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Mikroelektronik -die dritte industrielle Revolution | APuZ 7/1980 | bpb.de

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APuZ 7/1980 Mikroelektronik -die dritte industrielle Revolution Risiko und politische Verantwortung. Sozialökologische Ansätze zur Lösung eines Dilemmas

Mikroelektronik -die dritte industrielle Revolution

Dieter Balkhausen

/ 22 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Eine einzige Technologie hat begonnen, Millionen Arbeitsplätze, Dutzende von Berufen und unser aller Leben zu verändern. Die Wunderwerke der Technik, die die dritte industrielle Revolution auslösen, heißen Mikroprozessoren und Mikrocomputer; sie werden als Erfindung des Jahrhunderts, als Revolution im Millimeterformat und als Gehirnzellen aus Silizium gepriesen, aber auch als Jobkiller gefürchtet. Diese elektronischen Winzlinge können unendlich schneller als das menschliche Gehirn funktionieren und auch viele Arbeiten schneller als der Mensch ausführen. Mit ihrer Hilfe können Konsumgüter, Automaten, Maschinen, Computer sowie Informations- und Produktionssysteme kleiner, zuverlässiger, einsetzbarer und vor allem billiger hergestellt werden. Und was vielleicht noch wichtiger ist: die kolossalen Winzlinge kennen keine Utopie, was nie dagewesene Produkte, Systeme und Methoden angeht. Sie gleichen Furien des Fortschritts, die Gewohntes in Frage stellen, Altes zerbrechen und Neues aufbauen: in Industrie, Handel und Kreditgewerbe, in der Kommunikation und Telekommunikation, in der Tarif-politik zwischen Gewerkschaften und Unternehmen, in Bildung und Ausbildung. Mit Hilfe der Mikroelektronik ist es möglich, Energie, Papier und andere Rohstoffe einzusparen, das Fließbandprinzip in Frage zu stellen sowie das Auto und den Verkehr sicherer zu machen. Die dritte industrielle Revolution eröffnet verheißungsvolle wirtschaftliche, soziale und geistige Horizonte. Doch zunächst einmal dominiert die Frage aller Fragen: Wie viele Menschen können im Beruf von Mikroprozessoren und Mikrocomputern ersetzt werden?

Eine einzige neue Technologie wird unser aller Leben grundlegend verändern!" (Vgl auch das Buch des Autors: Die dritte indu18 e Revolution. Wie die Mikroelektronik unser Den verändert, Düsseldorf 1978. ) Das klingt radikal und revolutionär, und man zögert lange, bevor man eine solch großspurig wirkende Behauptung wagt, aber sie ist wahr. Die Wunderwerke der Technik heißen in ihrer hochgezüchteten Art Mikroprozessoren und Mikrocomputer; ihre einfache Ausführung nennt man hochintegrierte elektronische Schaltkrei- se. Sie gelten als die industrielle Erfindung des Jahrhunderts, werden als Alleskönner und Wunderkind der Volkswirtschaft gepriesen und als Jobkiller gefürchtet. Die Mikros kennen (fast) keine Utopie, was nie dagewesene und neue Produkte, Methoden und Systeme angeht. Mehr noch: Es ist den Mikroprozessoren und -Computern gegeben, unendlich schneller als das menschliche Gehirn zu funktionieren und schneller als der Mensch Arbeiten auszuführen.

Die elektronischen Winzlinge sind so klein, daß es an Zauberei grenzt: Bis zu 150000 Schaltungs-und damit Funktionselemente sind auf einem Siliziumplättchen von wenigen Quadratmillimetern vereint; bald werden es 500000, Mitte der achtziger Jahre bis zu einer Million dieser Elemente sein, die auf einem elektronischen Minibaustein konzentriert sein können. Diese sogenannten Chips, deren wirre und komplexe Struktur sich erst erschließt, wenn man sie durch starke elektronische Mikroskope betrachtet, bilden das Hirn der ebenfalls höchst raffiniert gefertigten, lediglich zentimetergroßen Mikroprozessoren, die wiederum Steuer-und Operationszentrale der Mikrocomputer sind.

Der kolossale Winzling Das Innenleben-dieser Winzlinge ist kaum ishtbar und begreifbar. Es drängt sich unwillqrich der Vergleich mit der Speicherkapazi14 es menschlichen Gehirns auf, das minde-mensseine Milliarde Informationen aufzunehen in der Lage ist. Eine Million kleinster unktions- und Informationseinheiten können gegen 1985 im Millimeterformat elektronisch gebündelt werden; nur tausend dieser Chips ergeben die Speicherkapazität des menschlichen Gehirns und zugleich auch ungefähr sein Volumen. Allein dieser rechnerische Vergleich mag die Menschheit schrecken, denn er offenbart jenseits der menschlichen Kreativität und Lernfähigkeit, zu denen die Mikros natürlich nicht fähig sind, wie begrenzt die Geisteskraft des Individuums ist. Wenn man weiß, daß Mikrocomputer in einer milliardstel Sekunde Informationen verarbeiten können — dies geschieht übrigens immer durch Ja-Nein-Entscheidungen —, während der Mensch in einer Sekunde allenfalls hundert Informationen gleichzeitig bedenken kann, verstärken sich die Selbstzweifel an der Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns noch.

Nennen wir die Mikros deshalb kolossale Winzlinge. Sie mögen uns einschüchtern oder herausfordern, sogar eine magische Wirkung besitzen oder als Versuchung Gottes verstanden werden; doch bedenkt man, daß diese Supertechnologie nichts anderes als ein der Natur abgelauschtes „Betriebsgeheimnis" ist, daß sie von Menschen produziert, programmiert und gesteuert wird, dann ist sie des Magischen entkleidet. Doch ihre Fähigkeit, arithmetische wie logische Funktionen, also Rechen-wie Entscheidungsoperationen, auszuführen, löst nicht mehr und nicht weniger als eine neue technisch-wirtschaftliche Revolution aus.

