I. Bezeichnende Ereignisse
In den letzten Monaten agieren die Entwicklungsländer gegenüber den Industriestaaten zunehmend aggressiv. Sie brechen Verhandlungen ab, stellen Ultimaten und nehmen Enteignungen vor. Wie ist es dazu gekommen? Wie ist es zu erklären, daß die Entwicklungsländer eine Neue Wirtschaftsordnung fordern, nachdem sie unmittelbar nach Erreichen der politischen Souveränität Mitsprache und Mitwirkung in internationalen Wirtschaftsfragen zunächst im Vertrauen auf und in Anlehnung an Industriestaaten — vornehmlich an die „westlichen" — anstrebten? Diesen Fragen geht der hier vorliegende Beitrag nach.
In einer von zunehmenden Spannungen zwischen „Nord“ und „Süd" sowie von allgemeiner Ratlosigkeit der Regierungen erfüllten Welt sind für die gegenwärtigen Beziehungen zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten folgende Ereignisse bezeichnend:
Aussagen führender Mitglieder der OPEC
Auffallend ist die Gelassenheit, Beharrlichkeit und Präzision, mit der die Vertreter verschiedener OPEC-Staaten 1) in jüngster Zeit ihre Absichten kundtun:
Während seines Aufenthalts in Damaskus erklärte der libysche Staatschef Khadhafi am 29. Juni 1979 u. a.: „Wir werden die Ölproduktion für zwei, vielleicht auch drei oder vier Jahre einstellen und die Förderung auf den eigenen Bedarf beschränken." Seine „Richtigstellung" dieser Äußerung drei Tage später in Kuwait war eher eine Bestätigung seiner Absicht denn eine Abschwächung. Während einer Pressekonferenz meinte Khadhafi nämlich, wann und für wie lange Libyen seine Erdölausfuhren einstellen werde, könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden
Der saudiarabische Erdölminister Yamani schloß in einem Interview mit „News Week“ nicht aus, daß die PLO eines Tages — am Ende ihrer Geduld — in der Straße von Hormuz einen oder zwei Supertanker versenken könnte. Damit wäre dann die Straße, durch die täglich 19 bis 20 Millionen Faß (1 Faß = 159 1) Erdöl transportiert werden, blockiert. „Die Folgen würden die gegenwärtige Krise als Kinderspiel erscheinen lassen", meinte der Minister. Auf eine weitere Frage antwortete Yamani, der auch Vorsitzender der Strategiekommission der OPEC ist, ob und wie sehr Saudi-Ara-bien eines Tages seine Produktion erhöhen würde, hänge a) von den Sparmaßnahmen der Erdöl verbrauchenden Länder ab, und b) davon, ob der „Westen" sich bemühen werde, „eine umfassende Lösung für den Nahen Osten zu finden, und das muß bedeuten — ich wiederhole: muß — zuerst und vor allem eine Lösung für die immer verzweifelter werdenden Palästinenser“
Noch ultimativer hat sich der irakische Vizepräsident Saddam Hussein gegenüber dem „Spiegel" geäußert. „Sie wissen so gut wie ich sagte er, „daß die Ölpreiserhöhung an der Inflation nicht schuld ist. Dennoch schlage ich vor, wir machen ein Gentlemen's Agreement, was die Preise betrifft: Wir frieren unsere ölpreise ein, und die westlichen Industrieländer frieren die Preise ihrer Produkte ein.“
2. Von der Dritten Welt negativ bewertete Vereinbarungen
In den letzten Monaten sind Vereinbarungen zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten getroffen worden, die mehr zukunftsträchtigen Unmut ausgelöst haben, als daß sie Übereinstimmung erzeugt hätten.
Dabei handelt es sich einmal um den Gemeinsamen Fonds. Die Industriestaaten haben zwar seiner Errichtung zugestimmt, ihre entsprechenden finanziellen Leistungen, besonders für die „zweite Kasse" lassen aber auf sich warten. In ihrem Argument, erst müßten Aufgaben und Organisation des Fonds in den noch auszuarbeitenden Statuten festgelegt werden, bevor man zeichne, sehen die Entwicklungsländer einen Vorwand für Schwierigkeiten, die die Industriestaaten bei der Ausarbeitung der Statuten machen werden. Sie argwöhnen in persönlichen Gesprächen sogar, daß dadurch die grundsätzliche Entscheidung über die Errichtung des Fonds von den Industriestaaten erneut in Frage gestellt werden könnte. Zum anderen sind die Entwicklungsländer mit den Ergebnissen der vom 24. Oktober 1973 bis zum 10. April 1979 eröffneten und in Genf geführten GATT-Verhandlungen (GATT = General Agreement on Tariffs and Trade [Allgemeines Zoll-und Handelsabkommen]) unzufrieden Abgesehen davon, daß sie, entgegen dem Beschluß 82 der UNC-TAD II überhaupt erst knapp vier Jahre nach Beginn der Tokio-Runde (so genannt nach dem Ort der GATT-Verhandlungen) zu den Verhandlungen hinzugezogen worden waren halten sie das Ergebnis, soweit es die Interessen der Dritten Welt betrifft, für völlig unbefriedigend — eine Beurteilung übrigens, die in dieser globalen Verneinung einer sachlichen Analyse nicht standhält Gleichwohl ist diese negative Bewertung insofern relevant, als auch der Generaldirektor des GATT in seiner Pressekonferenz (am April 1979) einräumte, „daß die Tokio-Runde noch keineswegs alle Hürden genommen hat" 12). Und MacNamara sagte in seiner Rede vor der UNCTAD V hierzu u. a.: „Man muß sich durchaus darüber klar sein, daß es für die Entwicklungsländer viele Interessenbereiche gibt, die in der Tokio-Runde nicht angemessen behandelt sind."
Eine weitere zwiespältig gebliebene Vereinbarung schließlich ist das Abkommen zwischen den AKP-Staaten und der EG. Nachdem erstere am 26. Mai 1979 die Verhandlungen angesichts der ihrer Meinung nach mangelhaften finanziellen Ausstattung des neuen Abkommens ultimativ abgebrochen hatten kam es am 27. Juni zu einem Abschluß, nicht jedoch zu einer Einigung; denn zwölf Regierungen darunter das OPEC-Land Nigeria, haben das Ergebnis der Verhandlungen nicht gebilligt. Es wurde daher auch vorerst darauf verzichtet Ort und Datum für die Unterzeichnung eines neuen Vertrages festzulegen.
Die zwölf AKP-Staaten blieben bei ihren Vorbehalten, obwohl die EG ihre gesamten finanziellen Leistungen um 500 Millionen auf 5600 Millionen RE angehoben hatte und obwohl der französische Außenminister als Sprecher der EG schon unmittelbar nach Abbruch der Verhandlungen erklärt hatte, die EG wolle „aus Respekt vor der Würde ihrer Verhandlungspartner" mit diesen nicht feilschen; er betonte, die EG stünde zu ihrem Wort, die Kaufkraft ihrer Entwicklungshilfe zu erhalten. Praktisch bedeutet dies die Zusage der Indexierung, die auch Hussein (s. oben) im Hinblick auf den Rohstoff öl gefordert hat.
3. Verlagerung der Initiative
Geht die Initiative im internationalen politischen und wirtschaftlichen Geschehen allmählich auf einige Entwicklungsländer und damit auf die Dritte Welt überhaupt über? Die Frage liegt nahe, nachdem die OPEC-Staaten in dem Kommuniqu zum Abschluß ihrer Tagung am 28. Juni 1979 ihre Solidarität mit den übrigen Entwicklungsländern stärker als bisher betont haben.
Zur Diskussion mit dem „Norden" über Fragen der Energie, so heißt es dort u. a., seien die OPEC-Staaten bereit, aber nur im Zusammenhang mit den grundlegenden entwicklungspolitischen Fragen wie finanzielle Hilfe, monetäre Reformen, Technologietransfer, Rohstoff-abkommen, Neue Weltwirtschaftsordnung. Ein Dialog nur über öl wird kategorisch abgelehnt.
So eindeutig ist dies bisher nicht gesagt worden. Das wiederum heißt, daß es bei den Verhandlungen über Fragen der Energie nicht nur um Olpreise und -lieferungen, sondern zugleich auch immer um die Nord-Süd-Probleme insgesamt gehen soll und gehen wird.
Nachdem zwei Drittel des Kommuniques der Konferenz der sieben Staatschefs in Tokio Energiefragen gewidmet sind, die auch bei der OECED-Tagung am 12. und 13. Juni im Vordergrund standen, die IATA eine Sondersitzung über neue Tarife wegen der gestiegenen ölpreise einberufen hat, nachdem die amerikanische Innenpolitik über die Energiefrage durcheinandergeraten ist und der deutsche Wirtschaftsminister vor der Handelskammer Deutschland-Schweiz ganz allgemein feststellte, die anhaltende Verteuerung der Energie werde zum bestimmenden Faktor für das kommende Jahrzehnt ergibt sich die Frage: Was im internationalen Geschehen geht unmittelbar noch ohne die OPEC-Staaten und auf weitere Sicht ohne die Entwicklungsländer überhaupt? Werden die Entwicklungsländer den „Westen" zwingen können, die Umstrukturierung zwischen „Nord" und „Süd" zu beschleunigen? Wird es den Industriestaaten gelingen, sich zu fangen? Werden dem Westen unverhoffte Entdeckungen in seinem Bereich zu Hilfe kommen?
