Wenn die Freiheit gegen die Gleichheit ausgespielt werden soll, gerät dieses Unternehmen so manchem Autor allzu leicht zu einem Kampf gegensätzlicher Ideen, die im Himmel wie auf Erden in einem unüberwindbaren Gegensatz zu geraten scheinen. Die Formel ist schnell zur Hand, nach der jedes Mehr an Gleichheit zu einem Verlust von Freiheit führe, und bei der Hochschätzung, die die Freiheit genießt, ist diese Formel natürlich ein Abwehrinstrument von Gleichheitspostulaten. Nun sind die Menschen tatsächlich weder in ihren Lebensweisen noch in ihren Talenten, Wünschen und Hoffnungen einander völlig gleich. Auch gibt es wahrscheinlich kaum einen vernünftigen Menschen — sieht man von einigen ideologischen Spekulanten einmal ab —, der eine derartige Egalisierung meint, wenn er „Gleichheit" fordert. Es kann sich also bei den unter dem Symbol „Gleichheit" vorgetragenen politischen Ideen, Zielen und Forderungen nicht darum handeln, über faktische Gleichheit im Sinne völliger Einheitlichkeit aller Menschen oder Bürger einer Gesellschaft zu reden. Bei der Rede über Gleichheit geht es vielmehr um Gleichheit in bezug auf einen bestimmten Bereich, auf Rechte etwa, oder um Gleichheit im sozioökonomischen Bereich, d. h. um gleiche oder wenigstens um nicht allzu ungleiche Verteilung des Sozialproduktes. Mit anderen Worten: Wo immer Freiheit und Gleichheit als abstrakte Begriffe zu einem Gegensatzpaar gemacht werden, ohne daß deutlich davon gesprochen wird, in bezug auf welchen Bereich von Gleichheit die Rede ist, kommt es leicht zu einer Vernebelung der tatsächlichen Probleme, die dabei nicht geklärt, sondern — mit oder ohne Absicht — verwischt und undeutlich gemacht werden.
Ein deutscher Staatslehrer schreibt: „In der Gleichheitsidee liegt jedoch auch die Möglichkeit einer unmittelbaren Wendung gegen die Freiheit. Denn in ihr... steckt von vornherein eine Tendenz zur gleichen tatsächlichen Chance, ja letzten Endes sogar zum gleichen tatsächlichen Ergebnis des Freiheitsgebrauches". Die Dunkelheit dieser Worte Krügers, der unspezifiziert aus der Idee der Gleichheit die mögliche Tendenz einer homogenen Praxis der Freiheit ableitet, scheint auch dem Autor selbst Schwierigkeiten zu bereiten. Er sucht nach einer Autorität, die der Dunkelheit seiner Worte höhere Weihe verleiht. Und weil man in Deutschland nicht müde wird, wenn der Gegensatz von Freiheit und Gleichheit behandelt werden soll, den großen französischen Liberalen Alexis de Tocqueville als Kronzeugen anzurufen, findet der suchende Leser auch bei Krüger am Ende des zitierten Satzes die fundstellenlose Fußnote: „A.de Tocqueville ist nicht müde geworden, hierauf hinzuweisen“. Was sich beim ersten Lesen wie eine Ehrung des großen Franzosen darstellt — er wird als offensichtlich allgemein geachtete Autorität zur Bestätigung einer These herangezogen —, entpuppt sich allerdings für denjenigen, der die Werke und Schriften Alexis de Tocquevilles genauer studiert, als gedankenloser Mißbrauch des zitierten Autors. In seinem Buch „über die Demokratie in Amerika" teilt Tocqueville dem nun doch erstaunten Leser mit, daß in unseren Tagen die Freiheit nicht ohne die Hilfe der Leidenschaft für die Gleichheit errichtet werden könne Das klingt anders. Von einem Gegensatz ist da wohl nicht die Rede. Und so scheint es doch der Mühe wert zu sein zu überprüfen, wie es sich mit dem vielzitierten Gegensatz von Freiheit und Gleichheit in den Erfahrungen und im Denken des Alexis de Tocqueville wirklich verhält
I. Das Verschmelzen von Freiheit und Demokratie
„Man kann sich einen äußersten Punkt vorstellen, in dem die Freiheit und die Gleichheit einander berühren und verschmelzen. Ich setze voraus, daß alle Bürger an der Regierung teilhaben und daß jeder ein gleiches Recht zu dieser Teilhabe hat. Da keiner sich dann von Seinesgleichen unterscheidet, wird niemand eine tyrannische Macht ausüben können; die Menschen werden vollkommen frei sein, weil sie alle völlig gleich sind; und sie werden alle vollkommen gleich sein, weil sie ganz frei sind. Dies ist das Ideal, dem die demokratischen Völker nachstreben." Es fällt auf, daß Tocqueville hier von Gleichheit in bezug auf politische Rechte und politische Teilhabe spricht, die Gleichheit besteht also selbst im Ideal in den gleichen Freiheiten und nicht in der gleichen Praxis dieser Freiheiten.
