antwort des sogenannten „Elternwillens" abhängig zu machen.
Zumindest die letzten beiden Entwicklungen blieben für die Realität der institutionalisierten Elternmitwirkung nicht ohne Bedeutung. Beide haben Geschichte — von den konfessionspolitischen Kämpfen bis zur Auseinandersetzung um die Integrierte Gesamtschule gilt die Formel, mit der die Inanspruchnahme „der Eltern" für diametral entgegengesetzte schulpolitische Ambitionen glossiert worden ist: „Auf beiden Seiten Elternrecht — für unsere Eltern!" Im bildungspolitischen Feld wird Elternmitwirkung gern unter dem Aspekt ihrer Instrumentalisierbarkeit gesehen: Wie können Elternvertretungen personell und programmatisch genutzt werden, um durch sie auf „die Eltern“ Einfluß zu nehmen? Die Renaissance dieser Strategie war in den siebziger Jahren ebenso unübersehbar wie die Neigung, „den Elternwillen" — eine empirische Fiktion — als politische Formel zu bemühen, um jeweils die Legitimität der eigenen Position zu bekräftigen. Vernachlässigt wurde und wird dagegen die Frage, wie Elternmitwirkung in einer demokratischen Schulverfassung organisiert und als „volkspädagogische Aufgabe" (Herzer) bewältigt werden kann. Auch die zweite Phase der Schulverfassungsgesetzgebung der Nachkriegszeit, die mit der Verabschiedung des nordrhein-westfälischen Mitwirkungsgesetzes im Dezember 1977 zu Ende ging (die erste Phase läßt sich von Anfang der fünfziger Jahre bis zur Verabschiedung des hessischen Mitbestimmungsgesetzes im Jahre 1958 datieren), hat die soziale und pädagogische Dimension der Elternmitwirkung kaum beachtet. Die Mitwirkung der Eltern wurde vor allem als Gremienmitwirkung verstanden, diese Mitwirkung durch prozeduDieter gen formalisiert und der erzieherische und fachliche Bereich weitgehend ausgeklammert.
Nur in bemerkenswerten Ausnahmen (wie zum Teil in Hamburg) haben Schulen und Schulverwaltungen versucht, den Eltern erziehungsnahe Mitwirkungschancen anzubieten und sie in die schulischen Bemühungen einzubeziehen. Trotz des beträchtlichen politisch-publizistischen Aufwandes im Vorfeld und im Verlauf der Schulverfassungsreformen und vielfältiger wissenschaftlicher Bemühungen hat sich im Schulalltag von Eltern und (Staats-) Schule und an der Elternmitwirkung als quantit ngli-
geable in Schule und Schulverwaltung erstaunlich wenig geändert; die (wie ein Euphemismus der politischen Sprache es gern nennt)
„Partnerschaft" zwischen Eltern und Schule, die — nimmt man die Formeln der Schulverfassungsbestimmungen beim Wort — durch die institutionalisierte Elternmitwirkung gefördert werden soll, findet nur in Ansätzen statt. Diese Mitwirkung bleibt aber pädagogisch steril, wenn Schule und Schulverwaltung die erzieherische Inkompetenz und das schulische Desinteresse vieler Eltern nicht als politische (also als öffentliche, das Gemeinwesen betreffende) Herausforderung verstehen und sich um die Aktivierung der elterlichen Anteilnahme am Schulkind und an der Schule als „Weg des Kindes" (Langeveld) bemühen. Dies ist eines der Ergebnisse des folgenden Beitrags, der sich als erste Problemorientierung und kritisches Resümee einiger Entwicklungslinien und Tendenzen versteht. Er berücksichtigt nur die Elternmitwirkung in der Staats-schule und er konzentriert sich auf , die El-tern’, klammert also Lehrer und Schüler, die in der Mitwirkungsdiskussion einer gesonderten Erörterung bedürften, aus dem Gang der Argumentation aus.
Eine Bemerkung zum Verhältnis der Lehrer zur Elternmitwirkung ist aber unerläßlich. Die gängige Kritik in Teilen der Elternschaft und ab und an in der . veröffentlichten Meinung', Lehrer seien nicht oder zu wenig an Elternmitwirkung . interessiert', ist so lange nicht hilfreich, wie nicht gefragt wird, welche Hilfen und Anreize dem Lehrer gegeben werden können, sich für diese Mitwirkung , zu interessieren'. Die Zusammenarbeit mit den Eltern (sei es mit einzelnen Müttern oder Vätern, mit der Klassenelternschaft oder mit dem Elternbeirat) kostet zusätzlich Kraft und Zeit. Aber Lehrer sind Arbeitnehmer, die sich voll ausgelastet fühlen (und es auch sind) und für die Elternmitwirkung oft unbezahlte Mehrarbeit ist. Die Mitwirkung der Eltern, die politisch wirklich gewollt und nicht nur proklamiert wird, braucht eine materielle Basis, und das heißt auch: sie muß in der Schulorganisation und im Lehrdeputat berücksichtigt werden
Der folgende Überblick zeichnet zunächst einige Entwicklungslinien der Problemgeschichte nach und fragt nach Begründungen der Elternmitwirkung. Er skizziert dann die Rechts-und Organisationsstruktur der Mitwirkung, diskutiert anhand einiger empirischer Arbeiten die Aktivitäten von Elternvertretungen, greift die Schichtproblematik (die sozialstrukturellen Einseitigkeiten) der El-ternmitwirkung auf und geht auf das (vernachlässigte) Verhältnis von Elternmitwirkung und Elternbildung ein. Dieser Beitrag plädiert dafür, reformpädagogische Traditionen und die Resultate der neueren Lernund Sozialisationsforschung für die elternpädagogische In-terpretation der Elternmitwirkung zu nutzen. In ihr sieht er eine der Bedingungen der Möglichkeit, die Isolierung der pädagogisch oft sterilen institutionalisierten Elternmitwirkung vom Erziehungsund Lerngeschehen der Schule aufzubrechen.
II. Warum sollen Eltern mitwirken?
Zur Problemgeschichte und Begründung der Elternmitwirkung In der deutschen Problemgeschichte der Elternmitwirkung lassen sich zwei Begründungskomplexe grob gegeneinander abgrenzen: 1. Elternmitwirkung als Form und Möglichkeit staatsbürgerlichen Entgagements: Mitwirkung wird als politisch-administrative Teilhabe der (durch den Schulbesuch ihrer Kinder) Betroffenen als Bürger an der Schule (als Teil der staatlichen Verwaltung) verstanden. In historischer Sicht muß diese Mitwirkungsforderung und -gewährung in den Kontext des Verhältnisses von Bürger und Staat, in systematischer Sicht in die Demokratisierungs-und Partizipationsdiskussion eingeordnet werden. 2. Elternmitwirkung als erziehungs-und sozialisationspraktisch begründetes und sozial-und gesellschaftspolitisch erstrebenswertes Postulat: Mitwirkung wird hier verstanden als erzieherische Teilhabe der Betroffenen als Eltern an der Schule als dem „Weg des Kindes" (Lan-geveld). Diese Argumentation ist Teil der traditionsreichen Bemühungen, das Verhältnis von Eltern und (Staats-) Schule „zu pädagogisieren“. Elternmitwirkung als Mitverwaltung Man muß sich das Verhältnis von Eltern und Schule in der neueren deutschen Dogmen-und Realgeschichte des Bildungswesens vergegenwärtigen, um verstehen zu können, daß die Forderung, Schule und Schulverwaltung müßten dem Bedürfnis der am meisten betroffenen Bürger — der Eltern — nach Mitarbeit und Widerspruch, nach Anregung und Kritik Raum gewähren, lange Zeit ohne schul-und rechtspraktisches Gewicht blieb. Die Staats-schule war als institutionalisierter „Sonderraum" gegen , die Eltern'durchgesetzt worden. Schule sollte nicht mehr annexum religionis oder Hilfsanstalt der Familie sein (ein wichtiges Datum ist hier das Allgemeine Preußische Landrecht von 1794 Pädagogische Programme bemühten sich um die Begründung eines aus der Lebenswelt der Erwachsenen ausgelagerten Erziehungsraumes („der Schule") und die „veranstaltlichte" Erziehung errichtete normative und institutionelle Barrieren gegenüber der Familie, die die Schule als bürokratisch-professionelle Organisation gegen familiär-private" Einflüsse abschirmten. Dabei verband sich im 19. Jahrhundert die ältere kulturelle Mission des „Policeystaates" des 18. Jahrhunderts mit einer vergröbernden Hegel-Interpretation, die Hegels Diktum vom „Zweck des Staates (als) das allgemeine Interesse als solches" und seine Betonung der besonderen Würde und Objektivität des Staates auf das Verhältnis von Staatsschule und Gesellschaft übertrug. Dieser deutsche „Staatstraditionalismus" (Bracher) prägte nachdrücklich das Verhältnis von Eltern und Schule: Eltern waren „Gesellschaft", die Verkörperung des Besonderen, denen der Staat als Inkarnation des Allgemeinen gegenüber-trat. Rudimentäre Formen der institutionalisierten Mitwirkung der Eltern (als Bürger) hatten keine praktische Bedeutung. Die Schule war eine strikt obrigkeitliche Veranstaltung, zu der die Eltern nicht anders als zu jeder anderen Verwaltungsbehörde standen.
