I. Einleitung
Der Auswärtige Ausschuß des Deutschen Bundestages gehört zu den derzeit 19 ständigen Ausschüssen der bundesrepublikanischen Legislative und zählt — wie noch aufzuzeigen sein wird, vielleicht zu Unrecht — zu den begehrtesten Gremien, deren Mitgliedschaft ein MdB teilhaftig werden kann. Das Aufkommen eines derartigen parlamentarischen Statussymboles ist offensichtlich auf die Aura zurückzuführen, die nach wie vor alles umgibt, was mit dem diplomatischen „Geschäft" an Geheimem wie Repräsentativem assoziiert wird, weiter auf die — sicherlich überholte, seit Bismarck in deutschen Landen kultivierte 1) Vorstellung —, daß Fragen der Außenpolitik die eigentlichen Schicksalsfragen der Nation darstellen, und last not least auf das sehr „menschliche" Kalkül, ein ordentliches Mitglied dieses parlamentarischen Zirkels sei in besonderer Weise dazu berechtigt, ja geradezu verpflichtet, ins Ausland zu reisen, um bedeutungsvolle Informationen einzuholen oder weiterzugeben 2).
Für die Politikwissenschaft, besonders für ihre Teildisziplinen „Internationale Politik" und Vergleichende Lehre der Herrschaftsformen stellt sich von jeher bei der Beschäftigung mit einem parlamentarischen Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten die übergeordnete Frage nach der Rolle der Legislative im gesamten außenpolitischen Entscheidungs-prozeß. Dies gilt speziell nur für die westlichen Demokratien, da in den sogenannten Volksdemokratien, von wenigen Ausnahmeerscheinungen abgesehen, auch ein solcher Teil des Parlamentes vor allem ein Akklamationsgremium darstellt. Die . Auswärtige Gewalt“ also die Zuständigkeit für außenpolitische Entscheidungen, ist historisch gesehen in besonderer Weise eine Prärogative der Exekutive — im Gegensatz etwa zum Budgetrecht, das eine Prärogative der Legislative ausmacht. In der Bundesrepublik Deutschland stellt schon nach den grundgesetzlichen Bestimmungen über die Richtlinienkompetenz jeder Bundeskanzler gerade außenpolitisch das ausschlaggebende Entscheidungszentrum dar —, erst recht natürlich eine machtbewußte, zu autoritären Denkstrukturen neigende Persönlichkeit, wie es zweifellos Konrad Adenauer gewesen ist. Ein solcher Kanzler wird auch „einsame" Entschlüsse, die zunächst klar erkennbaren Meinungstrends in der Bevölkerung zuwiderlaufen, „durchzuziehen''versuchen. Dieses Phänomen läßt sich am Beispiel der Adenauerischen Wiederbewaffnung • der Bundesrepublik Deutschland nachweisen, war aber im übrigen auch Ausdruck dessen, was man in der angelsächsischen, besonders nordamerikanischen Terminologie als „lead", den Führungswillen an der Spitze des Regierungssystems, bezeichnet.
Darüber hinaus wird aber jeder „Koalitionskanzler" ‘bei seinen außenpolitischen Entschlüssen auch Rücksicht zu nehmen haben auf den oder die Partner, — je stärker oder „gleichstärker" diese sind, um so mehr (Große Koalition unter Kiesinger). Dies gilt in besonderem Maße, wenn der jeweilige Außenminister der Partei des Koalitionspartners ange-hört, wie seit 1969. In parlamentarischen Demokratien speziell des Typus Bundesrepublik schwebt freilich auch eine starke politische Führungskraft Bundeskanzler mit oder ohne Kabinett nicht frei im Raume, sondern ist abhängig von der politischen Mehrheit, die ihn an die Macht gebracht hat und dort erhält, also in erster Linie von seiner eigenen, aber auch von der Koalitionspartei. Um diese Mehrheit sicherzustellen, genügt in der Regel eine eng mit dem Kanzler und seinem Kabinett zusammenarbeitende Spitze der eigenen Bundespartei und der eigenen Bundestagsfraktion. Handelt es sich bei allen drei Positionen — Bundeskanzler, Parteivorsitzender, Fraktionsvorsitzender — um miteinander kooperierende, auf jeden Fall aber im Interesse der Sache trotz möglicher Meinungsverschiedenheiten durch „dick und dünn" zusammengehende Führungspersönlichkeiten (wie etwa bei der gegenwärtigen „Troika" Schmidt, Brandt, Wehner), dann kann man von einer Traumkombination von Führungskraft sprechen.
Unsere Außenpolitik muß aber besonders im Hinblick auf entscheidende Weichenstellungen, wie es zum Beispiel Vertragsabschlüsse sind, parlamentarisch-mehrheitlich getragen werden; so und letztendlich hier kommt „das“ Parlament effektiv ins Spiel. Wir setzen hier Anführungsstriche, weil es einer politikwis-senschaftlichen Binsenwahrheit gleichkommt, festzustellen, daß schon lange nicht mehr das Parlament in toto der Exekutive gewissermaßen als Gesamtkontrolleur gegenübersteht, wie es die klassische Parlamentstheorie einmal haben wollte, und auch nicht eigentlich „die" Opposition, weil in aller Regel stets Minderheit bleibend, sondern die Regierungsmehrheit im Parlament. Dennoch muß aber die jeweilige Opposition im Parlament und in den Ausschüssen eine warnende und auch hemmende Wächterfunktion zu erfüllen suchen und immer wieder — sicherlich noch mehr als die Regierungsmehrheit — in Plenardebatten und Fragestunden sowie durch große und kleine Anfragen, eingebrachte Resolutionen etc. nicht nur eine Leistungssondern auch eine Richtungskontrolle anstreben. In den USA verfügt hingegen auch die jeweilige Minderheit gerade bei der Gestaltung der Außenpolitik über eine reelle Macht, weil die US-Verfassung eine Zustimmung des Senats zu außenpolitischen Verträgen mit einer Zweidrittelmehrheit vorschreibt. Hinzu kommt hier der „unklare" Text der Verfassung, aus dem man auch eine vorgeschriebene Mitwirkung des Senats an der Gestaltung der Außenpolitik herleiten kann. Insofern ist in den USA für den Präsidenten von jeher der systemimmanente „Zwang" zu einer gerade außenpolitischen Zusammenarbeit (bipartisanship) auch mit der jeweiligen gegnerischen Partei im Kongreß stets größer gewesen als etwa bei uns.
So verwundert es auch nicht, daß sich Politik-wie Rechtswissenschaft bei diesen Problemen besonders intensiv mit der klassischen präsi-dentiellen Demokratie der USA beschäftigt haben und sehr viel weniger etwa mit der noch klassischeren parlamentarischen Demokratie Großbritanniens Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland nimmt mit seiner Verfassungsstruktur in der Ausgestaltung der auswärtigen Gewalt eine Mittelstellung zwischen den Systemen dieser beiden Länder ein, weil es zwar wie das britische parlamentarisch-demokratisch konzipiert, aber von der Verfassung wie auch von der Geschäftsordnung der Legislative her stärker am nordamerikanischen Modell orientiert ist. Letzteres gilt neben der Ratifikationskompetenz unseres Parlaments im Hinblick auf völkerrechtliche Verträge als dem entscheidenden Aspekt der auswärtigen Gewalt nun besonders auch für die Tatsache, daß der Auswärtige Ausschuß — wie sein Pendant in den USA — ein ständiges Gremium des Deutschen Bundestages darstellt, und darüber hinaus auch noch im Grundgesetz besonders verankert wurde
In dieser Untersuchung müssen Teilaspekte der auswärtigen Gewalt wie das ius belli bzw. die Kompetenzverteilung im sogenannten äußeren Notstand ebenso außer acht bleiben wie Probleme der Einwirkung der Legislative auf die Personalhoheit im Bereiche des Auswärti-gen Dienstes. Letztere ist in den USA im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland von der Verfassung her geboten wurde aber auch in den Bonner Gründungsjahren durchaus als verfassungspolitischer Anspruch vom Auswärtigen Ausschuß geltend gemacht Vielmehr wollen wir uns abgesehen von der nach dem Grundgesetz vorgeschriebenen parlamentarischen Ratifikation völkerrechtlicher Verträge im engeren Sinne 9) auf die parlamentarische Mitgestaltung oder zumindest Beeinflussung und Kontrolle — eben als Richtungskontrolle — der allgemeinen außenpolitischen Linie des Staates bzw.der jeweiligen im Amt befindlichen Regierung beschränken sowie auf das damit zusammenhängende Kooperations-oder Konfliktverhältnis zwischen „Regierungs-" und Oppositionspartei — letzteres in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg politisch praktiziert und somit auch in der Politikwissenschaft unter dem schon erwähnten Oberbegriff bipartisanship analysiert
Im folgenden sollen nun diese Problemstellungen eingegrenzt und ausschließlich bezogen werden auf den Auswärtigen Ausschuß des Deutschen Bundestages. Dabei dürfte es sich empfehlen, Kategorien eines Funktionsschemas zur Analyse von einzelnen Phasen des politischen Entscheidungsprozesses generell zugrunde zu legen (der Initiative, der Informationssammlung, der Empfehlungen und Ge-genempfehlungen, der Festlegung, der Durchführung, der Kritik und Kontrolle sowie der Terminierung) Die hier vorgelegten analytischen Betrachtungen und 'gelegentlichen Wertungen „können der Natur der Sache nach" nur einen vorläufigen Charakter haben und oft über Andeutungen nicht hinausgehen. Dies beruht ausschließlich auf der Quellen-lage zum Thema, da die Protokolle des Auswärtigen Ausschusses bislang der Forschung nicht zugänglich gemacht worden sind. Dieser unbefriedigende Zustand, für dessen Beseitigung der Verfasser mit dieser kurzen Studie indirekt auch einen Anreiz bei den zuständigen Stellen geben möchte, erklärt sicherlich auch die wissenschaftlich gesehen sehr spärlichen Abhandlungen über den Auswärtigen Ausschuß sogar noch in seinem 31. Lebensjahr. Die Forscher mußten sich auf die mehr als zweifelhafte Methode beschränken, Vorgänge nach Zeitungsmeldungen, vor allem aber mit Hilfe von Interviews mit noch lebenden ehemaligen bzw. noch politisch agierenden, heutigen Mitgliedern dieses Auswärtigen Ausschusses zu rekonstruieren. Dadurch entstehen nachweislich viele Ungenauigkeiten
Die Verwertung amtlich veröffentlichter Ausschußdrucksachen stellt nur einen kleinen Ersatz für die nicht zugänglichen Primärquellen dar.
