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Überlegungen zur Entspannung in einer pluralistischen Welt | APuZ 32/1980 | bpb.de

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APuZ 32/1980 Thesen zu einer europäischen Friedensordnung 1990 Überlegungen zur Entspannung in einer pluralistischen Welt Rüstungskontrolle in der Dritten Welt

Überlegungen zur Entspannung in einer pluralistischen Welt

Eberhard Schneider

/ 40 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

So wie die Entspannungstheorie des Ostens vom ideologisch bestimmten gesellschaftlichen Selbstverständnis ausgeht — Übertragung des innergesellschaftlichen Klassenkampf-modells im Rahmen der Theorie der „friedlichen Koexistenz" auf die gesamte Welt —, knüpft der Verfasser methodisch am pluralistischen Gesellschaftsverständnis des Westens an und versucht, dieses analog in einen globalen Maßstab zu transponieren. Dabei ergeben sich theoretisch-normative Überlegungen mit praktisch-politischen Konsequenzen. Der Frieden wird in seiner Minimaldefinition als Gewaltlosigkeit, inhaltlich als Gerechtigkeit und Freiheit bestimmt. Er kann nur in Balance zwischen diesen seinen Partialwerten verwirklicht werden. Die Annäherung der unterschiedlichen Vorstellungen von Gerechtigkeit und Freiheit in bezug auf Staaten und deren Bürger kann nur durch ständigen konstruktiven Dialog zu erreichen versucht werden. Erste Grundübereinstimmungen der KSZE-Teilnehmerstaaten auf diesem Gebiet konnten in der Schlußakte von Helsinki fixiert werden. Eine pluralistische Weltgesellschaft lebt aus den Spannungen zwischen heterogenen Systemen und ist somit angelegt auf Konflikt. Konsens als Prozeß kann der Schaffung von Möglichkeiten einer geregelten Konfliktaustragung dienen, beispielsweise die KSZE-Fol-getreffen. Der Konflikt wird dadurch weder beseitigt noch gelöst, doch durch seine geregelte Austragung werden Ergebnisse geschaffen, die dann wiederum in den Prozeß der Konsensbildung einfließen. Ausgehend von theoretisch-normativen Überlegungen werden praktisch-politische Konsequenzen zu einem Katalog von Elementen der Entspannung zusammengefaßt. Dabei schließt der Autor zuerst aus, was Entspannung nicht ist: ein erreichter statischer Zustand, Aufhebung des Ost-West-Gegensatzes und der Systemkonkurrenz, Spannungs-und Konfliktlosigkeit, Annäherung der Systeme unter allmählicher Aufgabe der Systemidentität, Streben nach Erringung des Sieges des einen über das jeweils andere System mit nicht-militärischen Mitteln. Entspannung wird vielmehr verstanden als ein Prozeß, der weder geographisch noch inhaltlich eingeschränkt werden darf. Seine Elemente werden im einzelnen vorgestellt.

Die Diskussion über die Ost-West-Beziehungen seit dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan sowie über den sich seit der Unterzeichnung der Schlußakte von Helsinki vollziehenden widerspruchsvollen KSZE-Pro-

seiner ersten in -mit Zwischenbilanz zeß Bel grad sind Veranlassung, zur Entspannungspolitik einige grundsätzliche Überlegungen festzuhalten.

Es ist nicht zu übersehen, daß die Entspannungspolitik auf manchen Gebieten an eine prinzipielle Grenze stößt: die substantielle Gefährdung östlicher politischer Systeme. Das allmähliche Deutlichwerden gegensätzlicher Entspannungserwartungen hat zu Desillusionierung geführt. Ein unrealistischer Entspannungsbegriff, der Entspannung als einen völlig spannungsfreien und konfliktlosen Zustand begreift bzw. als ein Vorhaben, das auf das Austragen von Konflikten in der Hoffnung auf ihre spätere Lösung verzichtet, ist die Ursache mancher Enttäuschungen. Im folgenden ist zu fragen, welche Zielsetzungen vom Westen im

Rahmen des Entspannungsprozesses vernünftigerweise anzustreben sind.

Bei der Aufstellung von realistischen Entspannungszielen darf nicht übersehen werden, daß auf der Basis Übereinstimmung westlicher in den Grundsätzen der Entspannungspolitik jeder Staat seine spezifischen Interessen auch auf dem Gebiet der Entspannung verfolgt. So wird das Entspannungsinteresse der Bundesrepublik Deutschland auf Grund der komplizierten deutschen Situation und ihrer exponierten geographischen Lage ein unmittelbares und breiter gefächertes sein als das anderer westlicher Länder. Die USA wiederumverfolgen auf dem Gebiet der strategischen Rüstung ein existentielles Entspannungsinteresse, dessen Erfüllung die Bedingung der Möglichkeit für Entspannungsfortschritte auf anderen Gebieten ist Die im folgenden vorgestellten Entspannungsbegriffe sind weder alle identisch noch voll vergleichbar. Sie verdeutlichen vielmehr die Vielschichtigkeit und Pluralität von Entspannungsvorstellungen. Der Autor erhebt keinen Anspruch auf Systematik und Vollständigkeit.

I. Entspannungskonzepte westlicher Politiker

Ausgelöst durch den Mauerbau am 13. August 1961 in Berlin wurden deutscherseits grundsätzliche Überlegungen über eine realistischere und aussichtsreichere Politik gegenüber der DDR und den übrigen mittel-und osteuropäischen Ländern angestellt. In seinem berühmt gewordenen Referat in der Evangelischen Akademie in Tutzing am 15. Juli 1963 ging der damalige Leiter des Presse-und Informationsamtes des Landes Berlin und heutige SPD-Bundesgeschäftsführer, Egon Bahr, von der Grundthese aus, daß die kommunistische Herrschaft nicht beseitigt, sondern verändert werden solle. Die angestrebte Änderung des Ost-West-Verhältnisses diene der Überwindung des Status quo, indem der Status quo zunächst nicht verändert werden solle; auch die Interessen der anderen Seite seien anzuerkennen und zu berücksichtigen. Bahr leitete daraus für das deutsch-deutsche Verhältnis — analog übertragbar auf die Beziehungen zu ganz Osteuropa — eine Politik mit „vielen Schritten und vielen Stationen" ab, um einen „Wandel durch Annäherung" herbeizuführen

Das Entspannungskonzept, das der SPD-Vorsitzende und ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt vertritt, ist dualistisch: Zum einen versteht er Entspannung als Prozeß mit den Pha-sen „gegenseitige Annäherung, Verständigung und Zusammenarbeit in allen Bereichen der zwischenstaatlichen Beziehungen" Das Fernziel der Entspannung, das Brandt durch Entspannung als Mittel erreichen möchte, ist die Schaffung einer europäischen Friedensordnung: „Ein umfassender Ausgleich wird erst zu erreichen sein, wenn West und Ost sich über die Grundlagen einer dauerhaften Friedensordnung für unseren Kontinent verständigen." Diese europäische Friedensordnung würde den „Kalten Krieg und die politischen Spannungen wirklich überwinden". Man solle sie sich nicht so vorstellen, als ob einfach nur zu beseitigen wäre, was der Zweite Weltkrieg hinterlassen habe. „Die europäische Friedensordnung müßte Grenzen einebnen und neue Formen der Zusammenarbeit möglich machen. Zu ihr müßte deshalb beispielsweise auch ein europäisches Volksgruppenrecht gehören. Sie Menschenrechte nicht müßte die nur deklarieren, sondern auf wesentlichen Gebieten praktizieren. Eine europäische Friedensordnung bedeutet schließlich auch einen wirtschaftlichen Verbund, das heißt, über bilaterale Handelsverbindungen zwischen Ost und West würden und COMECON hinaus in eine sinnvolle Verbindung zu bringen seien." Zugleich bilde die europäische Friedensordnung das Konzept, das die deutsche Frage in den europäischen Zusammenhang einordne, denn sie werde auch ein vereinigtes Deutschland einschließen

Weniger visionär betrachtet Bundeskanzler Helmut Schmidt die Entspannung. Die Aufgaben einer weltweiten Entspannung sind:

— Normalisierung und Aussöhnung, — Abbau politischer Gegensätze — keine gegenseitige Abschottung, — aufeinander zubewegen der Beteiligten

Hans-Jürgen Wischnewski, Stellvertretender SPD-Vorsitzender, konkretisierte in seiner damaligen Eigenschaft als Staatsminister im Bundeskanzleramt die Entspannungsgrundsätze weiter:

— Förderung des europäischen Einigungsprozesses und die Kräftigung der atlantischen Partnerschaft, — Streben nach nationaler Einheit und Freiheit im Rahmen einer europäischen Friedensordnung, — Aufrechterhaltung der Bindungen zu Berlin ohne Beeinträchtigung der Verantwortung der Vier Mächte für Berlin, — Respektierung der Rechte und Verantwortlichkeiten, welche die Vier Mächte in bezug auf Deutschland als Ganzes und Berlin besitzen

Den Prozeßcharakter der Entspannung betont der FDP-Vorsitzende und Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher. Der Entspannungsprozeß unterliege der Geschichte. Er schreibe den Status quo nicht auf ewig fest, sondern halte „dynamisch die Möglichkeit neuer Entwicklungen" offen. Das schließe für die Bundesrepublik Deutschland sowohl die Möglichkeit der deutschen Einheit als auch die Vollendung der europäischen Einigung ein. Dabei gehe es um die Zügelung der Ost-West-Rivalität und die Verbreitung des Feldes gemeinsamer Interessen von Ost und West. Auf die Dauer solle die Entspannung auch den ideologischen Gegensatz entschärfen und damit „auf lange Frist zu einem wirklich stabilen Neben-und Miteinander" führen.

Der Bundesaußenminister geht davon aus, daß eine realistisch geführte Entspannungspolitik keinen „plötzlichen Durchbruch, keine heile Welt" verspricht. wJa, sie verspricht nicht einmal einen gradlinigen, von Rückschlägen freien Fortschritt. Ihre unmittelbaren Ziele sind bescheiden: Sie will, wo immer möglich, die Beziehungen verbessern, sie will vermeidbare Konflikte vermeiden, und sie will unausweichlichen Konflikten nicht ausweichen, wohl aber versuchen, sie durch Diplomatie zu dämpfen, statt durch Konfrontationsgehabe zu massiven Krisen aufzupeitschen." Die Entspannungspolitik sei schließlich eine komplexe und schwierige Politik, weil sie zwei Ziele zugleich und mit gleicher Energie verfolgen müsse: das Ziel, ein „stabiles Verhältnis zwischen Ost und West herzustellen", und das Ziel, den „Expansionsdrang der sowjetischen Weltmacht einzudämmen". Genscher folgert: „Entspannungspolitik muß also mit der beharrlichen Bemühung um kooperative Lösungen den unbeugsamen Willen zur Verteidigung vereinen.. ."