Nun war diese herrschaftlich-bürokratische Praxis in Schule und Schulverwaltung (die sich rechtsgeschichtlich im „besonderen Gewaltverhältnis", organisationsgeschichtlich im Institut der Schulaufsicht konkretisierte) nie unbestritten. Die Zahl der Plädoyers für die Beteiligung der Eltern an der Verwaltung der Schule ist Legion. Wirkungsgeschichtlich besonders interessant ist das Konzept F. W. Dörpfelds (1824— 1893), der auch die pädagogische Dimension der Mitwirkung in seinen Überlegungen bedenkt. Zu den „Grundgebrechen der hergebrachten Schulverfassungen" gehören für ihn die „bürokratische Form des Schulregiments"; deshalb forderte er die „angemessene Vertretung aller Schulinteressenten neben den wichtigsten Organen der Verwaltung". Dörpfeld verstand die Schule als „Genossenschaft von Familien zur gemeinsamen Erziehung ihrer Kinder" und in der Schulverwaltung sollten als „Schulinteressenten" Staat, Kirche, bürgerliche Gemeinde, Eltern und Lehrer Zusammenwirken.
Dörpfelds Schriften fanden breite Resonanz. Ihr Tenor traf sich mit der reformpädagogischen Kritik an der „verwalteten" Schule, in der sich Eltern und Lehrer „fremd und kalt" gegenüberständen und „nur auf geschäftsmäßigem Wege Notiz voneinander" nähmen. Die Kritik am „Bürokratismus“ (Wolgast) verband sich in liberal-und sozialdemokratischen Kreisen mit der Forderung nach verantwortlicher Beteiligung der Eltern an der Schule. (So forderte das Schulprogramm der Hamburger Sozialdemokratie von 1906 „direkte Wahl von Eltern in alle Instanzen der Schulverwaltung", und die Deutsche Lehrerversammlung in Straßburg regte 1910 an: „Lehrer und Eltern werden als die tragenden und fördernden Kräfte des Schulwesens zu kollegialisch beschließenden Selbstverwaltungskörperschaften organisiert." Ein historischer Schritt auf dem Wege zur Elternmitwirkung in der Staatsschule war der Elternbeirats-Erlaß des preußischen Kultusministeriums vom 5. November 1919: Der Elternbeirat „soll der Förderung und Vertiefung der Beziehungen zwischen Schule und Haus dienen und den Eltern wie der Schule die Arbeit miteinander und den Einfluß aufeinander gewährleisten"
Solche und ähnliche Texte umschreiben die Aufgaben der institutionalisierten Elternmitwirkung von Weimar bis heute. Für das Verständnis des Erlasses ist es wichtig, daß sich in ihm auch die reformpädagogische Forderung niederschlug (auf die unten einzugehen sein wird), Elternmitwirkung als erzieherische Teilhabe zu verstehen. Der Erlaß, dem ähnliche in anderen deutschen Ländern folgten, war ein Kompromiß zwischen den rätedemokratisch radikalisierten Selbstverwaltungsforderungen, dem reformpädagogischen Gedanken, Schule auch als elternpädagogische Institution zu verstehen und Eltern an der schulischen Arbeit zu beteiligen, und den Ansprüchen der Schulverwaltungen, die Elternmitwirkung auf marginale Bereiche beschränkt sehen wollten und deren am traditionellen Verhältnis von Eltern und Schule orientierte Problemsicht sich in den folgenden Jahren wieder durchsetzte. Selbst in den mitwirkungspolitisch fortschrittlichsten Ländern (wie Hamburg, Mecklenburg-Schwerin, Sachsen und Thüringen) scheint das Miterziehungsrecht der Eltern — ihre behutsame Einbeziehung in die pädagogische und Unterrichtsarbeit der Schule — in der Praxis von Verwaltungsund schulpflegerischen Aufgaben überlagert und verdrängt worden zu sein — eine Entwicklung, die sich nach 1946 erneut feststellen läßt. Ein Beobachter urteilte 1928 über die Arbeit der Elternvertretungen: „Die Elternbeiräte haben nach übereinstimmendem Urteil aller Beteiligten das ihnen gesteckte Ziel nicht erreicht. Sie sind an vielen Schulen eingeschlafen, die Beteiligung der Eltern hat mehr und mehr nachgelassen ...; die Lehrerschaft weiß von tatsächlicher und segensreicher Mitarbeit der Elternbeiräte nur in besonderen Fällen zu berichten."
Auch nach 1945 lebte die Kritik an der herrschaftlich verfaßten und bürokratisch organi-sierten Schule wieder auf, assistiert von der Direktive Nr. 54, die der Alliierte Kontrollrat im Sommer 1947 formuliert hatte: „Für eine wirksame Beteiligung des Volkes an der Schulreform, der Organisation und Verwaltung des Schulwesens ist in vollem Umfang Rechnung zu tragen." Trotz intensiver publizistischer Debatten und regionaler Experimente im Anschluß an die Direktive und im Rückgriff auf deutsche Selbstverwaltungsmodelle ging die schulrechtliche und -praktische Entwicklung erneut den Weg Weimars: In die Schulen und Schulverwaltungen wurden Elternvertretungen integriert, die, wie ein Autor schon 1950 gemutmaßt hatte, wiederum kaum einen Beitrag zur „Entfaltung pädagogischen Lebens in der Elternschaft" leisten konnten. Nach 1965 wurde die Kritik an der zentralistischen Staatsschule und an den mangelnden Beteiligungschancen der Lehrer, Schüler und Eltern unter dem Titel „Demokratisierung der Schule" erneut vehement aufgegriffen (wobei die Demokratisierungsdiskussion zunächst unübersehbare elternkritische Akzente hatte: Eltern schienen unaufgeklärt und reformhemmend). Diese Diskussion, die eine Flut von Programmen, Polemiken und Erörterungen produzierte mündete in die zweite Phase der Schulverfassungsgesetzgebung der Nachkriegszeit. Die Schulverfassungsdebatte orientierte sich zunächst an den hochschulpolitischen Kontroversen und stellte die Frage nach der gruppen-und paritätenrechtlichen Struktur der künftigen schulischen Entscheidungsgremien in den Vordergrund. Diese verengte Problemperspektive war für die Bemühungen nach 1970 charakteristisch: Zwar fand die Forderung, Eltern an der Schule mitwirken zu lassen, bald breite Zustimmung, doch wurde der Frage nach den Modalitäten und Prozeduren weit mehr Aufmerksamkeit geschenkt als der nach den Bereichen und Aufgaben dieser Mitwirkung. Die Kritik am „substanzlosen Formalismus" (Nevermann) bringt das Ergebnis der Schulverfassungsdebatte auf eine pointierte Formel.
Elternmitwirkung als Miterziehung Pädagogisch produktiver und letztlich politisch gewichtiger als das Verständnis der Elternmitwirkung als politisch-administrative Teilhabe ist ihre Interpretation als erzieherische Teilhabe der Eltern als Eltern. Die Staatsschultradition des Jahrhunderts hatte die Eltern aus der Schule ausgeschlossen. In der Schule wurde das Kind zum „Schüler", der den Werten und Regeln der Anstalt unterworfen war. Die Zuständigkeiten zwischen Haus und Schule waren abgegrenzt, die Einflußsphären durch eine problematische 19) „Arbeitsteilung" markiert: Die Schule war für die „Gesinnung" im politischen Raum („Staatspädagogik") und für den „Unterricht der Jugend in nützlichen Kenntnissen" (§ 1 des Allg. Preußischen Land-rechts) zuständig, die Eltern dagegen für die „sittliche" Erziehung. Diese Abgrenzung der Erziehungsfelder, die nur auf „geschäftsmäßigem Wege" (A. Lomberg 1908) voneinander Notiz nahmen, beruhte auf spezifischen Denkvoraussetzungen: einem statischen („erbtheoretischen") Begabungsbegriff, der Überschätzung der Relevanz der Schule für das kindliche Lernschicksal (was historisch mit der Quasi-Monopolisierung des Lernens durch die Schule erklärbar sein könnte), der Interpretation der Schule als , Lernschule', die „das Kind (als) das willenlose Geschöpf" (Nohl) sieht, dem es die Gehalte der „objektiven Kultur" zu vermitteln gelte und einer ungebrochenen Schulautorität, deren Fachkompetenz unbezweifelt war und der die elterliche Laienpädagogik — sofern sie in der Schule Gehör beanspruchte — als Gefährdung des Schulerfolgs und Störung des Schul„betriebs" galt. Unzulänglichkeiten der familialen Sozialisation, die den Pädagogen zunehmend bewußt wurden, verstärkten den professionell-bürokratischen Charakter der Schule. Das Haus verliere „an erziehlicher Kraft", bemerkte F. Paulsen und die Schule bemühte sich, den „Erziehungsverlust" der Familie durch veränderte schulische Arrangements und die Verlängerung der Schulzeit zu kompensieren. Sie schätzte die Mitwirkungsfähigkeit der Familie gering ein, deren Interesse am „Schul" kind zu wecken Schulverwaltung und Schule nicht als ihre Aufgabe ansahen.
