Vorbemerkung
Thema der nachstehenden Ausführungen ist die Darstellung der organisierten Gruppierungen in der Bundesrepublik. Deutschland, die links von der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) einzuordnen sind. Dazu gehören einmal die Trotzkisten, die sich auf die Thesen des einstigen Stalin-Rivalen Leo Trotzki berufen. Zum anderen wird man zu diesen Linksextremisten ebenfalls — wenn auch mit gewissem Vorbehalt und vielleicht auch nur für die zurückliegenden Jahre — die „Europäische Arbeiter-Partei" (E. AP.) zählen müssen.
Der Schwerpunkt der Arbeit liegt indes auf den sogenannten maoistischen Organisationen, die zumindest früher sich voll und ganz nach der Politik der Volksrepublik China unter Mao Tse-tung ausrichteten. Ihr zunehmender innerer Zerfall und ihre ständige Erfolg-losigkeit in der politischen Öffentlichkeit verleiten sie offenbar in jüngster Zeit wieder zur Gewalttätigkeit; dies zeigten die jüngsten Vorgänge im Weserstadion Bremens am 6. Mai dieses Jahres anläßlich des 25. Jahrestages des Beitritts der Bundesrepublik Deutschland zur NATO. Hier wurden Demonstrationen von linksextremistischen Gruppen — insbesondere aber vom „Kommunistischen Bund Westdeutschlands" sowie auch vom „Kommunistischen Bund“ und von der „Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" -
zum Anlaß für blutige Straßenschlachten mit bürgerkriegsähnlichem Charakter genommen -Wiederholungen scheinen jederzeit möglich, so daß die Maoisten trotz ihrer abnehmenden Mitgliederzahlen weiterhin als eine Bedrohung für den Frieden des Landes angesehen werden müssen.
I. Die Trotzkisten
Die deutschen Trotzkisten unter ihrem Leiter Georg Jungclas konnten sich zwar in gewissem Rahmen über den Zweiten Weltkrieg hinüberretten, doch gewannen ihre Lehren vom Rätesystem und der Möglichkeit einer Fraktionsbildung innerhalb einer KP eigentliches Interesse erst mit dem Aufkommen der Studentenrevolte. In der Folgezeit bildeten sich mehre Organisationen, die untereinander zerstritten sind, aber alle die „permanente Revolution" mit dem Ziel der Errichtung des weltweiten Kommunismus anstreben. Sie fordern zunächst die Einsetzung von „Fabrikräten", die eine „Arbeiterkontrolle" über die Produktionsmittel ausüben, dann als „Doppelherrschaftsorgane" neben den staatlichen Organen zunehmend politische Aufgaben übernehmen, bis schließlich der bürgerliche Staat in der „Sozialistischen Revolution" zerschlagen und eine Rätediktatur gebildet wird.
Die Zahl der Mitglieder der verschiedenen trotzkistischen Gruppierungen in der Bundesrepublik, die sich 1974 noch auf insgesamt* 1200 1a) belief, dürfte — nicht zuletzt aufgrund mehrerer Abspaltungen — heute 800 ausmachen. Anzeichen deuten auf einen weiteren Rückgang.
Gruppe Internationale Marxisten Die bedeutendste Organisation des Trotzkismus in der Bundesrepublik stellt die Pfingsten 1969 gegründete „Gruppe Internationale Marxisten" (GIM) dar, die als Deutsche Sektion des „Vereinigten Sekretariats der IV. Internationale" gilt und ihren Sitz in Brüssel hat; führendste Vertreter dieser Richtung sind der ehemalige Trotzki-Sekretär Pierre Frank und Professor Ernest Mandel.
Hatten bereits auf der Nationalen Konferenz der GIM 1977 sich fünf „Tendenzen" gegenübergestanden, so daß eine gemeinsame Plattform nicht mehr erarbeitet werden konnte, so war es auch auf der Delegiertenkonferenz Anfang 1979 „nicht möglich, auf der Grundlage hinreichend geklärter Positionen und klarer Mehrheitsverhältnisse eine neue Leitung zu wählen" Zu Fraktionskämpfen über die Frage einer stärkeren Betriebs-und Gewerkschaftsarbeit kam es erneut auf der Nationalen Konferenz im Juni 1979; wohl konnte ein neues Zentralkomitee gewählt werden, doch sieht die GIM „die Krise der Organisation noch keineswegs als endgültig überwunden" an Die Zahl der Mitglieder, die jahrelang 600 betrug, scheint sich auf nur noch 400 zu belaufen. Die 1971 gegründete Jugendorganisation, die „Revolutionär-Kommunistische Jugend", wurde Ende 1972 aufgelöst und mit der GIM vereinigt.
Bei den Bundestagswahlen 1976 konnte die „Gruppe Internationale Marxisten" im gesamten Bundesgebiet 2 035 Erst-und 4 767 Zweit-stimmen auf sich vereinigen.
Das Organ der GIM, „Was tun“, erschien 1973/1974 monatlich in einer Auflage bis zu 7 500 Exemplaren. Drei Jahre später betrug ie wöchentlich 4 500 und dürfte — nachdem das Blatt aus primär finanziellen Gründen seit Juni 1979 wieder nur zweiwöchentlich gedruckt wird — heute unter 3 000 liegen. Hinzukommt das Informationsbulletin „Inprekorr" für den gesamten deutschprachigen Raum Mitteleuropas 500 Exemplaren. Drei Jahre später betrug ie wöchentlich 4 500 und dürfte — nachdem das Blatt aus primär finanziellen Gründen seit Juni 1979 wieder nur zweiwöchentlich gedruckt wird — heute unter 3 000 liegen. Hinzukommt das Informationsbulletin „Inprekorr" für den gesamten deutschprachigen Raum Mitteleuropas mit einer Monatsauflage von 1 500 5).
Nach Ansicht dieser Organisation ist die Sowjetunion eine „Bürokratie einer entarteten Arbeiterklasse", „die einfachste Menschenrechte der Bürger ihres eigenen Landes mit Füßen tritt" und daher „in keiner Weise den Sozialismus repräsentiert". Hatte das Vereinigte Sekretariat der IV. Internationale zu Beginn der sino-sowjetischen Differenzen noch Peking gelobt, so wird die „chinesische Bürokratie" inzwischen ebenfalls als „konterrevolutionär" gewertet, die sich „prinzipiell in nichts mehr von der Sowjetbürokratie unterscheidet"; das Zusammengehen der VR China mit den USA sei eine „vollständig reaktionäre Politik gegenüber der Weltrevolution" 6). Die Schuld an den jüngsten Kriegen in Indochina, die die Verwirrung und die Spaltung in der internationalen Arbeiterbewegung nur vertieft hätten, sieht die GIM sowohl in Moskau als in Peking. Für den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan zeigt sie indes Verständnis, war er doch „das letzte Mittel, um den Vormarsch der Reaktion zu stoppen, der die Sowjetunion selbst an ihrer Südflanke bedroht hätte". Bezeichnend für ihr Verhältnis zur UdSSR ist die Formulierung, die Trotzkisten „verteidigen den sowjetischen Arbeiterstaat, der trotz des politischen Machtmonopols der Bürokratie nach wie vor auf dem staatlichen Eigentum an den Produktionsmitteln beruht, bedingungslos gegenüber der Bedrohung durch den Imperialismus". Die Forderung nach dem Abzug der Sowjettruppen aus Kabul bedeute, „dem US-Imperialismus freie Hand zu lassen, um Afghanistan zu einem Aufmarschfeld gegen die iranische Revolution und gegen die Sowjetunion zu machen". Abgelehnt wird allerdings die Methode des sowjetischen Vorgehens nach „stalinistisch-bürokratischem Muster“ 7).
Der SPD wirft die Trotzkisten-Organisation vor, sich nicht für die Mobilisierung der breiten Schichten der Arbeiterklasse einzusetzen. Da aber die arbeitenden Menschen eine sozialdemokratische Regierung wünschten und da „in seiner Keimform hier bereits der Gedanke der politischen Machtübernahme durch die Arbeiterklasse angelegt ist", müsse „aus revolutionärer Sicht" die Forderung nach einer SPD-Regierung „trotz ihres Programms” vollständig unterstützt werden Die sogenannten „Grünen" erscheinen der GIM nicht wählbar, da diese keine Antwort wüßten „auf Mißstände und Übel dieser Klassengesellschaft" und auf dem besten Wege seien, „zu billigen Stimmvieh bürgerlicher ökologisten zu werden"
Die DDR wird scharf abgelehnt Die Lösung der deutschen Frage — die GIM bejaht die Existenz einer einheitlichen deutschen Nation — sei allein im Rahmen eines sozialistischen, wiedervereinigten Deutschlands denkbar, „was in beiden Ländern eine Revolution voraussetzt"
Bund Sozialistischer Arbeiter Der „Bund Sozialistischer Arbeiter" (BSA) und sein „Sozialistischer Jugendbund" (SJB) gehören dem „Internationalen Komitee (IK) der IV. Internationale" in London mit dem Vorsitzenden Thomas Gerald Healy an, das sich vom „Vereinigten Sekretariat" in Brüssel abspaltete. Die Zahl der Mitglieder des BSA und des SJB, die vor vier Jahren noch 300 betrug scheint auf 250 zurückgegangen zu sein. Der Einfluß beider Gruppierungen ist aber wesentlich größer, zumal sie sich recht aktiv der Jugendarbeitslosigkeit annahmen und mehrere Jahre auch einen „Europäischen Jugend-marsch" für die Sicherung von Arbeitsplätzen durchführten.