Den Entspannungsbegriff der Opposition legte der heutige Bundespräsident Karl Carstens am 13. Dezember 1973 in seiner damaligen Eigenschaft als Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Deutschen Bundestag dar. Zu den Anforderungen, welche die CDU/CSU an die Entspannung stellt, gehören

1. Ausgewogenheit, 2. Offenhaltung der deutschen Frage und kraftvolles Eintreten für das Selbstbestimmungsrecht und für die deutsche Einheit, 3. Streben nach mehr Menschenrechten und mehr menschlicher Freiheit, 4. Einbeziehung West-Berlins in die Entspannungspolitik, 5. Priorität des NATO-Bündnisses und der westeuropäischen Einigung

Für Olaf von Wrangel (CDU), Stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschusses für innerdeutsche Beziehungen, kann Entspannungspolitik nur bedeuten, die Ursachen der Spannungen zu beseitigen Und Alois Mertes, abrüstungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, strebt schließlich nach einer „Entspannung in der Substanz und nicht nur in den Formeln“

Der vom ehemaligen amerikanischen Außenminister Henry Kissinger vor dem Außenpolitischen Ausschuß des Senats am 19. September 1974 dargelegte Entspannungsbegriff ist global. Entspannung ist für ihn die „Suche nach einem konstruktiven Verhältnis zur Sowjetunion, das die Realitäten widerspiegelt". Es handele sich um einen fortlaufenden Prozeß und nicht um einen Endzustand, der zu irgendeinem bestimmten Zeitpunkt erreicht worden sei oder erreicht werden könne. „Im heutigen Zeitalter könnte die Menschheit von einem internationalen wirtschaftlichen und politischen Chaos in ebenso starkem Maße bedroht sein wie durch die Gefahr eines Krieges. Diese beiden Katastrophen zu vermeiden, erfordert den Aufbau einer Weltordnung, die sich auf Zusammenarbeit gründet, für die wiederum verbesserte Ost-West-Beziehungen die entscheidende Voraussetzung darstellen." Für die Gestaltung der Beziehungen der USA zur UdSSR erklärte Kissinger das sowjetische Verantwortungsbewußtsein in der internationalen Politik zum Hauptkriterium. Die von ihm vorgetragene Entspannungsagenda der USA für die Zukunft lautete:

„— Der Wettstreit auf militärischem Gebiet muß in allen seinen Aspekten von beiden Seiten zunehmend strengeren Beschränkungen unterworfen werden.

— Der Wettstreit auf politischem Gebiet muß, besonders in Augenblicken der Krise, den Prinzipien der Zurückhaltung unterworfen werden ... Krisen wird es immer geben, aber die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion tragen besondere Verpflichtungen, die sich aus der unvorstellbar großen Macht herleiten, über die sie verfügen und sie repräsentieren. Eine Ausbeutung von Krisensituationen zur Erlangung einseitiger Vorteile ist unannehmbar.

— Die Zurückhaltung in Krisensituationen muß durch die Zusammenarbeit bei der Beseitigung ihrer Ursachen verstärkt werden. Es hat sich schon allzuoft gezeigt, besonders im Nahen Osten, daß die Politik einseitiger Vorteile früher oder später jeder Kontrolle entgleitet und bis an den Rand des Krieges, wenn nicht darüber hinaus, führt.

— Der Prozeß der Verhandlungen und Konsultationen muß weitergeführt und intensiviert werden. Keine Vereinbarung zwischen den nuklearen Supermächten kann jedochvon Dauer sein, wenn sie über die Köpfe der anderen Nationen hinweg getroffen wird, die ernsthaft davon berührt werden.“

Einen sich von Henry Kissinger unterscheidenden Entspannungsbegriff vertritt der amerikanische Präsident. Als Elemente einer sta-bilen und vom amerikanischen Volk unterstützten Politik der USA gegenüber der UdSSR fixierte Jimmy Carter am 7. Juni 1978 in seiner Rede vor Absolventen der Marine-Akademie in Annapolis (Maryland) ihre Gegenseitigkeit, die Vermeidung einer militärischen Vormachtstellung und das Bemühen um eine Gestaltung der Welt, die „stärker auf den Wunsch der Menschen überall nach wirtschaftlichem Wohlergehen, sozialer Gerechtigkeit, politischer Selbstbestimmung und den grundlegenden Menschenrechten eingeht". Die USA streben nach einer Welt des Friedens. „Aber in einer solchen Welt", so der amerikanische Präsident weiter, „muß die soziale, politische und ideologische Vielfalt wohnen. Nur dann kann es eine echte Zusammenarbeit unter Nationen und Kulturen geben."

Aus dem bisher Ausgeführten wird nicht nur die bei allen unterschiedlichen nationalen Sonderinteressen wechselseitige Verflechtung der westlichen Entspannungspolitik deutlich, sondern auch die enge Verbindung von politischer mit militärischer Entspannung.

Zwar kann die Entspannung in ihrer Anfangs-

phase auf politischem Gebiet einen Durchbruch erzielen. Ab einem gewissen Intensitätsgrad der erzielten Entspannung ist die politische Entspannung jedoch nicht mehr länger von der militärischen Entspannung (Rüstungskontrolle, Rüstungssteuerung, Abrüstung) ab-koppelbar, denn die verschiedenen Bereiche, die vom Entspannungsprozeß erfaßt werden, stehen nicht isoliert nebeneinander. Den dynamischen Entspannungsprozeß auf bestimmte Bereiche beschränken wollen, bedeutet, ihn insgesamt, auch in den Bereichen, in denen er sich bereits vollzieht, nicht vertiefen zu wollen. Wenn die militärische Entspannung dann nicht die politische Entspannung einholt, ist die Entspannungspolitik insgesamt gefährdet. So führte Willy Brandt in seiner Rede auf der Abrüstungskonferenz der Sozialistischen Internationale am 26. April 1978 in Helsinki aus: „Die Politik der Entspannung wird nicht von Dauer sein, wenn sie nicht durch wirksame Vereinbarungen im militärischen Bereich ergänzt und abgesichert wird. Ebenso aber bedarf eine erfolgreiche Politik der Rüstungskontrolle und des Rüstungsabbaus des soliden Fundaments einer konsequenten Entspannungspolitik." Ähnlich formulierte, wenn auch von unterschiedlichen Zielvorstellungen ausgehend, L. I. Breschnew in seinem Interview mit dem „Vorwärts": „Wir sind an einem Punkt angelangt, wo der politische Entspannungsprozeß praktisch mit dem militärischen Entspannungsprozeß verschmelzen muß." 14)

II. „Friedliche Koexistenz" als östliche Entspannungstheorie

Die östliche Entspannungstheorie der „friedlichen Koexistenz", die nicht im eigenen Herrschaftsbereich und für die Beziehungen zu den Ländern der Dritten Welt gilt, überträgt die ideologisch bedingte Gesellschaftsanalyse als Klassenkampf auf die gesamte Welt. Nur um dieses methodische Vorgehen zu verdeutlichen, soll die „friedliche Koexistenz" hier skizziert werden Die „friedliche Koexistenz" wird so als eine „besondere Form des Klassenkampfes zwischen Staaten unterschiedlicher Ordnung" definiert 16). Sie bedeutet Wettkampf des östlichen mit dem westlichen politi-sehen System auf allen nur denkbaren Gebieten mit Ausnahme der militärischen Auseinandersetzung. Durch das Element der Kooperation zum gegenseitigen Vorteil unterscheide sich die „friedliche Koexistenz" vom Kalten Krieg, wobei sich die Zusammenarbeit vor allem auf den wirtschaftlichen Bereich erstrecken soll.

Die Eigenart des Entspannungskonzepts der „friedlichen Koexistenz" besteht darin, daß ihr Ergebnis, die weltweite Ausbreitung des Sozialismus als Resultat unaufhaltsam wirkender historischer Gesetzmäßigkeiten, bereits vorgegeben ist. Das Prinzip der „friedlichen Koexistenz" steht nach östlicher Darlegung nicht im Widerspruch zum Marxismus-Leninismus, „da die Politik der sozialistischen Staaten gegenüber den kapitalistischen Staaten, die auf dem Prinzip der friedlichen Koexistenz beruht, zum Ziel hat, zur Entwicklung des revolutionären Weltprozesses, zur Entwicklung aller Formen des revolutionären Kampfes der Arbeiterklasse der kapitalistischen Länder für die Eroberung der Macht und die Errichtung der Diktatur des Proletariats beizutragen"

Es kann demnach nur noch darauf ankommen, die einzelnen taktischen Schritte in Richtung auf das historisch vorgegebene Ziel des weltweiten Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus und Kommunismus genau und richtig zu setzen, d. h. günstige Bedingungen für die Realisierung der Politik der „friedlichen Koexistenz" zu schaffen, indem das internationale Kräfteverhältnis (ökonomisch, militärisch, politisch, ideologisch usw.) weiter zugunsten des Sozialismus verschoben wird. Dabei ist wichtig, daß „friedliche Koexistenz" nicht bedeutet, daß die „sozialistischen Länder alle revolutionären Kräfte ruhig abwarten und zusehen, wie infolge der historischen Gesetzmäßigkeiten ein Land nach dem anderen vom Kapitalismus zum Sozialismus übergeht". Vielmehr begünstige die „friedliche Koexistenz"

III. Westliche Entspannungstheorien

Die Konvergenztheorie Die Konvergenztheorie geht davon aus, daß auf Grund der zunehmenden Industrialisierung und der wachsenden Bedeutung von Wissenschaft und Technik in den westlichen und östlichen Gesellschaften die Ähnlichkeiten zwischen ihnen zunehmen und die Unterschiede bzw. Gegensätze allmählich abnehmen. Die beiden Gesellschaften bewegen sich langsam aufeinander zu und gleichen sich gegenseitig an. Durch das Immer-ähnlicher-Werden schwindet der Abstand zwischen den Systemen. Die bisher gegensätzlichen sozioökonomischen Ordnungen werden sich dann im Laufe eines langen Prozesses in ein neues System gemischten Typs transformieren, das die positiven Elemente beider Systeme synthetisiert und deren negativen Bestandteile zurückläßt. Da das jeweils konträre System aufhört zu existieren, tritt ein völlig spannungsfreier, ein entspannter Zustand ein.

Im einzelnen soll nicht auf die verschiedenen Ausprägungsformen der Konvergenztheorie eingegangen werden, weder auf die mehr ökonomisch orientierte Variante von Jan Tinberdie Entwicklung der „revolutionären Prozesse in den kapitalistischen Ländern" sowie die „nationalen Befreiungsrevolutionen" in den kolonialen und abhängigen Ländern die der Osten auf vielfältige, sogar militärische Weise unterstützt.