Wie weit liegt gegenwärtig die wirtschaftliche, wirtschaftspolitische und politische Initiative noch bei den Industriestaaten? Die Tatsache, daß vier Minister und ein Regierungschef von fünf der bedeutendsten Industriestaaten (Bundesrepublik Deutschland, England, Frankreich, Japan, USA) innerhalb von drei Wochen in OPEC-Staaten reisten, um dort Verhandlungen zu führen, könnte als erste Antwort auf diese Frage gedeutet werden
II. Neue Dimensionen
Die vorstehend beispielhaft erwähnten Anzeichen für die zunehmenden Spannungen zwischen „Nord" und „Süd" sind nur Symptome für eine grundlegende, bisher entweder überhaupt nicht oder doch beim politischen Kalkül zu wenig beachtete Tatsache, nämlich, daß die Begriffe Weltpolitik und Weltwirtschaft seit Ende des Zweiten Weltkrieges einen anderen Inhalt bekommen und andere, neue Dimensionen angenommen haben.
Mitsprache, Self-reliance und Wiedergutmachung
Bis 1945 wurde Weltpolitik von einigen Groß-und Kolonialmächten gemacht, und zwar ohne rksicht darauf, ob die übrige Welt, ob z. B. duch die Menschen in den Kolonien damit ein-
verstanden waren oder nicht. Das änderte sich seit dem Zweiten Weltkrieg in dem Maße, in dem immer mehr Staaten die politische Souveränität erlangten. Aus Objekten der Politik sind Subjekte geworden, die, völkerrechtlich befugt, das Geschehen in der Welt mitbestimmen und von diesem Recht auch gemäß ihren Kräften und ihrer politischen Erfahrung zunehmend Gebrauch machen.
Dieses Recht beanspruchten die Politiker aus Entwicklungsländern auch im Hinblick auf die Weltwirtschaft, ohne daß den meisten von ihnen bewußt war, was sie da eigentlich verlangten. Die Vorstellung, man könne ökonomische Substanz und Managementfähigkeiten ähnlich schnell transferieren wie politische Souveränität, schwand in demselben Maße, wie Studenten aus der Dritten Welt sich an den Hochschulen Englands, Frankreichs, der USA und der Sowjetunion mit der Volkswirtschaftslehre und der Wirtschaftsgeschichte vertraut machten und den Politikern in der Praxis klar wurde, daß Mitsprache in der Weltwirtschaft nicht verliehen wird, sondern daß sie erarbeitet, daß sie „verdient“ werden muß, und daß diese Mitsprache ein gewisses Maß an ökonomischer Eigenständigkeit zur Voraussetzung hat.
In dieser Situation drängte sich den Politikern der Dritten Welt mehr und mehr die Erkenntnis auf, daß sie sich in erster Linie selbst helfen müßten; erst dann könnten sie einen Anspruch auf Hilfe von außen auf Mitsprache erheben. Das Streben, die Existenz ihrer Völker zu sichern, und der (aufkeimende) Wille zu eigenen Anstrengungen — diese beiden Elemente ziehen sich durch alle Dokumente und Verlautbarungen verantwortlicher Persönlichkeiten der Dritten Welt: von Bandung (1955) über die ersten Konferenzen der afrikanisch-asiatischen Völker (1958 und 1960), die erste Welthandelskonferenz (1964), die Strategie für das Zweite Jahrzehnt der Entwicklung (1970) bis zur Konferenz über Technische Zusammenarbeit zwischen den Entwicklungsländern . (1978) über Fachkreise hinaus ist auch einer breiteren Öffentlichkeit der Appell des afrikanischen Gewerkschaftsführers und damaligen Entwicklungsministers von Kenia, Tom MBoya, bekanntgeworden, der 1965 erklärte: „Ich glaube nicht, daß wir wirtschaftlich unabhängig werden, indem wir uns auf die reichen Länder verlassen. Freilich müssen wir uns darüber klar sein, daß wir gegenwärtig noch von ihnen abhängig sind. Aber davon befreien wir uns am ehesten, indem wir versuchen, uns selbst zu helfen. In diesem Geist müssen wir die Probleme unserer Entwicklung anpakken."
Der Staatschef von Tansania, Nyerere, hat dann 1967 den von Mao Tse-tung im August 1945 geprägten Begriff der Self-Reliance, der Besinnung auf die eigenen Kräfte, Potenzen und Fähigkeiten mit seiner Erklärung von Arusha zum Leitbild aller Entwicklungsländer gemacht -Daß solch ein Programm, wird es konsequent mit allen damit verbundenen Op-fern und Schwierigkeiten durchgeführt, erfolgreich sein kann, haben die Chinesen der Welt demonstriert.
Parallel zu dieser Besinnung der jungen Staaten auf sich selbst ging die Forderung der Ent-wicklungsländer an die Industriestaaten, sie bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung ihrer Gemeinwesen finanziell, technisch und mit Ausbildung aller Art nachhaltig zu unterstützen. Diese schon während der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre vorgebrachte Forderung gipfelte im Mai 1963 in der Feststellung des damaligen ägyptischen Staatspräsidenten Nasser, daß die Industriestaaten nicht Hilfe, sondern Wiedergutmachung zu leisten hätten. Er, so sagte Nasser bei der Gründung der Organisation für afrikanische Einheit (OAE) in Addis Abeba, betrachte die Hilfe „als eine Steuer, die die großen Mächte mit kolonialer Vergangenheit Ländern schulden als Entschädigung (compensation) für die Ausplünderung (looting), der viele Völker in Afrika und Asien ausgesetzt waren und es noch sind"
Diese Auffassung ist ebenso zur Überzeugung einiger Politiker der Dritten Welt geworden wie die Notwendigkeit der Selbsthilfe. Seit Addis Abeba wird dieser Anspruch auf Wiedergutmachung in Dokumenten und Reden immer wieder geltend gemacht. Zum Beispiel erklärte der algerische Staatspräsident Boumedienne 1974 vor der 6. Sondertagung der VN über Rohstoff-und Entwicklungsprobleme u. a.: „Die industrialisierten Staaten werden akzeptieren müssen, daß die Entwicklungsländer wieder in ihre legitimen Rechte eingesetzt werden und alles erhalten, was ihnen zusteht." • Deutlicher heißt es 1979 in der Erklärung von Arusha, die „Gruppe der 77" sei entschlossen, . die vollständige und ständige Souveränität über ihre Reichtümer, natürliche Vorkommen und wirtschaftliche Maßnahmen auszuüben sowie von ihrem Recht auf Rückerstattung und restlose Wiedergutmachung für die Ausbeutung und Plünderung sowie Schäden Gebrauch zu machen, die den natürlichen Vorkommen und allen anderen Potenzen ihrer Völker, ihrer Länder und ihren Gebieten zugefügt worden sind"
In dieser Auffassung werden die jungen Staaten bei jeder sich bietenden Gelegenheit von der Sowjetunion bestärkt. Sie argumentiert, daß das Elend in der Dritten Welt von den ehemaligen Kolonialmächten verursacht sei. Daher sei sie, anders als die „westlichen" Indu-striestaaten, den Entwicklungsländern gegenüber zu nichts verpflichtet
Obwohl die Entwicklungsländerihrerseits seit einiger Zeit dieses Argument als Vorwand erkannt haben, ihnen jede Unterstützung bei der Entwicklung ihrer Länder zu verweigern, sofern sie nicht bereit sind, sich ideologisch oder/und militärisch für die Absichten der Sowjetunion gebrauchen zu lassen, bestärkt der ständige Verweis der Sowjets auf den Kolonialismus die Entwicklungsländer psychologisch in ihrer Forderung nach Wiedergutmachung. Auch wenn diese bei Konferenzen nur selten direkt angesprochen wird, die Tatsache, daß auf sie in Dokumenten immer wieder angespielt wird, zeigt, daß sie im Denken der Vertreter der Dritten Welt allgegenwärtig ist.
Diese Forderung steht auch, bewußt oder unbewußt, im Hintergrund, wenn argumentiert wird, daß der ökonomische Vorsprung, den die entwickelten gegenüber den technisch und wirtschaftlich unterentwickelten Ländern heute haben, nur erreicht werden konnte mit Hilfe der Rohstoffe und der Arbeitskräfte in Arika, Asien und Lateinamerika, über die die gegenwärtig industrialisierten Staaten, früher meist Kolonialmächte, nach Wert und Menge jahrzehntelang beliebig verfügten. Das, so wird weiter argumentiert, gelte auch und nicht zuletzt im Hinblick auf die moderne Technologie und Wissenschaft; denn auch hierfür hätten die ehemaligen Kolonien mit den eben genannten Faktoren indirekt die Grundlage geliefert. Doch das, so meint der um Sachlichkeit bemühte Beobachter, ist nur ein Aspekt der Kolonialgeschichte. Persönlicher Mut, physischer Einsatz, Fleiß und die Bereitschaft zahlreicher Reisender, Forscher, Siedler und Un-25 ternehmer zu Entbehrungen, ja zum Risiko des eigenen Lebens waren und sind gleichermaßen Voraussetzungen für wirtschaftliche Erfolge wie Rohstoffe und Arbeitskräfte. Diese positiven Leistungen gehören ebenso zur Kolonialgeschichte wie Unmenschlichkeit und Ausbeutung.
