Vorabdruck eines überarbeiteten Beitrags, der in heer iischer und englischer Sprache in den Yad Vashem udies, Jerusalem, erscheinen wird.
Einleitung
Der Krieg gegen die Sowjetunion ist mit Recht der „ungeheuerlichste Eroberungs-, Verskla-vungs-und Vernichtungskrieg" der Neuzeit genannt worden -Dieses Urteil Ernst Noltes aus dem Jahre 1963 hat auch durch den Genozid unter dem Pol Pot-Regime in Kambodscha nichts von seiner Gültigkeit verloren. Die völlige Andersartigkeit des deutsch-sowjetischen Krieges — gegenüber dem „europäischen Normalkrieg" gegen Frankreich — erklärt sich durch den Versuch Hitlers, seine eigentlichen programmatischen Ziele zu verwirklichen. Er wollte Lebensraum für das deutsche Volk gewinnen und zugleich den „jüdisch-bolschewistischen Todfeind" vernichten. Obwohl die deutsche historische Forschung den rassen-ideologischen Kern in der Ostkriegskonzeption Hitlers längst bloßgelegt, den engen Zusammenhang zwischen dem militärischen Krieg gegen die Sowjetunion und dem Weltanschauungskampf gegen die Juden oft beschrieben hat besteht in der breiteren Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland noch immer die Neigung, die Operationen gegen die Rote Armee vom gleichzeitigen Massenmord an Juden, Kommunisten und Kriegsgefangenen säuberlich abzutrennen. Militärischer Kampf zur Eroberung und politisch-polizeiliche Maßnahmen zur Sicherung des gewonnenen Lebensraumes waren aber nur verschiedene Seiten eines einzigen großen Vernichtungskrieges, in dem auch die Wehrmacht eine bestimmte Rolle zu spielen hatte. Hitler setzte sich aus eigener Macht-vollkommenheit — mit Unterstützung der Wehrmachtführung — über Normen des Internationalen Rechts, insbesondere des Kriegsvölkerrechts, hinweg, um die Methoden des Kampfes, die Einstellung zum Gegner und dessen Behandlung dem Sinn und Zweck des Vernichtungskrieges anzupassen. Es ist eben ein Zerrbild der Wirklichkeit, daß nur die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD Juden und kommunistische Funktionäre liquidierten. Auch die Wehrmacht beteiligte sich an der Vernichtung des „jüdischen Bolschewismus". Der besondere Charakter des Ostkrieges, insbesondere der enge Zusammenhang zwischen dem „Kampf um Lebensraum" und der „Endlösung der Judenfrage", wird von Teilen der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland noch immer verdrängt; anders lassen sich die überaus heftigen, zumeist negativen „Zuschauerreaktionen" auf die Ausstrahlung des politischen Magazins „Report" mit dem Thema „Verbrechen der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg" am 11. Dezember 1979 im deutschen Fernsehen nicht erklären Trotz über-deutlicher Differenzierung wurden dem Redakteur Einseitigkeit und bewußte Diffamierung des deutschen Soldaten vorgeworfen.
So schmerzlich die Konfrontation mit diesem Teil der deutschen Vergangenheit für die ältere Generation auch sein mag, so sehr das Wort von der „unbewältigten Vergangenheit" für sie zum Reizwort geworden ist, so sehr muß sich der Historiker um Aufklärung bemühen. „Geschichte durchbricht die Gehäuse, die wir uns immer bauen, indem sie Vergangenheit unbefangen und unverzerrt vor Augen bringt." Geschichte als Aufklärung ist immer noch notwendig, weil bei vielen Soldaten und Zeitgenossen die Erinnerung an den Sommer 1941, an die Art der Kriegführung durch die nationalsozialistische Propaganda verformt sowie durch die Verbrechen der Roten Armee, besonders bei ihrem Vordringen nach Deutschland, und die Leiden in sowjetischer Kriegsgefangenschaft überlagert worden ist. Der Kalte Krieg hat nicht nur die Korrektur des vom Nationalsozialismus aufgebauten Feindbildes eines aggressiven Kommunismus verhindert, sondern zugleich die Möglichkeit geboten, den deutschen Angriff am 22. Juni 1941 nachträglich zu rechtfertigen Die sowjetische Intervention in Afghanistan wird als Beweis dafür angesehen, daß das Expansionsstreben des Kreml auch über die Demarkationslinien des Zweiten Weltkrieges hinausgeht. Geschichte als Aufklärung ist auch dort notwendig, wo die von den Nationalsozialisten zur Tarnung der „Endlösung der Judenfrage" gewählten Sprachregelungen ihre salvatorische Funktion bis heute behalten haben. So rechtfertigte man an einem Stammtisch in Bürgstadt die Beteiligung des Bürgermeisters Ernst Heinrichsohn an der Deportation französischer Juden nach Auschwitz mit dem Satz: „Er hat die Juden ja nur zum Arbeiten verschickt, das hat denen gut getan." War die Wirkung des kommerziellen amerikanischen Holocaust-Films nicht doch nur die eines Strohfeuers? Dies mag auch daran liegen, daß die westdeutsche Zeitgeschichtsforschung sich erst seit Anfang der sechziger Jahre intensiv um die Aufarbeitung der Judenverfolgung bemühte. Doch die historische Aufklärungsarbeit über die Verantwortung der Gesellschaft nicht nur an der „deutschen“, sondern auch an der „jüdischen" Katastrophe, hat in der westdeutschen Öffentlichkeit bisher wenig Anerkennung und Resonanz gefunden. „Sie vermochte weder das allgemeine Defizit an historischem Wissen über die Judenverfolgung abzubauen, noch den vielfältigen apologetischen Spekulationen und historischen Legenden, geschweige denn den antisemitischen Bewußtseinshaltungen und Vorfällen einen Riegel vorzuschieben."
Hitlers Kriegsziele im Osten
Den Entschluß zum Krieg gegen die Sowjetunion faßte Hitler in Konsequenz seiner Lebensraumprogrammatik, in der sich Ostexpansion, Vernichtung des Bolschewismus und Ausrottung des Judentums verbanden Weil darin sozialdarwinistische, rassistische, ökonomische und machtpolitische Erwägungen eine Einheit bildeten, ist es müßig, eine Rangfolge zwischen ideologischen Fixierungen und machtpolitischen Überlegungen für Hitlers Entschluß aufstellen zu wollen. Er verband 1940/41 die strategische Notwendigkeit, den gewonnenen Machtbereich gegenüber den angelsächsischen Seemächten abzusichern und die bestehende Abhängigkeit von der Sowjetunion nicht zu vergrößern, mit der Verwirklichung seiner eigentlichen programmatischen Ziele. Die für den Gewinn einer blockadefesten deutschen Weltmachtstellung für notwendig erachtete Eroberung der europäischen Sowjetunion bot zugleich die Möglichkeit, die Ausrottung des Judentums einzuleiten. Judenherrschaft und Bolschewismus waren für Hitler nämlich identisch. Der spezifische Judenhaß Hitlers läßt sich nach neuerer Forschung wohl auf ein zeitlich exakt fixierbares individuelles Trauma zurückführen. Er unterschied sich deshalb zwar radikal von den anderen Formen eines religiösen, sozialen oder Konkurrenz-Antisemitismus, konnte diese aber zur Befriedigung seiner Obsession benutzen. In Hitlers Ostkriegskonzeption verschlingen sich vier Motive:
1. die Gewinnung von Kolonialraum für deutsche Siedler, 2. die Ausrottung der „jüdisch-bolschewistischen" Führungsschicht, einschließlich ihrer angeblichen biologischen Wurzel, den Millionen Juden in Ostmitteleuropa, 3. die Dezimierung der slawischen Massen und ihre Beherrschung durch vier deutsche „Vizekönige" — die Reichskommissare, 4. die Ausbeutung der wirtschaftlichen Ressourcen in den eroberten Gebieten im Rahmen eines blockadefesten kontinentaleuropäischen Großraums.