Eng mit der „friedlichen Koexistenz" ist der „ideologische Kampf", die propagandistisch-polemische Auseinandersetzung des Ostens mit dem Westen, verbunden, nicht zuletzt, um der „friedlichen Koexistenz" weltweite Geltung zu verschaffen. Obwohl der Wettkampf der beiden Systeme im Rahmen der „friedlichen Koexistenz" auf allen Gebieten unter Vermeidung eines Krieges ausgetragen wird, soll der endgültige Sieg des Sozialismus über den Kapitalismus auf einem für letzteren ungünstigen Kampffeld errungen werden, auf das ihn der Weltsozialismus zwingen und auf dem er ihn niederringen will, auf dem Gebeit der Wirtschaft gen noch auf die soziologische Spielart von Pitirim Sorokin weder auf die sich in der Theorie der Wachstumsstadien niederschlagenden Überlegungen von Walt Rostow noch auf die differenzierten Konvergenzthesen von Raymond Aron und John Gal-braith oder auf die Konvergenztheorie mit marxistischem Ansatz von Herbert Marcuse Ebenfalls werden weder die kritischen westlichen Stellungnahmen von Zbigniew Brzezinski, Samuel Huntington und Karl Thalheim 26) noch die östliche kategorische Ablehnung der Konvergenztheorie durch Herbert Meissner und Günther Rose 27) behandelt 28).

An dieser Stelle soll nur darauf hingewiesen werden, daß die Ähnlichkeit der gesellschaftlichen Strukturen moderner verstädteter Industriegesellschaften und die Gleichheit der Technologien nicht die gegensätzlichen allgemeinen politischen wie speziell gesellschaftspolitischen Grundlagen und Zielsetzungen überdecken können. Jedes Wirtschaftssystem, um dasjenige Subsystem zu nennen, für das die Konvergenzthese vor allem formuliert wurde, wird seine Einseitigkeiten und Mängel zu korrigieren versuchen, indem es erprobte Lösungsmöglichkeiten des jeweils anderen Systems im Zuge eines komplementären Reformprozesses übernimmt. Solche Reformelemente werden in das eigene System integriert und verlieren so ihren Fremdcharakter. Denn ab einer gewissen Quantität führen übernommene nichtintegrierte Fremdelemente zu einer Transformation des bestehenden Systems, was für die herrschenden politischen Eliten Machtverlust bedeutet, den sie nicht freiwillig zu leisten bereit sein werden. Die dem jeweils anderen System entlehnten und organisch in das eigene System eingeführten Elemente werden zu dauernden Bestandteilen des so reformierten Systems, sie stabilisieren und verbessern es, gestalten es effektiver wie flexibler und entwicklen es systemkonform weiter.

Dies wird zwar zu einer gewissen Verringe-rung des Abstandes zwischen beiden Systemen, jedoch nicht zu ihrer Vermischung führen. Der Funktionalismus Während die Konvergenztheoretiker den Abbau von Spannungen vom Aufeinanderzubewegen bis hin zum Verschmelzen der Systeme erwarten, gehen die Funktionalisten von der Fortexistenz der Systeme aus. Sie wollen zwischen den Staaten mit verschiedenen Gesellschaftsordnungen ein Netz von Beziehungen auf möglichst vielen Gebieten [Wirtschaft, Technik, Wissenschaft, Kultur u. ä.) knüpfen, um so, wenn eine Lösung der spannungsverursachenden politischen Probleme auf direktem Wege nicht möglich ist, durch Zusammenarbeit die Entspannung funktional zu fördern. Dem Funktionalismus liegt die These zugrunde, daß ab einer gewissen Intensität der kooperativen Beziehungen diese nicht mehr rückgängig gemacht werden können, weil die durch die Kooperation entstandenen wechselseitigen Abhängigkeiten einen solchen Grad erreicht haben, daß die Unterbrechung der Zusammenarbeit durch einen kriegerischen Konflikt beiden Seiten größeren Schaden zufügen wird, als ein möglicher militärischer Sieg Nutzen verspricht.

Die unterschiedlichen Akzentuierungen der frühen funktionalistischen Theorie von David Mitrany und des neofunktionalistischen Ansatzes von Ernst Haas können hier nicht ausgeführt werden So viel auch auf den ersten Blick angesichts der Zählebigkeit des Systemgegensatzes trotz intensivierter Kooperation für eine funktionalistische Betrachtungsweise des Ost-West-Verhältnisses sprechen mag, so ist doch bei nüchterner Prüfung festzustellen, daß die Entspannungstheorie des Funktionalismus von einer illusionären Überschätzung der spannungsabbauenden Funktion der Zusammenarbeit ausgeht. Es ist keinesfalls zu leugnen, daß Zusammenarbeit Spannungen mindern hilft und daß der Handel nicht selten in der Geschichte den Weg für ein politisches Sich-näher-Kommen bereitet hat. Die politische Reichweite des Kooperationsinstruments bleibt begrenzt. Egbert Jahn ist zu-zustimmen: „Anscheinend nicht-politische Beziehungen — technische, wirtschaftliche, sportliche, wissenschaftliche usw. — können keine größere friedensfördernde Wirkung entfalten, als es beabsichtigt ist. Dies wird auch in der Tatsache sichtbar, daß der Spiel-raum für , nicht-politische'Zusammenarbeit in aller Regel in seiner Substanz durch sorgfäl. tige Entscheidungen festgelegt und einge. grenzt wird." Wenn der politische Wille es erforderte, ist bisher eine auch noch so eng verflochtene Zusammenarbeit zwischen Staaten, selbst wenn sie miteinander integriertwaren, immer zerstört worden.

IV. Die Entspannungsproblematik in einer pluralistischen Welt

Theoretisch-normative Überlegungen So wie die Entspannungstheorie des Ostens vom ideologisch bestimmten gesellschaftlichen Selbstverständnis ausgeht — Übertragung des innergesellschaftlichen Klassenkampfmodells im Rahmen der Theorie der „friedlichen Koexistenz" auf die gesamte Welt —, wird hier am westlichen pluralistischen Gesellschaftsverständnis angeknüpft und dieses analog im globalen Maßstab gedacht, um Möglichkeiten und Grenzen für eine Politik der Entspannung zu erkennen. a) Pluralistische Weltgesellschaft Der innergesellschaftliche Pluralismus rechtfertigt einerseits die Existenz gesellschaftlicher Vielfalt und ihrer verschiedenen Ausprägungen in der politischen Willensbildung. Auf der anderen Seite wird er zum eminenten Bedürfnis, solange nirgendwo auf der Welt eine homogene Gesellschaft der totalen Gleichheit existiert bzw. diese totale Gleichheit von der Mehrheit der potentiell von ihr Betroffenen als ein mit der menschlichen Natur zu vereinbarender Wert angestrebt wird. Vielmehr gilt umgekehrt, daß sich die persönliche Freiheit am besten in einer pluralistischen Gesellschaft garantieren läßt.

Im Weltmaßstab, so konstatierte Henry Kissinger nüchtern, gehen die beiden „Haupt-Nuklearmächte", so sehr sie auf manchen Ebenen ihrer Beziehungen in Konkurrenz zueinander stehen, in ihrer Politik von der Prämisse aus, daß „keine von ihnen erwarten kann, der anderen ihren Willen aufzwingen zu können, ohne ein untragbares Risiko einzugehen" Diese bestehenden Machtrealitäten legen die Übertragung des Pluralismusverständnisses von der einzelgesellschaftlichen auf die globale Ebene nahe, wobei generell zu fragen ist, ob nicht das Bekenntnis zu innergesellschaftlicher Pluralität nur dann überzeugend und dauerhaft sein kann, wenn es eine globale Dimension erhält. Es ist ferner zu überlegen, ob nicht, in Parallelität zur innergesellschaftlichen Freiheitsgarantie durch Pluralismus, eine pluralistische Welt den Staaten prinzipiell eher den notwendigen Freiheitsspielraum schafft als globale Uniformität. Weltweit betrachtet bedeutet Pluralismus nach der Definition des amerikanischen Sicherheitsberaters Zbigniew Brzezinski „Verschiedenartigkeit und nicht den Marsch in eine homogene Welt, die nur auf einem einzigen ideologischen Modell beruht"

Die sachliche Berechtigung für die analoge Übertragung innergesellschaftlicher Theorieprinzipien auf die Weltgesellschaft leitet sich aus dem Verständnis von Gesellschaft ab. Wenn Gesellschaft soziologisch vorhanden ist sobald der Faktor der gegenseitigen Bewußtheit vorliegt, so ist dieser Tatbestand auch in globalem Maßstab gegeben.

Die Weltgesellschaft ist über ein Mindestmaß an gegenseitiger Bewußtheit hinausgewachsen, indem sie als Ausdruck globaler Interdependenz nicht nur internationale Aktionen durchführt, sondern sich sogar internationale Organisationen und Institutionen geschaffen hat. Die Besonderheit der Weltgesellschaftbesteht darin, daß ihr ein wesentliches Element der nationalen Gesellschaft, die Begrenzung nach außen, fehlt. Sie steht dem Problem der Begrenzung nach innen gegenüber Wenn es aus diesem Grunde und wegen des ver-schiedenen historischen Werdeganges von Weltgesellschaft und Staatsgewalt nicht möglich ist, die Weltgesellschaft nach Analogie des Staates zu analysieren, so bietet sich als dem Staat nächstliegender Analogiegegenstand die Gesellschaft an. Gesellschaft und Staat sind zwar eng miteinander verknüpft, doch nicht untereinander identisch, so daß die Analogieschwierigkeiten beim Vergleich der Weltgesellschaft mit der einzelstaatlichen Gesellschaft geringer sein dürften als bei ihrer Analogsetzung mit dem Staat.

Die Pluralität der Weltgesellschaft drückt sich in zweifacher Hinsicht aus: formal in der Existenz unterschiedlich großer und mächtiger Staaten und inhaltlich in den unterschiedlichen Wertvorstellungen, auf denen die verschiedenen politischen Systeme beruhen. Der Pluralismus selbst stellt keine umfassende Gesellschaftskonzeption dar Sein Sinn liegt laut Definition nur darin, Raum für verschiedene Antworten zu lassen, was in kontradiktorischem Gegensatz zur Annahme von historischen Gesetzmäßigkeiten steht. Die unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Antworten setzen als Möglichkeitsbedingung für Pluralismus einen übergreifenden, möglicherweise nicht von allen reflektierten Minimal-konsens darüber voraus, diesen Raum für unterschiedliche Antworten zu erhalten. b) Frieden als globales Gemeingut In einer pluralistischen Gesellschaft stößt die legitime freie, auch intensive Interessenvertretung an ihre Grenzen, wenn diese Interessenvertretung auf Kosten des Zusammenhalts der Gesellschaft insgesamt geht. Daraus resultiert die Notwendigkeit eines von möglichst vielen anerkannten Minimalkonsens’ einer pluralistischen Gesellschaft. Dieser Minimal-konsens stellt einen inhaltlichen Wert dar, auf den sich eine sonst divergierende Gesellschaft einigen kann. Als Minimalkonsens einer pluralistisch verstandenen Weltgesellschaft verhindert der Frieden ihre partielle oder totale Existenzgefährdung. Denn, wie Henry Kissinger es paradox formulierte: „Wenn der Frieden ohne Rücksicht auf jedes andere Ziel angestrebt wird, dann werden andere Werte aufs Spiel gesetzt und vielleicht geopfert. Wenn aber unbeschränkte Rivalität zu einem nuklearen Konflikt führt, dann werden diese Werte mit allen anderen zusammen in der re-sultierenden Katastrophe vernichtet werden."