Der Verfasser hat als mehrjähriges Mitglied des Auswärtigen Ausschusses Einsicht in sämtliche Protokolle unter ihn in seiner damaligen Tätigkeit interessierenden Fragestellungen nehmen können und verfügt über lückenlose „eigene“ Unterlagen bzw. Aufzeichnungen für die gesamte 7. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages. Aber auch er muß sich selbstverständlich an den nach wie vor bestehenden, sogenannten VS-Charakter der Aus-schuß-Protokolle, in vielen Fällen sogar noch an ihren G-Charakter halten, obwohl er auch auf Grund seiner recht genauen Kenntnisse die Auffassung vertritt, daß weite Teile dieser Protokolle — um den bundesdeutschen Amtsslang zu benutzen — „entheimt" werden könnten. Sein Vorschlag läuft auf eine solche Freigabe zumindestens für die ersten zwei bis drei Legislaturperioden hinaus, wobei man Überlegungen und Diskussionen im Ausschuß über besonders heikle und auch noch heute aktuelle Themen wie Fragen der Beziehungen zu den Westalliierten einerseits und der Sowjetunion andererseits nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Ausarbeitung von Vertragstexten der Nachkriegszeit ja zunächst einmal ausklammern könnte. Der Bundesrepublik Deutschland würde jedenfalls nach Ansicht des Verfassers durch eine beschränkte Freigabe kein Schaden zugefügt. Generell sollte auch hier das so viel forschungsoffenere Beispiel der USA befolgt werden, wo alle exekutiven und legislativen Akten nach der berühmten 30-Jahresfrist sehr schnell für die Forschung freigegeben und ohnehin Verbatim-Protokolleüber Verhandlungen auch der Auswärtigen Ausschüsse beider Häuser des Kongresses häufig sehr schnell, ja sofort veröffentlicht werden Durch entsprechend schnelle Veröffentlichungen könnte der außenpolitische Meinungsund Willensbildungsprozeß in einer offenen demokratischen Gesellschaft, wie dies die Bundesrepublik Deutschland zu sein beansprucht, gerade nach den in dieser Hinsicht in der deutschen Geschichte so eindeutig gegenläufigen Traditionslinien transparenter gemacht und damit insgesamt gefördert werden.
Unter den obwaltenden Umständen wird der Verfasser nach bestem Wissen und Gewissen die oben genannten Fragestellungen und damit zusammenhängende Probleme nur sozusagen unter besonderer Berücksichtigung ihrer grundsätzlichen Aspekte behandeln und hypothetisch zu beantworten suchen, das heißt an Hand seines Materials nur gelegentlich Feststellungen an einigen konkreten politischen Beispielen empirisch untermauern, aber auch dann von wenigen Ausnahmen abgesehen ohne genaue Quellenangaben
II. Zur Struktur und Arbeitsweise des Auswärtigen Ausschusses
Unter den 19 ständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages gehört der Auswärtige Ausschuß zu denjenigen, die seit 1969 mit 33 ordentlichen und einer gleichen Anzahl stellvertretenden Mitgliedern besetzt sind. Letztere Mitglieder genießen theoretisch die gleichen Rechte und Pflichten, haben ein Stimmrecht aber nur, wenn sie ein ordentliches Mitglied ihrer Fraktion bzw. ihrer Partei zu vertreten haben. Die Fraktionen entsenden ihre Vertreter entsprechend ihrer Fraktionsstärke nach dem d'Hondschen Proporz. Sie können diese ihre Vertreter auch zurückziehen Dies geschah zum Beispiel in der 6. Legislaturperiode im Falle des ursprünglichen SPD-und dann späteren CDU-Abgeordneten Hupka. Insofern können Ausschußsitze in der Hand der Fraktionsführungen ein gewisses Maß an Disziplinierungsoder „Belohnungsmöglichkeiten" darstellen. Hinzu kommt, daß der Auswärtige Ausschuß seinen Mitgliedern im besonderem Umfange Anlaß zu begehrten Auslandsreisen gibt. Unter solchen Gesichtspunkten ist seit längerem auch der Ausschuß für Entwicklungshilfe bei den MdBs sehr beliebt. Ein angebliches Prestige der Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses und ein daraus hervorgehendes Statussymbol steht, dies hat der Verfasser nun aufgrund seiner sehr genauen Feststellungen während der gesamten 7. Legislaturperiode schon an anderer Stelle festhalten können, keineswegs immer in einem angemessenen Verhältnis zur persönlichen Anwesenheit bei Ausschußsitzungen Schuld daran sind nicht nur je eine ordentliche und eine stellvertretende Mitgliedschaft eines jeden Abgeordneten der beiden „großen" Parteien in Ausschüssen dieses angeblichen bundesdeutschen Arbeitsparlamentes, was Kollisionen zwischen gleichzeitig tagenden „zweiten" Ausschüssen eines MdB oder gelegentlich sogar zwei ordentlichen Mitgliedschaften hervorruft. Schuld daran ist auch ganz eindeutig vom Blickwinkel eines an sich erforderlichen parlamentarischen Selbstverständnisses ein gewisses Maß an Pflichtvergessenheit der beteiligten Abgeordneten. Anwesend ist natürlich immer der jeweilige Vorsitzende, — der zu Beginn einer Legislaturperiode in der Regel nach interfraktioneller Absprache und/oder dem sogenannten Zugriffverfahren im Fraktionsproporz nominiert wird Meist gilt dies auch für den stellvertretenden Vorsitzenden bzw.den Obmann seiner Fraktion im Auswärtigen Ausschuß.
Der Auswärtige Ausschuß hat von Anbeginn seiner Tätigkeit (ursprünglich, das heißt bis zum 3. 5. 1953, unter der Nomenklatur . Ausschuß für Besatzungsstatut und Auswärtige Angelegenheiten") gelegentlich auch gemeinsam mit anderen Bundestagsausschüssen getagt, so etwa zusammen mit dem Verteidigungsausschuß, dem früheren Ausschuß für Gesamtdeutsche und heute Innerdeutsche Beziehungen, dem Innenausschuß, dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft, oder dem Ausschuß für Entwicklungshilfe. Auch gemeinsame Sitzungen mit dem Auswärtigen Ausschuß des Bundesrates sind zu verzeichnen Darüber hinaus hat er — in den ersten
Legislaturperioden noch sehr viel intensiver als später — ständige oder auf Zeit konstituierte Unterausschüsse oder besondere Arbeitsgruppen gebildet. Unter ihnen ragen heraus: Der Unterausschuß für Fragen der Kriegsgefangenen, der bereits Anfang 1951 arbeitete — zeitgleich mit dem Unterausschuß zur Personalpolitik des Auswärtigen Amtes; ein Unterausschuß für Probleme der Auslandsschulden sowie entsprechende Gremien für Probleme der Ablösung des Besatzungsstatutes, der deutschen Ostgebiete, der Beziehungen zu den Osteuropäischen Staaten, zum Nahost-Konflikt oder aber auch zur Besoldung der Diplomaten im Ausland. Ursprünglich auf Zeit konzipierte Unterausschüsse sind immer mehr zu Dauereinrichtungen geworden
Der Auswärtige Ausschuß hat ebenfalls von Anbeginn — zum wissenschaftlichen und politischen Bedauern des Verfassers — von wenigen Ausnahmen abgesehen unter Ausschluß der Öffentlichkeit getagt. Von dem auch nach der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages für alle Ausschüsse zulässigen Instrumentarium der Anhörung von Sachverständigen ist im Falle des Auswärtigen Ausschusses anders als bei manchen anderen Ausschüssen wie etwa dem Rechtsausschuß in 30 Jahren zweifellos zu wenig Gebrauch gemacht worden; dies in einem sehr auffallendem Gegensatz zu den USA. Interessanterweise bezogen sich die Ausnahmen sehr wesentlich auf Aspekte der bundesrepublikanischen Ostpolitik. Selbst die wenigen Anhörverfahren im Auswärtigen Ausschuß aber erfolgten stets unter Ausschluß der Öffentlichkeit Auch nachträglich wurden entsprechende Protokolle niemals veröffentlicht — wiederum anders als in den USA, wo darüber hinaus Rundfunk-und Fernsehaufnahmen gerade von Anhörverfahren häufig „nation-wide" über Tage, ja Wochen hinweg gesendet werden
In den letzten dreißig Jahren hat die Wahrung bzw. Verletzung der Vertraulichkeit im Auswärtigen Ausschuß wiederholt eine große Rolle gespielt Besonders galt dies für die 1. Legislaturperiode; aus der 7. ist dem Verfasser kein einziges Beispiel von gebrochener Vertraulichkeit bekanntgeworden. In den ersten Legislaturperioden wurden gelegentlich vom Vorsitzenden in Absprache mit den Fraktionsobleuten, manchmal auch nach Behandlung im und auf Beschluß des Ausschusses, Presseerklärungen abgegeben in der 7. Legislaturperiode geschah dies nicht.
Sehr bald kristallisierten sich feste „Regeln" einer ausschußinternen Geschäftsordnung heraus, das heißt insbesondere bestimmte Formen der Ausgestaltung der Tagesordnung. Seit 1955 zum Beispiel erstattet die Bundesregierung regelmäßig „Bericht über die außenpolitische Lage", entweder über die allgemeine „Großwetterlage" oder aber über spezifische Themenbereiche Auch werden immer wieder unter einem besonderen Tagesordnungspunkt Berichterstatter der Fraktionen zu bestimmten, dem Ausschuß überwiesenen Vorlagen — Vertragstexte, Anträge der Mehrheits-oder Minderheitspartei oder Grundfragen der Außenpolitik etc. — ernannt, was dann später diesen Berichterstattern (wie denen aller Bundestagsausschüsse) „theoretisch" die Möglichkeit zur jederzeitigen Wortmel-düng im Plenum gibt In den Anfangsjahren berichteten Ausschußmitglieder sehr viel ausführlicher als später über Reisen ins Ausland, zum Teil sogar über mehrere Sitzungen hinweg
Auch Berichte und Zwischenberichte der Berichterstatter zu wichtigen Verträgen haben immer wieder mehrere Ausschußsitzungen in Anspruch genommen Der Verfasser fühlt sich zu dem vorsichtigen Schluß berechtigt, daß solche Berichterstattungen in den ersten Legislaturperioden von der Qualität und Quantität besonders hoch zu bewerten waren. Wahrscheinlich lag das an den vielen neuen oder (bezogen auf die Weimarer Republik) wieder zu parlamentarischen Ehren gekommenen „Begabungen" der Anfangsjahre, die dann später häufig zu Regierungsämtern und Regierungswürden kamen Herausgebildet hat sich im Laufe der Jahre der Brauch, daß jeweils ein Hauptberichterstatter und ein korreferierender Berichterstatter zu Verträgen bzw. auch zu Anträgen der „anderen" Seite ernannt wird und der Hauptberichterstatter dem Ausschuß eine konkrete Empfehlung zur Beschlußfassung vorlegt, über eine solche Empfehlung wird wiederum in der Regel fraktionsintern in den dafür zuständigen Gremien wie Arbeitskreisen und -gruppen vorab diskutiert. Aus grundsätzlichen Erwägungen — einmal im Hinblick auf den Art. 38 GG zum anderen wegen der quer durch alle Fraktionen umstrittenen Thematik — glaubte der Verfasser in der 7. Legislaturperiode bei einer Berichter-stattung einmal ausgefahrene Verfahrens-gleise verlassen zu sollen. Es handelte sich um eine Berichterstattung zu einem Antrag der CDU/CSU, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, in regelmäßigen Abständen über die Einhaltung bzw. Verletzung der Menschenrechte in der DDR zu berichten. Er ließ aus diesem Anlaß die Tendenz seines Berichtes bzw.seiner Schlußfolgerungen weder im zuständigen Arbeitskreis bzw.der zuständigen Arbeitsgruppe der Fraktion vordiskutieren bzw. vorab festlegen noch versah er seinen Bericht mit einer konkreten Empfehlung zur Beschlußfassung, so daß nach einer langen Diskussion im Ausschuß und einer Sitzungsunterbrechung angesichts dieser Beschlußlage ad hoc eine entsprechende Empfehlung formuliert und erst dann vom Berichterstatter vorgetragen bzw. durch den Vorsitzenden zur Abstimmung gestellt wurde.