Der Gewinn eines solchen Lebensraumes hätte für das anvisierte rassenhomogene „Germanische Reich deutscher Nation" die Weltmachtstellung und die Voraussetzung für die spätere, unvermeidliche globale Auseinandersetzung mit den USA bedeutet Mitte Juli 1941, als Hitler und die Heeresführung den Sieg über die Rote Armee errungen zu haben glaubten, brachte Hitler sein destruktives Ost-programm auf die knappe Formel: „beherrschen, verwalten und ausbeuten" Der „riesenhafte Kuchen" sollte „handgerecht" zerlegt werden, doch außer ein paar Randstücken, die Finnland und Rumänien zugestanden wurden, sollte Deutschland der alleinige Nutznießer sein, um auf diesem Wege endlich das „gesunde" Verhältnis von Volkszahl und Volksraum zu erreichen. Im Osten sollte für die Deutschen ein „Garten Eden" entstehen. Wenn-gleich diese Konzeption einer „Neuordnung" der Sowjetunion sorgfältig getarnt werden sollte, hatten die dafür vorgesehenen und bereits angelaufenen Maßnahmen: „Erschießen, Aussiedeln etc." trotzdem weiterzugehen. Neben der Vernichtung des „jüdischen Bolschewismus“ bedeutete die rigorose Ausbeutung der besetzten Gebiete zugunsten der Wehrmacht und der deutschen Bevölkerung den dafür in Kauf genommenen Hungertod von Millionen von Sowjetbürgern, Zivilisten wie Kriegsgefangenen.
Das Programm des Vernichtungskrieges
Ab Ende Februar 1941, als die militärischen Vorbereitungen für den „Fall Barbarossa" schon weit fortgeschritten waren, ließ Hitler — erst im kleinen Kreis seiner Berater, dann vor einem größerem Publikum — seine Entschlossenheit durchblicken, den kommenden Feldzug als rassenideologischen Vernichtungskrieg zu führen. Am 3. März 1941 wies Hitler den OKW-Entwurf für „Richtlinien auf Sondergebieten zur Weisung Nr. 21 (Fall Barbarossa)" mit konkreten Weisungen für eine Neufassung zurück. Der kommende Feldzug sei mehr als nur ein Kampf der Waffen, er führe auch zur Auseinandersetzung zweier Weltanschauungen. Die Sowjetunion müsse zerschlagen, die „jüdisch-bolschewistische Intelligenz", die das Volk unterdrückt habe, müsse „beseitigt" werden Jodl gab Anweisung, wie die Richtlinien geändert werden müßten. Eine Militärverwaltung sollte sich auf ein kleines Operationsgebiet beschränken. . Die Notwendigkeit, alle Bolschewistenhäuptlinge und Kommissare sofort unschädlich zu machen“, spreche für den Einsatz der SS neben der Geheimen Feldpolizei des Heeres im Operationsgebiet. Militärgerichte müßten für alle diese Fragen ausgeschaltet werden.
Schon zwei Tage später ging der neue Entwurf dem OKH zur Stellungnahme zu. Die Heeresführung nahm die Beauftragung Himmlers mit . Sonderaufgaben“ im Operationsgebiet hin, obwohl sie seit Polen wußte, was dieser Ausdruck beinhaltete. Wie schon 1939 war das OKH froh, sich auf militärische Aufgaben konzentrieren zu können und das nationalsozialistische Mordprogramm nicht verantworten zu müssen Aus dieser Haltung des „Augen-schließens" konnte kein Widerstand gegen die OKW-,. Richtlinien auf Sondergebieten" vom März erwachsen, und sie ermöglichte das „Abkommen zwischen Heer und SS" vom 26. März. Diese Mentalität war wohl auch charakteristisch für die Mehrzahl der konservativen hohen Truppenoffiziere. Als Beispiel sei eine Unterredung zwischen dem Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Nord, Feldmarschall von Leeb, und dem Befehlshaber im rückwärtigen Heeresgebiet Nord, General von Roques, am 8. Juli 1941 zitiert: „Roques... klagt über die massenhaften Erschießungen von Juden in Kowno (Tausendei) auf Veranlassung der deutschen Polizeibehörden durch litauische Schutzverbände. Wir haben auf diese Maßnahmen keinen Einfluß. Es bleibt nur übrig, daß man sich fern hält. Roques meinte wohl zutreffend, daß auf diese Weise die Judenfrage wohl nicht gelöst werden kann. Am sichersten wäre sie durch Sterilisierung aller männlichen Juden zu lösen.“ 13)
Die militärische Führung ging vielleicht beim Abkommen zwischen Heer und SS davon aus, diese „Flurbereinigung" des neuen Lebensraums nicht verantworten zu müssen Doch Hitler war entschlossen, auch die Wehrmacht zum Instrument des rassenideologischen Vernichtungskrieges zu machen und damit die Grenzen zwischen militärischer und politisch-ideologischer Kriegführung aufzuheben. Die Generalität erfuhr von dieser Aufgabe am 30. März 1941. An diesem Tag hielt Hitler eine große Rede in der Reichskanzlei vor den über 200 Befehlshabern, Kommandeuren und Stab- schefs der für das Unternehmen „Barbarossa" vorgesehenen Verbände. Er sprach offen aus, daß er den bevorstehenden Krieg gegen die Sowjetunion nicht nach den üblichen militärischen Grundsätzen geführt sehen wollte, sondern als „Vernichtungskrieg" gegen eine Weltanschauung und ihre Anhänger: „Kampf zweier Weltanschauungen gegeneinander ... Bolschewismus ist gleich asoziales Verbrechertum. Kommunismus ungeheure Gefahr für die Zukunft. Wir müssen von dem Standpunkt des soldatischen Kameradentums abrücken. Der Kommunist ist vorher kein Kamerad und nachher kein Kamerad. Es handelt sich um einen Vernichtungskampf... Wir führen nicht Krieg, um den Feind zu konservierien ... Vernichtung der bolschewistischen Kommissare und der kommunistischen Intelligenz ... Der Kampf muß geführt werden gegen das Gift der Zersetzung. Das ist keine Frage der Kriegsgerichte. Die Führer der Truppe müssen wissen, worum es geht. Sie müssen in dem Kampf führen! Die Truppe muß sich mit den Mitteln verteidigen, mit denen sie angegriffen wird. Kommissare und GPU-Leute sind Verbrecher und müssen als solche behandelt werden. Deshalb braucht die Truppe nicht aus der Hand der Führer zu kommen. Der Führer muß seine Anordnungen im Einklang mit dem Empfinden der Truppe treffen. Die Führer müssen von sich das Opfer verlangen, ihre Bedenken zu überwinden.