Das BSA-Zentralorgan war seit 1972 der zweiwöchentlich erscheinende „Der Funke", das sich später in „Neue Arbeiterpresse" umbenannte und seit Herbst 1976 in wohl mehreren tausend Exemplaren wöchentlich gedruckt wird; ihr Ziel ist es, noch in diesem Jahr als Tageszeitung herauszukommen. Das theoretische Organ ist die „Marxistische Rundschau".
Das seit 1974 monatlich veröffentlichte SJB-Organ heißt „links voran"; es ist mehrfarbig gedruckt und hat neuerdings eine türkisch-sprachige Beilage.
Nach Ansicht des „Bundes Sozialistischer Arbeiter" ist der Stalinismus „die wichtigste konterrevolutionäre Kraft, eine Blockade auf dem Weg zur Revolution, die es rücksichtslos zu beseitigen gilt, bevor sie weitere Verrätereien und Niederlagen verschuldet". Die fortschrittliche wirtschaftliche Grundlage der UdSSR dürfte aber nicht mit dem reaktionären Regime Breschnews identifiziert werden, und auch der BSA und der SJB „verteidigen weiterhin die vergesellschafteten Eigentumsverhältnisse und die Planwirtschaft der UdSSR gegen jede Bedrohung und jeden Angriff von Seiten des Imperialismus" Die Außenpolitik der VR China sei „absolut reaktionär". Ziel des Einmarsches in Vietnam war es, „den Kampf (Hanois) für ein einiges Indochina zu schwächen".
Die Verantwortung für die Entwicklung in Kambodscha trügen zu gleichen Teilen die Moskauer und die Pekinger Stalinisten Im Gegensatz zur GIM fordert der BSA den Rückzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan; er sieht in der Invasion Moskaus allerdings auch das Ziel, den nationalen Befreiungskampf im Iran und in den anderen arabischen Ländern zu schwächen
Innenpolitisch strebt die Trotzkisten-Gruppe „den Sturz der kapitalistischen Schmidt-Regierung" an; ebenso sei es notwendig, die „Bürokraten wie Vetter, Loderer, Brandt und ihre Politik zu entlarven". Statt dessen „muß durch die Mobilisierung eine SPD-Alleinregierung an die Macht gebracht werden" Diese habe sozialistische Maßnahmen durchzuführen, wie entschädigungslose Enteignung der Industrien und Banken unter Arbeiterkontrolle.
Die Gewerkschaften dürften nicht länger „Disziplinierungsinstrument und Lohnpolizei"
Bonns sein. Die DKP stelle eine „konterrevolutionäre Entartung" dar Die DDR lehnen auch der BSA und der SJB ab; im Unterschied zur GIM setzten sie sich aber nur bedingt für die Freilassung Bahros ein. Spartacusbund Diese Gruppe trennte sich 1971 von den „Internationalen Kommunisten Deutschlands", entstand dann nach mehreren Abspaltungen Anfang Februar 1974 in der heutigen Organisationsform, um sich 1977 wieder in vier faktisch selbständige Gruppierungen zu spalten Ihr wesentlichster Unterschied zu den anderen Trotzkisten-Organisationen besteht in ihrem Eintreten für einen Wiederaufbau der IV. Internationale, deren Bestehen der „Spartacusbund" leugnet Er hat zur Zeit wahrscheinlich weniger als 200 Mitglieder. Bei Wahlen in Bremen 1975 erhielt er 117 Stimmen.
Das Monatsorgan der Gruppe ist „Spartcus". Zusammen mit der „Internationalen Kommunistischen Liga" Österreichs hat der „Spartacusbund" seit einiger Zeit dasselbe theoretische Organ: „Ergebnisse und Perspektiven".
Den Maoismus lehnen diese Trotzkisten ebenfalls sehr scharf ab; er habe China nur . Aus-pressung, politische Entrechtung und Unterdrückung" gebracht Im Gegensatz zur GIM sah der „Spartacusbund" Vietnam schon früher als „bürokratisch deformierten Arbeiterstaat" an und gibt die Schuld an den Kriegen in Indochina sowohl Peking als Moskau, aber gerade auch Hanoi Wie auch die anderen Trotzkisten-Gruppen rechtfertigt er die Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran; im Unterschied zu ihnen sieht er andererseits, daß das jetzige „reaktionäre islamische Regime" nicht in der Lage ist, die wirtschaftlichen Probleme des Landes zu lösen.
In der Bundesrepublik Deutschland werfen diese Trotzkisten den „Grünen" vor, daß ihre Haltung von der Ökologie bestimmt werde und nicht vom Bestehen der „kapitalistischen Ausbeuterordnung"; auch würden sie die Umweltzerstörung als das Primäre sehen und „gewaltlos, ohne die Unterstützung des Proletariats" vorgehen Der „Spartacusbund" bejaht die Wiedervereinigung Deutschlands; sie setze indes in der Bundesrepublik durch eine soziale Revolution die Beseitigung der Bourgeoisie und in der DDR durch eine politische Revolution den Sturz der dort herrschenden stalinistischen Bürokratie voraus.
Posadistische Kommunistische Partei Diese „Deutsche Sektion der IV. Internationale Trotzkisten-Posadisten" ist auf die Linie des südamerikanischen Trotzkisten-Führers Posada eingeschworen. Angesichts ihrer sehr geringen Mitgliederzahl — wahrscheinlich weniger als 30 — und ihrer zunehmenden Bedeutungslosigkeit ist sie höchstens noch wegen ihrer internationalen Verbindungen zu verschiedenen westeuropäischen und südamerikanischen Trotzkisten-Gruppierungen gleicher Ausrichtung beachtenswert.
Ihr Organ ist die seit 1968 monatlich erscheinende . Arbeiterstimme". Daneben gibt es als theoretisches Organ die „Marxistische Zeitschrift" sowie die Broschüren-Serie „Wissenschaft, Kultur und Politik".
Die Sowjetunion ist ihrer Meinung nach „der natürlichste Verbündete des Fortschritts"; der Stalinismus „war nur , ein Unfall der Geschichte', auch wenn er viele Jahre überdauerte" Die Führer der VR China hingegen müsse man „wie Stalin" werten; sie seien „klar und eindeutig Konterrevolutionäre" und „gegen die Vernunft und die Notwendigkeit der Geschichte" Im Gegensatz zu anderen Trotzkisten werten die Posadisten den Einmarsch der Vietnamesen in Kambodscha als „etwas Notwendiges, um den Fortschritt anzuspornen" — eine Aktion, „die wir als einen notwendigen Teil für die sozialistische Entwicklung der Menschheit sehen" Auch die Invasion Moskaus in Kabul wird positiv gewertet, habe diese doch „nicht den Zweck, ein Land zu besetzen ..., sondern das Voranschreiten der Konterrevolution zu verhindern". Afghanistan habe eine strategische Bedeutung, „infolgedessen muß es jedem Linken klar sein, daß es sich in den Händen der Revolution befinden muß". Die sowjetische Intervention zu verurteilen, „bedeutet für die Konterrevolution Stellung zu nehmen". Gefordert wird im gleichen Zusammenhang eine Einheitsfront gegen alle westlichen Boykottmaßnahmen gegenüber dem Ostblock Im Unterschied zu den anderen Trotzkisten-Richtungen lehnen die Posadisten die SPD scharf ab; sie habe „nicht das notwendige Programm noch die notwendige Politik" Den „Grünen" hingegen stehen sie durchaus positiv gegenüber. Auch ihr Verhältnis zur DKP ist keineswegs negativ. Auffällig erscheint ihre positive Einstellung zur DDR, die „trotz der Bürokratie, trotz der Intershops, trotz der Privilegien der Bürokratie" „eine Weltmacht" sei: „Mit all unseren kommunistischen Gefühlen begrüßen wir den 30. Jahrestag des deutschen Arbeiterstaates und die sozialistische Bedeutung, die er für die gesamte Menschheit hat."
II. Europäische Arbeiter-Partei
Nachdem im Juli 1973 in Düsseldorf die „European Labour Committees" (E. L. C.) — auch „Europäische Arbeiterfraktionen" genannt — als Teil der internationalen Labour Committees-Bewegung gegründet worden waren, bildete sich Ende Dezember des gleichen Jahres die „Europäische Arbeiter-Partei" (EA. P.). Der Schwerpunkt dieser Bewegung befindet sich in den USA. Ihr Gründer und Führer ist Lyndon H. La Rouche, ein ehemaliger Trotzkist, der in diesem Jahr der Präsidentschaftskandidat der amerikanischen Labor Party ist; zweiter Vorsitzender zumindest in den letzten Jahren war Elijah Boyd, ehemals Mitglied der linksextremistischen „Black Panther Party". In der Bundesrepublik Deutschland dürfte die „Europäische Arbeiter-Partei" etwa 200 bis 300 Miglieder haben.