Wer heute nur Steine auf die Industriestaaten wirft, den darf man auch fragen, warum z. B. die Afrikaner ihre jeweiligen Gemeinwesen nicht entwickelt haben, statt sich in grausamen Stammeskämpfen zu zerfleischen, bevor die Europäer sich diesen Kontinent untertan machten, und wer sie daran gehindert hat, etwa die Dampfmaschine zu erfinden? (1765 gab es noch keine Kolonie in Afrika.)
2. Verpaßte Chancen der Industriestaaten
Urheber, Vollstrecker und Nutznießer all des-sen, was wir heute mit dem Sammelbegriff „Fortschritt" bezeichnen, waren und sind bis heute in erster Linie die Industriestaaten. Die Impulse und die Dynamik, die von ihren Aktivitäten ausgingen, waren auch in sozialer Hinsicht folgenreich. Sie haben auf die große Zahl der in statischen, nicht-„westlichen" Gesellschaftsformen verharrenden Völker, vor allem Asiens, Afrikas, aber auch Lateinamerikas, ausgestrahlt und diese in Bewegung gebracht; hier rascher, dort langsamer, hier mehr, dort weniger umfassend und tiefgehend
Leitbild für die durch die Industriestaaten ausgelösten Erwartungen waren die Gesell-Schafts-und Herrschaftsformen, Methoden und Wertsysteme der Erfinder dieses Fortschritts, eben der Industriestaaten, des „Westens" wie des „Ostens".
Ähnliches galt für persönliche Absichten und für die Lebenshaltung. „Wir wollten Botschafter werden", sagte mir der Vertreter eines afrikanischen Landes, „was das ist und was das in der Realität bedeutet, davon hatten wir keine Ahnung. Schon auf der Schule hing das Prestige eines Schülers entscheidend davon ab, ob seine Eltern , been to', das heißt, ob sie in Europa gewesen waren."
Auch die Zeiten, da wohlhabende Inder ihre Hemden zum Waschen und ihre Anzüge zum Bügeln nach Europa schickten, sind noch nicht allzu fern. Noch heute werden in den Büros ehemals englischer Kolonien, in indischen oder nigerianischen Arbeitsstuben, die Akten in der oberen linken Ecke mit einem Bindfaden zusammengehalten, und als Abidjan, die Hauptstadt der Elfenbeinküste, ausgebaut wurde, war Paris das Vorbild. Die Hauptstraße wurde nach de Gaulle benannt. Die Linguae Francae in Afrika und Asien sind europäische Sprachen.
Aber nicht nur die Wohlhabenden, nicht allein die in Europa Ausgebildeten oder die in Dienste der Kolonialherren stehenden Schichten, also nicht nur die, die die Herrschaft bei der Erlangung der Unabhängigkeit übernommen hatten, suchten Anlehnung an die Industriestaaten, erst recht haftete dem Europäer in den Augen der indischen Bettler wie der afrikanischen Analphabeten und der lateinamerikanischen Indios etwas vom herkömmlichen Götter-und Wunderzauber an
Die überwältigende Mehrheit aller Afrikaner, Asiaten und Lateinamerikaner, d. h. die Menschen und deren Regierungen, die heute in der „Gruppe der 77" versammelt sind und der „Dritten Welt" zugerechnet werden, waren also nach 1945 bereit, ihre Zukunft von den bereits entwickelten Ländern mit prägen zu lassen. Die großen Chancen, die in solchem Prestige, in solch blindem Vertrauen und solchem Glauben an Europa und die Europäer gegeben waren und die zu einer Synthese von Ressourcen, Potenzen und Kulturen hätten führen können, sind von den Industriestaaten nicht genutzt worden. Das ist seit 1945 die bisher größte Fehlleistung der Industriestaaten, vor allem der europäischen.
Am Ende des kolonialen Zeitalters haben die Industriestaaten — abgesehen von den Kirchen und einigen bemerkenswerten Ausnahmen unter den Unternehmern — nicht das erkenntnisweckende Gespräch, nicht die Begegnung, sondern das Geschäft gesucht Ähnlich versagt haben die Industriestaaten in Sachen Entwicklungshilfe. Sie stand von vornherein nicht vorwiegend im Dienste der Be-kämpfung der Armut, sondern mindestens ebenso sehr im Dienste der Interessen einzel-ner Geberländer (was die Bundesrepublik anbetrifft: im Dienste der Hallstein-Doktrin). Politiker, Parlamentarier, Gewerkschafter und Unternehmer reisten damals, wenn überhaupt, so nicht, um den Einwohnern Asiens, Afrikas oder Lateinamerikas in den ihnen unbekannten Bereichen der Wirtschaft, des Sozialwesens und der öffentlichen Verwaltung Wege zu zeigen, sondern um die Konkurrenz zu beobachten und um Geschäftsmöglichkeiten auszukundschaften — wiederum von Ausnahmen abgesehen.
Fragen nach dem Woher der sozialen Gegebenheiten in der Dritten Welt, nach ökonomischen Prioritäten, nach zukunftsträchtigen Ansatzpunkten für eine etwaige Zusammenarbeit wurde kaum nachgegangen, Eigenarten und Mentalitäten, die beim Verkehr mit jenen Ländern zu berücksichtigen wären, wurden nicht untersucht. Darum bemühten sich zwar die Kirchen und einige Wissenschaftler; aber ihre Erkenntnisse fanden kaum Beachtung.
Ein besonderer Fall ist hier die Bundesrepublik Deutschland. Frankreich hätte den Abschluß des EWG-Vertrages scheitern lassen, wenn die Bundesrepublik 1956 nicht bereit gewesen wäre, die Gebiete in Übersee, zu denen «besondere Beziehungen“ (vor allem Frankreichs und Belgiens) bestanden, den Vertrag zu assoziieren und zugleich die frankophonen Länder als chasse garde der Franzosen zu respektieren. So zahlte die Bundesrepublik als Unterzeichner der Römischen Verträge zwar 34, 1 Prozent der gesamten Hilfe, führte aber Ende der fünfziger/Anfang der sechziger Jahre nur zwischen 3 und 5 Prozent der im Rahmen der Hilfe vergebenen Aufträge durch. Noch bis in die späten sechziger Jahre erhielt die Lufthansa aufgrund einer Abmachung zwischen Adenauer und de Gaulle in frankophonen Staaten Afrikas keine Landrechte, ausgenommen in Dakar (Senegal). Aber auch dort durfte nur aus „technischen Gründen“, das heißt zum Auftanken der Maschinen von Europa nach Südamerika und umgekehrt, zwischengelandet werden.
In dieser politisch bedingten Zurückhaltung gegenüber den Entwicklungsländern wurde die Regierung der Bundesrepublik besonders Von den Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften indirekt bestärkt. Von „Politik“ wollte man nichts wissen. Die Erlebnisse und Verluste des Krieges waren noch in aller Erinne-
ung. Außerdem hatte man mit dem Wiederdubau mehr als genug zu tun und war daher urchaus einverstanden, wenn man sich um die weite Welt nicht zu kümmern brauchte. Meldungen aus Asien, Afrika und Lateinamerika wurden daher auch von den Massenmedien praktisch nicht berücksichtigt
Als der damalige deutsche Außenminister von Brentano im Mai 1960 auf eine Anfrage im Bundestag, ob es angesichts der einschneidenden Veränderungen in Afrika nicht einer besonderen Politik gegenüber diesem Kontinent bedürfe, erwiderte, daß die Bundesrepublik der Meinung sei, dies wäre nicht notwendig, blieb diese Erklärung ohne Folgen.
Diese politische, wirtschaftliche und menschliche Abstinenz war den Afrikanern unverständlich; denn sie wußten nur wenig von den kriegs-und europabedingten Rücksichtnahmen, die die Bundesrepublik gegenüber ihren Partnern in der EWG und in der westlichen Welt überhaupt zu nehmen hatte. Und von deutscher Seite wurden ihnen diese Gegebenheiten auch nicht erklärt, so daß sie in dem mangelnden Interesse an den. Vorgängen in Afrika wie in der Dritten Welt überhaupt eine Komplizenschaft der Bundesrepublik mit den ehemaligen Kolonialmächten sahen. Da diese ihrerseits schnell bereit waren, alle Afrikaner und Asiaten die sich ihren Vorstellungen von der Zusammenarbeit mit jungen Staaten nicht ohne weiteres fügten, als Kommunisten hinzustellen, und da aus den eben genannten Gründen die Bundesrepublik keine eigenen Auffassungen über das Verhältnis zur Dritten Welt äußerte, wurde sie allmählich den Staaten zugerechnet, die mit den ehemaligen Kolonialmächten und „Imperialisten" politisch zumindest sympathisierten.
Wenn die Bundesrepublik seit Jahren bei internationalen Konferenzen „immer wieder auf die Anklagebank gesetzt wird", so muß man einräumen, daß zum einen durch die (z. T. poli tisch bedingte) Gleichgültigkeit Ende der fünf ziger und während der sechziger Jahre gegen über dem Geschehen in der Dritten Welt unt zum anderen durch das bereits erwähnte, vor wiegend von eigenen Interessen bestimmt! Verhalten politischer wie wirtschaftliche: Kreise der Bundesrepublik der Grund dazu ge legt worden ist.
III. Die Strategie der Entwicklungsländer seit dem Tage Null
Wie aus dem bisher Dargelegten hervorgeht, waren die Spannungen zwischen „Nord" und „Süd“ zu der Zeit, da die jungen Staaten ihre Unabhängigkeit erlangten, noch nicht vorgegeben. Sie haben sich erst nach und nach entwickelt. Die jungen Staaten erkannten am „Tage Null" noch nicht, daß die Teilnahme am internationalen Kräftespiel Veränderungen in ihrer bisherigen Erziehung, Ausbildung, Wirtschaft und Verwaltung bedingten, die auf ihre gesellschaftlichen Strukturen zersetzend wirken würden und damit zu heftigen Abwehrreaktionen führen müßten.