Schon am 10. Februar 1939 hatte Hitler in einer bisher weithin unbekannt gebliebenen Rede vor den Truppenkommandeuren des Heeres den ihm vorschwebenden Krieg um Lebensraum als einen „reinen Weltanschauungskrieg, d. h. bewußt einen] Volks-und einen] Rassenkrieg“ erklärt Er hatte außerdem verlangt, in ihm nicht nur den Obersten Befehlshaber der Wehrmacht, sondern auch den obersten weltanschaulichen Führer zu sehen, dem sie als Offiziere ebenfalls auf Gedeih und Verderb verpflichtet seien. Die klare Forderung an das gesamte Offizierkorps, seine „allerletzte Garde" bei der Verwirklichung weltanschaulich geprägter Ziele zu bilden, gewinnt ihre Bedeutung für das Verhältnis von Heer und Hitler besonders vor dem Hintergrund seiner „Prophezeiung" am 30. Januar 1939: „Wenn es dem internationalen Judentum innerhalb und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa!"
Die „verbrecherischen“ Befehle
Die am 30. März 1941 von Hitler verkündeten Intentionen lösten in der Wehrmacht-und Heeresführung den üblichen Geschäftsgang unter Beteiligung der zuständigen Abteilungen und Referate aus. In den Richtlinien vom 13. März waren ja schon besondere Befehle für „das Verhalten der Truppe gegenüber der Bevölkerung und die Aufgaben der Wehrmacht-gerichte" angekündigt worden. Offiziere und Beamte im OKW und OKH erarbeiteten ohne Protest jene später als „verbrecherisch" bezeichneten Befehle, die den Charakter des Ostkrieges entscheidend bestimmen sollten „Erlaß über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet . Barbarossa'und über besondere Maßnahmen der Truppe" vom 13. Mai 1941, „Richtlinien für das Verhalten der Truppe in Rußland" vom Mai 1941 und die „Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare" vom 6. Juni 1941.
Alle späteren Behauptungen von Beteiligten, sie hätten nur befehlsgemäß gehandelt oder sogar vorgegebene Ziele abgemildert, gehören in den Bereich der Legendenbildung. Gerade weil die Offiziere und Beamten in den Führungsstäben die Abwertung des Kriegsvölkerrechts zu einer Funktion des politischen Willens erkannten, sahen sie die Notwendigkeit, die befohlenen Maßnahmen entweder aus der deutschen Geschichte seit 1918, als präventive Repressalie oder durch Hinweise auf das Sicherheitsbedürfnis der Truppe zu rechtfertigen. Die militärischen Führer und ihre juristischen Berater wurden so zu Hitlers „partners in crime”. 19)Die „Richtlinien für das Verhalten der Truppe" erklärten den Bolschewismus zum „Todfeind des nationalsozialistischen deutschen Volkes. Dieser zersetzenden Weltanschauung und ihren Trägern gilt Deutschlands Kampf.“ Dieser Kampf verlange „rücksichtsloses und energisches Durchgreifen gegen bolschewistische Hetzer, Freischärler, Saboteure, Juden und restlose Beseitigung jedes aktiven und passiven Widerstandes" Der gezielte Hinweis auf die vermeintliche Identität von Bolschewismus und Judentum fiel im Heer nicht auf unfruchtbaren Boden. So hatte z. B. schon am 2. Mai 1941 General Hoepner, Befehlshaber der Panzergruppe 4 bis zu seiner Ablösung im Winter 1941 und später ein aktives Mitglied im militärischen Widerstand, in einem Aufmarschbefehl die Konsequenz aus der Hitler-Rede vom 30. März 1941 „Der Krieg gegen Rußland ist ein wesentlicher Abschnitt im Daseinskampf des deutschen Volkes. Es ist der alte Kampf der Germanen gegen das Slawentum, die Verteidigung europäischer Kultur gegen moskowitisch-asiatische Überschwemmung, die Abwehr des jüdischen Bolschewismus. Dieser Kampf muß die Zerstrüm-
merung des heutigen Rußland zum Ziele haben und deshalb mit unerhörter Härte geführt werden. Jede Kampfhandlung muß in Anlage und Durchführung von dem eisernen Willen zur erbarmungslosen, völligen Vernichtung des Feindes geleitet sein. Insbesondere gibt es keine Schonung für die Träger des heutigen russisch-bolschewistischen Systems."
Der Gerichtsbarkeitserlaß Barbarossa kann als ein „Beispiel planvoller Projektion nationalsozialistischen . Rechtsdenkens'auf einen ideologischen Feind" angesehen werden Der ganze Komplex des iusin bello wurde als lästiges Hemmnis der Kriegführung betrachtet.
Deshalb forderte General Müller, General 2b. V. beim Oberbefehlshaber des Heeres und als solcher zuständig für das Rechtswesen im Heer, am 11. Juni 1941 bei der Unterrichtung von Ic-Offizieren und Heeresrichtern, „daß im kommenden Einsatz Rechtsempfinden u. U.
hinter Kriegsnotwendigkeit zu treten habe [und die] Rückkehr zum alten Kriegsgebrauch Einer von beiden Feinden muß auf der Strecke bleiben. Träger der feindlichen Einstellung nicht konservieren, sondern erledigen" Als „Freischärler", die von der Truppe schonungslos zu erledigen waren, sollte auch jeder Zivilist gelten, der die Wehrmacht nur behinderte oder zur Behinderung aufforderte. In Zweifelsfällen über die Täterschaft sollte der bloße Verdacht für die Verurteilung zum Tode durch einen Offizier genügen. Falls bei Angriffen gegen die Wehrmacht der einzelne Straftäter nicht rasch genug festgestellt werden konnte, waren auf Vorschlag des General-stabschefs Halder „kollektive Gewaltmaßnahmen" gegen Ortschaften in den Erlaß aufgenommen worden.
Bei der Formulierung des Kommissarbefehls ging die Initiative eindeutig vom OKH aus.
der Als erste Entwurf dem Generalstabschef Halder erläutert wurde, erklärte dieser zustimmend: „Truppe muß den weltanschaulichen Kampf Ostfeldzug" durchfechten bei Die Erschießung „politischer Hoheitsträger und Leiter (Kommissare)“ wurde nicht einmal vom Verdacht einer feindseligen Handlung abhängig gemacht, sondern nur vom Besitz einer Funktion innerhalb der Roten Armee oder des sowjetischen Herrschaftssystems. Eine Rolle für die völkerrechtswidrige Behandlung der politischen Kommissare aller Art spielte auch die Befürchtung der Heeresführung, daß sie die Propaganda in der Heimat als Gefangene fortsetzen könnten. Aus diesem Grunde forderte der Oberbefehlshaber des Heeres später die Ic-Offiziere der Truppe zur ständigen Überprüfung der Gefangenenlager auf. Es wäre verfehlt, die Auswirkung des Kommissarbefehls auf das Verhalten der Truppe zu unterschätzen und, wie Nolte es noch tat anzunehmen, die Truppe hätte seine Ausführung meist zu sabotieren gewußt. Die große Anzahl dienstlicher Vollzugsmeldungen während der Operationen — zuerst als Teil der Tagesmeldung des Ic-Offiziers, später als vierzehntägliche Terminmeldung — spricht eine zu deutliche Sprache Sollen wir wirklich glauben, dieser Teil der Meldung sei bewußt manipuliert worden, wie ehemalige Soldaten vorgeben Oft meldeten die Korps auch einfach „Fehlanzeige“, es mußten also keine Falschmeldungen abgegeben werden.