III. Das Selbstverständnis des Auswärtigen Ausschusses
Wird auch im Auswärtigen Ausschuß immer wieder abgestimmt und dem Plenum „empfohlen“, so überwiegt in der Arbeit des Ausschusses insgesamt von jeher die Diskussion und — idealiter — die Klärung bestimmter außenpolitischer Probleme. Von hier aus stellt sich nun in dieser Studie die wichtige Frage nach dem Selbstverständnis des Auswärtigen Ausschusses und seiner Mitglieder im Hinblick auf die eigene Rolle im außenpolitischen Entscheidungsprozeß der Bundesrepublik Deutschland. Die Antwort auf diese Frage ergibt sich schon aus einer Analyse des Kreises der sich an den Diskussionen vornehmlich Beteiligenden.
Nach Durchsicht der Protokolle unter diesem Gesichtspunkt zu schließen, ist es in 30 Jahren zweifellos die Regel gewesen, daß weitgehend die jeweiligen Vertreter der Oppositionspartei mit „der Regierung“ diskutieren und sich auseinandersetzen, wobei in der 7. Legislaturperiode — im Gegensatz etwa zu den großen außenpolitischen Debatten der 50er Jahre, aber auch zu denen über die „neue" Ostpolitik in der 6. Legislaturperiode — die Ausschußvertreter insgesamt mehr Fragen an die Regierung stellten, als daß sie diese in einen echten Dialog zur Klärung von Problemen verwickelten. Die Voten der Ausschußmitglieder waren daher eben in der ersten Legislaturperiode auch durchweg länger. Die Ausschußmehrheit überließ das Feld gerade in einer außenpolitisch so ruhigen Legislaturperiode wie der 7. zeitlich gesehen oft den Oppositionsvertre-fern mit der intern ausgegebenen Sprachregelung: „Laßt die doch auflaufen bei der Regierung". Natürlich wurden auch gelegentlich „Entlastungsangriffe" von der Regierungsseite des Parlaments vorgetragen. Insgesamt gesehen würde ein zeitliches „Auszählen“ der Wortprotokolle der 7. Legislaturperiode hier aber einen erheblichen Vorsprung der Oppositionsseite vor der Regierungsseite der Mitglieder unter Beweis stellen. In früheren Legislaturperioden war dieses Phänomen durchaus auch zu beobachten aber bei weitem nicht so auffallend. Bei den Beratungen zum Beispiel über die „Deutschlandverträge" An-fang der 50er Jahre kam es zu sehr gründlichen Diskussionen auch zwischen den Mitgliedern des Ausschusses aus den jeweiligen Fraktionen, das heißt, eben nicht nur mit der Regierung. Hingegen diskutierten z. B. auf einer Sitzung im Januar 1955 über die Pariser Abkommen vornehmlich SDP-Abgeordnete mit den anwesenden Bundesministern und Staatssekretären, an ihrer Spitze die Abgeordneten Wehner, Carlo Schmid und Adolf Arndt.
Die Ausschußmehrheit hat offensichtlich zumindest mit Beginn der 3. Legislaturperiode, das heißt nach der Erringung der absoluten Mehrheit durch die CDU/CSU, und dann wieder in besonders auffallender Form seit der 6. Legislaturperiode, den Hauptsinn der Arbeit des Auswärtigen Ausschusses darin gesehen, die Regierung auch in diesem parlamentarischen Gremium zu unterstützen, wenn es sein mußte, gegen die Minderheit „durchzuboxen“ — etwa durch Anträge auf Abstimmung. Die Meinungen bzw. Zielvorstellungen und Entscheidungen zu den wichtigsten aktuellen außenpolitischen Themen, insbesondere zu Vertragsproblemen, lagen auf Regierungs-wie auf Oppositionsseite durchweg vorab fest, das heißt, sie waren in den jeweiligen Partei-und Fraktionsspitzen bzw. im Falle der Mehrheitspartei auch zusammen mit der Regierungsspitze längst „festgeklopft", bevor sich der Auswärtige Ausschuß damit befaßte.
Die jeweilige Mehrheit im Ausschuß hat nur selten eine mangelnde Informationsfreudigkeit der Regierung moniert, die Minderheit hingegen wiederholt Diese Minderheit bzw. Opposition ist durchweg bemüht, Informationen von der Regierung zu erzwingen und dann sozusagen den Versuch am parlamentarisch-demokratisch untauglichen Objekt zu wagen, effektiven Einfluß auf den außenpolitischen Entscheidungsprozeß zu nehmen. Als Minimumkonsens hinsichtlich eines Selbstverständnisses des Ausschusses insgesamt kristallisiert sich somit immer wieder heraus, daß man sich in diesem vertraulich tagenden, „erlauchten“ Kreise, wenn es die Umstände rechtfertigen oder erfordern, mit der Regierungsspitze über anstehende internationalpolitische Grundsatzprobleme unterhält, um so einen Beitrag leisten zu können zu einer Klärung außenpolitischer Probleme auch im Hinblick auf die eigene Fraktion
Der Ausschußvorsitzende muß unter diesen Umständen immer wieder bemüht sein, als pouvoir neutre „beiden Seiten" seines Ausschusses gerecht zu werden. Dies scheint in der Tat allen Vorsitzenden (ob der jeweiligen Regierungs-oder Oppositionspartei zugehörig), von wenigen Ausnahmen innerhalb einer Legislaturperiode abgesehen, gelungen zu sein, das heißt, daß diese Vorsitzenden versucht haben, sich gegenüber der Regierung besonders im Hinblick auf das Selbstverständnis des Ausschusses zum Sprecher des ganzen Ausschusses zu machen Insofern hatte der Auswärtige Ausschuß in 30 Jahren durchaus Glück mit seinen Vorsitzenden — wie im übrigen auch mit seinen stellvertretenden Vorsit-zenden, die jeweils von der „anderen" Partei kommen.
Zur Beantwortung der Frage nach der Einschätzung des Auswärtigen Ausschusses durch die politische Exekutivspitze könnte alleine schon die Häufigkeit der Präsenz der Regierungsvertreter herangezogen werden. Zweifellos gab Adenauer zumindest in den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland dem Ausschuß sehr viel häufiger die „Ehre" — allerdings war er ja damals auch zusätzlich . Außenminister“ — als zum Beispiel Willy Brandt. Helmut Schmidt stellte sich nach Übernahme der Kanzlerschaft — von der Geste her sehr „gekonnt“ — sofort dem Auswärtigen Ausschuß mit seinen außenpolitischen Überlegungen vor Bei Adenauer wurden im weiteren Verlauf seiner Amtsjahre die Auftritte vor dem Plenum des Auswärtigen Ausschusses dann aber immer seltener.
Dies lag sicherlich einmal an der Normalisierung außenpolitischer Aktivitäten der Bundesrepublik nach Ablösung des Besatzungsstatutes, zum zweiten an gesicherten Mehrheiten innerhalb geschlossener operierender Koalitionen und zum dritten aber auch an Adenauers zunehmenden Versuchen, außen-politisch „heiße Eisen“ in kleineren Gremien zu besprechen
Von den Oppositionsvertretern wurde gelegentlich ein Nichterscheinen des Bundeskanzlers oder auch des Außenministers bemängelt, immer wieder aber auch angeblich nichtssagende Statements der außenpolitischen Exekutivspitze Was die Präsenz betrifft, so kann man den Außenministern aller Regierungen seit 1949 — ebenso wie den beamteten Staatssekretären und später den Par-lamentarischen Staatssekretären, die dann häufig an die Stelle ihrer Chefs traten — ein gutes Zeugnis ausstellen, wenngleich auch in dieser Beziehung die ersten Legislaturperioden ebenso wie die 6. besser abschneiden als etwa die 7. Die Außenminister haben wiederholt betont, daß sie in dem Auswärtigen Ausschuß ein Gremium sähen, in dem rückhaltlos Meinungen ausgetauscht und Bewertungen vorgenommen werden müßten. Der Erwartungshorizont der Regierung wurde so definiert, daß man sich vom Ausschuß neue Gedanken, Vorschläge, Anregungen, ja auch Kritik zur amtlichen Außenpolitik erwarte, der Ausschuß aber in der Regel nicht davon ausgehen sollte, allzu viel über das hinaus zu erfahren, was den Abgeordneten auch schon aus anderen Quellen als Information zugänglich sei. Der Verfasser kann diese Grundauffassung aus seinen eigenen Erfahrungen im Ausschuß voll bestätigen. Streng vertrauliche Gespräche im Kreis nur der ordentlichen Mitglieder, über die keine Protokolle angefertigt wurden — schon gar nicht über Ausführungen eines Bundeskanzlers — stellten sicherlich nur sehr gelegentlich signifikantere Ausnahmen dar. In der Geschichte des Auswärtigen Ausschusses gab es eigentlich nur einen zumindestens publik gewordenen „Zwischenfall“ mit einem beamteten Staatssekretär (Pressechef von Eckhardt) wegen dessen geäußerter Geringschätzung der Rolle des Auswärtigen Ausschusses
IV. Die Beteiligung des Auswärtigen Ausschusses am außenpolitischen Entscheidungsprozeß
Mit der in der Einleitung gemachten Einschränkung hinsichtlich der Auswertung der zur Verfügung stehenden Primärquellen können wir nun an den Versuch herangehen, die Bedeutung des Auswärtigen Ausschusses für den außenpolitische Entscheidungspozesse an einigen konkreten Beispielen abzuschätzen. Dabei soll der Raster der erwähnten Funktionsabläufe politischer Entscheidungsprozesse zugrunde gelegt werden. Angesichts der engen Verzahnung von Regierungsmehrheit und Regierungsspitze kann sich unsere Analyse in dieser Kurzstudie auf die Frage nach den Möglichkeiten der Einflußnahme der jeweiligen (größten) Oppositionspartei im Auswärtigen Ausschuß auf den außenpolitischen Entscheidungsprozeß konzentrieren. Im Gegensatz zu einer differenzierten Betrachtung solcher verschiedener Funktionen hat sich Patz im wesentlichen auf die Frage nach einer Mitentscheidung beschränkt und vermochte daher letztlich den Anspruch seines Ansatzes nicht einzulösen, das heißt nicht nachzuweisen, wie stark und bestimmend nun tatsächlich der Einfluß der SPD-Opposition in den von ihm „untersuchten“ außenpolitischen Problembereichen gewesen ist
Analog zu früheren Fallstudien geht es uns als erstes um den Gehalt „echter“ Informationen von Seiten der Regierung für den Auswärtigen Ausschuß, Informationen, die deren Mitgliedern sonst nicht zugängig wären. Alleine solche, zum Teil wirklich geheim zu haltende Hintergrundinformationen, könnten ja auch eine Rechtfertigung ex post und sozusagen ad futurum für die ganze Geheimniskrämerei in Sachen Protokolle des Auswärtigen Ausschusses für Nichtausschußmitglieder des Bundestages selber und deren nicht gestattete Teilnahme an Sitzungen dieses Gremiums abgeben — ganz zu schweigen von den bislang nicht erfüllten Ansprüchen der Forschung auf Einsichtnahme.