„Negativer Frieden"

Beim Friedensbegriff wird nach Johan Galtung zwischen dem negativ definierten Frieden, kurz „negativem Frieden", und dem positiv definierten Frieden, kurz „positivem Frieden", unterschieden. Unter dem „negativen Frieden" wird die Abwesenheit von Gewalt verstanden, sei es in Form des Krieges oder anderer organisierter kollektiver Gewaltanwendung. Der Ausdruck „negativer Frieden" soll den Zustand der Gewaltlosigkeit, vor allem des Nicht-Krieges, nicht abwerten. Nach dem Zerstörungsrausch des letzten Weltkrieges und den unvorstellbaren Ausmaßen eines atomaren Infernos hat die Menschheit den Zustand des Nicht-Krieges schätzen gelernt. Das Adjektiv „negativ" bei dieser Friedensdefinition bezieht sich auf den methodischen Weg, auf dem sie gewonnen wurde, nämlich durch Verneinung des Krieges. Die Abwesenheit eines Übels ist allein schon erstrebenswert. Mit dem „negativen Frieden" charakterisiert Johan Galtung den Frieden, den die „friedliche Koexistenz" anstrebt

„Positiver Frieden"

Der „positive Frieden" gibt sich mit dem als Gewaltlosigkeit definierten „negativen Frieden" nicht zufrieden, sondern füllt seinen Friedensbegriff inhaltlich. Der Schritt zum „positiven Frieden" ist erforderlich, denn auf Dauer wird der Zustand des „negativen Friedens" nur erhalten werden können, wenn der „positive Frieden" bewußt angestrebt wird. Die Weiterentwicklung des Friedensbegriffs über den reinen Nicht-Krieg hinaus soll außerdem verhindern, daß durch den Gebrauch eines verengten Friedensbegriffs die Erhaltung des jeweiligen gesellschaftlichen Status quo legitimiert wird, der nicht immer das widerspiegeln muß, was die Völker unter Frieden verstehen

Die inhaltliche Bestimmung des „positiven Friedens" wird nur ansatzweise versucht, um nicht durch eine zu enge inhaltliche Bindung pluralistisch-unterschiedliche Füllungen von vornherein auszuschließen. Thomas von Aquin beispielsweise definierte Frieden als „Werk der Gerechtigkeit" wodurch er u. a.

den prozessualen Charakter des Friedens betonte. Die Charta der Vereinten Nationen bestimmt als Hauptziel ihrer Tätigkeit, den Weltfrieden sowie die internationale Sicherheit zu wahren (Art. 1, Abs. 1) und die Gerechtigkeit nicht zu gefährden (Art. 2, Abs. 3). Dabei wird von der Weltorganisation die Friedenspflicht höher bewertet

Gerechtigkeit als Teilwert des globalen Gemeingutes Frieden muß in einen weltweiten Kontext gestellt werden. Subjekte der internationalen Ordnung sind zunächst die Staaten.

Die Gerechtigkeit läßt ihnen, ungeachtet ihrer Ungleichheit in bezug auf territoriale Größe, Bevölkerung, Naturressourcen usw., ein Mindestmaß an gleichen Rechten zukommen wie das Recht auf Existenz, das Recht auf Selbstbestimmung, das Recht auf Selbstverteidigung, das Recht auf einen verhältnismäßigen Anteil an der materiellen Wohlfahrt, welche im Falle einer Zusammenarbeit der Staaten zu erreichen möglich ist, sowie das Recht des Staates auf Schutz seiner Staatsangehörigen und ihres Eigentums im Ausland Die KSZE-Staaten verpflichten sich laut Schlußakte, insbesondere das Recht eines jeden Staates auf rechtliche Gleichheit zu achten (I. Prinzip des Prinzipienkatalogs). Als Inhaber von Rechten ist der Staat nur mediatisiertes Subjekt, denn er leitet die Rechtfertigung seiner Existenz aus den Existenz-und Lebensrechten seiner Bürger ab, die wiederum aus ihrer Menschenwürde resultieren. Auf Grund seiner Natur kommen dem Menschen bekanntlich gewisse Rechte zu und sind notwendig, um ihm ein seiner Würde entsprechendes Leben zu sichern. Nach der Schlußakte von Helsinki ergeben sich die zivilen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen sowie weitere, nicht näher bezeichnete Rechte und Freiheiten aus der „dem Menschen innewohnenden Würde". Das KSZE-Dokument bezeichnet ihre „wirksame Ausübung" für die freie und volle Entfaltung des Menschen als „wesentlich" und deren Achtung als „wesentlichen Faktor für den Frieden, die Gerechtigkeit und das Wohlergehen" (VII. Prinzip des Prinzipienkatalogs).

Den Menschenrechten liegt die Freiheit zu-gründe, denn die Menschenrechte wurzeln in der menschlichen Natur, die wesentlich durch die Freiheit bestimmt ist. Auf der staatlichen Ebene drückt sich die Freiheit, der zweite Teil-wert des „positiven Friedens", in der Freiheit zur Selbstbestimmung aus. Bezüglich des einzelnen Menschen sollen die Menschenrechte seine Freiheit als Freiheit von etwas und als Freiheit zu etwas schützen.

Die drei Teilwerte des Friedens: Gewaltlosigkeit („negativer" Frieden), Gerechtigkeit und Freiheit („positiver" Frieden) stehen in einem Verursachungs-, Ergänzungs-und Konkurrenzverhältnis zueinander So befindet sich der „negative" Frieden in einem Verursachungsverhältnis zum „positiven" Frieden, denn Gewaltlosigkeit ist die Voraussetzung für ein sinnvolles Bemühen um Gerechtigkeit und Freiheit. Gewalt zur Erlangung eines „positiven" Friedens einsetzen hieße, Gerechtigkeit und Freiheit mit einem Mittel anzustreben, das sie einschränkt bis aufhebt. Zum „negativen" Frieden befindet sich umgekehrt der „positive" Frieden in einem Ergänzungsverhältnis, denn erst durch ihn wird der Friedens-begriff inhaltlich bestimmt. Hinsichtlich des Konkurrenzverhältnisses der Teilwerte des „positiven" Friedens ist zu bedenken, daß die Überbetonung eines Teilwertes den Gesamtwert gefährdet. Wenn die Gerechtigkeit durch Überbewertung der Freiheit fundamental verletzt wird, indem die Ungleichheit, ganz gleich auf welchem Gebiet dominiert, dann sind auch Freiheit und somit der Frieden gefährdet. Und umgekehrt gilt: Bei Übergewichtung der Gerechtigkeit wird der Freiheitsspielraum immer enger, was ebenfalls friedensgefährdende Folgen haben kann. Der „positive" Frieden wird nur als Balance zwischen Gerechtigkeit und Freiheit zu verwirklichen sein. Eine weitergehende Definition des „positiven Friedens" widerspricht dem Pluralismusansatz. Die Annäherung der unterschiedlichen Vorstellungen von Gerechtigkeit und Freiheit kann nur durch ständigen konstruktiven Dialog zu erreichen versucht werden. c) Dialektik von Konflikt und Konsens Eine pluralistische Weltgesellschaft lebt aus den Spannungen zwischen heterogenen Systemen und verweist somit unabdingbar auf Konflikt. Daraus folgt jedoch keinesfalls, daß jede Konfliktsituation von einem pluralistischen Weltverständnis her notwendig zu rechtfertigen oder gar mit Bestandsgarantien zu versehen ist. Die pluralistisch verstandene Weltgesellschaft ist in dem Maße dynamisch, in dem das Streben nach mehr internationaler politischer und sozialer Gerechtigkeit seinen Raum hat.

Die mehr theoretische Gefahr bei einer einzel-gesellschaftlichen Betrachtung der Dialektik von Konsens und Konflikt, der übertriebene Konsens, der die Entscheidungsvarianten unzulässig verringert und schließlich zur politischen Erstarrung führt, ist auf internationaler Ebene nicht gegeben. Weltweit besteht eher die umgekehrte Gefahr, daß es bei Alleinbetonung des Konflikts nicht nur, wie im einzelgesellschaftlichen Bereich, zur Desintegration, sondern, angesichts der rüstungstechnischen Entwicklung, zum Untergang der Menschheit kommt. Das Problem besteht also im Ausbalancieren von Konsens und Konflikt, um das Dominieren eines Dialektikgliedes zu verhindern.

Der Dynamik einer einzelstaatlichen Gesellschaft wie auch der Weltgesellschaft wird Rechnung getragen, indem Konsens sowohl als Zustand als auch als Prozeß verstanden wird. So könnte der vorhandene globale Minimalkonsens über den Wert des Friedens — Konsens als Zustand — einen Prozeß weitergehender Konsensbildung auslösen, wie er beispielsweise in der KSZE-Schlußakte zum Ausdruck kommt. Konsens als Prozeß ist zugleich Ergebnis von Prozessen, denn er muß sich an die sich ständig ändernden Gegebenheiten einer Weltgesellschaft anpassen und sich artikulierende neue Interessen berücksichtigen. Er kann der Schaffung von Möglichkeiten einer geregelten Konfliktaustragung dienen, beispielsweise die KSZE-Folgetreffen, wobei der Konflikt erhalten bleibt. Der Konflikt produziert durch seine geregelte Austragung Ergebnisse, die in den Prozeß der Konsensbildung einfließen. Der Konflikt wird dabei nicht beseitigt oder gelöst, denn es handelt sich ja um eine pluralistisch verstandene Weltgesellschaft. Durch eine konstruktive Konfliktaustragung wird dagegen verhindert, daß die Konflikte dominieren und ihre Austragung destruktiv und total wird.

Praktisch-politische Konsequenzen a) Legitime Existenz der Systeme Ein pluralistisches Weltverständnis geht von der Fortexistenz unterschiedlicher politischer Systeme aus. Diese Fortexistenz wird nicht als unvermeidbares Übel betrachtet, sondern als legitim angesehen. Von Strategien zur gezielten Schwächung sowie Destabilisierung und von dem bewußten Ausnutzen innerer Krisen des anderen zum eigenen Vorteil ist dann Abstand zu nehmen. Alle praktischen Anstrengungen wie ideologische Ansprüche, aus dem Wettkampf der Systeme eines Tages doch als Sieger hervorzugehen, werden aufgegeben werden müssen.

Die Anerkennung der prinzipiell berechtigten Fortexistenz des jeweils anderen Systems verlangt die Respektierung seiner legitimen Interessen, nicht allein aus kompromißpolitischen Gründen, sondern als praktisch-politische Folgerung aus dem pluralistischen Verständnis der Weltgesellschaft. Diese Interessenrespektierung darf allerdings nicht auf Kosten der eigenen Bedürfnisse erfolgen und nicht zur Stärkung des anderen Systems beitragen, da die Systeme ja untereinander in einem Konkurrenzverhältnis stehen.

