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Zum Verhältnis von Geschichts-und Politikunterricht. Politische Bildung im Fächerverbund | APuZ 34-35/1979 | bpb.de

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APuZ 34-35/1979 Der Weg in den Krieg. Ursachen und Voraussetzungen der deutschen Kriegspolitik Kampf um Lebensraum". Karl Haushofers „Geopolitik" und der Nationalsozialismus Zum Verhältnis von Geschichts-und Politikunterricht. Politische Bildung im Fächerverbund

Zum Verhältnis von Geschichts-und Politikunterricht. Politische Bildung im Fächerverbund

Bernhard Sutor

/ 37 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Diskussion über das Verhältnis von Geschichts-und Politikunterricht ist immer noch verkrampft. Bemerkenswerte geschichtstheoretische Versuche der fünfziger Jahre, Geschichte als politische Wissenschaft zu begreifen, fanden in der Didaktik wenig Beachtung. Der Streit um Curricula und Richtlinien sowie um „Fächerintegration" hat später die Fronten verhärtet und vermehrt. Dabei verweisen die didaktischen Kategorien des Politikunterrichts durchaus auf ein Interesse der politischen Bildung an einem eigenständigen Geschichtsunterricht. Geschichte darf nicht zum Annex der Bearbeitung gegenwärtiger Probleme werden. Sie kann die in ihren Kategorien enthaltenen Lernpotentiale auch zum Vorteil politischer Bildung nur entfalten, wenn sie thematisch eigenständig bleibt. * Das lernpsychologisch-didaktische Prinzip der subjektiven Betroffenheit verweist auf das unauflösbare Ineinander von geschichtlichem und politischem Bewußtsein. Geschichte ist nicht Vergangenheit, sondern gegenwärtig wirksame Vergangenheit, die der Klärung bedarf. Aus dem Prinzip der Problemorientierung (objektive Betroffenheit) ergibt sich eine Reihe von Auswahlaspekten zur Bestimmung von Themenbereichen des Politik-und Geschichtsunterrichts. Für den Geschichtsunterricht ist die Verkürzung auf die beiden letzten Jahrhunderte, nicht annehmbar. Soll er historische Ortsbestimmung der Gegenwart leisten, dann heißt sein Aufgabenfeld deutsche und europäische Geschichte im weltgeschichtlichen Zusammenhang. Zeitgeschichte als die unterschiedlich erlebte Geschichte der heute Lebenden erfordert das Gespräch zwischen den Generationen. Diese in dpn letzten Jahren sehr vernachlässigte Aufgabe politischer Bildung sollte in einem integrierten zeitgeschichtlich-politischen Unterricht angegangen werden. Das Prinzip Rationalität fordert Wissenschaftsorientierung des Unterrichts, welche, richtig verstanden, eher auf Fragehaltung als auf fertige Ergebnisse zielt. Rationalität in Auseinandersetzung mit Geschichte und Politik schließt die dialogisch-argumentative Erörterung von Wert-und Sinnfragen, von Meinungen, Interessen und Selbstverständnis der Beteiligten ein. Das Ergebnis unserer Erörterung lautet, daß Geschichts-und Politikunterricht um der gemeinsamen Aufgabe politischer Bildung willen kategorial, methodisch und thematisch Eigenständigkeit brauchen, aber zugleich auf diese gemeinsame Aufgabe hin koordiniert werden müssen.

I. Einleitung: Fragestellung und Absicht

Geschichte ist wieder gefragt. Das „Tief“ der endsechziger und frühen siebziger Jahre scheint überwunden, wenn historische Ausstellungen sich eines unerwartet hohen Besucherstromes erfreuen und wenn Politiker bis hinauf zum Bundespräsidenten sich für Erhaltung und Intensivierung des Geschichtsunterrichts einsetzen. Der Didaktiker der politischen Bildung müßte sich, sofern er Politik nicht völlig unhistorisch verstanden und damit mißverstanden hat, über diese Entwicklung uneingeschränkt freuen, mischten sich in die Diskussion nicht häufig deutliche Akzente der Mißachtung politischer Bildung und polemische Töne gegen „die Politologen und Soziologen" als die angeblich Schuldigen des Verlusts an geschichtlichem Sinn.

Nun ist leider nicht zu bestreiten, daß Versuche einer unhistorischen Vereinnahmung der Geschichte für vorgebliche Ziele politischer Bildung letztere in den Augen vieler in Mißkredit gebracht haben. Aber die Wirksamkeit von Bildungsinstitutionen und Unterricht wird maßlos überschätzt, wenn man annimmt, ein vermeintlicher oder tatsächlicher Mangel an Geschichtsbewußtsein sei in erster Linie einem mangelhaften Geschichtsunterricht zur Last zu legen und durch dessen Intensivierung zu beheben. Gleichwohl müßten die Didaktiker der Geschichte und des Politikunterrichts sich gemeinsam darum bemühen, daß wir endlich aus der falschen Frontstellung herauskommen, in der die Disziplinen so gegeneinander ausgespielt werden, als könne die eine ihre Leistungen auf Kosten der anderen optimieren. Eben dies geht nicht, weil beide am gleichen Strang ziehen, nämlich an der Aufklärung des geschichtlich-politischen Bewußtseins arbeiten.

Es gibt Anzeichen dafür, daß sich dies beiderseits herumspricht. So ist die für die fünfziger und die frühen sechziger Jahre typische Klage völlig verstummt, der Sozialkundeoder Politikunterricht erschöpfe sich in Zeit-geschichte, statt sich sozialwissenschaftlich auszurichten. Inzwischen rufen auch Politikdidaktiker nach Wiederbeschäftigung beispielsweise mit dem Nationalsozialismus und mit der Deutschen Frage seit 1945, wenn auch der Kurzschluß nicht überall behoben scheint, damit sei die Aufgabe geschichtlicher Bildung im Rahmen politischer Bildung im wesentlichen erfüllt. Andererseits spricht man heute, nach einer Zwischenperiode der Verkrampfung, auch unter Historikern wieder von der politischen und der didaktischen Dimension der Historie und der Geschichtsschreibung

Ich sage „wieder", weil die gesellschaftlich-politische Relevanz der Geschichtsschreibung lange vor dem Streit um Curricula und Gesellschaftslehre gründlich 'erörtert wurde. Walther Hoier sprach schon 1956 von einem Dreiklang zwischen Geschichte, Philosophie und Politik. Er wies nach, daß dieser Dreiklang bei großen Historikern wie Ranke und Meinecke herrschte, und er versuchte, ihn für das Geschichtsdenken der Nachkriegszeit zu erneuern. Die Notwendigkeit dieses Drei-klangs begründete er aus der Perspektivität der Historie, welche aus der Gegenwartssituation unter bestimmten philosophischen Über-zeugungen Fragen an die Geschichte stelle

Andere namhafte Historiker wie Hermann Heimpel und Reinhard Wittram steuerten damals vergleichbare Überlegungen zu dieser Diskussion bei Jüngere Historiker bereicherten die Diskussion mit eigenen, weiter-führenden Überlegungen Insgesamt kristallisierte sich aus diesen Erörterungen damals ein doppeltes Ergebnis heraus: Einerseits ergab sich eine Revision des deutschen Geschichtsdenkens, das vor allem durch die Verbindung von Historismus und national-konservativer Weltanschauung geprägt war; andererseits versuchte man, dem unvermeidlichen Ineinander von Geschichtsbild und Gegenwartserhellung positive Seiten abzugewinnen.