Die Informationsweitergabe der Exekutiv-spitze ist dreifach aufzuschlüsseln: Es kann sich um eine Vorinformation handeln, also um Informationen vor wichtigen außenpolitischen Weichenstellungen, etwa vor der Absendung einer bedeutenden diplomatischen Note an verbündete oder „gegnerische" Regierungen, wie dies in der Deutschlandpolitik besonders der 50er Jahre wiederholt zu verzeichnen war; um laufende Informationen vor allem während wichtiger Vertragsverhandlungen und drittens um Nachinformationen zum Beispiel über abgelaufene „Gipfelgespräche“ des jeweiligen Bundeskanzlers. Schließlich sind unter Informationen auch Darlegungen der außenpolitischen Nah-und Fernziele der jeweiligen Bundesregierung zu verstehen, also sozusagen Einweisungen in die „große Lage" aus der Sicht der Exekutivspitze mit ihrem, aus der Natur der Sache heraus bedingten, durch eine Opposition gerade auf außenpolitischem Gebiet nie aufzuholenden Informationsvorsprung.
Ganz generell fällt auf, daß im Vergleich zwischen der ersten und zweiten Legislaturperiode auf der einen Seite und der vom Verfasser besonders genau zu beurteilenden 7. Legislaturperiode — um nur diese herauszugreifen — im Auswärtigen Ausschuß referierende Bundeskanzler oder auch Außenminister „zunehmend" Informationen aller drei Kategorien anboten, die ein Ausschußmitglied eigentlich auch in guten Zeitungen hatte lesen können oder aber zumindest in einem anderen politischen Gremium — etwa in einem außenpolitischen Arbeitskreis der Fraktion — schon hatte zur Kenntnis nehmen dürfen Ganz sicherlich hat Konrad Adenauer jedenfalls in der ersten Legislaturperiode persönlich mehr echte Informationen — im wesentlichen allerdings laufende und nachträgliche — angeboten als er selber später, oder auch als manche seiner Nachfolger. Diese vielleicht überraschende Feststellung dürfte nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, daß Konrad Adenauer in den ersten beiden Legislaturperioden eine sehr heterogene Koalition zu dirigieren hatte. Umgekehrt mußten sich die Reihen von Regierung und Regierungsparteien im Ausschuß auch in Sachen Informationen teilweise in der 6. Legislaturperiode angesichts der schrumpfenden Mehrheit bei gleichzeitig anstehenden, schicksalhaften außenpolitischen Weichenstellungen fester schließen. Eine wiederum völlig andere Konstellation lag denn auch für Adenauer in der 3. Legislaturperiode mit „seiner" absoluten Mehrheit von CDU/CSU vor.
Vorabinformationen im eigentlichen Sinne, das heißt zum Beispiel vor wichtigen Begegnungen mit auswärtigen Gesprächspartnern etc., wurden relativ wenig gegeben. Gelegentlich haben Bundeskanzler aber auch im Ausschuß Grundzüge ihrer bevorstehenden Regierungserklärung im außenpolitischen Bereich erläutert, so etwa im März 1951. Damals wurde eine gemeinsame Resolution aller Fraktionen besprochen und schließlich auch ein entsprechendes Redaktionskomitee eingesetzt. Diese Beratungen schlugen sich in der Drucksache Nr. 2028 jener Legislaturperiode ebenso nieder wie in der Debatte im Plenum, die sich anschloß. Demgegenüber weigerte sich aber etwa Außenminister Brentano in der 3. Legislaturperiode zum Beispiel im Januar 1959 dem Ausschuß den vorgesehenen Text einer Note, deren Absendung bevorstand, bekanntzugeben. Damals erklärte ein bekannter CDU-Außenpolitiker: „Wenn wir den Text, bevor die Note weggeht, vor uns hätten, müßten wir irgendwie Stellung nehmen ... Zum Schluß endlich würde ... herauskommen eine Mitverantwortung einer größeren oder kleineren Mehrheit des Parlaments für eine diplomatische Einzelaktion der Bundesregierung ... Der Außenminister ist dem Parlament verantwortlich und er muß Rede und Antwort stehen, aber seine Note muß er in eigener Verantwortung hinausschicken." Auch weigerte sich zum Beispiel Brentano in der 3. Wahlperiode (absolute Mehrheit für die CDU/CSU!) im Januar 1958, die Berichte des Botschafters Pfleiderer aus Belgrad dem Ausschuß vorzutragen, mit der Bemerkung: „Ich glaube nicht, daß die Regierung durch Beschluß veranlaßt oder gezwungen werden kann, etwas zu tun, was alleine in ihrer eigenen Zuständigkeit liegt". Die Opposition bestand damals auf einem entsprechenden „Ersuchen", was dann von der Mehrheit 15 : 11 Stimmen abgelehnt wurde. mit In der 1. Legislaturperiode bot die Regierung, zum Teil in Gestalt des Bundeskanzlers selber — einen „eigenen" Außenminister gab es ja zunächst noch nicht —, echte laufende Informationen etwa zu den bereits erwähnten Verhandlungen mit den Westalliierten über die Ablösung des Besatzungsstatutes und legte dabei auch die Verhandlungsposition der Bundesregierung durch Vorlage von Positionspapieren und Zwischenberichten zu einzelnen Punkten offen. Es fällt auf, daß Bundesaußenminister Willy Brandt bei einer seiner ersten Teilnahmen an einer Sitzung des Auswärtigen Ausschusses als neuer Bundesaußenminister der Großen Koalition im Frühjahr 1967 sehr gründliche, das heißt ausführliche und ins einzelne gehende Informationen zu den verschiedensten Aspekten der Außenpolitik gab. Maßgeblich war hier sicherlich nicht zuletzt die parlamentarische Mehrheit, die vor der Notwendigkeit stand, aus den beiden großen Lagern des Parlamentes die Unterstützung der Abgeordneten zu erlangen. Bei internationalen Verhandlungen erzielte Zwischenergebnisse wurden auch von den sozialliberalen Regierungen zum Teil in „mehrstündiger" Anwesenheit des Außenministers — zum Beispiel in Sachen KSZE — vorgelegt. In solchen Fällen wurden Exekutivpapiere durchweg nach der jeweiligen Sitzung wieder eingesammelt, konnten aber im Ausschußsekretariat von ordentlichen Ausschußmitgliedern häufig in einer Fotokopie wieder eingesehen werden Zu keinem Zeitpunkt wurde im Auswärtigen Ausschuß von irgendeiner Regierung allerdings eine förmliche Akteneinsicht in die eigene Verhandlungsführung gegenüber dem Ausland gewährt. Eine solche, nun in der Tat auch in parlamentarischen Regierungssystemen nicht übliche Einsicht wurde wiederholt und ex pressis verbis im Namen der jeweiligen Regierung abgelehnt Fragenkataloge von Regierungs-und Oppositionsberichterstattern wurden hingegen von den Regierungen durchweg jeweils genau schriftlich und mündlich beantwortet
Nachinformationen wurden demgegenüber durchweg von selten der Exekutive besonders nach Besprechungen des Bundeskanzlers mit auswärtigen Regierungschefs gegeben, wenngleich eben auch zumeist ohne sensationellen Neuigkeitswert. So berichtete zum Beispiel Bundeskanzler Helmut Schmidt im Ausschuß über seine Gespräche mit Mao Tse-tung aus Anlaß seines Chinabesuches in der 7. Legislaturperiode. über wirklich geheime Sondierungen der Regierung erfuhr der Ausschuß auf seinen Plenarsitzungen aber offenbar durchweg wenig. 1964 wich die Regierung einer Frage eines Ausschußmitgliedes nach einer Botschaft des damaligen sowjetischen Partei-chefs Chruschtschow ebenso aus wie einer Unterrichtung über die später sehr berühmt gewordene Unterhaltung des Bundeskanzlers Adenauer (1962) mit dem damaligen sowjetischen Botschafter in Bonn, eine Unterhaltung, auf der Adenauer die Idee eines Burg-friedens im Hinblick auf die deutsche Frage ansprach.
Eine eingeschränkte Informationsbereitschaft von Seiten der Exekutive wurde, wie schon erwähnt, gerade von Konrad Adenauer immer wieder mit behaupteten oder tatsächlichen Indiskretionen nach vertraulichen Diskussionen im Auswärtigen Ausschuß begründet. Er versuchte vielmehr sein sicherlich ohnehin nicht allzu stark entwickeltes parlamentarisch-demokratisches Verständnis von den „Volkssouveränen''im Bundestag durch Regierungsangeböte wettzumachen, besonders heikle Fragen in einem sehr kleinen informellen Kreise von Vertretern aller Fraktionen zu erörtern Tatsächlich haben sich immer wieder bei nachweislich wichtigen außenpolitischen Weichenstellungen Geheimsitzungen im Kreise der ordentlichen Mitglieder (unter Umständen verbunden mit einem Arbeitsessen beim Außenminister) als . Ausweichmöglichkeit" herauskristallisiert. Daß den Fraktionsvorsitzenden ebenso wie später den außenpolitischen Obleuten in diesem Zusammenhang eine besondere Funktion zugemessen wurde, ist von keiner Seite beanstandet worden.