Die nicht nur macht-, sondern auch ideenpolitische Pluralität der Systeme bedarf der gegenseitigen Toleranz und somit vor allem der Absage an messianistische oder chiliastische Ideologien. Toleranz ist nicht mit Indifferenz zu verwechseln, sondern setzt gerade den Besitz eines festen eigenen Standpunktes voraus, um die andere Meinung als von der eigenen verschieden erkennen zu können. Toleranz anerkennt die Wahrheit als oberstes Erkenntniskriterium, wohl wissend, daß die Wirklichkeit zu komplex ist, als daß sie von nur einem ideellen und politischen Standpunkt aus voll erfaßt werden kann. Die Falschheit der Meinungen resultiert oft aus der Einseitigkeit ihrer Betrachtung der Wirklichkeit. Toleranz und die Respektierung der legitimen Interessen des jeweils anderen Systems schließen das interventionsfreie Werben für das eigene System nicht aus. Von einem nahezu optimal-demokratischen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen System geht unweigerlich ein Werbeeffekt aus, der auf weniger demokratisch entwickelte Systeme ausstrahlt. Dieser Impuls von unter Umständen beträchtlicher Wirkung beruht auf der Attraktivität der gefundenen Lösungen von Problemen, die, da hier das Ost-West-Verhältnis untersucht wird, zumindest für Industriegesellschaften typisch sind. Durch die Beschränkung allein auf die vorbildliche eigene Leistung, deren Attraktivität ausschließlich durch sich selbst begründet und nicht durch Ideologien überhöht wird, die zu-25 dem noch exportiert werden, erfolgt die Werbung ohne aktive Intervention (Intervention wird verstanden als Einengung der Souveränitätausübung durch gewaltsamen Druck Durch das Vertrauen auf den Effekt der Nachahmung eines Vorbildes könnte mittel-und langfristig eine Entwicklung des anderen Systems entsprechend der vorbildlichen Problemlösung begünstigt werden, über deren Ausmaß idealerweise jeweils die Bürger zu entscheiden hätten. b) Kräftegleichgewicht Die praktisch-politische Konsequenz der Anerkennung des Friedens, wenigsten in seiner negativ definierten Form der Gewaltlosigkeit, als globales Gemeingut ist der Gewaltverzicht, wie er in der Charta der Vereinten Nationen (Art. 2) und in der KSZE-Schlußakte fixiert ist. Das bisher bestehende weltweite „politische, strategische und militärische Gleichgewicht“ — wie Helmut Schmidt am 26. Mai 1978 auf der 10. Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen für Abrüstung in New York formulierte —, das uns bisher die Respektierung dieses Gewaltverzichts zumindest im zwischenstaatlichen Ost-West-Verhältnis garantiert hat, sollte in Ermangelung anderer ebenso wirksamer Instrumente gewahrt bleiben, und zwar so stabil und auf so niedrigem Niveau wie durch Verhandlungen erreichbar. Dabei gelte es, wie Willy Brandt am 26. April 1978 in Helsinki auf der Abrüstungstagung der Sozialistischen Internationale ausführte, schnell zu handeln, denn die rasch fortschreitende technologische Entwicklung werde es zunehmend schwieriger machen, wirksame Rüstungskontrollmechanismen zu vereinbaren. Die Politik drohe dabei den Wettlauf mit der Technik zu verlieren.

Bei der Bestimmung des Gleichgewichts rät Marshall Shulman davon ab, den Begriff der Parität zu eng zu fassen: „Wenn wir unter Parität Gleichheit in der Anzahl jeder Art von Waffensystemen verstehen, würden beide Seiten ihr militärisches Potential weiter ausbauen." In seiner bereits erwähnten New Yorker Rede betonte Helmut Schmidt, daß das militärische Gleichgewicht nicht notwendigerweise in totaler arithmetischer Identität bei allen Arten von Streitkräften und Waffen sich ausdrücken müsse. Die Parität müsse insgesamt sicherheitspolitisch hergestellt sein und von den Völkern psychologisch als solche verstanden und akzeptiert werden. Die Gleichgewichtspolitik dürfe sich ferner keineswegs auf den militärischen Bereich beschränken, sondern sei auch auf das außenpolitische, ökonomische und soziale Feld auszudehnen. Gleichgewicht sei auch keine einmalige, sondern vielmehr eine ständige Aufgabe, denn wirtschaftliche und soziale Veränderungen können Instabilität und damit neue Gefahren bewirken

Vor sinnlosen Rüstungsbemühungen warnte Jimmy Carter: „Keiner von uns (USA und UdSSR E. S.) sollte die Vorstellung hegen, daß er militärische Überlegenheit gewinnen oder daß irgendein vorübergehender militärischer Vorteil politisch ausgeschlachtet werden könne." Ähnlich formulierten Helmut Schmidt und Leonid I. Breschnew in der gemeinsamen deutsch-sowjetischen Deklaration vom 6. Mai 1978, zu der sich beide im gemeinsamen Kommuniqu 6 über den Besuch von Bundeskanzler Helmut Schmidt und Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher in Moskau am 30. Juni und l. Juli 1980 erneut bekannten: „Beide Seiten betrachten es als wichtig, daß niemand militärische Überlegenheit anstrebt Sie gehen davon aus, daß annähernde Gleichheit und Parität zur Gewährleistung der Verteidigung ausreichen." Um das militärische Gleichgewicht zusätzlich abzusichern und zu stabilisieren, sollten Anstrengungen unternommen werden, regionale militärische Un-gleichgewichte unter Wahrung des globalen militärischen Gleichgewichts allmählich abzubauen. Das Streben nach militärischer Parität, wobei außer quantitativen auch qualitative Gesichtspunkte in die Bemessung mit einzubeziehen sind, limitiert die Politik der Abschreckung, die wechselseitig betrieben den „negativen“ Frieden erhält. Da die Bedrohung durch die andere Seite keine akute, sondern eine potentielle und instrumentale ist, genügt die Bereitstellung des unerläßlichen militärischen Gegeninstrumentariums. c) Menschenrechte und Entspannung Der Stabilität des „negativen" Friedens dient das Streben nach dem durch Gerechtigkeit und Freiheit positiv definierten Frieden. Entspannung, so verstanden, kann sich nicht auf das Ost-West-Verhältnis beschränken, sondern hat geographisch — entsprechend ihrer inhaltlichen Unteilbarkeit — alle Länder, Regionen und Konfliktverhältnisse zu umfassen. Sie zielt auf die friedliche Schaffung internationaler politischer und sozialer Gerechtigkeit, die jegliche Formen von Kolonialismus, Neokolonialismus sowie Hegemonie ausschließt und einen verhältnismäßigen Anteil an materieller Wohlfahrt allen Völkern garantiert, der bei konstruktiver Zusammenarbeit der Staaten zu schaffen möglich ist. Der von Ost und West wie von den neutralen und nicht-paktgebundenen Ländern auf der KSZE ausgearbeitete Prinzipienkatalog, nach dem zu richten sie sich in Europa und Nordamerika verpflichtet haben, könnte als Maßstab für die Erringung ähnlicher Weltstandards dienen.

Freiheit, der andere Teilwert des Friedens, erfordert nicht nur die Respektierung des Selbstbestimmungsrechts der Völker, sondern auch die Beachtung der Rechte des einzelnen Menschen. Die Menschenrechte sind ein Wert in sich, sie besitzen weder einen abgeleiteten Wert noch haben sie instrumentale Funktion, vielleicht als neue taktische Waffe in einem raffinierter geführten antikommunistischen ideologischen Krieg. Es wäre unvernüftig und realitätsfern, die Fortsetzung der Entspannungspolitik der und unmittelbar von vollen Respektierung der Menschenrechte in Osteuropa abhängig zu machen. Indessen steht die Weiterführung der Entspannungspolitik ab einer gewissen Intensitätsstufe in einem unlösbaren Zusammenhang mit der Achtung der Menschenrechte, denn so die Früchte der Entspannung dem einzelnen Bürger unmittelbar zugute.

Trotz der Unterschiede zwischen den sozioökonomischen Systemen ist der ständige Dialog zwischen West und Ost über die Verwirklichung der Menschenrechte notwendig im Interesse derjenigen, für, welche die Menschenrechte erstritten werden sollen. Die Diskussion der Menschenrechte kann von Ost und West sinnvollerweise nur, wie Hildegard Hamm-Brücher (FDP), Staatsminister im Auswärtigen Amt, am 22. November 1978 auf der Versammlung der Westeuropäischen Union in Paris ausführte, „vom Boden der jeweiligen geistigen Grundeinstellung und unter Respektierung der ideologischen Positionen der anderen Seite geführt" werden -Eine Menschenrechtsdiskussion, die nur die eigene geistige Basis anerkennt, wird zum Selbstgespräch. Der Osten verwehrt dem Westen nicht sein Menschenrechtsverständnis, er lehnt es jedoch entschieden ab, das westliche Menschenrechtsverständnis zum allein verbindlichen erklären und ihm aufzwingen zu wollen Erfolgversprechender ist der Versuch, die Menschenrechte im Dialog mit den östlichen Systemen in deren strukturellem Rahmen realisieren zu wollen, nicht ohne oder gar gegen diese. Dabei muß allerdings deutlich werden, daß selbst unter Berücksichtigung der Belastbarkeit der politischen Systeme des Ostens der Dialog über Menschenrechte zu praktischen Ergebnissen führen muß.

Die in der KSZE-Schlußakte bekundete Verpflichtung, die Menschenrechte und Grundfreiheiten als „wesentlichen Faktor für den Frieden, die Gerechtigkeit und das Wohlergehen" zu achten (VII. Prinzip des KSZE-Prinzi-pienkatalogs), schließt den Dissens über dessen inhaltliche Ausprägung und über die sich daraus ergebenden praktischen Folgen nicht aus. Eine Verringerung dieses Dissens'ist dabei weniger durch den auch notwendigen theoretischen Disput zu erreichen, sondern eher durch den unpolemischen Dialog über vorhandene Möglichkeiten für eine Verbesserung der bestehenden Praxis.

Dem von östlicher Seite auf dem Belgrader KSZE-Folgetreffen lautstark erhobenen Vorwurf der Einmischung in die inneren -Angele genheiten, um die Beschuldigungen der westlichen und nicht-paktgebundenen Staaten abzuwehren, der Osten verletzte die in der KSZE-Schlußakte übernommene Verpflichtung der Gewährung der Menschenrechte, steht die Internationalisierung der Menschenrechte entgegen, die UNO-Charta, die durch die Menschenrechtsdeklarationen der Vereinten Nationen von 1948, die beiden Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen von 1966 und die KSZE-Schlußakte von 1975 vorgenommen wurde. Seit 1946 finden im Rahmen der UNO regelmäßig Debatten über die Einhaltung der Menschenrechte statt, an denen sich die osteuropäischen Länder beteiligen, ohne daß dies bisher als Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten betrachtet wurde. d) Geregelte Konfliktaustragung Krisensteuerung Eine Entspannungspolitik, die von einem pluralistischen Weltverständnis ausgeht, anerkennt prinzipiell die Existenz von Konflikten.