Nach Waldemar Besson hatte sich die Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert geradezu zur Wissenschaft vom Nationalstaat entwickelt. Das Nationale war die vorherrschende politische Idee, und der Nationalstaat als historische Individualität schien der der historischen Methode angemessene Gegenstand. Der national-konservative Historismus verlor aber in seiner späteren unkritischen Hingabe an den nationalen Machtstaat mehr und mehr sowohl den universalen Aspekt als auch letztgültige ethische Maßstäbe, so daß man ihm Idealisierung der Macht, Heroisierung des Krieges, Nationalismus und Entfremdung von Westeuropa vorwerfen konnte. Damit war der Boden bereitet für die völlige Pervertierung seiner ursprünglichen sittlichen Gehalte’durch totalitäre Ideologien

Die zweite Aufgabe dieser Revision deutschen Geschichtsdenkens in der Nachkriegszeit war es, die Frage zu beantworten, welche anderen Leitideen an die Stelle der überholten treten sollten. In diesem Zusammenhang plädierte man im wesentlichen für die Öffnung zu europäischer und universalgeschichtlicher Betrachtung, für die Wiederbelebung des Naturrechtsdenkens und für den Wiederanschluß an die aufklärerischen und demokratischen Traditionen der westlichen Demokratien.

Auf diese Weise versuchte die Nachkriegs-kritik der historischen Vernunft, den notwendigen inneren Zusammenhang zwischen Geschichtsbetrachtung, Philosophie und Politik neu zu durchdenken, und sie wußte sich mit bedeutenden Historikern darin einig, daß Geschichtsbetrachtung und Gegenwartsbewußtsein sich gegenseitig bedingen. Sie bejahte ganz bewußt den politischen Impuls, der aus der Gegenwartssituation zu neuen Fragen an die Geschichte führte, und sie sah in der Geschichte insoweit eine politische Wissenschaft, als sie zur Gegenwartserhellung und damit zur sachgerechten Vorbereitung politischer Entscheidungen beitragen könne

Die Geschichtsdidaktik hat diese Ansätze damals leider zu wenig aufgegriffen, erstaunlicherweise auch nicht in Ausfüllung der Saarbrücker Rahmenvereinbarung der KMK von 1960 über die „Gemeinschaftskunde" der gymnasialen Oberstufe. Diese Vereinbarung bot damals durchaus die Chance, eine den beteiligten Fächern (Geschichte, Sozialkunde, Erdkunde) angemessene fächerübergreifende „historisch-politische Weltkunde" zu entwikkeln Gewiß griffen Versuche einer nur stofflich orientierten Koordinierung der Fächer zu kurz, wirkten häufig gezwungen. Nach Jahren intensiver Curriculum-und Lernzieldiskussion sieht man das klarer. Andererseits hat aber eben diese Diskussion, weil sie überlagert wurde durch weltanschaulich-politische und wissenschaftstheoretische Positionskämpfe, die Konflikte eher verschärft und die Fronten vermehrt. Diese laufen heute auch quer durch die Fächer

So ist das Verhältnis der wissenschaftlichen Disziplinen und der Schulfächer zueinander und zu den Aufgaben politischer Bildung nach wie vor unklar und strittig. Für den Bereich der Schule ist es weithin bei dem polarisierenden Schlagwort „Fächerintegration" geblieben, weil Befürworter wie Gegner der Integration zu pauschal argumentierten, weil sie nicht genügend differenzierten zwischen der Ziel-, der Inhalts-und der Methodenebene, für die die Frage nach Möglichkeiten und Grenzen der Integration jeweils verschieden zu beantworten ist. Für die Richtlinien-und Lehrplanentwürfe der Länder scheint der Hauptstreitpunkt immer noch das Ja oder Nein zur Integration bzw. zu einem „selbständigen Geschichtsunterricht" zu sein, während die fachdidaktische Diskussion inzwischen viel differenzierter geworden ist und auch den Schulpolitikern und Ministerialbeamten Hilfen liefern könnte, aus dem Streit um falsche Alternativen herauszukommen Im folgenden soll anhand einer Reihe unbestrittener didaktischer Prinzipien (Kategorialer Zugriff, Betroffenheit, Problemorientierung, Rationalität) ein Beitrag zur Klärung des Verhältnisses von Geschichts-und Politik-unterricht vorgelegt werden.

II. Kategorien politischer und geschichtlicher Bildung

Gehen wir mit Hilfe eines Beispiels von der wohl nirgends in der didaktischen Diskussion bestrittenen Annahme aus, der Politikunterricht solle sich mit permanent aktuellen Problemen unserer Zeit und Gesellschaft befassen. Das als Beispiel gewählte Thema sei die wirtschaftliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Kapitalgesellschaften. Eine didaktische Erschließung dieser recht komplexen und strittigen Problematik muß sich, wenn sie über Informationsvermittlung und -bearbeitung zu rationaler, begründeter Urteilsbildung als Voraussetzung politischen Engagements führen soll, einer Reihe politischer Kategorien bedienen, die als Schlüssel-fragen zur Analyse politischer Probleme und Konflikte fungieren.

Auf der Ebene der Wirklichkeits-oder Situationsanalyse sind das in etwa die Fragen nach den Beteiligten und Betroffenen, nach den widerstreitenden Interessen und Interpretationen, nach sozialstrukturellen Bedingungen, nach geltenden Regelungen, nach der geschichtlichen Herkunft der Problematik. Im Übergang zur Erörterung politischer Möglichkeiten muß nach den ökonomisch-sozialen und politischen Machtverhältnissen gefragt werden, nach den ins Spiel kommenden Institutionen, nach Koalitions-und Durchsetzungs-sowie Kompromißmöglichkeiten.

Schließlich ist auf der Ebene der Urteilsbildung und Entscheidungsdiskussion zu fragen nach Vor-und Nachteilen bestimmter Regelungen, gemessen an Grundwerten wie individuelle und politische Freiheit, soziale Gerechtigkeit, innergesellschaftlicher Friede, nach Zielkonflikten, nach der Legitimität bestimmter Regelungen, nach ihrer Zumutbarkeit, nach Effizienz, Folgen und Verantwortbarkeit

Es soll hier nicht gefordert werden, jede Problemanalyse in dieser Systematik und Abfolge kategorial zu strukturieren. Aber gewiß darf auf die Dauer und im ganzen des Politikunterrichts keine der drei Fageebenen (Wirklichkeits-oder Situationsanalyse, Möglichkeitserschließung, Urteils-und Entscheidungsdiskussion) mit den ihnen zugeordneten Kategorien ständig fehlen, wenn der Anspruch politischer Bildung erfüllt werden soll. Denn wie immer man Politik theoretisch-begrifflich faßt, nach allen gängigen Ansätzen hat sie das Ringen um gesamtgesellschaftlich verbindliche Entscheidungen zum Thema, die ihren Ursprung in geschichtlich-gesellschaftlichen Problemlagen und Konflikten haben und unter Interessen-, Ziel-und Legitimitätsaspekten erfolgen.

Was aber sagt unser Beispiel über das Verhältnis von geschichtlicher und politischer Bildung? Geschichtlichkeit ist eine der Grundkategorien zur Analyse des Problems in seinem heutigen Bestand. Die Sache, der Streit um wirschaftliche Mitbestimmung, ist nicht adäquat verstehbar ohne die Frage nach ihrer geschichtlichen Herkunft. Daraus könnte man schlußfolgern, die geschichtliche Dimension politischer Bildung bestehe im wesentlichen darin oder erschöpfe sich gar darin, die geschichtliche Entwicklung gegenwärtiger Probleme zu erschließen. Geschichte hätte demnach im Rahmen politischer Bildung die Aufgabe, anläßlich gegenwärtiger Probleme und Konflikte zurückzufragen nach ihrer Entstehung und Entwicklung. Dies muß keineswegs dazu führen, daß Geschichte zum „Steinbruch" wird, aus dem man sich beliebig Versatzstücke zum interessenbedingten politischen Gebrauch holt. Die Analyse der geschichtlichen Herkunft gegenwärtiger Probleme kann durchaus den Erfodernissen historischer Methode genügen. Auch kann gar kein Zweifel daran bestehen, daß in solcher Erklärung ein wesentlicher Beitrag der Geschichte zur politischen Bildung zu sehen ist. Dennoch erschöpft sich der Beitrag der Geschichte zur politischen Bildung nicht in der Erfüllung dieser Aufgabe. Dagegen sprechen zwei gewichtige Einwände, von denen der erste noch an unserem Beispiel entwickelt werden kann.