Das Argument der Reformpädagogik Dieses Selbstverständnis der Schule und ihre Distanz zum „anderen Erzieher", den Eltern, kritisierte die Reformpädagogik. Sie dachte nicht von der Wissensvermittlung, sondern von der „Individuallage" (Pestalozzi) des Kindes und seiner Sozialisationsgeschichte her. Ihr Augenmerk war nicht auf die Abgrenzung, sondern auf die Gemeinsamkeit der Erziehungsfelder gerichtet. Sie orientierte sich an einem dynamischen („milieutheoretischen") Begabungsbegriff, der das Kind „in seinem eigenen spontanen produktiven Leben" (Nohl) sah, und seinem häuslichen . Umfeld', das sie als konstitutive Lernbedingung begriff, ihm besondere Aufmerksamkeit schenkte und deshalb den Kontakt zu den Eltern suchte. Programmatisch dazu H. Gaudig: „Der Verkehr des Elternhauses mit der Schule krankt... am Mangel an Kontinuität und ... am Mangel der . Totalität'des Interesses ... Schule und Elternhaus müssen bei jedem Kind von Anfang an und dauernd ... in Verbindung bleiben, und die Verständigung über das Kind muß das Kind in der Totalität seiner Lebenserscheinungen umfassen ...der Verkehr der Schule und des Elternhauses muß eine Geschichte haben, die der Geschichte der kindlichen Entwicklung entspricht" In dieser Sicht ist das Interesse der Eltern am schulischen Leben die wichtigste Bedingung der Möglichkeit des Erziehungs-und Lernerfolgs der Schule. Durch die schulische Mitwirkung der Eltern sollte ihr erzieherisches Interesse stimuliert werden. Dieses Interesse anzuregen und zu fördern war Aufgabe der Lehrer und anderer „interessierter" Eltern, wobei der Elternrat organisatorische und elternpädagogische Hilfen leisten sollte — eine Sicht, die den schroffen Gegensatz zwischen , Laien'und . Fachleuten'relativierte.
Diese elternfreundliche Einstellung, die die Anteilnahme der Eltern wecken und fördern will und das Schulschicksal des Kindes als gemeinsame Herausforderung für Schule und Haus begreift, schlug sich in der schul-und rechtspraktischen Ausgestaltung der Eltern-mitwirkung kaum nieder. Das gilt auch für die Diskussion nach 1967. Kennzeichnend für die erste Reformphase im Anschluß an G. Pichts Kassandrarufe war eine sehr optimistische Einschätzung der „chancenausgleichenden" Möglichkeiten öffentlicher Erziehung und eine pessimistische Sicht des elterlichen Bil-dungs-und Mitwirkungsinteresses. Die Staatsschule suchte deshalb erneut mit institutioneilen Mitteln die soziale . Vererbung'der Ungleichheit, also die familien-und schicht-spezifischen Unterschiede in schulerfolgsrelevanten Aspirationen und Fähigkeiten, durch politisch arrangierte Lernumwelten zu arrangieren. Das reformpolitische Engagement konzentrierte sich auf verbesserte curriculare und didaktische Angebote und auf die Expansion der institutionalisierten Bildung, die die Unzulänglichkeiten der familialen Erziehung und Sozialisation zu „kompensieren" suchte.
Das Argument der Sozialisationsforschung Diese zunächst dominante Problemsicht stieß in dem Maße auf Skepsis, in dem — die Internationalisierung der sozialisationstheoretischen Forschungen auf (der Reform-pädagogik und vielen Schulpraktikern weitgehend bekannte, im öffentlichen Bildungsbewußtsein aber verschüttete) Gesichtspunkte wie die Bedeutung der Wertorientierungen der Eltern, der familialen Erziehungspraxis und des familialen . Klimas'für die Entwicklung des kindlichen Selbstbewußtseins, seiner Leistungsmotivation und seiner . Schulorientierung'aufmerksam machte
— sich die Ineffizienz antifamilialer Programme der „kompensatorischen" Erziehung zeigte und groß angelegte Untersuchungen (Coleman-Report, Jencks-Report) darauf hinwiesen, „daß die Unterschiede dessen, was Kinder in der Schule lernen, größtenteils von den Unterschieden dessen abhängen, was sie in die Schule mitbringen — nicht aber von den Unterschieden dessen, was Schulen bieten" und sich so — Zweifel an der Wirksamkeit schulischer Interventionen gegenüber außerschulisch aufgebauten und normativ stabilisierten Lern-und Sozialerfahrungen mehrten.
Durch die sozialisationstheoretisch und pädagogisch begründete und sozial-und gesellschaftspolitisch motivierte Kritik an der Effizienz und sozialen Qualität institutionalisierter Bildung rückt das Verhältnis von Eltern und Schule in eine Perspektive, die in vielem der Sicht der Reformpädagogik nahekommt. Erneut wird gefordert, die Schule müsse sich zum kindlichen Erfahrungsraum hin öffnen, und die Kooperation zwischen Eltern und Schule gilt als unerläßlicher Beitrag zur „Päd-agogisierung der Bemühungen um die Chancengleichheit" (Schleicher). Damit wird auch das Interesse der Eltern an der Schule neu bewertet. Um dieses Interesse müssen sich Schulverwaltung und Schule bemühen, weil — der Erziehungs-und Lernerfolg der Schule maßgeblich von der „Anteilnahme" der Eltern abhängt, die die kindliche Leistungsmotivation induziert und stabilisiert;
— curriculare und didaktische Innovationen, die mit familialen Erziehungsleitbildern und -Stilen und Bildungserwartungen kollidieren, ohne die „interessierte" Reflexion der Eltern beim Kind zu Orientierungsund Verhaltens-konflikten führen können. Es ist zu berücksichtigen, daß emanzipatorischer Unterricht niemals . gegen'das Elternhaus Erfolg haben kann"
— die gesellschaftliche Isolierung der Schule und die ihr „inhärente Neigung zur Hypertrophie“ (Kob) durch die aktive Teilnahme interessierter und zu interessierender Laien (der Eltern) relativiert werden kann.
Dieser komplexe Begründungszusammenhang wurde in der schulpolitischen Diskussion um die Elternmitwirkung extrem verkürzt rezipiert. Die Mitwirkung der Eltern galt vor allem als schulverfassungsstrukturelles Problem, das durch die Neudefinition der rechtlichen und organisatorischen Modalitäten der schulischen Willensbildungs-und Entscheidungsfindung gelöst werden könnte. Die folgende Analyse der rechts-und organisationspraktischen Ausgestaltung der Eltern-mitwirkung, die sich einigen prinzipiellen mitwirkungsrechtlichen Bemerkungen anschließt, zeigt, daß auch für die Schule der achtziger Jahre die pädagogische Teilhabe der Eltern an der Schule ein Desiderat bleibt.
III. Wie können Eltern mitwirken?
Zur Rechts-und Organisationsstruktur der Elternmitwirkung Elternmitwirkung steht juristisch im Spannungsfeld von Elternrecht und staatlichem Erziehungsrecht, von Artikel 6, 2 GG („Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht") und Artikel 7, 1 GG („Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates"). Heute, nach einem halben Jahrhundert politisch brisanter Rechtskontrover-sen herrscht weitgehend Einigkeit, daß Eltern und Staat eigenständige verfassungsrechtliche Legitimationsquellen und eigene Dispositionsbereiche besitzen: Das Verhältnis von elterlichen und staatlichen Erziehungsbefugnissen stellt sich nicht mehr als Rang-, sondern als Abgrenzungsfrage dar („weder bricht das Elternrecht generell das staatliche Schulrecht noch umgekehrt", Das Förderstufen-Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat mit seiner Entscheidung, die „gemeinsame Erziehungsaufgabe von Eltern und Schule, welche die Bildung der einen Persönlichkeit des Kindes zum Ziel" habe, verlange „ein sinnvolles Zusammenwirken der beiden Erziehungsträger" einen vorläufigen Schlußstrich unter die kontroverse Diskussion gezogen. Mit der Betonung der „gemeinsamen Kooperation" traf das Urteil eine wichtige Richtungsentscheidung zur Elternmitwirkung. Ungeklärt ist aber, wie der Forderung nach „einem sinnvoll aufeinander bezogenen Zusammenwirken der beiden Erziehungsträger" im einzelnen nachzukommen ist.
Umstritten ist neben anderem, ob das Elternrecht als Individualrecht ein kollektives Teilnahmerecht begründen kann. Gerade dieser Streitpunkt zeigt, wie sehr politische Erwartungen und Befürchtungen die Interpreten leiten. So lehnen Juristen mit diametral entgegengesetzten Argumenten kollektive Teilhabeansprüche ab — der eine, weil er fürchtet, ein Kollektivrecht würde innovationsfeindliche Konsequenzen haben der andere, weil er in der „Kollektivierung des Elternrechts" (das er ausschließlich als individuelles Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in den fa-milialen Bereich versteht) die Gefahr ideologischer Manipulation sieht -Andere Autoren, die Artikel 6, 2 GG auch als elterlichen Mitwirkungsanspruch deuten (und Elternräte nicht schlechthin als Innovationshemmnis verwerfen), sehen im kollektiven Teilnahmerecht die Bedingung der Möglichkeit, das individuelle Elternrecht in schulische und schuladministrative Entscheidungsprozesse einzubringen: „Das kollektive Elternrecht ist... Ausfluß und wirksamste Absicherung des persönlichen Elternrechts"
Auf einen rechts-und organisationspolitisch allerdings interpretationsbedürftigen und -fähigen Kompromiß weist der Leitsatz des 51. Deutschen Juristentages: „Neben der im Vordergrund stehenden individuellen Wahrnehmung des Elternrechts empfehlen sich Stärkungen der kollektiven Wahrnehmung allgemeiner Interessen der Eltern in den Grenzen des Vorranges der parlamentarisch-demokratischen Willensbildungsregeln.“
Die Gesetzgebung der Länder Wie sind nun die Mitwirkungsangebote in den Schulverfassungsgesetzen der Länder normiert? Die Kultusministerkonferenz hat das Mitwirkungsrecht der Eltern grundsätzlich anerkannt — „Die Schule muß den Eltern Gelegenheit zu verantwortlicher Mitarbeit geben" —, dieses Recht und seine organisatorische Ausgestaltung aber nicht präzisiert. Modelltheoretisch ist eine Skala der Mitwirkungsmodalitäten denkbar, die von einer, räte-demokratisch-imperativen'bis zu einer . hierarchisch-gestuften'repräsentativen Teilhabe an schulischen und schulbezogenen Willens-bildungs-und Entscheidungsprozessen reicht. Vor dem Hintergrund der Weimarer Erfahrungen haben Gesetzgeber und Kultusminister auf plebiszitäre Strukturelemente in den Schulverfassungen weitgehend verzichtet; die Elternvertretungen sind repräsentativ organisiert und den jeweiligen schulischen und schulinstanzlichen Ebenen zugeordnet. Im einzelnen lassen sich die Mitwirkungsrechte der Elternvertretungen ihrer Reichweite nach in Informationsrechte, das Recht, Anregungen zu geben und Vorschläge zu machen, Veto-und (Mit-) Entscheidungsrechte, Anhörungsrechte und ein Mitbestimmungsrecht (Hessen) unterteilen. Die meisten Gesetze normieren drei Mitwirkungsebenen: 1. die Klasse, 2. die Schule und 3. die überschulische Ebene.