Bei den Bundestagswahlen 1976 erreichte sie 3 179 Erst-und 6 851 Zweitstimmen. Die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen 1975 brachten ihr 324 und die damaligen Bremer Bürgerschaftswahlen bzw. diejenigen vier Jahre später 62 bzw. 169 Stimmen. Bei den Europawahlen 1979 wurden 31 847 Stimmzettel für die E. A. P. abgegeben. Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg 1980 votierten 152 Stimmberechtigte für sie, vier Jahre zuvor waren es 191. Bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai 1980 erhielt sie 680 Stimmen. Häufig äußert die EA. P. dann den Verdacht auf Wahlfälschungen und gibt der „korrumpierten Presse" bzw.der „Manipulierbarkeit der Wählerschaft" die Schuld.
Ihre Wochenzeitung ist die „Neue Solidarität", deren deutsche Ausgabe — sie erscheint in insgesamt fünf Sprachen — vor sechs Jahren in wohl 15 000 bis 20 000 Exemplaren verbreitet wurde und heute eine Auflage von schät-zungsweise 4000 bis 5000 hat 274). Das theoretische Organ der E. A. P. ist das „Internationale Bulletin". Durch ein kostspieliges Fernschreibnetz hält das Deutschland-und Europa-Büro der Partei die Verbindungen zu den USA. Mutmaßungen, daß von dort auch finanzielle Unterstützungen kämen, lassen sich indessen nicht beweisen.
Die Ziele der E. L. C. und E. A. P. erscheinen sehr verworren: In den zurückliegenden Jahren wollten sie in einem revolutionären Prozeß ein sozialistisches Rätesystem errichten, das weder den orthodoxen kommunistischen noch den maoistischen Vorstellungen entspricht, sondern einen „freien Sozialismus" verwirklicht. Beabsichtigten sie im Oktober 1974 noch den Aufbau „einer Einheitsfront sämtlicher Organisationen der Arbeiterklasse und Bauern", so war kurz danach ihr Nahziel, „die revolutionäre Intelligentia zu einer Initiativgruppe von sozialistischen Kadern zu organisieren" und sich dann an die Vorhut der Arbeiterklasse selbst zu wenden Ein Jahr später schlugen sie zunehmend eine prosowjetische Linie ein und behaupteten, die KPdSU habe sich ihrem Standpunkt soweit angenähert, daß sie unabhängig voneinander auf strategische Probleme mit einer „fast identisch formulierten Politik" antworten würden. Dennoch wurden die E. L. C. und die E. A. P. von der DKP weiterhin als „CIA-Agenten" gemieden Seit zwei Jahren ist zumindest im Programm der E. A. P. in der Bundesrepublik ein stärkerer humanistischer Zug zu verspüren. In dem auf ihrem 3. Bundesparteitag im März 1978 verabschiedeten Statut sieht die EA. P. sich als eine Vereinigung, „die auf dem höchsten Stand der modernen Wissenschaft die Kontinuität der platonisch-humanistischen Tradition Europas fortsetzt". Ihre Weltanschaung stelle die „Fortsetzung Politik des . Grand der Design'dar, sie von früheren politischen Führern (den Salier-und Hohenstaufenkaisern, Heinrich IV von Frankreich und dem großen Gottfried Wilhelm Leibniz) betrieben wurde". Es liege „in der besonderen Verantwortung der E. A. P., auf die Mobilisierung von Facharbeitern und angelernten Arbeitern als organisierte politische Kraft hinzuwirken und ihnen ihr grundlegendes Selbstinteresse an der Förderung humanistischer Politik national und international bewußt zu machen". Ziel sei, die Bundesrepublik „auf der Grundlage wissenschaftlich-technologischen Fortschritts als humanistische demokratische Republik zu gestalten" Gelegentlich bezeichnet sich die EA. P. auch als Elite: „Wir sind die Repräsentanten der humanistischen Elite, die als geistiges Erbe von Plato, Leibniz und Franklin die Methode und Lösung für die Frage nach der Weiterexistenz der menschlichen Gesellschaft kennt."
Charakteristisch für die Aussagen der EA. P. ist die völlige Ablehnung der USA und ihrer Regierung mit Anschuldigungen, die fern jeglicher Objektivität stehen — so sei Hitler „ein Geschöpf angloamerikanischer strategischer Interessen nach dem Ersten Weltkrieg" gewesen, habe Kissinger das Blutbad bei der Olympiade in München im September 1972 angeordnet und stünde der größte Teil der internationalen Terroristen (wie die Baader-Meinhof-Bande und die Rote Brigaden) unter amerikanischer Kontrolle Immer wieder wird dabei der Vorwurf einer Verschwörung der Familie Rockefeller mit dem Ziel einer „faschistischen Weltdiktatur" erhoben.
Primärer Feind der EA. P. scheint indes England zu sein: Die Briten hätten im Winter 1932— 1933 bereits Hitler an die Macht gebracht und ohnehin „schon zwei Weltkriege verursacht" — „die größte Gefahr Europas und der Menschheit ist die von London provozierte Gefahr eines neuen Weltkrieges" Hinter dem gesamten illegalen Drogenhandel in der Welt soll ebenfalls „die Aristokraten-und Bankiers-Oligarchie Großbritanniens" stehen Auffällig ist nicht zuletzt, daß die EA. P. in den Politikern der neueren Geschichte und der Gegenwart „britische Agenten" sieht
Andererseits fehlen gegenüber der Sowjetunion kritische Formulierungen fast völlig. In ihrer Politik fand eine, wie ihr Organ schrieb, qualitative Wende zum Besseren statt. Breschnew „vessucht, der Welt den Frieden zu bringen"; das einzige Bollwerk gegen einen Krieg stelle die Achse Bonn-Paris-Moskau dar Scharf ablehnend wiederum ist die Haltung gegenüber der VR China, dessen Geopolitik sogar Hitler-Deutschland in den Schatten stelle. Pekings Krieg gegen Vietnam sei ein Versuch der KPCh-Führung gewesen, „eine militärische Konfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion herbeizuführen", wie Deng Xiaoping ohnehin die USA auf einen Weltkrieg programmiere
In ihrer „Erklärung zur Außenpolitik der Bundesregierung Deutschlands" behauptet die EA. P., sie hätte „fundierte Beweise, die belegen, daß Willy Brandt, Leber und Genscher diese Politik auf direkte Anweisung der Rokkefeller-Familie durchführen" Bundeskanzler Schmidt hingegen wird gelobt, und zwar sowohl wegen seiner politischen Haltung gegenüber Paris als gerade auch wegen seiner wirtschaftlichen Kontakte zu Moskau; durch die Handelsabkommen der Bundesrepublik Deutschland mit der Sowjetunion werde „der deutsche Arbeiter an einem welthistorischen Unternehmen teilhaben, daran, die Welt zu verändern, die Grundlagen dafür zu schaffen, daß die Bemühung, die menschliche Stufe der . schönen Seele zu erreichen, Erfolg haben kann. In der richtigen Weise entworfene und durchgeführte Wirtschaftsabkommen können dem Bundesbürger den Sinn der Existenz seiner Seele wiedergeben, den Sinn seines Lebens ... Der deutsche Arbeiter, der solche Vorteile gewinnt, wird pornographische Schriften und andere unwürdige Unterhaltungsstoffe mit Verachtung in die Ecke werfen und sich statt dessen Heine, Schiller und Beethoven zuwenden. . ."
Bezeichnend für die E. A. P. ist auch ihr konstantes Eintreten für die Kernenergie: „Wer diese Politik ablehnt, gehört zu den Feinden der Menschheit und muß in der Praxis auch als solcher behandelt werden." Die „Grünen" seien eine Strömung, „die fanatisch anti-industriell und fortschrittsfeindlich ein Sammelbecken von Anthroposophen, Vertretern maoistischer Sekten, NPD-Wählern ... darstellt" und die Menschen „in ein neues finsteres Mittelalter stürzen" Zur DDR äußert sich die E. A. P. überhaupt nicht.
In jüngster Zeit werfen seriöse ausländische Zeitungen der amerikanischen Labor Party ein starkes Einschwenken auf den Rechtsradikalismus und den Antisemitismus vor Vereinzelt ist dies auch in der „Neuen Solidarität" zu spüren — etwa die Behauptung, daß es angesichts des drohenden nuklearen Holocaust „nicht den geringsten qualitativen Unterschied zwischen der Moral der Zionisten und den schlimmsten Nazis" gebe. Ob die E. A. P. in der Bundesrepublik diesen augenscheinlichen Kurswechsel mitvollziehen wird, bleibt abzuwarten.