Will man die geschichtliche Dimension des aktuellen Streites um die wirtschaftliche Mitbestimmung erfassen, so steht man zunächst vor der Frage, wie weit man zurückgreifen kann, soll oder muß. Man kann mit der Nachkriegszeit einsetzen, indem man aufarbeitet, welche Regelungen in dieser Hinsicht die Alliierten in Deutschland getroffen haben, welche der deutsche Gesetzgeber zu Beginn der fünfziger Jahre. Man kann aber auch mit gutem Recht bis in die Anfänge der industriellen Revolution zurückgehen und das Verhältnis von Kapitalbesitzern und Arbeitnehmern als ein grundlegendes Strukturproblem der Industriegesellschaft herausarbeiten. Damit gewinnt aber die Genese unseres Problems schon vom Umfang her den Charakter eines eigenen Themas, das unterrichtsorganisatorisch und unterrichtsmethodisch nicht mehr in das aktuell-gegenwärtige Problem einzuordnen ist. Allgemeiner ausgedrückt: Man kann Geschichte nicht gleichsam nebenher bei Gelegenheit aktueller Probleme und Konilikte abhandeln; Kreuzworträtselwissen ist nicht Geschichtsverständnis.

Der zweite Einwand ist noch gewichtiger, weil grundsätzlicher. Die geschichtliche Dimension des Aktuell-Politischen betrifft nicht nur das einzelne Thema, das einzelne Problem in seiner Geschichtlichkeit. Nicht nur die Kategorie der Geschichtlichkeit, deren Unentbehrlichkeit für das Verständnis politischer Probleme wir erkannt haben, repräsentiert die geschichtliche Dimension des Politischen; vielmehr sind alle anderen Kategorien zur Analyse, zum Verstehen und Beurteilen von Politik ebenialls von geschichtlichem Charakter. Die heute einander widerstreitenden Interessen und ihre Interpretation, die daraus eventuell geronnenen Ideologien, die sozialen Strukturen, die die Konflikte bedingen, das geltende Recht und die beteiligten Institutionen, die Machtverhältnisse, unsere Vorstellungen von Zumutbarkeit und Legitimität, von Freiheit, sozialer Gerechtigkeit und innergesellschaftlichem Frieden, alles dies ist selbst geschichtlich geworden und bedarf daher um politischer Bildung willen ebenfalls der historischen Erklärung.

Bildhaft ausgedrückt heißt dies: Geschichte trifft nicht wie in einem Punkt auf unsere Gegenwart, sondern bestimmt diese als ein breiter Strom. Sie ist daher auch nicht punktuell von einzelnen Problemen und Konflikten unserer Gegenwart her angemessen erfaßbar. Die Folgerung daraus lautet: Nicht erst um einer allgemeinen Menschenbildung willen, zu der man mit gutem Grund geschichtlichen Sinn wird rechnen müssen, sondern schon im Hinblick auf unsere politische Selbstvergewisserung und unsere Orientierung in der Gegenwart, also um politischer Bildung willen darf Geschichtsunterricht nicht reduziert, werden auf die Erklärung der Genese heutiger Probleme; er muß vielmehr didaktisch-kategorial eigenständig gefaßt werden, was gerade nicht heißt, ihn von den Aufgaben politischer Bildung abzukoppeln.

Ich erspare es mir, die Kategorien der Geschichtsbetrachtung und die in ihnen enthaltenen „Lernpotentiale" hier in gleicher Weise zu entwickeln. Es liegen dazu aus der Geschichtsdidaktik beachtenswerte Beiträge vor Es soll hier nur kurz begründet werden, weshalb die Kategorien zum Teil mit denen des Politikunterrichts übereinstimmen, zum Teil aber auch davon abweichen. Die Historie hat es wie die Sozialwissenschaften mit sozialen und politischen Fakten und Ereignissen, mit Prozessen und Strukturen, mit Entscheidungen zu tun; sie hat also, soweit man all dieses in unserer Gegenwart auf-sucht, das gleiche Materialobjekt wie die Sozialwissenschaften. Die Übereinstimmung im Materialobjekt wird noch stärker, wenn die Sozialwissenschaften Gegenstände zu ihrer Untersuchung aus der Vergangenheit wählen. Aber Historie und Sozialwissenschaften betrachten die ihnen zürn Teil gleichen Gegenstände (ihr Materialobjekt) unter je eigenem, spezifischem Aspekt; sie haben ihr spezifisches Formalobjekt, und eben dies macht sie zu unterscheidbaren wissenschaftlichen Disziplinen. Karl Ernst Jeismann sieht den Unterschied zwischen den Fächern und Disziplinen in ihrer „Erkenntnisrichtung", die durch Auswahl, Verknüpfung, Sinnbezüge, Deutung den „Gegenstand" der Wissenschaft erst eigentlich konstituiere Jeismann beschreibt damit nichts anderes als das, was die traditionelle Logik als Formalobjekt bezeichnet.

Des näheren sieht Jeismann Sozialwissenschaften und Politikunterricht aus einem unmittelbaren Gegenwartsbezug konstituiert, aus der Absicht, Gegenwart zu erkennen, zu deuten und Entscheidungen in dieser Gegenwart zu begründen. Das bedürfte sicher noch der Präzisierung, wobei man auch zwischen einzelnen Sozialwissenschaften unterscheiden und die Frage erörtern müßte, welche dieser Disziplinen in erster Linie als Bezugswissenschaft des Politikunterrichts gelten solle. Nach meinen Vorstellungen sollte das nicht ein sozialwissenschaftliches Konglomerat sein, weil so ein Schulfach keine didaktisch klare Gestalt gewinnt. Vielmehr muß man wohl der Politikwissenschaft hier die Leitfunktion zubilligen, wobei dann freilich für das Verständnis und Konzept von Politik-unterricht alles vom Politikbegriff abhinge. Das soll hier nicht weiter erörtert werden

Jedenfalls stimme ich Jeismann in der allgemeinen Beschreibung der für Politikunterricht konstitutiven Fragerichtung zu: Es geht um Analyse, Verstehen, Beurteilen gegenwärtiger gesamtgesellschaftlicher, das heißt politisch zu bewältigender Aufgaben, zu denen der heranwachsende Staatsbürger ein rational begründbares und auf Beteiligung zielendes Verhältnis gewinnen soll. Ich stimme Jeismann ferner darin zu, daß dies nicht die Fragerichtung der Historie und des Geschichtsunterrichts ist. Geschichtswissenschaft richtet sich in ihrem Erkenntnisinteresse „unmittelbar auf die Vergangenheit als Vergangenheit" Ähnlich Karl-Georg Faber: „Die den Historiker interessierende Geschichte umfaßt menschliches Tun und Leiden in der Vergangenheit." Dies ist von beiden Autoren nicht zur Begründung eines antiquarischen Geschichtsinteresses gesagt, denn alles Vergangene kann grundsätzlich von Bedeutung sein für menschliches Selbstverständnis und für Gegenwartserhellung, auch dort, wo unmittelbare Nachwirkungen nicht in die Augen springen. „Die Geschichtswissenschaft begreift diese Vergangenheit als . Explikation des Humanum', dessen Wahrnehmung die Möglichkeit der Gegenwartserfahrung übersteigt."