Sie bejaht den allen akuten Ost-West-Konflikten letztlich zugrunde liegenden strukturellen Fundamentalkonflikt zwischen beiden Systemen, nicht als „lebensgefährliche Bedrohung der eigenen politischen Existenz", sondern als eine die „Lebenskraft steigernde permanente Herausforderung und produktive Kritik der eigenen gesellschaftlichen Existenz" Die Entspannungsbemühungen haben sich demnach zuerst darauf zu richten zu verhindern, daß die Konfliktelemente auf Dauer auf allen politischen Ebenen und in allen geographischen Regionen die Konsenselemente überlagern. Stets wird jedoch die Möglichkeit einzukalkulieren sein, daß zeitlich und räumlich begrenzt die Konfrontation die politische Situation bestimmt.

Um ein Dominieren des Konflikts in Span-nungssitutionen und somit das Abbrechen jeglichen Konsens’ zu vermeiden, ist bei akuten krisenträchtigen Konfrontationen Crisis Management (Krisensteuerung) erforderlich. Denn, wie Helmut Schmidt vor den Vereinten Nationen ausführte, können selbst bei beiderseitigem guten Willen zu Gleichgewicht und Entspannung unvorhergesehene Konflikte krisenhafte Gefahren auslösen. Der Bundeskanzler einem erfolgreichen forderte Crisis Management den politischen Willen — „Provokationen zu vermeiden", — „die eigenen Optionen unmißverständlich zu machen", — „gefährliche Situationen durch Kompromißbereitschaft zu entschärfen" und — „den Beteiligten die Wahrung ihres Gesichtes zu ermöglichen".

Das Risiko akuter Krisen werde durch größere „Berechenbarkeit des politischen und militäri-sehen Verhaltens“ der Beteiligten geringer, was wiederum Offenheit und mehr Transparenz der militärischen und rüstungswirtschaftlichen Machtmittel erfordere

Zu berücksichtigen ist auch, daß die Entspannungspolitik, je weiter sie vordringt, zur Verringerung großer Konfrontationen beiträgt, gleichzeitig aber neue begrenzte Konfrontationen auf Grund der Vergrößerung der Berührungsfläche von Staaten und Gesellschaften gegensätzlicher sozio-ökonomischer Ordnung schafft. Dieser Prozeß ist kaum zu vermeiden. Verhandlungsdiplomatie Um von vornherein zu verhindern, daß sich Konflikte zu regionalen oder gar globalen Krisen auswachsen, müssen Formen für ihre geregelte Austragung gefunden werden, die nicht destruktiv, sondern konstruktiv sind. Als erfolgreiches Instrument dazu hat sich bisher die Verhandlungsdiplomatie erwiesen. Entspannung setzt die Anerkennung der legitimen Existenz des Gegners voraus. Das schließt die Anerkennung seiner Interessen ein, die teilweise oder weitgehend im Gegensatz zu den eigenen politischen Absichten stehen können. Die Artikulation von Interessen, das Verdeutlichen von Beweggründen und Zielsetzungen setzt Kommunikation voraus, die in der Form der Verhandlungen ihren intensivsten politischen Ausdruck findet. Nur auf diesem Wege ist ein geregelter und dauerhafter Interessenausgleich möglich.

Jedes System steht vor der Aufgabe, das notwendige Maß an Abgrenzung mit der erforderlichen Annäherung zu verbinden, ohne den Weg zurück in den Kalten Krieg anzutreten bzw. sich dem Gegner anzugleichen. Die Funktion der Verhandlungsdiplomatie besteht gerade darin, diese „Bewegung zwischen Annäherung und Abgrenzung so zu steuern, daß die Veränderungen friedlich verlaufen können”

Multilateral findet die Verhandlungsdiplomatie in Form von Konferenzen statt, deren Akteure durch ihre Teilnahme zu erkennen geben, daß sie nicht ausschließlich auf ihren nationalen Belangen beharren, sondern zur Realisierung übergreifender Interessen bereit sind. Die Besonderheit der KSZE besteht in der Weiterentwicklung der Konferenzdiplomatie zur zentralen Ebene, auf der alle Formen der Ost-West-Diplomatie aufeinander bezogen werden. „Die spezifischen Arten zwischenstaatlichen Verhaltens sind dort so gekoppelt, daß ihre Vor-und Nachteile kompensiert werden können.“ Die Entspannung hat sich in Europa so weit entwickelt, daß die Phase bilateraler Durchbrüche in den multilateralen KSZE-Prozeß einmündet, um den sich die weiteren Entspannungsaktivitäten gruppieren werden, sei es im Sinne seiner Konkretisierung oder seiner Stimulierung.

Intersystemare Kommunikation Die intersystemare Kommunikation kann als ein Prozeß dargestellt werden, bei dem der Austausch von Informationen, Meinungen und Gedanken zwischen Institutionen, Gruppen oder Einzelpersonen in Ost und West mit oder ohne Zustandekommen persönlicher Kontakte stattfindet“ Von einem Austauschverhältnis kann dann gesprochen werden, wenn mindestens im Laufe mehrerer systemüberschreitender Kommunikationsakte Informationen, Meinungen und Gedanken in beiden Richtungen übertragen werden. Das Tauschverhältnis muß weder bei jedem einzelnen Kommunikationsakt bestehen noch muß der gesamte Austauschprozeß quantitativ symmetrisch erfolgen. Unerläßlich ist allerdings, daß er qualitativ symmetrisch vollzogen wird. Die intersystemare Kommunikation kann auf offizieller Regierungsebene, auf beruflicher Expertenebene und auf privater Ebene erfolgen. Die Schlußakte von Helsinki fixiert bereits nicht nur die kooperationserforderlichen Kommunikationsund Austausch-prozesse, sondern auch die privaten, wobei sie westlichen Vorstellungen folgte, die durch präambulare Vorbehalte sowie durch Formulierungen im Prinzipienkatalog mit östlichen Ansichten ausbalanciert wurden. Ein breit angelegter wie langfristiger Kommunikationsprozeß auf privater Ebene ist erforderlich, um Bedrohungsvorstellungen abzubauen und eine Aktivierung latenter Feindbilder zu verhindern.

Kommunikation und Entspannung sind direkt proportional zueinander: Ein Mehr an Kommunikation fördert auf Dauer die Entspannung wie umgekehrt Entspannung auf Dauer die Kommunikationsbereitschaft und deren Möglichkeiten vermehrt. Die intersystemare Kommunikation wird in dem Maße entspannungsfördernd wirken, in dem sie das gegenseitige Vertrauen stärkt Andererseits ist für ihr Zustandekommen ein Mindestmaß an wechselseitigem Vertrauen Voraussetzung. Vertrauen besteht dabei in einem „allgemeinen Verhalten, das zu Erwartungen eines bewußten Vermeidens von Konflikten berechtigt", sowie in „bestimmten Leistungen, die für eine gut funktionierende Zusammenarbeit notwendig sind"

Die Grenzen intersystemarer Kommunikation sind immer dann erreicht, wenn der zu erwartende „gesellschaftlich-politische Penetrationseffekt" die Stabilität des dadurch betroffenen Staates bedroht Das Urteil, wann eine bedrohliche Durchdringung vorliegt, muß dem betreffenden Staat selbst überlassen bleiben, wobei ihm einerseits Abgrenzung zur Abwehr von Fremdbestimmung zusteht, andererseits jedoch die Tabuisierung von Abgrenzung als Herrschaftsmittel abzulehnen ist Diese Funktion hat Abgrenzung, wenn sie an die Stelle von Problemlösungen tritt

Die Intensivierung intersystemarer Kommunikation läßt die Strukturmerkmale der östlichen und westlichen Systeme deutlicher hervortreten, erhöht somit ihre „ideologischen Profile“, was zu einer Intensivierung der geistigen Ost-West-Auseinandersetzung oder, wie es die östliche Seite gern formuliert, des ideologischen Kampfes führt. Diese geistige Auseinandersetzung wird auf den einzelnen Systemschauplätzen unterschiedlich intensiv geführt. Wenn der Westen als Preis seines pluralistischen Systems sowie als Ausdruck seiner Glaubwürdigkeit die parteipolitische Artikulation der östlichen politischen Positionen in seinen Ländern zuläßt, sollte der Osten, da er zu einem komplementären Verhalten auf Grund seines mehr oder weniger geschlossenen politischen Systems nicht in der Lage ist, wenigstens die verbale Solidarisierung der öffentlichen Meinung des Westens mit Einzelpersonen oder Gruppen in östlichen Ländern, die an den politischen Verhältnissen in ihren Staaten partielle oder grundsätzliche Kritik üben, nicht als entspannungsgefährdend zurückweisen. Während die Solidarisierung der regierenden Kommunistischen Parteien mit nichtregierenden Kommunistischen Par-teien und ihnen politisch nahestehenden Strömungen der ganzen Welt eine Selbstverständlichkeit ist, wird die Solidarisierung der öffentlichen Meinung des Westens mit Dissidenten, die keineswegs allen westlichen Wertvorstellungen zustimmen, vom Osten ungerechtfertigterweise als Einmischung abgelehnt. Daß die Verbesserung der Wirkungsbedingungen für Kommunistische Parteien in Westeuropa durch die Entspannungspolitik bei diesen auch zu qualitativ vom Sowjetkommunismus sich unterscheidenden politischen Positionen geführt hat, die teilweise sogar bis in die Außenpolitik hineinreichen, sei hier nur am Rande vermerkt.

Auf eine „ideologische Abrüstung" in der Ost-West-Auseinandersetzung zu dringen, ist angesichts der Legitimierungsfunktion von Ideologie für die Existenz der regierenden Kommunistischen Parteien aussichtslos. (Die Kommunistische Partei definiert sich ja bekanntlich als Avantgarde der Arbeiterklasse, der laut marxistisch-leninistischer Ideologie die Führung beim gesetzmäßig vorgezeichneten weltweiten Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus/Kommunismus zukommt.) In ihrer operativen Funktion soll die Ideologie nach Gerhard Wettig " Zustimmung und Bereitschaft zum Mitmachen wecken und ist auf eine Führungsgruppe bezogen, die vor allem eine Aufrechterhaltung und eine Vergrößerung ihrer staatlich etablierten Machtpositionen anstrebt". Die ständig geltend gemachten Bewertungskriterien verfehlen ihren Einfluß nicht einmal auf zum System kritisch Eingestellte, indem sie dem sowjetischen Handeln eine „natürliche Logik" verschaffen und damit den Glauben an dessen Notwendigkeit hervorrufen

Auf die politische Irrevelenz der östlichen Ideologie zu spekulieren, ist illusionistisch, denn die Ideologie wirkt nach Wolfgang Leonhard wie eine „Brille oder ein Filter", durch die bzw.den „Informationen wahrgenommen, eingestuft und bewertet" werden. Da „jede Beschlußfassung aber nicht nur von der Menge und Qualität der Informationen abhängt, sondern vor allem von der Art und Weise, wie diese Informationen vom jeweiligen Führer als wichtig oder unwichtig eingestuft und bewertet werden", spielt Ideologie für die östlichen Führer selbst dann eine „gewisse Rolle", wenn sie „scheinbar aus ökonomischen Sachzwängen, realpolitischen Erwägungen oder machtpolitischen Interessen" heraus eine Entscheidung zu fällen glauben. Außerdem engt die Ideologie den Entscheidungsspielraum ein und „setzt Grenzen, die nur schwer zu überschreiten sind". Überholte ideologische Dogmen können zwar geändert werden, was ein seltener, schwieriger wie zeitraubender Vorgang ist. Ideologische Thesen spielen also im Entscheidungsprozeß einer kommunistischen Führung eine ähnliche Rolle wie Gesetze, Verfassungen und Urteile von Verfassungsgerichten in einem parlamentarisch-demokratischen System -