Die Industriestaaten ihrerseits haben die Spannungen zwischen „Nord“ und „Süd“ dadurch mit verursacht, daß die alten Kolonialmächte ihre Kolonien auf die Souveränität nur ungenügend vorbereitet hatten und daß die übrigen Industriestaaten sich den jungen Staaten gegenüber nach dem Tage Null entweder indifferent verhielten oder sie mehr oder minder weiter so behandelten wie in ihrer kolonialen Vergangenheit. Damals haben die Industriestaaten nicht vorausgesehen, daß und wie sehr ihre Existenz und ihre Wohlfahrt eines Tages von den Entwicklungsländern mitbestimmt werden könnte und daß die Zeit eher gegen sie und für die jungen Staaten arbeiten würde
Die jungen Staaten fanden sich am Tage Nul im Niemandsland zwischen eigener Traditior und europäisch-amerikanischer Zivilisatior allein auf sich gestellt, ein heterogener Haufen, Objekte des internationalen Kräftespiels dessen Regeln sie (noch) nicht kannten. Doch bereits Anfang der sechziger Jahre begannen die Entwicklungsländer, ein Faktor zu werden, den man nicht mehr übersehen konnte. Getrieben von dem Elend und der Not ihrer Völker begannen sie, den „Westen" gegen den „Osten" auszuspielen und Forderungen nach Hilfe zu formulieren, deren substantielle Berechtigung bis heute niemand bestritten hat. Dem Ausmaß dieser Hilfe und den damit verbundenen wirtschafts-und ordnungspolitischen Forderungen begegneten die Industriestaaten jedoch mit Zurückhaltung und Vorbehalten.
1. Die Vereinten Nationen im Dienste der Entwicklungsländer
Erste Konflikte zwischen den Entwicklungsländern und Industriestaaten zeichneten sich ab, als 1958 die Communaut zerbrach, der blutige Kampf der Algerier um ihre Unabhängigkeit (1962) zu einem politischen Kristallisationspunkt der Dritten Welt wurde und als neben der Frage der Entkolonialisierung der noch unter fremder Vorherrschaft stehenden Gebiete das südafrikanische Rassenproblem zu einem heiß umstrittenen Dauerthema der Vereinten Nationen wurde.
Die Mitgliedschaft dieser Organisation war Ende 1962 auf 105 angewachsen. Davon waren 30 afrikanische, 22 asiatische, 22 lateinamerikanische, 2 ozeanische und 27 europäische Staaten. Mit 72 Mitgliedern hatten die Entwicklungsländer eine Zweidrittelmehrheit. Sie betrachteten die Vereinten Nationen fortan als ein Forum, von dem aus sie an die Weltöffentlichkeit appellieren und zugleich den Industriestaaten, vor allem den „westlichen", politisch Paroli bieten konnten.
Die Vereinten Nationen ihrerseits trugen dieser Majorität fortan in ihrer praktischen Arbeit Rechnung. Es wurden und werden alljährlich eine Fülle von Resolutionen verabschiedet, die vornehmlich den Interessen der Entwicklungsländer dienen (Maßnahmen zur Beseitigung des Hungers, der technischen Unterentwicklung und der Förderung von Ausbildung), sowie eine Reihe von Ausschüssen gebildet, die sich mit den besonderen Problemen einzelner Regionen in der Dritten Welt beschäftigen. Auch die Weltbank wandelte sich allmählich aus einer Bank für Wiederaufbau zu einer Bank für Entwicklungsprobleme der Dritten Welt.
Das erste spektakuläre Beispiel für den Vorrang der Entwicklungsländer in den Vereinten Nationen ist der am 19. Dezember 1961 einstimmig gefaßte Beschluß A/1710 (XVI), mit dem die sechziger Jahre zum „Jahrzehnt der Entwicklung" erklärt wurden. Danach sollten die Mitgliedstaaten eine jährliche Wachstumsrate von 5 Prozent anstreben. Weiter sollten die entsprechenden Institute in den Mitgliedstaaten „die Mangelländer, die vom Export einer kleinen Zahl von Rohstoffen abhängig sind, dazu befähigen, eine größere Menge ihrer Produkte zu stabilen und lohnenden Preisen abzusetzen". Weiter heißt es in dem Beschluß, die Entwicklungsländer sollten einen angemessenen Anteil an den Erträgnissen haben, die durch die Auswertung ihrer natürlichen Vorkommen durch fremdes Kapital erzielt werden.
Doch für dieses . Jahrzehnt der Entwicklung" gab es keine Entwicklungspolitik, das heißt, es wurden keine konkreten Angaben darüber gemacht, wie diese in dem Beschluß lediglich dufgezählten Maßnahmen zu verwirklichen Wären und jene 5 Prozent erreicht werden Können.
Die „westlichen" Industriestaaten hatten zwar 5 on 1960 im Rahmen der damaligen OEEC eine Gruppe für Entwicklungshilfe (Development Assistance Group = DAG) gebildet zwecks „Prüfung verschiedener Aspekte der Hilfe an die unterentwickelten Länder". Ihr Auftrag war, die von den „westlichen" Industriestaaten geleistete Entwicklungshilfe zu analysieren und zu koordinieren. Mit konkreten Vorschlägen zum Beschluß über das . Jahrzehnt der Entwicklung" hat diese Gruppe sich jedoch nicht beschäftigt. Jener Beschluß der Generalversammlung der VN (A/1710), dem Entwicklungsländer und Industriestaaten gemeinsam zugestimmt hatten, führte also nicht zu einem Miteinander der beiden Staatengruppen. Es blieb beim Nebeneinander.
2. Eine Weichenstellung und neue Initiativen
Die Industriestaaten, die nach Angaben der VN, der FAO und des Clubs von Rom damals mit 30 Prozent der Weltbevölkerung über drei Viertel der Reichtümer dieser Erde verfügten, meinten, obwohl politisch eine Minderheit, wirtschaftlich jedoch eine Übermacht, auch weiter ohne Rücksicht auf die Entwicklungsländer in Sachen Weltwirtschaft agieren zu können. Diese Haltung im Verein mit der aufkommenden Erkenntnis, daß die Sowjetunion den Entwicklungsländern keine entscheidende Entwicklungshilfe gewähren würde, führte zu einer Reaktion in der Dritten Welt, die eine Weichenstellung im Verhältnis zwischen „Nord" und „Süd" bedeutet.
Es gelang den damaligen Sprechern der Dritten Welt (Nasser, Nkrumah, Nehru, Tour, Sukarno, Tschu Enlai) Anfang der sechzigerJahre mit Hilfe der afroasiatischen Konferenzen zunächst ein kritisches Bewußtsein gegenüber den Industriestaaten zu erzeugen und sodann diese für die technische, wirtschaftliche und soziale Rückständigkeit in den Entwicklungsländern verantwortlich zu machen. Dies war ein erster, wenn auch nicht für jedermann offenkundiger wirtschaftspolitischer Erfolg der Entwicklungsländer. Der zweite kündigte sich bereits an.
Ausgehend von der Zielsetzung des Jahrzehnts für die Entwicklung waren die Entwicklungsländer bemüht, durch eine neue Initiative die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit, insbesondere der Industriestaaten, auf ihre Probleme und Maßnahmen zu deren Lösung zu lenken. Zu diesem Zweck beriefen sie eine „Konferenz über wirtschaftliche Entwicklungsprobleme" vom 9. bis 18. Juli 1962 nach Kairo ein. Es erschienen Vertreter aus 34 Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. Letztere hatten sich zum ersten Mal der seit 1958 bestehenden „Afro-Asiatischen Solidarität" angeschlossen. Mit Hilfe der von dieser Konfe Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. Letztere hatten sich zum ersten Mal der seit 1958 bestehenden „Afro-Asiatischen Solidarität" angeschlossen. Mit Hilfe der von dieser Konferenz gefaßten Beschlüsse erreichten sie nach langen Verhandlungen, daß die General-versammlung der VN für die Zeit vom 23. März bis 15. Juni 1964 eine „Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung" (UNCTAD) nach Genf einberiefen 33).
Damit erfuhren die afro-asiatischen Konfere zen zur Überraschung der Industriestaat« eine weltweite Ausdehnung. Angesichts d Veranstalters, nämlich der Vereinten Nati nen, sahen sich die entwickelten Länder ve pflichtet, der Konferenz beizuwohnen und sie dieser neuen Entwicklung zu stellen.
3. Die „Schlußakte“ von 1964 Nach drei Monate langen, zähen Verhandlui gen wurde ein sehr umfangreiches Dokumen die sogenannte „Schlußakte" (Final Act) eii stimmig verabschiedet 34). Sie besteht aus fün zehn . Allgemeinen“ und dreizehn „Besondere Grundsätzen". Ihnen folgen in Anhängen Em fehlungen zur Lösung der einzelnen wir schaftlichen Probleme, einschließlich solche Maßnahmen, „deren Durchführung ... bereit entwickelten Ländern empfohlen wird".