Geschichtsbetrachtung kann die in ihren Kategorien enthaltenen Lernpotentiale nur entfalten, wenn sie nicht zum Annex von Gegenwartsanalyse verkümmert. Die Grundkategorie der Zeit, didaktisch umgesetzt in die Erfahrung des Prozeßhaften, in die Erfahrung von Dauer und Wandel, von Veränderbarkeit und „langer Dauer"; die dialektisch einander zugeordneten Kategorien von Ereignis und Struktur, didaktisch umgesetzt in die Erfahrung derMehrdimensionalität und Komplexität von Geschichte, in die Erfahrung unterschiedlicher Formen geschichtlicher Kausalität (Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, strukturelles Bedingungsgefüge, intentionaler Handlungs-Zusammenhang); die Grundkategorie geschichtlicher Kontingenz, didaktisch umgesetzt in die Erfahrung, daß Geschichtliches nicht notwendigerweise so ist, wie es nun einmal geworden ist, daß Geschichte nicht auf Geschichte der Sieger reduziert werden darf und daß sie von den Handelnden verantwortet werden muß; diese und andere kategoriale Einsichten lassen sich nur vermitteln und gewinnen, wenn Geschichtsunterricht Zeit und Gelegenheit hat, sich auf geschichtliche Phänomene thematisch eigenständig einzulassen

Es sind dies alles aber, wie man unschwer erkennen kann, Leistungen des Geschichtsunterrichts, die zugleich von großer Bedeutung für politische Bildung sind. . Denn ohne diese Einsichten in den Prozeßcharakter menschlichen Daseins in der Gesellschaft; in die strukturelle Bedingtheit punktueller Situationen und Ereignisse; in den Unterschied zwischen nachweisbarer Kausalität, strukturellem Erklären und sinnverstehendem Interpretieren; in Möglichkeit und Begrenztheit freien, verantwortlichen Handelns der Mensehen in den Bedingungen ihrer Zeit; ohne alle dies'e Einsichten, sage ich, wird einerseits Geschichtsverständnis reduziert auf die wohlfeile und banale Formel „historisch geworden, also veränderbar"; wird andererseits politisches Urteilen zu einem Hantieren mit ahistorischer Meßlatte, mit letztlich inhumanen sozialwissenschaftlichen Modellen oder mit ideologischen Konstrukten.

III. Subjektive Betroffenheit

Daß Bildungsbemühungen bei der subjektiven Betroffenheit ihrer Adressaten ansetzen sollen, das heißt, von deren Bewußtseinslage, Fragen, Neigungen und Interessen ihren Ausgang nehmen sollen, ist eine alte didaktische und lernpsychologische Forderung, die schon in Georg Kerschensteiners Grundaxiom des Bildungsprozesses enthalten ist, heute freilich ganz stark im Vordergrund der Diskussion steht. Im ersten Hinblick könnte man der Meinung sein, der Politikunterricht könne dieser Forderung viel leichter Rechnung tragen als der Geschichtsunterricht, geht es doch in ersterem um die Probleme unserer eigenen Zeit und Gesellschaft. Bei genauerem Zusehen jedoch erweist sich diese Meinung als Irrtum, und zwar nicht nur wegen der inzwischen schmerzlich erfahrenen Schwierigkeit, abstrakte und komplexe gesellschaftliche Verhältnisse in den Interessenhorizont der Schüler zu bringen. Wichtiger ist es zu sehen, daß es auch in Geschichtsbetrachtung um unsere Probleme geht.

Jeder Versuch der empirischen Orientierung über die subjektive Betroffenheit der Adressaten geschichtlich-politischer Bildung muß von dem Tatbestand ausgehen, daß geschichtliches und politisches Bewußtsein unauflösbar ineinander verschränkt sind. Das Selbstverständnis von Individuen und Gruppen im sozialen Mit-und Gegeneinander enthält Elemente politischen Bewußtseins, wo es sich sozialer Handlungsprobleme bewußt wird; und es enthält Elemente geschichtlichen Bewußtseins, wo es sich auf Vergangenes bezieht und Einstellungen zu Vergangenem entwickelt. Wohl niemand lebt völlig ohne Geschichtsvorstellungen, seien sie noch so rudimentär und irrational; und je bewußter jemand in seiner Gegenwart lebt, um so mehr sucht er seine Identität in Auseinandersetzung mit Vergangenem, das er als wirksam erfährt.

Interpretation von Vergangenheit und Gegenwart stützen und ergänzen sich gegenseitig.

In gesteigerter Form ist dieses Ineinander greifbar bei sozialen und politischen Gruppen sowie in der Auseinandersetzung zwischen ihnen. Politisches Wollen deutet Geschichte durch den historischen Vergleich, die Parallele, den erinnernden Appell, im Symbol; Geschichte wird zum Arsenal für Argumente, für Legitimationsgründe, für Identifikationselemente, für politische Ideologien. Weil Mensch und Gesellschaft prinzipiell geschichtlich verfaßt sind, muß sich das Selbstverständnis der Menschen in ihren sozialen Bezügen in einer Einheit geschichtlich-politischen Bewußtseins artikulieren. „Ein historisch-politisches Standortwissen ist gleichsam . sprungbereit'von seiner Deutung der Geschichte und der gegenwärtigen Situation her auf die Zukunft gerichtet." Da Vergangenheit in der Gegenwart wirksam ist, müssen wir als handelnde Wesen uns des Vergangenem vergewissern, um die Gegenwart begreifen und ihre Probleme bewältigen zu können. Daher ist Geschichte mehr als Vergangenheit: „Geschichte ist derjenige Zusammenhang zwischen Vergangenheit und Gegenwart, den handelnde Individuen und Gruppen reflektieren müssen, wenn sie ihr Handeln sinnhaft in einer Zukunftsperspektive orientieren wollen."

Die Didaktik unserer beiden Fächer muß also den Versuch machen, die subjektive Betroffenheit der Adressaten geschichtlich-politischer Bildung aus diesem Zusammenhang zu verstehen bzw. auf diesen Zusammenhang zu beziehen. Damit würde deutlicher, was einleitend schon gesagt wurde, daß die beiden Disziplinen am gleichen Strang ziehen, nämlich an der Aufklärung des geschichtlich-politischen Bewußtseins arbeiten. Sie tun dies mit teils gemeinsamem, teils unterschiedlichem kategorialen und methodischem Instrumentarium; aber man darf nicht dem Geschichtsunterricht die Vergangenheit, dem Politikunterricht Gegenwart und Zukunftsprobleme in der Weise getrennt zuteilen, als hätten beide Sehweisen nichts miteinander zu tun. Es handelt sich vielmehr um zwei zu unterscheidende Seiten einer Aufgabe.

Deutlicher wird damit auch, daß die Aufgabe nicht erlaubt, im Horizont der subjektiven Betroffenheit unserer Adressaten stehenzubleiben. Vielmehr geht es darum, die subjektiven Fragen und Interessen so zu erweitern, daß Fragen, Interessen und Erfahrungen anderer, auch anderer sozialer Gruppen und anderer Zeiten, als für die Bewältigung unserer Handlungsrobleme fruchtbar erfahren werden können. Lernen heißt Horizonterweiterung; geschichtlich-politisches Lernen heißt, die eigene biographisch-soziale Situation in den Zusammenhang der Situationen sozialer Gruppen zu bringen, denen man angehört, und deren gemeinsame Handlungsprobleme zu erfassen. Objektive Betroffenheit, Problemorientierung erweist sich so als das nächste didaktische Prinzip, dem wir uns zuwenden müssen.

IV. Problemorientierung (Objektive Betroffenheit)

Es geht hier um die Frage nach Aspekten zur Bestimmung der Gegenstände geschichtlich-politischer Bildung. Man wird zwar nicht damit rechnen können, daß die didaktische Diskussion zu Kriterien der Auswahl im strengen Sinn führen wird; aber es lassen sich doch Bestimmungsgründe für Inhalte angeben, die die Brücke schlagen von subjektiver zu objektiver Betroffenheit. Im Horizont subjektiver Betroffenheit stehen Auswahlkriterien im Vordergrund wie Bezug zur Umwelt der Adressaten, Handlungsprobleme und Handlungsmöglichkeiten in dieser Umwelt, Motivationspotential von Gegenständen. Dagegen ist im Horizont objektiver Betroffenheit zu fragen nach permanent aktuellen Problemen, mit denen geschichtlich-politische Bildung die Auseinandersetzung suchen muß.