Warum revolutionär? Die Winzlinge sind in der Lage, traditionsreiche Strukturen in Industrie, Handel und großen Teilen des Dienstleistungsgewerbes zu zerbrechen oder umzustrukturieren, Firmen in den Konkurs zu treiben, uralte Berufsbilder zu zerstören und damit Arbeitsplätze zu vernichten. Sie deshalb Radikale zu nennen, ist angemessen, denn sie verändern von der Wurzel her. Diese Radikalität wirkt indes nicht nur zerstörerisch, sondern auch aufbauend: Neue Industrien und Fertigungsmethoden entstehen, Arbeitsplätze werden modernisiert und geschaffen, völlig neue Berufe werden Zukunft haben. Die Qualität der Ausbildung kann gehoben, die Monotonie vieler Arbeiten abgeschafft, das Fließbandprinzip in Frage gestellt, Energie und andere Rohstoffe können gespart werden. Die dritte industrielle Revolution wird nicht nur in Industrie und Handel von Grund auf verändernd wirken. Sie wird ebenso die Telekommunikation revolutionieren, neue große Probleme des Datenschutzes aufwerfen, die Tarifpolitik zwischen Gewerkschaften und Unternehmern beeinflussen.

Die Mikros werden, wie gesagt, heute noch utopisch Erscheinendes verwirklichen. Denn ihre Stärke liegt ja darin, daß sie Konsumgüter, Automaten, Maschinen, Computer und Informationssysteme kleiner, zuverlässiger, einsetzbarer, flexibler und energiesparender machen. Experten rechnen mit 25 000 nie dagewesenen Erzeugnissen: Zählt man die Produktverbesserungen hinzu, wird diese Zahl ein Vielfaches betragen. So faszinierend diese Wunderwerke sind: ihre eigentlich revolutionäre Kraft können sie erst entfalten, seitdem sie billig geworden sind. Nachdem eine Schaltfunktion in den Chips nur noch Bruchteile eines Pfennigs kostet, sind plötzlich Tausende von technischen Erfindungen und Leistungen auf ganz neue Art der kostengünstigen Massenproduktion zugänglich.

Die apparative Intelligenz Als der Mensch die Maschine erfand und damit Muskelkraft ersetzte, wurde die erste industrielle Revolution eingeleitet. Als er Zehntausende verschiedene Maschinen mit Hilfe vieler Arten von Automation und neuen Verkehrstechniken für den Aufbau der Industrienationen einsetzte, sprach man von der zweiten. Die dritte industrielle Revolution vervielfacht die menschliche Gehirnleistung mindestens in demselben Maße, wie die erste und zweite industriell-revolutionäre Phase die Leistung der menschlichen Muskelkraft vervielfacht hat. Die Chips schaffen nicht nur Neues, sondern sie übernehmen dank ihrer apparativen Intelligenz auch wichtige Denkfunktionen. Sie überragen Menschen bei vielen den Arbeiten, weil sie schneller und ausdauernder sind, keine Ermüdung kennen und nur wenig Energie brauchen. Natürlich erwächst aus der „technologischen Intelligenz" auch die bange Frage: Wie viele Menschen können im Beruf von Mikroprozessoren und Mikrocomputern ersetzt werden?

Die eher vorsichtige Prognose eines Experten-kreises aus Unternehmern, Gewerkschaften und Wissenschaftlern, der Bundesforschungsminister Volker Hauff berät, liefert einen brauchbaren Kompaß für die Antwort: Die Mikroelektronik wird in den nächsten zehn Jahren schätzungsweise 50 Prozent aller Arbeit plätze und 70 Prozent aller industriell Arbeitsplätze auf die eine oder andere Wei: verändern. Viele Strukturen und Berufe we den von Grund auf verändert, andere nur ta giert. Ob die Summe aller Konsequenz! mehr positiv als negativ ausfallen wird, hän natürlicherweise von Hunderten von Fakt ren ab, beispielsweise von Arbeitszeitverkü zungen, vom Ausmaß der wirtschaftliche Wachstumsraten, der Energiepolitik, der po tischen Weltkonstellation und der Berei schäft, bestimmte Tätigkeiten als Beruf ; wählen oder nicht. Feststeht, daß die größte Veränderungen in den Büros, in der Ware Produktion sowie in den Industriebereicht Elektronik, Maschinenbau, Datentechni Feinmechanik und im Fahrzeugbau stattfi den werden.

Die beeinflußten Berufe Dementsprechend werden nach der Meinui von Experten die folgenden Berufe besonde stark von der Entwicklung berührt werde Montagearbeiter, Elektromontierer, Setzt Mechaniker, Uhrmacher, Werkzeugmacht Schlosser, Löter, Drucker, technische Zeic ner, Bauzeichner, Reparatur-, Wartungs-ui Kontrollpersonal, Datenverarbeitungsfachle te, Elektronikexperten sowie Laboranten. I den Büros und Verwaltungen werden sichtr ditionelle Schreibarbeiten und Sachbearbe tertätigkeiten stark verändern; auch Arch vare und Boten werden von der elektron sehen Textverarbeitung betroffen werden. AI gemein geht die Tendenz dahin, daß die M chanik weitgehend von der Elektronik abg löst wird, daß bei der Produktion und bei vi len Dienstleistungen der Anteil von Plane Konstruktion und Arbeitsvorbereitung ausg weitet wird, während die Zahl der unmittelb an der Fertigung Beteiligten sinkt. Einfacher meist inhumane Arbeiten werden durch M kroprozessoren und Automaten ersetzt, so be spielsweise durch Industrieroboter, Meß-un Steuerungsautomaten. Die Konsequenz hie aus ist auf jeden Fall positiv, obwohl die B troffenen, wenn sie nicht sofort einen neue Arbeitsplatz finden, diese Art Humanisierun als unsozial empfinden werden.

