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Skizze der innenpolitischen Lage Frankreichs 1814— 1852 Zum zeitgeschichtlichen Hintergrund der Arbeiten von A. Jardin und M. Hereth über Alexis de Tocqueville | APuZ 31/1980 | bpb.de

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APuZ 31/1980 Deutscher Widerstand im Ausland. Zur Geschichte des politischen Exils 1933-1945 Skizze der innenpolitischen Lage Frankreichs 1814— 1852 Zum zeitgeschichtlichen Hintergrund der Arbeiten von A. Jardin und M. Hereth über Alexis de Tocqueville Tocqueville als Parlamentarier Die Gleichheit als Gegner der Freiheit? Zur Problematik eines Systemvergleichs

Skizze der innenpolitischen Lage Frankreichs 1814— 1852 Zum zeitgeschichtlichen Hintergrund der Arbeiten von A. Jardin und M. Hereth über Alexis de Tocqueville

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1814 wird Kaiser Napoleon von der Armee zur Abdankung gezwungen. Mit Ludwig XVIII. kehren die Bourbonen auf den Thron zurück. Er oktroyiert die Charte constitutioneile: Nach britischem Vorbild wird ein Zweikammersystem eingeführt, die Chambre des Pairs mit erblicher Mitgliedschaft und die nach hohem Zensus gewählte Deputiertenkammer. (Das aktive Wahlrecht war an einen Besitz von mindestens 300 Francs geknüpft, nur 90 000 Franzosen waren wahlberechtigt.) Gesetzesinitiativen konnten allein von der Regierung ausgehen; die Minister sind dem König verantwortlich. Die neue Verfassung begünstigt politisch Adel und Klerus, läßt aber folgende Errungenschaften der Revolution bestehen: Die Neuverteilung der Nationalgüter-wird, zunächst noch fortgeführt; der Anteil von Adel und Klerus am Grundbesitz ging zugunsten von Kleinbauern und Besitzbürgertum zurück. Feudale Hörigkeitsverhältnisse auf dem Lande sind für die Zukunft ausgeschlossen. Der Code civilerkennt die Rechtsgleichheit der einzelnen Bürger an; persönliche Freiheit, Privateigentum, Zivilehe und Ehescheidung sind rechtlich abgesichert.

Politische Parteien: Die Ultraroyalisten (mit Karl X. als Gailionsfigur) setzen sich für die Restaurierung der alten Adelsprivilegien ein, die Independenten für die „liberalen Prinzipien von 1789“, die Doktrinäre (exponierter Vertreter: Historiker Francois Pierre Guilleaume Guizot, 1787— 1874) für eine konstitutionelle Monarchie.

1815 Die Wirren des Wiener Kongresses werden von Napoleon für die Rückkehr aus Elba benutzt; nach dem mißglückten Zwischenspiel der „Hundert Tage" und seiner endgültigen Verbannung folgt die so-genannte „Zweite Restauration": „Weißer Terror" gegen Jakobiner und Bonapartisten; Wahl der ultraroyalistischen Chambre introuvable (1816 aufgelöst); Säuberung der Behörden (70 000 Verhaftungen).

Der König will zwischen Revolution und Restauration ausgleichen und stützt sich auf gemäßigte Royalisten. Nach seinem Tod 1824 regiert Karl X. mit Kirche und Ultras. Die Reaktion versucht, das Rad der Geschichte zurückzudrehen:

Sakrileg-und Pressegesetze, die Aufsicht der Kirche über die Schulen, die Rückkehr der Jesuiten, die Auflösung der Nationalgarde und hohe Entschädigungen für die konfiszierten Güter der emigrierten Adeligen sollen die Forderungen von Adel und Klerus nach Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Macht befriedigen.

1830 führen die „Juliordonnanzen" (Auflösung der soeben gewählten, von der liberalen Opposition majorisierten Kammer, Pressezensur, Wahlrechtsänderung) am 27. 7. zur Juli-Revolution, vorbereitet u. a.