Die Frage hat mehrere Dimensionen: In gesellschaitlich-politischer Dimension ist zu fragen nach gegenwärtigen Grundproblemen unserer Zeit; in pädagogischer Dimension ist zu fragen nach der Zukunftsbedeutsamkeit von Gegenständen und Problemen für unsere Schüler; in normativer Dimension läßt sich die Frage präzisieren, indem man die Probleme zu definieren versucht mit Hilfe unserer allgemein anerkannten politischen Grundwerte und Ziele (individuelle und politische Freiheit, soziale Gerechtigkeit, inner-und zwischenstaatlicher Friede). Für die gymnasiale Oberstufe muß im Hinblick auf die Aufgabe der Studienvorbereitung und Wissenschaftspropädeutik eine wissenschaitliche Di mension hinzugefügt werden, nämlich die Frage nach inhaltlich-methodischer Relevanz von Gegenständen für die Einführung in Grundbegriffe, Grundfragen und Methoden sozial-und politikwissenschaftlichen sowie historischen Arbeitens In geschichtlicher Dimension schließlich läßt sich unsere Frage nach den permanent aktuellen Gegenwartsproblemen umformulieren in die Frage nach zeitgeschichtlicher Bedeutsamkeit.

Für den Politjkunterricht läßt sich mit Hilfe dieser Auswahlaspekte zwar kein geschlossener Kanon notwendiger oder verbindlicher Themen formulieren; dies ist auch gar nicht wünschenswert, weil die Dimension der subjektiven Betroffenheit die Formulierung konkreter Themen immer nur in bezug auf bestimmte Lerngruppen und auf bestimmte Situationen sinnvoll erscheinen läßt. Aber die Auswahlaspekte eröffnen die Möglichkeit, unsere Gegenwartsprobleme inhaltlich soweit zu beschreiben, daß die Verklammerung der Dimensionen subjektiver und objektiver Betroffenheit gesichert werden kann. Wie konkret, aktuell und situationsbezogen Themen politischer Bildung auch immer gefaßt sein mögen, sie stehen doch stets im Horizont unserer allgemeinen Gegenwartsprobleme, und politische Bildung muß dies aufzeigen. Das heißt, sie muß vorstoßen zu dem allgemeinen politischen Problemhorizont unserer Zeit, der beschrieben werden kann mit der Frage, wie inner-und zwischengesellschaftlicher Friede heute in Freiheit und in sozialer Gerechtigkeit ermöglicht und gesichert werden kann. Die daraus sich ergebenden Interessenkonflikte, die daraufhin konkurrierenden politischen Ordnungskonzepte und die darauf zielenden politischen Entscheidungen machen in summa die Gegenstände politischer Bildung aus

Für die Frage nach den Inhalten geschichtlicher Bildung dürfen wir zunächst ebenfalls vom zeitgeschichtlichen Problemhorizont ausgehen, denn auch die Historie bezieht aus ihm ihr Erkenntnisinteresse und ihre Fragestellungen. Es war kein „progressiver" Sozialhistoriker, sondern es war Hermann Heimpel, der die Gegenwart Schlüssel und Wahrheitsquelle des Historikers genannt hat Allerdings hben uns unsere kategorialen Überlegungen schon erkennen lassen, daß wir beim zeitgeschichtlichen Problemhorizont nicht stehenbleiben dürfen. Die Gegenwartsprobleme bilden ein zu enges Auswahlfilter, wenn in Geschichtswissenschaft und in geschichtlicher Bildung historische Ortsbestimmung der Gegenwart geleistet werden soll. Diese Aufgabe erfordert nicht nur, von der. Gegenwart in die Geschichte zurückzufragen, sondern die Gegenwart muß sich auch von der Geschichte her in gewisser Weise in Frage stellen lassen. Will Geschichtsdidaktik dem gerecht werden, muß sie sich vor naheliegenden und typischen Verengungen hüten.

Die Geschichtsdidaktik hat nach dem Zweiten Weltkrieg die nationalstaatliche Verengung, die ohnedies durch den Nationalsozialismus diskreditiert war, überwunden; sie hat sich schon in den fünfziger Jahren um die Hereinnahme europäischer und weltgeschichtlicher Perspektiven und Gegenstände bemüht. Eine zweite Verengung, nämlich eine vorherrschend personalisierende und idealisierende Geschichtsbetrachtung, kann mit der stärkeren Berücksichtigung der Sozialgeschichte als Bereich und der Strukturgeschichte als Aspekt seit Ende der sechziger Jahre als überwunden gelten Um so überraschender scheint es mir, daß vielfach eine neue, eine chronologische Verengung hingenommen wird, nämlich eine Verkürzung der geschichtlichen Dimension dessen, was man Ortsbestimmung der Gegenwart nennen kann, auf die Zeit seit der Französischen Revolution. Diese Verkürzung hat sich besonders gezeigt in Entwürfen für geschichtlich-politische Bildung der gymnasialen Oberstufe seit der KMK-Vereinbarung von 1960 über die Koordination der Fächer Geschichte, Erdkunde, Sozialkunde.

Wenn man, wie wir es hier getan haben, Geschichte als Wirkungszusammenhang zwischen Vergangenheit und Gegenwart begreift, dann ist selbstverständlich gar nichts einzuwenden gegen ein inhaltliches überwiegen neuzeitlicher und zeitgeschichtlicher Themen in geschichtlich-politischer Bildung. Denn je näher wir an unsere Gegenwart herankommen, um so stärker haben wir es mit unserer eigenen unmittelbaren Vorgeschichte zu tun; das heißt, um so vielfältiger werden die Bezüge, die man abstrakt als Wirkungszusammenhang bezeichnet. Konkret ausgedrückt: Gegenwartsverständnis ist inhaltlich viel stärker auf Gegenstände und Phänomene etwa des 19. und 20. Jahrhunderts angewiesen als auf solche aus Antike und Mittelalter. Dennoch ist die Vorstellung, die Genese unserer Zeit reiche nur bis zur Aufklärung zurück, ein unhistorischer Kurzschluß. Gerade unsere Gegenwartssituation ist vielmehr inner-wie zwischengesellschaftlich derart, daß ihre historische Ortsbestimmung universalgeschichtlicher Sicht bedarf. Dazu nur zwei Hinweise: Die Eigenarten und Probleme einer industriell-technisch bestimmten Gesellschaft treten um so deutlicher hervor, je mehr man sie im Kontrast zu vorindustriellen Gesellschaftsformen betrachtet; und das Zusammenwachsen der Völker des ganzen Erdballs zu einer Verkehrs-, Wirtschafts-und Kommunikationseinheit in unserer Zeit stellt die Kunst der Politik vor Aufgaben, die in ihrer Besonderheit erst in universalgeschichtlicher Anschauung hervortreten.

Gerade eine Geschichtsdidaktik, die die politische Aufgabe geschichtlicher Bildung betont, muß daher zunächst davon ausgehen, daß die ganze Geschichte mögliches Arbeitsfeld ist. In diesem weiten Rahmen muß sie dann nach unserer Geschichte fragen, was nicht nationalstaatliche Verengung heißen kann, aber eben auch nicht Beliebigkeit der Gegenstände. Denn es geht ja um das historische Verstehen unserer eigenen Gegenwart hier und heute, in Mitteleuropa, in der heutigen Weltlage.