Der irritierende Produktivitätsfortschritt Ist die Computerisierung unseres Arbeits. bens überhaupt sinnvoll? Brauchen wir 2i neue Produkte? Ist diese Revolution r eher gesellschaftlicher Rückschritt als Fo schritt? An dieser Stelle hierzu nur die folgenden Überlegungen: Wem der Mikroprozessor als „Intelligenzbestie" erscheint, die keinen Arbeitsplatz verschont, sollte dabei nie aus dem Auge verlieren, was auflängere Sicht der Volkswirtschaft und den Bürgern zum Segen gereicht. Unternehmer wie Gewerkschaften haben den Produktivitätsfortschritt, der zwangsläufig immer Rationalisierungsmaßnahmen voraussetzt, stets gefördert, ja, die Gewerkschaften haben sich mit ihrer Lohn-und Arbeitszeitpolitik immer als „Rationalisierungspeitsche" verstanden. Ohne Rationalisierung und Produktivitätsfortschritt ist es unmöglich, Einkommen und soziale Leistungen zu steigern. Die erhöhten Masseneinkommen sind allerdings volkswirtschaftlich nur dann von durchschlagendem Nutzen, wenn mit ihnen auch neuen Produkten zum Durchbruch verhelfen wird, ein Durchbruch, der nur mit preiswerten Erzeugnissen gelingen kann. Innovation, das Neu-und Andersmachen, ist deshalb eine der volkswirtschaftlichen Urkräfte, die, wenn sie erlahmt, den Rückschritt in gleicher Weise verursacht wie der mangelnde Produktivitätsfortschritt. Indem sie neue Produkte, neue Märkte, neue Nachfragen aktiviert und gleichzeitig Kosten spart, enthält die Mikroelektronik lauter volkswirtschaftliche Positivfaktoren. Daß dabei auch Arbeitsplätze vernichtet oder in großem Umfang umstrukturiertwerden, sollte nicht verwundern. Zu allen Zeiten der Industrialisierung sind Arbeitsplätze beseitigt worden, andererseits aber auch neue dafür entstanden.

Technische Revolutionen ohne Einbrüche und Beschwernisse sind nicht vorstellbar, doch Verdanken wir die Zivilisation und den Leensstandard unserer Jahre der ersten, der zweiten und zu einem guten Teil der dritten industriellen Umwälzung. Die Maschine und er automatisierte Produktions- und Verwaltungsprozeß hoben und heben trotz vieler Negativerscheinungen die Lebensqualität berachtlich. Sie haben Elend, Hunger, Unbilung und Seuchen bezwingbar gemacht. Wovon in Zeiten der beginnenden Industrialisierung nur geträumt werden konnte, dies hat die industrielle Zivilisation durchgesetzt: Arbeiten ohne schwere körperliche Belastung, Acht-stunden-Tag und zunehmender Urlaub, reichhaltiger Lebensstandard (wenn auch der Wohlstand ungleich verteilt ist). Obwohl unbestritten ist, daß die Mikroelektronik eine volkswirtschaftliche Schlüsseltechnologie mit der Funktion eines Wachstumsmotors ist mehren sich die Befürchtungen, daß sie ein „Jobfresser" sei. Das Umwälzende der Jahrhunderterfindung muß Furcht und Mißtrauen gerade in einer Zeit provozieren, die weltweit von grassierender Arbeitslosigkeit und Inflation geprägt ist. Gerade die Wohlstandsbürger irritiert in diesem Zusammenhang ein — allerdings nur scheinbarer — Widerspruch: Die Wirtschaft wächst, und trotzdem nimmt die Zahl der Arbeitslosen kaum ab; bei weniger als 3, 5 Prozent Wachstum beginnt die Zahl der Arbeitslosen — je nach den strukturellen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt — sogar wieder zu steigen. Geht das mit rechten Dingen zu? Dieses Phänomen ist aus der Relation von volkswirtschaftlicher Gesamtleistung und Produktivitätsfortschritt zu erklären. Jahr für Jahr wurde produktiver gewirtschaftet, die durchschnittliche Leisung jedes Beschäftigten um 2, 3 oder mehr Prozent verbessert. Dies schlug sich aber solange nicht in steigenden Arbeitslosenzahlen nieder, wie die Prozente des Produktivitätsfortschritts unter denen des gesamten ökonomischen Zuwachses lagen. Als die Volkswirtschaft jedes Jahr über 4 Prozent mehr Güter und Leistungen erbrachte, tat der Produktivitätsfortschritt niemandem weh. Kaum wurde wahrgenommen, daß Arbeitsplätze wegrationalisiert wurden. Heute, wo — umgekehrt — der Produktivitätszuwachs oft größer ist als die gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate, bedeutet Rationalisierung bei Wachstumsraten von unter 3, 5 Prozent steigende Arbeitslosigkeit. Dennoch: Wer behauptet, Rationalisierung vernichte Arbeitsplätze, sagt nur die halbe Wahrheit: Ohne Rationalisierung werden mehr und am Ende der größte Teil der Arbeitsplätze vernichtet!

Heute beschuldigen nicht wenige Gewerkschaftler die prinzipiell zum Produktivitätsfortschritt stehenden Gewerkschaftsspitzen, einen unsozialen Pakt mit dem Kapital einzugehen. Wer das behauptet, beginnt den Ast abzusägen, auf dem wir alle sitzen. Verständlicherweise war es schon immer so, daß die Begeisterung für den technischen Fortschritt bei denjenigen aufhört, die den eigenen Arbeitsplatz oder einen Teil ihres Einkommens einbüßen; und natürlich müssen die Gewerkschaften dafür sorgen, daß die soziale Absicherung des technischen Wandels funktioniert und daß Automationsfetischisten keine Chance haben.

