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Perspektiven einer kulturellen Demokratie | APuZ 40/1979 | bpb.de

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APuZ 40/1979 Deutsche Wochenblätter der Gegenwart Perspektiven einer kulturellen Demokratie

Perspektiven einer kulturellen Demokratie

Wolfgang Ismayr

/ 45 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

In den westlichen Industriestaaten zeigt sich ein deutlicher Trend zur Herabsetzung der Lebensarbeitszeit, dem ein wachsendes Interesse an Freizeit entspricht. Darauf hat sich eine florierende Freizeit-und Medienindustrie mit entsprechenden Konsumangeboten eingestellt. Deren massenhafter Verbrauch in der Freizeit bestimmt zunehmend Einstellungen und Handlungsorientierungen und damit auch die politische Kultur in der Bundesrepublik Deutschland und vergleichbaren Ländern. In dieser Situation sind Aufgaben und Chancen der Kultur-und Freizeitpolitik im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang gründlicher als bisher zu bedenken. Noch ist deren Bedeutung für die weitere demokratische Entwicklung der politischen Kultur nicht hinreichend bewußt geworden — trotz ermutigender Ansätze in jüngster Zeit. Unter den Voraussetzungen eines stetigen Wirtschaftswachstums konnten sich Demokratievorstellungen zur Geltung bringen, die auf die Entwicklung einer Konsum-kultur abgestimmt waren. Sie setzen eine Konsumentenhaltung der Bürger geradezu voraus (Markt-und Elitemodell der Demokratie). Da nun die weltweiten Gefahren eines schrankenlosen Wachstums sichtbar geworden sind und der technisch-ökonomische Fortschrittsglaube in eine Krise geraten ist,, läßt sich ein derartiges Demokratieverständnis nicht mehr hinreichend legitimieren. Zu befürchten ist, daß unter diesen Voraussetzungen ein autoritärer Zuteilungsstaat antizipiert wird. Diese verhängnisvolle Alternative ist nur vermeidbar, wenn der Zusammenhang von wahren Interessen der Gemeinschaft und wohlverstandenen Interessen der einzelnen und Gruppen neu gesehen, ein grundlegender ethischer Bewußtseinswandel und neue Wert-und Handlungsorientierungen für notwendig gehalten werden. Allein unter den Bedingungen einer partizipatorisch fortentwickelten demokratischen Kultur eröffnet sich diese Chance. Mit dem Entwurf einer kommunikativen Ethik werden die getrennten Bereiche Vernunft, Ethik und Politik in eine neue Beziehung gebracht. Damit wird die Möglichkeit zur Kultivierung menschlicher Lebensverhältnisse neu behauptet. Uber diesen Versuch hinaus ist zu fragen, inwieweit auch die Abtrennung des Ästhetischen und speziell des künstlerischen Erfahrungsbereichs überwunden werden könnte. Dabei kann Schillers Entwurf einer ästhetischen Erziehung für gegenwärtiges Denken und Handeln fruchtbar gemacht werden, wenn man von einem „dynamischen" Wahrheitsund Wirklichkeitsverständnis ausgeht. Hier wird auf die möglichen Wirkungen künstlerischen Geschehens für die Bildung einer humanen demokratischen Kultur verwiesen. Aus diesen Überlegungen lassen sich Kriterien für kulturpolitische Konzepte gewinnen. Kulturpolitiker sollten darauf hinwirken, daß Politik insgesamt kulturelles Interesse entwickelt und angesichts des „Zukunftsschocks“ und der einhergehenden Sinnkrise Voraussetzungen für einen Orientierungsrahmen schafft. Insbesondere stellt sich für sie die Aufgabe, Spiel-und Freiräume für die kulturelle Selbstentfaltung zu sichern.

I. Mehr Freizeit — Chance für kulturelles Wachstum?

Vieles spricht dafür, daß sich der Trend zu mehr Freizeit in den westlichen Industriestaaten fortsetzen wird. Von einer „Epoche der Freizeit" ist die Rede. Das Nachdenken über die kulturpolitischen wie auch gesamt-politischen Konsequenzen hat jedoch erst begonnen. Gewiß werden in Resolutionen und Studien des Europarats, der UNESCO und des „Deutschen Städtetages" neue Perspektiven sichtbar. In der programmatischen Diskussion der Parteien und in der politischen Praxis spielen Kultur-und Freizeitpolitik jedoch nach wie vor eine untergeordnete Rolle — trotz mancher erfreulicher Ansätze in jüngster Zeit. Ihre Bedeutung für die weitere demokratische Entwicklung der politischen Kultur in der Bundesrepublik und der Europäischen Gemeinschaft ist offenbar noch nicht hinreichend bewußt geworden.

Schon in einer Zeit der Vollbeschäftigung war von einer schrittweisen Herabsetzung der Lebensarbeitszeit die Rede. Inzwischen ist die hohe und vermutlich noch wachsende Arbeitslosigkeit zu einem ernsthaften Problem geworden. Dessen Bedeutung für die zukünftige Entwicklung der westlichen Demokratien, insbesonders auch der EG, kann kaum überschätzt werden. Auf der Wunschliste der Bevölkerung in der Bundesrepublik steht dieses Thema ganz oben an Die Einsicht wächst, daß struktureller Arbeitslosigkeit nicht allein mit den klassischen Instrumenten der Wirtschaftspolitik beizukommen ist. Dementsprechend wird eine gerechtere Verteilung der verfügbaren Arbeit von Gewerkschaften, Regierungsmitgliedern, den elf sozialdemokratischen Parteien der EG-Länder, aber auch von Kreisen der Unionsparteien angestrebt.

Welche Vorschläge zur Umverteilung der Gesamtarbeitszeit auch immer sich in der Bundesrepublik und der EG durchsetzen mögen — die von beruflicher Arbeit freie Zeit wird aller Voraussicht nach insgesamt zunehmen. Eine solche Entwicklung ist aus strukturellen Gründen notwendig — und sie ist zu-dem erwünscht. Denn so sehr einerseits der Zustand der Arbeitslosigkeit von den meisten Betroffenen beklagt wird, so erkennbar wächst andererseits der Wunsch nach mehr Freizeit, vor allem bei der großen Zahl jener Bürger, die ihre Arbeit als eintönig empfinden Repräsentativbefragungen lassen erkennen, daß die große Mehrzahl der Bürger in der Bundesrepublik Freizeit und Familie für wichtiger halten als Arbeit und Beruf. Insbesondere bei jungen Leuten ist der Wunsch nach mehr Freizeit vorherrschend.

INHALT I. Mehr Freizeit — Chance für kulturelles Wachstum?

II. Konsumkultur zwischen „Konkurrenzdemokratie“ und „Okodiktatur“

III. Humanisierung der Kultur — Auf der Suche nach neuen Wert-und Handlungsorientierungen IV. Kommunikative Ethik und demokratische Kultur V. Ästhetische Sensibilisierung und ethisch-politische Orientierung VI. Kulturpolitik und Stadtentwicklung VII. Aspekte demokratischer Kulturarbeit VIII. Kulturelle Partizipation Er geht nach dem Urteil von Freizeitforschern einher mit einer wachsenden hedonistischen Grundhaltung, deren Ursachen zu bedenken sind. Entspannung und Erholung zum Zwecke der Wiederherstellung der Arbeitskraft (Rekreation) gelten nicht mehr unbedingt als eigentlicher Sinn der Freizeit Gewinnt jener Teil der arbeitsfreien Zeit, der nicht für notwendige Tätigkeiten wie Haushalt u. a. aufgewendet wird, damit aber auch schon einen Eigenwert als sinnerfüllte „Be-freiungszeit" (v. Hentig) und kultivierte Mußezeit? Zugunsten eines „freien Gestaltens von erfüllter Zeit" den Erhaltungszwang zurücktreten zu lassen, wird nach den Worten des Anthropologen Adolf Portmann auf lange Zeit eine wichtige Aufgabe überall dort bleiben, wo sich die volltechnische Lebensform ausbreitet. Nach Portmann bezeugen neuere Forschungen über die Lebensweise von naturnäheren Völkern, „wieviel größer der Anteil an Mußezeit in deren Dasein ist, als frühere Auffassungen von der Hauptrolle des Erhaltungszwanges angenommen haben, und wie diese Muße zu reich erfüllter Zeit gestaltet wird". Jenes Übermaß an Arbeit, das in den letzten Jahrhunderten im Abendland für riesige Menschenmassen geschaffen worden sei und mit allen Mitteln gerechtfertigt werde, habe das Gleichgewicht humanen Lebensvollzugs empfindlich gestört

In der Tat gilt es über den Wert wahrhaft erfüllter Freizeit neu nachzudenken: Was kann getan werden, um die Voraussetzungen für kommunikativ und kreativ bestimmte Freizeitgestaltung zu schaffen? Wie lassen sich Fähigkeiten zu spielerischer Freiheit und Muße neu entwickeln? Denn gegenwärtig wird für die meisten Bürger der westlichen Industriestaaten die Freizeit in erheblichem Umfang bestimmt durch den mehr oder weniger passiven Verbrauch von Angeboten einer konsum-und absatzorientierten Freizeit-und Medienindustrie. Mit erheblichen Veränderungen der Wahrnehmungsfähigkeit bei den Rezipienten (Konsumenten) muß gerechnet werden (Verstärkung und Erhöhung von Wahrnehmungsschwellen)

Ein auf quantitatives Wachstum programmiertes Wirtschaftssystem ist auf die Konsumentenmentalität der Vielen gewissermaßen angewiesen. Zudem kommt dem Massenkonsum verstärkt eine kompensatorische Funktion zu. Dies hat mit der Krise des neuzeitlichen Fortschrittsglaubens zu tun. Der Fortschrittsglaube war ursprünglich mit humanen politischen Werten und Zielvorstellungen verbunden, wie sie in der gegenwärtigen Grundwertediskussion wieder in Anspruch genommen werden (Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität).

Dieser Wertbezug wurde zunehmend abgebaut, und es verblieb ein Vertrauen in den technisch-ökonomischen Fortschritt. Auch dieses Vertrauen ist inzwischen in eine Krise geraten. Weltweit wurden negative Erfahrungen mit den zerstörenden Kräften eines technisch-ökonomischen Fortschritts gemacht, dem es an ethischer Orientierung mangelt (Massenvemichtungswaffen, Umweltzerstörung, Ausbeutung der Welt-Ressourcen). Mit dem Abbröckeln des Fortschrittsglaubens und den damit verbundenen Erfahrungen eines Sinndefizits entfallen auch Arbeitsmotivationen. Sicherlich entspringt die Krise des Leistungsprinzips zum Teil auch aus den einengenden und die Eigenverantwortung verringernden Veränderungen des Arbeitsprozesses. „Aber es ist nicht minder wichtig, daß der Wille zur Leistung auch von der Über-zeugung vom allgemeinen Sinn jeder Arbeit abhängt, und daß diese Überzeugung nach dem Zurücktreten ihrer puritanischen Motivierung großenteils auf dem Zusammenhang zwischen der Leistung des einzelnen und dem allgemeinen Fortschritt der Produktion beruhte. Wird dieser Zusammenhang belanglos, so wird auch die Leistung ... abgewertet. Der Beruf wird zum in sich sinnlosen, nur noch durch Konkurrenz um sein Entgelt und den davon abhängigen Konsumzuwachs motivierten rat race, oder in Habermas'Worten: Der Mangel an Sinn muß durch (ökonomischen) Wert kompensiert werden. Das sinn-entleerte Streben des einzelnen nach Selbst-verbesserung wird rein materiell." Wessen Interesse an wachsender Freizeit derart motiviert ist, der gerät leicht in den Sog eines massenhaften und zugleich vereinzelnden Freizeitkonsumangebots, das ein Maximum an Lustgewinn bei einem Minimum an Eigen-tätigkeit als möglich suggeriert.

Hier stellt sich nun allerdings die Frage, ob es sich dabei um eine unvermeidliche Entwicklung handelt, oder ob es nicht doch Möglichkeiten gibt, in der arbeitsfreien Zeit freie Spiel-und Kommunikationsräume zu gewinnen, in denen sich individuelle und gesellschaftliche Sinnerfahrung neu herstellen könnte. (Die korrespondierende Frage nach einer Humanisierung der Arbeitswelt muß hier außer Betracht bleiben.) Da Einstellungen, Werthaltungen und Handlungsorientierungen heute zunehmend in der Freizeit geprägt werden, hängt davon auch die Entwicklung der politischen Kultur der Bundesrepublik und anderer westlicher Demokratien ab. Die Einsicht in die gesellschaftliche und politische Relevanz dieser Fragen geht u. a. aus Studien und Resolutionen des Europarats, der UNESCO, des „Deutschen Städtetags" und der „Kulturpolitischen Gesellschaft“ hervor, in denen eine „neue Kulturpolitik" projektiert wird, die „kulturelles Wachstum" fördern soll.