von Adolphe Thiers (1797— 1877), Historiker und Redakteur des „National“. Nach Barrikadenkämpfen in Paris dankt Karl X. ab und flieht nach England. Gegen die schwachen bürgerlich-republikanischen Kräfte und die noch unorganisierten Arbeiter läßt die Partei der Bourgeoisie (u. a. Thiers, Guizot) Louis Philippe, Herzog von Orleans (geb. 1773), unter Annahme der Trikolore zum „König der Franzosen"

proklamieren; er wird der „Bürgerkönig" genannt. Die Verfassung wird im Sinne des Großbürgertums revidiert; Ministerverantwortlichkeit und Senkung des Wahlzensus auf 200 Francs schränken die Macht des grundbesitzenden Adels und Klerus ein. Wirtschaftlich beginnt die Zeit des Kapitalismus und der Industrialisierung, vor allem im Bereich des Manufakturwesens, des Bergbaus und der Eisenbahnen. Frankreich bleibt jedoch durch die Landwirtschaft geprägt. Das Manufakturwesen ist der ausländischen Konkurrrenz in weiten Teilen unterlegen und kann sich nur durch Druck auf die Löhne der Arbeiter behaupten.

1831 und 1834 demonstrieren die Lyoner Seidenweber gegen fortgesetzte Lohnkürzungen; die militärischen Repressionen lassen die Erhebung zu einem Aufstand anwachsen, der von der Armee niedergeschlagen wird.

Mit Hilfe von Guizot setzt Louis Philippe ein konservatives Regime durch. Man sagt, in Wirklichkeit herrschten die Bankiers. Das Finanzbürgertum (pays lgal) wird mit der Aufforderung „Bereichert Euch!" gewonnen; 1842 wird die Eisenbahn privatisiert.

1846/47 Wirtschaftskrisen radikalisieren das neue Proletariat. Loius Blanc (1811— 1882) fordert Produktiv-Assoziationen, in denen die Arbeiter in demokratischer Selbstverwaltung über Produktion und Profit entscheiden sollen. Das Recht auf Arbeit soll durch die Einrichtung staatlicher Nationalwerkstätten durchgesetzt werden.

1847 Reformbankette (z. B. diejenigen von Alphonse Lamartine, 1790— 1869, des späteren Außenministers)

mit Forderungen nach Änderung des Wahlrechts und des Parlaments werden von Guizot verboten.

Dies ist der Anlaß für die Februar-Revolution.

1848 (22. — 24. 2.): Studenten, Arbeiter und die Nationalgarde erzwingen in Barrikadenkämpfen die Abdankung des Bürgerkönigs und rufen die Republik aus.

1848— 1852 Zweite Republik Die Zweite Republik mit ihren sozialen Institutionen (unter Louis Blanc als Arbeitsminister werden Nationalwerkstätten errichtet) stellt einen Kompromiß der an der Revolution beteiligten Klassen dar:

die Mehrheit bilden die Vertreter der neuen, industriellen Bourgeoisie, außerdem sind das republikanische Kleinbürgertum, die republikanische Bourgeoisie (repräsentiert durch den „National"), die dynastische Opposition und die Arbeiterklasse vertreten.

1848 März: Verkündung des allgemeinen Wahlrechts, erstmals auch für besitzlose Arbeiter und arme Bauern. 23. April: Wahlen zur Nationalversammlung: gemäßigte republikanische Mehrheit.

Mai: Massenaufstand linker Kreise.

Juni: Schließung der Nationalwerkstätten, daraufhin Arbeiteraufstand, der von der Armee niedergeschossen wird (10 000 Tote).

November: Verfassung der Zweiten Republik: eine Kammer, direkte Wahl des Präsidenten. Das um Sicherheit besorgte Bürgertum gibt 75% der Stimmen dem Neffen Napoleons I.

Dezember: Louis Napoleon (geb. 1808) wird Prinz-Präsident, aus unterschiedlichen Beweggründen zunächst gestützt von Bauern, Kleinbürgern und Arbeitern. Louis Bonaparte regiert gegen das Parlament mit Hilfe von Armee und Bürokratie.

1849 scheitert ein Aufstand; es beginnt eine Phase der Auseinandersetzung zwischen Legislative und Exekutive.

1850 März: Die Linke verzeichnet einen bedeutenden Stimmengewinn bei den Wahlen; daraufhin wird im Mai das allgemeine Stimmrecht abgeschafft.

1851 2. Dezember Staatsstreich: Auflösung der Kammer, Verhaftungen, Louis Napoleon regiert mit Hilfe der bürokratischen Exekutive und läßt sich 1852 als Napoleon III. zum „Kaiser der Franzosen durch die Gnade Gottes und den Willen der Nation“

wählen.