Die „Gegnervernichtung" in den Gefangenenlagern
Die gezielte Vernichtung einer Weltanschauung durch die Wehrmacht wurde in den Gefangenenlagern im Operationsgebiet fortgesetzt. Da dies, besonders als die Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD die Mordaktionen übernommen hatten, systematisch geschah, kann als sicher gelten, „daß die meisten der sowjetischen Kommissare, Funktionäre, Hoheitsträger etc. nicht an der Front, sondern erst in den verschiedenen Gefangenenlagern erschossen wurden" Die Verantwortung für das Kriegsgefangenenwesen im „Fall Barbarossa“ war zwischen OKW und OKH aufgeteilt. Im Reichsgebiet, im besetzten Polen und den später geschaffenen Reichs-kommissariaten Ostland und Ukraine lag die Verantwortung beim OKW, im Operationsgebiet des Heeres beim OKH.
Schon am 10. Juli 1941 äußerte der Oberbefehlshaber des Heeres die Befürchtung, daß eine Reihe von politischen Kommissaren der Roten Armee nach Entfernung ihrer Abzeichen unerkannt in die Gefangenenlager geraten sein könnten. Vierzehn Tage später verfügte ein Befehl des Generalquartiermeisters, „umgehend ... politisch untragbare und verdächtige Elemente, Kommissare und Hetzer" auszusondern. Mit ihnen sollten die Lager-kommandanten „gemäß gegebener Sonderanordnungen“ verfahren, d. h. sie nach dem Gerichtsbarkeitserlaß und Kommissarbefehl erschießen. Der Einsatz der Sicherheitspolizei und des SD für diese Aufgabe war allerdings noch ausgeschlossen. . Asiaten (ihrer Rasse nach), Juden, deutsch sprechende Russen“ sollten zwar auch abgesondert, aber nicht erschossen, sondern nur von Deutschland ferngehalten werden Daß diese Praxis nicht immer eingehalten wurde, eine Zusammenarbeit mit der SS stattfand und auch Juden in den Kriegsgefangenenlagern im Operationsgebiet des Heeres erschossen wurden, belegen einerseits der Vorschlag des Kommandanten des Durchgangslagers 131 in Slonim an den Kriegsgefangenen-Bezirkskommandanten J im rückwärtigen Heeresgebiet Mitte, jüdische Ärzte „nicht ohne weiteres“ zu erschießen und die Meldungen der Einsatzgruppen. Andererseits ist auch die Weigerung eines Lagerkommandanten in Mogilev bekanntgeworden, „jüdische Gefangene für eine Sonderbehandlung herauszugeben, da hierfür kein Befehl der zuständigen Wehrmachtdienststelle" vorläge Am 7. Oktober 1941 hob allerdings die Heeresführung das Verbot auf, den Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD Zutritt zu den Lagern im Operationsgebiet zu gewähren; sie übernahm die seit Juli im OKW-Bereich befohlene Praxis und sanktionierte damit die in den rückwärtigen Heeresgebieten bereits geübte Zusammenarbeit mit der SS.
Am 17. Juli 1941 hatte das OKW verfügt, daß die Wehrmacht „sich umgehend von allen denjenigen Elementen unter den Kriegsgefangenen [zu] befreien [habe], die als bolschewistische Triebkräfte anzusehen [seien]. Die besondere Lage des Ostfeldzuges verlangt daher besondere Maßnahmen , die frei von bürokratischen und verwaltungsmäßigen Einflüssen verantwortungsfreudig durchgeführt werden müssen. Während den bisherigen Vorschriften und Befehlen des Kriegsgefangenenwesens ausschließlich militärische Überlegungen zu Grunde lagen, muß nun der politische Zweck erreicht werden, das Deutsche Volk vor bolschewistischen Hetzern zu schützen und das besetzte Gebiet alsbald fest in die Hand zu nehmen." Nach einer ersten Sonderung der Gefangenen nach „Volkstumszugehörigkeit“ und „politischer Vertrauenswürdigkeit" durch das Wehrmachtpersonal übernahm dann das jeweilige — „besonders geschulte" — Einsatzkommando der Sicherheitspolizei und des SD die weitere Aussonderung und Liquidierung. Nach den Richtlinien Heydrichs fielen darunter auch alle Juden. Mit dem OKW-Befehl vom 17. Juli und seiner Übernahme durch das OKH Anfang Oktober 1941 „war die letzte Radikalisierung der Gegnervernichtung im Rahmen der seit März 1941 entwickelten weltanschaulichen Befehle erreicht“ Ihr fielen mindestens 580 000 bis 600 000 Sowjetbürger zum Opfer.
Proteste der militärischen Führung
Allerdings gab es auch im OKW schon früh Bemühungen um eine völkerrechtskonforme Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen. Sie gingen aus vom Referat Kriegsvölkerrecht in der Amtsgruppe Ausland. Helmuth James von Moltke war der Verfasser jener Denkschrift, in der Admiral Canaris am 15. September 1941 auf die Gültigkeit des allgemeinen Völkerrechts hinwies, auch wenn das Genfer Kriegsgefangenenabkommen von 1929 für das Deutsche Reich und die Sowjetunion nicht verbindlich sei. Es widerspreche der soldatischen Tradition, Wehrlose zu töten oder zu verletzen. Diese Intervention zugunsten der sowjetischen Kriegsgefangenen, die durch die gerade erfolgte Erneuerung des Befehls vom 17. Juli besonders dringlich erschien, wurde von Keitel verworfen: „Die Bedenken entsprechen den soldatischen Auffassungen vom ritterlichen Krieg! Hier handelt es sich um die Vernichtung einer Weltanschauung. Deshalb billige ich die Maßnahme und decke sie." Insbesondere die Aussonderungen durch die SS nach rassenideologischen Gründen hielt Keitel für „sehr zweckmäBig"
Von August 1941 an wurde auch der Kommis-sarbefehl von immer mehr Truppenkommandeuren kritisiert, allerdings nicht so sehr wegen seiner Völkerrechtswidrigkeit, sondern aus utilitaristischen Gründen: Er habe zu einer Versteifung des sowjetischen Widerstandes geführt. Am 23. September 1941 bat die Heeresführung das OKW, die Durchführung des Kommissarbefehls unter Berücksichtigung der Entwicklung der operativen Lage zu überprüfen. Doch Hitler lehnte jede Änderung ab. Erst im Mai 1942 hatte das Drängen der Truppenkommandeure Erfolg. Der Kommissarbefehl wurde im Operationsgebiet ausgesetzt, um bei den sowjetischen Soldaten die Neigung zum überlaufen zu fördern. Am 1. Juni wurde auch die „Sonderbehandlung" der Kommissare und Politruks in den Kriegsgefangenenlagern aufgehoben. Doch schon im Oktober 1942 wurde dieser Befehl korrigiert. Die Einsatzkommandos sollten feststellen, ob es sich um übergelaufene oder im Kampf gefangengenommene Kommissare und Politruks handelte; letztere waren zu exekutieren, die Überläufer wurden ins KZ Mauthausen gebracht. Für „Juden, Verbrecher usw." blieb es „beim bisherigen Verfahren", d. h. sie wurden weiter erschossen
Das Massensterben der sowjetischen Kriegsgefangenen
Neben der Erschießung Hunderttausender politisch und rassisch „untragbarer" Kriegsgefangener verlangt auch das Massensterben unzähliger Rotarmisten in deutschem Gewahrsam eine Erklärung. Diese hat in überzeugender Weise Christian Streit geliefert Wenngleich keine pauschale Vernichtungsabsicht bestand, so wurde doch ihr Sterben in Kauf genommen. Da die militärische Führung mit einem kurzen Krieg rechnete, hatte sie mit der Organisation für die anfallenden Gefangenen-massen keine Eile. Das Primäre war die Etablierung und Sicherung der deutschen Herrschaft im Osten sowie die Ausbeutung der Ernährungs-und Rohstoffquellen zugunsten der Wehrmacht und des Reiches. Für die Ernährung der Kriegsgefangenen sollte nur das geringstmögliche Maß an Nahrungsmitteln aufgewendet werden, um möglichst viel für den eigenen Bedarf aus dem Lande herausholen zu können. Die Verpflegung der sowjetischen Kriegsgefangenen wurde am 6. August 1941 erstmals für alle Lager einheitlich geregelt.