Das völlige Verschmelzen von Gleichheit und Freiheit, das Tocqueville beschreibt, ist aber nicht das, was man tatsächlich in den bestehenden politischen Gesellschaften vorfindet Und so deutet er verschiedene Variationsmöglichkeiten — etwa soziale Gleichheit bei gleichzeitiger politischer Unfreiheit oder politische Gleichheit bei allgemeiner Unfreiheit — an, um darauf hinzuweisen, „daß man mithin berechtigt ist, die beiden voneinander zu unterscheiden
Erst nach diesen allgemeinen Bemerkungen stellt er das politische Problem dar. Dieses aber beteht nicht im Gegensatz von Gleichheit und Freiheit, sondern vielmehr in den verschiedenen Beweggründen, die die Menschen dazu veranlassen, eher die Gleichheit zu lieben oder stärkere Vorliebe für die Freiheit zu entwickeln. Was also in einer mit Mißverständnissen überfrachteten Debatte als Gegensatz von Dingen diskutiert wird, ist bei Tocqueville eine Frage der Ordnung des Bewußtseins, der Psyche. Er unterscheidet zwischen dem Geschmack an der Freiheit (got de libert) und der Leidenschaft für die Gleichheit (l'amour de Tögalitö). Beides steht nicht im Gegensatz zueinander; aber es ist unübersehbar, daß in der Psyche des Menschen sehr wohl eine Präferenz für eins von beidem bestehen kann. Auf dieser Ebene handelt es sich also um eine Konkurrenz verschiedener psychischer Bewegungen, die die Lebensweise des Bürgers bestimmen können.
Tocquevilles Analyse bleibt allerdings auch bei diesem Punkt nicht stehen. In seinem politischen Denken ist die platonische Einsicht, daß die Polis der großgeschriebene Mensch ist, präsent. Das heißt, er weiß, daß die Ordnung der Psyche des einzelnen — und damit für das gegebene Problem die Konkurrenz von Geschmack an der Freiheit und Liebe zur Gleichheit — nicht von der Gesellschaft isoliert werden kann. Die Meinungen, Stimmungen, Überzeugungen und vorherrschenden Glaubenshaltungen der Gesellschaft wirken auch auf den einzelnen Bürger ebenso ein, wie dieser jene beeinflußt.
Hier liegt nun nach Tocqueville eines der Probleme demokratischer Gesellschaften. Die besondere und vorherrschende Erscheinung, die das Zeitalter der Demokratie auszeichnet, ist nach seiner Analyse die Gleichheit der gesellschaftlichen Bedingungen, und „die Hauptleidenschaft, die in solchen Zeiten die Menschen bewegt, ist die Liebe zu dieser Gleichheit" Die Entwicklung zur Gleichheit der Rechte und zur Gleichheit der Bedingungen verstärkt in den Bürgern diese Liebe und das Streben nach Gleichheit noch, was wiederum auf den Prozeß verstärkend zurückwirkt. Da die Menschen gleich sein und als Gleiche behandelt werden wollen, sieht Tocqueville wenig Sinn in einer Debatte, die dieser Entwicklung gegensteuern wollte Er ist vielmehr der festen Überzeugung, daß die Frage vernünftiger demokratisch-egalitärer Ordnung unter dem Aspekt der Wiederherstellung oder Erhaltung politischer Freiheit in der egalitären Gesellschaft gesehen werden muß. Die vielzitierte Einleitung des Buches über die Demokratie in Amerika behandelt als zentrale Gegebenheit die Entwicklung moderner Gesellschaft hin zu demokratischer Gleichheit der Bedingungen. Diese nach Tocqueville unaufhaltsame Entwicklung konfrontiert er mit der Aufgabe seiner „neuen politischen Wissenschaft", die eben in der Herstellung und Erhaltung der Freiheit in der Demokratie besteht. Es handelt sich also beim Verhältnis von Freiheit und Gleichheit nach Tocqueville nicht um einen unüberwindbaren Gegensatz, sondern um ein bedeutend differenzierteres Ineinanderwirken von Geschmack an der Freiheit und Liebe zur Gleichheit.
Hier und erst hier, im Ineinanderwirken von Freiheitsstreben und Liebe zur Gleichheit, die in der Psyche des Menschen aufeinandertreffen und die vom Entwicklungsprozeß der Gesellschaft beeinflußt sind, findet jene dramatische Konkurrenz der verschiedenen Beweggründe statt, deren Beschreibung einen großen Teil des Werkes von Alexis de Tocqueville prägt.