Kürzere Arbeitszeit unverzichtbar Deshalb wird die Politik der Gewerkschaften sich in Zukunft immer stärker von den bloßen Einkommensverbesserungen auf eine Politik der gezielten Arbeitsverkürzungen und der Spezialverträge für besonders betroffene Berufsgruppen hin orientieren müssen. Arbeitszeitverkürzungen werden zu einem Schwerpunkt gewerkschaftlicher Aktivitäten in den nächsten zwei Jahrzehnten werden müssen, da der Produktivitätsfortschritt die jährliche Wachstumsrate erreichen oder übertreffen wird. Dies gilt besonders für die industrielle Produktion und die Arbeitsabläufe im Büro; dort werden die „Furien des Fortschritts" gewaltige Produktivitäts-und Effizienzsteigerungen erzwingen.

Kürzere Arbeitszeit und mehr Freizeit durch die Mikroelektronik: Auch hier wird der Beweis dafür erbracht, daß höhere Lebensqualität sich nicht nur in höherem Einkommen und sozialer Sicherheit erschöpft, sondern daß durch technischen Fortschritt und Innovation auch die Zeit erwirtschaftet wird, die man nutzen kann, um dem nachzugehen, was man in seinem Lebensplan für wichtig hält. Jedoch wird ein Teil der möglichen zusätzlichen Löhne und Gehälter mit der verkürzten Arbeitszeit verrechnet werden müssen; sonst würde die aus einer Nichtverrechnung entstehende Inflation über kurz oder lang Arbeitsplätze dauerhaft vernichten und soziale Strukturen zementieren. Die Schwierigkeit wird darin liegen, für einzelne Berufsgruppen und Branchen unterschiedliche Arbeitszeitregelungen zu finden.

Welches Maß von Wachstum man auch immer für sinnvoll hält, die satten Zuwachsraten der fünfziger, sechziger und frühen siebziger Jahre sind nicht wiederholbar. Es gibt bekanntlich zahlreiche natürliche Grenzen des Wachstums, wozu vor allem die total veränderten energiepolitischen Bedingungen, die Erschöpfbarkeit von Rohstoffen und die wachsende Umweltbelastung durch die Industrie gehören. Die Wirtschaft kann nicht ins Unbegrenzte wachsen. Es gehört zu den gesicherten Erkenntnissen, daß viele Branchen schrumpfen müssen oder nur noch auf Sparflamme produzieren können. Dazu zählen viele Konsumgüter-und Investitionsgüterbereiche, zumal die Überproduktion bei den einfacher herzustellenden Produkten in der Dritten Welt zunimmt. Es ist nicht Aufgabe dieses Beitrags, im einzelnen zu beschreiben, warum „satte Raten“ wirtschaftlichen Wachstums schwerlich zu produzieren sein werden. Beschränken wir uns auf die Prognose: Zwei bis zweieinhalb Prozent Zuwachs pro Jahr werden im Laufe dies: Jahrzehnts ein Riesenerfolg sein, zumal es bedenken gilt, daß eine Mehrung des Leben Standards in dieser Größenordnung in absol ten Werten gewogen soviel bedeutet wie und mehr Prozent in den siebziger Jahren. Es kann also überhaupt keinen Zweifel gebe Wir brauchen die technisch-wirtschaftlich Revolution dringend, auch wenn sie in viele Bereichen erst einmalmehr Arbeitsplätze ve nichtet als schafft. Die Volkswirtschaft ist ke: Perpetuum mobile, sie muß ständig :

Schwung gehalten werden. Wenn für Beruf Firmen und Branchen Naturschutzparks e richtet werden, ist es um den sozialen For schritt bald geschehen. Die Gesellscha braucht den zerstörerisch-aufbauenden Strul turwandel, sonst ist auch der gesellschaftlic demokratische Rückschritt programmiert. Ic widerspreche zwar engagiert der These, d Industriegesellschaften würden bei andauer dem ausbleibendem Wachstum unregierba denn diese wäre das Eingeständnis, daß wi eine nur für Zeiten der Prosperität tauglich Verfassung haben. Doch andererseits müsse die wirtschaftlichen und sozialen Voraussei zungen erhalten und teilweise neu geschaffe werden, um die bürgerlichen Freiheiten wi die freie Arbeitsplatz-und Konsumwahl ode die Tarifautonomie zu erhalten.

Die Welt der Mikros und Bildschirmterminals Es bleibt zu fragen, was die dritte industriell Revolution jenseits von Wachstum und Pre duktivitätsfortschritt bewirkt? Wie veränder sie unser Leben? Welche Gefahren drohen Das mikroelektronische Zeitalter hat uns be reits fest im Griff. Was mit der Weltraumfahi und dem Wettrüsten begann, is bereits i viele Arbeits-und Lebensbereiche vorgedrun gen. Wir denken in Weltraummaßstäben, ha ben uns an von Satelliten fotografierte „Wet terkarten", an Taschenrechner, elektronisch'Uhren und das Filmen und Fotografieren ml elektronischen Kameras gewöhnt, verfolgt mit einiger Skepsis den Boom der elektron sehen Spielzeuge, Schachcomputer und Fern sehspiele, nehmen die mannigfaltigen Verbes serungen in Haushaltsgeräten wie Nähmd schine, Waschautomat und Herd nur noch ne benbei zur Kenntnis. Wir beobachten stau nend-kritisch die Präzision der bereits „sehen den" Industrieroboter, erleben das Vordringen der Kleincomputer an viele Büroarbeitsplätze und der Computer-Shops in den Städten, begutachten verwundert die elektronischen Taschendolmetscher und registrieren kaum noch, daß sich die „lesenden" Ladenkassen durchsetzen und überall in die Kreditinstitute, Fabriken und Büros jene kleinen Bildschirme eindringen, mit deren Hilfe die vielen Informationen von Computern abgerufen und in Computer eingespeist werden.

Diese wenigen Beispiele mögen belegen, daß die „kolossalen Winzlinge“ ein Zentrum von Kräften sind, das auf viele Lebensbereiche wie ein Magnet wirkt Überall hat auch der niedrige Preis seine Wirkung erzielt. Heute ist ein teurer Taschenrechner so leistungsfähig (was die Qualität der Leistung, nicht die Quantität betrifft) wie der erste handelsübliche IBM-Computer, der Anfang der fünfziger Jahre 1 Million Dollar kostete. Dieser sensationelle Preisverfall der Chips bewegte einen Industriellen zu dem Vergleich mit der kostenintensiven Automobilproduktion: „Hätten wir im Automobilbau die gleiche Kostenreduktion wie in der Elektronik-Technik, dann dürfte der alte VW-Käfer statt 5 000 nur noch fünf Mark kosten!"