Erfolgversprechender ist das Bemühen, die geistige Ost-West-Auseinandersetzung im Rahmen der intersystemaren Kommunikation formal und inhaltlich so vorzunehmen, daß die Entspannung maximal gefördert wird. Dementsprechend sollte die geistige Auseinandersetzung — fair geführt werden, nicht im Sinne eines psychologischen Krieges oder eines ideologischen Kampfes;

— differenziert geführt werden, wobei Mißverständnisse auf beiden Seiten als solche zu bewerten sind;

— sachlich und nicht unnötig mit Ideologismen beladen geführt werden;

— die Öffentlichkeit korrekt und umfassend informierend geführt werden. Kooperation und Interessenausgleich Dem Prozeß der Entspannung wird weitere Substanz wie Motivation verliehen durch die Entwicklung seines wirtschaftlichen Aspekts. Wirtschaftliche Zusammenarbeit wird dann von Dauer sein, wenn die aus ihr gewonnenen eigenen Vorteile ökonomisch und politisch höher eingeschätzt werden als die Vorteile, die der Gegner aus ihr zieht. Bei einer Kooperation zum gegenseitigen Vorteil muß der eigene Gewinn nicht unbedingt, sofort und völlig im gleichen Geschäft und auf der gleichen Ebene gesucht werden. Es ist durchaus vorstellbar, daß auf Grund der nicht auf allen Ebenen möglichen Ausgewogenheit der Leistungsmöglichkeiten und Interessen ein Ausgleich auf einer anderen, nicht weniger attraktiven Ebene erfolgt.

Im Sinne einer junktimartigen Verkoppelung von wirtschaftlichen Vereinbarungen mit poli61) tischen Forderungen Änderungen von Praktiken oder gar Wesenszügen des jeweils anderen Systems erreichen zu wollen, ist kontraproduktiv. Was als politisches Ergebnis erhofft wird, wird so, wie Henry Kissinger zutreffend feststellte, zur Vorbedingung für Politik überhaupt. Was zu Zeiten einer Politik der politischen und ökonomischen Konfrontation nicht erreicht werden konnte, soll auf einmal durch die Verweigerung wirtschaftlicher Beziehungen erwirkt werden können Dem stehen die Essentials östlicher Kooperationspolitik entgegen: der Primat der Politik über die Wirtschaft und die Ablehnung von politischen Zugeständnissen um jeden Preis, seien die vom Westen angebotenen wirtschaftlichen Vorteile auch noch so verlockend.

So wie einerseits ein gewisses Maß an Entspannung bereits vorhanden sein muß, um Kooperation mit einer bestimmten Bandbreite einleiten zu können, wird andererseits die Zusammenarbeit durch die Stärkung des Elements der Kooperation zum Abnehmen der Konfrontation und somit zur Entspannung beitragen. Dabei könnte die Ost-West-Zusammenarbeit einen über sie hinausreichenden Wert gewinnen, wenn es gelänge, sie, was Willy Brandt in seiner Rede am 4. November 1978 in Vancouver auf den XIV. Kongreß der Sozialistischen Internationale forderte, in den Dienst einer wirkungsvollen Nord-Süd-Ko-operation zu stellen.

Der Kooperationsprozeß wird zu einem Geflecht von wechselseitigen wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeiten sowie zu einer gegenseitigen Annäherung von Mechanismen führen. Er darf jedoch nicht so weit gehen, daß die „schutzwürdigen Grenzen der jeweiligen Systeme" in ihren Konturen verschwimmen Daher wird die ökonomische Ost-West-Kooperation im Maße ihrer Zunahme politische Abgrenzung erfordern, da sich die wirtschaftliche Abgrenzung auf die Formulierung weniger und weit interpretierbarer Wesenselemente beschränken muß So wird die Kooperation mit gewisser Wahrscheinlichkeit neue Friktionen mit sich bringen

Ein politisch weiter gefaßtes Begreifen der Ost-West-Kooperation führt zum Interessenausgleich. Unter Interessen werden die Grundrichtungen der in der Gesellschaftsstruktur angelegten Verhaltensweisen und -tendenzen ihrer Akteure verstanden. Das Nationalinteresse ist eine Amalgamierung aus den Interessen der Interessengruppen, Verbände, Nationalitäten, Schichten, Klassen und Eliten. Diese Amalgamierung wird entweder pluralistisch als eine „trichterförmige Verdichtung der partikularen Interessen mit gleichen Chancen für alle" geschehen oder aber als eine . Aussiebung durch die Regulative einer Macht-und Herrschaftsstruktur der starken Eliteninteressen aus den schwachen Interessen des größten Teils der Bevölkerung". Da Interessen Verhaltensrichtungen sind, die noch nicht existierende Zustände bzw. Verlaufsmuster antizipieren, sind Interessenkonflikte antizipierte Konflikte der Zukunft Um diese zukünftigen Realkonflikte von vornherein möglichst klein zu halten, ist ein früher Interessenausgleich nötig.

Fazit: Elemente der Entspannung Fundierend auf den theoretisch-normativen Überlegungen mit ihren praktisch-politischen Konsequenzen läßt sich der Inhalt der Entspannung beschreiben. Dabei wird zuerst ausgeschlossen, was Entspannung nicht ist:

— ein erreichter statischer Zustand, — Aufhebung des Ost-West-Gegensatzes und der Systemkonkurrenz, — Spannungs-und Konfliktlosigkeit, — : konvergierende Annäherung der Systeme unter allmählicher Aufgabe der Systemidentität,

— Streben nach Erringung des Sieges des einen über das jeweils andere System mit nicht-militärischen Mitteln.

Entspannung wird vom Autor vielmehr verstanden als ein dynamischer Prozeß, der weder geographisch noch inhaltlich selektiv gestaltet werden soll und folgende Elemente enthält:

— Konsens über den Wert des Friedens in seiner Minimaldefinition als Gewaltlosigkeit, — Streben nach Frieden in seiner inhaltlich explizierten Definition als Zustand realisierter Gerechtigkeit und Freiheit, — Anerkennung der Existenz des jeweils anderen Systems als legitim im Sinne des Pluralismusansatzes, — Sicherung der militärischen Parität auf einem so niedrigen und zugleich stabilen Niveau, wie durch Verhandlungen jeweils erreichbar, — Abbau von regionalen militärischen Un-gleichgewichten unter Wahrung der globalen militärischen Parität, — Krisensteuerung, — gewaltlose, geregelte und konstruktive Konfliktaustragung mittels biund multilateraler Verhandlungsdiplomatie, — Absage an Strategien zur gezielten Schwächung und Destabilisierung sowie an das bewußte Ausnutzen innerer Krisen des jeweils anderen Systems zum eigenen Vorteil, — Respektierung und Ausgleich legitimer Interessen des jeweils anderen Systems, jedoch nicht auf Kosten der eigenen Bedürfnisse, die möglichst deutlich gemacht werden sollen, — möglichst stabile und vielfältige intersystemare Zusammenarbeit mit dem Ziel gegenseitigen Vorteils; langfristig muß hier eine wirkungsvolle Nord-Süd-Kooperation an Gewicht gewinnen, — Streben nach einem Mindestmaß an wechselseitigem Vertrauen im Sinne des bewußten

Vermeidens von Konfrontationen und des Erbringens kooperationsfördernder Leistungen,

— intersystemare Kommunikation und ihr qualitativ symmetrischer Vollzug, — Werben für das eigene System, auch auf dem Boden des jeweils anderen Systems, unter Interventionsvermeidung, — Tolerierung der Versuche des jeweils anderen Systems zur Lösung seiner politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme, ohne die eigenen Problemlösungen zu den allein richtigen zu erklären und dem anderen System aufzwingen zu wollen, — Ost-West-Dialog über Menschenrechte mit dem Ziel praktischer Ergebnisse, — Respektierung des Bedürfnisses nach Abgrenzung zur Vermeidung von Fremdbestimmung; Abgrenzung darf jedoch nicht Herrschaftsinstrument und Ersatz für Problemlösungen werden, — Solidarisierung der öffentlichen Meinung des Westens mit osteuropäischen Dissidenten als Parallele zur Solidarisierung der osteuropäischen regierenden Kommunistischen Parteien mit den nicht-regierenden Kommunistischen Parteien und ihnen politisch nahestehenden Strömungen in der ganzen Welt, — geistige Ost-West-Auseinandersetzungen nach Regeln der Fairneß, differenziert, sachlich und die Öffentlichkeit korrekt wie umfassend informierend.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. dazu Hans-Peter Schwarz, Supermacht und Juniorpartner: Ansätze amerikanischer und westdeutscher Ostpolitik, in: Hans-Peter Schwarz/Boris Meissner (Hrsg.), Entspannungspolitik in Ost und West, Köln 1979, S. 147— 191; Peter Weilemann, The Good and the Bad Ones: Amerikanische Detente-Politik in der Ära Kissinger, in: ebenda, a. a. O., S. 193— 226.

  2. In: Boris Meissner (Hrsg.), Die deutsche Ostpoli tik 1961— 1970. Kontinuität und Wandel, Köln 19701 Dokument 17, S. 45— 48.

  3. Willy Brandt, Friedenspolitik in Europa, Frankfurt/Main 1968, S. 108.

  4. Ders., Außenpolitik, Deutschland, Europapolitik. 2 Grundsätzliche Erklärungen während des ersten Jahres im Auswärtigen Amt, Berlin 1968, S. 85 f„ 25. Zum Begriff der europäischen Friedensordnung: Gerda Zellentin, Europäische Friedensordnung: Zielvorstellungen, Strategien und Handlungspotentiale, in: Manfred Funke (Hrsg.), Friedensforschung 29iEntscheidungshilfe gegen Gewalt, Bonn 19782, S.

  5. Rede des Bundeskanzlers Helmut Schmidt auf “ er 10. Sondergeneralversammlung der UNO für Abrüstung am 26. 5. 1978 in New York, in: Bulletin, 55, 1978, S. 531, hrsg. vom Presse-und Informationsamt der Bundesregierung.

  6. Ansprache von Helmut Schmidt anläßlich eines Mittagessens zu Ehren des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers am 5. 5. 1978 in der Redoute in Bonn-Bad Godesberg, gegeben von L. I. Breschnew, Generalsekretär des ZK der KPdSU, in: Bulletin, 44, 1978, S. 426, hrsg vom Presse-und Informationsamt der Bundesregierung.