Die Rationen hatten für arbeitende Gefangene einen Nährwert von 2 200 Kalorien, für nichtarbeitende von 2 040 Kalorien. Diese Sätze wurden am 21. Oktober für die Lager im Operationsgebiet, in den Reichskommissariaten und im besetzten Polen drastisch gesenkt, dagegen nicht im Reichsgebiet. Die Fettration wurde um 36 % gekürzt, die Kartoffelration um 44 %. Der Nährwert der Ration für nichtarbeitende Gefangene betrug nur noch 1 490 Kalorien. Bei der Bewilligung der Zulagen für arbeitende Gefangene sollte ein „besonders strenger Maßstab" angelegt werden. Die Einheitsführer sollten sich bewußt sein, „daß jedes Verpflegungsmittel, das den Kriegsgefangenen zu Unrecht oder zuviel gewährt wird, den Angehörigen in der Heimat oder dem deutschen Soldaten abgezogen werden muß Unter dem Trauma der Niederlage von 1918 wurde die Stimmung der Heimat als ein wesentlicher Faktor der Kriegführung angesehen; deshalb durfte kein politischer Kommissar in die Gefangenenlager im Reichsgebiet „entkommen", deshalb durften die Rationen der deutschen Bevölkerung auf keinen Fall gekürzt werden. Diese Rangfolge führte zu dem furchtbaren Massensterben der sowjetischen Kriegsgefangenen im Herbst und Winter 1941, da noch nicht einmal die am 21. Oktober zugestandenen Rationen in den Lagern erreicht wurden. Zu Unterernährung und unzureichendem Schutz vor Kälte und Nässe kamen dann noch Fleckfieber und Typhus.
Auf der Besprechung zwischen Heeres-und Truppenführung in Ora am 13. November 1941 erklärte der zuständige Generalquartiermeister des Heeres, General Wagner: „Nicht arbeitende Kriegsgefangene in den Lagern haben zu verhungern. Arbeitende Kriegsgefangene können im Einzelfall auch aus Heeresbeständen ernährt werden. Generell kann auch das angesichts der allgemeinen Ernährungslage leider nicht befohlen werden.“ Um wenigstens den als „Hilfswachmannschaften" eingesetzten Kriegsgefangenen ukrainischer Nationalität eine ausreichende Verpflegung zukommen zu lassen — damit wollte man ihre Motivation unterstützen —, hatte schon Anfang November der Kommandeur der im rückwärtigen Heeresgebiet Mitte eingesetzten 38a. Infanteriedivision vorgeschlagen, „alle Schädlinge und unnützen Esser auszumerzen (geflohene und wieder aufgegriffene Kriegsgefangene, Landstreicher, Juden und Zigeu. ner).“
Erst als nach dem Scheitern eines „schnellen Feldzuges“ und unter dem Zwang des Arbeitskräftemangels in der deutschen Kriegswirtschaft der „Wert" der sowjetischen Kriegsgefangenen stieg, besserte sich deren Lage. Waren Ende Januar 1942 erst 147 736 Gefangene in der Kriegswirtschaft eingesetzt, so betrag ihre Zahl gegen Ende des Krieges rund 750 000. Von den insgesamt 5, 7 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen starben etwa 3, 3 Millionen in deutscher Gefangenschaft. Zum Vergleich: Von den 3, 2 Millionen deutschen Kriegsgefangenen in sowjetischer Gefangenschaft starben etwa 1, 2 Millionen
Die Zusammenarbeit von Heer und SS bei der Sicherung der eroberten Gebiete
Eine „Grauzone", in der sich militärische Kriegführung und politisch-polizeiliche Ausrottungspraktiken berührten, vermischten, überlappten oder von Heer und SS gemeinsam betrieben wurden, war die Sicherung des eroberten Gebiets. Während die militärische Führung in den rückwärtigen Armee-und Heeresgebieten bestrebt war, jeden aktiven oder passiven Widerstand der Zivilbevölkerung „mit harten Strafmaßnahmen im Keim zu ersticken" und „rücksichtsloses und energisches Durchgreifen gegen bolschewistische Hetzer, Freischärler, Saboteure, Juden" anordnete führte die SS den „Sonderauftrag des Führers" durch. Dieser bestand aber nicht nur in der Ergreifung von politisch gefährlichen Persönlichkeiten (Juden, Emigranten, Saboteuren, Terroristen) sowie in der „Erforschung und Bekämpfung der staats-und rechtsfeindlichen Bestrebungen", sondern auch in der Exekution aller Juden. Damit sollten die Grundla-gen „für die endgültige Beseitigung des Bolschewismus geschaffen werden"
Beide „Waffenträger" waren zu „engster Zusammenarbeit" verpflichtet. Den Befehlshabern in den rückwärtigen Heeresgebieten Nord, Mitte und Süd unterstanden je drei Sicherungsdivisionen des Heeres und drei Polizei-Bataillone, den Höheren SS-und Polizei-führern unterstanden die vier Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD sowie je ein Polizei-Regiment der Ordnungspolizei. Der Befehlshaber im rückwärtigen Heeresgebiet konnte die Truppen der Ordnungspolizei im Einvernehmen mit dem Höheren SS-und Polizeiführer auch zu militärischen Aufgaben einsetzen Es blieb Theorie, wenn der Beauftragte des Generalquartiermeisters den zu-ständigen Ic-Offizieren am 6. Juni 1941 die klare Trennung der Aufgaben von Wehrmacht und SS dahin gehend erläuterte: Wehrmacht: Niederringen des Feindes; Reichsführer SS: politisch-polizeiliche Bekämpfung des Feindes Dieses Raster mußte bei der befohlenen Vernichtung eines weltanschaulichen Gegners und bei der ideologischen Verblendung vieler Offiziere und Soldaten brüchig werden. Es war Hitler, der die „Chance" erkannte, die ihm Stalins Aufruf zum Partisanenkrieg hinter der Front bot: „Er gibt uns die Möglichkeit auszurotten, was sich gegen uns stellt.“ Wenige Wochen vorher hatte bekanntlich der General z. b. V. beim Oberbefehlshaber des Heeres den Gerichtsbarkeitserlaß Barbarossa dahin gehend erläutert, daß die „Träger der feindlichen Einstellung nicht konserviert, sondern erledigt“ werden sollten.