Zu 1: Alle Gesetze sehen Klassenelternversammlungen („Elternabende“) vor. Die Klassen (Stufen) haben jeweils eigene Vertretungen (zum Beispiel in Niedersachsen den Klassenelternvertreter, in Berlin den Klassenelternsprecher). Ein Unterrichtsbesuchsrecht kennen (in unterschiedlichem Umfang) fünf Länder (Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Schleswig-Holstein). Die direkte Mit-wirkungsmöglichkeit für Eltern im Unterricht sieht das Hamburger Schulgesetz vor. Auffallend ist, daß die vorliegenden Regelungen für den pädagogischen und unterrichtlichen Bereich überwiegend zurückhaltend oder nichts-sagend sind; die voluminösen Aufgabenkataloge, an deren Bewältigung die Eltern „mitwirken" dürfen und deren Mitwirkungskautelen bis ins kleinste geregelt sind, sparen den Bezug zum Unterricht überwiegend aus. Ein bemerkenswerter Fortschritt sind die Berliner und die saarländischen Bestimmungen. Sie regeln die Informationspflicht des Lehrers über die Planung und Gestaltung des Unterrichts und die Bewertungsmaßstäbe für die Notenge-bung
Zu 2: Auf der Schulebene gibt es heute in allen Gesetzen Räte (Hamburg), Beiräte (Bayern) oder Vertretungen (Saarland) — Organe, für die ebenso anspruchsvolle wie unpräzise Aufgabenstellungen formuliert worden sind. Alle Länder (mit Ausnahme der älteren Regelung in Hessen von 1958 und im niedersächsischen Schulgesetz von 1974, das die Elternvertreter mit Stimmrecht an der Gesamtkonferenz der Lehrer beteiligt) sehen Schulkonferenzen als gemeinsame Repräsentationsorgane von Lehrern, Eltern und Schülern vor, in denen die von den Elternräten gewählten Vertreter mitwirken. Inhalte und Reichweite der Kompetenz-kataloge dieser Konferenzen sind im einzelnen unterschiedlich, doch bleiben — sieht man von der interessanten Ausnahme Nordrhein-Westfalens ab — pädagogisch-fachliche Aspekte weitgehend ausgespart.
Zu 3: Außer Bayern und Nordrhein-Westfalen haben alle Länder überschulische Elternvertretungen, und zwar auf Kreis-(Bezirks-, Gemeinde-) Ebene (als Beispiele sei auf den Gesamtelternbeirat Baden-Württembergs oder den Berliner Bezirkselternausschuß hingewiesen) und auf Landesebene (etwa den Landeselternausschuß in Baden-Württemberg oder den Landeselternausschuß Berlins). Die zentralen Elternräte haben lediglich Informations-und Anhörungsrechte. Damit bleibt das Hessische Gesetz über die Mitbestimmung der Erziehungsberechtigten und des Landesschulbeirats die einzige Regelung, die einem Landeselternbeirat Mitbestimmungsrechte einräumt. Neben diesen Landeselternvertretungen gibt es in fast allen Ländern zentrale Beratungsorgane, (Landesschulbeiräte oder -konferenzen), in denen neben Vertretern „gesellschaftlich relevanter Gruppen" auch einige Mitglieder der zentralen Eltern-, Schüler-und Lehrergremien Sitz und Stimme haben. Die in die Schulverwaltung integrierten überschulischen Beiräte sind, schulverfassungsgeschichtlich gesehen, Ausfluß des Gedankens der Laienmitwirkung im Schulwesen (wie sie Dörpfeld gefordert hatte) und Organe „staatsbehördlicher Selbstverwaltung" (Kloss Diese politische Form der Mitwirkung gewährt den Eltern (neben Lehrern und Schülern) den an Regeln (wie Geschäftsordnung, Nichtöffentlichkeit) gebundenen privilegierten Zugang zur politischen Herrschaft und gibt ihnen die prinzipielle, in ihrer Erfolgswahrscheinlichkeit unterschiedliche Chance, sie durch Anregungen oder Gegenvorstellungen zu beeinflussen. Vergleicht man nun die Organisation der Mitwirkung auf den einzelnen Ebenen, so ist das Mißverhältnis zwischen der geringen Beachtung des pädagogisch-fachlichen Bereichs und der Klassenebene auf der einen und dem prozeduralen Aufwand bei der Institutionalisierung auf schulischer und überschulischer Ebene evident. 1952 schrieb ein interessierter Pädagoge: „Die Wahl der Elternbeiräte zu Beginn des Schuljahres schafft zwar einige Berührungsmöglichkeiten, die jedoch nicht zu einer echten Begegnung führen, weil die formal-demokratischen und wahltechnischen Erörterungen im Vordergrund stehen und die meisten sehr bald merken, daß hier nur eine Vorschrift der Schulverwaltung zu erfüllen ist.“ Diese Situationsbeschreibung ist erstaunlich aktuell, wenngleich die „wahltechnischen Erörterungen“ aufgrund der neuen Schulverfassungsgesetze noch komplizierter geworden sein dürften In diesen Gesetzen stehen Umfang und Detaillierung der Mitwirkungsvorschriften weitgehend umgekehrt proportional zur Relevanz der Sache. Die detaillierten Kodifizierungen zeigen das Bedürfnis der Schulen und der Kultusverwaltungen nach berechen-und kontrollierbaren Vorgängen; die perfektionistische Reglementierung schulinstitutioneller Partizipationsräume ist der Tradition einer politischen Kultur verpflichtet, zu deren kennzeichnenden Merkmalen der Mangel an bürgerlicher Selbsthilfe zählt und die Schule als „Staats“ schule versteht.
IV. Wie und wo wirken Eltern mit?
Zur Arbeit und zum Selbstverständnis von Elternvertretungen und zur Schichtproblematik der Elternmitwirkung Wie und wo wirken Eltern mit? Die Frage nach der Praxis und den Chancen der Eltern-mitwirkung muß sich das Bedingungsfeld dieser Mitwirkung vergegenwärtigen. Dieses . Feld'läßt sich in Stichworten durch einige Entwicklungen und Tendenzen umreißen, die objektiv als Barrieren und Restriktionen der Mitwirkung . wirken', nämlich — der vorrangigen Bewertung der Schule als „Zuteilungsapparatur für Lebenschancen"
(Schelsky) — eine Tendenz, die sich im . Klima'
der Bildungsreformen eher noch verstärkte (ihre Folge hatte H. Schelsky schon 1956 beschrieben: Je stärker Eltern Schule als Instrument der Statuswahrung oder des sozialen Aufstiegs sehen, desto mehr verhält sich das Elternhaus der Schule gegenüber „wie einer bürokratischen Superstruktur der Gesellschaft, nämlich fordernd, die privaten Ansprüche und Egoismen gegen die Sachstrukturen der Organisation setzend, also primär nicht kooperativ“
— dem (Selbst-) Verständnis der Schule als Bürokratie; — der zunehmenden funktionalen, sozialen und organisatorischen Komplexität der Schule;
— den Informationsblockierungen, die sich erstens aus der politischen Brisanz und bürokratischen Abschirmung der Schule und zweitens aus ihrer strukturellen Komplexität ergeben.
Hemmnisse der Mitwirkung — zwei Beispiele Die mitwirkungsfeindliche Dimension dieser Tendenzen läßt sich sich am Beispiel der Informationsdistanzen und -hemmnisse zwischen Schule und Eltern verdeutlichen.