III. Die Maoisten
Bei den verschiedenen pro-chinesisch-kommunistischen Gruppierungen ließen die politischen Erschütterungen in der Volksrepublik China — der Tod Mao Tse-tungs und die Verhaftung der „Viererbande" mit der Nachfolge Hua Guofengs, die wirtschaftliche Öffnung Pekings für den „Kapitalismus" sowie das Ende der „ewigen Freundschaft" mit Albanien — die Aktivitäten und die Mitgliedschaften stark zurückgehen. Der Überfall Vietnams auf Kambodscha und der begrenzte Krieg der Volksrepublik China gegen die Volksrepublik Vietnam trugen zu weiterer Erschütterung der „Maoisten" bei. Die ständige Überforderung der einzelnen Mitglieder und die im krassen Gegensatz zu dem Avantgarde-Anspruch der einzelnen Gruppen stehende Wirklichkeit der westlichen Demokratie kamen hinzu. Heute umfassen die einzelnen — unter sich weiterhin sehr zerstrittenen — Maoisten-Organisationen insgesamt vielleicht noch rund 5 500 Mitglieder
KPD/ML Die „Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten" (KPD/ML) zählte vor Jahren etwa 800 Mitglieder und konnte in Einzelfällen mehr als 2 000 Demonstranten mobilisieren; heute hat sie noch etwa 600 Mitglieder Ihre 1975 gegründete Jugendorganisation „Rote Garde" mit der Sektion „Kommunistischer Studentenbund/ML" dürfte unverändert 450 feste Anhänger haben. Als Nebenorganisation der KPD/ML ist die „Rote Hilfe" für die „politisch Verfolgten" anzusehen. Sehr eng mit der KPD/ML ist auch die „Revolutionäre Gewerkschaftsopposition" (RGO) verbunden, die Ende November 1979 auch bundesweit gegründet wurde und die eine „organisierte innergewerkschaftliche Opposition" innerhalb des DGB sein will. Äußerlich organisatorisch unabhängig ist die im Oktober 1979 entstandene „Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg, für Freiheit und Demokratie, Wohlstand und Frieden", die den „Vormarsch der Reaktion" in der Bundesrepublik stoppen möchte.
Bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg 1978 erhielt die KPD/ML 911 Stimmen, vier Jahre zuvor hatte sie noch 3 001 bekommen. Danach hat sie sich nicht mehr an Wahlen beteiligt, sondern zu ihrem Boykott aufgerufen.
Das Zentralorgan der KPD/ML ist der seit geraumer Zeit wöchentlich erscheinende „Rote Morgen", dessen Auflage unverändert bei etwa 10 000 Exemplaren liegen dürfte. Das theoretische Organ „Der Weg der Partei" erscheint seit 1978 zweimonatlich. Das monatliche Zentralorgan der „Roten Garde" ist „Roter Rebell"; früher existierte es als Beilage „Die Rote Garde" im „Roten Morgen". Die „RGONachrichten" werden seit geraumer Zeit ebenfalls monatlich veröffentlicht, gelegentlich auch in Türkisch.
Noch beim Tode Mao Tse-tungs hatte die Organisation in ihrem Beileidstelegramm ihm „ewigen Ruhm" versprochen. Auch im Grußtelegramm an die KPCh im Juli 1977 versprach sie, sein Andenken immer in Ehren halten und seine Lehren stets verteidigen zu wollen Danach fiel es auf, daß auch nach der Verhaftung der 'Viererbande" die KPD/ML die Schriften Yao Wenyuans propagierte und stets Deng Xiaoping als „kapitalistischen Machthaber" attackierte. Der eigentliche Bruch mit Peking erfolgte, als sie der KPCh in einem Brief Vorwürfe machte und die KPCh diesen Brief dann zurückschickte. Das außen-politische Konzept der chinesischen Führung in Form der „Drei-Welten-Theorie“ (nach der die gefährlichere Supermacht UdSSR ist, während der mindere „Hauptfeind" in den USA zu sehen ist) wurde von der KPD/ML als „Propagierung der Klassenversöhnung" und „Spielart des modernen Revisionismus" scharf verworfen Im August 1978 warf sie Mao Tse-tung vor, seine Beiträge zur Weiterentwicklung des Marxismus-Lininismus stellten in Wahrheit „eine Abweichung" dar — „Mao Tse-tung ist kein Klassiker des Marxismus-Leninismus". Hatte der Zeitungskopf des „Roten Morgen" zwölf Jahre lang die Köpfe von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao gezeigt, so verschwand jetzt das Bild des chinesischen KPCh-Führers Anfang 1979 stellte der IV. Parteitag der Organisation fest, „die Mao-Tse-tung-Ideen widersprechen dem Marxismus-Leninismus", und neuerdings werden die Gedanken Maos sogar für Fehler innerhalb der KPD/ML verantwortlich gemacht Inzwischen hat sich dieses Negativbild auf die gesamte VR China ausgedehnt; eine kürzlich erschienene Ausgabe des theoretischen Organs trug die Überschrift „ 30 Jahre Volksrepublik China — 30 Jahre Lüge und Betrug". Peking stehe „auf der Seite der Konterrevolution", und man habe es dort „nicht mit Kommunisten, sondern mit Verrätern am Kommunismus" zu tun Zugleich verstärkte die KPD/ML ihre bisherigen Kontakte zur Partei der Arbeit Albaniens und propagiert ebenfalls verstärkt Leben und Lehre Josef Stalins.
Hatte sie früher sowohl Vietnam als auch Kambodscha positiv beschrieben, hieß es später, beide seien nicht sozialistisch und ihr gegenseitiger Krieg habe „nicht das geringste mit der Sache des Sozialismus zu tun". Den Einmarsch der VR China in Vietnam wurde mit dem Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen verglichen und sei „eine nackte, imperialistische Aggression" Scharf verurteilt wurde ebenfalls die Invasion der sowjetischen Truppen in Afghanistan, doch tritt die KPD/ML „im Interesse des Olympischen Geistes und der Völkerverständigung" für die Durchführung der Olympischen Spiele in Moskau ein
Innenpolitisch wird eigentlich alles negiert, besonders rüde ist die Diktion gegenüber dem CDU/CSU-KanzIerkandidaten Strauß. Den Bau von Atomkraftwerken lehnt die KPD/ML ab und rühmt sich sehr ihrer Beteiligung an den damaligen Schlägereien in Brokdorf Den „Grünen" wirft sie indes vor, „ihre Anhängerschaft vom Weg des Klassenkampfes abzubringen, deren Protest ausschließlich auf Atomenergie-und Umweltfragen zu konzentrieren" und somit letztlich nur ein „Hilfstrupp der Reaktion" zu sein Die Bundeswehr, heißt es, sei „eine Gefahr für den Frieden. In ihren Kasernen werden mit maßlosem Drill, mit Barrasmethoden und Schinderei wieder Arbeitersöhne, Schüler und Studenten zu willigen Befehlsempfängern gemacht: Kanonenfutter für einen neuen Krieg der Reichen!" Andererseits sieht die KPD/ML es für jedes Mitglied als Pflicht an, die Dienstzeit bei der Bundeswehr abzuleisten, „um dort umfangreiche Waffenkenntnisse zu erwerben“; neuerdings will man zur Zersetzung innerhalb der Bundeswehr . Antimilitaristische Komitees“ aufbauen
Die KPD/ML tritt für die Wiedervereinigung Deutschlands auf sozialistischer Grundlage ein. Die heutige DDR wird von ihr entschieden abgelehnt — obwohl zugleich ihre Gründung als solche bejaht wird — und die Berliner Mauer sehr scharf verurteilt. Die Organisation behauptet, Ende 1975 in der DDR eine illegal arbeitende „Sektion DDR" gegründet zu haben; unbestritten ist, daß die KPD/ML durchschnittlich alle drei Monate eine besondere Ausgabe des „Roten Morgen" auf Dünndruckpapier in Doppelbriefgröße herausgibt und sie auf dem normalen Postwege sowie auch durch Kuriere in die DDR einschleust