Folgende Auswahlaspekte scheinen mir unabdingbar: Welche permanent aktuellen Probleme unserer Zeit bedürfen der historischen Erhellung? (Frage der Gegenwart an die Geschichte.) Welche geschichtlichen Kräfte und Entwicklungen haben unsere Gegenwart grundlegend geformt? (Frage nach unserem Selbstverständnis aus der Geschichte.) Welche Phänomene unserer Tradition sind so abgeschlossen, daß sie im Vergleich die Gegenwart klarer erkennen lassen? (Frage nach der Geschichte als Alternative.) Welche geschichtlichen Phänomene eignen sich besonders zu menschlicher Selbsterkenntnis und zur Erkenntnis von Möglichkeiten und Grenzen in Gesellschaft und Politik? (Frage nach der Geschichte als anthropologisches und sozial-politisches Erfahrungsleid.) Für die gymnasiale Oberstufe wird noch hinzukommen die Frage, welche Themen und Methoden besonders geeignet sind, Grundbegriffe geschichtlicher Erkenntnis zu gewinnen und anzuwenden (Frage nach der Geschichte als Erkenntnisproblem).

Wiederum ergibt sich, wie beim Politikunterricht, zwar kein Kanon notwendiger Gegenstände. Aber es lassen sich mit diesen Fragen die Umrisse eines Themenfeldes begründen, das im ganzen als unsere deutsche und europäische Geschichte in weltgeschichtlichem Zusammenhang zu bezeichnen wäre. Folgende vier Teilbereiche scheinen mir unabdingbar zu diesem Themenfeld zu gehören: —-Sozialstrukturen und politische Ordnungsformen vorindustrieller Gesellschaften in einer auf die europäische Entwicklung bezogenen Auswahl (etwa: neolithische Revolution und Hochkulturen; Griechische Polis; Römische Republik und ihre Entwicklung vom Stadtstaat zum Imperium; Reich, Kirche und Feudalordnung im Mittelalter).

— Der Umbruch des europäischen Gesell-Schafts-und Wirtschaftssystems und die Ausformung des Staates zu Beginn der Neuzeit (etwa: Frühkapitalismus und Frühkolonialismus; Reformation und Religionskriege; Absolutismus und europäisches Staatensystem).

— Die geistig-politische und wirtschaftlich-soziale Grundlegung der modernen Zeit im 18. und 19. Jahrhundert (Aufklärung und westlich-liberale Demokratie; Industrielle Revolution, Soziale Frage und unterschiedliche Konzepte ihrer Bewältigung; Liberalismus und Nationalstaat in Deutschland).

— Weltkriege und Weltkrisen im 20. Jahrhundert (Imperialismus und Erster Weltkrieg; Demokratie, Faschismus und Kommunismus; Zweiter Weltkrieg und Ost-West-Dualismus einschließlich Deutsche Frage; Entkolonialisierung und Entwicklungsproblematik). Diese Themenstichworte wollen keineswegs als ein fertiger Lehrplan und schon gar nicht als ein Plädoyer für den chronologischen Durchgang durch die Geschichte verstanden werden. Dem Ordnungsprinzip der Chronologie kann auch in anderer Weise Rechnung getragen werden. Für geschichtlich-politische Bildung, die auf den Zusammenhang von Vergangenheit und Gegenwart bezogen ist und zugleich die kategorialen Lernpotentiale der Geschichtsbetrachtung fruchtbar machen will, bieten sich vielmehr unterschiedliche Themenstrukturen des Geschichtsunterrichts nebeneinander an: die historisch-genetische Analyse eines Gegenwartsproblems; der thematische Längsschnitt; der epochenspezifische Querschnitt; die historische Situationsanalyse; der historische und der historiographische Vergleich.

Aufs ganze gesehen entsprechen sowohl der Themenkatalog wie die Thementypen, die von Behrmann, Jeismann und Süssmuth entwickelt und zur Diskussion gestellt wurden, meinen Vorstellungen Mein Hauptein-wand zum Themenkatalog dieser Autoren für den Geschichtsunterricht ist der, daß Antike und Mittelalter wohl doch zu kurz kommen, insbesondere wenn man in Rechnung stellt, daß diese Epochen trotz des begrüßenswerten Verzichts auf den rein chronologischen Durchgang weitgehend schon in den Klassen fünf und sechs behandelt werden sollen. Es muß meines Erachtens geprüft werden, ob nicht Themen der späteren Jahrgänge stärker als vorgesehen auch in frühere Epochen zurückgreifen sollten. Vor aller Kritik aber scheint mir die in diesem didaktischen Konzept entwickelte Unterscheidung und Zuordnung unterschiedlicher Thementypen des Geschichts-und des Politikunterrichts ein fruchtbarer und weiterführender Gedanke.

Dagegen ist in einer Reihe von Bundesländern bei verantwortlichen Kultusbeamten und in amtlichen Richtlinienkommissionen die Meinung noch stark verbreitet, ein „eigenständiger Geschichtsunterricht" sei identisch mit dem chronologisch geordneten Durchgang von Adam und Eva bis zu Adenauer.

Diese Meinung hat didaktisch fatale Folgen.

Erstens bleibt der Durchgang durch die Geschichte trotz allen Bemühens von Didaktikern und Lehrern um Schwerpunktbildung und um Wechsel zwischen kursorischem und verweilendem Lehren letztlich strukturlos und damit lernfeindlich. vertröstet Zweitens er Schüler mit zeitgeschichtlich-politisch orientierten Fragen und Interessen auf die Abschlußklasse, wo meist mit „hängender Zunge" nur noch ein „Überblick" gegeben wird und die Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit zu kurz kommt. Drittens bedeutet er faktisch die Absage an jede Art von Kooperation mit dem Politikunterricht, der infolge der Geschichtlichkeit seiner Gegenstände auf die eigenständige Leistung eines thematisch strukturierten Geschichtsunterrichts angewiesen ist. Daß man Geschichte nur in chronologischer Reihenfolge lernen könnte, stimmt einfach nicht. Jedes Kind fängt aus seiner Gegenwart zu fragen an. Richtig ist, daß man die Chronologie als Ordnungsprinzip braucht. Aber dem kann ein thematisch angelegter Geschichtsunterricht durchaus Rechnung tragen, der zudem mit seinen unterschiedlichen Thementypen dem Prinzip der immanenten und stetigen Wiederholung viel besser gerecht würde als der lineare Durchgang.

Exkurs: Zeitgeschichte als integrierter geschichtlich-politischer Unterricht Bis weit in die sechziger Jahre bestimmte die sogenannte Zeitgeschichte, damals verstanden im wesentlichen als Geschichte der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus und des Sowjetkommunismus, sehr stark, vielleicht sogar überwiegend die Inhalte politischer Bildung. Das änderte sich zuerst langsam mit der Aufnahme von Politikwissenschaft und Soziologie in die Lehrerbildung, dann schlagartig mit der im Gefolge der „Studentenrevolte" sich ausbreitenden Kritik am bis dahin vorherrschenden Erkenntnis-interesse. Soziologische Begrifflichkeit, strukturell-funktionale, systemkritische und „emanzipatorische" Fragestellungen verdrängten die historische Orientierung. Inhaltlich-thematisch traten die wirklichen oder auch vermeintlichen inneren Probleme und Defizite unserer eigenen Gesellschaft in den Vordergrund. Das entsprach zwar einerseits der im Vergleich zum Geschichtsunterricht stärkeren Zukunfts-, Entscheidungs-und Handlungsorientierung des Politikunterrichts. Es wurden aber andererseits zugleich Problembereiche damit vernachlässigt oder gar verdrängt, die gerade um dieser Zukunftsorientierung willen unabdingbare Bestandteile politischer Bildung bleiben müssen. Dies gilt insbesondere (mit Ausnahme der Dritte-Welt-Problematik) für die Fragen der internationalen Politik, der Europapolitik und für die darin verflochtene Deutsche Frage Heute nun unterstreichen gerade auch Politikdidaktiker erneut die Notwendigkeit einer Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit und der Zeitgeschichte insgesamt.