Auch stießen im Auswärtigen Ausschuß Vorschläge, bei laufenden Vertragsverhandlungen formell ein kleines Gremium ad hoc zum genaueren Informationsaustausch mit der Exekutive wie auch zu einer gewissen parlamentarischen Beratung einzusetzen, wiederholt auf Gegenliebe. So wurde zum Beispiel vom Auswärtigen Ausschuß Anfang Juli 1951 nach einem Bericht des Bundeskanzlers und seines Staatssekretärs Hallstein über die Verhandlungen betreffend die Ablösung des Besatzungsstatutes — Verhandlungen die allerdings schon im Mai 1951 (!) begonnen worden waren, und über die bis „Ende Juli ein Über-blick" vorliegen sollte — ein Unterausschuß gebildet, der mit der deutschen Verhandlungskommission „zwecks Entgegennahme und Abgabe von Informationen in Verbindung treten" sollte. In diesem Gremium waren CDU/CSU, SPD, FDP und DP vertreten. Der Verhandlungsgegenstand wurde später erweitert, so daß Ende September 1951 ein neuer Unterausschuß — bestehend aus vier Mitgliedern — eingesetzt wurde. Der Bundeskanzler erklärte sich bereit, diesen Unterausschuß unmittelbar nach der jeweils nächsten Sitzung mit den Hohen Kommissaren laufend zu unterrichten. Auch eine enge Fühlungnahme zwischen Staatssekretär und dem Gremium wurde vereinbart. Analog zu dieser Praxis wurde zum Beispiel auch im Juli 1962 ein „Kontaktkreis“ aus Abgeordneten des Ausschusses benannt, der sich in der Sommerpause mit dem Auswärtigen Amt zu dem Problemkreis Menschenrechte und Menschenrechtsverletzungen bzw. einer Dokumentation über diese Fragen treffen sollte
V. Die Möglichkeiten und Genzen einer Einflußnahme des Auswärtigen Ausschusses
Dieser Gesichtspunkt kann als Überleitung zu einer Kurzanalyse hinsichtlich der versuchten, von der Regierung selber gelegentlich auch erbetenen und tatsächlich durchgeführten Wahrnehmung von Empfehlungsfunktionen durch die jeweilige Opposition im außen-politischen Entscheidungsprozeß dienen. Ist sich in unserem System die Regierung ihrer Mehrheit sicher — vor allem im Hinblick auf parteipolitisch kontroverse außenpolitische Weichenstellungen — dann kann sie den Auswärtigen Ausschuß als einen von der Mitgliedschaft her „potenten“ Ausschuß des Parlaments zwar ausgesucht höflich, aber mitunter durchaus auch nichtssagend behandeln und Empfehlungen gar nicht erst erbitten. Dies ist die erste Konstellationsvariante. Ist sich die Exekutive ihrer Mehrheit nicht sicher, dann wird sie zweitens auch in einer parlamentarischen Demokratie versuchen müssen, die jeweilige Opposition in den Prozeß der Abwägung von außenpolitischen Alternativen auch bei kontroversen Zielvorstellungen und nicht zuletzt im Hinblick auf den jeweils möglichen oder wünschenswerten Mitteleinsatz einzubeziehen. Dann wird sie auch verstärkt einem Auswärtigen Ausschuß zumindest das Gefühl vermitteln wollen, daß „man“ auf beratenden Voten eines solchen Gremiums Wert legt.
Handelt es sich schließlich drittens um parteipolitisch nicht kontroverse Themen, dann wird sich die Regierung mit und ohne große Mehrheit in der Regel ohnehin gerne eine Rückendeckung im Auswärtigen Ausschuß und durch denselben geradezu „bestellen". Für alle drei nuanciert unterschiedlichen Varianten ließen sich aus den Ausschußprotokollen Belege erbringen.
Charakteristisch für die Variante eins war das schon erwähnte Verhalten des Außenministers von Brentano nach der Erringung der absoluten Mehrheit durch die CDU/CSU, bei der Weigerung 1958, die unorthodoxen, ostpolitisch-deutschlandpolitischen Überlegungen des Botschafters Pfleiderer in Belgrad dem Auswärtigen Ausschuß zugängig zu machen.
Charakteristisch für die zweite Variante Sitzungen des Ausschusses im Frühjahr 1951 mit Bundeskanzler Adenauer und Staatssekretär Hallstein zur Ablösung des Besatzungsstatutes oder zur Saarfrage. Im September 1954, das heißt in der 2. Legislaturperiode, leistete sich Bundeskanzler Adenauer demgegenüber zur Zeit der Londoner Konferenz, die zum Eintritt der Bundesrepublik Deutschland in die NATO führte, die wohl rhetorisch gemeinte und auch so verstandene „Frage“ an den Auswärtigen Ausschuß, ob dieser mit der von ihm skizzierten Linie der Verhandlungsführung der Bundesregierung in London „einverstanden" sei, oder man ihm andere . Ansichten, ja Direktiven" mit auf den Weg geben wolle. Charakteristisch für die dritte Variante schließlich war etwa die Sitzung Mitte Januar 1963, als es um die Möglichkeit eines Beitritts von Großbritannien zur EG ging. Hier verabschiedet der Ausschuß einstimmig eine Presseerklärung, in der es hieß: „Der Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten hielt es aus politischen und wirtschaftlichen Gründen für notwendig, daß Großbritannien volles Mitglied der EG wird... ersucht die Bundesregierung bei den bevorstehenden Verhandlungen in Brüssel und Paris diesen Standpunkt zu vertreten" Außenminister Schröder wird sich damals eine solche Erklärung vielleicht auch ad personam hinter der Kulisse „bestellt" haben, weil er als „An-
glophiler" Widerstände in der eigenen CDU-
Fraktion einschließlich des damaligen Bundeskanzlers Erhard gegen einen britischen Beitritt zu überwinden suchen mußte. Besonders problematisch für den tatsächlichen politischen Entscheidungsablauf in einem parlamentarischen Regierungssystem wie dem der Bundesrepublik und somit auch besonders interessant für eine politikwissenschaftliche Analyse sind nun aber die sozusagen fließenden Übergänge von einer Einschaltung der Opposition in die Phasen der Abwägung von Alternativempfehlungen über diejenige der „Festlegung" eines bestimmten außenpolitischen Kurses bis hin zur Beteiligung der Opposition an dem tatsächlichen Ablauf der legitimerweise, wie wir wiederholen, rein exekutiven Endentscheidung. Der Verfasser hat an anderer Stelle auf viele schon heute nachweisbare Beispiele der Praxis der Vereinigten Staaten nach 1945 hingewiesen, wonach die präsidentielle Exekutive immer wieder aus verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Erwägungen heraus führende Vertreter der „anderen" Partei in den Prozeß der Entscheidung einbezogen hat. Das beachtlichste Beispiel, das in diesem Zusammenhang erwähnt zu werden pflegt, war die „Betreuung"
des damaligen oppositionellen außenpolitischen Experten der republikanischen Partei, J. F. Dulles (des späteren Außenministers unter Eisenhower), durch die „demokratische" Regierung des Präsidenten Truman mit der Ausarbeitung und dem Aushandeln des Japanischen Friedensvertrages. Zwar wurde bei uns gelegentlich ein „eigener" Mann — in der Regel als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses — mit der Wahrnehmung von informellen Regierungsverhandlungen zur Klärung von fachspezifischen Problemen vor Ort, das heißt im Ausland, ja sogar schon ein Vertreter der Opposition beauftragt. Aber ein Fall wie der von J. F. Dulles ist aus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nicht nachzuweisen, es kann ihn systemimmanent betrachtet wohl auch nicht geben. Hingegen gibt es u. a. das berühmte Beispiel der Einbeziehung der oppositionellen SPD in den Entscheidungsprozeß in Sachen geheime Waffenlieferungen an Israel — ein Vorgang, in den ja bekanntlich nicht einmal der damalige, aus Regierungssicht sozusagen „eigene" Bundestagspräsident (gleichzeitig Vorsitzender der Deutschen Afrika-Gesellschaft, Gerstenmaier) eingeweiht war — zum Schaden der Bundesrepublik Deutschland, wie sich aus Anlaß seines Besuches in Ägypten dann herausstellte
Eine große Ausnahme stellte die Einbeziehung eines früheren außenpolitischen SPD-Sprechers, Carlo Schmid, in die Moskauer Vertragsverhandlungen Konrad Adenauers im Jahre 1955 dar Angemerkt sei, daß in den 70er Jahren ein solches Angebot auch der „nunmehrigen" CDU/CSU-Opposition im Zusammenhang mit den Ostverträgen von der sözialliberalen Koalition gemacht, von dieser Opposition aber dann — wie wir meinen zu
Recht — nicht zuletzt deshalb abgelehnt wurde, weil der Rubikon in der Ostpolitik eigentlich schon überschritten war. Als besonders interessant ist in diesem Zusammenhang eine Aussprache im Auswärtigen Ausschuß im April 1959 anzusehen, als es um die Möglichkeit einer Beobachterdelegation bei der anstehenden Gipfelkonferenz über Deutschland ging. Carlo Schmid erklärte damals:
„Ich würde es für gut halten, wenn man in Erwägung zöge, bei der deutschen Delegation auch Leute aus dem Parlament zu haben. Der Bundestag kann dort nicht vertreten sein, das ist keine mögliche Figur ... aber es könnte doch vielleicht von Nutzen sein, wenn dieser Delegation einzelne Parlamentarier beige-schlossen wären, nicht eingeordnet, die zur Verfügung stehen, um zu orientieren und um Orientierungen weitergeben zu können ...
Maßgebliche Sprecher der CDU wollten demgegenüber nur „Beobachter" zulassen, während andere in der Mehrheitspartei durchaus der Auffassung von Carlo Schmid zuneigten; Außenminister von Brentano warnte vor einer „Zuständigkeitsüberschneidung".
Ob der Ausschuß insgesamt, vor allem aber auch die jeweilige Minderheit, eine außenpolitische Festlegungsfunktion effektiv ausüben, das heißt „mitentscheiden" kann, soll hier abschließend kurz anhand der Behandlung einzelner Verträge bzw. Vertragsgesetze im Ausschuß sowie wichtiger Grundsatzfragen der außenpolitischen Gesamtlinie abgeschätzt werden. Hervorzuheben ist, daß im Hinblick auf zur Ratifikation anstehende Verträge weder die Ausschußmehrheit noch die Ausschußminderheit an den Vertragstexten selbst etwas ändern konnte und kann. In diesem Zusammenhang stellt auch Patz sinnvolle Überlegungen zum deutsch-französischen Vertrag von 1964 an, wobei aber zu betonen ist, daß die Einführung einer Präambel — wie damals geschehen — durch Auswärtigen Ausschuß und Gesamtparlament unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten an den jeweiligen Vertragstexten nichts ändert und insofern auch keinen Beweis für eine wirkungsvolle Teilhabe der Legislative an der außenpolitischen Feststellungsfunktion darstellt.