KPD Die Juni 1971 gegründete „Kommunistische Partei Deutschlands", die aus der sich 1970 gebildeten „Kommunistischen Partei Deutschlands/Aufbauorganisation" (KPD/AO) hervorging. trat in den zurückliegenden Jahren durch etliche Gewaltaktionen hervor; die spektakulärste war im April 1973 die Erstürmung des Bonner Rathauses anläßlich des Besuches des damaligen südvietnamesischen Staatspräsidenten. Im Sommer 1974 gab die KPD die Zahl ihrer Mitglieder und Kandidaten mit 5 000 an Sie konnte zwar bei bestimmten Anlässen mehrere Tausend Sympathisanten mobilisieren, doch dürfte die Zahl ihrer festen Anhänger kaum jemals über 1 000 hinausgegangen sein; schon 1978 ist sie wieder auf rund 550 zurückgegangen Bereits ein Jahr später räumte die Führung der Organisation eine zunehmende Isolierung ein. Im Dezember 1979 mußte die KPD feststellen, daß ihre ursprünglichen Vorstellungen über den Weg zum Sozialismus oder zum Aufbau der Partei „illusorisch" gewesen seien — „der Weg, den sie dazu eingeschlagen hat, ist gescheitert. Es ist unserer Partei nicht gelungen, nennenswerten Einfluß in der Arbeiterklasse zu erringen" Anfang Januar dieses Jahres veröffentlichte das KPD-Zentralorgan einen Leserbrief von 41 Mitgliedern, in dem es heißt: „Wir sind der Meinung, daß die KPD als KPD gescheitert ist. Wir haben den Anspruch erhoben, die Partei der Arbeiterklasse zu sein — wir sind es bis heute nicht. Und es ist auch nicht sichtbar, wie wir es werden könnten." Obwohl diese Ansicht die allgemeine Stimmung der Mitglieder wiedergab, widersprach eine andere KPD-Gruppe dem Antrag, die Auflösung zu beschließen, mit dem Plan der Bildung einer lockeren „Organisation von Kommunisten" Auf dem III. Parteitag der KPD Anfang März dieses Jahres indes wurde „fast einmütig" die Auflösung der KPD beschlossen. Einige der einzelnen Stellungnahmen von Mitgliedern und Funktionären hoben die eigene „Isolation und gesellschaftliche Wirkungslosigkeit" hervor. Die letzte Presseerklärung der KPD stellte fest: „Wir waren erfolglos, weil wir gegenüber den Herausforderungen (der heutigen Zeit) keine überzeugenden Antworten fanden." Im Februar 1980 hatte die Partei wohl nur knapp 400 Mitglieder. Die Nebenorganisationen der KPD — wie der „Kommunistische Jugendverband" und der „Kommunistische Studentenverband" — und ihre Hilfsorganisationen — wie die „Liga gegen den Imperialismus" und die „Rote Hilfe e. V." — hatten bereits 1979 ihre Tätigkeit eingestellt Die KPD, die bei den Bundestagswahlen 1976 immerhin 8 821 Erst-und 22 901 Zweitstimmen erhalten hatte, ging seit 1978 bei Wahlen in den einzelnen Bundesländern Wahlbündnisse mit den „Grünen" bzw. „Alternativ-Listen" ein; zugute kam ihr dabei, daß sie sich stets gegen Atomkraftwerke ausgesprochen hatte. Da es mit den anderen Maoisten-Organisationen „keine gemeinsame politische Plattform" gebe, sei dies „ein Schritt voran im Zusammenschluß der linken Kräfte". Eine Stimmabgabe zugunsten der SPD hatte die KPD stets abgelehnt
Das wöchentliche Zentralorgan, die „Rote Fahne“, hatte 1974 rund 16 000 Exemplare. Eine vier Jahre später initiierte Spendenkampagne zugunsten dieses Organs brachte nicht einmal die Hälfte des angestrebten Betrages von 300 000 DM; die „Rote Fahne" mußte deshalb in größerem Maße subventioniert werden. Ende 1979 gestand die Redaktion, daß die Zeitung „zu wenig Ausstrahlungskraft hat, als daß sie von den Genossen der Partei ernst genommen und über den Kreis unserer Organisation hinaus wichtige Kräfte ansprechen würde" — „Arbeiter lesen die Zeitung kaum" Die verkaufte Auflage scheint bei Jahresbeginn nur noch 4 800 Exemplare betragen zu haben. Das theoretische Organ der KPD war die vierteljährlich erscheinende „Theorie und Praxis". Die Monatsorgane der beiden Nebenorganisationen hießen „Kämpfende Jugend" und „Dem Volke dienen" und die der Hilfs-Organisationen „Internationale Solidarität" sowie „Rote Hilfe".
Ein sehr wesentlicher Grund des Scheiterns der KPD war gewiß ihre vorbehaltlose Übernahme der wechselhaften Politik Pekings. War sie früher für den Sturz Deng Xiaopings, so begrüßte das Politbüro der KPD genauso den Beschluß über seine Wiedereinsetzung, und die „Rote Fahne" schrieb: „Wir sehen keinen Anlaß, eine andere Haltung zu dieser Frage einzunehmen als die KP Chinas und das chinesische Volk". In der „Drei-Welten-Theorie" sah man „eine korrekte Orientierung" und verurteilte wegen ihrer Ablehnung das bisher befreundete Albanien Genauso erblickte die Organisation in den „Vier Modernisierungen" keine „Entmaoisierung, sondern geradezu die Erfüllung des Vermächtnisses Mao Tsetungs". Auch der Angriff der VR China auf Vietnam wurde als „völkerrechtlich legal im Rahmen der UNO-Charta" propagiert — „Nicht China war der Aggressor, sondern Vietnam." Erst Ende Oktober 1979, als in Peking der Dissident Wei Jingshen zu 15 Jahren Gefängnis abgeurteilt wurde, ging die KPD auf Distanz zur Volksrepublik. Ihre Haltung gegenüber der UdSSR war stets feindlich — „Breschnew ist der Hitler von heute“ —, genauso wie sie die Entspannung ablehnte und sich für die oppositionellen Strömungen in Osteuropa sehr einsetzte. Über das früher gelobte Pol-Pot-Regime erklärte schließlich das KPD-Organ, „daß in den neubefreiten Provinzen sicherlich viel Blut vergossen worden ist, das vom Standpunkt der revolutionären Zweckmäßigkeit nicht hätte vergossen werden dürfen“ Scharf verurteilt wurde die Aggression Moskaus gegen Afghanistan. Um die Sowjetunion international zu isolieren, befürwortete die KPD einen Olympia-Boykott.
Die KPD sprach sich gegen „die menschenunwürdige Behandlung" der Soldaten der Bundeswehr aus, propagierte jedoch andererseits, daß möglichst große Teile der Bundeswehr im Falle eines Überfalls Widerstand leisten sollten. Sie wollte sich an die Spitze eines solchen Verteidigungskrieges stellen und zum „bewaffneten Volkskrieg" übergehen In der DDR sah sie „eine faschistische Diktatur über die Arbeiterklasse und das Volk" und trat für die Wiedervereinigung ein
KBW Der „Kommunistische Bund Westdeutschlands", zu dem sich im Juni 1973 mehrere lokale Gruppierungen zusammenschlossen, versteht sich noch nicht als kommunistische „Partei", sondern will erst „die Voraussetzungen für die Neugründung der Kommunistischen Partei Westdeutschlands" schaffen Vor zwei Jahren verließ etwa ein Drittel der Mitglieder — darunter führende Funktionäre — die Organisation, um später die „Komitees für Demokratie und Sozialismus“ zu gründen. Inzwischen aber konnte der KBW, der zuvor etwa 2 500 Mitglieder und weitere 1 000 engere Sympathisanten zählte — bei Demonstrationen konnten bis zu 8 000 Personen mobilisiert werden —, seine Mitgliedsstärke wieder auf rund 2 400 erhöhen Die Nebenorganisationen des KBW sind die „Kommunistischen Jugendbünde" (KJB), die „Kommunistischen Hochschulgruppen" (KHG), die „Gesellschaften zur Unterstützung der Volkskämpfe" (GUV) — in denen Intellektuelle organisiert sind — sowie die „Soldaten-und Reservistenkomitees"; diese Organisationen sind indes den 38 KBW-Bezirksleitungen zugeordnet, nicht hingegen zusam -zu Bezirksverbänden mengeschlossen. Die Mitgliederzahl ging inzwischen von etwa 5 800 im Jahre 1977 auf ca. 2 500 zurück Angesichts besonders rigoroser Geldeintreibungen unter den Mitgliedern — dazu gehört auch sehr häufig die Auflösung ihrer Bausparverträge, Bankguthaben und Erbschaften — wird das Vermögen der Organisation gegenwärtig auf etwa zehn Millionen DM geschätzt Die Mittel für den Kauf der neuen Parteizentrale (1977) in Höhe von 2, 7 Millionen DM stammen ebenfalls aus Spenden der Mitglieder und Sympathisanten.