In unseren Augen mag es noch erstaunlich sein, daß in den USA bereits der Heimcomputer (der allerhand nützliche Leistungen erbringt) Furore macht Aber wer hätte vor einigen Jahren zu prophezeien gewagt, daß hierzulande bereits Hunderttausende Hobbyelektroniker werkeln und Zehntausende Computerschach spielen? Alleine in den letzten zwölf Monaten hat es eine Fülle neuer Produkte gegeben, wie beispielsweise den Taschendolmetscher, den mehrere hundert Worte verstehenden Computer, die automatische Auskunft, die elektronische Postverbindung zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland, den, Bordcomputer im Auto, den Fernkopierer, den automatischen Bankschalter, Bio-

rhythmusgeräte, miniaturisierte Herzschritt-

macher, mikroprozessorengesteuerte Radar-’ Systeme, Dutzende neuer Haushaltgeräte und Hunderte von neuen Problemlösungen in der industriellen Prozeßsteuerung. Daß Mikroprozessoren und Mikrocomputer „keine Utopie Kennen", mögen auch Fortschritte wie diese 2 egen: Taube und Schwerhörige können mit 1 e von Spezialgeräten bereits wieder etwas ° er besser hören; die elektronische Brille für nde ist in der Entwicklung, und eine künstshe Hand ist entwickelt worden, die auf be-

fülmte Töne reagiert und Bewegungen aus-ImParadies (?) des absolut Neuen Wie groß die Fähigkeiten der Mikros (und der Speicher-und Peripheriegeräte) sind und welche Herausforderungen damit verbunden sein können, mögen drei Beispiele zeigen, die sich auf viele Gebiete übertragen lassen:

Ein Computer hat den schottischen Schachgroßmeister und Computerexperten Levy bereits an den Rand einer Niederlage gebracht. Das Gerät führt in Sekundenbruchteilen Rechenoperationen aus, für die ein Mathematiker 150 Jahre lang brauchen würde. Levy spielte natürlich gegen einen Großcomputer, der aber nur dank der miniaturisierten Elektronik sein gewaltiges Leistungsvermögen hat und dies bald — in kleinerem Format — noch steigern wird.

Die computergesteuerten Lichtsatz-Automaten in vielen Zeitungs-, Zeitschriften-und Buchverlagen, die den Beruf des Setzers verdrängen, haben logische Bausteine, die in 99 Prozent aller Fälle die Silben richtig trennen.

Das Berliner Heinrich-Hertz-Institut hat einen schachtelgroßen Computer bzw. eine Sprachsynthese entwickelt, die es ermöglicht, über eine normale elektronische Schreibmaschinentastatur alle Worte, also jeden Satz der deutschen Sprache einzugeben. Diese Worte und Sätze werden daraufhin vom Computer in synthetischer Sprache gesprochen. Wenn diese Apparatur auf handliches Format verkleinert wird — und damit ist angesichts der weiteren Miniaturisierung der Elektronik zu rechnen —, werden sich beispielsweise Sprachbehinderte oder Stumme verständigen können.

Die bisher beschriebenen Produkte sind nur einige Belege für die Prognose, daß die Mikros eine Fülle absolut neuer Konsum-und Investitionsgüter, medizinischer Geräte und neuer Systeme zeugen werden. Es ist äußerst reizvoll, die Zukunft im Konjunktiv der Phantasie zu beschreiben, aber dies mit der Zusicherung, daß die Realität so greifbar nahe ist wie die unzähligen Neuheiten, an die wir uns bereits gewöhnt haben. Wann und in welchem Ausmaß sie unser aller Leben verändern, ist — auf ein konkretes Jahr bezogen — schwerlich vorauszusagen. Versuchen wir demnach, zuerst das Jahr Nr. 1 des 21. Jahrhunderts zu skizzieren, um einen Blick für die anstehenden evolutionär-revolutionären Umwälzungen zu bekommen. Hier einige mögliche Schlagzeilen aus der von den kolossalen Winzlingen geformten Zukunft:

Monotone und körperlich ungesunde Arbeit an den Fließbändern und Automaten, in den Werken und Büros wird kaum noch verrichtet! Fernsehen, Rundfunk, Zeitung, Telefon, Haushaltsgeräte sind in den meisten Wohnungen zu einem heimcomputergesteuerten Verbund-system zusammengefaßt! Die Zeitung kann daheim von einem Gerät empfangen und von einem auf Fernkopiererbasis funktionierenden Drucker ausgedruckt werden! Das räumliche Fernsehen ist ebenso usus wie das räumliche Bildtelefon! Die Schreibmaschine, die mehr als tausend Worte versteht! Automaten erkennen und verarbeiten die gesprochene Sprache! In den Läden werden Maße für Schuhe und Kleidung elektronisch aufgenommen, direkt an die Produktionsstätten gemeldet, und dort wird elektronisch gefertigt! Nahezu das gesamte Wissen der Menschheit (seit Beginn des Mittelalters) ist in einem Computer von der Größe einer mittleren Universitätsbibliothek gespeichert! Jedermanns Bild, Stimme und Fingerabdruck kann in Computern gespeichert und jederzeit abgerufen werden! (Eine hoffentlich dem Verbot unterliegende Möglichkeit) Telegramme und Briefe können von Fernsehgerät zu Fernsehgerät, von Telefon zum Fernsehgerät übermittelt werden! Der Bordcomputer im Auto signalisiert alle Verkehrsgefahren, Stauungen, sich anbahnende Defekte und hilft den Benzinverbrauch zu minimieren! In den großen Büros wird kaum noch Papier verwendet, weil der Schriftverkehr elektronisch erfolgt und das Archiv durch die körper-lose elektronische Akte ersetzt wird! Geld wird als direktes Zahlungsmittel nicht mehr so häufig gebraucht, weil die meisten Läden direkt mit den Sparkassen und Banken verbunden sind und dort von der Ladenkasse aus die Beträge direkt abgebucht werden können. In weiten Teilen der heutigen Industrienationen ist die 30 Stunden woche eingeführt! Diese Prognosen muten wie schiere Phantasie oder pure Wahrsagerei an. Doch mit Sciencefiction haben sie nichts gemein. Blenden wir