Zu 1: Die Staatsschule ist Bürokratie. „Bürokratische Verwaltung ist ihrer Tendenz nach stets Verwaltung mit Ausschluß der Offent12 lichkeit." Die Schule verfügt über „Dienstwissen", also die durch „Dienstverkehr erworbenen oder . aktenkundigen Tatsachenkenntnisse" das als exklusives Wissen den Klienten — den Eltern — nicht zugänglich ist. Je mehr sich zudem die Gesellschaft als „Bildungsgesellschaft" versteht und Bildung als „öffentliches Gut" bewertet, desto mehr wird Schule zu einem der zentralen Politikfelder. Zu den bürokratischen Abschirmungstendenzen (der, wie Max Weber schrieb, „rein sachlich nicht motivierbare[n]... Attitüde" der Nachrichtensperre gegenüber , der Öffentlichkeit) treten (wahl-) politisch motivierte Informationsrestriktionen und eine gezielte Informations, politik'. Die bürokratisch, politisch (oder auch nur in den persönlichen Interessen oder Eitelkeiten einzelner Positionsinhaber) begründeten Informationsblockierungen sind mitwirkungsfeindlich, weil die für Informationsbeschaffung nötigen Kosten an Zeit und Energie Mitwirkung unproduktiv werden lassen und nur ein Teil der Eltern, die mitwirken wollen, über das instrumentelle Wissen verfügt, das nötig ist, um Informationen zu eruieren. Zu 2: Die Schule tritt den Eltern zunehmend als Großbetrieb entgegen, als fremde, vom familialen Erlebnisbereich und den Erfahrungen der Eltern distanzierte unübersichtliche Orga-nisation. Die funktionale, soziale und organisatorische Differenzierung der Schule führt zu zunehmend komplexeren Organisationseinheiten, in denen Interventionen gegen Entscheidungen zunehmend aussichtsloser werden, weil das Eigengewicht der Sachzwänge wächst Gleichzeitig vergrößert sich auch der Informationsbestand der Organisation, also die Summe des Wissens, deren Kenntnis für die Rekonstruktion und Beeinflussung schulischer Prozesse nötig ist. Zudem erschwert die . Funktionssprache', in der die mitwirkungsrelevanten Informationen gekleidet sind, ihr Verständnis. In der bürokratischen Organisation Schule verbinden sich also die funktional-technizistische Sondersprache der Professionals mit dem Jargon der Verwaltung und bilden eine Informationsbarriere gegen Mitwirkungsansprüche von „Outsidern". Man muß solche Determinanten der Mitwirkung vor Augen haben, um den empirischen Materialien (auf die im folgenden verwiesen wird) ein realistisches Bild der Mitwirkungspraxis entnehmen zu können.
Zur Praxis der Elternvertretungen Insgesamt liegen über Umfang und Aufgabenbereiche der Elternmitwirkung auf den einzelnen Ebenen nur begrenzt ergiebige und differenzierbare Materialien vor. Der folgende Überblick beschränkt sich auf die institutionalisierte Mitwirkung auf schulischer und regionaler Ebene. Zunächst soll nach den Aktivitäten und der Selbstinterpretation von Elternvertretungen (EVs) gefragt werden; der folgende Schritt diskutiert dann den Befund, daß die Engagementbereitschaft deutlich mit sinkendem Sozialstatus abnimmt.
Sehen Eltern EVs als Form und Möglichkeit, durch sie das „Recht und die Aufgabe, die Er-Ziehungsarbeit der Schule zu fördern und mitzugestalten" (Baden-Württemberg wahrnehmen zu können? Insgesamt scheint die Bereitschaft, sich in den Elternrat wählen zu lassen, zwischen fünf und fünfzehn Prozent der Elternschaft einer Schule zu liegen, wobei Umfang und Gewicht des tatsächlichen Engagements im einzelnen von Faktorenkomplexen wie dem Schultyp, dem , Klima'der Schule, der Einstellung des Kollegiums und vor allem des Schulleiters, der sozioökonomischen und -ökologischen Struktur des Einzugsbereichs, der lokalen politischen Kultur und der regionalen und Verkehrslage der Schule abhängen.
Ein differenziertes Bild der Aktivitäten und Präferenzen von EVs zeichnen die Arbeiten von Fischer und Kolbe Sie sollen unter drei Aspekten befragt werden:
1. Was sind die wichtigsten Aktivitätsfelder der EVs? 2. Wie beurteilen EVs die Kooperationspraxis innerhalb der Schulen?
3. Wie beurteilen sie die Mitwirkungschancen als Elternvertreter, welche Verbesserungsmöglichkeiten sehen sie für ihre Arbeit und warum scheint ihnen Elternmitwirkung wichtig?
Zu 1.: Eine Übersicht über einzelne Aktivitätsschwerpunkte gibt folgende Tabelle
Sie zeigt, daß EVs sich stark um die Unterstützung „ihrer“ Schule gegenüber der Schulverwaltung bemühen; in der Hamburger Untersuchung über die Kreiselternräte (die regionalen Vertretungen) ist diese Unterstützung sogar für 46 v. H. „häufige“, für 44 v. H.der Mitglieder „gelegentliche“ Praxis. EVs sind also stark daran interessiert, möglichst günstige Arbeitsbedingungen für die . eigene'Schule zu erreichen. Dafür spricht auch die Mehrzahl der Beispiele, die auf die Frage nach erfolgreichen bzw. er-folglosen Bemühungen genannt werden; sie zeigen, daß die EVs ihre „politische" Aufgabe vorrangig darin sehen, die Schule (oder den Schulkreis) gegenüber der Administration zu unterstützen (so werden häufig Bemühungen um Baumaßnahmen, Instandsetzungsarbeiten und die Sicherung der Schulzugangswege durch Ampelanlagen oder Versuche, zusätzliche Lehrer, Unterrichtsmaterialien und Räume zu bekommen, genannt) Demgegenüber stehen „pädagogische" Aktivitäten weit zurück; erwähnt werden einige Vorträge und Informationsveranstaltungen, die auf Initiative der EVs zustande kamen.
Zu 2.: Interessant ist die Beurteilung der Kooperation mit der Schulleitung, den Lehrern und der Elternschaft, überwiegend wird die Zusammenarbeit mit der Schule positiv gesehen. Allerdings fehlt nicht die Kritik, daß manche Lehrer „selbstherrlich" seien und einige Schulleiter die EVs nicht informierten und die Intransparenz ihrer Amtsführung und der autoritäre Stil den Kontakt mit der EV beeinträchtigten. „Der Elternrat wird oft als Belastung, nicht als Ergänzung empfunden." Zurückhaltend und vielfach negativ sind die Urteile über den Kontakt zwischen EVs und Gesamtelternschaft. Das Desinteresse an der Schule, an der Arbeit der EVs und die Uninformiertheit der Elternschaft werden als wesentliche Hindernisse für die wirksamere Wahrnehmung elterlicher Interessen und der effektiveren Kooperation mit der Schule gesehen. So weisen die Hamburger und die baden-württembergischen Untersuchungen auf ein Infor-mationsund Kommunikationsdefizit zwischen den Organen der institutionalisierten Elternmitwirkung und der Elternschaft hin, das sich mit der . hierarchischen'Stufenfolge Klasse — Schule — Region — Land jeweils verschärft.
Zu 3: Die Untersuchungen ergeben kein eindeutiges Urteil darüber, wie EVs ihre Mitwirkungschancen beurteilen. Der Tenor der Antworten ist eher kritisch. Viele Antworten sehen die Hauptgründe für die als unbefriedigend empfundene Situation und damit den Ansatzpunkt für Verbesserung bei den Eltern selbst. Die Forderung nach mehr Interesse und Engagement der Eltern steht im Vordergrund. Zur Selbstkritik kommt die Institutionskritik an Schulverwaltung und Schulleitungen. Gefordert wird „mehr Bereitschaft der Institutionen, den Elternbeirat anzuhören", und „mehr Kontakt aller Beteiligten untereinander, insbesondere größere Flexibilität der Ministeri-albürokratie und Schulämter, weniger Bestehen auf Vorschriften und Erlassen". Aufschlußreich sind die Begründungen, warum EVs den Kontakt zwischen Elternhaus und Schule für wichtig halten. Sie betonen vor allem die pädagogische Dimension: „Abstimmung in der Erziehung" — „Damit auftretende Probleme gemeinsam bewältigt werden können" — „Um den Unterricht in der Schule besser unterstützen zu können".
Insgesamt zielen die Begründungen, die für die Notwendigkeit der Elternmitwirkung genannt werden, und die Erwartungen, die mit ihrer Verbesserung verknüpft sind, vorwiegend auf den Wunsch nach verstärkter pädagogischer Zusammenarbeit mit der Schule. Diesem Wunsch kommt die Schule nicht genügend entgegen. Sie versteht es selten, das vorhandene pädagogische Interesse der Eltern zu aktivieren, und sie wird dazu von den Elternvertretungen zu wenig herausgefordert. Faßt man die Resultate der empirischen Materialien zusammen, so sind zwei Schlußfolgerungen unumgänglich: Eltern sehen sich als Klienten der bürokratischen Organisation Schule, und sie werden überwiegend als solche behandelt; die berufenen Sprecher der Elternschaft — die Elternvertretungen — sehen sich zu wenig als pädagogische Einrichtungen, die das Gespräch zwischen Eltern und Schule fördern und durch ihre Arbeit „zur Erziehung der Eltern beitragen" (H. Lietz). Den Funktionen, die in den Schulverfassungsgesetzen normiert sind, können EVs in der Schulpraxis nur unzureichend nachkommen: Vertretungen zu sein, denen es gelingt, als Brücke zwischen Schule und Elternschaft und als Forum für die Diskussion schulischer Probleme zu fungieren und so „die Erziehungsarbeit der Schule zu fördern und mitzugestalten" (Baden-Württemberg), sind die Ausnahme.