II. Konsumkultur zwischen „Konkurrenzdemokratie" und „Okodiktatur"

Die Loslösung des Fortschrittsglaubens von seinen ethischen und politischen Zielsetzungen hat auch in der Rücknahme normativ orientierter Demokratievorstellungen ihren Ausdruck gefunden. In der Aufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg setzten sich mit wachsendem Wohlstand verschiedene Varianten eines verengten Demokratieverständnisses durch. Diesem Verständnis entspricht das politische Bewußtsein in der Bundesrepublik heute gewiß weit weniger als noch Mitte der sechziger Jahre, aber trotz gegenläufiger Trends wie Studentenbewegung, Demokratisierungsbestrebungen und Bürgerinitiativbewegung hat es sich noch keineswegs überlebt. Gemeinsam ist diesen Auffassungen die Exkulpation geringer Beteiligung am politischen Meinungsbildungsprozeß. Gewiß spielen hier obrigkeitsstaatliche Denktraditionen eine Rolle. (Dies zeigt sich einmal bei der Betonung der Führungsfunktion politischer Eliten; einen zeitgemäßen Ausdruck findet diese Tradition sodann in einem überzogenen Glauben an die Kompetenz von Experten in einer Realität, die durch Sachzwänge bestimmt sein soll.) Hervorstechendes Merkmal dieser Demokratiekonzeption ist die Anpassung an die ökonomische Realität kapitalistisch-marktwirtschaftlicher Systeme: Im sog. Markt-oder Konkurrenzmodell der Demokratie wird das Konkurrenzprinzip des Marktes auf den politischen Bereich übertragen. Entsprechend wird die Konsumentenhaltung der Bürger als quasi unabänderliche Größe angenommen. Die politische Beteiligung wird auf die Auswahl konkurrierender Führungseliten bei periodischen Wahlen beschränkt Politische Apathie kann dann als Zeichen für allgemeine Zufriedenheit und Systemstabilität gewertet werden Während die politischen Fähigkeiten der Vielen gering geschätzt werden, Selten die Führungseliten bei Vertretern ei-ner demokratischen Elitenherrschaft als Garanten der Effizienz und Stabilität des Systems — jener „Werte", auf die es entscheidend ankommen soll

Die materiellen Leistungen des Systems sind der entscheidende Maßstab; das „Interesse an Mündigkeit" wird geringer geachtet. Nach dem Konkurrenzmodell der Demokratie wird der Wähler analog den marktwirtschaftlichen Vorstellungen als Konsument angesprochen, wobei ihm bestenfalls (und nicht eben konsequent) eine gewisse Sachkenntnis bei der Auswahl der angebotenen „Ware" zugetraut wird: „Die miteinander konkurrierenden Politiker suchen den passiven, aufs Konsumieren eingestellten Wähler mit Hilfe moderner Reklametechniken für sich einzunehmen. Dessen Bedürfnisstruktur formt sich nach der Gesetzmäßigkeit des Angebotes wie die Wünsche des Konsumenten nach den Bedürfnissen des Marktes." Hier werden politische Vorstellungen zurückgenommen, die mit der konsumtiv und technokratisch orientierten politischen Kultur hochentwickelter Industriestaaten nicht in Einklang zu sein scheinen: Nicht nur vom „klassischen" Demokratieideal nimmt man Abstand, sondern auch von liberalen Vorstellungen einer repräsentativen Demokratie. Sollte der Fortschritt der Produktivität nach überlieferten Maßstäben auch dazu dienen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die politische Gleichstellung aller Bürger zu schaffen, so wird der technisch-ökonomische Fortschritt nun zum „Selbstzweck".

Man geht „realistisch" davon aus, daß die große Mehrzahl der im Arbeitsprozeß abhängigen Stimmbürger die das gesamtwirtschaftliche Wachstum anregende Rolle von mehr oder weniger passiven Konsumenten übernehmen. Freizeitkonsum erfüllt hier die Funktion, für leidvolle Erfahrungen im Arbeitsprozeß zu entschädigen und durch Anreize die Leistungsmotivation wach zu halten. * (Zwischen den Belastungen der Berufstätigkeit und dem Freizeitverhalten besteht eine Relation: Je interessanter die Arbeit ist, um so anregender fallen in der Regel die Freizeitaktivitäten aus) Außerdem kann Freizeit-konsum eine kompensatorische „politische" Funktion erfüllen, indem er das Gefühl der freien Wahl verlockender Konsumangebote vermittelt. Nicht-ökonomische Wertvorstellungen und Ziele sind in diesem an der Praxis orientierten Denkmodell nicht verankert. Von diesem Ansatz her kann Demokratie wertskeptisch als bloße Spielregel oder Methode gelten. In einer derart verengten Bedeutung wird dann gerne der Pluralismusbegriff gebraucht. Weizsäcker sieht in einem solchen Pluralismusverständnis eine „nihilistische Resignation gegenüber der Wahrheitsfrage" und stellt kritisch fest: „Toleranz, als die politische Gewährung der Freiheit an die andern, ist nicht der Verzicht auf die Wahrheitsfrage, sondern die Schaffung des Raums für die Wahrheitsfrage. Die pluralistisch zugelassenen Werte sind nicht gleichgültig, sie sind nicht alle gleich gut."

Von einem derartig eingeschränkten Pluralismusverständnis her lassen sich dann auch keine normativen Kriterien für die kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung des Freizeit-bereichs gewinnen, mithin auch nicht für die Kultur-und Freizeitpolitik. Auch an das künstlerisch-kulturelle Angebot von Kunstinstitutionen wie Theater, Oper, Kunstausstellungen etc. wird dann der Maßstab dieses verengten Pluralismusverständnisses angelegt: Solche Einrichtungen erscheinen dann als „Warenhäuser“ der Kulturindustrie bzw. als öffentliche Dienstleistungsbetriebe, die „für jeden etwas" anzubieten haben; dabei sollen sie in der Breite dem Anspruch gerecht werden, vorgeprägte Erwartungen auf leicht konsumierbare Kost zu befriedigen. Leitbegriffe der bildungspolitischen und kulturpolitischen Diskussion wie Kreativität, Partizipation, Kommunikation, Humanisierung, Identitätsfindung, Emanzipation wirken hier deplaziert. Sie gewinnen gegenüber diesem reduzierten Demokratieverständnis und der ihm entsprechenden Funktionseinschätzung des Freizeit-und Kulturbereichs den Charakter von störenden Reizwörtern. Von da her läßt sich auch kaum Verständnis erwarten für die Einwände der „Kulturpolit sehen Gesellschaft" gegenüber einer „zune menden Vermarktung kultureller Angebot nach privatwirtschaftlichen Rentabilitätsno men" vor allem im Rahmen der sog. „Freizei Industrie"

In einer technisch hochentwickelten Wachs tumsgesellschaft zeigen sich somit die Kon Sequenzen eines „interessenrationalen" Gesellschafts-und Politikverständnisses. Sei Hobbes und der Begründung eines Besitzindi vidualismus im 17. Jahrhundert konnte siel dieses Verständnis durchsetzen. Die klassi sehe politische Theorie seit Aristoteles hatti noch nach dem „guten Leben" in einer „gu ten" (bzw. optimalen) Ordnung menschliche! Zusammenlebens gefragt. Im Gefolge voi Machiavelli und Hobbes wird der Begriff dei Politischen auf das Phänomen der Durchset zung und Regelung des Machtwillens redu ziert und somit instrumentalisiert. Ethik wirc vom politischen Handeln abgetrennt und ver kümmert zur bloßen Privatmoral. Der Staal kann dann vom „Mittel physischer Gewalt samkeit" her definiert werden

Diesem Politikverständnis entspricht die gerade in Deutschland lange Zeit populäre Einschätzung der Politik als „schmutziges Geschäft", mit dem man als anständiger Bürger und gar als ein dem Edlen und Schönen zugewandter Künstler besser nicht in Berührung kommt. (Nach einer Infratest-Umfrage von 1977 sahen immerhin noch über 50% der westdeutschen Bevölkerung die Politik als „schmutziges Geschäft" an.) Hier haben wir es mit jener Gespaltenheit zwischen „Geist und Macht", „Kultur und Politik" zu tun, die Max Frisch in seinem Tagebuch als die eigentliche Ursache der verheerenden Gewalt-politik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beklagt: „Es ist eine Geistesart, die das Höchste denken kann (denn die irdische Schwere werfen sie einfach über Bord, damit der Ballon steigt) und die das Niederste nicht verhindert, eine Kultur, die sich strengstens über die Forderung des Tages erhebt, ganz und gar der Ewigkeit zu Diensten. Kultur in diesem Sinn, begriffen als Götze, der sich mit unserer wissenschaftlichen und künstlerischen Leistung begnügt und hintenherum das Blut unserer Brüder leckt, Kultur als morali-sehe Schizophrenie ist in unserem Jahrhundert eigentlich die landläufige."

Von der Interessenlage einer „Konsumkultur" her kann nun zwar der Anspruch erhoben werden, die Barrieren zu den Reservaten der Kultur — den „Inseln der Kunst" — einzuebnen. Dies geschieht freilich nicht, um Kunst für die Entwicklung einer demokratischen politischen Kultur wirksam werden zu lassen. Hinter diesem Anspruch steht vielmehr das Interesse, für breitere Bevölkerungsschichten Konsumansprüche auch im ästhetischen Bereich zur Geltung zu bringen und damit ein „erhöhtes Bedürfnis nach Kompensation" zu befriedigen, das in der Produktionssphäre entsteht. Der Slogan „Kultur für alle" des Deutschen Städtetages sollte nicht in diesem Sinne mißverstanden werden.

Der geschilderte Zusammenhang zwischen verengtem Demokratieverständnis (Elite-und Marktmodell), quantitativem wirtschaftlichem Wachstum und expandierendem Konsum mag theoretisch plausibel und trotz gegenläufiger Bestrebungen in der gesellschaftlichen Realität deutlich erkennbar sein. Dennoch werden aus der Einsicht in die weltweite Gefährdung unserer Lebensgrundlagen durch „exponentielles Wachstum" in den Industriegesellschaften unterschiedliche Schlußfolgerungen für die demokratische Entwicklung gezogen. Gerade unter Hinweis auf die notwendige Durchsetzung eines Wachstumsstopps und Konsumverzichts (Schonung der Umwelt und der Weltressourcen) halten manche Autoren die seit etwa dem Ende der sechziger Jahre erhobenen Forderungen nach verstärkter demokratischer Beteiligung für wirklichkeitsfremd Bei nachlassendem Wachstum müssen „umfassende Regelungen der Einkommens-und Wohlstandszumessung" (Borchardt) durchgesetzt werden, um zerstörerische, Verteilungskämpfe zu verhindern und im globalen Wettkampf um die knappen Rohstoffe entschlossen handeln zu können. Dies wird nur einer autoritären staatlichen Zen-tralgewalt zugetraut. Eine Art OkoDiktatur mit deutlich technokratischem und bürokratischem Einschlag erscheint unausweichlich. Mit dem Hinweis auf die Komplexität der Industriegesellschaft und ihre „Sachzwänge" wurden auch bisher schon Forderungen nach einer Ausweitung der Demokratie und insbesondere einer Demokratisierung gesellschaftlicher Subsysteme zurückgewiesen; sie seien leistungsmindernd, hieß es.