Nun kann man freilich unter Zeitgeschichte heute nicht mehr gut die ganze Zeit seit 1917/18 begreifen, wie das in den fünfziger Jahren üblich und sinnvoll war. Was Zeitgeschichte ist, ist nicht in Jahreszahlen fixierbar; ihr Beginn verschiebt sich ständig, wenn auch unmerklich, und sie mündet in die offenen politischen Probleme der Gegenwart, aus denen sie viel stärker als die Historie allgemein ihre Frageimpulse und ihr Erkenntnis-interesse bezieht Für das Verständnis der Aufgaben, die politischer Bildung im zeitgeschichtlichen Kontext gesetzt sind, gibt es deshalb wenig her, Zeitgeschichte in objektiven Zeitgrenzen festzulegen. Auch die Auskunft, Zeitgeschichte meine den unmittelbaren Wirkungszusammenhang von Vergangenheit und Gegenwart, genügt nicht. Was wirkt unmittelbar nach, was mittelbar? Man kommt weiter, wenn man Zeitgeschichte auf die noch lebenden Menschen bezieht. Zeitgeschichte wäre dann die erlebte Geschichte der heute Lebenden. Zeit ist ja für Menschen nicht nur eine physikalische, sondern auch und wohl sogar in erster Linie eine psychische, eine anthropologische Kategorie. Für das geschichtlich-politische Bewußtsein der Lebenden wird Zeitgeschichte nicht historisch über sekundäre Quellen erschlossen, mag das auch die Wissenschaft schon mit mehr oder weniger Erfolg versuchen. Sie wird vielmehr von denen, die sie erlebt haben, mental interpretiert, erzählt oder auch verschwiegen, gedeutet, weitergegeben; sie treibt die Menschen noch um und ist so auf viel elementarere Weise politisch virulent als Geschichte, die jenseits der Lebensspanne der noch Lebenden liegt. Wir haben es also bei der Zeitgeschichte immer mit einem Ineinander von subjektiver und objektiver Betroffenheit zu tun, während hinsichtlich der Geschichte im allgemeinen die subjektive Betroffenheit durchaus fehlen kann.

Nun ist aber Zeitgeschichte als Geschichte der Zeitgenossen immer Geschichte mindestens zweier, in der Regel sogar dreier Generationen, die objektiv Verschiedenes erlebt haben und dies entsprechend subjektiv unterschiedlich verarbeiten und deuten. In den fünfziger und sechziger Jahren war die Auseinandersetzung mit dem Scheitern der Weimarer Republik, mit dem totalitären Nationalsozialismus und mit dem Zweiten Weltkrieg unsere notwendige zeitgeschichtliche Thematik. Spätestens mit dem Mentalitätsschub der „ Studentenrevolte" wurde die Nachkriegsentwicklung selbst zum zeitgeschichtlichen Gegenstand. Die Bundesrepublik Deutschland ist dreißig Jahre alt, sie dauert jetzt länger als Weimarer Republik und Nationalsozialismus zusammen; ihre Anfänge liegen für die heutige Schuljugend weiter zurück als für die Nachkriegsjugend der Erste Weltkrieg. Damit soll nicht gesagt sein, der Nationalsozialismus mit seinen fundamentalen sozialstrukturellen, politischen und geistigen Erschütterungen sei aus dem zeitgeschichtlichen Fragehorizont schon herausgerückt. Aber man muß Zeitgeschichte auch in den Lehrplänen von Zeit zu Zeit verlängern, näher an die Gegenwart heranrücken. Zeitgeschichte als die unterschiedlich erlebte Geschichte der heute Lebenden erfordert einen Kommunikationsprozeß zwischen den Generationen, und eben dieser Kommunikationsprozeß ist zentraler Bestandteil politischer Bildung. Es geht um die kommunikative und dialogische Vermittlung von Frageperspektiven und Erfahrungen zwischen den Generationen. An dieser hat es in den vergangenen fünfzehn Jahren erheblich gefehlt und fehlt es wohl auch heute noch.

So werden die Erfahrungen der älteren Generation, die in den Zusammenhang der Gründungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland gehören, seit langem nur mangelhaft ins Gespräch gebracht. Ich halte dies für das derzeit größte Defizit politischer Bildung, weil es bedeutet, daß das Sinnkonzept unserer heutigen politischen Ordnung der nachwachsenden Generation nicht aus seinem geschichtlich-politischen Kontext begreifbar und nachvollziehbar gemacht wird. Wenn die ältere Generation ihre Position entweder nur autoritär behauptet oder nachgiebig räumt, statt sie gesprächsbereit zu vertreten, dann gerät die Balance zwischen Tradition und Fortschritt in Gefahr, dann gewinnen erfahrungslos zukunftsorientierte, ideologieanfällige und utopische Vorstellungen die Oberhand, und das Bestehende erscheint leicht nur noch im negativen Licht. Es gibt viele Symptome dieser Störung. Besonders auffällige sehe ich zum Beispiel darin, daß in der politischen Sprache die distanzierenden oder ironisierenden Gänsefüßchen, früher für die DDR verwendet, heute von manchen Autoren und Rednern der freiheitlich-demokratischen Grundordnung beigegeben werden, oder daß das Ordnungskonzept der Sozialen Marktwirtschaft, sei es aus schlichter Unkenntnis, sei es aus politischer Absicht, mit dem Kapitalismus des 19. Jahrhunderts gleichgesetzt wird. Von vielen wird unser heutiges Gemeinwesen nicht mehr im geschichtlich-politischen Kontext an realen Alternativen gemessen, sondern am utopischen Gehalt einzelner Prinzipien unter Ver41 nachlässigung der Zielkonflikte, denen sich jede Politik stellen muß.

Zum Gesprächsdefizit zwischen den Generationen hat freilich ganz erheblich die Belastung vieler aus der älteren Generation durch den Nationalsozialismus beigetragen. Aber gerade dieser Komplex wäre nur durch rückhaltlose Offenheit im Dialog aufzuarbeiten gewesen, in dem die Belasteten am eigenen Beispiel hätten zeigen können, was totalitäre Herrschaft konkret heißt; daß nämlich, wie Hans Buchheim schon 1962 treffend herausgearbeitet hat, das unter normalen Bedingungen übliche soziale Verhalten zur Unterstützung des Systems führt daß es aber heute nicht darum gehen kann, moralisch-politische Schuld aufzurechnen oder in kriminelle Schuld umzudeuten, sondern durch institutionelle und politische Vorkehrungen die Wiederholung solcher Perversion von Politik zu verhindern. Denn der Durchschnittsbürger ist nicht für die Widerstandssituation geschaffen, und deshalb ist es Aufgabe der Politik, diese Situation möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen. Aber in der Auseinandersetzung mit dieser Problematik ist leider zu viel falsch gemacht worden, sowohl von Belasteten, die sich in peinlich wirkende Apologetik flüchteten, statt zu ihrer Biographie zu stehen und Auskunft zu geben, als auch von Anklägern, denen es nicht um Aufarbeitung unserer Vergangenheit ging, sondern um tagespolitisch kalkulierten „Erfolg". Dennoch muß zeitgeschichtlicher Unterricht an dieser Problematik weiter arbeiten. Leider ist, was Kenntnisstand und Befähigung der jungen Lehrergeneration für diese Aufgabe be-trifft, Skepsis begründet. Vieles wird versäumt, auch in der Lehrerbildung und in der Lehrerfortbildung.