II. Der Zerfall der politischen Kultur
„Es gibt in der Tat einen sehr gefährlichen Übergang im Leben demokratischer Völker. Entwickelt sich in einem dieser Völker die Vorliebe für materielle Genüsse schneller als die Bildung und die freiheitliche Gewohnheit, so kommt ein Augenblick, da die Menschen vom Anblick der neuen begehrten Güter fortgerissen werden und sie wie außer sich sind. Besessen vom Wunsch nach Reichtum bemerken sie nicht mehr das enge Band, welches das Wohlergehen jedes einzelnen von ihnen mit dem Gedeihen aller verknüpft. Man braucht derartigen Bürgern die Rechte, die sie besitzen, nicht zu entreißen, sie lassen sie selber gern fahren."
Bürgerliche Gleichheit, die im Verständnis der Gesellschaftsglieder darin besteht, daß der einzelne gleichberechtigt neben seinesgleichen wirtschaftliche Vorteile verfolgen kann, reduziert die Bürger und ihr Handeln auf den Verfolg ökonomischer Interessen. Derartige Bürger sind nicht bereit, ihre politischen Rechte zu verteidigen, die Voraussetzung für die Praxis der Freiheit sind. Sie sind zufrieden unter einem Regime, das die Gleichheit wirtschaftlicher Chancen garantiert, die Freiheit aber beseitigt Tocqueville erkennt sehr genau, daß es also neben seiner Vorstellung von Gleichheit, „die darin besteht, daß alle gleich frei sind" auch die Möglichkeit der Gleichheit unter einem gemeinsamen Beherrscher gibt. Diese Möglichkeit kann dann Wirklichkeit werden, wenn die Bürger sich von der Politik abwenden und sich ausschließlich ihren privaten und wirtschaftlichen Zielen widmen.
Dieser Rückzug aus Politik und bürgerlicher Verantwortung, den Tocqueville vor allem im Frankreich des Jahres 1840, aber in Ansätzen auch in den Vereinigten Staaten von Amerika beobachtet bezeichnet er mit dem Ausdruck Dieser Individualismus Individualismus aber ist seinerseits eine Folge eines Verständnisses von Gleichheit, das diese nicht in der Gleichheit politischer Rechte und Teilhabe-chancen sieht, sondern in der Gleichheit wirtschaftlicher Chancen und Möglichkeiten.
Die mit der Beseitigung wirtschaftlicher Privilegien des Adels verbundene Öffnung wirtschaftlicher Aufstiegsmöglichkeiten für Bürger und Kleinbürger, die die demokratische Gesellschaft bietet, droht ihren politischen Charakter zugunsten des Erwerbsstrebens zu zerstören. Politik wird den Regierenden überlassen. Freiheiten werden weder praktiziert noch verteidigt. Die Segnungen ökonomischer Vorteile, denen die einzelnen gleichberechtigt nachjagen, machen diese Gleichheit so liebenswert, daß die Freiheit in Vergessenheit zu geraten droht.
Tocqueville geht es mit diesen Feststellungen nicht um die Diskreditierung wirtschaftlicher Betätigung, er will ihr nur einen Platz unter oder höchstens neben der politischen Aktivität sichern. „Ich werfe der Gleichheit nicht vor, daß sie die Menschen zur Jagd nach verbotenen Genüssen treibe; sondern, daß sie sie mit dem Begehren erlaubter Freuden ganz und gar ausfüllt. Auf diese Weise könnte sich in der Welt sehr wohl eine Art ehrbarer Materialismus einnisten, der die Seelen nicht verdirbt, sie aber verweichlicht und sie schließlich aller Spannkraft beraubt."
Die Konkurrenz von Freiheit und Gleichheit, die sich in der Psyche als Konkurrenz von Geschmack an der Freiheit und Liebe zur Gleichheit abspielt, wird in der Gesellschaft zur Konkurrenz verschiedener Aktivitäten. In der Gesellschaft der gleichen Startchancen verdrängt das ökonomische Erwerbsstreben tendenziell das politische Handeln, welches für Tocqueville die Praxis der Freiheit ist Damit aber wird eine Lebensweise in der Gesellschaft zum . normalen Habitus, die nicht die Lebensweise des freien Bürgers in der Republik ist; dies wiederum gefährdet die Republik selbst.
Ein Hauptschwerpunkt der kritischen Anmerkungen Tocquevilles bezieht sich demnach darauf, daß unter der Entfesselung ökonomischen Erwerbsstrebens in der egalitären Gesellschaft die Freiheit aus dem Bewußtsein der Bürger verdrängt werden könnte.
Es geht ihm also nicht um einen Gegensatz von Gleichheit und Freiheit, sondern um die Gefahr, daß die Vorteile, die die Gleichheit den Bürgern auf wirtschaftlichem Gebiet gewährt, dazu führen, daß sie ihre politischen Rechte, d. h. ihre Rechte als politische Bürger, vergessen und fahrenlassen. Wirtschaftliche Vorteile werden in diesem Verständnis nicht als Basis praktischer politischer Aktivität angestrebt, sondern umgekehrt: Die in der Politik errungenen gleichen Rechte werden zu Instrumenten des Strebens nach Wohlstand. Der politische Bereich der Praxis der Freiheitsrechte wird den Imperativen privat-ökonomischer Ziele untergeordnet. Die Politik wird zur Magd der Wirtschaft und die Freude am Freisein wird der Liebe zur Gleichheit wegen der wirtschaftlichen Vorteile, die diese bringt, unterworfen.