nämlich vom Jahr 2000 zehn Jahre zurück, sc werden wir staunend sehen, welche langer Schatten das 21. Jahrhundert schon im Jahi 1990 wirft. Klammern wir der Kürze wegen das Kulturelle aus, notieren wir das Materielle und vermelden lediglich ganz kurz, daß die Menschheit immer noch nach wirtschaftli ehern Wachstum jagt, daß die gerade gegrün dete Gewerkschaft IG Elektronik und Kom munikation dank des Produktivitätsfort Schritts die 33-Stunden-Woche durchgesetz hat, daß 25 traditionsreiche Berufe wie Setzei und Fräser nahezu ausgestorben sind und 2(neue — wie Elektronik-Designer und Lichtset zer in voller Blüte stehen, daß die Zahl dei Schreibkräfte und Sachbearbeiter ge schrumpft ist und nur noch Flugzeuge mi zwei Mann Besatzung fliegen. Streifen wir irr Stenogrammstil so bedeutende Ereignisse wie diese:

— Es gibt nur noch Angestellte — Die körperlose Akte hat sich durchge setzt — Telefonbücher sind pass; ihr Inhalt ist ir pfenniggroßen Chips gespeichert, die im Ta schenrechner oder Heimcomputer ruhen Der Bargeldumlauf in den Industrienationen ist reduziert — Die Parlamente der Industrienationen de battieren die x-te Reform der Datenschutzgesetze — Ladendiebstähle sind dank elektronische: Überwachung so gut wie unmöglich — Die Computer-Kriminalität grassiert — Eine internationale Studie ermittelt, daß die Taschenrechner-Schüler der siebziger unc achtziger Jahre einen Teil ihrer mathematisch-logischen Intelligenz eingebüßt haben. Man sieht: Die Computerisierung des Berufs und Privatlebens bricht über uns herein wie weiland Maschinisierung und Motorisierung Die Schnelligkeit, Präzision, energiesparende Wirkung der Mikroprozessoren und Mikrocomputer, ihre unbegrenzte Fähigkeit, Informationen zu speichern und zu verarbeiten, prägen die Schlagzeilen des Jahres 1990:

Die Firmenkorrespondenz der Großen Wi nicht mehr mit der Post, sondern elektronisC’ übermittelt!

In den Krankenhäusern und Arztpraxen ten Computer automatisch Krankheit 5 funde aus!

Der Heimcomputer erledigt alle Bankgeschi^ te, Steuererklärungen, Lernprogramme u erstellt einfache Krankheitsdiagnosen! DerBordcomputer im Auto signalisiert bereits alle sich anbahnenden Defekte, spart Benzin und schreibt den richtigen Fahrabstand vor! Die Fernsehgeräte sind flach wie Gemälde und hängen an der Wand! Alle Kochherde sind auf hunderte Gerichte und verschiedene Mengen so programmiert, daß große Ersparnisse an Strom erreicht werden! In den Haushalten werden Heizungen und Licht mit Hilfe komplizierter Sensoren und energiesparend Mikros automatisch und gesteuert! Die Wettervorhersage funktioniert viel sicherer, weil ein dichtes Netz kleiner Computer via Satellit sichere Werte ermittelt! Das Bildtelefon ist bis zu 50 % bei den großen firmen eingeführt! Via Satellit sind ständig vier ausländische Fernsehprogramme zu empfangen! 30 Prozent der Ladenkassen können direkten Kontakt mit dem Bankkonto des Kunden aufnehmen! An den meisten Büroarbeitsplätzen steht ein Computer! Das Fließbandprinzip wird zunehmend in Frage gestellt, oder Fließbänder, an denen der Mensch nur noch kontrollierende Funktionen ausübt, haben sich durchgesetzt!

1990 lebt die Welt in der mittleren Phase der elektronischen Revolution. Die härtesten Arbeitskämpfe sind ausgestanden, deren Geschichte 1978 eingeleitet wurde, als die IG Druck und Papier mit Erfolg verhinderte, daß die gutverdienenden Setzer starke Einkom-menseinbußen hinnehmen mußten. 1990 be-

Wegen wir uns in einer Welt der Terminals, denen man lediglich in der freien Natur nicht begegnet. Sie stehen in kleinem Fernsehschirmformat in den Büros, Fabriken, Läden, Banken und Haushalten. Mit ihnen lassen sich aten und Texte erfassen, speichern und abruen, Briefe schreiben, Texte setzen, Auskünfte einholen und Broschüren drucken. Die Termi-nals haben in den letzten siebziger Jahren ihsn Siegeszug begonnen. Zuerst zogen sie in de Schalterhallen des Kreditgewerbes ein, wo der Kunde plötzlich feststellte, daß der Sachssrbeiter direkt mit seinem im Zentralcom-puter gespeicherten Konto „korrespondierte'', nd als der Arbeitskampf zwischen der Induvgewerkschaft Druck und Papier und den msregern tobte, waren die leisen Schreibter-

inals mit den dahintersteckenden rechnergesteuerten Textsystemen fast allabendlich auf dem Fersehschirm zu sehen; zusammen mit den ratternden Bleisetzmaschinen und den an ihnen arbeitenden Setzern, die ausrangiert wurden bzw. ihren Beruf an den Nagel hängen mußten.