Zur Sozialschichtproblematik der Elternmitwirkung Die Diskussion der empirischen Materialien kann nicht an dem gut belegten (und jedem Schulpraktiker bekannten) Phänomen der sozialstrukturellen Differenzierungen in der Bereitschaft zur Elternmitwirkung vorbeigehen. Schon 1956 hatte H. Schelsky die Frage gestellt, ob die „Elternvertretung in der Schule nicht eine ganz spezifische Auslese von Elternhäusern darstellt und in ihnen nicht gerade die Eltern fehlen oder nicht repräsentiert werden, bei denen der Kontakt am notwendigsten wäre" Diese Frage hat nichts von ihrer Aktualität verloren. Bedenkt man die unterschiedlichen politikrelevanten Orientierungen und Motivationen für politisches Verhalten in der Elternschaft, so fördert die praktische und rechtliche Verengung der Elternmitwirkung auf Gremienmitwirkung soziale Einseitigkeiten. Denn die (wachsende) funktionale und organisatorische Komplexität der Organisation Schule und ihre Abhängigkeit von externen Entscheidungsstellen führen zur „Verlängerung der Handlungsketten die es zunehmend unübersehbarer und unsicherer werden lassen, ob eine Aktivität sich in positive Entscheidungen „auszahlt". Um aber die Motivation zur Teilnahme an diesen Entscheidungsprozessen aufzubringen, die ihrer Logik nach „Prozesse der Selektion, des Ausscheidens anderer Möglichkeiten" sind und mehr „Neins als Jas" erzeugen muß die Gratifikation für den Teilnehmer weitgehend in der Teilnahme am Prozeß liegen, nicht in seinem Ergebnis. Als Eigenwert wird öffentliche Beteiligung aber überwiegend nur in . höheren Sozialschichten verstanden. Zudem schränken die Prozeduren der Teilnahme Partizipationschancen ein; intransparente Gremienstruktu-ren, komplizierte Verfahrens-und Wahlregeln, Zuständigkeitsfragen (die oft in Ratlosigkeit oder in schulverwaltungsrechtliche Dispute einmünden) und Formvorschriften begünstigen sozialspezifische Mentalitäten und Dispositionen. Insofern hat auch die Neigung der letzten Jahre, die Mitwirkung stark zu for-malisieren, zu sozialstrukturellen Einseitigkeiten beigetragen. Sollen also die gesell-schafts-, sozial-und erziehungspolitisch unerwünschten Konsequenzen, die sich aus der Dominanz bildungsbewußter Elterngruppen in den Vertretungsorganen ergeben, nicht verschärft werden, so muß sich Schule auch als elternpädagogische Institution verstehen und Elternmitwirkung vorrangig als Breitenkontakt zwischen Eltern und Lehrern (und nicht, wie in der Schulverfassungsdebatte und -praxis, vor allem als Gremienmitwirkung) fördern.
Die empirischen Befunde lassen keinen Zweifel daran, daß sozialstrukturelle Differenzierungen in der (geäußerten und tatsächlichen) Bereitschaft, mit der Schule in Kontakt zu treten und sich in ihr zu engagieren, um so auffälliger sind, je mehr diese Kontakte formalisiert und die Möglichkeiten des Engagements von der Beachtung bürokratischer Reglements abhängig sind. Diesem Sachverhalt müssen Schulverwaltung und -politik Rechnung tragen. Das Interesse an Elternmitwirkung sollte sich wieder auf reformpädagogische Traditionen besinnen und den Eltern im schulischen Raum Informations-und Aktivitätsfelder anbieten, die die Qualifikationen der Eltern als Eltern fordern und fördern. Dies könnte ein produktiverer Beitrag zur nötigen Nivellierung sozialstruktureller Verzerrungen sein als eine Kritik, die aus diesen Verzerrungen generelle Zweifel an der Legitimität der Elternmitwirkung in der Staatsschule ableitet.
V. Wie läßt sich die Mitwirkungsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern fördern?
Zum Verhältnis von Elternmitwirkung und Elternbildung „Wie kann man den Eltern helfen, erziehungstüchtig zu werden?" Diese Frage, so schrieb vor zweieinhalb Jahrzehnten ein namhafter Pädagoge, markiere das Kardinalproblem, das der Bildungspolitik gestellt sei. Die politische und erziehungswissenschaftliche Diskussion ist dieser Auffassung nicht gefolgt; sie setzte auf die Wirkung der öffentlichen Erziehung und sah in der Sozialisationsagentur Familie eine problematische und kaum leistungsfähige Größe — eine Haltung, die sich auch in der Vernachlässigung der pädagogischen Dimension der Elternmitwirkung niederschlug. Die Skepsis gegenüber der öffentlichen Erzie-hung hat das neue Interesse an Elternbildung stark befruchtet Damit sieht sich die Diskussion um Formen und Möglichkeiten der Elternmitwirkung auf eine traditionsreiche, in der deutschen Schulgeschichte immer wieder verdrängte Frage verwiesen: Was kann die Schule tun, um „das Verantwortungsgefühl der Familien zu heben, zu klären und zu stärken“
Schon Dörpfeld hatte gegen Kritiker, die bezweifelten, daß Eltern, die doch Laien seien, über die Kompetenz verfügten, in der schulischen Selbstverwaltung (die für Dörpfeld auch den Erziehungsbereich einschloß) mitzuarbeiten, eingewandt, „daß nur das Unkraut von selbst wächst, dagegen alle Kulturpflanzen einer sorgsamen Pflege bedürfen. Nun gehören doch das Bildungsinteresse und die innere Mündigkeit in Erziehungssachen unzweifelhaft nicht zum sozialen Unkraut, das von selbst gedeiht, sondern zu den Kulturgewächsen, und zwar der edelsten Art. Und wenn das, so bedürfen sie der freien Luft, des Lichts, der Anregung, der Belehrung, der Möglichkeit der Selbstbetätigung, kurz, der Pflege." Je mehr sich die Schule der Reformpädagogik auch als Ort der Erziehung verstand, desto mehr öffnete sie sich dem „anderen Erzieher" und betonte die elternpädagogische Aufgabe der Schule: „Die Bildungswirkung des Elternhauses ist nicht unveränderlich; sie kann sich, an der gegenwärtigen Lage gemessen, vestärken und schwächen, verbessern und verschlechtern. Unter die Faktoren, die auf die pädagogische Gesinnung, Kraft und Kunst des Elternhauses einwirken können, zählt auch die Schule, und zwar nicht an letzter Stelle.“
Auf der Reichsschulkonferenz, dem wichtigsten erziehungspolitischen Forum der Weimarer Schulgeschichte, sahen elternfreundliche Pädagogen in „der steigenden Unfähigkeit der Familie, ihre erzieherischen Aufgaben zu lösen" eine Herausforderung für die Schule und die aktiven Eltern. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg erhoben sich Stimmen, die auf die Notwendigkeit elternpädagogischer Bemühungen der Schule hinwiesen Doch die Staatsschule verstand sich — von Ausnahmen abgesehen — nie als Ort der Elternbildung; Bemühungen, die Eltern in die Arbeit der Schule einzubeziehen sie im erzieherischen Raum mitwirken zu lassen, stoßen bis heute auf Widerstände. Um so bedeutsamer sind praktische Versuche der letzten Jahre, erziehungsnahe Formen und Möglichkeiten der Elternmitwirkung zu entwickeln.
Eltern in der Grundschule — das Hamburger Beispiel Am interessantesten ist hier das Hamburger Experiment, Eltern in den Unterricht der Grundschule einzubeziehen. An diesem Angebot, das bislang in der Bundesrepublik einzigartig ist und als Versuch seit 1974 läuft (seit Ende 1978 als Regellösung) und gegen nicht unerhebliche Widerstände durchgesetzt werden mußte, nahmen im Schuljahr 1977/78 403 (im Vorjahr: 287) Klassen mit 1 585 (im Vorjahr:
1 121) Eltern (vorwiegend Mütter) teil. Als Motiv für die Anregung zur aktiven Mitarbeit der Eltern nennt der Versuch die „Einsicht, daß Erziehung langfristig nur wirksam sein kann, wenn die beiden wesentlichen Erziehungsinstanzen der Kinder ... enger als bisher in der Erziehung zusammenarbeiten". Er plädiert für „neue Formen möglichst regelmäßigen gemeinsamen Beobachtens und Handelns in der Erziehungssituation"
Die Erfahrungen der Schulen resümiert der Bericht so: „Durch die Möglichkeit, am Unterrichtsgeschehen beteiligt zu sein, fühlten sich die Eltern akzeptiert; die Kontakte zwischen den Eltern sowie zwischen Pädagogen und Eltern verstärkten sich; Gespräche über Erziehungsfragen würden intensiver und differenzierter; die Beziehungen würden offener. Betont wird, daß die mitarbeitenden Eltern ihre.