Dieser Ansatz stand im Banne eine. r (quantitativen) technisch-ökonomischen Wachstums-hypothese. Unter der Herausforderung der Okokrise verbindet er sich nun mit der Idee eines technokratischen Zuteilungsstaats autoritären Zuschnitts. Plausibel kann diese Idee nur erscheinen, weil und solange jene anthropologische Prämisse beibehalten wird, Egoismus, Selbstsucht und Habgier seien die „natürlichen", dem Menschen angeborenen Eigenschaften; sie bestimmten ihr Handeln und ließen grundlegende Verhaltensänderungen auf der Basis gemeinwohlorientierter Wertsetzungen nicht zu Wie aber könnte gerade angesichts dieser Voraussetzungen garantiert werden, daß Politiker an die Macht kommen, die durchwegs im Sinne ökologischer Vernunft handeln und ihre Macht nicht mißbrauchen? Wie soll unter den Bedingungen hochkomplexer Gesellschaften verzichtbereites Verhalten durchgesetzt werden, wenn egoistische Antriebe „naturnotwendig" menschliches Handeln leiten? Wird durch Freiheitsentzug ohne gleichzeitige Entschädigung (z. B. Konsumsteigerung) nicht allenfalls Apathie erzeugt? Wie soll gerade eine starke Zentralgewalt unter diesen Bedingungen — also ohne hinreichende Rückmeldungen und Kontrolle — ökologisch vernünftig und sozial gerecht handeln können? Nicht nur wären die notwendigen Einschränkungen des Konsums durch einen autoritären Zuteilungsstaat bitter erkauft — sie könnten vermutlich nicht einmal auf Dauer sinnvoll durchgesetzt werden.

III. Humanisierung der Kultur — Auf der Suche nach neuen Wert-und Handlungsorientierungen

In der Denktradition des Besitzindividualismus steht die These, die allseitige Verfolgung von Partikularinteressen werde einen friedlichen Gleichgewichtszustand des Allgemeininteresses herbeiführen. Daß sich das Gemeinwohl quasi wie von selbst aus dem Konkurrenzkampf der individuellen und organisierten Sonderinteressen ergibt, kann angesichts der die menschliche Existenz bedrohenden Weltprobleme nicht mehr ernsthaft behauptet werden: Umweltzerstörung, Kriege, Wettrüsten, das Nebeneinander von Reichtum und bitterster Armut haben diesen Ansatz gründlich ad absurdum geführt. Man kann mit Weizsäcker geradezu von der „Irrationalität" dieses kurzsichtigen interessen-rationalen" Standpunkts sprechen

Die verhängnisvolle Alternative des technokratisch-autoritären Zuteilungsstaates ist jedoch nur vermeidbar, wenn eine ethische Bewußtseinsänderung und neue Wert-und Handlungsorientierungen für notwendig und möglich gehalten werden. Angesichts des Wettrüstens mit MassenVernichtungsmitteln hatte Karl Jaspers schon in den fünfziger Jahren nur noch von einer „Revolution der Denkungsart" die Vermeidung einer weltweiten Katastrophe erhofft Daß sich die Menschheit an einem Wendepunkt wie nie zuvor in der Geschichte befindet, wird auch in neueren Untersuchungen zu den globalen Problemen der Menschheit immer wieder betont. Eine „Ethik des technischen Zeitalters" wird für unabdingbar gehalten Zum ersten Mal in der Geschichte hänge das physische überleben der Menschheit von einer „radikalen Veränderung des Herzens" ab, meint Erich Fromm in einem Buch, dessen Grundgedanken in unterschiedlichen Varianten Eingang in die öffentliche Diskussion gefunden haben Fromm macht zwei Grund-haltungen menschlicher Existenz aus: „Haben" und „Sein"; deren jeweilige Stärke bestimmten die individuellen und kollektiven Charakterunterschiede. Der Modus des Habens konzentriere sich auf Gewinnsucht, Macht, Aggression und verursache Gier, Neid und Gewalt. Mit seiner aggressiven, expansionistischen Wachstumsmoral habe er seit dem Mittelalter das Übergewicht und bringe jetzt die Welt an den Abgrund des psychologischen und ökologischen Ruins. Demgegenüber gründe sich der Modus des Seins auf Liebe und drücke sich in wesentlicher, nicht verschwenderischer, sondern schöpferischer Tätigkeit aus. Fromm setzt seine Hoffnung darauf, daß die Mängelerfahrungen des aufs Haben ausgerichteten Lebens und seiner globalen Folgen die Chance einer nie ganz verschütteten Seinsorientierung eröffne Eine ansatzweise Umorientierung aufgrund aktueller Erfahrungen zeigt sich darin, daß mit Leitbegriffen wie „Selbstverwirklichung“, „Kommunikation", „Partizipation" neuerdings Begriffe wie „Brüderlichkeit", „Solidarität", „Liebe" verbunden werden Das geschieht dort, wo die Frage nach der Herausbildung einer humanen demokratischen Kultur gestellt wird, von der allein die gemeinsame Bewältigung auch der ökologischen Probleme erhofft werden kann Von einer Umorientierung der Werthaltungen und Bedürfnisse hängt es ab, ob die wohlverstandenen Interessen der einzelnen mit den nationalen wie globalen Allgemeininteressen einigermaßen in Einklang gebracht werden können.

IV. Kommunikative Ethik und demokratische Kultur

Im Widerspruch zu allen technokratischen und gewaltpolitischen Lösungsversuchen ist daran festzuhalten: Nur unter den Bedingungen (relativ) freiheitlicher, sozial-und rechtsstaatlicher Demokratie können sich in entwickelten Industriestaaten derartige Wert-und Bedürfnisorientierungen herausbilden, kann sich eine ökologisch vernünftige, gemeinwohlorientierte Ethik entwickeln, die auf humane Weise das Glück des einzelnen mit dem der Gesellschaft verbindet.

Normative Demokratietheorien streben die Selbstverwirklichung mündiger Bürger an; dieses Ziel lag bekanntlich auch den Bestrebungen nach einer verstärkten Demokratisierung von Staat und Gesellschaft zugrunde, die in der Bundesrepublik vor allem seit Ende der sechziger Jahre die Perspektive einer dynamischen, qualitativen Fortentwicklung des bundesdeutschen Systems eröffneten. Daß mit „Selbstverwirklichung" nicht primär die „chancengleiche" Durchsetzung von Partikularinteressen gemeint sein konnte, wurde nicht durchwegs verstanden. Zur Verdeutlichung ist Habermas'Verständnis von „Partizipation“ hilfreich: Wenn er Partizipation als „allgemeine und chancengleiche Teilnahme an diskursiven Willensbildungsprozessen" definiert, geht es ihm gerade um die Ermittlung vernünftiger Handlungsnormen und „verallgemeinerungsfähiger Interessen".

Die Frage der Vernünftigkeit politischer Lösungen wird mit dem Konzept der Selbstverwirklichung durch mitmenschliches, kommunikatives Handeln verknüpft. Nur durch ihre Verallgemeinerungsfähigkeit zeichnen sich Interessen als vernünftig aus, und nur unter den Bedingungen einer tendenziell freiheitlichen politischen Ordnung, die (einigermaßen) ungezwungene Meinungs-und Willensbildungsprozesse erlaubt, können in praktischen Diskursen partikulare von verallgemeinerungsfähigen Interessen unterschieden werden. Habermas wendet sich damit gegen Theorien, die das „Ende des Individuums" a als unvermeidlich darstellen und damit den Anspruch humanen und ethisch verbindlichen Lebens aufkündigen.

Gegenüber Positionen, wonach Wert-und Normentscheidungen prinzipiell „irrational“ sein sollen versucht Habermas, den Geltungsanspruch gesellschaftlicher Normen zu begründen. Diese kommunikative Ethik kann durchaus als Ethik solidarischer Verantwortung verstanden und weiterentwickelt werden. Habermas resigniert nicht vor einem Pluralismus scheinbar letzter Wertorientierungen. Er geht davon aus, daß kraft Argumentation die jeweils verallgemeinerungsfähigen Interessen von denen geschieden werden können, die partikular sind und bleiben und nur im Verfahren des Kompromisses zum Ausgleich gebracht werden können

Gelten Diskurse als Voraussetzung normativer Sinnfindung, dann müssen auch deren strukturelle Voraussetzungen erwünscht sein. Angestrebt wird eine möglichst gewaltfreie, freiheitliche und beteiligungsfreundliche Gesellschaftsordnung, eine dem sozialen wie interund supranationalen Frieden förderliche demokratische Kultur. In der Idee der Kommunikationsgemeinschaft selbst liegt die Absicht begründet, die Voraussetzungen für die allgemeine Beteiligung an Kommunikationsprozessen herzustellen. Dabei ist es natürlich eine offene Frage, inwieweit eine entsprechende Institutionalisierung solch politischer Willensbildung realisierbar ist

Wenn wir hier von demokratischer Kultur sprechen, gehen wir — wie dies analog auch beim Begriff der „politischen Kultur" üblich ist — von einem erweiterten Kulturbegriff aus: Demnach bezeichnet „Kultur" nicht eine Parzelle des Gesamtsystems der Gesellschaft; vielmehr machen Einstellungen, Werthaltungen und Verhaltensweisen der Menschen und deren Werke und Institutionen in ihrer Gesamtheit die Kultur eines Landes oder Volkes aus. (Das Adjektiv „demokratisch" bezieht sich dabei in unserem Verständnis auch auf alle für die politische Bewußtseinsbildung bedeutsamen gesellschaftlichen Subsysteme — meint also eine Lebensform.)

Das Wort „Kultur" -meint im deutschen SprachVerständnis seit dem 19. Jahrhundert vorwiegend den Bereich des Künstlerischen und „Geistigen"; für alle anderen Bereiche des Lebens steht das Wort „Zivilisation". Dies hängt mit der wechselseitigen Trennung von Rationalität, Ethik, Politik und Ästhetik zusammen — mithin von Denken, Fühlen und Handeln. In der neuzeitlichen Entwicklung setzte sich mit den Naturwissenschaften und der Technik ein Begriff wertfrei objektivierender Rationalität durch. Entsprechend bildete sich eine „Alternative von objektiver Wissenschaft und subjektiver Wertentscheidung" heraus. Der öffentliche Teil des Lebens soll idealiter von wertfreier Rationalität geregelt werden; moralische Argumente und Prinzipien gehören dagegen in die private Sphäre subjektiver Gewissensentscheidung Das ethische Problem vernünftiger gesellschaftlicher Zielsetzungen bleibt ausgeklammert. Indem nun die Moral auf das Feld subjektiv-privater Entscheidungen abgedrängt wird, geraten auch Ästhetik und Kunst dahin, ihre soziale und politische Bedeutung zu verlieren. Da Kunst jedoch auch von intersubjektiven, ganzheitlichen Bezügen lebt, gerät sie in Gefahr, zur artifiziellen Unverbindlichkeit des l'art pour l'art zu verkümmern; oder sie wird „zweckrational" eingesetzt und verliert auf diese Weise die Eigenart ihres Wahrheits-und Wirklichkeitsbezugs und ihre spezifische ethisch-politische Wirkung

Mit dem Entwurf einer kommunikativen Ethik weicht die Trennung der Bereiche Vernunft (Rationalität), Ethik und Politik einer neuen Beziehung. Damit wird gegenüber der These vom Ende des Individuums die Humanität des Menschen, somit die Fähigkeit zur Kultivierung seiner Lebensverhältnisse, neu behauptet. Vernnunft und Ethik werden hier zwar in einen neuen wohlverstandenes Einzelinteresse und Gesamtinteresse verbindenden Zusammenhang gebracht. Freilich wird diese Verbindung diskursiv gewonnen: Die Bereiche des Ästhetischen, des Emotional-Affektiven im allgemeinen und speziell die Kunst bleiben dabei außer Betracht — wesentliche Aspekte des Kulturellen also. Vieles hängt für die Entwicklung einer kulturellen Demokratie davon ab, ob diese Bereiche neu einbezogen weredn können.

V. Ästhetische Sensibilisierung und ethisch-politische Orientierung

Zweifellos kommt der begrifflosen Wahrnehmung der Wirklichkeit eine erhebliche Bedeutung für die Sozialisation und Enkulturation des Individuums sowie für die Entwicklung der Kultur insgesamt zu Mit Recht wird der intersubjektive Charakter des Ästhetischen und seine „erzieherische Wirkung" betont. So geht H. P. Thurn von der Annahme aus, „daß alles Formgestalten, auch dort, wo es objektbezogen erfolgt (also etwa beim Schaffen eines Bildes, einer Blumenvase etc.), letztlich sein Ziel im Intersubjektiven hat, d. h. darauf aus ist, im Zuge seiner sozialkulturellen Geburt menschliches Zusammenleben in irgendeiner Weise zu beeinflussen, sei es störend, hemmend, fördernd oder wie auch immer... In einem weiten Sinne wohnt der Intentionalität eines jeden Gestaltungsträgers mit dem Moment der Wirkung auch ein Element von erziehender Beeinflussung inne. Aus der Sicht des Rezipienten bedeutet dies: er wird immerdar erzogen, sobald er sich einer ästhetischen Wirkung aussetzt."