In dieser Schlußakte finden wir bereits alle di Angelegenheiten behandelt, die bis heute di internationalen Diskussionen über Entwick lungshilfe und Entwicklungspolitik nicht nu in den Vereinten Nationen, sondern auch i den nationalen Regierungen beherrschen, ar gefangen von den verschiedenen Aspekte: der Rohstoffe (einschl.der Indexierung), de Industrialisierung, des Technologietransfer: des Handels (auch des Transithandels), de Handelspraktiken, der finanziellen Hilfelei stungen (0, 7 Prozent des Bruttosozialprodukt [BSP] an öffentlicher Hilfe, 1 Prozent des BSI an Hilfe überhaupt, also öffentliche Hilfe + private Subventionen und Geschenke), de Programms für Welternährungshilfe, de Mangel-und küstenfernen Länder, der Ersat: natürlicher Rohstoffe durch Synthetika, de: Zusammenarbeit zwischen den Entwicklungs ländern bis hin zur Interdependenz von Kapi tal, Handel und Entwicklungshilfe sowie zu Umstrukturierung und Förderung ausländi scher Privatinvestitionen. Kurz, hier wurde eine Tagesordnung aufgestellt, deren einzelne Punkte die internationalen Organisationen bis heute beschäftigt hat und dies noch auf viele Jahre tun wird, wobei auch Fragen der Schiffahrt, der Währung und der Versicherung sowie Rückversicherung nicht ausgenommen sind.
Außerdem veröffentlichte die „Gruppe der 77" zum Ergebnis der Konferenz eine „Ge-meinsame Erklärung", die der Schlußakte angefügt ist. Danach sehen die Entwicklungsländer die „abschließenden Empfehlungen der Konferenz (die Schlußakte; d. Verf.) nur als einen ersten Schritt in Richtung auf eine internationale Bestätigung (endorsement) einer neuen Handelspolitik für die Entwicklung" an und als „einen bedeutenden Schritt auf dem Wege zur Schaffung einer neuen und gerechten wirtschaftlichen Ordnung in der Welt".
Die Entwicklungsländer hatten auch die Aufnahme zweier Empfehlungen an die Vollversammlung der VN in die Schlußakte erreicht, Empfehlungen, auf die sie besonderen Wert legten. Die eine besagt, „die gegenwärtige Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung soll den Status eines Organs der Vollversammlung erhalten" (Anhang A. V. 1).
Die andere empfiehlt der Vollversammlung, „auf ihrer XIX. Tagung geeignete Schritte im Hinblick auf die Errichtung einer Sonderorganisation für Industrielle Entwicklung zu unternehmen (A III. 1).
Beide Forderungen sind inzwischen erfüllt.
Die Welthandelskonferenz wurde mit Beschluß 1995 der XIX. Vollversammlung schon am 30. Dezember 1964 ein Organ der VN
Die Verhandlungen über den Status der UNIDO (United Nations'Industrial Develop-ment Organization, Organisation der Vereinten Nationen für die Industrialisierung) als einer Sonderorganisation (Special Agency) dauerten erheblich länger. Bei dem quälenden Tauziehen zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern setzten sich letztere erst am 8. April 1979 durch
Nachdem es den Enwicklungsländern, wie erwähnt, im Zusammenhang mit der Erklärung der sechziger Jahre zum . Jahrzehnt der Entwicklung" gelungen war, die Industriestaaten für ihre Entwicklung indirekt verantwortlich zu machen, waren die Einberufung einer Welt-konferenz für Handel und Entwicklung und die von ihr einstimmig verabschiedete Schlußakte der zweite, dieses Mal offenkundige und folgenreiche wirtschaftspolitische Erfolg der Entwicklungsländer.
Hier könnte im Hinblick auf Ausmaß und wirtschaftspolitische Tragweite dieser Schlußakte auf den Grundsatz der Freiwilligkeit als Basis der Arbeit der VN hingewiesen werden: Es ist richtig, daß die Beschlüsse der VN rechtlich nicht bindend sind; d. h., eine Regierung ist nicht verpflichtet, sich einem angenommenen Antrag entsprechend zu verhalten, selbst dann nicht, wenn sie selbst diesen Antrag eingebracht haben sollte. Doch der mit der Zustimmung zu einem Beschluß eingegangenen Verpflichtung kann sich auf die Dauer keine Regierung entziehen, wie die Erfahrung täglich lehrt. Sie wird immer wieder an das eingegangene politische Obligo erinnert.
4. Das Verhalten der Industriestaaten
Nach UNCTAD I (1964 Genf) hofften die Entwicklungsländer auf eine gleichberechtigte Zusammenarbeit mit den Industriestaaten, zumal nicht nur der damalige deutsche Wirtschaftsminister Schmücker in seiner Rede vor der Konferenz erklärt hatte: „Die Geschichte der letzten Jahre hat uns gelehrt, daß wir eine Lösung nicht mehr isoliert suchen können", und an anderer Stelle formuliert hatte: „Keine Nation und keine Gruppe von Nationen kann für sich allein den wirtschaftlichen Bedürfnissen ihrer Bevölkerung gerecht werden." Auch Sprecher anderer Industriestaaten hatten sich ähnlich kooperativ geäußert.
Doch die der Hoffnungen Entwicklungsländer trogen. Sie mußten feststellen, daß sie Objekte eines wirtschaftspolitischen Kräftespiels bleiben sollten, dessen Regeln sie nicht aufgestellt hatten, dessen verschlungene Pfade sie nicht ---------------i hinreichend kannten und auf das ihnen jeder Einfluß verwehrt wurde (GATT, Weltbank, Weltwährungsfonds).
Als England am 18. September 1967 das Pfund um 14, 3 Prozent und Frankreich zwei Jahre später am 8. August 1969 den Franken um 12, 5 Prozent abwerteten, als Nixon am 21. August 1971 die amerikanische „Neue Wirtschaftspolitik“ verkündete (u. a. Einstellung der Konvertibilität des Dollars in Gold; Import-Abgaben) und am 18. Dezember 1971 die Währungsparität zwischen Gold und Dollar neu festgesetzt wurde, wobei der Dollar 8 Prozent an Wert verlor, fühlten sich die Entwicklungsländer bewußt getäuscht; denn zu allen diesen Maßnahmen waren sie vorher weder befragt noch darüber unterrichtet worden.
Im Gegenteil: Vor den Abwertungen, besonders vor dem Realignment (wörtlich: Wieder-anpassung; in diesem Fall: Neufestsetzung der Währungsparitäten zu Gold und Dollar), hatte man ihnen nachdrücklich versichert, daß ihre in Pfund, Franken und Dollar angelegten Reserven absolut sicher wären, über Nacht wurden durch diese Maßnahme die ohnehin kargen Reserven der Entwicklungsländer um Milliarden geschmälert. Allein durch die Abwertung des Dollars verloren die Entwicklungsländer laut Angaben des damaligen General-sekretärs der UNCTAD (Perez Guerrero) über eine Milliarde Dollar.
Das Vertrauen der Entwicklungsländer in Wert-und Ordnungssysteme der Industriestaaten begann nun merkbar zu schwinden. Die Bereitschaft zur Kooperation machte mehr und mehr Vorbereitungen auf eine Konfrontation Platz. Die Industrieländer waren jedoch so sehr mit sich selbst beschäftigt, daß sie diese Wandlung nicht zur Kenntnis nahmen. Die Feststellung der damaligen Premierministerin von Indien, Indira Gandhi, in ihrer Eröffnungsrede zur UNCTAD II (1. 2. 1968), „die Frage ist nicht, ob die Industriestaaten es sich leisten können, den Entwicklungsländern zu helfen, die Frage ist vielmehr, ob sie es sich leisten können, ihnen nicht zu helfen", diese Feststellung wurde von den Industriestaaten mehr als oratorische Delikatesse gewertet denn als Anregung zum Nachdenken begriffen.
Auch die Maßnahmen der Erdöl fördernden Länder gegenüber den ausländischen Gesellschaften (Erhöhung der Steuern, der Beteiligungen sowie Enteignungen in Libyen und Algerien) waren für die Industriestaaten kein Anlaß, ihr Verhältnis zu den Entwicklungsländern zu überdenken.
Schließlich machten auch die Ausführungen des damaligen Generalsekretärs der OPEC, des Algeriers Khane, vor Vertretern des Berg baus in Bad Godesberg wenige Tage vor Aus bruch des Krieges im Nahen Osten und dami der Ölkrise im Jahre 1973 keinerlei Eindruck Khane wies nachdrücklich auf die Endlichkei der Erdölvorkommen hin sowie auf die Konse quenzen, die sich daraus für die Industriestaa ten zwangsläufig ergeben würden, er mahnte die „Idee des Wachstums um ihrer selbst wil len“ zu überprüfen und sagte u. a.: „Wir müsset uns darüber im klaren sein, daß es nicht ein fach ist, den Menschen, die so viel Komfort und Überfluß genießen, vorzuschlagen, ihrer Lebensstil zu ändern, ihren jetzigen hohen Le bensstandard gegen einen weniger hohen ein zutauschen."
Selbst der ölschock, der dem Yom-Kippur Krieg folgte, wirkte nur vorübergehend alarmierend und hatte insofern keine nachhaltige Wirkung, als er nicht zu Maßnahmen für eine zweckmäßigere Verwendung des Erdöls führte. Er wurde sehr bald als wirtschaftlicher „Betriebsunfall" gewertet, der sich allerdings nicht wiederholen dürfe. Darum wurden Vorratslager angelegt und Aufträge zur Erforschung anderer Energiequellen vergeben.