Die von Tocqueville festgestellte Konkurrenz zwischen Geschmack an der Freiheit und Liebe zur Gleichheit entpuppt sich bei genauer Untersuchung als Konkurrenz der Tätigkeitsbereiche Wirtschaft und Politik. Es geht dabei nicht um eine Konkurrenz, bei der das eine das andere ausschließt, sondern um Konkurrenz um die Vorherrschaft. Tocqueville, dem es um die Erhaltung praktischer Freiheitsrechte geht, warnt vor der Unterwerfung der Freiheit unter die Imperative ökonomischen Besitzstrebens.
III. Die Probleme der Politik, die durch Streben nach Gleichheit hervorgerufen werden
Jenseits der bis auf den heutigen Tag zweifellos wichtigen Untersuchungen Tocquevilles, in denen die Durchdringung der Politik mit wirtschaftlichem Denken kritisch dargestellt wird, hat der französische Liberale aber auch im politischen Bereich selbst problematische Auswirkungen der demokratischen Liebe zur Gleichheit auf die Republik beschrieben.
Wir wollen im folgenden seine kritischen Bemerkungen über die Auswahl politischer Repräsentanten in der Demokratie (A) und seine Analyse der Gefahren eines übergroßen Konformisierungsdruckes (B) untersuchen, um die Darstellung dann mit Tocquevilles wichtiger Unterscheidung von Einheitlichkeit und Gleichheit fortzusetzen.
A. Der Sieg des Mittelmaßes Auch demokratische Gesellschaften bedürfen politischer Repräsentanten und politischer Führer. Da aber das Volk selbst das entscheidende Wort bei der Auswahl der politischen . Elite'spricht, treten hier eine Reihe von bedeutsamen Problemen auf. Nach den Beobachtungen Tocquevilles ist die Auswahl der Inhaber öffentlicher Ämter weniger von abwägender Überlegung als von Stimmungen und Emotionen bestimmt. Er hat den Verdacht, daß es nicht immer das Bestreben ist, den Besten auszuwählen, das das wählende Volk bei der Stimmabgabe bewegt.
Es ist nicht so sehr böser Wille oder eine Vernachlässigung des Wohles des Landes, die die Bürger zu Fehlern beim Auswählen politischer Repräsentanten bewegen, als vielmehr ihre Unfähigkeit, klug und wohlabgewogen über Kandidaten für öffentliche Ämter zu entscheiden. Diese hat eine ihrer Ursachen darin, daß die meisten Bürger einen großen Teil ihrer Zeit mit anderen Dingen beschäftigt sind als mit der Politik. Das Volk „... muß immer in Hast urteilen und sich an das Vordergründigste halten. Dies hat zur Folge, daß Schwindler aller Art sich trefflich darauf verstehen, dem Volk zu gefallen, während seine wahren Freunde darin sehr häufig scheitern"
Das von Tocqueville angesprochene Problem der Rekrutierung der politischen Führungsschicht ist in der Tat ein gewichtiges Dilemma demokratischer Ordnung. Einerseits sollen die politischen Repräsentanten die Interessen, Wünsche und Vorstellungen der Bürger in der Politik berücksichtigen und beachten. Wie könnte dies besser erzwungen werden als dadurch, daß das Volk seine Vertreter selbst wählt? Andererseits erfordert die sachgerechte und abgewogene Auswahl politischer Amtsinhaber einen hohen Grad von Kenntnissen der öffentlichen Angelegenheiten. Besäßen die Bürger diese Kenntnisse, wäre die Wahl von Repräsentanten eigentlich unnötig. Die Bürger wüßten dann ja selbst, was notwendig und vernünftig ist. So hat das Wählen politischer Vertreter seinen Sinn nicht in der Identität von Wählern und Gewählten, sondern im Ziel der Auswahl der Besten. Woher und wie sollen aber die weniger klugen, weniger kenntnisreichen und weniger interessierten Wähler die Maßstäbe haben, um die Klügeren und Kenntnisreicheren als ihre Vertreter auswählen zu können? Die Möglichkeiten, die die Demokratie Demagogen, Scharlatanen und Schwindlern bietet, stellen tatsächlich eine unübersehbare Gefahr dar. Die Antwort, die die moderne Politik mit den politischen Parteien gefunden zu haben scheint, verschiebt nur das Problem, ohne es tatsächlich zu lösen. Denn für die Auswahl von Kandidaten in den Parteien gilt entsprechend, daß weniger kundige Parteimitglieder die Kundigsten den Bürgern als Kandidaten vorschlagen sollen. Dieses nicht endgültig lösbare Problem auch demokratischen Regierens wird durch einen