Deshalb forderte die Ergänzung zur „Weisung Nr. 33: Fortführung des Krieges im Osten" vom 23. Juli 1941, den Widerstand in den eroberten Ostgebieten nicht „durch die juristische Bestrafung der Schuldigen“ zu brechen, sondern durch Terror „der Bevölkerung jede Lust zur Widersetzlichkeit zu nehmen" Als „Träger der feindlichen Einstellung“, als „bolschewistische Triebkräfte" wurden aber nicht nur die kommunistischen Funktionäre, sondern auch die Juden angesehen. Die jahrelange Indoktrination der Wehrmacht und die stereotype Formelvom „jüdischen Bolschewismus" begannen, ihre Früchte zu tragen.
Die Zusammenarbeit von Heer und SS bei der Vernichtung der Juden
Die praktische Zusammenarbeit von Heer und SS bei der Verfolgung der Juden gestaltete sich oft so, daß Vorausabteilungen der Einsatzgruppen mit der kämpfenden Truppe vorgingen, manchmal sogar auf ausdrücklichen Wunsch der Befehlshaber, daß Truppen-führer über die Kennzeichnung und Registrierung hinaus sogar die Verhaftung von Juden anordneten, so daß den SS-Einheiten der Zugriff bequem möglich war. So geschah es z. B. im Bereich des LVII. Armeekorps unter General von Manstein. Als es nach der Einnahme von Dünaburg immer noch zu Bränden kam, glaubte man in der Korpsführung nur allzu gern den Aussagen der „Zivilbevölkerung, daß vor allen Dingen die Juden ... diese Sabotageakte gegen die Truppe direkt oder indirekt verschuldeten" Nach der Verhaftung der männlichen Juden hätte sich die. Lage in Dünaburg „schlagartig" geändert. Entsprechend dieser „Erfahrung" ging der Ordonnanzoffizier für Abwehrangelegenheiten der Ic-Abteilung auch nach der Einnahme von Rositten Anfang Juli 1941 vor. Ein Kommando der Geheimen Feldpolizei verhaftete mit Hilfe eines Zuges der Kradschützenkompanie des SS-Totenkopf-Regiments 1 die männlichen erwachsenen Juden, „da auch hier mit Sabotageakten zu rechnen war“. Der Befehlshaber im rückwärtigen Heeresgebiet Süd befahl Ende August 1941 „die Einrichtung von Ghettos in Ortschaften mit größerem jüdischen Bevölkerungsteil, insbesondere in Städten“ Im Bereich der 99. leichten Infanteriedivision fahndete die Geheime Feldpolizei gezielt nach Juden, die dann dem SD übergeben wurden So konnten die Einsatzgruppen nicht nur über eine „ausgezeichnete" Zusammenarbeit mit den militärischen Führungsstellen, sondern sogar über eine „erfreulich gute Einstellung gegen die Juden“ berichten
Es gab jedoch auch Versuche einzelner Kommandeure, die für eine klare Trennung der Aufgaben von Wehrmacht und SS eintraten. Sie wollten mit ihren Befehlen die Beteiligung von Wehrmachtangehörigen an Judenprogromen, insbesondere das „eigenmächtige Vorgehen“ einzelner, sowie das Zuschauen oder Fotographieren bei Aktionen der Einsatzkommandos unterbinden. Sie verboten zwar die Heranziehung von Wehrmachtangehörigen zu Exekutionen von Juden, Ersuchen der SS um Gestellung von Absperrdiensten sollten aber nach Möglichkeit stattgegeben werden. Daß sich Befehlshaber rückwärtiger Heeresgebiete noch im März 1942 genötigt sahen, ein grundsätzliches Verbot der Teilnahme von Wehrmachtangehörigen an Judenerschießungen zu erlassen, kann doch nur als Bestätigung des Sachverhaltes an sich angesehen werden
Nicht nur Hitler und die SS konstruierten einen Zusammenhang zwischen dem „jüdischen Bolschewismus" und der „Partisanen" -Bewegung, sondern auch Truppenführer sahen in den Juden besondere Anhänger des feindlichen Herrschaftssystems und handelten danach. So befahl z. B.der Kommandeur der 44. Infanteriedivision in Ausführung des Gerichtsbarkeitserlasses am 21. Juli 1941 kollektive Gewaltmaßnahmen, wenn bei Sabotage-fällen der Täter nicht festgestellt werden konnte. In charakteristischer eigener Wendung wurde aber darauf hingewiesen, daß die Kollektivmaßnahmen „im Erschießen von ortsansässigen Juden oder Russen, Abbrennen von jüdischen oder russischen Häusern bestehen" könnten Bei der 50. Infanteriedivision wurde darauf hingewiesen, daß damit zu rechnen sei, daß insbesondere Juden und sowjetische Parteimitglieder den „Nachrichtendienst über die Fronten hinweg aufrechterhalten" würden Als die 1. SS-Kavallerie-Brigade dem Befehlshaber im rückwärtigen Heeresgebiet Mitte in einem Erfahrungsbericht über die „Befriedung der Prypec-Sümpfe" am 3. September 1941 meldete, daß die Verbindung der Partisanenabteilungen untereinander „vor allem durch Juden“ aufrechterhalten würde und „judenfreie" Dörfer in keinem Falle Stützpunkte der Partisanen gewesen seien, wurde dieser Hinweis eindeutig zustimmend zur Kenntnis genommen.
General von Schenckendorff veranstaltete vom 24. bis 26. September 1941 einen „Kursus über die Bekämpfung der Partisanen". Bei diesem Erfahrungsaustausch zwischen Heer und SS sprachen u. a.der Höhere SS-und Polizei-führer, von dem Bach-Zelewski, über das „Erfassen von Kommissaren und Partisanen", und der Führer der Einsatzgruppe B, Nebe, über „Die Judenfrage mit besonderer Berücksichtigung der Partisanenbewegung". Nach einer „Schulübung" des Polizei-Regiments Mitte führten am letzten Tage Teile des Sicherungsregiments 2 die „richtige" Aushebung von Partisanen, Kommissaren und Kommunisten und Durchkämmung der Bevölkerung vor Auf Antrag von General von Schenckendorff hatte von dem Bach am 31. August 1941 die Spange zum Eisernen Kreuz 2. Kl. erhalten, wodurch die Unterstützung des Heeres seitens der SS bei der . Befriedung'des Landes gewürdigt wurde.