Es kommt allerdings darauf an, wie dies geschieht. Die sinnliche Anregung von Erfahrungen ist vielfältig; ästhetische Komponenten wirken an nahezu allen Lebensproblemen mit. Beachtet man dies, dann wird man sich kaum der Illusion hingeben, durch rationale Einsichten allein den bekannten Deformationen in unserer Gesellschaft entgegenwirken zu können (vgl. auch die Psychiatrie-Enquete der Bundesregierung). Diese Deformationen entstehen ja in einer Kultur, die kreative Teilnahme in vielen Bereichen des Berufslebens kaum ermöglicht und welche die Gestaltung der Umwelt und des Freizeitangebots in heblichem Maße Geschäftsinteressen und onsumansprüchen überläßt. Hier stellt sich e Frage nach der Re-Kultivierung dieser bensbereiche. Ihre Neuaneignung für komunikativ und kreativ gewonnene Sinnerfahng und Selbstverwirklichung wird zur indiduellen wie zur gesellschaftlichen Aufgabe, itsprechend geht auch Thurn davon aus, iß „die auf den ganzen Menschen abzielen-• Sinnverwirklichung in der Kultur ... nicht it einem rudimentären, seiner Wurzeln in r Gefühlswelt beraubten Verstand allein reicht werden" kann. „Sondern sie bedarf . einer kontinuierlichen Untermauerung irch den Willen, diese Welt in einer den nnen des Menschen insgesamt zuträglichen /eise zu gestalten. Die ästhetische Erziejng muß dazu beitragen, diesen Sinnesbeirfnissen ihren sozialkulturellen Spielraum 1 sichern bzw. wiederzugewinnen." amit wäre auch die fast vergessene Konzepon Friedrich Schillers wiederaufzunehmen, ämlich die Trennung von Vernunft und innlichkeit in einer „politischen Ästhetik" ufzuheben und die Beziehung von ästheti-cher und ethisch-politischer Wirksamkeit vident werden zu lassen. Für Schiller setzt er Staat der Freiheit die Verwandlung des fenschen aus einem in die Komponenten Vernunft’ und . Sinnlichkeit'gespaltenen zu inem ganzheitlichen Wesen voraus, das imtande ist, die Prinzipien der politischen Verassung zu realisieren. Solche „Veredelung" es Menschen könne allein die ästhetische rziehung leisten: „Es gibt keinen anderen Veg, den sinnlichen Menschen vernünftig zu nachen, als daß man denselben zuvor ästheisch macht." Durch die ästhetische Gemütstimmung werde die Selbständigkeit der Ver-unft schon auf dem Felde der Sinnlichkeit röffnet, die Macht der Empfindung schon inlerhalb ihrer eigenen Grenzen gebrochen und kr physische Mensch so weit veredelt, daß unmehr der geistige Mensch sich nach den besetzen der Freiheit aus demselben bloß zu ntwickeln brauche Die Veredelung des Menschen geschieht bereits dort, wo der Jeist im Sinnlichen in Erscheinung tritt. Der künstlerische, dichterische Geist zeichnet der •höchsten Moralität" und der „höchsten Politik das Ideal vor, „welchem sich anzunähern ihre höchste Vollkommenheit ist" In der künstlerischen Phantasie werde die Einheit vorweggestaltet, die als Idee dem politischen Handeln der durch die ästhetische Erziehung verwandelten Menschen die Richtung weist

Dieser ganzheitliche Ansatz läßt sich als regulative Idee auch für gegenwärtiges Denken und Handeln fruchtbar machen. Voraussetzung ist freilich, daß man von einem „dynamischen" Wahrheits-und Wirklichkeitsverständnis ausgeht, welches wir als Grundlage heutigen Demokratieverständnisses erachten. Dann könnte vom Verständnis einer kommunikativen Ethik her die Kunst aus ihrer Randposition befreit werden. Sie könnte neue Bedeutung für die Erfahrung ganzheitlicher Lebensvollzüge gewinnen und damit in ihrer besonderen, ethisch-politischen Wirkung neu entdeckt werden. Die wechselseitige Bedingtheit von künstlerischer Qualität und ethisch-politischer Wirkung ist in diesem kommunikativen Wahrheits-und Wirklichkeitsbezug begründet, der beim Theater besonders evident ist Für eine bewußtseinsverändernde Wirkung im Sinne eines „neuen" Ethos weltweiter mitmenschlicher Verantwortlichkeit sind die Künste in besonderer Weise disponiert. Denn (idealiter) ist gewaltfreie, kreative Kommunikation Bedingung ihrer „Wahrheit" und damit immanentes Ziel ihres Wirkens. Sie trägt die Intention solidarischer, humaner Sinnfindung und Selbstverwirklichung in sich. Wo sie gelingt, vermag sie die Ansprüche partikularer Interessen zu transzendieren. Ästhetische und ethische Sensibilisierung in spielerischer Freiheit und kommunikativer Offenheit und Solidarität könnte so mitwirken an der Bildung einer humanen demokratischen Kultur.

An derartige Überlegungen über das mögliche Wirken von Kunst schließt sich die Frage an, ob unter den gegebenen strukturellen Voraussetzungen von den Künsten wesent-liehe Impulse für den notwendigen Einstellungs-und Orientierungswechsel ausgehen können. Des weiteren stellt sich die Frage, welche Aktivitäten von einer demokratischen Kulturpolitik zu erwarten sind, um die Entfaltung künstlerischen Wirkens und darüber hinaus aller ästhetischen, kommunikativen und kreativen Vollzüge zu fördern.

VI. Kulturpolitik und Stadtentwicklung

In Diskussionen und Entschließungen der letzten Jahre wurde Kritik an einem „Nachtisch-Verständnis" (Fetscher) von Kultur geübt, das wesentlich nur die Angebote „repräsentativer Kunstinstitutionen" meint, dabei den Künsten eine von sozialen Lebensbezügen abgehobene, gesellschaftlich unerhebliche Rolle zuweist und deren potentielle kommunikative Rückbindungen vernachlässigt So geht die „Kulturpolitische Gesellschaft" programmatisch davon aus, daß „Kultur nicht ein ausdifferenziertes gesellschaftliches System mit professioneller Struktur ist, sondern durch den gesamten kommunikativen Stil einer Gesellschaft geprägt wird: die . Kultur im engeren Sinn'ist einbeschrieben einer , Kultur im weiteren Sinn', wie sie etwa von der Kulturanthropologie ... erforscht wird." Entsprechend wird vom „Deutschen Städtetag“ Kultur in einem demokratischen Staatswesen (unter dem Anspruch „Kultur für alle") als kommunale Gemeinschaftsaufgabe definiert: „Kulturarbeit muß der Entfaltung und Entwicklung der sozialen, kommunikativen und ästhetischen Möglichkeiten und Bedürfnisse aller Bürger dienen."

Tatsächlich beschäftigen sich jedoch Kultur-politik und Kulturarbeit auch dort, wo die gesamtkulturelle Dimension der Politik erkannt und die vielschichtigen Bezüge bedacht werden, mit einem Aufgabenbereich, der wesentlich enger gefaßt ist. Diese ambivalente Intention kulturellen Bemühens für eine demokratische Gesellschaft kommt auch in der Entschließung des Europarates 1976 (Konferenz der Kultusminister) zum Ausdruck. Unter anderem enthält diese die Forderung, Kulturpolitik solle als unverzichtbare Aufgabe der Politik betrachtet und in Verbindung mit Bildung, Freizeit, Erholung und Sport, Umwelt, Sozialpolitik, Stadtplanung etc. ausgearbeitet werden

Für die Kulturpolitiker ergibt sich einmal die Aufgabe, die „kulturelle Dimension“ in allen Bereichen der (Kommunal-) Politik zur Geltung zu bringen. Sie sollten darauf hinwirken, daß Gesellschaftspolitik insgesamt kulturelles Interesse entwickelt und angesichts des „Zukunftsschocks" die strukturellen Voraussetzungen für einen Einstellungs-und Orientierungswandel schafft sowie mehr Lebensqualität fördert. An der vielbeklagten Entwicklung unserer Städte läßt sich die Bedeutung einer derartigen kulturpolitischen Aufgabenstellung ermessen: Sie sind dabei, endgültig ihre „menschlichen Züge“ und die Qualität einer humanen Lebenswelt zu verlieren Kulturpolitik sah sich lange Zeit im wesentlichen auf die traditionellen Institutionen der Kunst-und Kulturpflege verwiesen (und setzte sich dabei selber eine Anzahl von Denkmälern aus Beton Derweil huldigten Städteplanung und Architektur unter dem Eindruck der raschen ökonomischen und technischen Entwicklung in der Regel dem inzwischen viel beklagten, aber noch keineswegs überwundenen puren Funktionalismus. Das bekannte Ergebnis: „Aller geplanten Funk tionalität zum Trotz wollen unsere Stadt« nicht funktionieren. Das ist die tagtäglich« Erfahrung jedes einzelnen Stadtbewohners. E hat allen Grund, nicht nur ihre materielle: Funktionsmängel zu kritisieren, sondern auch ja vor allem, ihre ideellen: ihre Tauglichkei als menschlicher Lebensraum. Unseren Städ ten droht Gestaltlosigkeit. Weil aber baulich und soziale Gestalt unauflöslich miteinande verbunden sind und voneinander abhänge ist der allmähliche Verfall der visuellen Ku tur nur das Abbild eines fortschreitende Verfalls ihrer gesellschaftlichen Funktionei ie Städte der industriellen Massengesell-chaft sind den Menschen quantitativ ent-rachsen. Eine Stadt ähnelt der anderen zum ‘erwechseln. Der Bewohner empfindet sie als nmenschlich. Deshalb sind Rückkehr zum enschlichen Maßstab ... und zur Wiederge-sinnung ihrer verlorenen Identität seine unusgesprochenen Forderungen an die Planer einer Umwelt."

Vachdrücklich hat der „Deutsche Städtetag“ lie Konsequenzen formuliert: Voraussetzung ür die Entfaltung des Menschen in der Stadt ei die Schaffung einer Umgebung, die durch roportion und Grundstruktur die Phantasie inrege und gleichzeitig die Identifikation ler Bewohner mit ihrer Stadt gewährleiste. Die Stadt müsse als ein Ort begriffen und conzipiert werden, der Sozialisation, Kommulikation und Kreativität ermögliche Sie wäre aus der „profitablen Nutzungsarena in lie Behagen vermittelnde Kulturlandschaft" zu verwandeln, meinen Glaser und Stahl Dies müßte von einer Kommunalpolitik insgesamt als Auftrag verstanden werden, die an einer humanen Stadtentwicklung interessiert ist, in der die funktional getrennten Bereiche Arbeit, Wohnen und Freizeit wieder miteinander verbunden werden

Einer Kulturpolitik, die im Einklang mit den genannten Bestrebungen anregend und gestaltend wirken will, stellt sich hier die Aufgabe, Spielräume, Kommunikations-und Aktionsräume für die kulturelle Selbstentfaltung der einzelnen Personen, Gruppen und Institutionen zu schaffen und zu sichern. Dies ist Voraussetzung für die dynamische Fortentwicklung unserer politischen Kultur zu einer kulturellen Demokratie

Von dieser Zielsetzung selbst her sollten sich die Vorbehalte entkräften lassen, die bei vielen Politikern noch immer gegenüber kulturpolitischem Engagement bestehen. Gewiß gibt es in neuester Zeit eine Reihe von Resolutionen sowie neue Konzepte und praktische Ansätze. Dennoch sehen sich kunst-und kulturpolitisch engagierte Politiker zumeist auf eine Nebenrolle festgelegt. Entsprechend wird noch häufig die Arbeit in der Kulturverwaltung eingeschätzt und honoriert. Parteien und die meisten Politiker zeigten sich bisher kaum interessiert und wenig konzeptionsfreudig Ob die in jüngster Zeit abgehaltenen kulturpolitischen Kongresse hier eine Wende ankündigen, läßt sich im Augenblick, nicht sicher ausmachen.