Bei den Bundestagswahlen 1976 erhielt der KBW 21 415 Erst-und 19 970 Zweitstimmen. Zwei Jahre später mußte seine Führung nach Wahlen in Norddeutschland allerdings einräumen, „daß fast alle Stimmen von Schülern, Studenten und jüngeren Lehrern, die der KBW in Hamburg und Niedersachsen hatte, verlorengegangen sind. Diese Verluste wurden durch Stimmfortschritte auf dem Lande und bei den Arbeitern und Angestellten nicht ausgeglichen“ Die letzten Landtagswahlen in Baden-Württemberg brachten dem KBW 2 062 Wähler, vier Jahre zuvor waren es 5 751. Bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai 1980 bekam er 2 358 Stimmen. Das wöchentliche Zentralorgan des KBW, die „Kommunistische Volkszeitung" (KVZ), erscheint seit Ende 1976 in drei Regionalausgaben. Die wöchentliche Auflage, die 1974 bei 55 000 Exemplaren lag, dürfte heute vielleicht 20 000 ausmachen. Das theoretische Organ, „Kommunismus und Klassenkampf", wurde bis 1976 vierteljährlich in 15 000 Exemplaren veröffentlicht, seitdem monatlich in rund 10 000. Der KBW sprach Hua Guofeng zur Ernennung zum Vorsitzenden der KPCh „revolutionäre Glückwünsche" aus, doch nahm er hinsichtlich der Verurteilung der „Viererbande" zumindest zunächst eine sehr zögernde Haltung ein Der Überfall Pekings auf Vietnam wurde als eine „Politik der Verteidigung des Friedens" hingestellt, die Truppen der VR China seien „zum Gegenangriff gegen vietnamesische Aggressionen gezwungen" gewesen. Im gleichen Zusammenhang schrieb das theoretische Organ des KBW: „Die Politik der VRCh, auch dort, wo sie militärische Mittel einsetzt, vermindert die Gefahr des Weltkrieges... Sie verbessert die Bedingungen, um dem eigentlichen imperialistischen Krieg durch Revolution zuvorzukommen. Das gilt gerade für Europa, und gerade die europäische Arbeiterklasse, die in ihrem Kampf so langsam vorankommt, kann den größten Nutzen aus dieser Politik ziehen." Seit dem Bruch zwischen Peking und Tirana werden die zuvor propagierten Thesen Albaniens als „Ultraimperialismus reinsten Wassers" hingestellt Genauso hieß es bei Hanois Aggression gegenüber Kambodscha über das bisher gepriesene Vietnam, daß der dortige „Nationalismus in Chauvinismus umgeschlagen und die Staatsmacht zum Instrument hegemonialer Interessen der herrschenden Revisionistenclique geworden (ist)“ In Kambodscha hingegen wurde selbst die brutale Umsiedlungspolitik Pol Pots als „ein Schlag gegen die Imperialisten und ihre Agenten" verteidigt Die Sowjetunion lehnt der KBW ab und greift ihre Militärintervention in Afghanistan scharf an. Die Organisation tritt für den Boykott der Olympischen Sommerspiele in Moskau ein: „das könnte so-wohl gegen den Panzerexpansionismus wie gegen das Entspannungsgesäusel wirken" -
Innenpolitisch hat der „Kommunistische Bund Westdeutschlands" den Bau von Kernkraftwerken stets bekämpft, andererseits kritisiert er die „Grünen" wegen ihres „reaktionären Programms" Der KBW strebt in seinem Programm die Ersetzung der Bundeswehr durch eine allgemeine Volksbewaffnung an, bei der die Offiziere gewählt werden sollen. Die Bundeswehr wird abgelehnt, auch für den Fall eines Verteidigungskrieges: „Narren müßten wir erstens sein, weil es nicht geht, denn die Bourgeoisie ist imperialistisch und bleibt es auch, wenn sie angegriffen wird, eine Umstellung auf Verteidigung ist undenkbar wie auch Verbrechen am Interesse des Proletariats." Zur Zersetzung der Bundeswehr geben die „Soldaten-und Reservistenkomitees" gelegentlich besondere Flugblatt-Zeitungen heraus. Meldungen in den zurückliegenden Jahren über direkte Sabotage an Bundeswehr-Waffen wurden vom KBW zurückgewiesen
Die DDR wird negativ beurteilt Eine direkte Wiedervereinigung Deutschlands strebt der KBW allerdings nicht an. Sein Nahziel ist vielmehr der Abschluß eines Friedensvertrages mit den Siegermächten, der „den Weg freimacht für die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes der deutschen Nation". Indes: „Nicht Einheit der Nation, sondern die Befreiung von der Vorherrschaft der beiden Supermächte, um den Sturz der Herrschaft der Bourgeoisie zu erleichtern und die Gefahr des imperialistischen Krieges zu bekämpfen, macht den Hauptinhalt dieser Forderung aus.“ Das Selbstbestimmungsrecht ist nur „Hebel für die proletarische Revolution"
KB Der „Kommunistische Bund" (Nord) ging Ende 1971 aus dem „Sozialistischen Arbeiter-und Lehrlingszentrum" (SALZ) und dem „Kommunistischen Arbeiterbund" (KAB) hervor. Vor vier Jahren konnte er — besonders wohl wegen seines Eintretens gegen Kernkraftwerke — seinen Mitgliederstand auf 1 500 verdoppeln und 1977 dann auf 1 700 steigern Eine Leserbrief-Aktion im KB-Organ ab Sommer 1978 machte jedoch die Unzufriedenheit nicht weniger Mitglieder deutlich. Wurde schon der für Pfingsten 1979 geplante 1. KB-Kongreß verschoben, so verbreitete kurz danach eine „Unzufriedenen'-Fraktion des KB eine Flugschrift, wonach die Organisation „von Resignation, allgemeiner Abschlaffungstendenz, Zerfahrenheit und Unübersichtlichkeit" gekennzeichnet sei. Man könne den Mitgliedern „keine Perspektive für ihre Arbeit aufzeigen" Kaum hatte dieser Kreis den KB verlassen, bekämpfte eine „Zentrums" -Fraktion das „Leitende Gremium" des KB; unter der Überschrift „Weiter am Rande des Abgrunds" behauptete das Organ, der KB befinde sich „in der schlimmsten Krise seit seinem Bestehen" und in einer „zunehmenden Lähmung der Handlungsfähigkeit". Der Rückgang der Mitglieder auf 1 000 sei auf „ideologische Zerfahrenheit, das massive Auftreten von Fehlströmungen aller Art (wie solcher des kleinbürgerlichen Individualismus, z. B. Ultra-Demokratismus, Utopismus, Feminismus)" begründet. Der KB müsse innerhalb der „Grünen" arbeiten, „will er nicht zur politisch bedeutungslosen Sekte verkommen" Nachdem Ende 1979 der Ausschluß der „Zentrums" -Fraktion mit ihren etwa 200 Mitgliedern aus dem KB erfolgte — die jetzt in ihrem Blättchen „Z" ihre bisherigen Mit-Genossen bekämpft —, fand Anfang Januar der 1. Kongreß des KB statt. Er brachte eine Festigung der restlichen Mitglieder.
An einzelnen Hochschulen vertreten örtlich selbständige Studentengruppen mit insgesamt 150 Mitgliedern die Politik des KB. Von seiner Hamburger Schülergruppe trennte sich der „Kommunistische Bund" im Herbst 1978 wegen deren „politisch-ideologischen Zerfalls".
Die zweiwöchentlich erscheinende „Arbeiterzeitung“ des KB hatte vor drei Jahren eine Auflage von 24 500 Exemplaren, die bis zum Sommer 1979 auf 9 200 zurückging, so daß der KB angesichts eines Minus von 10 000 DM pro Ausgabe das weitere Erscheinen als fraglich hinstellte. Als das Blatt sich in größerem Maße auch anderen Randgruppen öffnete, konnte die Auflage zu Beginn dieses Jahres auf 9 500 erhöht werden, von denen nur 1 600 abonniert wurden Die theoretische KB-Schrift ist der gelegentlich veröffentlichte „Unser Weg". Die anderen Zeitungen „Rebell" (für die Jugend), „Solidarität" (für Studenten) und „Die Internationale" („Zeitung für den proletarischen Internationalismus") sind seit geraumer Zeit nicht mehr festgestellt worden.
Der KB sieht in Mao Tse-tung „den bedeutendsten Revolutionär unserer Zeit" Doch schon zu Lebzeiten Maos kritisierte er — im Gegensatz zu anderen Maoisten-Gruppen — die Einladung des CSU-Vorsitzenden Strauß nach Peking. In dem Amtsantritt Hua Guofengs sah die Organisation einen „Rechtsputsch" und „einen schweren Rückschlag für die chinesische Revolution und damit auch für den globalen revolutionären Prozeß" Die Wiedereinsetzung Deng Xiaopings war nach ihrer Ansicht eine „Provokation", und bei der „Drei-WeltenTheorie" handele es sich „um dürftig zusammengezimmerte pseudowissenschaftliche Alibis für eine reaktionäre, pro-imperialistische Außenpolitik. Mao Tse-tung persönlich als Urheber derartiger Pseudo-Theorien auszugeben, ist Leichenfledderei" Andererseits hielt der . Arbeiterkampf" den Albanern vor, sie hätten jahrelang die Meinungsverschiedenheiten mit der VR China verschwiegen und erst jetzt ihre Kritik geäußert. In einer Stellungnahme der KB-Führung zum Einmarsch der Truppen Pekings in die Gebiete Vietnams hieß es: „China pokert mit dem Weltkrieg", seine „Kriegspolitik" sei „eine Gefahr für die Welt" Keine zwei Monate später verlangte der „Kommunistische Bund" von der Pekinger Regierung sogar Informationen über die Zahl der politischen Gefangenen und ihre Haftbedingungen und verglich die Unterdrückung in der VR China mit derjenigen im Ostblock. Der Sturz des Pol-Pot-Regimes in Phnom Penh wurde begrüßt, weil er „dem kambodschanischen Volk die Möglichkeit eröffnet, endlich in Frieden und Demokratie zu leben. Wir begrüßen dies insbesondere, weil damit mit einem Regime Schluß ist, das den Sozialismus in aller Welt diskreditiert hat" Den Einmarsch Moskaus in Afghanistan wertet der KB als reine Machtpolitik, die nur von militärstrategischen Überlegungen ausgehe, doch solle man darüber „das imperialistische Roll-back nicht vergessen"
Die Bundesrepublik Deutschland sieht die Organisation von alten und neuen Nazis sowie vom Militarismus der Bundeswehr bedroht. Die DDR wird abgelehnt; die nationale Frage stellt sich dem KB indessen nicht.