Die Eiterherde der Industrialisierung können geheilt werden Die Zukunft hat es an den Tag gebracht: Die dritte technisch-wirtschaftliche Revolution rückt verheißungsvolle soziale Horizonte näher. Im Stolz auf den hohen Lebensstandard nehmen wir die Nachteile bei seinem Zustandekommen ohne großes Murren in Kauf, z. B. monotone Arbeit, Ausbeutung der Umwelt und den hohen Blutzoll an Verkehrsopfern. Die tiefgreifende technologisch-ökonomische Umwälzung verdient nun allein deshalb die Klassifizierung revolutionär, weil sie — neben vielen anderen Vorteilen — gewaltige Einsparungen an Strom und Benzin bringen wird, viele Rohstoffe wie Metall und Papier sparen hilft, die inhumanen Arbeiten in den Fabriken zurückdrängen und die Verkehrsgefahren einschränken wird.

Was bisher im Konjunktiv der realistischen Phantasie für die Jahre 2000 und 1990 geschildert worden ist, verliert den letzten Hauch von Utopie, wenn man sieht, was Mikroelektronik als Fortschrittsträger — und dies besonders in den USA und in Japan — heute schon bewegt:

— Industrieroboter übernehmen zunehmend stupide Handgriffe, schweißen Karosserien oder transportieren Materialien — In Japan fertigt bereits das erste Fließband „ohne Menschen" Teile des Autos — Prozeßsteuerer regeln Fertigungsabläufe, kontrollieren Produktionen, messen Hitze, Kälte, Wassertemperaturen, Abmessungen — Mikrorechner regeln Ölheizungen, verändern automatisch das Kunstlicht in Räumen und bedienen gleichzeitig Alarmanlagen — Herde können hunderte verschiedene Brat-, Back-und Kochvorgänge speichern — Die Vorläufer der elektronischen Post, wie Fernkopierer und Datentelefon, haben ihren Siegeszug angetreten (in den USA ist sie bereits weiter)

— In den USA und in Frankreich sind Ladenkassen direkt mit dem Bankkonto der Kunden verbunden — Im Automobil haben der Bordcomputer und die elektronische Einspritzung Einzug gehalten; Abstandsradar und Benzineinspartechnik sind entwickelt — Die ersten computergesteuerten Verkehrslenksysteme werden getestet — Briefe und Informationen werden bereits per Telefon auf den Fernsehschirm projiziert — Bausparkassen und Versicherungen haben die elektronische papierlose Akte eingeführt — Kleincomputer verarbeiten und erkennen die gesprochene Sprache — Der flache Fernsehschirm ist im Prinzip fertig (aber noch zu teuer)

— In der Medizin wird in wachsendem Maße der Kleincomputer eingesetzt, um die Diagnose zu systematisieren — Das Bildtelefon ist funktionstüchtig — Minicomputer in Flugzeugen verarbeiten alle wichtigen Daten wie Höhe, Gewicht, Außentemperatur und steuern Flughöhe und Tempo so, daß Brennstoff eingespart wird.

Es lassen sich Hunderte von Beispielen für die Prognose liefern, daß die dritte industrielle Revolution die Wunden der ersten und zweiten Umwälzung ausheilen lassen könnte, daß der gesellschaftliche Fortschritt die Nachteile überwiegt und daß außerdem jenes Maß an Wachstum produziert werden kann, das es erlaubt, den armen Ländern davon abzugeben.

Die elektronische Revolution der Telekommunikation Zur Zeit wird heftig diskutiert, ob die neuen Medien — sprich Kabelfernsehen und Satellitenfernsehen — gesellschaftlichen Fortschritt oder Rückschritt programmieren werden. Auch dabei ist die Mikroelektronik im Spiel, und zwar an den Schaltzentralen des Kabelfernsehens, dem sogenannten Rückkanal (mit dem man seine Meinung während unterhaltender oder politischer Sendungen per Klein-computer-Knopfdruck kundtun kann) und in den voller Elektronik steckenden Satelliten. Bei der Debatte über das Zuviel und Zuwenig von Fernsehprogrammen, über den eventuell drohenden Nonstop-Fernseh-Nonsens sollte man zweierlei auf keinen Fall übersehen: Die Kabel-und Satellitentechniken werden mit Sicherheit für die schnellere und effizientere Übermittlung von geschäftlichen Informationen dringend benötigt. Und: wenn die Bundespost in den achtziger Jahren auf die Verkabelung der Städte verzichtet, werden (wegen de schon fast kompletten Telefonnetzes) 80 00 Arbeitsplätze bei Post, Industrie und Hand werk verlorengehen. Die auf 60 Milliarde) Mark geschätzten Investitionen würden fas zwei Jahrzehnte lang nicht nur 80 000 Arbeits plätze sichern, sondern auch Hundert tausende von zusätzlichen schaffen. Warum dies? Im Dreieck Computer-Telefon Bildschirm werden neue Milliardenmärkt entstehen, die eine nach Modernisierung stre bende Volkswirtschaft dringend braucht. Ex perten sprechen von der elektronischen Revo lution der Telekommunikation. Unterschiedli ehe Technologien wie Datenverarbeitung Telefon, Fernsehen, Satelliten, Kopiergeräts und Datenbanken werden zusammenwachsen also Datenverarbeitung in den Betrieben unc Verwaltungen und die Nachrichtentechnolo gie werden zu einer Einheit verschmelzen Daraus ergeben sich für die Betriebe und die staatlichen Verwaltungen, aber auch für jede Bürger ungeahnte Möglichkeiten, mit den Edelrohstoff fnformation zu „wuchern“. Die Veränderungen werden im wesentlichen übe; folgende Technologien vonstatten gehen: Kabelfernsehen: Es wird für Firmen und Behörden vielfältige neue Kommunikationstechniken mit den Kunden bzw. Bürgern ermöglichen, beispielsweise Angebote und Mitteilungen via Bildschirm, aber auch den direkter Kontakt zwischen Kontobesitzer und Bank. Bildschirmtext: Er bietet bereits über Telefon und mit Hilfe von Informationszentralen gewohnte und ganz neue Informationen, wie Steuertips, Schulungsprogramme, Warenangebote, Testergebnisse, lokale Nachrichten, juristische Informationen usw. Es gibt Tausende von Anwendungsbeispielen, die zuerst von den Firmen genutzt werden. Aber auch der Verbraucher wird bald direkten Kontakt mit dem Bildschirmtext bekommen, wenn der Versandhandel beginnt, seine Bestellsysteme umzustellen. — Man rechne bis 1985 mit etwa einer Million Teilnehmern. Es ist offensichtlich, daß dieses Verfahren viele geschäftliche Vorgänge verändern wird. Ein ganz anderes Beispiel: Die französische Post wird in den achtziger Jahren die Telefonbücher abschat fen. Jedermann wird dann via Bildschirm an jede Nummer kommen können, ohne in die Telefonwälzer zu schauen oder das Fräulein vom Amt anzurufen.