Anfang Oktober 1941 machte der Oberbefehlshaber der 6. Armee, von Reichenau, seine Haltung im Vernichtungskrieg gegenüber den ihm unterstellten Soldaten deutlich, nachdem er schon wiederholt seine aktive Hilfestellung für die Ausrottungspraktiken der Einsatz-gruppe C bewiesen hatte: „Der Soldat ist im Ostraum nicht nur ein Kämpfer nach den Regeln der Kriegskunst, sondern auch ein Träger einer unerbittlichen völkischen Idee und Rächer für alle Bestialitäten, die deutschem und artverwandtem Volkstum zugefügt wurden. Deshalb muß der Soldat für die Notwendigkeit der harten, aber gerechten Sühne am jüdischen Untermenschentum volles Verständnis haben. Sie hat den weiteren Zweck, Erhebungen im Rücken der Wehrmacht, die erfahrungsgemäß stets von Juden angezettelt werden, im Keime zu ersticken ... Fern von allen politischen Erwägungen hat der Soldat zweierlei zu erfüllen: 1. die völlige Vernichtung der bolschewistischen Irrlehre, des Sowjetstaates und seiner Wehrmacht, 2. die erbarmungslose Ausrottung artfremder Heimtücke und Grausamkeit und damit die Sicherung des Lebens der deutschen Wehrmacht in Rußland. Nur so werden wir unserer geschichtlichen Aufgabe gerecht, das deutsche Volk von der asiatisch-jüdischen Gefahr ein für allemal zu befreien."
Dieser Befehl über das „Verhalten der Truppe im Ostraum", den Hitler als „ausgezeichnet“ apostrophierte, wurde vom OKH an alle Heeresgruppen und Armeen mit der Bitte verteilt, gleiche Anordnungen zu erlassen. Dieser Anregung folgte General v. Manstein, Oberbefehlshaber der 11. Armee, in dessen Bereich auf der Krim sich starke Partisanenverbände befanden und die Einsatzgruppe D eingesetzt war, am 20. November 1941: „Dieser Kampl wird nicht in hergebrachter Form gegen die sowjetische Wehrmacht allein nach europäischen Kriegsregeln gekämpft. Auch hinter der Front wird weiter gekämpft... Das Judentum bildet den Mittelsmann zwischen dem Feind im Rücken und den noch kämpfenden Resten der Roten Armee und der Roten Führung. Es hält stärker als in Europa alle Schlüsselpunkte der politischen Führung und Verwaltung, des Handels und Handwerks besetzt und bildet weiter die Zelle für alle Unruhen und Erhebungen. Das jüdisch-bolschewistische System muß ein für allemal ausgerottet werden. Nie wieder darf es in unseren europäischen Lebensraum eingreifen."
Wie Reichenau forderte auch Manstein die ihm unterstellten Soldaten auf, Verständnis für die Notwendigkeit der harten Sühne am Judentum, dem geistigen Träger des bolschewistischen Terrors", aufzubringen. Dies konnte von der Truppe nur als Rechtfertigung der Massenexekutionen der Einsatzgruppen C und D aufgefaßt werden. Zum Schluß seines Befehls appellierte Manstein an das traditionelle Soldatenethos und „gegen Willkür und Eigennutz". Eine gerechte Behandlung der Bevölkerung wurde aber nur für die „nichtbolschewistischen" und „russenfeindlichen“ Teile gefordert, insbesondere für die Tataren und Mohammedaner. Zur wirksamen Bekämpfung der „Partisanen" stellte das AOK 11 Ende November 1941 einen besonderen Stab auf. Dieserführte — je nach Einschätzung der Lage — eigene oder mit der Einsatzgruppe gemeinsame Aktionen durch, wobei es auch vorkam, daß Heeresverbände der SS zur Verfügung gestellt wurden
Solche Befehle, in denen die Juden summarisch als partisanenverdächtig eingestuft wurden — und mit denen sich andere hohe Offiziere identifizierten —, hatten natürlich Konsequenzen. So erschoß die 62. Infanterie-division nach einer „Säuberungsaktion" bei Mirgorod im rückwärtigen Heeresgebiet Süd außer 45 Partisanen auch die gesamte „jüdische Bevölkerung in Mirgorod (168 Köpfe) wegen Verbindung mit Partisanen" Als „Sühne" für die Erschießung eines Heeresangehörigen wurden von der Ersatz-Brigade 202 „als Repressalien 20 Juden aus Infanterie-division nach einer „Säuberungsaktion" bei Mirgorod im rückwärtigen Heeresgebiet Süd außer 45 Partisanen auch die gesamte „jüdische Bevölkerung in Mirgorod (168 Köpfe) wegen Verbindung mit Partisanen" 58). Als „Sühne" für die Erschießung eines Heeresangehörigen wurden von der Ersatz-Brigade 202 „als Repressalien 20 Juden aus den Dörfern Dobosjanka und Gornostajewka erschossen sowie 5 Judenhäuser in Brand gesteckt" 59). Die 444. Si-cherungsdivision meldete in ihrem vorläufigen Abschlußbericht über die „Banditenbekämpfung im Waldgebiet von Nowomoskowsk 305 Banditen, 6 Flintenweiber, 39 Kriegsgefangene, 136 Juden als erschossen 60). Die 97. leichte Infanteriedivision führte in Artemovsk am 12. /13. November 1941 eine „Kommunisten-, Partisanen-und Judenrazzia" durch. Die Verhafteten (12 Kommunisten, 6 Juden und 6 Frauen) wurden in ein Konzentrationslager gebracht. Ihre öffentlich angedrohte Erschießung sollte Attentate auf Wehrmachtsangehörige verhindern 61). Die Liste der Beispiele für die besonderen Praktiken bei der „Partisanenbekämpfung" ließe sich unschwer verlängern.
Ein besonders schlagendes Beispiel der Selbst-bestätigung und selffullfilling prophecy bei der Vernichtung des „jüdischen Bolschewismus" stellen die Berichte des „Kommandanten in Weißruthenien des Wehrmachtbefehlshabers Ostland" und Kommandeurs der 707. Infanteriedivision dar. Sie sollen deshalb an dieser Stelle zitiert werden 62):
„Bei den Juden wurde beobachtet, daß sie vielfach aus ihren Wohnsitzen auf dem flachen Lande abwandern, wahrscheinlich nach Süden, wodurch sie sich den gegen sie eingeleiteten Aktionen zu entziehen suchen. Da sie nach wie vor mit den Kommunisten und Partisanen gemeinsame Sache machen, wird die restlose Ausmerzung dieses volksfremden Elements durchgeführt.'' (Monatsbericht vom 1. 10. — 10. 11. 1941.)
„Die gegen die Juden, als Träger der bolschewistischen Idee und Führer der Partisanenbewegung, eingeleiteten Maßnahmen sind von fühlbarem Erfolg. Die Zusammenziehung der Juden in Ghettos und die Liquidierung der der Partisanentätigkeit und Volksverhetzung überführten Juden wird weiter fortgesetzt und damit die Befriedung des Landes am besten vorwärtsgetrieben. Im Berichtsmonat wurde die Verbindung der Juden mit der Partisanen-bewegung durch die Streifenunternehmen mehrfach beobachtet und festgestellt." (Monatsbericht vom 1. 11. — 11. 1941.)