sozialpsychologischen Umstand noch verstärkt. Wo die Gleichheit annähernd verwirklicht ist, beobachtet Tocqueville, wird das Streben nach ihr zum Hindernis der Wahl hervorragender Männer Alles, was das Volk „in irgendeinem Bereich überragt, erscheint ihm als ein Hindernis seiner Wünsche, und es gibt keine noch so erwiesene Überlegenheit, deren Anblick sein Auge nicht belästigt" Der Durchschnittsbürger neigt dazu, „bedeutende Männer von der Macht fernzuhalten“ teils aus Neid teils aus dem Wunsch nach Ausbau der Gleichheit und teilweise, weil er sich mit einem hervorragenden Repräsentanten nicht identifizieren kann. Objektiv hat er außerdem Schwierigkeiten, die Besten als solche zu erkennen. All dies weist darauf hin, daß der Vorzug des allgemeinen Wahlrechts ganz sicher nicht darin liegt, daß es die Gewähr für die Wahl der Besten gibt. „Das allgemeine Wahlrecht hat andere Vorteile, aber nicht diesen.“
Wer immer das Problem des Wählens in einer demokratischen Gesellschaft vorurteilslos analysiert, muß einräumen, daß Tocqueville eine richtige Beobachtung wiedergibt. Die demokratischen Verfahren zur Bestellung politischer Amtshinhaber sind keine quasi automatischen Garanten für die Qualität der Gewählten; und die Stimmungen und Meinungen der Wähler sind nicht immer das vernünftigste Kriterium für die Auswahl der Repräsentanten des Volkes. Was Tocqueville über die Möglichkeit sagt, daß die Wähler Irrtümern, Fehleinschätzungen oder falschen Auswahl-kriterien erliegen, gilt nicht nur für die Masse des Volkes. Auch „die größten Geister" können sich bei der Beurteilung von Personen — das schreibt er ausdrücklich — irren
B. Die Tyrannei der Mehrheit Nun kann man nicht ohne Grund einwenden, daß die Politik gar nicht so sehr überdurchschnittlicher Menschen bedarf und daß der politische Alltagsbetrieb wahrscheinlich sogar unter allzuvielen außerordentlichen Persönlichkeiten mehr leiden als davon profitieren würde. Dieser Einwand würde Tocqueville jedoch nur dann treffen, wenn man seine Aussagen im Sinne einer vom Geniekult des 19. Jahrhunderts geprägten Vorstellungswelt, die ihre Vorbilder aus der italienischen Renaissance bezieht, interpretiert. Tocqueville ist weder Opfer eines wie auch immer gearteten Geniekults noch ein nostalgischer Verehrer italienischer Condottieri. Kents Commentaries zitierend, macht er deutlich, daß er Menschen mit einer strengen, nicht auf Popularität abgestellten Lebensführung und „Unnachgiebigkeit in den Grundsätzen" meint Tocqueville befürchtet ganz offensichtlich — und nicht zu Unrecht —, daß in der Demokratie ein Typus von Amtsinhaber vorherrschend wird, der seine Meinungen, Ziele und Vorstellungen den Stimmungen seiner Wähler anpaßt und sie nicht an den Prinzipien der Freiheit, des Rechts und der Verfassung entwikkelt. Dies aber gefährdet die Freiheit der Bürger. Das Streben nach Sicherheit, Stabilität und Wohlstand, das das Verhalten der Mehrheit bestimmt, kann, wenn sich die Repräsentanten des Volkes dem anpassen, leicht zur Zerstörung von Freiheit und republikanischer Verfassung führen, auf jeden Fall aber einen so massiven Konformitätsdruck erzeugen, daß der Wille der Mehrheit sich in allen Fragen des kulturellen, sozialen, ökonomischen und politischen Lebens durchsetzt. „Die Mehrheit hat in den Vereinigten Staaten also tatsächlich eine unermeßliche Macht...; und steht sie einmal in einer Frage fest, gibt es sozusagen keine Hindernisse, die sie, ich sage nicht einmal aufhalten, sondern auch nur in ihrem Vormarsch verzögern könnten ... Die Folgen dieser Verhältnisse sind unheilvoll und für die Zukunft gefährlich."
Tocqueville prägt in diesem Zusammenhang der Möglichkeit der Unterdrückung nicht mehrheitskonformer Meinungen, Einsichten und Vorstellungen die Formulierung von der „Tyrannei der Mehrheit". Eine der Voraussetzungen für eine solche Entwicklung ist jener Typus von Bürger, der nicht Freiheit und Gerechtigkeit als einsetzbare und vorgegebene Prinzipien kennt und zur Maxime seines Urteils macht, sondern sich nach den Meinungen und Stimmungen der Mehrheit richtet.