Erfahrungen an die anderen Eltern der Klasse weitergegeben hätten und so die Beziehungen und das Gespräch zwischen dem Pädagogen und allen Eltern der Klasse sachbezogener und verständnisvoller geworden seien." Faßt man das vorliegende Material zusammen, so stellen sich diese und andere vereinzelte Bemühungen als bedeutsame eitern-und erwachsenenpädagogische Aktionsfelder dar, auf denen Eltern lernen können, — sich auch anderen als den eigenen Kindern zuzuwenden und sich auf andere Eltern einzustellen
— die Bedürfnisse der jeweiligen Altersstufe besser zu verstehen und zu sehen, was Kinder dieses Alters und das eigene Kind zu leisten in der Lage sind (Relativierung von über-oder Unterschätzung
— ihre Beobachtungsfähigkeit für Erziehungssituationen zu differenzieren und das eigene Erziehungsverhalten zu reflektieren (damit werden Eltern auch in der Beurteilung des . professionellen'Erzieherverhaltens kritischer); — die Rolle des Lehrers, seine Belastungen und begrenzten Handlungsspielräume und darüber hinaus die Möglichkeiten der Schule aufgrund ihres Einblicks in die Schul-und Unterrichtswirklichkeit realistischer zu sehen
— auf Elternabenden und im institutionalisierten Vertretungsbereich mitzuwirken, weil die eigene Anschauung die Distanz zur Schule mindert und die gemeinsame Erfahrung, die sie und die Lehrer machten, pädagogisch fruchtbare Gespräche anregen.
Dieser ausführliche Verweis auf eine beispielhafte Form und Möglichkeit der Elternmitwirkung zeigt, daß die erzieherisch bedeutsame Zusammenarbeit von Eltern und Schule gegenwärtig möglich ist, wenn das elterliche Interesse und die elterliche Mitwirkungsund Kooperationsbereitschaft über längere Zeit herausgefordert werden und Schule und Schulverwaltung das Engagement unterstützen. Solche Formen erziehungsnaher Mitwirkung stärken die Argumentationsund Konfliktfähigkeit der Eltern und sind ein gewichtiger Beitrag zur schulund erziehungspolitisch unerläßlichen Pädagogisierung der Elternmitwirkung. Die didaktische und organisatorische Verschränkung der Eltern-und schulorientierten Erwachsenenbildung mit der Mitwirkung in öffentlichen Erziehungsinstitutionen müßte also stärker als bisher als Aufgabe für Schule und Schulpolitik gesehen werden Ihre Not-Wendigkeit und Dringlichkeit ergibt sich aus sozialpolitischen Zielsetzungen, Problemen der Theorie-Praxis-Vermittlung und gesellschaftspolitischen Erwägungen. Die sozialpolitische Zielsetzung der Schule, „chancenausgleichend''zu wirken, kann sie nicht gegen die Eltern erreichen. Sie muß sie vielmehr ansprechen und an ihre Erziehungskompetenzen anknüpfen. Die Aachen-Studie, die neueste empirische Untersuchung zur Mitgliedermotivation und -Struktur im Bereich der institutionalisierten Elternbildung, weist darauf hin, daß „die den Unterschichten zugehörigen Eltern (am ehesten) dann für Elternbildung zu motivieren (sind), wenn der Impuls hierzu von den Erziehungseinrichtungen ihrer Kinder ausgeht, besonders von Kindergarten, Grund-und Hauptschule; dagegen scheint eine gewisse Aversion gegen selbständige Einrichtungen der Elternbildung zu bestehen" Die Schule hat also günstigere Chancen, mit diesen Eltern ins Gespräch zu kommen, als sie „freiwilligen" Organisationen zur Verfügung stehen, um über das gemeinsame Interesse am Kind soziale, affektive und Informationsdistanzen zwischen den Erziehungsfeldern abzubauen. Auch das Problem der Theorie-Praxis-Vermittlung läßt die aktive, tätigkeitsbezogene Elternbildung (als Elternmitwirkung) als dringlich erscheinen. Die Diskussion um die „Professionalisierung" der Elternrolle birgt die Gefahr, daß Formen der Belehrung, wie sie im Bereich schulischen Lernens dominieren, überhandnehmen und letztlich „Wissen" und „Erfahrung" unvermittelt bleiben. Eine solche methodisch-technische Orientierung der Elternbildung (wie sie sich seit geraumer Zeit in den . Erziehungsrubriken'der Zeitschriftenliteratur beobachten läßt) würde die erzieherische Unsicherheit der Familie erhöhen, wenn die Informationen nicht in gemeinsame Reflexionsprozesse eingebracht, für die Alltagswelt modifiziert und für die je spezifische familiale Konstellation „aufbereitet" werden könnten „Wo Beleh-rung oder Anregung stattfinden soll, da muß überall und immer das lebendige mündliche Wort dem geschriebenen voraufgehen und demselben stets zur Seite bleiben" (Dörpfeld)
Darüber hinaus legen gesellschaftspolitische Erwägungen die Förderung erziehungsnaher Mitwirkungsangebote nahe. Familiensoziologische Befunde weisen auf die . Privatisierung'der Familie hin, auf ihre „soziale Vereinsamung" (Süßmuth), ihre Distanz zum öffentlichen Raum, ihre mangelnde Umweltoffenheit und ihre „Anregungsschwäche" (Neidhardt), die das Familienleben als Anregungsund Erfahrungsmilieu verarmen läßt Die gesellschaftspolitisch und sozialisationstheoretisch fundierte Kritik an der gesellschaftlichen Isolierung der Familie und ihrer sozialen Vereinsamung trifft sich mit der Kritik an der „isolierten“ Schule, an ihrer Distanz zum Leben der Kinder und ihren oft auf curriculare und technische Fragen reduzierten Problemperspektiven. Erziehungsnahe Mitwirkungsangebote könnten über die „. Totalität'des Interesses" am Kind (Gaudig) die jeweiligen Verarmungen und Einseitigkeiten in Schule und Familie mindern. Diese Angebote könnten eine wichtige gesellschaftspolitische Chance sein. Denn vieles spricht dafür, daß sich familiale . outside interests'gerade durch den Bereich anregen lassen, der die Aufmerksamkeit der Eltern ohnehin beansprucht: die Schule des Kindes. In der Praxis der erziehungsnahen Elternmitwirkung mindert die Erfahrung der Gemeinsamkeit die konventionelle Distanz und die Kontaktbarrieren der Eltern untereinander und gegenüber der Institution Schule und ihrem Personal; die aktive Mitarbeit und das Gefordertsein im „öffentlichen" Raum wecken das Interesse an schulischen und schulpolitischen Partizipationsbereichen und fördern darüber hinaus das potentielle Engagement an anderen gesellschaftspolitischen Fragen und Aktionen.
VI. Resümee und Perspektive: Für eine erziehungsnahe Elternmitwirkung
Die Erziehung des jungen Geschlechts sei das Hauptgeschäft der Menschheit, das Eltern und Schule „nur in treuer Bundesgenossenschaft miteinander lösen" könnten, notierte J. Tews um 1920 Der Satz, im Pathos der Reform-pädagogik geschrieben, markiert ein klassisches Problem der deutschen Schulgeschichte, das — oft verdrängt — politisch und pädagogisch noch nicht bewältigt ist: Wie können Eltern an der Schule ihrer Kinder teilhaben, wie kann die „treue Bundesgenossenschaft" organisiert werden?
Faßt man die gesellschaftsund rechtspolitischen und erziehungswissenschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre im Umkreis der Elternmitwirkung zusammen, so lassen sich zwei gegenläufige Tendenzen feststellen. Zum einen wächst die politische und pädagogische Kritik an der „verwalteten" Schule, die Eltern praktisch ausschließt, und im erziehungswissenschaftlichen Bereich mehren sich die Stimmen, die fragen, ob sich Schule nicht weit stärker in den „Dienst der werdenden Persönlichkeit" (Gaudig) stellen, die . Totalität'des Interesses fordern und fördern und deshalb den Kontakt mit den Eltern suchen muß. Zum anderen ist die Schule aufgrund schulpolitischer, organisatorischer und curricularer Entwicklungen der Laienmitwirkung objektiv unzulänglicher geworden: Die Sicht der Schule als Allokationsinstrument für Sozialchancen hat schulische Vorgänge stärker als früher bürokratisiert, und die Schulen sind größer und ihre Binnenstrukturen sozial, funktional und organisatorisch komplexer und damit unüberschaubarer geworden.
Die mitwirkungsfreundlichen Tendenzen werden also durch mitwirkungsfeindliche Entwicklungen konterkariert, — weil Mitwirkung nicht hinreichend als soziales, pädagogisches und organisatorisches Problem gesehen wurde;
— weil die Bildungsplanung die Leistungsfähigkeit der familialen Erziehung gering schätzte und gleichzeitig die elternpädagogische Aufgabe der Schule ignorierte;
— weil die traditionelle Überschätzung der Möglichkeiten institutionalisierter Bildung trotz aller Schulkritik und aller moralisch und empirisch begründeter Zweifel anhält; und nicht zuletzt — weil die . Superstruktur'Schule eine Eigengesetzlichkeit zu entfalten droht, die sie gegenüber politischen und pädagogischen Interventionen zunehmend unzugänglicher werden läßt.
Im Interesse der „Bildung der einen Persönlichkeit des Kindes" (BVerfG) muß die Förderung der elterlichen Erziehungs-und Mitwirkungsfähigkeit also genuiner Bestandteil schulpolitischer Bemühungen sein; wird sie vernachlässigt, so dürfte sich trotz Schulkritik und trotz schulverfassungspolitischer Argumentationen die Distanz zwischen familialer und institutionalisierter Erziehungssphäre vergrößern Die Entwicklung der Mitwirkungsfähigkeit der Eltern und Elternvertreter müßte weit stärker als bisher als „besondere Bildungsaufgabe" und als Element der Eltern-und Erwachsenenbildung gesehen werden.