Mit der Erhöhung der Preise fand man sich bald ab, zumal nun die kostspielige Förderung in der Nordsee und in Alaska rentabel wurde Die weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage jener Entwicklungsländer, die kein öl haben, insbesondere die der Mangel-länder erschien den Industriestaaten nicht alarmierend, weil die OPEC-Staaten ihre von einigen Ländern (Kuwait, Saudi-Arabien, Afro-Arabische Entwicklungsbank) seit Jahren ge-leistete Hilfe für die besonders betroffenen Entwicklungsländer merkbar erhöhten und die Weltbank sowie der Währungsfonds verschiedene „Facilitäten" für sie eröffneten.
5. Eine weitere Etappe in der Auseinandersetzung „Nord-Süd“
Als der französische Staatspräsident Giscard dEstaing auf einer Pressekonferenz am 27. Oktober 1974 Verhandlungen zwischen den Erdöl exportierenden und den importierenden Ländern vorschlug, stellten sich die OPEC-Staaten auf eine Initiative des algerischen Staatspräsidenten Boumedienne zum ersten Mal demonstrativ an die Seite der übrigen Entwickungsländer: Sie erklärten sich zu solch einem Treffen nur bereit, wenn dabei auch die übrigen Rohstoffragen, und zwar zusammen mit allen Entwicklungsländern, diskutiert würden.
Durch dieses gemeinsame Vorgehen wurde dann die 6. Sonderkonferenz der VN (9. April bis 2. Mai 1974) im Nachhinein vollends zu einem Erfolg der „Gruppe der 77“. Es war übrigens die erste Sonderkonferenz der VN, die wirtschaftlichen Angelegenheiten gewidmet war, und zwar denen der Entwicklungsländer.
Sie führte zur einstimmigen Verabschiedung der Beschlüsse 3201 (S—VI) und 3202 (S—VI).
Diese beinhalteten eine „Erkärung über die Errichtung einer Neuen Internationalen Wirtschaftsordnung“ und ein „Aktionsprogramm"
zu ihrer Verwirklichung. Beide Beschlüsse entsprachen den Wünschen und Vorschlägen der Dritten Welt.
Jüngste Proben ihrer wirtschaftspolitischen Strategie haben die Entwicklungsländer im allgemeinen und die 13 OPEC-Staaten im besonderen während der UNCTAD V (7. Mai bis 3. Juni 1979) in der Hauptstadt der Philippinen, Manila, gegeben. Die Konferenz beschäftigte sich gemäß einer 21 Punkte umfassenden Tagesordnung in Plenarsitzungen, Arbeits-und Kontaktgruppen mit allen Angelegenheiten der Zusammenarbeit zwischen 119 Entwicklungsländern und 24 demokratisch sowie neun kommunistisch regierten industrialisierten Staaten. Zwangsläufig standen im Mittelpunkt der Debatten und Verhandlungen die zahlreidien Schwierigkeiten unserer zur Zeit von Krisen geschüttelten Weltwirtschaft.
Doch das Problem, das zur Zeit alle Regierungen dieser Welt vorrangig beschäftigt, nämlch die Energiefrage, wurde offiziell nicht behandelt. Wie ist das zu erklären?
Um die Antwort vorweg zu nehmen: Die EC-Staaten wollten ihre politischen und ökonomischen Trümpfe nicht aus der Hand geben, bevor die Ergebnisse der UNCTAD V feststanden und bevor sie auf ihrer damals noch bevorstehenden Tagung in Genf (26. bis 28. Juni 1979) ihre Ansichten über das wirtschaftspolitische Vorgehen gegenüber den ölverbrauchenden Ländern ausgetauscht hatten.
Als daher eine Woche nach Beginn der UNC-TAD V Costa Rica, unterstützt von Kolumbien, innerhalb der „Gruppe der 77" den Antrag stellte, den problemgeladenen Komplex Erdöl in den Kreis der Angelegenheiten einzubeziehen, die in dem wichtigen Punkt 8 der Tagesordnung behandelt wurden, sprachen sich die 13 OPEC-Staaten, vor allem die arabischen, dagegen aus. Zur Diskussion aller Energieprobleme, so argumentierten sie, sei für 1980 eigens eine „Welt-Energie-Konferenz“ vorgesehen. Außerdem nähmen sie nicht als Gruppe an dieser UNCTAD V teil, sondern jeder einzelne Staat sei als individuelles Mitglied bei dieser Konferenz vertreten. An diesen Gegebenheiten ändere auch nichts die Tatsache, daß die Organisation Erdöl exportierender Länder als solche gleich anderen Organisationen bei der UNCTAD einen Status als Beobachter habe.
Fast bis zum Schluß der Konferenz wurde gestritten. Als die Entwicklungsländer merkten, daß durch den Streit über diese Frage die Einheit der „Gruppe der 77“ gefährdet werden könnte, schlugen sie sich auf die Seite der OPEC-Staaten. Schließlich wollte niemand die von dorther reichlich fließenden Hilfsgelder aufs Spiel setzen.
7. OPEC wird Speerspitze der „Gruppe der 77“
Ihrerseits nutzte die OPEC die Situation, um sich bei den Entwicklungsländern ins rechte Licht zu rücken, indem sie das Verhalten der Industriestaaten und der transnationalen Ölgesellschaften aus ihrer Sicht darstellte.
Sie berief am 30. Mai eine Pressekonferenz ein. Diese wurde aber nicht von einem ihrer Mitglieder, sondern vom Sekretariat der OPEC bestritten, die, wie erwähnt, bei der UNCTAD als Organisation einen Beobachter-status hat. Sprecher bei dieser Konferenz war auch nicht ihr Generalsekretär, sondern der Abteilungsleiter für Wirtschaft und Entwicklung, Adnan Al-Janabi.
Dieser stellte unter anderem fest, daß die OPEC-Staaten, ungeachtet des teilweisen Ausfalls der Lieferungen aus dem Iran während der ersten Monate dieses Jahres, täglich eine Million Faß (1 Faß = 159 Liter) öl mehr gefördert hätten als während desselben Zeitabschnittes 1978. Für die Verknappung des Öls seien also nicht die OPEC-Länder, sondern
a) die Industriestaaten verantwortlich, die ihre Vorräte weit über Gebühr erhöht hätten und b) vor allem die internationalen Ölgesellschaften, die unter Ausnutzung der gegenwärtig undurchsichtigen Verhältnisse in Rotterdam und an anderen Stellen nicht vertragsgebundene Mengen zu jedem Preis aufkauften. Zu Unrecht würde daher die Verantwortung für die hohen Preise den OPEC-Staaten zugeschrieben. Al-Janabi verwies weiter darauf, daß die sieben großen amerikanischen Ölgesellschaften allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres (1979) einen Gewinn von 2, 5 Mrd. Dollar gemacht hätten. In der gleichen Zeit hätte die Kaufkraft des Dollars, den die OPEC-Staaten für ihr öl erhielten, infolge von Inflation und steigenden Preisen für die Importe aus Industriestaaten ständig abgenommen. Daher betrage der reale Gegenwert, den die OPEC-Staaten für ein Faß öl erhielten, gegenüber der Zeit vor einem Jahr nur noch 8 bis 9 Dollar.
Man dürfe in diesen Zusammenhängen auch nicht vergessen, sagte der Sprecher weiter, daß die OPEC-Staaten erst Ende April begonnen hätten, ihre Preise zu erhöhen, und zwar, nachdem sie feststellen mußten, was die Ölgesellschaften für das noch zu günstigen Preisen erworbene öl verlangten.
Weiter sagte Al-Janabi, daß die von den OPEC-Staaten vorgenommenen Preiserhöhungen einen Anteil an der gesamten Schubkraft der Inflation von lediglich 1, 3 bis 1, 6 Prozent hätten. Er berief sich dabei auf Untersuchungen der UNCTAD und der Weltbank. Für die übrigen rund 98, 5 Prozent seien die Industriestaaten verantwortlich.
Schließlich kam der Vertreter der OPEC darauf zu sprechen, in wie unterschiedlicher Weise die Entwicklungsländer einerseits an den erhöhten Einnahmen der ölexportierenden Staaten, andererseits an den steigenden Steuereinnahmen beteiligt würden, die den Regierungen der Industriestaaten aus den erhöhten ölpreisen zuflössen Während di OPEC-Staaten ihre öffentliche Hilfe für di Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerike ständig und merkbar erhöht hätten, stagnier die der DAC-Staaten oder sei sogar zurückge gangen.
Die Geschenke oder Kredite zu günstigen Be dingungen der OPEC-Staaten an Entwick lungsländer und multilaterale Organisatione seien zwischen 1973 und 1976 von 1142 Mil auf 5371 Mill. Dollar, also um rund 480 Prozen angestiegen, die der DAC-Staaten nur ur 50 Prozent, nämlich von 9 144 Mill, au 13583 Mill. Dollar. Das seien 2, 21 Prozent de Brutto-National-Produkts der OPEC-Staate gewesen gegenüber 0, 33 Prozent im Dufcb schnitt der Industriestaaten. Die Prozentzah len für die gesamte Hilfe an die Entwicklungs länder (öffentliche und private) lauteten 3, 78 Prozent des BNP der OPEC-Staaten un0, Prozent der DAC-Länder.'Das sei de Durchschnitt aller OPEC-Staaten. Einige gä ben weniger, andere dafür um so mehr, unzwar bis zu 15 Prozent. Gemeint waren offen bar Kuwait und Katar 43).