Eine vergleichende Studie anhand exakter Quellen auf der ganzen Linie zwischen der Präambel zu diesem Vertrag und der ebenso berühmt gewordenen Bundestagsresolution zum Abkommen mit Polen 1972 unter staatsrechtlichen, völkerrechtlichen und vor allem politischen Gesichtspunkten wäre in diesem Zusammenhang sehr reizvoll. In beiden Fällen konnte schließlich die alleinige außenpolitische Entscheidungsspitze — die Regierung — eine solche „Klarstellung" im Hinblick auf deren staatsrechtliche wie völkerrechtliche Wirkung, das heißt nach innen und außen, mittel-und langfristig völlig gelassen hinnehmen, wie die Entwicklung in einem Falle seit 1964, im anderen seit 1972 ohnehin beweist. Völlig abzulehnen sind die Schlußfolgerungen von Patz, daß der Ausschuß 1963/64 „quasi-exekutive Funktionen übernahm“, schwach auch das Fazit: zwar hatte die SPD-Führung, was den Teil der völkerrechtlichen Wirksamkeit angeht, alles gefordert und nichts erreicht ... praktisch hatte die SPD in diesem Kompromiß kaum etwas aufgegeben. Das entscheidende Ziel war erreicht worden: Die Regierung Adenauer hatte den deutsch-französischen Vertrag so zu handhaben, wie das Parlament es in seiner Präambel wünschte". Hier war offensichtlich der analytische Wunsch des Verfassers Vater des analytischen Gedankens gewesen
Als Beispiele für die Behandlung von Verträgen bzw. Vertragstexten kann aus der 7. Legislaturperiode auf die Ratifikationsverfahren in Sachen Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur UN und zu den UN-Pakten für Politische und Bürgerliche sowie Wirtschaftliche und Soziale Rechte verwiesen werden. Im ersteren Fall hatte die Regierung ein besonders einfaches „Spiel", weil die CDU/CSU-Opposition, wie die Schlußabstimmungen im Plenum zeigten in sich zerstritten war. Die Ausschußmehrheit brauchte daher intern vorab nur zu beschließen, auf eine beschleunigte Beratung und Verabschiedung im Ausschuß zu drängen, falls der damalige Vorsitzende mit Rücksicht auf Differenzen in seiner Partei zu einer Verzögerungstaktik Zuflucht nehmen sollte, was er aber nicht tat Es ging dann alles sehr schnell über die Hürden des Ausschusses: Benennung der Berichterstatter am 21. 2. 1973 (Carstens für die Minderheit, Corterier für die Ausschußmehrheit), Vorträge der Berichterstatter bereits am 21. 3. 1973 in vier Abschnitten, wobei Abgeordnete beider Parteien in der Diskussion zu verschiedenen Aspekten Fragen aufwarfen, die der damalige Parlamentarische Staatssekretär Moersch für die Bundesregierung beantwortete. Diese Diskussion wurde mit weiteren Experten des Auswärtigen Ausschusses am darauffolgenden Tage fortgesetzt. Hier ging es insbesondere um die Problematik der Feindstaatenklauseln in der UN-CHARTA nach einem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland und Probleme einer völkerrechtlichen Anerkennung der DDR durch Drittstaaten. Am 4. April erfolgte bereits die abschließende Diskussion im Ausschuß über den zu erstattenden Bericht — wiederum in Gegenwart von Experten des Auswärtigen Amtes — und des Parlamentarischen Staatssekretärs dieser Behörde. Letzterer machte auch gelegentlich konkrete Formulierungsvorschläge für den Bericht des Ausschusses. Der Vorsitzende vermittelte zwischen den verschiedenen Lagern in vorbildlicher Weise. Es kam schließlich zu Mehrheits- und Minderheitsgutachten, die dann auch in der Plenardebatte und Schlußabstimmung am 27. Juni ihren Niederschlag fanden.
Hinsichtlich des Internationalen Paktes für Soziale und Wirtschaftliche Rechte— bei dem der Ausschuß federführend war — kam es zu einem einstimmig gebilligten Berichterstattervorschlag mit entsprechendem Antrag an das Plenum. Die Beratung des nicht federführenden Auswärtigen Ausschusses hinsichtlich des internationalen Paktes fürPolitische und Bügerliche Rechte" erfolgte in einer ausführlichen Diskussion ebenso wie übrigens die spätere Behandlung der Unterrich-tung der Bundesregierung zum Stand des Inkrafttretens des sogenannten Fakultativprotokolls in diesem Zusammenhang Der legislative Spielraum bei einem Ratifikationsverfahren eines solchen Vertragsgesetzes zeigte sich etwa in der Tatsache, daß hier lediglich geringfügige Änderungen des Zustimmungsgesetzes durch den Rechtsausschuß angeregt wurden. Ein Grenzfall war in der 7. Legislaturperiode mit der „Zustimmung" des Ausschusses wie des Plenums zur Unterzeichnung der KSZE-Schlußakte gegeben, ein Grenzfall deshalb, weil nach dem Willen aller beteiligten Verhandlungspartner diese Schlußakte völkerrechtlich gesehen keinen Vertragscharakter haben sollte. Zu dieser Materie legten Oppositions-Fraktion und Koalitionsmehrheit inhaltlich und zeitlich unterschiedliche Resolutionen vor. Die CDU/CSU hatte bereits am 17. Oktober 1974 einen Entschließungsantrag mit sechs konkreten Forderungen eingebracht. Die Koalitionsfraktionen konterten kurz vor der Unterzeichnung der Akte durch die Bundesregierung am 25. Juli 1975 mit einem Entschließungsantrag in dem es hieß: „Der Deutsche Bundestag stellt fest, daß auf der KSZE die deutschen Interessen gewahrt worden sind .. Bereits für 1973 notieren wir zur KSZE aus den Protokollen sechs Erörterungen mit Berichterstattern und Vertretern der Bundesregierung, zum Teil auch noch mit dem Außenminister Scheel, 1974 eine sehr ausführliche Diskussion am 18. Dezember 1974, im Januar 1975 insgesamt drei Sitzungen mit Teilnahme u. a.des Außenministers, weitere fünf zwischen Februar und April 1975, zwei ausführliche im Juni (Vorlage der genauen Texte im Ausschuß erst am 18. Juni) sowie die Sitzung vom 14. Juli 1975, im Hinblick auf die Unterzeichnung vom 1. August 1975 besonders bedeutungsvoll. Am 24. Juli tagte dann nochmals der Auswärtige Ausschuß zusammen mit dem Innerdeutschen Ausschuß in Gegenwart der Minister Genscher und Franke, einen Tag vor der abschließenden Plenardebatte am 25. Juli. In den Diskussionen der Endphase ging es im Auswärtigen Ausschuß vor allem um die Einbeziehung Berlins, die Offenhaltung der deutschen Frage sowie die Möglichkeit einer friedlichen Veränderung von Grenzen in Deutschland und Westeuropa.
Nun könnte man bei einem Vergleich der sechs Forderungen der CDU/CSU in Sachen KSZE aus ihrer großen Anfrage vom 17. Oktober 1974 mit dem endgültigen Text der Vereinbarungen von Helsinki zu dem Schluß gelangen, daß bis auf die ersten eineinhalb Forderungen alle genannten Voraussetzungen erfüllt und somit von der Opposition gegenüber der Bundesregierung durchgesetzt wurden: Eben die Offenhaltung der deutschen Frage sowie der Grenzen in Europa durch friedliche Veränderungen, der Zusammenhalt der westlichen Allianz und der Europäischen Gemeinschaft sowie die Ablehnung der eine lange Zeit hinweg von der Sowjetunion gewünschten ständigen Nachfolgeinstitution etc. Die Protokolle des Auswärtigen Ausschusses zeigen jedoch, wie im übrigen auch entsprechende amtliche Verlautbarungen der Bundesregierung aus jener Zeit, daß sich die Regierung selber von Anfang an diese „Subziele“ zu eigen gemacht hatte und insofern eigentlich nur der Dissens zwischen Regierungsparteien und Oppositionsparteien über die politische Zweckmäßigkeit der ganzen „Veranstaltung" übriggeblieben war. Dieser Dissens war es denn auch, der sicherlich in Verbindung mit Erwägungen reiner innenpolitischer Taktik die Opposition mehrheitlich zu einer Ablehnung der KSZE-Vereinbarungen im Plenum motivierte
Zweifellos haben Sitzungen des Auswärtigen Ausschusses (etwa in Sachen KSZE) zu einer umfassenden Klärung der Standpunkte der Bundestagsfraktionen zu der von der Bundesregierung im Rahmen von EG und NATO verfolgten außenpolitischen Generallinie beigetragen und auch zu manchen, sozusagen mehr akademischen, vor allem völkerrechtlichen Kurzkolloquien im Ausschuß Anlaß geboten. Eine Erörterung mehr grundsätzlicher Fragen der internationalen Politik hat es in diesem Gremium natürlich immer wieder gegeben, so etwa über den Stellenwert eines Heimatrechtes oder die Behandlung der Menschen-rechte im geteilten Deutschland An der Behandlung der letzteren Problematik in der 7. Legislaturperiode ebenso wie anhand der Antwort der Bundesregierung auf eine entsprechende große Anfrage der CDU/CSU in der 8. Legislatureperiode ließe sich nachwei-sen, daß sich bei einer solchen, grundsätzlichen, nur im Hinblick auf den Mitteleinsatz kontroversen Frage durchaus auch Überein-stimmungen quer durch die Fraktionen bzw. sogar auch unterschiedliche Voten des einen oder anderen Bundestagsauschusses bei gleichen parlamentarisch-politischen Kräfteverhältnissen ergeben können
VI. ... am Beispiel der Polenpolitik
Als „Paradebeispiel" für die Beantwortung der schwierigen Frage nach dem Grad der Einflußnahme des Auswärtigen Ausschusses insgesamt, vor allem aber seiner Minderheit, auf die Gestaltung außenpolitischer Leitlinien der Bundesrepublik Deutschland in einem zentralen Bereich speziell unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Kurskorrektur solcher über längere Zeit hinweg gültigen Leitlinien kann das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur Volksrepublik Polen dienen. Angesichts der nach wie vor gegebenen, besonders „heiklen" Aktualität dieses Themas beschränken wir uns bei dem Versuch einer Kurzanalyse in diesem letzten Teil unserer Untersuchung auf den Zeitraum von Mitte der 50er Jahre bis Mitte der 60er Jahre und selbst hier im wesentlichen auf eine . Auseinandersetzung" mit dem entsprechenden Kapitel von Patz. Dieser Zeitraum bietet sich nicht zuletzt deshalb an, weil hierzu zwei bzw. drei sehr ausführliche amtliche Drucksachen des Auswärtigen Ausschusses vorliegen, auf die sich auch Patz stützt, und zwar der sogenannte Paul-Bericht vom 24. 6. 1957 und der soge-nannte Jacksch-Bericht vom 31. 5. 1961 mit seinem zweiten Teil über „Die Schicksale der deutschen Bevölkerung in Osteuropa ...“
Trotz einer insgesamt durchaus positiven Würdigung seines Versuches, sich in das parlamentarische Zustandekommen insbesondere des Jacksch-Berichtes „hineinzudenken“, muß gesagt werden, daß schon die Überschrift des entsprechenden Abschnittes der Patz-Studie: „Der Jacksch-Bericht als parlamentarischer Auftrag an die Regierung — die Initiative einer kooperativen Opposition" einer sachlichen Prüfung ebensowenig Stand hält wie die Einstufung dieses Berichtes als einer „außenpolitischen Entscheidung" Der vom Auswärtigen Ausschuß schließlich einstimmig beschlossene Antrag an das Plenum, mit dem die damalige Bundesregierung „aufgefordert" wurde, ostpolitisch in einer bestimmten Richtung zu verfahren, stellt formal gesehen eine außenpolitische Empfehlung im Sinne des in unserer Studie erneut gebrauchten Funktionsschemas, nicht aber eine außenpolitische Mitentscheidung (schon gar nicht eben eine eigene außenpolitische „Entscheidung") dar und schließlich auch inhaltlich, was viel schwerer wiegt, keine ins Gewicht fallende Kurskorrektur speziell im Hinblick auf das Verhältnis zur Volksrepublik Polen. Recht hat Patz hingegen zweifellos, daß hier aus der Sicht der SPD im Vorgriff auf die berühmte Kursschwenkung vom 30. 6. 1960 und unter Hintenanstellung des ursprünglich stark propagierten eigenen Deutschlandplanes (den interessanter-oder unverständlicherweise Patz in diesem Kapitel überhaupt nicht erwähnt und daher auch nicht in den Gesamtzusammenhang einordnet) nach wiederholten interparteilichen Kontroversen über verpaßte ostpolitische Chancen eine gemeinsame außenpolitische Beurteilung zwischen weiten Teilen der Mehrheits-und Minderheitsparteien im Parlament zustande kam. Aber schon die weiteren Schlußfolgerungen von Patz in diesem Zusammenhang: „Von nun an war der Auswärtige Ausschuß als Gesamtinstitution am politischen Entscheidungsprozeß nicht mehr beteiligt“ oder aber die Überschrift: „...der Wandel der Funktion des Auswärtigen Ausschusses", lassen sich nicht halten
Warum kam die Aufforderung des Auswärtigen Ausschusses und damit auch später des Bundestagsplenums an die Regierung, keiner Kurskorrektur gleich, was die entscheidende ostpolitische Zielsetzung der bisherigen Regierungspolitik betraf, sondern allenfalls dem Anvisieren eines nuanciert zu verändernden Mitteleinsatzes zur Erreichung der alten ost-und deutschlandpolitischen Ziele?