Demgegenüber ist die herkömmliche Gremienmitwirkung zwar nicht irrelevant, aber zweitrangig; vornehmlich muß Elternmitwirkung dort anknüpfen, wo elterliche Interessen vorhanden oder zu entwickeln sind: beim eigenen Kind. Die institutionalisierte Eltern-mitwirkung müßte sich, um attraktiver zu werden, elternpädagogischer Konzeptionen erinnern. Elternvertretungen konkurrieren mit anderen Organisationen im gesellschaftlichen und politischen Raum um Mitglieder. Zahlreiche Organisationen — von den Parteien und Gewerkschaften über Bürgerinitiativen bis zu Kirchen und Verbänden — suchen „ehrenamtliches" Engagement. Mitglieder sind also „knapp". Deshalb müssen Elternvertretungen begründen, warum gerade die Mitarbeit bei ihnen (und nicht in der Organisation A oder B) wichtig ist. Dabei ist die Betonung der staatsbürgerlichen Pflicht ungeeignet oder doch ungenügend, weil sie als Begründungs-und Rechtfertigungsformel nahezu aller Organisationen dienen kann. Nötig sind also eigenständige und elternspezifische Argumente.
Hier bietet sich die (heute vernachlässigte) so-zialisations-und erziehungspraktische und soziale Dimension der Elternmitwirkung an, die durch Formen erziehungsnaher Mitwirkung praktisches Gewicht bekommen kann. In der Praxis dieser Mitwirkung stehen nicht . professionelle'Elternbildner . belehrungsbedürftigen'Klienten gegenüber; sie ist nicht an tatsächlichen oder vermeintlichen Defiziten familialer Erziehung orientiert, sondern bemüht sich, an vorhandene Kompetenzen der Eltern anzuknüpfen und ihre „Selbstkraft" (Pestalozzi) zu aktivieren. Diese Mitwirkung im erzieherischen Feld der Schule muß also auf die Entdeckung und Schaffung von Handlungssituationen gerichtet sein, in denen sich diese Kompetenzen bewähren und sich die „Selbstkräfte" entfalten können.
Elternmitwirkung und Schulreformpolitik Man wird dabei die reformpolitische Chance erziehungsnaher Elternmitwirkung nicht geringachten dürfen. Die Erfahrungen des letzten Jahrzehnts haben keinen Zweifel daran gelassen, daß Bildungsreformpolitik auf eine urteils-und kritikfähige Elternschaft angewiesen ist, die Veränderungen im Bildungssystem nicht als Bedrohung empfindet Erziehungsnahe Elternmitwirkung kann die Eltern als wichtigstem Teil der . aktiven Öffentlichkeit'für die Möglichkeiten und Grenzen institutionalisierter Bildung sensibilisieren; politisch stimulierte überzogene Erwartungen in diese Möglichkeiten, die (was fast zwangsläufig der Fall sein muß) enttäuscht werden, diskreditieren die Reform, nähren Ressentiments gegen Veränderungen und geben unaufgeklärten Interessen Auftrieb. Elternbildung und die enge Kooperation zwischen Eltern und Schule sind also um so wichtiger, je abhängiger Schulreformen von erzieherischen und sozialen Voraussetzungen des Elternhauses sind, je kurzfristiger sie geplant und je intransparenter damit oft die Schulstrukturen werden.
In der Schulverfassungsdiskussion der siebziger Jahre waren diese Gesichtspunkte ebenso-wenig ein Thema wie das Verhältnis von Eltern und Schule und elternpädagogische Fragen. Die realisierten Schulverfassungsmodelle verkürzen die Frage der (Eltern-) Mitwirkung in doppelter Hinsicht: Sie institutionalisieren Partizipationsangebote, ohne die rechtlichen und materiellen Spielräume (und damit Entscheidungschancen) nennenswert zu erweitern und das Verhältnis von staatlicher Verwaltung und Einzelschule zu reorganisieren, und sie beziehen diese Angebote (soweit sie Eltern betreffen) auf vergleichsweise nebensächliche Leistungs-, Ordnungsund Verwaltungsfragen. Das Resultat ist eine eigentümliche Disproportion zwischen den beschränkten Handlungs-und Entscheidungsmöglichkeiten der Schule und den relativ umfangreichen organisatorischen und prozeduralen Vorkehrungen, die mit diesen Teilnahmeangeboten verbunden sind (wobei die Wahrnehmung elterlicher Mitwirkungsrechte zeitliche, instrumenteile und rhetorische Ressourcen voraussetzt, die diese Wahrnehmung fast zum neuen . Bildungsprivileg'werden läßt).
Politisch läßt sich dieses Mißverhältnis aus dem Versuch erklären, gegenüber dem Meinungsdruck, der auf die „Demokratisierung" der Schule zielte, aufgeschlossen und flexibel zu reagieren, dennoch aber am Anstaltscharakter der Schule festzuhalten, um sie politisch und administrativ fest „im Griff" zu behalten. Nun wäre es aber unangemessen, die Hartnäckigkeit, mit der „der Staat" sich weigert, das ihm historisch zugefallene Schulwesen aus seinem Normsetzungswillen freizusetzen, allein aus den . Machtinteressen'und der . Reformunfähigkeit'der Schulverwaltungen zu erklären. Eine wesentliche Barriere auf dem Weg zur „selbständigen" Schule (für die jüngst Niedersachsens Kultusminister Remmers überzeugend plädierte ist eine politische Kultur, die von der Schule zuvörderst erwartet, daß sie . funktioniert'und in der Konflikte innerhalb der Schulen und zwischen Schulen und Schulverwaltung (die in der „selbständigen" Schule zunächst verstärkt auftreten könnten) dramatisiert werden und zu politisch-publizistischen Sensationsmeldungen avancieren. In einem solchen . Klima'entspringt die unübersehbare Neigung der politisch-administrativen Instanzen, die Schulen „im Griff" zu behalten, ihren legitimen Eigeninteressen, weil sich Konflikte als Negativ-punkte in der politischen und Karrierebilanz der Verantwortlichen (z. B.der Schulverwaltungsbeamten, der Schulleiter) niederschlagen würden. Elternmitwirkung und Schulverfassungsreform Versuche wie die „selbständige" Schule setzen also eine schulpolitische Öffentlichkeit voraus, die Experimente nicht von vornherein zum Risiko für die Experimentatoren werden läßt. Die Elternschaft ist die wichtigste Gruppe dieser Öffentlichkeit. Sie muß für das (ebenso radikale wie notwendige) Experiment der „selbständigen" Schule gewonnen werden, und zwar mit pädagogischen Argumenten.
Ein produktiver Beitrag könnte die erziehungsnahe Mitwirkung in einer Schule sein, in der sich Mitwirkung „lohnt“ und in der Eltern und Lehrer voneinander und miteinander lernen und so das Experiment einer von obrigkeitlichen und technokratischen Dirigismen befreiten Schule vorbereiten und ermöglichen. Die konkrete Gestaltung der erziehungsnahen Kooperation zwischen Eltern und Schule entzieht sich zwar weitgehend dem planenden Zugriff der Schulverwaltung und ist deshalb auch nur begrenzt „machbar". Aber Schulpolitik und -Verwaltung können (wie das Hamburger Beispiel der elterlichen Mitarbeit in der Grundschule zeigt) günstige Rahmenbedingungen schaffen, Anstöße geben und die Beteiligten ermutigen. Diesen Rahmenbedingungen muß sich die künftige Diskussion zuwenden Darüber hinaus sollten beherzter als bisher Modelle und Vorgänge gefördert wer-den, an denen sich die erziehungsnahe Eltern-mitwirkung praktisch bewähren und zur erzieherischen „Selbstkraft" (Pestalozzi) der Eltern beitragen kann.
Diese Forderung nach erziehungsnaher Elternmitwirkung ist politisch brisant, weil sie auf die Abkehr von konservativen wie progressiven Staatsschultraditionen zielt. Sie läßt sich aber nicht (wie der Streit um den „wahren"
Elternwillen) im ideologiepolitischen Koordinatensystem interpretieren, sondern führt zu sachbezogenen Konflikten, die zumindest die Chance zum handlungsorientierten Konsens bieten, weil sie nicht mit der Überkomplexität politisch-normativer Kontroversen belastet sind.
Das erziehungsnahe Verständnis von Eltern-mitwirkung, das zugleich auf die konzeptionelle Abhängigkeit der Bildungspolitik von anderen Politikfeldern verweist, könnte das spannungsvolle Verhältnis zwischen Eltern und Schule entkrampfen und die Realität der Schule produktiv verändern:
— Sie modifiziert den Trend zur technisch verkürzten Professionalisierung des pädagogischen Personals und vermindert die Eigendynamik und Gesellschaftsdistanz der bürokratisch-professionellen . Superstruktur'Schule. — Die, Mitwirkung der Eltern an der Schule als „Weg des Kindes" (Langeveld) stimuliert oder verstärkt das Interesse an diesem Weg und nicht nur an seinem Ziel, dem formalen Abschluß.
— Die Mitwirkung reduziert überzogene (und in der Konsequenz für Schüler und Lehrer inhumane) Erwartungen in die Möglichkeiten institutionalisierter Bildung und die von ihr zu erbringenden „Leistungen".
— Die Mitwirkung vermindert die problematische . Arbeitsteilung'und reduziert die Diskrepanz zwischen Zuständigkeit und Verantwortung für den „Weg des Kindes".
So verstandene Elternmitwirkung, die pädagogische Verantwortung und soziales Engagement fordert und fördert, könnte ein Schritt zur „humanen Schule" und zugleich ein Beitrag zur demokratischen politischen Kultur sein.