Datenbanken: Sie entstehen vor allem in den USA und Japan in wachsender Zahl. Sie e möglichen den allgemeinen Zugriff auf wie tige Informationen. In der Nähe von Karlsruhe ist beispielsweise eine „Bank" aufgebaut, die mehr als 2 Millionen bibliographische Details über alle Energie-, Luft-und Raumfahrtfragen anbietet. Sie ist mit einer staatlichen Datenbank in den USA und mit einer in Italien direkt verbunden. Weitere Verzahnungen folgen, wenn in diesem Jahr Euronet, das Verkehrssystem für Datenbanken, aufgebaut wird. Es gibt Hunderte von Anwendungsgebieten für Datenbanken, beispielsweise in der Medizin, der Rechtssprechung, der Gesetzgebung und der Astronomie. Wenn man sich weltweit umschaut, dann ist die Prognose nicht allzu gewagt: Ende der achtziger Jahre werden Tausende von Datenbanken existieren.

Datenaustauschsysteme: Als Beispiel für die phantastischen Möglichkeiten gilt das System „SWIFT“ der Kreditinstitute. In den westlichen Industrienationen übermitteln 600 Banken und Sparkassen tagtäglich viele Hunderttausend Informationen, und zwar über zwei Schalt-zentralen, die in Brüssel und nahe Antwerpen stehen. Diese Computerisierung ist im Zeitalter der Währungsunruhen, der Exportsteigerung, des Massentourismus eine Entwicklung von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

Und wenn man bedenkt, daß der Informationsaustausch noch schneller und billiger wird, sobald er über Satelliten erfolgt, dann wächst die Vorstellung davon, wie eng verzahnt die Volkswirtschaften und Gesellschaften eines Tages sein werden.

Man kann in dieser an Superlativen reichen Epoche wohl ohne Übertreibung sagen, daß die Mikroprozessoren, Mikrocomputer, Magnet-und Blasenspeicher im Verbund mit gewohnten Technologien wie Großcomputer, Satelliten, Telefon und Bildschirm der Menschheit eine noch nie erlebte Entwicklung ihrer ^r^euge beschert hat. Die „kolossalen " inzlinge" oder „dienstbaren Heinzelmännchen nehmen uns viel Arbeit ab, eröffnen neue soziale und geistige Horizonte — aber sie werfen auch unerbittlich Traditionen über bord und bedrängen die geistig wenig Flexi

Aber auch der „Computermensch", der die vielen Vorteile der neuen Produkte und Systeme schätzt und sie zu handhaben vermag, wird nicht in wenigen Jahren heranreifen. Auch wer für die neuen Entwicklungen aufgeschlossen ist, sieht die vielen Schwierigkeiten und Bewährungsproben, die es zu bestehen gilt, aber er vertraut darauf, daß unsere phantasie-begabte und lernfähige Intelligenz es verstehen wird, die intelligenten Apparate für den sozialen Fortschritt einzusetzen. Es gibt allerdings kein eingebautes Selbstregulativ, das einen positiven Ausgang dieser dritten industriellen Revolution sicherstellen würde. Deshalb mögen ein paar Gebote angebracht sein, deren Beachtung die gesellschaftliche Bilanz positiv gestalten könnte:

1. Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung muß mit Hilfe der Mikros auf eine neue Ebene gehoben werden: neue Produkte, Systeme, Verfahren und Organisationen.

2. Der Staat muß alle Hemmnisse beseitigen, die Wachstums-und damit arbeitsplatzschaffende Großsysteme (beispielsweise im Bereich der Telekommunikation und der Verkehrscomputerisierung) behindern.

3. Den Tarifparteien obliegt die Hauptaufgabe, für die soziale Absicherung eines möglichst schnellen Wandels zu sorgen (schnell deshalb, weil sonst im internationalen Wettbewerb der Exportgigant Bundesrepublik Deutschland Schaden nimmt). Arbeitszeitverkürzungen und sinnvolle Rationalisierungsschutzverträge gehören zu den Hauptaufgaben einer verantwortungsvollen Tarifpolitik.

4. Der Gesetzgeber muß die persönliche Integrität jedes Bürgers durch wirkungsvolle Datenschutzgesetze verteidigen.

5. Verantwortliche Politiker, Gewerkschafter, Unternehmer und Wissenschaftler müssen den von der Bundesregierung ins Leben gerufenen technologiepolitischen Dialog pflegen um gemeinsam ein Sicherheitsnetz zu schaffen.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Dieter Balkhausen, geb. 1937, industriekaufmännische Lehre und Praxis, Volontariat Kölner Stadtanzeiger, Wirtschaftsredakteur Kölner Stadtanzeiger; seit 1963 Wirtschaftsredakteur beim Zweiten Deutschen Fernsehen. Haupt-arbeitsfeld: Wirtschafts-und Finanzpolitik, Struktur-und Tarifpolitik, Steuer-und Währungsfragen. Neueste Veröffentlichung: Die dritte industrielle Revolution. Wie die Mikroelektronik unser Leben verändert, Düsseldorf 1978.