Erstens: Es blieb gemäß der Willensbekundung des gesamten Auswärtigen Ausschusses — auf der Grundlage der Vorarbeiten des von Patz zurecht ausführlich zitierten Unterausschusses — das Ziel aller bundesrepublikanischen Außenpolitik auch nach Annahme des Ausschußantrages durch das Plenum: „Wiederherstellung eines freien Gesamtdeutsch-land" -Betont wurde im Gegensatz zu früheren Bekundungen deutschland-und ostpolitischer Gemeinsamkeiten vielleicht etwas stärker eine Parallelität zwischen diesem Ziel und der Herstellung „friedlicher und gedeihlicher Beziehungen" zur Sowjetunion und allen übrigen osteuropäischen Staaten. Hierin spiegelte sich in der Tat ein wichtiger Lernprozeß wider.
Zweitens: Diese Feststellung ist aber insofern sogleich zu relativieren, als das politische Ziel der Normalisierung der Beziehungen zu allen osteuropäischen Staaten unter das alte „Ca-veat" gestellt wurde: „Ohne Preisgabe lebenswichtiger deutscher Interessen". Dieses Caveat wurde in weiteren Absätzen des Antrages als ein unabdingbares Geltendmachen „jeweils erforderlicher völkerrechtlicher Vorbehalte" bei einer „etwaigen Herstellung amtlicher Kontakte“ konkretisiert. Ausdrücklich wurde in diesem Zusammenhang von Ländern gesprochen, die „deutsche Gebiete unter vorläufiger Verwaltung haben".
Drittens: Zu den nuanciert anders bzw. stärker geforderten Instrumenten einer Ostpolitik kann die weitere Aufforderung gezählt werden, die „bestehenden Beziehungen" auf „wirtschaftlichem, humanitärem, geistigem und kulturellem Gebiet" weiter auszubauen.
Viertens: Interessant erscheint in dieser Aufforderung des Auswärtigen Ausschusses bzw. später des Plenums an die Bundesregierung die Empfehlung, die schon der „Paul-Bericht" expressis verbis enthalten hatte, die ostpolitischen Abteilungen der „zuständigen Ressorts" auszubauen.
Speziell diese „Unterempfehlung" wird nun aber von Platz in einer völlig falschen Sicht, die nur eine mangelnde Kenntnis der genauen legislativen und exekutiven Quellen jener Zeit zu entschuldigen vermag, als ein Sieg des Außenministers von Brentano persönlich und einzelner CDU-Abgeordneter sowie vor allem der SPD-Opposition über andere CDU-Gruppierungen und militante Vertriebenenkreise eingestuft.
Tatsächlich spiegelte gerade diese Empfehlung und ihre ausführliche Begründung in den Ausschußberichten ebenso wie in den Akten des Auswärtigen Amtes das genaue Gegenteil wider, das heißt, den wichtigen Umstand, daß sich hier die Vertriebenen mit einem kontinuierlich applizierten Druck auf die Exekutive und diverse Parlamentskollegen durchgesetzt hatten. Sie wollten nämlich den Ausbau besonders der Ostabteilung des Auswärtigen Amtes, nicht zuletzt um den propagandistischen Aktivitäten der polnischen Seite im Ausland, vor allem in den USA, entgegenzuwirken. Diese Intention wird deutlich an den Ausführungen des Paul-Berichtes in diesem Zusammenhang, besonders aber an dem beinahe zeitgleich vorgelegten, oben erwähnten „dritten" Ausschuß-Bericht über „Die Schicksale der deutschen Bevölkerung in Osteuropa .. "
Der „Einfluß" der Vertriebenengruppen zeigte sich auf vielen Seiten Absatz für Absatz im eigentlichen Jacksch-Bericht, wo es z. B. hieß: „In Osteuropa und im Verhältnis zur Sowjetunion harren Schlüsselprobleme der deutschen Zukunft der Lösung. Langfristige Vorbereitungen sind dazu erforderlich. Dazu gehört eine entsprechende personalpolitische Vorsorge für künftige Kontaktaufgaben, eine wirksame Koordinierung der Ostforschung in der Bundesrepublik ... auf der Suche nach konstruktiven Lösungen der europäischen Friedensprobleme sollte auch der Einfluß der osteuropäischen Exilgruppen in den westlichen Ländern und der amerikanischen Bürger osteuropäischer Abstammung nicht übersehen werden... die Versuchung, die amerikanische Außenpolitik in der Frage der deutschen Ostgrenzen von vorneherein auf den polnischen Standpunkt festzulegen ... das offene Zusammenspiel gewisser polnischer Exilgruppen mit der kommunistischen Heimatregierung in Warschau ... in dieser Betrachtung wurde ferner die positive Einstellung anderer osteuropäischer Exilgruppen zur Bundesrepublik mit Genugtuung registriert. Auf alle Fälle wird die Außenpolitik der Bundesregierung mit andauernden Bemühungen sowohl der Warschauer Regierung als auch exilpolnischer Kreise zu rechnen haben, die unter Ausschaltung einer friedensvertraglichen Regelung die provisorische Verwaltung der deutschen Ostgebiete in eine dauernde Besitznahme umwandeln wollen ... man muß es als eine tragische Illustration zur Satzung der Vereinten Nationen ... bezeichnen, wenn 16 Jahre nach Beendigung der Kriegshandlungen in den Vertreibungsgebieten noch 2 Millionen Angehörige eines besiegten Volkes als Menschen ohne Menschenrechte behandelt werden .. . Schließlich lag diese Ausschußempfehlung (organisatorischer Erweiterungen in den Ressorts im Bereich der Ostpolitik) sogar auf der Linie des BHE/GB-Anträges 1956 In manchen anderen Punkten richtig wird von Patz die damalige Rolle des Außenministers von Brentano gesehen, der ganz sicherlich zu den Befürwortern einer flexibleren deutschen Ostpolitik gehörte und zeitweilig mit oder ohne Bundeskanzler Adenauer zumindest zu geheimen Sondierungsgesprächen mit der polnischen Seite über die Frage eines modus vivendi bereit war
Von einer vollständigen Auslagerung dieses gesamten Themenkomplexes der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen weg vom Ausschußplenum in die Arbeitsgruppe bzw.
den Unterausschuß, wie Patz dies konstatiert, konnte damals nicht gesprochen werden. Laut Jacksch-Bericht tagte zwar diese Arbeitsgruppe insgesamt neunzehnmal seit dem 12. 2. 1960, obwohl dort natürlich nicht, wie es Patz formulierte, „verhandelt“ wurde im eigentlichen Sinne des Wortes über eine neue Festlegung ostpolitischer Leitlinien Aber das Plenum des Auswärtigen Ausschusses befaßte sich selber ebenfalls immer wieder mit diesem Fragenkomplex, zum Teil direkt, zum Teil indirekt — bis zur abschließenden Sitzung vom 4. 5. 1961 Sie wird von Patz nur kurz erwähnt. Fünftens: Es ist dabei festzuhalten, daß aufgrund der Diskussion im Plenum des Auswärtigen Ausschusses vom 4. 5. 1961 zum Beispiel ein wichtiger Einschub in der endgültigen Berichtfassung mit einem Hinweis auf die Hall-stein-Doktrin in Form einer Fußnote zur Regierungserklärung vom 26. 6. 1956 erfolgte Ferner wurden einige inhaltlich durchaus bedeutsame, auf jeden Fall rein redaktionelle Änderungen beschlossen — etwa zur Haltung der USA in der Frage der deutschen Wiedervereinigung oder zur Formulierung ... „im polnischen Verwaltungsbereich". Auch das Thema „völkerrechtliche Vorbehalte", das dann in der zusammenfassenden Aufforderung an die Bundesregierung nochmals ex-pressis verbis zum Ausdruck kam, geht in seiner abschließenden Formulierung auf die Beratungen im Plenum des Auswärtigen Ausschusses auf jener Sitzung zurück.
Sicher ist, daß anders als bei diesen Vorgängen Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre eine gemeinsame Linie in der Polenpolitik der Bundesrepublik Deutschland zwischen den vier im Bundestag vertretenen Parteien Anfang der 70er Jahre nicht mehr gefunden werden konnte. Auch die Vertragswerke der Jahre 1975/76 erfuhren im Auswärtigen Ausschuß, der in der besonders umkämpften Frage des Rentenabkommens mit Polen nur mitbera-tend war, eine gründliche Durchleuchtung von Seiten des oppositionellen Hauptberichterstatters, Wallmann, und seines Widerparts aus den Reihen der sozial-liberalen Koalition, Schlaga.