Diese Angaben des Sprechers der OPEC-Or ganisation blieben in Manila unwiderspro eben; mehr noch, einzelne Angaben wurder durch drei sogenannte „Hintergrundpapiere der Vereinigten Staaten bestätigt
Die eben geschilderten Vorgänge sowie zahl reiche Gespräche hierüber mit Angehörigei der OPEC-Staaten und anderen Vertreten der „Gruppe der 77" haben folgendes Bild erge ben:
1. Den Ländern der Dritten Welt ist in Manik nachdrücklich bewußt geworden, welche Be deutung die OPEC-Staaten für ihre allgemein« ökonomische Entwicklung und für die Ver wirklichung ihrer wirtschaftspolitischen Ziele haben. Die Entwicklungsländer sind nicht mehr so ausschließlich auf die finanzielle Hilfe der Industriestaaten angewiesen, wie noch bis vor wenigen Jahren. Während die DAC-Länder 1973 noch 88, 9 Prozent der Hilfe für die Dritte Welt bestritten, ist dieser Anteil bis 1976 auf 71, 7 Prozent zurückgegangen. Dementsprechend hat der Anteil der OPEC-Staaten von 11, 1 auf 28, 3 Prozent zugenommen. Er hat 1977 und 1978 stagniert bzw. ist zurückgegangen, dürfte nach bisher vorliegenden Zahlen 1977 aber etwa ein Drittel der gesamten Hilfe für die 119 Entwicklungsländer betragen.
2. Dadurch hat sich das politische Prestige dieser Staaten innerhalb der „Gruppe der 77" weiter gefestigt. Dies wurde zum ersten Mal offenbar, als die Ölländer 1973, unmittelbar nach dem Yom-Kippur-Krieg, darauf drangen, daß die afrikanischen Staaten ihre Beziehungen zu Israel abbrechen, und dafür der „Organisation für die Afrikanische Einheit“ ihre materielle Hilfe zur Entwicklung afrikanischer Staaten anboten. 3. Über Strukturen und Lösungen der einzelnen Probleme gehen die Meinungen der verschiedenen Gruppen innerhalb der Dritten Welt (afrikanische, asiatische, lateinamerikanische Länder) zwar zunehmend auseinander. Gemeinsame Erfahrungen in der Vergangenheit (Kolonialismus, anhaltende Erschließung und Nutzung ihrer Länder zu überwiegendem Vorteil der Industriestaaten, wenn nicht gar auf Kosten der Entwicklungsländer, sowie Mißachtung ihrer Traditionen) haben aber seit den fünfziger Jahren politische Affinitäten in der Dritten Welt erzeugt, die bisher bei allen wichtigen Entscheidungen die besonderen Interessen einzelner Staaten in den Hintergrund gedrängt haben.
4. Bisher schon Schlüsselfiguren im Nahostkonflikt, sind die OPEC-Staaten nunmehr zur Speerspitze der Dritten Welt gegenüber den Industriestaaten sowie die Schrittmacher der Entwicklungsländer bei der Forderung nach einer Neuen Weltwirtschaftsordnung (NWWO) und nach einer Umstrukturierung der Beziehungen zwischen „Nord" und „Süd" geworden.
IV. Ständige Verbesserung der Verhandlungs-und Machtposition der Dritten Welt
Diese „Neue Internationale Wirtschaftsordnung" (NIEO = New International Economic Order) ist ein Thema, das seit nunmehr über fünf Jahren, seit der 6. Sonderkonferenz der VN 1974, die Debatten aller internationalen Konferenzen beherrscht. Die Forderung wurde von den Entwicklungsländern erhoben, nachdem sie festgestellt hatten, daß — „alle Initiativen, die zur Lösung des Entwicklungsproblems unternommen worden sind, nach Meinung aller als ein Mißerfolg angesehen werden müssen, weil sie bestenfalls mehr einem Notbehelf als einer konkreten Lösung ähneln" — es seit 1964 (Verabschiedung der Schlußakte) nicht zu Gesprächen zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern gekommen ist, die auch die geistigen, kulturellen, religiösen und sozialen Fundamente der Dritten Welt einbeziehen, Fundamente, ohne deren Berücksichtigung das zeitbedingte Geschäft und die zeitbedingte Entwicklungshilfe nicht 2u einer dauernden, für alle Beteiligten einräglichen, friedenstiftenden, schöpferischen usammenarbeit zwischen „Nord" und „Süd"
uhren können, ------------. — an die Stelle der politischen De-jure-Entkolonialisierung nach dem Kriege de facto eine wirtschaftliche Kolonialisierung getreten ist
Angesichts der Zweifel und Kritiken der Entwicklungsländer an der Marktwirtschaft ist festzustellen, daß weder Industriestaaten noch Entwicklungsländer mit der Forderung nach einer NWWO eine bestimmte Vorstellung verbinden. Der „Süden" stellt lediglich fest, daß die bisherige Wirtschaftsordnung „ebenso ungerecht und veraltet ist wie die koloniale Ordnung, aus der sie sich entwickelt hat und ihren Inhalt bezieht", und daß sie nicht geeignet sei zur Lösung der Entwicklungsprobleme.
In den Industriestaaten ist die Meinung sogar über die Notwendigkeit einer NWWO geteilt. Kleinere Länder stehen dem Gedanken nicht von vornherein ablehnend gegenüber. Die wirtschaftlich führenden Industriestaaten hingegen wenden sich gegen jede Änderung der bestehenden Ordnung mit dem Argument, daß diese sich jahrzehntelang bewährt habe. Der Wiederaufbau nach dem Kriege in der „westlichen" Welt sei nach diesem Ordnungssystem erfolgt. Die positiven Ergebnisse seien jedermann bekannt. Man möge daher die Spielregeln dieses Ordnungsprinzips, nämlich der freien sozialen Marktwirtschaft, nur konsequent anwenden, dann würde auch die Entwicklung der Dritten Welt erfolgreich sein.
Hier wenden die Entwicklungsländer zunächst ein, daß die Regeln des bestehenden Wirtschaftssystems aufgestellt und die Institutionen für sein Funktionieren (IWF, Weltbank und GATT) geschaffen wurden, als es die Begriffe Entwicklungsland, Dritte Welt und Entwicklungshilfe sowie die damit verbundenen Probleme noch nicht gab. Diese Institutionen, so wird gesagt, dienten und dienen, wenn auch immer weniger effektiv, vornehmlich ihren Schöpfern, nämlich den Industriestaaten. Die verschiedenen Fonds, Facilitäten und andere Ad-hoc-Maßnahmen, die zugunsten der Entwicklungsländer geschaffen wurden, könnten nicht darüber hinwegtäuschen, daß dieses Wirtschaftssystem sich oft als wenig geeignet erwiesen habe zur Bewältigung eigener Schwierigkeiten und solcher Probleme, die in den Industriestaaten selbst ihren Ursprung haben, wie Inflation, Rezession, Arbeitslosigkeit, Währungsverfall.
Zum anderen hätte sich — nicht zuletzt als Folge dieses Wirtschaftssystems — die allgemeine Lage der Entwicklungsländer während der beiden letzten Dekaden eher verschlechtert als verbessert. Trotz nominaler Zunahme des Handels und der Industrieproduktionen habe sich der Abstand zwischen arm und reich vergrößert. 600 Millionen Menschen lebten, vom Tode bedroht, am Rande des Existenzminimums. Daher müsse das Wirtschaftssystem geändert werden.
Weiter wird von Mitgliedern der „Gruppe der 77“ darauf verwiesen, daß die Marktwirtschaft in weiten Teilen der Dritten Welt gar nicht angewendet werden kann, weil hier, anders als in den Industriestaaten, die geistigen und materiellen Voraussetzungen dafür fehlten. Außerdem würden marktwirtschaftliche Begriffe in den Entwicklungsländern oft nicht verstanden. Mit Worten wie „marktkonform" oder „marktgerecht" verbinde man in der Dritten Welt keinerlei Anleitung für die Praxis, und bei dem Hinweis etwa, man dürfe am Markt nicht vorbeiproduzieren, werde gefragt: Was heißt das? An welchem Markt vorbeiproduzieren? An dem in Nepal, in den USA oder in Obervolta?
Große Teile der Bevölkerung in den Entwicklungsländern seien überdies erst dabei, sich von der Subsistenzwirtschaft zu lösen. Ihnen sind Begriffe wie „Optionshandel" oder „Termingeschäft" unbekannt, und was Lombardsatz, Primerate oder Unsichtbare Handels-schranken bedeuten, wisse allenfalls die kleine Zahl von Vertretern der Entwicklungsländer, die in Genf, Washington odr sonstwo bei internationalen Konferenzen ihre Regierungen vertreten.
In diesen Zusammenhängen wird auch auf die EG-Marktordnungen und andere dirigistische bzw. protektionistische Maßnahmen verwiesen. Ihre Kosten betragen für 1979 knapp 24 Mrd. DM. Fast 10 Mrd. DM davon werden allein zur Finanzierung der Milcherzeugung und der Milchverarbeitung ausgegeben. Die Kommission habe im Juli 1979 bekanntgegeben, daß ihr vor fünf Jahren nur 60 importerschwerende nationale Verstöße bekanntgewesen seien. „Mittlerweile wären es 500 — nicht gerechnet die Dunkelziffern". Schließlich habe der Bundesverband des Deutschen Groß-und Außenhandels e. V. am 6. Juni 1978 über protektionistische Maßnahmen der EG eine elf Seiten lange Liste veröffentlicht.