KABD Im April 1972 vereinigten sich der „Kommunistische Arbeiterbund (M. L.)" und die „Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (Revolutionärer Weg)" zum „Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands" (KABD). Seine Mitgliederzahl dürfte heute vielleicht etwas unter 1 000 liegen. Die Abkehr der Organisation von der heutigen Politik der KPCh führte im Herbst 1978 zu einer „Säuberung“ innerhalb des KABD, der auch verdiente Genossen sowie — aus innerparteilichen Motiven — Ortsgruppen in Bayern und Baden-Württemberg zum Opfer fielen. Die Nebenorganisationen des KABD sind der 1973 entstandene/„Revolutionäre Jugendverband" (RJVD) und die „Kommunistischen Studentengruppen" (KSG). Im April 1979 wurde der „Bund Kommunistischer Intellektueller" (BKI) gegründet
Das Zentralorgan des KABD ist die vierzehntägig erscheinende „Rote Fahne". Ihre Auflage beläuft sich gegenwärtig wahrscheinlich auf rund 7 000 Exemplare. Das theoretische Organ ist der unregelmäßig veröffentlichte „Revolutionärer Weg". Das monatliche Jugendorgan heißt „Rebell". Seit dem letzten Jahr wird auch wieder das Studentenorgan „Roter Pfeil" gedruckt, dessen Herausgabe 1976 eingestellt worden war.
Mao Tse-tung war und ist auch für den KABD das große Vorbild; die neue Pekinger Führung hat nach seiner Ansicht Maos Thesen „verraten". Schon die massiven Vorwürfe gegen die „Viererbande", kommentierte sein Organ, könne „kein Kommunist abnehmen"; danach müßte diese aus „Übermenschen" bestanden haben. „Das ZK (der KPCh) merkte anscheinend nicht, daß es sich damit selber ein Armutszeugnis ausstellte, wenn diese Behauptung stimmen sollte. Vor allem ist es aber eine unerhörte Beleidigung Mao Tse-tungs als Vorsitzendem der größten Kommunistischen Partei, die wohl fähig war, eine soziale Revolution durchzuführen, aber nicht mit vier Leuten, die solche Verbrechen begangen haben sollten, die in der Lage gewesen sein sollten, dem ganzen ZK auf dem Kopf herumtanzen zu können, fertigzuwerden? Wer so argumentiert, der ist nicht glaubwürdig. Mit solchen Argumenten hatte die Führung bereits damals ihr Gesicht verloren. So kann man keine ideologisch-politische Auseinandersetzung führen. Auf ein solch niedriges Niveau kann sich kein Kommunist begeben."
Anläßlich der Rehabilitierung Deng Xiaopings erklärte die KABD-Führung: „Es ist die Pflicht aller Marxisten-Leninisten, diesen Kurs der Führung der KP Chinas, die im Wind von rechts segelt, aufs schärfste zu kritisieren und zu bekämpfen." Die „Drei-Welten-Theorie" wurde als „rechtsopportunistische Linie" verworfen, der „Hauptfeind der deutschen Arbeiterklasse" sei zudem der deutsche Imperialismus; die Behauptung, diese Theorie stamme von Mao Tse-tung, sei unwahr Den Einmarsch der chinesischen Truppen in Vietnam verurteilte der KABD. Anläßlich des Besuchs Hua Guofengs in der Bundesrepublik Deutschland schrieb die „Rote Fahne": „Die heutige Kommunistische Partei Chinas ist nicht mehr die Partei Mao Tse-tungs und auch keine kommunistische Partei mehr... Nieder mit den Verrätern Deng und Hua!" Auch die Entwicklung in Albanien lehnt der KABD ab, weil Tirana neuerdings die Mao-Tse-tung-Ideen attackiere. In einem Offenen Brief der „Zentralen Leitung" des KABD an das ZK der Partei der Arbeit Albaniens heißt es: „Ihr habt es zu vertreten und seid dafür verantwortlich, wenn auf der Grundlage Eurer Positionen weitere Verwirrung innerhalb der internationalen marxistisch-leninistischen Bewegung eingetreten ist."
Der Überfall Vietnams, das lange als Vorbild für viele andere Länder in der Welt hingestellt worden war, auf Kambodscha war für den „Kommunistischen Arbeiterbund" ein „Akt brutaler Aggression". Die Sowjetunion sei ein „sozialimperialistisches Land", und auch Stalin habe Fehler begangen. Die Truppen der Sowjetunion müßten Afghanistan verlassen, doch bei der Bedrohung des Friedens seien die USA und die Sowjetunion in einem Atemzug zu nennen. Hinsichtlich der Frage eines Olympia-Boykotts will der KABD die Olympiade, „eine längst zum Kadaver gewordene Institution", generell abschaffen
In der Bundesrepublik stellten die Gegner der Atomkraftwerke eine „kleinbürgerliche Bewegung" dar. Die Teilnahme des KABD an entsprechenden Aktionen habe taktische Erwägungen insofern, als man vielleicht für die Organisation einzelne gewinnen könnte. „Nicht die Kernenergie, sondern dieses System (der . Monopolkapitalisten muß bekämpft werden." Die Parole „Nie wieder Krieg!" sei pazifistische Illusionsmacherei. In einem Kriege, wobei das Vorliegen eines Angriffs-oder Verteidigungskrieges ohne Belang sei, könne es nur heißen: „Den Kriegstreibern im eigenen Land, den Monopolisten, muß das Handwerk gelegt werden!" Wehrpflichtige sollten aber ihrer Dienstzeit in der Bundeswehr nachkommen: „Im Ernstfall sitzen wir hier am entscheidenden Hebel" Die Wiedervereinigung Deutschlands könne erfolgen, wenn in beiden Teilen „die sozialen Voraussetzungen geschaffen sind, um die Spaltung zu überwinden". Jeweils müsse zunächst die Diktatur des Proletariats errichtet werden, damit durch diese die einheitliche Grundlage entstünde
MLD Im März 1976 fand die Gründungskonferenz der „Marxisten-Leninisten Deutschland" statt; ein großer Teil der Mitglieder war Ende 1971 aus der KPD/ML ausgetreten. Im vergangenen Jahr wollten die MLD eigentlich die „Marxistisch-Leninistische-Kommunistische Partei Deutschlands" ausrufen, doch mußten sie zugeben, daß auch ihre Organisation mit der allgemeinen Krise der Maoisten in der Bundesrepublik konfrontiert werde Heute gehö-ren den MLD vielleicht 250 Mitglieder und engere Sympathisanten an.
Ihr Zentralorgan, „die achtziger jahre" (bis März 1979 „Die neue Welt" genannt), das als einzige Maoisten-Zeitung neben der roten Fahne auch die der Bundesrepublik Deutschland zeigt, erscheint vierzehntägig. Die Auflage dürfte kaum 2 000 betragen. Ihr nur gelegentlich veröffentlichtes theoretisches Organ „Der Maoist" wurde letzten Sommer offensichtlich eingestellt.
Auch sie verdammten zunächst Deng Xiaoping, um ihm später zur Wahl als stellvertretenden Vorsitzenden der KPCh brieflich zu gratulieren. Die „Drei-Welten-Theorie", die nach Ansicht der MLD von Mao Tse-tung selber stammt, wird von ihnen befürwortet. Aus gleichen Gründen handelt es sich bei Albanien nach ihrer Meinung jetzt nur noch um „die faschistische Diktatur des bürgerlichhalbfeudalen Hoxha-Clans" Selbst das harte Urteil gegen den chinesischen Dissidenten Wei Jingshen, „der in einer schwierigen Situation China in den Rücken gefallen (ist)", wurde von dieser Organisation noch unterstützt, doch wird neuerdings das Bestehen einer „Vertrauenskrise zwischen großen Teilen der Bevölkerung und der Kommunistischen Partei" in der Volksrepublik China eingeräumt Die militärische Aktion Pekings gegenüber Vietnam „dient der Sicherung seiner Grenze. Sie richtet sich gegen den globalen Hegemonismus Moskaus und lokalen Hegemonismus Hanois. Sie dient damit der Verteidigung des Weltfriedens.“ Verurteilt wird andererseits der Einmarsch Vietnams in Kambodscha, und jeder, der früher gegen den Krieg der USA in Vietnam demonstriert hatte, „macht sich unglaubwürdig, wenn er heute über die vietnamesisch-sowjetische Aggression schweigt" Als einzige Maoisten-Gruppierung treten die „Marxisten-Leninisten Deutschland" für die USA ein, sofern deren Außenpolitik gegen die UdSSR gerichtet ist, und für die Stationierung ihrer strategischen Atomwaffen in Westeuropa Die Sowjetunion wird als „der Hauptfeind der Völker der Welt und der Hauptkriegsbrandstifter" hingestellt. Für den Westen sei eine Politik erforderlich, die „dem russischen Bären die Klauen stutzt“. Mit der Invasion der Sowjetunion in
Afghanistan habe „die Ära des Dritten Weltkrieges begonnen" Eindeutig erklären sich die MLD für einen Olympia-Boykott.