Die am 7. 8. paraphierten, aber noch durch Warschau und Bonn vereinbarungsgemäß geheim gehaltenen Vertragstexte wurden am 25. 8. 1975 den Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses zur vertraulichen Einsichtnahme im Ausschußsekretariat zugänglich gemacht. Auch vorher hatten schon die 1973/1974 aufgetretenen Schwierigkeiten in den deutsch-polnischen Beziehungen im Auswärtigen Ausschuß zur Diskussion gestanden — so unter anderem auch nach Anhörung eines maßgeblichen Vertreters des DRK bereits Anfang 1973. Damals war es zu einer sehr guten Diskussion über Probleme der Umsiedlung mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Moersch vom Auswärtigen Amt gekommen, der dann im übrigen am 13. 3. 1974 bereits erstmals genauer über die laufenden Verhandlungen mit der Volksrepublik Polen berichtete
Am 23. 9. 1975 referierte ein Vertreter des Auswärtigen Amtes zum Thema vor dem Arbeitskreis I der SDP-Fraktion ohne aus den Texten vorzulesen, die erst am 9. 10. 1975 offiziell veröffentlicht wurden. Die Berichterstatter wurden am 26. 11. 1975 ernannt, nachdem in einer ausführlichen Sitzung mit Außenminister Genscher am 14. 10. 1975 eine ebenso lange wie inhaltlich gute Diskussion stattgefunden hatte, in deren Verlauf vor allem eine völkerrechtliche Bewertung der einzelnen Dokumente vorgenommen wurde. Diese Aussprache wurde anhand eines Fragenkataloges, der — wie in solchen Fällen durchaus üblich — vom Auswärtigen Amt schon schriftlich beantwortet worden war, am 15. 10. wiederum zum Teil in Gegenwart des Bundesaußenministers fortgesetzt.
Eine erste „Lesung" der Texte erfolgte im mit-beratenden Auswärtigen Ausschuß am 14. 1.
1976 — im übrigen, wie der Verfasser an anderer Stelle festgehalten hat in Gegenwart von nur 11 Mitgliedern der CDU/CSU, 7 der SPD und 2 der FDP — vormittags zusammen mit einem Staatssekretär aus dem Arbeitsministerium, nachmittags mit Außenminister Genscher. Der Hauptberichterstatter stellte hier in Anlehnung an den erwähnten Katalog erneut im Namen der Opposition genau formulierte Fragen. Die Aussprache darüber wurde am 21. 1. 1976 fortgesetzt — wiederum bei einer relativ schlechten Präsenz auf Seiten der SPD, was einmal mehr beweist, daß für die Regierungspartei die „Sache" sozusagen gelaufen war und man hier eigentlich nur noch auf die Schlußabstimmung wartete, die dann bei „selbstverständlich" voller Präsenz am 28. 1. 1976 stattfand.
Die Vorstellungen der CDU/CSU im Auswärtigen Ausschuß (wie später im Plenum des Bundestages) setzten sich bekanntlich in keinem Punkte hinsichtlich der deutsch-polnischen Abkommen 1975/76 durch. Das zeigt sich einmal mehr am Bericht des federführenden Ausschusses an das Plenum, der natürlich auch auf die Beratungen im Auswärtigen Ausschuß zurückgriff Ob die gewissermaßen letzte „Genscherformel" in Hinblick auf den deutsch-polnischen Briefwechsel zur Aussiedlerfrage und im besonderen hier zum Zeitraum (1980 oder darüber hinaus) als ein Erfolg der „Opposition" im Bundesrat gewertet werden kann, darf schon jetzt bezweifelt werden, läßt sich aber schlüssig erst in Jahrzehnten anhand aller bundesrepublikanischer Exekutiv-quellen beweisen. Sicherlich können aber eben auch diese Abkommen der Jahre 1975/76 nicht als Beleg für eine Mitwirkung des Auswärtigen Ausschusses bzw. gerade auch seiner Minderheit, an der Gestaltung der Außenpolitik im allgemeinen und der Vertragsverhandlungen im besonderen herangezogen werden.
VII. Fazit
Erstens: Als „Gesamtheit" stellt der Auswär-ige Ausschuß tatsächlich im parlamentarischen System der Bundesrepublik so etwas wie eine Besonderheit dar, weil hier aufgrund seines — nach unserer Auffassung aber übertriebenen — Vertraulichkeitsgebarens Meinungen zu wichtigen außenpolitischen Fragen in der Regel sehr offen zwischen allen Beteiligten ausgetauscht und gelegentlich sogar kontrovers durch die Fraktionen hindurch diskutiert werden. Auf diese Weise kann sich eine in diesem Ausschuß klug agierende Exekutive durchaus einen wichtigen interparteili-dien Resonanzboden verschaffen, der ihr in der Tat bei der Konzeption, Durchführung und gegebenenfalls Korrektur von außenpolitischen Maßnahmen gelegentlich weiterzuhelfen vermag.
Zweitens: Aufgrund seines traditionellen, vielleicht auch überholten, sicherlich aber nach wie vor gegebenen Prestigewertes können Mitgliedern dieses Auswärtigen Ausschusses, welcher Partei auch immer, mit und ohne Regierungsauftrag durch Gespräche mit ausländischen Politikern und Diplomaten auf Reisen ins Ausland durchaus belangvolle Missionen erfüllen, so daß man solche Reisen keineswegs nur als politisch parlamentarische Frühstücks-reisen abtun sollte. Allerdings wird hinzuzufügen sein, daß die tatsächliche politische „Potenz“ solcher Auftritte im Ausland von selten der Ausschußmitglieder nicht gleichzusetzen ist mit derjenigen von US Mitgliedern vor allem des Auswärtigen Senatsausschusses. Letzterer verfügt eben allein schon über die berühmte 1/3 Sperrminorität in Sachen Ratifizierung von Verträgen. Sie verleiht jedem einzelnen Mitglied, ganz zu schweigen von dem jeweiligen Vorsitzenden dieses Ausschusses 84), unabhängig von seiner parteipolitischen Linie, die ohnehin nicht sehr stark auf eine Fraktionsdisziplin a la Bundesrepublik fi-
iert ist, eine tatsächliche Macht. Nebenbei bemerkt profitiert ein deutscher Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses bei Besuchen in den USA sicherlich von diesem Prestige seines amerikanischen Gegenüber, das heißt, er wird in seiner tatsächlichen Einflußmöglichkeit auf die Gestaltung der Außenpolitik in der Bundesrepublik überschätzt, zumal dann, wenn er der jeweiligen Oppositionspartei im Bundestag angehört.
Drittens: Damit ist festzuhalten, daß die Einflußmöglichkeiten der jeweiligen Opposition im Auswärtigen Ausschuß des Deutschen Bundestages realiter sehr begrenzt sind. In dieser Beziehung hat es vielleicht nuanciert wichtige Unterschiede zwischen den einzelnen Legislaturperioden gegeben: In den ersten beiden — das läßt sich cum grano salis so erneut konstatieren — ging selbst ein Adenauer „behutsamer" mit allen politischen Gruppierungen im Ausschuß vor, als in seiner „Endzeit“. Tatsächlich beweist auch eine ganze, völlig vom Verfasser zu übersehende Legislaturperiode wie die 7„ wenngleich diese in punkto Außenpolitik mangels neu auftretender großer außenpolitischer Kontroversen nicht als unbedingt typisch für die ersten 30 Jahre Bundesrepublik gelten kann, daß der Einfluß der Opposition im Auswärtigen Ausschuß auf den außenpolitischen Entscheidungsprozeß in seinen beiden letzten Phasen, dem Durchspielen von Alternativen und der Endentscheidung, mehr oder weniger gleich null war und eben auch sein muß.
Es ist daher viertens zu fragen nach der Bedeutung einer Einflußnahme durch die jeweilige Mehrheitspartei sowohl im Auswärtigen Ausschuß als auch im Plenum des Bundestages. Bei der Antwort auf diese Frage gilt zunächst die erneute Feststellung, daß es hier Unterschiede ebenfalls zwischen den einzelnen Legislaturperioden aufgrund unterschiedlicher mehrheitlicher Parlamentsverhältnisse gab. Rücksichtnahme der jeweiligen politischen Führung in Parlament und Regierung auf Vertreter von gegenläufigen Minderheitenmeinungen und damit von potentiellen Abweichlern im Sinne von abspringenden oder das Wählerpotential gefährdenden Fraktionsmitgliedern werden immer dann stärker in Erscheinung treten, wenn Mehrheiten aus Gründen der Heterogenität oder sonstwie gefähr-
det sind. Dann kann die Stunde unabhängiger, oder aber auch querköpfiger, Geister politisch-parlamentarisch schlagen. Auch lassen sich — paradigmatisch wiederum an der 7. Legislaturperiode — durchaus stichhaltige Belege dafür erbringen, daß eine Regierung gegenüber ihrer Mehrheitsfraktion oder -koalition gelegentlich sogar zurückweicht, das heißt, bereits getroffene Entscheidungen rückgängig zu ma-23 eben gezwungen ist und somit eine echte politische Kontrollfunktion der Mehrheitsfraktion gegenüber der Exekutive sichtbar wird. Dies sind aber seltene Höhepunkte des Parlamentarismus in der Bundesrepublik 1 Deutschland und stellen auf keinen Fall eine Besonderheit des Auswärtigen Ausschusses dar, schon gar nicht etwa, weil sich der Ausschuß — nach Patz — als eine „geschlossene Einheit" versteht
Damit schließt sich fünftens der Kreis unserer Betrachtungen mit der erneuten, abschließend dezidierten und von der Intention her provozierenden Feststellung, daß der Auswärtige Ausschuß als solcher auf die tatsächliche Gestaltung der deutschen Außenpolitik in 30 Jahren keinen effektiven Einfluß ausgeübt hat. Dies scheint in unserem parlamentarischen Regierungssystem auch gar nicht möglich. Es handelt sich letztlich um einen wichtigen Ausschuß mit außenpolitischen Experten oder solchen, die sich dafür halten, auf jeden Fall aber mit dem in unserem System parlamentarisch üblichen und zu fordernden allgemeinen politischen Sachverstand wie in allen anderen
Gremien des Deutschen Bundestages auch. Hinzuzufügen sei noch einmal, daß es in 30 Jahren Bundestag auch große Sternstunden gerade in diesem Ausschuß gegeben hat und zwar in Debatten von einem geistig-politisch hohem Niveau über die außenpolitische Grundausrichtung unseres Staatswesens. Hier wurde mit viel Ernst, Sachverstand und Leidenschaft von bedeutenden homines politici gerungen. Wenn dieses Niveau mit zunehmendem „Alter“ der Bundesrepublik, des Deutschen Bundestages und seines Auswärtigen Ausschusses vielleicht eine leicht absteigende Tendenz aufweist, so spricht dies nicht notwendigerweise gegen die späteren im Auswärtigen Ausschuß tätigen Mitglieder und deren Sachverstand, sondern vielleicht eher dafür, daß auch die bundesrepublikanische Außenpolitik in der veränderten internationalpolitischen Gesamtkonstellation der letzten zwei Jahrzehnte dieses Jahrhunderts des Spektakulären (gottlob?) weitgehend entbehrte und sich von einer über die Jahrzehnte hinweg immer stärker gewordenen Normalität zeigte — für Politiker also auch hier ein „dickes Brett“, an dem es im Interesse des deutschen Volkes und des Weltfriedens mit großer Geduld weiter zu „bohren" gilt, um im Dictum von Max Weber zu bleiben.