Wenn das alles noch Marktwirtschaft ist, wie ist dann das marktwirtschaftliche Lenkungsprinzip beschaffen, das nach der Erklärung des deutschen Außenministers vor der 7. Sonderkonferenz „allein geeignet ist, die Arbeitsteilung zwischen über 150 Staaten zu koordinieren"? „Vertrauen", so sagte der deutsche Wirtschaftsminister am 6. Dezember 1977 vor mittleren Unternehmen in Baden-Baden, „ist eine empfindliche Pflanze — das gilt auch für das Vertrauen in die Wirtschaftsordnung". Eben dieses Vertrauen in die Marktwirtschaft ist in den Entwicklungsländern — und nicht nur dort — nicht mehr gegeben.
Zugleich damit haben die Entwicklungsländer auch generell ihren Glauben an die Orientierungsfunktion des „Nordens" für ihr eigenes Verhalten verloren.
Diese Entwicklung begann mit dem erwähnten Zerbrechen der Communautö und der Kritik an dem Verhalten der ehemaligen Kolonialmächte während der afro-asiatischen Konferenzen. Sie wurde beschleunigt durch das vorstehend skizzierte Vorgehen der führenden Industriestaaten des „Westens" während der sechziger und zu Beginn der siebziger Jahre im Zusammenhang mit den Abwertungen und führte schließlich zur Konfrontation während der Konferenz über Internationale Wirtschaftliche Zusammenarbeit (KIWZ) 1975/76 in Paris. Sie erreichte ihren bisherigen Höhepunkt in dem ultimativen Abbruch der Verhandlungen über den Gemeinsamen Fonds und über ein Lom-II-Abkommen, sowie in den eingangs wiedergegebenen Äußerungen Yamanis und Husseins.
Gefördert wird die abnehmende Wertschätzung der Industriestaaten durch ihr Verhalten bei Abstimmungen in internationalen Konferenzen. Wenn einige Industriestaaten sich nicht gegen einen Beschluß aussprechen, sondern ihm — aus welchen Gründen auch immer — zustimmen, dann aber in einer nach der Abstimmung abgegebenen Erklärung ihre Zustimmung praktisch wieder zurücknehmen, wie die’s z. B. bei UNCTAD IV im Zusammenhang mit dem Beschluß 93 (Integriertes Rohstoffprogramm) geschah, dann mag das als diplomatisches Geschick hingestellt werden, bei den betroffenen Entwicklungsländern aber mindert es den Glauben an die Zuverlässigkeit des Verhandlungspartners
Außerdem schwächt es auch die Verhandlungsposition der Industriestaaten, wenn sie in anderen Fällen zunächst hinhaltend Widerstand leisten, dann ultimativ einen Vorschlag machen, diesen für „endgültig", gewissermaßen als „letztes Wort" erklären (non ngotiable), schließlich aber doch weitere Zugeständnisse machen (so geschehen bei den Lom-II-Verhandlungen), oder wenn sie — wie im Falle der OPEC — Angaben, die ihren Behauptungen entgegenstehen, unwidersprochen hinnehmen.
So ist es dahin gekommen, daß das Verhältnis zwischen „Nord" und „Süd" mehr und mehr von Konfrontation und Ultimaten bestimmt wird.
V. Ausblick
Bei beiden Gruppen, den Industriestaaten wie den Entwicklungsländern, ist, was ihre wechselseitigen Beziehungen angeht, eine gewisse Schizophrenie festzustellen. Die Industriestaaten benötigen die Rohstoffe der Dritten Welt und die Absatzmöglichkeiten für ihre Erzeugnisse in jenen Ländern. Sie meinen aber nach wie vor, der Dritten Welt vorschreiben zu können, nach welchen ökonomischen Ordnungsprinzipien und Methoden diese ihre Rohstoffe zu verkaufen hätten. Andererseits können die Entwicklungsländer bei aller Skepsis gegenüber den Industriestaaten, deren Vorbildcharakter mehr und mehr verblaßt ist, sich dem Zauber der Industriewelt und ihrer Erzeugnisse bis zum heutigen Tage oft (noch?) nicht entziehen.
In vielen Staaten Afrikas werden nicht mehr Kassava, Yam, Hirse und Sorghum, sondern Reis und Brot gegessen, die, da sie nicht im Lande erzeugt werden, wie z. B. im Tschad, aus den Industriestaaten eingeführt werden müssen, also Devisen kosten. Ähnliches gilt für den Ersatz der Muttermilch durch Erzeugnisse der europäischen und amerikanischen Lebensmittelindustrie. Die pharmazeutischen Produkte der Industriestaaten beherrschen die Heilkunde in Afrika, Asien und Lateinamerika. Bewährte einheimische Heilmethoden und -mittel wurden lange als rückständig abgetan. Erst die letzte Vollversammlung der WHO (Worls Health Organization = WeltGesundheitsorganisation) hat in fundierten Beiträgen auf bisher vernachlässigte lokale Mittel und Erfahrungen hingewiesen Den bisher konkretesten Ausdruck haben die Absichten der „Gruppe der 77", sich vom Mercedes-Denken freizumachen, in dem von der Konferenz über die „Technische Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsländern" (Technical Cooperation among Developing Countries = TCDC) 1978 von Vertretern aus 138 Staaten einstimmig verabschiedeten „Buenos Aires Plan of Action" gefunden.
In diesem Plan wird wie vorher in der „Strategie für das Zweite Jahrzehnt der Entwicklung" und wie 1979 in dem „Arusha-Programm für Kollektive Besinnung auf die eigenen Möglichkeiten und für einen Verhandlungsrahmen" (mit den Industriestaaten) erklärt, daß die self-reliance die Zusammenarbeit mit den Industriestaaten keineswegs ausschließt. Es wird im Gegenteil betont, daß die Hilfe der Industriestaaten auch für die effektive Verwirklichung der Zusammenarbeit unter den Entwicklungsländern unentbehrlich ist
In dieser Erkenntnis liegt an der Schwelle des „Dritten Jahrzehnts für die Entwicklung" die Chance, einen neuen Anfang im „Nord-SüdDialog" zu setzen. Voraussetzung dafür ist, daß nicht nur die Entwicklungsländer ihre Geister entkolonialisieren und aufhören, denen Ultimaten zu stellen, auf deren Zusammenarbeit sie nach ihren eigenen Worten angewiesen sind, sondern daß man auch in den Industriestaaten es künftig unterläßt, eigene Wertmaßstäbe, Ordnungsprinzipien und Geschäftsmethoden zu „Vätern aller Dinge" zu erklären und entsprechend zu verfahren.
Doch die Entkolonialisierung der Geister hüben und drüben allein genügt nicht. Eine tragfähige, dauernde Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten braucht mehr. Dafür ist eine von allen Beteiligten anerkannte und respektierte „Geschäftsgrundlage" notwendig. Diese gibt es bereits. Sie wird nur nicht beachtet. Wenn die „Charta der Menschenrechte“ und die Beschlüsse von Helsinki das Papier wert sein sollen, auf das sie geschrieben und gedruckt wurden, müssen die darin niedergelegten Grundsätze zu Leitbildern auch für das wirtschaftspolitische Verhalten gemacht werden.
Auf ihre Einhaltung bedacht zu sein, ist ein den Verträgen immanente Aufgabe, und eii Hinweis auf Verstöße ist entgegen irreführen den Behauptungen keine Einmischung in diinneren Angelegenheiten eines Staates. Er is vielmehr gerechtfertigt durch die eingegange nen, für alle Regierungen verbindlichen grenzüberschreitenden Grundsätze. Wem diese „Geschäftsgrundlage" weltweit respek tiert würde, könnte nicht nur der Frieden si cherer werden, sondern auch alle internatio nalen Konferenzen dürften erheblich erfolg reicher als bisher verlaufen.
Allerdings müßten auch die Vereinten Natio nen Anstrengungen machen, diese „Geschäfts grundlage" nicht Lügen zu strafen. Wenn mar aber einem Massenmörder in der Generalversammlung einen Ehrenplatz gibt, nur weil ei Staatschef ist, wenn die VN zu einer Maulkorb-Gesetzgebung schweigen und wenn die Vollversammlung sich von einer Regierung die Hunderttausende von Menschen zunächst ausraubt und dann in den Tod schickt, die Bedingungen für Verhandlungen über das Schicksal dieser Flüchtlinge vorschreiben läßt dann entwürdigt diese Organisation sich selbst und beraubt sich des Anspruchs, für Menschenwürde, Frieden und Freiheit einzustehen. Solche Überlegungen, wären utopisch? Ein derartiges Vorgehen wäre nicht machbar? Nun, dann soll man sich nicht wundern, wenn eines Tages überhaupt nichts mehr machbar ist.
Angesichts der zügellosen Entwicklung während der letzten Jahre ist auch das eben geschaffene Europaparlament aufgerufen, sich seiner Verantwortung bewußt zu werden; denn dieses Europa hat der Welt in den letzten vierhundert Jahren die Maßstäbe in Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und Kultur gegeben. Daraus entspringt eine historische Verantwortung, der sich kein europäischer Parlamentarier entziehen sollte. Dies gilt auch und nicht zuletzt im Hinblick auf die Beziehungen zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten. Für Europa ist mit dieser Verantwortung zugleich die Frage verbunden, ob dieser Kontinent bis zum Jahr 2000 in die Bedeutungslosigkeit eines Spanien im 19. Jahrhundert zurückfällt oder ob es sich noch aufraffen kann, wichtige Orientierungsbeiträge für den Weg der Welt in eine gedeihlichere Zukunft zu leisten.