„Es gibt Leute, die sich nicht scheuen zu sagen, ein Volk könne in den Angelegenheiten, die es allein angehen, nicht vollkommen die Grenzen von Recht und Vernunft verlassen, und man solle sich folglich auch nicht scheuen, der Mehrheit die es vertritt, alle Macht zu geben. Aber dies ist die Rede von Sklaven." Tocqueville nennt diese Meinung sklavisch, nicht etwa nur irrig oder unüberlegt. Und tatsächlich handelt es sich bei dieser Meinung und der sich aus ihr ergebenden Haltung um eine Form von Unterwerfung und Selbstaufgabe, die sehr wohl sklavische Züge erkennen läßt Warum sollte eine Mehrheit nicht irren können? Warum sollte sie nicht ungerecht, unvernünftig oder freiheitsfeindlich sein? Nur weil eine Überzeugung oder eine bestimmte Politik die einer Mehrheit ist, gewinnt sie noch keine qualitative Überlegenheit; sie ist mächtig und durchsetzbar, aber ob sie richtig, gerecht und vernünftig ist, kann nicht durch Abstimmung festgestellt werden.
Wer also die Beurteilung, Kritik und Auseinandersetzung mit Mehrheitsmeinungen von vornherein ablehnt, unterwirft sich ihnen unter Verzicht auf die Anwendung der eigenen Vernunft. Er verhält sich sklavisch.
«Was ist denn die Mehrheit im Gesamten genommen anderes als ein Einzelner, der Meinungen und meist Interessen hat, die einem anderen Einzelnen entgegenstehen, den man Minderheit nennt. Wenn man einräumt, daß ein Mann, der über Allmacht verfügt, diese gegen seine Gegner mißbrauchen kann, warum soll man dann nicht auch zugeben, daß dies auch für eine Mehrheit gilt?" Gleichgültig, wer sie ausübt und welche Mehrheiten hinter ihr stehen, unkontrollierte und durch keine Gegenkräfte im Zaum gehaltene Macht ist eine Bedrohung der Freiheit. „Sehe ich also, daß irgendeiner Macht das Recht und die Fähigkeit, alles zu tun, eingeräumt wird, ob man sie Volk oder König, Demokratie oder Aristokratie nennt, und ob man diese Macht in einer Monarchie oder in einer Republik ausübt, ich erkläre: Hier ist der Keim der Tyrannei und ich will unter anderen Gesetzen leben.
Der geistige und politische Konformitätsdruck, die irrige Meinung, die Mehrheit habe nicht nur immer recht, sondern auch das Recht, alles zu bestimmen, und die fehlende Standfestigkeit von demokratischen Politikern stellen so im geistigen und politischen Leben einer Demokratie eine Gefahr für die Freiheit dar.
Tocqueville, der seine französische Erfahrung auf die Zustände der amerikanischen Republiken bezieht, sieht drohend den Despotismus als Folge eines übermächtigen Strebens nach Konformität, das die Freiheit nicht gleichzeitig erhalten will. Dieser Despotismus aber kann in Anarchie umschlagen. „Sollte jemals die Freiheit in Amerika untergehen, so wird man dafür die Allmacht der Mehrheit verantwortlich machen müssen, die die Minderheiten zur Verzweiflung trieb und sie zwang, Gewalt anzuwenden. Man wird dann Zeuge der Anarchie sein, aber sie wird als Folge des Despotismus eintreten."
IV. Einheitlichkeit oder Gleichheit
Tocqueville sieht Despotismus dann heraufziehen, wenn parlamentarische Mehrheiten bestrebt sind, in alles und jedes einzugreifen, um die Gleichheit durch Einheitlichkeit voranzutreiben. Was Tocqueville, europäische Fürsten kritisierend, schreibt, ist auch eine Versuchung für parlamentarische Mehrheiten. Die Fürsten schaffen als Basis für...... jene besondere Form der Tyr annei, die man den demokratischen Despotismus nennt..., ein aus beinahe ganz gleichartigen und einander völlig gleichgestellten Individuen bestehendes Volk; diese verworrene Masse wird zwar als einzig legitimer Souverän anerkannt, aber sorgsam aller Möglichkeiten beraubt, die es ihr gestatten würden, ihre Regierung selbst zu leiten oder wenigstens zu überwachen. Über ihr steht ein einziger Bevollmächtigter, beauftragt, alles in ihrem Namen zu tun, ohne sie zu Rate zu ziehen. Um diesen zu kontrollieren, eine öffentliche Meinung ohne Organe, um sie in Schranken zu halten, Revolutionen und nicht Gesetze: de iure ein untergeordneter Agent, de facto ein Herrscher.
Die durch die Konzentration aller politischen Entscheidungsbefugnisse in einer Zentralgewalt angestrebte und entstehende Vereinheitlichung aber ist eine Bedrohung der Freiheit. Einheitlichkeit und Gleichheit der Rechte bzw. Mitwirkungsmöglichkeiten sind verschiedene Dinge. Und es ist nicht diese Gleichheit, sondern die aus falsch verstandenem Streben nach Gleichheit resultierende Einheitlichkeit, die im Gegensatz zur Freiheit steht.