Kulturpolitische Abstinenz wird nicht selten mit der Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes gerechtfertigt. Gestützt auf die fachjuristische Literatur kann hingegen aufgezeigt werden, daß nicht nur Bestimmungen in mehreren Landesverfassungen sondern auch Art. 5 Abs. 3 GG im Sinne einer „aktiven Kunstfreiheitsgarantie" zu interpretieren sind. Aus Urteilen des Bundesverfassungsgerichts läßt sich die Verpflichtung der öffentlichen Hand ableiten, Kunst und Kultur im Interesse einer Teilhabe und Teilnahme möglichst vieler Bürger zu fördern Tatsächlich dürfte der Verweis auf die Kunstfreiheitsgarantie nicht selten Alibifunktion haben. (Immerhin gehören Verwaltung und Finanzierung von Kustinstitutionen ja zum kommunalen Alltag.) Bestim-mend ist wohl nicht nur ein „kulturelles Bewußtseinsdefizit" sondern auch die verbreitete Meinung, mit kulturpolitischen Aktivitäten nicht viel für Leistungsbilanz, Image und Wiederwahl tun zu können Die große Zahl sozialkultureller Bürgerinitiativen sollte Anlaß sein, diese Einschätzung zu überdenken. Auch Meinungsumfragen stützen solche Befürchtungen nicht Vor allem aber sollten die Konsequenzen eines mangelnden Engagements für Aufgaben der Kulturpolitik zu denken geben. Das Feld bliebe einer primär absatzorientierten Freizeit-und Medienindustrie und funktionalistischen Planungsinteressen überlassen.

Kulturarbeit (Kulturpolitik) ist somit als „Pflichtaufgabe" der öffentlichen Hand zu begreifen; ihre Finanzierung sollte nicht länger als eine „freiwillige Leistung" verstanden werden, die von den politischen Entscheidungsgremien leichthin zur Disposition gestellt werden kann Unter diesem doppelten Aspekt ist auch die Arbeit an Kulturentwicklungsplänen in mehreren Städten zu sehen, die gegenüber neueren kulturpolitischen Ansätzen aufgeschlossen sind. Da die örtliche Kulturpflege dem eigenen Wirkungskreis der Kommunen angehört, fällt diesen auch die Aufgabe der Kulturentwicklungsplanung zu (Kulturell koordinierend, anregend und finanziell unterstützend zu wirken, ist freilich auch Sache der Bundesländer, die ja die Kulturhoheit für sich in Anspruch nehmen.)

Kulturentwicklungsplanung als integraler Bestandteil der Stadtentwicklungsplanung kann als wichtiger Schritt angesehen werden, um auf die Stadtentwicklung im'Sinne der oben formulierten Zielvorstellungen einzuwirken Erste Erfahrungen mit der Erarbei-tung von Kulturentwicklungsplänen Heger vor: Demnach führt diese zu einer „Sensibili sierung der Kulturverwalter und Kulturma eher für neue Probleme der Kulturarbeit" unc verstärkt das Nachdenken über die bisherige Praxis. Die Behandlung des Kulturentwicklungsplans in Ausschüssen und Räten fördert ebenfalls die Information und Motivation der örtlichen Kulturpolitiker. Für fast alle Aufgabenfelder der Kommunalverwaltung liegen in den Städten in der Regel Bereichspläne vor. In diese Bereiche fließen erfahrungsgemäß! vor allem die „freien" Mittel. Eine finanzielle: Benachteiligung des „Kulturbereichs" dürfte eher zu vermeiden sein, wenn man sich zur Kulturentwicklungsplanung entschließt. Nach Vorliegen der ersten Bereichspläne für Kultur ist zu erwarten, daß weitere Städte diesem Beispiel folgen werden. Diese Bereichspläne bewegen sich auf einer mittleren Planungsebene der Stadtentwicklungsplanung. Gegen Maßnahmeplanung im Rahmen der Kulturentwicklungspläne werden hingegen mit Recht erhebliche Bedenken angemeldet Nicht die angestrebte Planung von Spiel-und Freiräumen für die Kulturarbeit, sondern die „Verplanung der Kultur" könnte das Ergebnis sein. Auch der Deutsche Städtetag verweist nicht nur auf die Chancen, sondern auch auf die Grenzen der Planung für den kulturellen Bereich Fehlentwicklungen sind dann einigermaßen vermeidbar, wenn die genannten kulturellen Zielvorstellungen bereits bei der Planungspraxis selbst berücksichtigt werden: Es müßten Wege kommunikativer Teilnahme der Bürger an den kulturellen Planungs-und Willensbildungsprozessen gefunden werden, die nicht zu einer öffentlichen Anpassung arf die kommerzielle Konsumkultur, sondern zu einer für die Bürger erfaßbaren qualitativen Veränderung kulturellen Lebens führen.

Kulturentwicklungspläne umfassen in der Regel den kulturellen Aufgabenbereich, wie er in die Kompetenz der kommunalen Kulturäm-er und Kulturausschüsse fällt. Die enge Besiehung zu den anderen Bereichen der Kommunalarbeit (Bildung, Sport, Erholung, Versorgung etc.) — und damit auch die Berücksichtigung der kulturellen Dimension in der Gesamtentwicklung — soll daher durch Einbindung in das Verfahren der Stadtentwicklungsplanung gesichert werden Intensive Zusammenarbeit der Behörden und Bemühungen um ein Gesamtkonzept sind notwendig, wenn entsprechende Aktivitäten nicht an den oft zu engen Ressortgrenzen scheitern sollen.

Zwar wächst diese Einsicht; nach wie vor bezieht sich aber die Kulturarbeit vieler Kultur-behörden und Kulturausschüsse fast ausschließlich auf die traditionellen Kunstinstitutionen (Theater, Orchester, Museen) sowie die Bibliotheken. Häufig stellen diese dann weder untereinander noch zu den Einrichtungen der Schul-und Erwachsenenbildung, Jugendzentren etc. kontinuierliche Beziehungen her. So wenig dieser Zustand befriedigen kann — er sollte nicht zu falschen Alternativen führen.

VII. Aspekte demokratischer Kulturarbeit

Gewiß sind die Rufe von Kulturstürmern verklungen, die Kunst schlechthin als affirmativ einstuften, sie zu einem Rauschmittel erklärten, das der „repressiven Gesellschaft" diene Eine Fehleinschätzung sind auch Schematisierungen, welche die künstlerischen Einrichtungen als bloße bürgerlich-elitäre Establishmentkultur abtun, der gegenüber es eben eine „alternative“ Kultur durchzusetzen gelte. Eine derart entschiedene Frontstellung ist mittlerweile relativ selten geworden. Sie ist in der kulturpolitischen Diskussion zunehmend einer besseren Einsicht gewichen in den Zusammenhang von qualifizierter künstlerischer Arbeit, musisch-kultureller Bildung und kreativer wie kommunikativer Entfaltung der Laien Nicht an der Einschränkung dieser meist zentralen, professionellen Kunst-Institutionen sollte Interesse bestehen, sondern daran, in diesen Einrichtungen selbst und im kulturellen Umfeld die Voraussetzungen dafür zu verbessern, daß diese qualitativ und gesellschaftlich wirksamer werden können. Professionelle künstlerische „Darbietungen“ können um so eher ästhetisch und ethisch-politisch sensibilisierend und kreativ anregend wirken, je größer darüber hinaus die Vielfalt der Kulturorte und „ökologischen Nischen" einer Gemeinde ist, in denen kreative Entfaltung, kommunikative Erfahrung und kulturelles Lernen möglich ist und genutzt wird.

Dazu bedarf es freilich auch kulturpädagogischer Hilfestellung. Nur so kann auch die Schwellenangst abgebaut werden, die vielen Bürgern den Zugang zu Einrichtungen der Kunst-und Kulturpflege erschwert, kann es in qualitativem Sinn eine „Kultur für viele" werden. Dabei-genügt es nicht, den bestehenden Kunstinstitutionen als weitere zentrale Einrichtungen z. B. ein Kommunikationszentrum, ein Kommunales Kino, ein Audio-visuelles Zentrum hinzuzufügen. Hinzu kommen muß eine sehr viel stärkere Berücksichtigung des Ästhetisch-Kreativen in Schulen, Ausbildungsbetrieben, außerschulischer Jugendbildung und Erwachsenenbildung. Um dies zu erreichen, müßte eine intensive „Kooperation zwischen den Bildungseinrichtungen und den Einrichtungen der Kulturpflege" realisiert werden, wie sie u. a.der Ergän-zungsplan „Musisch-kulturelle Bildung“ anstrebt In diese Kooperation sollten auch die Angebote von Kirchen, Verbänden, freien Gruppen und Amateurvereinen einbezogen werden Zudem wächst die Einsicht in die Bedeutung dezentraler, stadtteilbezogener Kulturarbeit. Zunehmend wird erkannt, daß Lebensumstände und Umwelt im Nahbereich das kulturelle Bewußtsein des einzelnen wesentlich prägen. „Kultur um die Ecke" (Glaser) ist gefragt.

Kulturpolitische Bemühungen gehen hier in zwei Richtungen. Sie sollten sich in dem Maß ergänzen, wie es die jeweiligen lokalen und regionalen Gegebenheiten erlauben: Einmal wird die Einrichtung (vieler) kultureller Kleinzentren in den Stadtteilen und Rand-siedlungen angestrebt, die untereinander und zu den zentralen Einrichtungen in enger Verbindung stehen sollen. In Nürnberg wurde hier das „Modell“ einer „Kulturladenkette" entwickelt, der Hamburger Kulturbericht wünscht sich ein „Netz von Kommunikationszentren"

Zum anderen wird mit Recht auf die Bedeutung der Vereinskultur und von Gruppen-Initiativen für eine kommunikative und produktive Freizeitbetätigung hingewiesen. Die Förderung freier Gruppen und Initiativen sollte als wichtige Aufgabe der kommunalen Kulturarbeit verstanden und in Kulturentwicklungsplänen berücksichtigt werden. Was hier durch Information und Vermittlungsarbeit geleistet werden kann, zeigt z. B. die Praxis des Erlanger Kulturreferates unter Leitung von Wolf Peter Schnetz, das u. a. eine Dokumentation der Vereine, Gruppen, Initiativen und auch der nichtkommunalen Einrichtungen der Kulturvermittlung (Galerien, Konzertangebote, Kinos, Cafes, Keller-und Clublokale mit kulturellen Programmen) herausgibt und regelmäßig zu Kontaktgesprächen einlädt

Da es aber mit Vermittlungstätigkeit allein nicht überall getan ist, ergeben sich selbstverständlich Bewertungsprobleme. Dies geht auch aus der bemerkenswerten Empfehlung des Deutschen Städtetages an die Mitglieds-städte hervor, „— Partner für kulturelle Initiativen der Bürger zu sein, — auf eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen kulturellen Einrichtungen und Vereinen hinzuweisen;

— die Vereine, Gruppen und Vereinigungen mit den vorhandenen organisatorischen und personellen Ressourcen durch praktische Hilfestellung, insbesondere aus den kulturellen Einrichtungen heraus, zu fördern;

— dabei die Selbständigkeit dieser freien Vereinigungen zu respektieren und gleichwohl im Rahmen eines Aufgabenverbundes eine langfristige Kulturpolitik zu verwirklichen und — die kulturellen Vereine finanziell zu fördern und dabei nach kulturpolitischen Maßstäben Schwerpunkte für eine kontinuierliche Bezuschussung zu finden."

Eine derartige finanzielle Förderung erfolgte in den meisten Kommunen bisher nur in geringem Umfang. In jüngster Zeit sind mehrere Städte dazu übergegangen, neue Haushalts-titel einzuführen, um bei der Förderung wenigstens etwas flexibler sein zu können Auf die Einrichtung von „Kulturläden" (Stadtteilzentren) in leerstehenden Werkstätten, Lagerräumen, Läden etc. ist gerade auch in diesem Zusammenhang zu verweisen. Als Träger kommen hier ja nicht nur die Gemeinden in Frage, sondern auch Vereine, die aus Bürgerinitiativen hervorgegangen sein können. Mit solchen Initiativen von Bürgern rechnet z. B. die Hamburger „Bürgerschaft" (Landesparlament), die Anfang dieses Jahres einen Haushaltstitel „Förderung soziokultureller Stadtteilzentren" eingerichtet hat. Nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe" sollen engagierte Initiativen gefördert werden, die ein „integratives generationsübergreifen; des Konzept haben" Von solchen Kultur-laden aus können Gruppen und Initiativen praktische Hilfen und qualitative Anregungen erhalten, und sie können darin ihrerseits gestaltend mitwirken Mit mobilen Produktionen der zentralen künstlerisch-kulturellen Einrichtungen (z. B. Kindertheater) werden hier auch Menschen angesprochen, die sich nicht dazu entschließen können, die zentralen Einrichtungen aufzusuchen. Diese sollten besonders geeignet sein, das Mitmachen und die kreative Eigentätigkeit zu fördern (z. B. „Mitspieltheater"). Ähnlich gilt dies auch für zentrale Kommunikationszentren, die durch ihre größere Anonymität der Eigeninitiative freilich weniger förderlich sind. Oft wird ein beziehungsloses „Nebeneinanderherkonsumieren" beobachtet. Es wird nicht selten dadurch begünstigt, daß sich solche Zentren aufgrund zu knapper Mittelausstattung und um ihre Existenz gegenüber einer eher skeptischen Öffentlichkeit zu rechtfertigen, zur Hereinnahme üblicher kommerzieller Angebote gezwungen glaubten Zu überlegen ist, ob je nach den örtlichen Gegebenheiten anstelle eines Kommunikationszentrums in der City oder ergänzend dazu Theater oder Museen mit pädagogischen Diensten und entsprechenden Räumlichkeiten ausgestattet werden sollten. Diese können mehrere Funktionen übernehmen, also auch Geselligkeit, kreative Tätigkeiten und „Mitspielen"

ermöglichen.