Auch für die Bundesrepublik wird die Kernenergie befürwortet; nur sie könne die nationale Unabhängigkeit in der Energieversorgung garantieren, doch dürfe dies alles nicht auf Kosten des Volkes erfolgen. Die „Grünen" werden abgelehnt, da sie der Arbeiterklasse nicht helfen könnten. Die MLD unterstützen die Bundeswehr: „Erste Bürgerpflicht“ sei es, „ein ideologisches Klima der Verteidigungsbereitschaft und des Patriotismus zu schaffen". Die Parole, im Ernstfall die Gewehre umzudrehen, arbeite — wie auch die Aufforderung nach Zersetzung der Bundeswehr — den „Helfern des Sozialimperialismus in die Hände“. Die These mancher Maoisten-Gruppierungen von der „Volksarmee" sei eine Illusion. „Wenn das Proletariat noch nicht die Gewehre kommandiert, dann muß die Demokratie mit den Gewehren verteidigt werden, die unter dem Kommando der Bourgeoisie stehen." Die DDR wird scharf abgelehnt. Die MLD treten in diesem Zusammenhang für den Abzug der sowjetischen Truppen ein, um das Selbstbestimmungsrecht der deutschen Nation zu realisieren. Als einzige Maoisten-Gruppe bejahen sie eindeutig den 17. Juni als Gedenktag für die Wiedervereinigung Deutschlands
AB Der . Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) ging im Mai 1973 aus den, Arbeiter-Basis-Gruppen“ (ABG) hervor Er dürfte heute vielleicht rund 200 Mitglieder und knapp 250 Sympathisanten haben. Die Neben-organisationen des AB sind der „Kommunistische Hochschulbund“ (KHB) und die „Rote Schülerfront" (RSF), die zumindest noch vor einigen Jahren „zu den einflußreichsten linksextremistischen Gruppen an bayerischen Schulen und Hochschulen" zählten Bei den Bundestagswahlen 1976 forderte das ZK des AB zur Stimmabgabe für die SPD auf und empfahl zugleich — im Gegensatz zu seinen Aufrufen bei vorangegangenen Wahlen —, nicht für die DKP zu stimmen
Das Zentralorgan des „Arbeiterbundes" ist die „Kommunistische Arbeiter-Zeitung", die eine Auflage von schätzungsweise 4 000 Exemplaren haben dürfte und seit Anfang dieses Jahres nicht mehr vierzehntägig, sondern nur noch vierwöchentlich erscheint. Die Organe der Nebenorganisationen, die „Kommunistische Studenten-Zeitung" und „Roter Weg" sind seit geraumer Zeit nicht mehr festgestellt worden. Nach dem Tode Mao Tse-tungs zögerte der AB zunächst mit der Verurteilung der „Viererbande": „Wer jetzt von uns verlangt, daß wir uns zum Richter über das chinesische Volk machen, indem wir eine Einschätzung der derzeitigen Situation geben, der muß uns sagen können, wozu uns so eine aus der Luft gegriffene Einschätzung für unseren Kampf eigentlich dienen soll. Für uns hat sich nichts daran geändert, daß die VR China ein sozialistischer Staat ist, daß dort die Arbeiterklasse unter Führung der Kommunistischen Partei herrscht und daß die chinesische Regierung das chinesische Volk vertritt"
Die AB-Zeitung griff jedoch bald den „Gulaschkommunismus" Deng Xiaopings an und warf jenen „bürgerlichen Kräften in der KP Chinas" vor, „den Weg der Restauration des Kapitalismus" beschreiten zu wollen Die „Drei-Welten-Theorie" Pekings verwarf das Organ als „eine Strategie des Imperialismus, um den Sieg der proletarischen Weltrevolution hinauszuzögern". Nach Ansicht der kürzlich stattgefundenen III. Delegiertenkonferenz des AB fordern „die konterrevolutionären Versuche der chinesischen Revisionisten innerhalb der KPCh zur größten Wachsamkeit und Kampfbereitschaft" heraus Der Über-fall chinesischer Truppen auf Vietnam war für den „Arbeiterbund" ein „schwerer Rückschlag für die proletarische Weltrevolution", und in einem Telegramm an Hua Guofeng schrieb das ZK: „Entsetzt über den Angriff auf das sozialistische Vietnam fordern die Verfechter der Mao-Tse-tung-Ideen in Westdeutschland Euch zum sofortigen Rückzug aus dem vietnamesischen Gebiet auf." Andererseits beschuldigte der AB Hanoi, die Lehren Maos zu diffamieren und heute „genau das Gegenteil" ihrer früheren Urteile über die KP Chinas zu sagen
Wegen des neuerlichen Leugnens der Bedeutung Mao Tse-tungs auch seitens der Albaner klang die bisherige Verehrung des AB für Tirana ebenfalls schnell ab. Hatte man früher alle westlichen Berichte über Kambodscha zurückgewiesen, hieß es nach dem Einmarsch Vietnams über die Pol-Pot-Regierung: „Dieses Regime war es wert, von revolutionären Kräften gestürzt zu werden." Stalin bewertet der „Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" äußerst positiv. Bei dem Überfall der Sowjetunion auf Afghanistan wurden die Behauptungen Moskaus skeptisch beurteilt, doch ist man für die Durchführung der bevorstehenden Olympiade: „Warum will Carter die Olympischen Spiele in Moskau boykottieren? Weil er befürchtet, daß die USA dort noch schlechter als bisher abschneiden werden. Der Einsatz sowjetischer Truppen in Afghanistan kann ja wohl nicht der Grund sein.. ."
In der Bundesrepublik seien die „Grünen" keine Hoffnung für die Arbeiter; sie begriffen nicht, daß nur das Proletariat mit seiner Partei — der KPD als Vorhut — in der Lage sei, den Grundwiderspruch der Gesellschaftsordnung zu lösen. In ihrer weiteren Entwicklung werde sich die Richtung der „Grünen" „in einen feigen Katzenjammer verlaufen" In der Militär-frage vertritt der AB die Ansicht, das heute Entscheidende sei die Frage, in wessen Hände sich die Waffen befänden. „Und das ist die Kernfrage des Sturzes der politischen Macht der Bourgeoisie." Für den Ernstfall gelte: „Dreht die Gewehre um! Laßt Euch ausbilden für unseren Krieg! Krieg dem imperialistischen Krieg, Kameraden!" Der „Arbeiter-bund" geht von der nicht gelösten deutschen Frage aus und strebt ein wiedervereinigtes, freies, einiges und sozialistisches Deutschland an. Er glaubt jedoch, „daß die DDR ein Staat wie jeder andere ist, den man völkerrechtlich anerkennen muß"
Ausblick Die Maoisten räumen selber ein, daß sie keine Massenbewegung darstellen, sondern letztlich politische Sekten, die „heimatlos geblieben" sind und auch gerade in der Arbeiterklasse kein Echo fanden.
Angesichts des äußerst krassen Mißverhältnisses zwischen Aufwand und Erfolg haben viele ihrer Mitglieder und Anhänger resigniert; es kommt hinzu, daß die einstigen Studenten heute in berufliche Positionen gerückt sind und auch familiäre Bindungen haben. Die Trennung von ihrer bisherigen Organisation bedeutet durchweg aber keine direkte Feindschaft zu ihr oder zur VR China. Die meisten von ihnen werden sich allerdings als „politische Nihilisten" ins Privatleben zurückziehen; zu anderen Maoisten-Gruppierungen oder gar zur DKP dürfte nur ein geringer Bruchteil abwandern. Ein größerer Teil wird zu der bevorstehenden „Sozialistischen Konferenz" als Ausgangspunkt einer neuen Linkspartei gehen, nicht wenige scheinen sich den „Grünen" anschließen zu wollen. Manche werden sich auch zum „alternativen Leben" in die ländliche Natur zurückziehen. Ein Übertritt zu religiösen Sekten dürfte nur in Einzelfällen erfolgen
Sollten sich die politischen und insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland indessen gravierend verschlechtern, werden die Maoisten mit ihren radikalen Thesen gewiß eine Auffanggruppe für wahrscheinlich nicht wenige junge Menschen sein — sofern sie dann nicht schon völlig bedeutungslos geworden sind.