„Es hat sich gezeigt, daß die Zusammenfassung der Juden in Ghettos überall zum Wohle und zur Befriedung des Landes beiträgt. Die Beunruhigung der Bevölkerung durch Gerüchte und Hetze und die Unterstützung der Partisanen wurde dadurch stark eingedämmt. Es werden aber trotzdem wiederholt hier Meldungen vorgelegt, aus denen hervorgeht, daß Juden mit Partisanen gemeinsame Sache machen oder sogar in größerer Anzahl bewaffnet den Partisanenbanden angehören. Auch an Sabotageakten sind immer wieder Juden beteiligt." (Bericht vom 8. 1. 1942.) „Über Juden und Polen ist dem in den voraufgegangenen Lageberichten Gesagten hinzuzufügen, daß sie dem Kommunismus und der Organisation des Partisanentums in jeder nur denkbaren Weise in die Hände arbeiten und Vorschub leisten. Die Juden sind deshalb ohne jede Ausnahme mit dem BegriffPartisan identisch. Eine Meldung besagt, daß ein Jude als Partisan aufgegriffen wurde, welcher als Propagandaredner eingesetzt war und der Bevölkerung einredete, daß Gomel, Mogilew und Kiew bereits von der Roten Armee zurückerobert seien und daß die Sowjets in ganz kurzer Zeit zurückkehren würden; dann würden selbstverständlich alle die gehängt, welche den Deutschen geholfen hätten." (Lagebericht vom 1. — 15. 2. 1942.)
Dieser konstruierte Zusammenhang zwischen der Massentötung von Juden und der Bekämpfung von Partisanen darf uns keinesfalls veranlassen, die Ausrottung der Juden in den besetzten sowjetischen Gebieten als Teil des Partisanenkrieges zu rechtfertigen Die gewaltige Diskrepanz zwischen den Zahlen getöteter Juden und Partisanen/Kommunisten in den „Ereignismeldungen UdSSR" sowie die „verbrecherischen Befehle" der Wehrmacht-führung und die Weisungen an die Einsatzgruppen belegen, daß der rassenideologische Vernichtungskrieg gegen den „jüdischen Bolschewismus" schon vor Kriegsbeginn als integraler Bestandteil des Ostfeldzuges angesehen wurde. Der Aufruf Stalins vom 3. Juli 1941 bot Hitler allerdings die Möglichkeit, diese beiden Seiten des Vernichtungskrieges dem Ostheer gegenüber psychologisch einleuchtend zu rechtfertigen. Die Heeresführung erneuerte am 25. Juli 1941 unter der Devise der „unbedingten Sicherheit für den deutschen Soldaten" die rigorosen Befehle zur Behandlung der sowjetischen Zivilbevölkerung und der sowjetischen Kriegsgefangenen und wies wieder einmal auf den „jüdisch-bolschewistischen" Charakter des Sowjetsystems hin Schon in Polen war das Heer mit äußerster Strenge gegen „Freischärler" vorgegangen, aber erst im Krieg gegen die Sowjetunion wurde die „Beseitigung jeden aktiven und passiven Widerstandes" ideologisch untermauert Juden und Kommunisten wurden in der Regel von vorherein verdächtigt, Partisanen zu sein und deshalb erschossen. Auch versprengte sowjetische Soldaten wurden von einem gebietsweise unterschiedlich festgesetzten Zeitpunkt an als Freischärler angesehen und erschossen.
Die gewaltige Diskrepanz zwischen den Zahlen getöteter Freischärler und den eigenen Verlusten in den Berichten der eingesetzten Sicherungskräfte und der Geheimen Feldpolizei des Heeres macht den ideologischen Hintergrund unübersehbar. So wurden im Bereich des Wehrmachtkommandanten in Weißrußland innerhalb eines Monats von 10 940 Gefangenen 10 431 erschossen, an Verlusten erlitt die 707. Infanteriedivision bei Kampfhandlungen mit Partisanen aber nur zwei Tote und fünf Verwundete So meldete die Geheime Feldpolizei im rückwärtigen Heeresgebiet Süd als Ergebnis der Partisanenbekämpfung für die Monate Oktober bis Dezember 1941: 4 150 Personen (Freischärler, Saboteure, Fallschirmspringer) erschossen bei 7 Toten und 5 Verwundeten eigener Verluste Diese Praxis kam der Devise Hitlers vom 16. Juli 1941 zur Befriedung der Ostgebiete, jeden zu erschießen, „der nur schief schaue", sehr nahe.
Zusammenfassung
Im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion vermengten sich militärische Kriegführung und politisch-polizeiliche Maßnahmen. Diese wurden zwar in der Hauptsache von der SS durchgeführt, aber auch vom Heer. Pauschale Entlastungen des Heeres sind ebensowenig hilfreich für die Bewältigung dieses Kapitels der deutschen Geschichte wie pauschale Verurteilungen. Läßt sich wirklich eine Grenze ziehen zwischen der bewußten Abkehr vom Kriegsvölkerrecht durch das Heer und dem organisierten Massenmord an den sowjetischen Juden durch die SS, wie Hillgruber gemeint hat 3 Quantität ist keine moralische Kategorie. Im Gegensatz zu ihrer Haltung im Herbst 1939, das Heer aus der antipolnischen „Flurbereinigung" herauszuhalten, gegen die geplante Ausrottungspolitik der SS aber nicht Front zu machen, war die Wehrmachtführung im Frühjahr 1941 bereit, den weltanschaulichen Kampf gegen den „jüdischen Bolschewismus“ mitzutragen und Hitlers Intentionen in Befehle umzusetzen. Als Erklärung für die Haltung der Generalität reicht ein verabsolutiertes Gehorsamsprinzip oder Mangel an Zivilcourage keineswegs aus. Ebenso vordergründig sind die zeitgenössischen Charakterisierungen: „Militärtechniker" (H. v. Moltke) oder „hoffnungsvolle Feldwebel“ (U. v. Hassell).
Das Verhältnis von Heer und Hitler war auch von einer „Teilidentität der Ziele" bestimmt aus der heraus eine Kooperation im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion erwuchs. Die Auffassung Henning von Tresckows, „wenn Völkerrecht gebrochen wird, sollen es die Russen tun, nicht wir", war eben nicht mehr Allgemeingut im Offizierkorps. Deshalb konnte Hitler in seiner Rede am 30. März 1941 auch offen wesentliche kriegsvölkerrechtliche Normen außer Kraft setzen, ohne daß ihm die Generalität geschlossen den Gehorsam aufkündigte. Der 30. März 1941 konnte gar nicht mehr die „Stunde der letzten Entscheidung" sein, weil schon 1938 die Voraussetzungen für ein von einem gesamtpolitischen Verantwortungsbewußtsein und Gruppenethos bestimmtes Aufbegehren gegen den „Führer" nicht mehr gegeben waren geschweige denn Anfang 1941. Viele Offiziere nahmen Hitlers Anregung vom 30. März 1941 auf und betrachteten sich als Führer im Kampf gegen die antagonistische Weltanschauung. Auch Gegner des Nationalsozialismus wie Hoepner, Stülpnagel und Stauffenberg wußten diese Haltung durchaus mit einem militanten Antikommunismus zu verbinden. Ein großer Teil der Offiziere zog sich auf den Standpunkt des formalen Gehorsams zurück und hielt sich von Ausrottungspraktiken fern. Einige setzten sich für eine Änderung dieser Ziele und Methoden ein, weil sie dadurch den militärischen Sieg über die Sowjetunion gefährdet sahen. Solange aber Hitler den Kurs des Dritten Reiches bestimmte und das Offizierkorps gehorchte, war eine grundlegende Änderung der Kriegführung und der Behandlung der Sowjet-bürger in und ohne Uniform nicht zu erreichen. Es ist schwierig, mit der nüchternen Sprache des Historikers dem Ausmaß der moralischen Schuld und den Millionen Opfern gerecht zu werden.