Gewiß gibt es einige ermutigende Ansätze kulturpädagogischer Vermittlung und Zusammenarbeit. Insgesamt gesehen ist die Situation aber alles andere als befriedigend. Dies wurde auch von der „Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung“ erkannt. Im Ergänzungsplan „Musisch-kulturelle Bildung" regt sie nachdrücklich die Einrichtung „kulturpädagogischer Dienste" an. Diese hätten vor allem die Auf-

gabe, „die Angebote der Einrichtungen der Kulturpflege in der Weise aufzuarbeiten, daß sich schulische und außerschulische Biläungsangebote sinnvoll ergänzen. Hinzu käme zum Teil auch die Organisation für die Durchführung der Kooperation zwischen diesen Einrichtungen, falls die kulturpädagogischen Dienste über eigene Hilfskräfte verfügen." Wo an eine institutionalisierte Form gedacht ist, bieten sich demnach folgende Modelle an: 1. Pädagogen, die sich mit künstlerischen Problemen vertraut gemacht haben, werden an die „Einrichtungen der Kulturpflege" abgeordnet. 2. Dort tätige Künstler werden mit der pädagogischen Arbeit oder der Öffentlichkeitsarbeit betraut. 3. „Pädagogen verschiedener Einrichtungen der Kulturpflege sowie freischaffende Künstler arbeiten an einer Stelle zusammen." Weiterhin wird betont, daß auch die Angebote der freien Träger angemessen in die Kooperation einbezogen und ihre ausreichende Mitwirkung vorgesehen werden sollte Als Träger kommen die Gemeinden, Kreise und auch freie Träger in Betracht.

Zur Förderung musisch-kultureller Weiterbildung, Amateurarbeit und außerschulischer Bildung ist hier an die Einstellung kulturpädagogisch ausgebildeter hauptamtlicher Referenten für musisch-kulturelle Bildung gedacht. Außerdem wird die Unterstützung von Fortbildungsprogrammen für Multiplikatoren (Animateure), Leiter und Mitglieder von Amateurvereinen angeregt Diese Vorschläge stellen immerhin eine Ermutigung für Praktiker dar und können als Ausgangsbasis für weiterführende Überlegungen dienen.

Natürlich gibt es eine ganze Palette möglicher Formen des Zusammenwirkens, auch praktische Erfahrungen. Dabei kommt es vor allem darauf an, inwieweit sie künstlerischer Qualität, ästhetischer Sensibilisierung und kreativem Mittun gleichermaßen förderlich sind. Viele Kulturpolitiker und Kulturbehörden stehen vor der Aufgabe, über ihre bisherige Tätigkeit hinaus vielgestaltige kulturelle und kulturpädagogische Aktivitäten zu fördern und sinnvoll zu koordinieren. Von ihrer Lernbereitschaft und ihrem Willen zum Umdenken wird vieles abhängen.

VIII. Kulturelle Partizipation

Bei den Bestrebungen zur Kulturentwicklungsplanung wie auch der kulturpädagogischen Arbeit sind Fehlentwicklungen keineswegs auszuschließen. Bedenkt man diese, so werden Überlegungen zur kulturellen Partizipation der Bürger zunächst auf zwei Ebenen ansetzen: erstens der Ebene der Planung, Entscheidungsfindung und Kontrolle kultureller Aktivitäten der öffentlichen Hand, insbesondere kommunaler Entwicklungsplanung;

zweitens auf der Ebene der kulturellen, insbesondere der künstlerischen Einrichtungen.

1. Der Funktionswandel der Verwaltung setzt sich zunehmend auch im Bereich der Kultur-verwaltung durch. Auch hier haben wir es in verstärktem Maße mit einer planenden Verwaltung zu tun. Dies sollte Anlaß sein, erneut nach Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger Ausschau zu halten. Bürgerbeteiligung an kultureller Entwicklungsplanung müßte im besonderen Interesse einer demokratischen Kulturpolitik liegen, der es um die Schaffung von Freiräumen kommunikativer und kreativer Entfaltung und die allgemeine und chancengleiche Teilnahme an diskursiven Willensbildungsprozessen geht.

Unter dem Anspruch einer wirksamen Erfüllung komplexer Planungsaufgaben haben die Kommunalverwaltungen ihren Einfluß auf die gesellschaftliche Entwicklung erheblich erweitert. Sie entziehen sich faktisch in zunehmendem Maße der Kontrolle der Vertretungskörperschaften Ihre Arbeit ist nicht nur für die meisten Bürger immer weniger durchschaubar, sondern auch für viele Gemeinderäte damit wird ein bedenkliches demokratisches Legitimationsdefizit sichtbar. Der Anspruch der Leistungssteigerung läßt sich zudem nicht belegen. Diese Entwicklung hat keineswegs zu einer besseren Berücksichtigung des „Gemeinwohls" geführt: Vielmehr können starke Sonderinteressen auf die arbeitsteilig organisierten Fachressorts oft erheblichen Einfluß gewinnen

Der Berücksichtigung künstlerisch-kultureller Aufgaben in der Stadtentwicklung insgesamt ist eine derartige Verwaltungsstruktur nicht förderlich. Die gesamtkulturelle Neuorientierung einer integrierten Stadtentwicklungspla-nung hat nur dann eine Chance, wenn Formen einer Bürgerbeteiligung gefunden werden, die vornehmlich zwei Bedingungen erfüllen: Informiertheit sollte gewährleistet sein, Sonderinteressen dürfen möglichst wenig durchschlagen. Hier kann auf die Vor-und Nachteile der in den diversen Kommunalverfassungen je unterschiedlich vorgesehenen und praktizierten Beteiligungsformen wie Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, Bürgerversammlung, Umfrage, Anwaltsplanung, Gemeinwesenarbeit, Beiräte und schließlich auch Bürgerforen und Bürgerinitiativen nicht im einzelnen eingegangen werden Einer qualifizierten Arbeit von Kulturausschüssen dienlich kann die Hinzuziehung „sachkundiger Bürger" sein, vor allem aber die Bildung von Kunstbeiräten als Unterausschüssen des Kulturausschusses

Für die Beteiligung der Bürger an der Kultur-politik — vor allem an der Kulturverwaltung und Kulturentwicklungsplanung und deren Kontrolle — bietet sich insbesondere die sog. „Planungszelle" an. Im Bereich der Kultur-, Kommunikations-und Freizeitpolitik könnte sich dieses vielversprechende Partizipationsmodell zuallererst bewähren, das unlängst von P. C. Dienel detailliert vorgestellt wurde Dieses Modell empfiehlt sich überall dort, wo es für die Entscheidung (Planung) nicht in erster Linie auf die unmittelbare Betroffenheit ankommt, wo unvereinbare Sonderinteressen zurückgedrängt und allgemeine Interessen zur Geltung gebracht werden sollen. Nach Dienel ist die Planungszelle eine „Gruppe von Bürgern, die nach einem Zufallsverfahren ausgewählt und für begrenzte Zeit von ihren arbeitstäglichen Verpflichtungen vergütet freigestellt worden sind, um, assistiert von Prozeßbegleitern, Lösungen für vorgegebene, lösbare Planungsprobleme zu erarbeiten" Die Planungszelle bjetet die Chance der Einübung demokratischer Fähig-keiten, eine erhebliche Erweiterung der Parti> zipation und damit der demokratischen Legitimation von Planungsentscheidungen. Ein weiterer Vorzug besteht auch darin, daß sie in das bestehende verfassungsmäßige Verfahren eingebaut werden kann

Dienel sieht hier Vorteile für eine zukunftsorientierte Entwicklungsplanung gerade in jenen Aufgabenbereichen, die für die Entwicklung einer Stadtkultur bzw. einer kulturellen Demokratie von besonderer Bedeutung sind. Gegenüber anderen Formen bürgerschaftlieher Planungsbeteiligung zeichnet sich die Planungszelle u. a. dadurch aus, daß sie informiertere Entscheidungen ermöglicht und gegen Sonderinteressen weitgehend gesichert ist. Auch was die Planungsleistungen betrifft, kommt Dienel nach einigen . Probeläufen’ zu einem positiven Urteil: Sie seien von einer bemerkenswerten Qualität und würden der Komplexität der vorhandenen Bedarfsstrukturen eher gerecht als der technokratische Planungsprozeß. Schließlich bietet diese Planungsbeteiligung den einzelnen eine politisch bedeutsame Lernsituation an. Bei entsprechend breiter Anwendung könnte somit geholfen werden, die Rolle des Politkonsumenten gegen die des mündigen Bürgers einzutauschen. Mit Dienel kann man sich davon in der Tat eine „dem Leitbild der Demokratie näherkommende Transformation der herrschenden politischen Kultur" erhoffen

Von besonderer Bedeutung ist für unseren Zusammenhang, daß gesamtgesellschaftliche Wertvorstellungen in diesem Kommunikations-und Lernprozeß Vorrang genießen. Zur Verarbeitung in der Planungszelle sind besonders Probleme geeignet, deren Lösung hohe Anforderungen an den Einstellungswandel des einzelnen stellen. Besser als viele andere Beteiligungsverfahren könnte die Planungszelle für viele Bürger die Möglichkeit des Diskurses bieten. Deshalb ist sie besonders geeignet, Langfristprobleme im Interesse der Gesellschaft anzugehen und einen Einstellungs-und Orientierungswandel herbeizuführen. Eine Kulturpolitik, die sich auf den gesamtkulturellen Entwicklungsprozeß an den »Grenzen des Wachstums" verwiesen sieht und ihre Chancen bedenkt, durch die Förderung neuer Ansätze der Konsumkultur entgegenwirken zu können, sollte sich an der Erprobung dieses Partizipationsmodells im ei-genen Planungs-und Einflußbereich besonders interessiert zeigen: Spielraumplanung selbst könnte befruchtet werden durch Planungsdiskussionen, die sich ihrerseits in „Freiräumen" abspielen und Phantasie freisetzen. Planungszellen könnten Kulturorte sein.

2. In den Einrichtungen der Kunst-und Kulturpflege stellt sich das Problem der Partizipation unterschiedlich dar, je nach dem Grad der institutionellen Abhängigkeit von Behörden und Vertretungskörperschaften sowie der Art des künstlerischen Mediums; dabei ist zwischen der Binnenpartizipation und der Publikums-bzw. Bürgerbeteiligung zu unterscheiden. Zudem ist zu differenzieren, ob der künstlerische Schaffensprozeß selber oder die institutioneilen Rahmenbedingungen (einschließlich sozialer Fragen) gemeint sind; schließlich, ob neben professioneller künstlerischer Leistung auch kulturpädagogische Aufgaben, musisch-kulturelle Animation mit dem Ziel kreativen Mitmachens“ von Laien dazugehören. Beschränkt sich eine Institution wesentlich auf Kulturverwaltung bzw. Kulturpädagogik, dann spielen Beteiligungsvorgänge eine andere Rolle als bei Einrichtungen, in denen der künstlerische Schaffensprozeß im Vordergrund steht.

Wie sich das Problem der internen Beteiligung in solchen Einrichtungen darstellt, in denen es auf den künstlerischen Schaffensprozeß in der Gruppe ankommt, habe ich am Beispiel des Theaters an anderer Stelle darzulegen versucht Hier nur wenige Bemerkungen dazu: Erfahrungen in Freien Gruppen an Stadttheatern zeigen, worauf es bei der Beteiligung der Mitwirkenden ankommt: auf die Entfaltung individueller Fähigkeiten im kollegialen, kommunikativen Zusammenwirken der Gruppe. Die Aktivierung aller künstlerischen Fähigkeiten in einem möglichst ungezwungenen Kommunikationsprozeß soll zur künstlerischen Qualitätssteigerung führen. Daher sind Mitbestimmungsmodelle, die nach dem Vorbild in anderen gesellschaftlichen Bereichen am Prinzip der Gewaltenteilung orientiert sind, für derartige künstlerische Einrichtungen nur begrenzt tauglich.