  7. Vortrag von Hans-Jürgen Wischnewski am 29. 11. 1977 in Wien „Der Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur Entspannungspolitik, in: Bulletin, 122, 1977, S. 1126, hrsg. vom Presse-und Informationsamt der Bundesregierung.

  8. Hans-Dietrich Genscher, Außenpolitik im Dienste von Sicherheit und Freiheit, Stuttgart 1976, S. 75, 19, 18, 20.

  9. In: Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hrsg.), Texte zur Deutschlandpolitik, Reihe II/Band 1, Bonn 1975, S. 124— 129.

  10. In: ebenda, a. a. O., Reihe II/Band 2, Bonn 1976, S. 152.

  11. In: ebenda, a. a. O., Reihe II/Band 3, Bonn 1976, S. 275.

  12. Die Entspannungsdoktrin der Vereinigten Staaten. Erklärung des (damaligen) amerikanischen Außenministers, Henry A Kissinger, vor dem Außenpolitischen Ausschuß des Senats am 19. 9. 1974 über die Politik gegenüber der Sowjetunion, in: Europa-Archiv, Bonn, 20, 1974, S. D 464, D. 480 f.

  13. Rede des Präsidenten der Vereinigten Staaten, Jimmy Carter, vor Absolventen der Marine-Akade-oie in Annapolis (Maryland) am 7. 6. 1978, in: Europa-Archiv, 15, 1978, S. D 42 f.

  14. Zur „friedlichen Koexistenz“: Wilhelm Bruns, riedliche Koexistenz. Ideologie und Außenpolitik xommunistischer Staaten, Hamburg 1976.

  15. V. N. Egorov, Mirnoe sosuäCestvovanie i revoljucuionnyj process, Moskau 1971, deutsche Ausgabe: W. N. Jegorow, Friedliche Koexistenz und revolutionärer Prozeß, Berlin (Ost) 1972, S. 23 f.

  16. V. N. Egorov, a. a. O., S. 283 f.

  17. V. G. Zacepilin, Sorevnovanie dyuch mirovych si stem chozjajstva i neizbenos pobedy kommu-nizma v mirovom masätabe, Moskau 1971, S. 11.

  18. Jan Tinbergen, Die Rolle der Planungstechniken bei einer Annährung der Strukturen in Ost und West, in: Erik Boettcher (Hrsg.), Wirtschaftsplanung im Ostblock — Beginn einer Liberalisierung? Stuttgart 1966, S. 35— 53. Der erste Aufsatz von Tinbergen zur Konvergenztheorie wurde 1961 veröffentlicht unter dem Titel „Do Communist and Free Economies show a converging Pattern?", in: Soviet Stadies, Oxford, 4, 1961, S. 333— 341 — deutsche Ausgabe: Kommt es zu einer Annäherung zwischen den kommunistischen und den freiheitlichen Wirtschaftsordnungen?, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik, Tübingen, 8 Jg. (1963), S. 11— 20.

  19. Pitrim Sorokin, Soziologische und kulturelle Annäherung zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, in: Zeitschrift für Politik, München, 4, 1960, S. 341— 370.

  20. Walt Whitman Rostow, The Stages of Economi Growth — deutsche Ausgabe: Stadien wirtschaftlichen Wachstums. Eine Alternative zur marxistischen Entwicklungstheorie, Göttingen 1961.

  21. Raimond Aron, Dix-huit lecons sur la socidtd industrielle — deutsche Ausgabe: Die industrielle Gesellschaft. 18 Vorlesungen, Frankfurt/Main 1964.

  22. John Kenneth Galbraith, The New Industrial State, 1967 - deutsche Ausgabe: Die moderne Industriegesellschaft, München 1968.

  23. Herbert Marcuse, One-Dimensional Man. Studies in the Ideology of Advanced Industrial Society, Boston (Mass.) 1964 - deutsche Ausgabe: Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft, Neuwied

  24. David Mitrany, Agenda of Peacemaking (1939), in: ders., The Functional Theory of Politics, London 1975, S. 171— 179; ders., A War-time Submission (1941), in: ebenda, a. a. O., S. 105— 122.

  25. Emst B. Haas, Beyond the Nation-State. Functio-nalism and International Organization, Standford, Calif., 2, ed, 1968.

  26. Vgl. dazu: Gerhard Wettig, Ansätze a. a. O., S. 34— 45.

  27. Egbert K. Jahn, Die Wiedergeburt funktionalistischer Theorien in der Ost-West-Kooperation: Eine Kritik, in: Annemarie Große-Jütte/Rüdiger Jütte (Hrsg.), Entspannung ohne Frieden. Versäumnisse europäischer Politik, Frankfurt/Main 1977, S. 188.

  28. Wie Anm. 12, a. a. O., S. D 463.

  29. Zbigniew Brzezinski, America in a Hostile World, in: Foreign Policy, Washington, D. C„ 231 1976, S. 94 f.

  30. B. Landherr, Die Struktur der Weltgesellschait und ihre rechtliche Formgebung, in: Archiv des Völkerrechts, Tübingen, 12, 1964/65, S. 1.

  31. Hans Kremendahl, Pluralismustheorie in Deutschland. Entstehung, Kritik, Perspektiven, Leverkusen 1977, S. 446.

  32. Wie Anin. 33.

  33. Johan Galtung, Peace, in: International Encyclo-pedia of the Social Sciences, Band 11, New York 1968, S. 487.

  34. Valentin Zsifkovits, Der Friede als Wert. Zur Wertproblematik der Friedensforschung, München 1973, S. 45 f., 21 f.

  35. Thomas von Aquin, Summa theologiae.

  36. UNO-Charta Art. 33 ff.; vgl. dazu Gottfried Zieger, Die Vereinten Nationen, Hannover 1976, S. 44 f.

  37. Johannes Messner, Das Naturrecht, Handbuch der Gesellschaftsethik, Staatsethik und Wirtschaftsethik, Innsbruck 1960, S. 578— 580.

  38. Valentin Zsifkovits, a. a. O., S. 132.

  39. Vgl. dazu: Ernst-Otto Czempiel, Friede als Strategie für Systemwandel, in: Manfred Funke (Hrsg.), a. a. O., S. 178— 182; Czempiel verwendet den mißverständlichen Begriff „gewinnfreie Werbung“ in seinem sonst lesenswerten Beitrag.

  40. Klaus Blech, in: Entspannungspolitik nach Helsinki — eine Zwischenbilanz, Hamburg 1976, S. 93, Protokoll Nr. 55/1976 des Bergedorfer Gesprächs-kreises zu Fragen der freien industriellen Gesellschaft.

  41. In: Bulletin, 55, 1978, S. 530, hrsg. vom Presse-und Informationsamt der Bundesregierung.

  42. Marshall D. Shulman, Toward a Western Philo-sophy of Coexistence, in: Foreign Affairs, New York, October 1973, S. 35— 58 — deutsche Ausgabe: Um eine westliche Konzeption der Koexistenz und Zusammenarbeit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 5/1974, S. 3— 20, hier S. 16.

  43. Wie Anm. 5.

  44. Wie Anm. 13.

  45. In: Bulletin, 44, 1978, S. 429, hrsg. vom Presse-und Informationsamt der Bundesregierung. Ebenda, a. a. O., 79, 1980, S. 665.

  46. Ebd., a. a. O., 139, 1978, S. 1298 f.

  47. Vgl. dazu: Eberhard Schneider, Das Menschenrechtsverständnis der UdSSR und der DDR, in: Politik und Kultur, Berlin, 6, 1977, S. 25— 35.

  48. Fritz Vilmar, Gesamteuropäische Kommunikation. Friedenspolitische und friedenspädagogische Bedeutung produktiver Lernprozesse zwischen Ost und West, in: Manfred Funke (Hrsg.), a. a. O., S. 204— 206.

  49. Wie Anm. 5, a. a. O., S. 531 f.

  50. Gerda Zellentin, Zur Rolle der Konferenzdiplomatie in den Ost-West-Beziehungen, in: Jost Delbrück/Norbert Ropers/Gerda Zellentin (Hrsg.), Grünbuch der Folgewirkungen der KSZE, Köln 1977, S. 24.

  51. Ebenda, a. a. O„ S. 15.

  52. Karl E. Birnbaum, Zur Problematik von Entspannungspolitik und intersystemarer Kommunikation im Ost-West-Verhältnis, in: Jost Delbrück/Norbert Ropers/Gerda Zellentin (Hrsg.), a. a. O., S. 384.

  53. Karl E. Birnbaum, a. a. O., S. 389.

  54. Lothar Bock, Möglichkeiten und Grenzen einer konstruktiven Abgrenzungspolitik in den intersystemaren Beziehungen, in: Gerda Zellentin (Hrsg.), Annäherung, Abgrenzung und friedlicher Wandel in Europa, Boppard am Rhein 1976, S. 210— 212.

  55. Gerhard Wettig, Frieden und Sicherheit in Europa. Probleme einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) und bei der wechselseitigen Truppenreduzierung in Europa (MBFR), Stuttgart 1975, S. 224 f.

  56. Wolfgang Leonhard, Was ist Kommunismus? Wandlungen einer Ideologie, München 1976, S. 209 f.

  57. Wie Anm. 12, a. a. O. D 491 f.

  58. Hans-Adolf Jacobsen, Erfordernisse einer künftigen realen Entspannungspolitik in Europa. Sechs Perspektiv-Thesen, in: Beiträge zur Konfliktforschung, Köln, 1, 1978, S. 63.

  59. Hanns-Dieter Jacobsen, Kooperation und Abgrenzung in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Ost-und Westeuropa, in: Gerda Zellentin (Hrsg.), a. a. 0., S. 438.

  60. Wie Anm. 63.

  61. Egbert K. Jahn, Das Problem der Identifizierung von Interessen im internationalen System, in: Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft: Internationale Beziehungen als System, hrsg. von Klaus Jürgen Gantzel, Opladen 1973, S. 363, 371 f„ 376.

Weitere Inhalte

Eberhard Schneider, Dr. phil., Lic. phil., geb. 1941 in Großenhain/Sa.; bis 1958 in der DDR; aus politischen Gründen dort von der Oberschule relegiert; Studium der Politologie, Philosophie und Theologie in Berlin und München; 1966— 1970 Mitarbeiter des Instituts zur Erforschung der UdSSR in München; 1971 bis Mitte 1976 Dozent für DDR-und Osteuropa-Fragen im „Haus Rissen", Internationales Institut für Politik und Wirtschaft, in Hamburg; seit Mitte 1976 Wissenschaftlicher Referent im Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien in Köln. Buchveröffentlichungen: Die DDR. Geschichte, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Stuttgart 19805; SED — Programm und Statut von 1976. Text, Kommentar, Didaktische Hilfen, Opladen 1977; „Einheit" und „Gegensatz“ in der Sowjetphilosophie, über das Hauptgesetz der materialistischen Dialektik, Köln 1978; Breschnews neue Sowjet-Verfassung. Kommentar mit den Texten der UdSSR-Grundgesetze von Lenin über Stalin bis heute, Stuttgart 1978; in Vorbereitung: Die Sowjetunion heute, Frankfurt/Main 1980.