Einige weltpolitische Fragen, zu denen Tocqueville Stellung nimmt

Die Großmächte sind Großbritannien, Rußland, Österreich, Preußen und Frankreich. Die Juli-Revolutioneröffnet in Westeuropa die Epoche der bürgerlichen Vorherrschaft in den konstitutionellen Monarchien; in Mittel-und Südeuropa erhalten die nationalen und liberalen Bestrebungen neuen Auftrieb. Kongreß-Polen war durch die Wiener Kongreßakte 1815 Rußland zugeschlagen worden (das es vorher annektiert hatte).

Indien war britische Kronkolonie; Napoleon versuchte zweimal (1801 und 1807/08) vergeblich, den Subkontinent unter französischen Einfluß zu bringen.

Algier wird 1830 von Frankreich besetzt, Algerien dient sowohl als Kornkammer als auch als Siedlungsraum für französische Kolonisatoren. 1843 wird die Eroberung abgeschlossen.

Belgien befindet sich im Widerstand gegen die 1815 zusammengeschlossenen Vereinigten Niederlande, wird 1830 nach einem Aufstand selbständig und gibt sich 1831 eine liberale Verfassung. 1831/32 wird der Angriff der Niederlande mit französischer Hilfe abgeschlagen; Luxemburg wird aufgeteilt.

In Italien erfaßt die revolutionäre Bewegung Modena, Parma und die Romagna. Bis auf die Besetzung von Ancona (1831— 1838) bleibt die erhoffte französische Hilfe aus, so daß österreichische Truppen , die Ruhe wieder herstellen’ können.

Orient-Frage: Nach dem Abzug der Franzosen aus Ägypten (1803) usurpiert der Albaner Mohammed Ali (1769— 1849) die Macht. Seine weiteren Eroberungskriege, nationale Befreiungserhebungen und die Eingriffe der Großmächte tragen zum weiteren Verfall des Osmanischen Reiches bei, das durch innere Zerrüttung geschwächt ist. 1839— 1841 Orient-Krise: Eine britisch-russisch-preußische Übereinkunft nötigt Frankreich, die Unterstützung Ägyptens aufzugeben. Mohammed Ali wird erblicher Statthalter; das von ihm 1833 eroberte Syrien fällt an die Türkei zurück.

Biographische Anmerkungen

Barrot, Odilon (1791— 1873), Konstitutioneller Monarchist, Führer der dynastischen Linken während der Juli-Monarchie, Gegner Guizots, Mitorganisator der Reformbankette. Unter Louis Napoleon zunächst Minister, später in der orleanistischen Opposition.

Beaumont de la Bonniniöre, Gustav (1802— 1866), Publizist. War mit Tocqueville in Amerika, schrieb später dessen Biographie. Zog sich nach dem Staatsstreich Napoleons aus der aktiven Politik zurück. Billaut, Adolphe (1805— 1863), Anhänger Napoleon III.

Corcelle, Claude Tircuy de (1802— 1892), Abgeordneter 1837— 1852, 1849 Statthalter Frankreichs in Rom. Cousin, Victor (1792— 1867), Philosoph. Im Kabinett Thiers 1840 Minister für öffentliche Erziehung. Verläßt 1851 seinen Lehrstuhl an der Sorbonne.

Dulaure, Armand (1798— 1881), 1839 Minister für öffentliche Arbeiten, unter Marschall Soult 1845 Vizepräsident der Chambre. Mehrmals Minister. Konservativer Republikaner.

Espartero, Balomero (1793— 1879), spanischer General und Monarchist, 1841— 1843 Regent Zog sich 1856 endgültig zurück.

Fieschi, Giuseppe (1790— 1836), Abenteurer und korsischer Nationalist, nach Attentat auf Louis Philippe zum Tode verurteilt.

Michelet, Jules (1798— 1874), Historiker, setzte sich für die bürgerlichen Freiheiten ein. Seit 1834 Regierungsmitglied, 1848 wegen seiner liberalen Ansichten suspendiert.

Montalembert, Charles Forbes de (1810— 1870), Führer der liberalen Katholiken, seit 1835 Vorsitzender der Chambre des pairs. Unterstützt zunächst die restriktive Politik Louis Napoleons, geht aber nach dem Staatsstreich in die Opposition.

Quinet, Edgar (1803— 1875), Historiker mit liberalen und atheistischen Ansichten. Von Guizot 1846 von seiner Literatur-Professur suspendiert, 1851 verbannt.

Rivet, Jean (1800— 1872), Abgeordneter 1839— 1846 und 1848— 1851.

Villemain, Abel Francois (1790— 1870), von 1840— 1844 Erziehungsminister unter Guizot.

Die Redaktion

Fussnoten

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