Bei der künstlerischen Arbeit kommt es darauf an, daß im Interesse an einer optimalen Realisierung des Kunstwerks partikulare Interessen so weit wie möglich zurückgestellt werden und in möglichst ungezwungener Kommunikation ein vernünftiger „Konsens" entstehen kann. Bewußtseinsverändernde Wirkungen im Sinne eines neuen Ethos globaler mitmenschlicher Verantwortlichkeit können etwa von einer Aufführung um so eher ausgehen, je mehr die Kommunikation der Beteiligten den Charakter eines ästhetisch sensibilisierenden Diskurses angenommen hat und je mehr auch die Zuschauer daran teilnehmen. Insgesamt gesehen ist bei der Einführung von Mitbestimmungsmodellen im künstlerischen Bereich eine schrittweise Anpassung an den in der Praxis sich erweiternden Erfahrungs-und Bewußtseinsstand wünschenswert. Im Sinne eines dynamischen Demokratieverständnisses ist sie der Verordnung statischer Modelle vorzuziehen, weil andernfalls die Gefahr der Überforderung und der Resignation droht.

Diese Überlegungen sind auch bei der Frage der Beteiligung von Zuschauern an der Theaterarbeit zu berücksichtigen. Der Vorschlag, in einem als Mitbestimmungs-bzw. Entscheidungsgremium bestellten Theaterrat Publikumsvertretern Stimmrecht einzuräumen, ist angesichts der gegenwärtigen Bewußtseinslage und zudem aus organisatorischen Gründen nicht unproblematisch Eine institutionell geregelte Beteiligung von Publikums-vertretern in Entscheidungsgremien könnte zwar zu einer stärkeren Ausrichtung an den Wünschen des „etablierten" Publikums führen. Sie würde es aber möglicherweise dem Theater gerade schwermachen, die durch Massenmedien und Freizeitindustrie geprägte Konsumentenhaltung aufzubrechen. Das gilt auch für Bestrebungen, die Spielplangestaltung verbindlich an dem Ergebnis von Publikumsumfragen auszurichten. Sinnvoll ist es allerdings, wenn in einen als kommunales bzw. regionales Beratungsgremium eingerichteten Theaterbeirat Besucherorganisationen und die nicht organisierten Zuschauer Vertreter entsenden (Freilich ist es schwierig, geeignete Auswahlverfahren zu finden.)

Um in Probeläufen die Anwendbarkeit der „Planungszelle" für den künstlerisch-kulturellen Bereich zu testen, könnte man diese neben Theater-und Kunstbeiräten einrichten und mit gleichen Aufgabenstellungen betrauen. Mehr wird für die Beteiligung der Bürger durch vielfältige und kontinuierliche kultur-pädagogische Aktivitäten getan, mit denen Verständnis für künstlerisches Geschehen hervorgerufen und zugleich die Entfaltung spielerisch-kreativer Fähigkeiten gefördert werden kann. Dies gilt für alle künstlerischen Medien. Auf diese Weise könnten auch die Voraussetzungen für weitergehende Partizipationsmöglichkeiten im Rahmen selbstverwalteter Theater-, Kultur-und Kommunikationszentren und vor allem bei entsprechenden dezentralen Einrichtungen geschaffen werden. Wenn kommunikative und kreative Entfaltung nicht einfach als „kompensatorische" Tätigkeit zu verstehen ist, sollte sie nicht nur auf kulturelle Binnenräume beschränkt sein. Sie sollte dazu ermuntern, an der kultivierenden Gestaltung der Umwelt aktiv mitzuwirken. Solche bürgerschaftlichen Aktivitäten könnten dem vielbeklagten Trend zur Verwaltungsdemokratie entgegenwirken.

Daß schon heute die Bereitschaft dazu bei vielen Bürgern erwartet werden kann, zeigt die große Zahl sozial-kultureller Bürgerinitiativen

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie 1976— 1977, Wien 1977, S. 92.

  2. Vgl. die zit. Umfragen bei M. und S. Greiffenhagen, Ein schwieriges Vaterland, München 1979, S. 241.

  3. Vgl. H. Kohl, Freizeitpolitik, Frankfurt/Köln 1976, S. 145; W. Nahrstedt, Entfremdung durch Freizeit?, in: Frankfurter Hefte, 1977, H. 9, S. 30.

  4. A. Portmann, Das Spiel als gestaltete Zeit, in: Merkur 328, 1975, H. 9, S. 842.

  5. Vgl. Decker/Langenbucher/Nahr, Die Massenmedien in der postindustriellen Gesellschaft, Göttingen 1976, S. 166 f.; F. Böckelmann, Theorie der Massenkommunikation, Frankfurt 1975, S. 60 ff.; B. Wember, Wie informiert das Fernsehen?, München 1976.

  6. R. Löwenthal, Neues Mittelalter oder anomische Kulturkrise?, in: Merkur 328, 1975, S. 815.

  7. Vgl, J. A. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismusound Demokratie, 2. erw. Aufl., Bern 1950, 3:

  8. Vgl. dazu F.: Scharpf, Demokratietheorie zwiS. 29 -topie und Anpassung, Konstanz 1970,

  9. Vgl. P. Bachrach, Die Theorie demokratischer Elitenherrschaft, Frankfurt 1967, S. 13.

  10. K. Lenk, Wie demokratisch ist der Parlamentarismus?, Stuttgart 1972, S. 18.

  11. Vgl. M. u. S. Greiffenhagen, a. a. O., S. 243.

  12. C. F. v. Weizsäcker, Gehen wir einer asketischen Weltkultur entgegen?, in: Merkur 363, 1978, H. 8, S. 760.

  13. Grundsatzpapier der „Kulturpolitischen Gesellschaft e. V.“ 1976, in: Vorgänge 24, 1976, H. 6, S. 120.

  14. Ebd., S. 118.

  15. C. F. v. Weizsäcker, Der Garten des Menschlichen. Beiträge zur geschichtlichen Anthropologie, München 1977, S. 226.

  16. M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 5. rev. Ausg., Tübingen 1972, S. 29; ders., Politik als Beruf, Berlin 19776, S. 8.

  17. Frisch, Tagebuch 1946— 1949, München/Zürieh 1965, S. 240; vgl. W. Ismayr, Das politische Theater in Westdeutschland, Meisenheim am Glan 1977, S. 88 f.

  18. In diesem Sinne A. Silbermann, Von den Wirkungen der Literatur als Massenkommunikations-mittel,, in: W. Kuttenkeuler (Hrsg.), Poesie und Pohhk, Stuttgart 1973, S. 27 f.

  19. H. Gruhl, Wunschdenken contra Naturgesetze, 2n:

  20. R. L. Heilbroner, Die Zukunft der Menschheit, Eankfurt 1976, s. 78; K. Borchardt, Dreht sich die Geschichte um? Modelle für Wachstumsschranken, Ebenhausen 1974.

  21. N. Luhmann, Komplexität und Demokratie, in: PVS, 1969, S. 315.

  22. E. Fromm, Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft, Stuttgart 1976, S. 17.

  23. Am System der DDR hat Rudolf Bahro entsprechende Problemfelder aufgezeigt, wobei zu bedenken ist, daß die DDR-Führung die von W. Harich geforderte Einstellung auf die ökologischen Notwendigkeiten noch gar nicht vollzogen hat. Vgl. R. Bahro, Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus, Frankfurt 1978; W. Harich, Kommunismus ohne Wachstum? Babeuf und der . Club of Rome', Reinbek 1977.

  24. C. F. v. Weizsäcker, Der Garten des Menschlichen, a. a. O., S. 226.

  25. K. Jaspers, Die Atombombe und die Zukunft des Menschen, München 1958, S. 300.

  26. Vgl. u. a. M. Mesarovic/E. Pestel, Menschheit am Wendepunkt. 2. Bericht an den Club of Rome zur Weltlage, Stuttgart 1974, S. 134.

  27. E. Fromm, a. a. O., S. 19.

  28. Daran knüpft auch H. Gruhl an (a. a. O., S. 11), wenn er seine Hoffnung auf das „Wachstum“ all jener immateriellen Werte setzt, die das „materielle Zeitalter" unter seinen Produktions-und Abfallmassen begraben habe: „nämlich alle Erlebnisse des Geistes und der Seele: Liebe, Glück, Freude, Glaube, Muße, Hingabe, Solidarität".

  29. H. -E. Bahr, Liebe, Glück: Zunehmende Verlassenheit — neue Solidarität, in: H. -E. Bahr/R. Grönemeyer (Hrsg.), Anders leben — überleben, Frankfurt 1978, S. 30. (Es ist nur scheinbar ein Widerspruch, daß jener vorherrschende Drang des „Habens“ eine „Wegwerfmentalität,“ erzeugt hat.)

  30. Ebd., S. 27 ff.

  31. J. Habermas, Legitimationsprobleme im Spät. aPttalismus, Frankfurt 1973, S. 183.

  32. Ebd., S. 162 ff.

  33. Ebd., S. 140; W. Becker, Die mißverstandene Demokratie, in: Neue Rundschau, 1975, H. 3, S. 364.

  34. Vgl. K. -O. Apel, Transformation der Philosophie, Bd. 2, Frankfurt 1976, S. 361.

  35. Wenn wir in einen praktischen Diskurs eintreten, müssen wir nach Habermas (kontrafaktisch) eine ideale Sprechsituation unterstellen. Dieser „Vorgriff auf die ideale Sprechsituation hat für jede mögliche Kommunikation die Bedeutung eines konstitutiven Scheins, der zugleich Vorschein einer Lebensform ist“. Vgl. J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, in: Habermas/Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie, Frankfurt 1971, S. 141.

  36. Vgl. Habermas, Zur Rekonstruktion des Historischen Materialismus, Frankfurt 1976, S. 333.

  37. K. -O. Apel, a. a. O., S. 370 ff. (Politischer De-zisionismus ist die Kehrseite dieser Entwicklung).

  38. Zum Zusammenhang vgl. C. F. v. Weizsäcker, Gehen wir einer asketischen Weltkultur entgegen?, a. a. O.

  39. C. F. v. Weizsäcker, Der Garten des Menschlichen, a. a. O., S. 227.

  40. H. P. Thurn, Probleme der ästhetischen Erziehung aus soziologischer Sicht, in: Kölner Zeit-schrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1971 H. S. 46f.; vgl.ders., Soziologie der Kultur, Stuttgart 1976, S. 102 ff.

  41. Ebd., S. 55.

  42. 23. Brief „über die ästhetische Erziehung des Menschen", in: F. Schiller, sämtl. Werke, Bd. V, munchen 1967, s-642;

  43. vgl. 22. Brief, ebd., S. 637. 175rief an die Gräfin Schimmelmann vom 4. 11. in: Schillers Briefe, Krit. Gesamtausg., hrsg. onF Jonas, Stuttgart 1892— 1896, Bd. 4, S. 315.

  44. Vgl. B. v. Wiese, Friedrich Schiller, Stuttgart 1959, S. 502; H. Glaser/K. H. Stahl, Die Wiedergewinnung des Ästhetischen. Perspektiven und Modelle einer neuen Soziokultur, München 1974, S. 176.

  45. Vgl. die Kapitel „Politische Tendenz und künstlerische Vollendung" und „Theater in der Demokratie", S. 30— 74, sowie S. 438 ff. meiner Arbeit „Das politische Theater in Westdeutschland", a. a. O.

  46. In gelungenen künstlerischen Ereignissen gilt diese für alle aktiv Teilnehmenden, die produzierenden und die rezipierenden. Vgl. H. Glaser, Das Schöngeistige und das Politische, in: Materialien zur politischen Bildung, 1/1977, S. 55.

  47. Vgl. z. B. „Kultur durch Kommunikation?“. Loccumer Protokolle 1/1976. Kritische Bilanz und neue Perspektiven in: O. Schwencke/K. H. Revermann/A. Spielhoff (Hrsg.), Plädoyers für eine neue Kulturpolitik, München 1974; H. Hoffmann (Hrsg.), Perspektiven der kommunalen Kulturpolitik, Frankfurt 1974.