In dem Maße, in dem ein zentrales Regierungsorgan alles für die Bürger einheitlich regeln will, geht die Freiheit der Bürger verloren, ob es sich nun um einen Fürsten handelt oder um eine gewählte Volksvertretung, die sich als Souverän anmaßen, um der Gleichmä-ßigkeit willen die Entscheidungs-und Handlungsbereiche der Bürger einzuengen oder zu zerstören. Ein Streben nach Gleichheit, das alles gleich regeln will, führt nicht zur Gleichheit der Rechte, sondern zur Einheitlichkeit der Rechtlosen, zur Homogenität der einer Herrschaft Unterworfenen. Dabei ist es nach Tocqueville von geringer Bedeutung, ob diese Herrschaft von einem gewählten Parlament, einem erblichen Monarchen oder einer die Zentrale kontrollierenden Aristokratie ausgeübt wird.
V. Die Selbsterziehung der Gleichen zur Freiheit in der Demokratie
Aus den angeführten Gründen verwirft Tocqueville alle zentralistischen Ordnungsentwürfe und setzt ihnen sein am Beispiel der Vereinigten Staaten von Amerika der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts gewonnenes Vorbild einer nicht-zentralen, in lokale teilautonome Republiken aufgeteilten politischen Ordnung entgegen Diese föderative, die Macht im ganzen Land unter den Bürgern verteilende politische Ordnung erlaubt es, die beiden Hauptprobleme einer demokratischen Verfassung, wie Tocqueville sie sieht, zu lösen: den Bürgern eine aktive politische Teilnahme zu ermöglichen und eine Demokratie zu schaffen, die diesen Namen — Herrschaft des Volkes — auch tatsächlich verdient, und zum anderen die Bürger für die verantwortliche Aufgabe der selbstbewußten Gestaltung der eigenen Angelegenheiten zu erziehen.
In den Notizen zum nicht mehr vollendeten zweiten Teil seiner Arbeit über das Ancien Regime und die Revolution kritisiert Tocqueville den vieldeutigen Gebrauch der Worte . Demokratie', .demokratische Institution'und .demokratische Regierung', der in Frankreich zur Verwirrung des Denkens beitrage. Einmal werde das Wort Demokratie gebraucht, um ein Land zu bezeichnen, das von einem absoluten Herrscher regiert werde, wenn dieser nur mit Gesetzen und mittels Institutionen regiere, die für die Lebensbedingungen des Volkes günstig seien. Zum anderen werde das Wort aber auch, seinem wahren Sinn entsprechend, zur Bezeichnung einer Regierungsform verwendet, „in der das Volk mehr oder weniger stark am Regieren teilnimmt“. Dieses Verständnis verbinde Demokratie aufs engste mit der politischen Freiheit während eine Herrschaft, die zwar im Interesse des Volkes regiert, dieses aber von der Teilnahme ausschließt, keinesfalls mit dem Wort Demokratie bezeichnet werden dürfe
Tocqueville spricht damit eines der zentralen politischen Ordnungsprobleme moderner Volksherrschaft an. Wenn Demokratien mehr sein sollen als Akklamationsveranstaltungen der Bürger für miteinander konkurrierende Herrschaftsgruppen, müssen sie so gestaltet sein, daß dem einzelnen Bürger eine Vielzahl von Teilnahmemöglichkeiten offensteht. Neben der Chance, die Politik der Zentrale beeinflussen zu können, müssen dezentrale politische Vereinigungen, ein System von Geschworenengerichten und eine Reihe weiterer, vor allem den örtlichen Bereich betreffenden politischen Institutionen vorhanden sein. Erst dann habe der Bürger die tatsächlichen politischen Mitwirkungsrechte und Handlungsmöglichkeiten, die politische Freiheit als praktisches Handeln zur erfahrbaren Realität des täglichen Lebens machen. Tocquevilles Kritik an der Zerstörung der lokalen Selbstregierungsrechte in Europa, die sein Werk L'Ancien Rgime und die Revolution ebenso prägen wie das Buch über die Demokratie in Amerika, ist keine Marotte des ja selbst kommunalpolitisch tätigen Autors. Tocqueville ist der festen Überzeugung, daß gerade in der Demokratie die Existenz eines reichhaltigen lokalen politischen Lebens jene Art von praktischer Freiheit zum Handeln sichert, die die Freiheit mit der Gleichheit in Einklang bringt.