  48. Vgl. das „Grundsatzpapier", a. a. O., S. 118.

  49. Wege zur menschlichen Stadt, hrsg. vom Deutschen Städtetag, Köln 1973, S. 98 f. (Bildung und Kultur als Element der Stadtentwicklung).

  50. Council of Europe. Report of the Conferenc Straßburg 1976, S. 152.

  51. Wege zur menschlichen Stadt, a. a. O., S. 97.

  52. Vgl. dazu die Beiträge auf dem 8. Welt o greß der „International Federation for Theatre search", 1977.

  53. W. Kücker, Architektur zwischen Kunst und Konsum, Frankfurt 1976, S. 12; vgl. S. 9 f.

  54. Wege zur menschlichen Stadt, a. a. O., S. 97 f.; entsprechend die Resolution des Europarats, aa. 0.; vgl. ferner H. Tank, Urbanität in den Städten — heute eine Utopie, in: Universitas, 1978, H. 3, S. 153.

  55. s H. Glaser/K. H. Stahl, a. a. O„ S. 214.

  56. Vgl. Böhrets Zielbeschreibung einer „symbiotischen Stadt": C. Bohret, Ein Großstadt-Szenario, in: transfer 3, Stadtforschung und Stadtplanung, Opladen 1977, S. 203 ff.

  57. Notwendig sei es, so Glaser, „Gegenorte zur Verfügung zu haben, die als-Zukunftswerkstätten pngieren — ständig Denkentwürfe, Simulationen, Alternativen produzierend. . Spielformen'(experimentelles Durchprobieren, abwechslungsreiches deeatorisches Um-, Neu-, Andersdenken) bedürfen es Spielraums. Spielraum ist Bereich für Verunsisnerung, bestimmt durch Spielregeln; Topos für elektuelles wie nicht-kognitives Atemholen, 1 die Internalisierung von Hoffnung. Ort des tisgurses."

  58. Vgl. A. Spielhoff, Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik, in: Vorgänge 24, 1976, H. 6, S. 28.

  59. Verfassungen des Freistaates Bayern (Art. 3 und 140), Nordrhein-Westfalen (Art. 18), Bremen (Art. 2), Rheinland-Pfalz (Art. 40).

  60. K. Fohrbeck/A. J. Wiesand/F. Woitereck, Arbeitnehmer oder Unternehmer? Zur Rechtssituation der Kulturberufe, Berlin 1976, S. 363 ff., 370 f. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellt Art. 5 Abs. 3 GG „als objektive Wert-entscheidung für die Freiheit der Kunst ...dem modernen Staat, der sich im Sinne einer Staatszielbestimmung als Kulturstaat versteht, zugleich die Aufgabe, ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern". Der moderne Staat betrachte es als seine Aufgabe, „die kulturelle Entwicklung der Gemeinschaft zu fördern und (er)

  61. G. Baum auf dem „Kulturpolitischen Kongreß" der Friedrich-Naumann-Stiftung vom 24. /25. November 1977 in Hamburg.

  62. Vgl. „Kultur durch Kommunikation?", a. a. O., S. 82.

  63. Eine Umfrage des Instituts für Projektstudien erbrachte, „daß über 50% der erwachsenen Bevölkerung auch auf ihre kulturelle Interessenvertretung durch die Politiker Wert legen und davon auch Wahlentscheidungen abhängen", Fohrbeck/Wiesand/WoItereck, a. a. O., S. 373.

  64. Entsprechend die zit. Resolution des Europa-rats. Vgl. auch H. Hoffmann, a. a. O., S. 14.

  65. Vgl. Bayer. Verfassung Art. 83 in Verbindung mit Art. 11 BV und Art. 28 Abs. 2 GG.

  66. „Gerade weil die städtische Umwelt technisch, industriell und administrativ grundlegend verändert worden ist, braucht die Kultur Frei-und Spielräume“. Sie zu erhalten oder zu schaffen — so heißt es in einem Papier des Deutschen Städtetages —, sei Aufgabe der Stadtentwicklungsplanung. Nicht planbar sei dagegen das kulturelle Schaffen selbst. („Die Stadt als Bildungs

  67. Kulturentwicklungsplanung. Tagung der Kulturpolitischen Gesellschaft e. V. am 21. /22. Oktober 1977. Dokumentation, H. 1 (D. Baacke, P. B resch, ß. Drewe), S. 61, 63. Vgl. R. Schäfer/G. Vogler, Kommunale Vertretungskörperschaften, in: AfK, 1977, I. Halbjahresband, S. 74. .

  68. Vgl. auch: Bund-Länder-Kommission für b. dungsplanung und Forschungsförderung (Hrsg.), Musisch-kulturelle Bildung. Ergänzungsplan zum Bildungsgesamtplan, Bd. 1, Stuttgart 1977, S. 7

  69. Vgl. z. B. „Kulturbericht" des Hamburger Senats, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucksache 8/3550, S. 4.

  70. So z. B. H. M. Enzensberger, K. M. Michels, W-Boehlich, P. Hamm (1967/68). Vgl. dazu: Is-mayr, a. a. O„ S. 438 ff.

  71. Die geläufigen „Einrichtungen der Kulturpfle-96" — so heißt es im Hamburger Kulturbericht Vermittelnd — „sind unverzichtbar für die staatli-che. Kulturförderung, die ihr Ziel darin erkennt, schöpferische Fähigkeiten und Kräfte des Mensehen im intellektuellen und emotionalen Feld zu Wsckena-a-O., S. 5. Diese Einrichtungen und ihre öffentliche Finanzierung machen qualifizierte Eroduktionen hatten. möglich, die sonst keine Chance

  72. Die „ökologische Nische" versteht Glaser als einen Ort, der sowohl Privatheit wie Öffentlichkeit ermöglicht. „Nische ist dabei sehr vielfältig zu interpretieren; es gehört der Abenteuerspielplatz genauso dazu wie die Spielmöglichkeiten für ältere Menschen im Park, der Wirtshausgarten wie die begehbare Plastik, die OFF-Bühne wie der . Kulturladen'etc. ... Die Nische ist aus der Geometrie der Effizienz ausgespart, Beiseite-Ort, ohne deshalb abseits zu sein; sie ist so gestaltet, daß sie Abkapselung verhindert, im Verbund mit dem Gesamtraum bleibt. In der Nische finden Symbiosen statt, die ansonsten nicht stattfinden; im besonderen Symbiosen kultureller Art, wie sie durch Leistungs-und Konsumdruck erschwert werden... Die , Kulturnische'fördert kulturpädagogisches Tun, verbessert die Vermittlung von Kultur wie ihre Rezeption." H. Glaser/K. H. Stahl, a. a. O., S. 221, und H. Glaser, Kulturpolitik und Kulturökologie, in: Frankfurter Hefte, 1978, H. 1, S. 48 f.

  73. Wege zur menschlichen Stadt, a. a. O., S. 105.

  74. A. a. O., S. 13.

  75. Neuerdings beginnen auch die Gewerkschaften wieder, sich für die nach dem Zweiten Weltkrieg vernachlässigte Kulturarbeit zu interessieren. Vgl. K. Schwab, Erste kulturpolitische Arbeitstagung des DGB, in: Das Orchester, 1977, 9, S. 588— 592.

  76. H. Glaser/S. Kett, Im Dutzend billiger. Denkmodell für ein kommunales Kulturabonnement. Stadt und Land sollen die Zusammenarbeit besser nutzen, in: Kulturentwicklungsplanung, a, a. O., S. 91— 102. — „Kulturbericht“, a. a. O., S. 5.

  77. Kultur und Freizeit in Erlangen, Hrsg. Kultur-referat der Stadt Erlangen, 1977; vgl. „Fachplan Außerschulische Bildung und Kultur", Stadt Erlangen 1977, Abschnitt „Einrichtungen freier Träger und Initiativen“, S. 77 ff.; W. P. Schnetz, Kneipen und Kommunikationszentren. Zur Problematik alter und alternativer Kulturpolitik — Beispiele aus Erlangen, in: Materialien zur politischen Bildung, 1/1977, S. 41— 48.

  78. „Förderung kultureller Vereine in den Städ-ten". Hinweise des Kulturausschusses des Deutschen Städtetages, 5. 11. 1977.

  79. Vgl. W. P. Schnetz, Ein Netz von Verbindungen schaffen. Kulturarbeit in Klein-und Mittel Städten. Grundsatzreferat, Jahrestagung der Kuturpolitischen Gesellschaft e. V., 2. /3. Nov. 1978.

  80. Bürgerschaftsdrucksache 9/517. Tischvorlag für die Sitzung des Kulturausschusses V. 3 1979.

  81. Glaser, Kulturpolitik und Kulturökologie, aa. 0. S. 52; S. Kett, Kulturladen Nürnberg, Andernach 1976. Die Assoziation des Tante-Emma--adens ist bei diesem Begriff gewollt; dessen Bedeutung als vertrauter Ort des nachbarschaftlieben Kontakts wird wieder betont, ebenso die Bedeutung der Kneipe um die Ecke; vgl. Schnetz, Kneipen und Kommunikationszentren, a. a. O.

  82. Vgl. u. a. L. Cleffmann/A. Behr, Eine Bürgerininative wird zur Institution. Die . Börse'in Wup-

  83. Fachplan ..., a. a. O., S. 15.

  84. Derartige Aufgaben übernimmt z. B. in Erlangen das „Freizeitamt“ mit 29 hauptamtlichen, 40— 50 nebenamtlichen und etwa ebensovielen ehrenamtlichen Mitarbeitern (1977), „Fachplan .. a. a. O., S. 71.

  85. Vielfältige Qualifikation wird von „kulturellen Animateuren" erwartet. Vgl. F. Jor, The Demystification of Culture. Animation and Creativity, Oslo 1976.

  86. Th. Ellwein/E. Lippert/R. Zoll, Politische Beteiligung in der Bundesrepublik Deutschland, Göttingen 1975, S. 74.

  87. R. Schäfer/G. Vogler, a. a. O.

  88. Vgl. H. Blum/K. Heil/L. Hoffmann, Stadtentwicklung — Anspruch und Wirklichkeit, Göttingen 1976, S. 44 ff.

  89. Vgl. H. -G. Wehling, Zum Stand der Änderungen in den Gemeindeordnungen, in: ZParl, 1976, H. 4, S. 466 f.: P. C. Dienel, Die Planungszelle. Der Bürger plant seine Umwelt, Opladen 1978. Zum Gesamtzusammenhang: P. C. Mayer-Tasch, Die Bürgerinitiativbewegung, Reinbek 1976.

  90. Von positiven Erfahrungen mit Kunstbeiräten berichtet der Düsseldorfer Kulturdezernent B. Dieckmann in: „Kultur durch Kommunikation? a. a. O„ S. 77.

  91. Zur Interpretation und Kritik dieses Modells vgl. Reinhard Hendler, Die Planungszelle als Instrument der Bürgerbeteiligung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 25/79, S. 15— 29.

  92. P. C. Dienel, a. a. O„ S. 74.

  93. Das Repräsentativsystem wird nicht tangiert, a die Letztentscheidung über Einrichtung, Themenvorgabe und Verwendbarkeit der Ergebnisse 94? n n Vertretungskörperschaften liegt.

  94. P-C. Dienel, a. a. O„ S. 196.

  95. W. Ismayr, Das politische Theater in Westdeutschland, a. a. O., S. 444 ff.

  96. E. Schöfer, Das Stadttheater als Spielplatz einer demokratischen Gesellschaft, in: Theater heu. te, 1969, H. 12, S. 30 f.

  97. Vgl. GDBA/ÖTV/DGB: Rahmenempfehlung zur Mitbestimmung, überarbeitete Fassung nach dem Stand vom 4. 2. 1974.

  98. Vgl. die Dokumentationen der Stiftung für staatsbürgerliche Mitverantwortung DIE MITARBEIT, S. 628.

Weitere Inhalte

Wolfgang Ismayr, Dr. phil., geb. 1942; Studium der Politikwissenschaft, Philosophie, Geschichte und Germanistik in München; Akademischer Rat für Politikwissenschaft am Fachbereich Sozial-und Wirtschaftswissenschaften der Universität Bamberg. Veröffentlichungen: Das politische Theater in Westdeutschland, Meisenheim am Glan 1977; Aufsätze in Fachzeitschriften, u. a.: Kulturpolitik und demokratische Kultur, in: Die Mitarbeit. Zeitschrift zur Gesellschafts-und Kulturpolitik, 1979, H. 2/3, S. 186— 215.