„Ohne gemeindliche Institutionen kann sich eine Nation zwar eine freie Regierung geben, aber den Geist der Freiheit besitzt sie nicht" Dieser Geist der Freiheit nämlich wird nicht durch theoretisches Wissen oder eine abstrakte Liebe zur Menschheit in einem Volke lebendig, sondern in erster Linie durch praktische Erfahrung. Wer selbst in Gemeinschaft mit seinesgleichen praktische Probleme des überschaubaren Lebensbereiches zu regeln gelernt hat, lernt auch seine Mitbürger achten und das Recht lieben, über die eigenen Angegelegenheiten selbst zu bestimmen. Wer als Geschworener unter der Leitung eines Richters lernt, das Recht in Streitfällen der Mitbürger anzuwenden, erfährt das Recht der Gesellschaft als seine Angelegenheit. Und wer sich in freien Vereinigungen um die Regelung öffentlicher Angelegenheiten und Interessen bemüht, erfährt durch eigene Praxis die Demokratie der gleichberechtigten Bürger als seine ureigenste Sache: Freiheit wird praktisch, Volksherrschaft wird durchschaubar und Demokratie wird zu einem das praktische Leben gestaltenden Prinzip. Die Bürger nehmen ihre eigenen Angelegenheiten selbst in die Hand als Gleichberechtigte in Freiheit; daß sie dabei — selbstverständlich — zu unterschiedlichen Lösungen kommen, verhindert Einheitlichkeit, ist aber die Folge ihrer Gleichheit, die eine Gleichheit der Teilnahme-rechte ist.
Gleichheit, d. h. die Nicht-Existenz ökonomischer, ständischer oder gar politischer Privilegien, steht somit im Denken Tocquevilles keineswegs im Gegensatz zur Freiheit. Im Gegenteil, wenn Freiheit eine praktische Angelegenheit ist, setzt sie ein bestimmtes Mindestmaß sozio-ökonomischer Unabhängigkeit voraus, muß ein Mindestmaß an sozio-ökonomischer Gleichheit angestrebt werden, wenn die Freiheit nicht ein Privileg weniger sein soll.
Vor diesem Hintergrund müssen — entgegen einer verbreiteten kulturpessimistischen Interpretation Tocquevilles, die aus ihm einen Gegner von Gleichheit und Demokratie machen will — die kritischen Bemerkungen Alexis de Tocquevilles über konkrete Auswirkungen des Strebens nach Gleichheit gesehen werden. „Ich liebe die Freiheit aus Neigung, die Gleichheit aus Instinkt und Einsicht“, schreibt er 1837 an John Stuart Mill und er macht mit diesen Worten deutlich, daß Freiheit ihm das wichtigere Gut ist. Nur sollte man aus dieser Aussage kein Abwägen von Alternativen herauskonstruieren
Der Demokrat aus Instinkt und Einsicht war kein Gegner der Gleichheit, wohl aber sah er wegen seiner bestimmenden Liebe zur Freiheit sehr klar die Möglichkeiten einer Entartung der Demokratie zur Einheitlichkeit. Er zeichnet sie mit aller Deutlichkeit auf, nicht weil er Demokratie und Gleichheit ablehnt, sondern um rechtzeitig Gefährdungen der Freiheit bewußt zu machen. Tocqueville erweist sich damit als kritischer Freund der Demokratie
Seine kritische Freundschaft zur Demokratie und zur Gleichheit lassen ihn warnend auf die Gefährdung der Freiheit in der Demokratie hinweisen. Ihm geht es um die Verfassung der Freiheit im revolutionsgeschundenen Frankreich; und so entwickelt er seine kritisch-freundschaftliche Schilderung der Gefahren der Demokratie in zweifacher pädagogischer Absicht:
1. Mit seinen Werken und Schriften will er die Gebildeten, Einsichtigen und Vernünftigen für das Unternehmen der Errichtung und Erhaltung einer demokratischen Verfassung gewinnen, in der die Freiheit bewahrt bleibt, und 2. diese Verfassung muß durch Ausgestaltung der praktischen Handlungsmöglichkeiten vor allem in der lokalen Politik die Bürger an die durch Erfahrung gewonnene Liebe zur Freiheit gewöhnen.
Tocquevilles kritische Schilderungen sind auch als pädagogische Warnungen vor möglichen Fehlentwicklungen der Demokratie zu verstehen. Am Ende seines Buches „über die Demokratie in Amerika 1'erklärt er: „Ich sehe große Gefahren, die sich bannen lassen; große Übel, die man vermeiden oder verringern kann, und ich sehe mich mehr und mehr in dem Glauben bestärkt, daß die demokratischen Nationen in Ehre und Wohlstand leben können, wenn sie es nur wollen.“
Der Versuch, Tocquevilles kritisch abwägende Stellungnahmen zu den Ordnungsproblemen der Demokratie in eine Ablehnung demokratischer Gleichheit umzuinterpretieren, wird von den Gegnern der Gleichheit auf der Suche nach Verbündeten betrieben; aber auch die Anhänger der Demokratie neigen oft dazu, kritische Freunde dem gegnerischen Lager zuzuordnen, nur weil diese die oft unreflektierte Parteinahme der Protagonisten der Gleichheit nur mit Reserve teilen. Beide Haltungen taugen nicht für überlegendes Abwägen, sie dienen oft nur dem Bedürfnis nach einem Schwarz-Weiß-Bild für den politischen Tages-kampf.