In didaktischer Hinsicht muß hier noch vor zwei Mißverständnissen gewarnt werden. Es geht bei der „Verlängerung" der Zeitgeschichte, beim Heranrücken an die Gegenwart nicht in erster Linie um ein Stoffproblem, das man entsprechend lösen könnte durch „Entrümpelung" des Geschichtsunterrichts von anderen Gegenständen Es geht vielmehr um den Wechsel von Fragestellungen und Problemaspekten. Durch eine bloße Ökonomie des Zeit-Stoff-Verhältnisses kann Geschichtsdidaktik ihre Aufgabe überhaupt nicht lösen, auch für frühere Epochen nicht. Sie muß vielmehr versuchen, einen Konsens darüber herzustellen, welche Fragen wir heute an Geschichte stellen sollten. Dies kann nicht geleistet werden ohne Bezug der Geschichtsdidaktik auf die Aufgaben politischer Bildung. Zweitens ist im zeitgeschichtlichen Unterricht, in diesem politischen Kommunikationsprozeß der Generationen, nicht mehr wichtig, ob der Geschichtsunterricht oder der Politikunterricht sich der Aufgabe annimmt. Es sei nicht bestritten, daß die historische Betrachtungsweise auch hier andere Akzente setzt als die politikwissenschaftliche. Aber da es um die Geschichte gegenwärtiger Politik geht, sind die Perspektiven der beiden Fächer hier so sehr auf gegenseitige Ergänzung angewiesen, daß man den zeitgeschichtlich-politischen Unterricht sinnvoll und wissenschaftsangemessen auf Fächerintegration hin anlegen kann. Das heißt aber, der Lehrer sollte in beiden Disziplinen zu Hause sein.

V. Rationalität

Rationalität ist als Formprinzip wie auch als Ziel geschichtlich-politischer Bildung allgemein anerkannt. Es ist freilich zu fragen, was damit sinnvollerweise gemeint sein kann, welche Forderungen an geschichtliche und politische Bildung sich daraus ergeben und welche Folgerungen für das Verhältnis von Geschichts-und Politikdidaktik sich daraus ableiten lassen.

Unstreitig fordert das Prinzip Rationalität in unserer Zeit Wissenschaftsorientierung des Unterrichts, denn Wissenschaft als methodischer und damit intersubjektiv überprüfbarer Weg zur Wahrheitsfindung ist in einer hoch-komplexen arbeitsteiligen und pluralistischen Gesellschaft unentbehrliches Verständigungsmittel. Was aber heißt Wissenschaftsorientierung von Bildung? Selbstverständlich nicht Abbild-Didaktik, nicht Reduktion von Unterricht auf Vermittlung der Methodik und Systematik wissenschaftlicher Disziplinen. Die Didaktik führt andere, gewichtige Struktur-momente für die Planung von Unterricht ins Feld, Momente der Lern-und Motivationspsychologie sowie Relevanzkriterien der sozialen und politischen Situation von Individuen und Gruppen. Das alles ist unbestritten, jedenfalls unter Didaktikern.

Wissenschaftsorientierter Unterricht ist also nicht Wissenschaft, sondern wissenschaftlich fundierte Praxis. Das heißt: Was in dieser Praxis an Kenntnissen vermittelt, an Erkenntnissen gewonnen wird, muß wissenschaftlich haltbar sein; was wissenschaftlich umstritten ist, darf nicht als gesichert ausgegeben werden; wissenschaftliche Kontroversen in Fragen, die im Unterricht thematisiert werden, müssen in didaktisch angemessener Form Beachtung finden; die Pluralität von Theorien, Konzepten und Methoden darf auch durch die unvermeidliche didaktische Reduktion nicht völlig verlorengehen. Schließlich muß Didaktik Wege finden, das begrifflich-kategoriale und methodische Instrumentarium der einschlägigen wissenschaftlichen Disziplinen für Bildungsprozesse fruchtbar zu machen

Würde man diese Forderungen an Beispielen konkretisieren, dann wäre zu zeigen, wie sie allesamt eher dahin tendieren, gegen den in unserer Gesellschaft grassierenden Wissenschaftsaberglauben anzugehen, als etwa fertige Erklärungen zu liefern. Die naive Vorstellung, wissenschaftliche Disziplinen bildeten gleichsam Parzellen des Wirklichkeitsgeländes ab, in dem wir uns in Praxis bewegen, ist leider allzuweit verbreitet und wird in Werbung und Propaganda jeglicher Couleur massiv verstärkt. Wer aber nur ein wenig Einblick gewonnen hat in Perspektivität und Relativität moderner Wissenschaften, in die Zerspaltenheit ihrer Methoden, in die Problematik ihrer Prämissen und in die Vorläufigkeit ihrer Ergebnisse, der weiß, daß wissenschaftsorientierte Bildung eher zu Skepsis denn, zu Dogmatismus führt.

Die Sicherheit, mit der manche Lehrplan-und Richtlinienentwürfe gesellschaftlich-politischer Bildung der letzten Jahre ganze Lernzielketten im Stil von „Lernen, daß . . .“ vor-schrieben, war gerade nicht Ausdruck von Wissenschaftsorientierung. Politische Bildung beginnt nicht mit fixen Erklärungen, sondern mit Fragen, und das kategoriale Instrumentarium der Wissenschaften hilft, Fragen angemessen zu stellen.

Wonach aber wir dabei eigentlich fragen, das muß in Auslegung des Prinzips Rationalität noch verdeutlicht werden. Rationalität darf im Feld des Geschichtlich-Politischen nicht „positivistisch halbiert" (Habermas) werden. Es geht hier nicht nur um Fakten und Sachen, nicht nur um zweckrational faßbare Zusammenhänge, auch nicht nur um subjektive Wertrationalität. Es geht vielmehr grundlegend um Fragen des menschlichen Zusammenlebens. Es geht in Auseinandersetzung mit Geschichte wie mit Politik auch und wesentlich um normative Fragen, um gemeinsame Wertorientierungen und um Sinnverstehen. Geschichte und Gesellschaft/Politik sind keine Naturphänomene, sondern von Menschen hervorgebrachte veränderbare Gestalten und Gestaltungen. Zum Verstehen des Geschichtlichen ist deshalb die Frage nach seiner Sinnbasis ebenso unumgänglich wie für die Auseinandersetzung mit Politik die Frage nach dem, was auf Grund unserer heute geltenden Werte und Normen sein bzw. geschehen soll und verantwortbar ist. Wert-und Sinnorientierung dürfen allerdings nicht kurzschlüssig sein, was im Geschichtsunterricht heißen würde, frühere Zeiten mit der Elle heutiger Überzeugungen zu messen, was für den Politikunterricht heißen würde, Situationsanalyse und Erörterung politischer Möglichkeiten (wozu auch die Grenzen gehören) ideologisch oder moralisierend zu überspringen. Für den Geschichtsunterricht schlägt Karl Ernst Jeismann daher eine Ordnung der Lernziele nach den Kategorien Sachanalyse, Sachurteil, Werturteil vor, wobei selbstverständlich vergangene Wertsysteme und Möglichkeiten zu beachten seien. Dem Politikunterricht billigt er eine stärkere Handlungsorientierung zu, die er in " Wolfgang Hilligens bekanntem Dreischritt „Sehen-BeurteilenHandeln" angemessen erfaßt sieht Ich kann dem im Prinzip zustimmen, möchte nur vor mißverständlichem und mißverstehendem Sprechen über Handlungsorientierung des Politikunterrichts im Hinblick auf manche Übertreibung der letzten Jahre warnen. Der Schüler steht als Lernender nicht in der Ernst-situation politischen Entscheidens und Han-deins, und die öffentliche Pflichtschule hat nicht die Legitimation, ihn zu bestimmten politischen Aktionen zu führen. Der einzelne Schüler muß hier vor jedem vom Lehrer oder auch von der Klasse ausgehenden Druck geschützt bleiben. Nur so kann er freies und verantwortbares politisches Urteilen lernen. Aber freilich muß in diesem Urteilen die Handlungsdimension kategorial enthalten sein, als die Frage nach dem, was geschehen kann bzw. soll und wie der Bürger, der Betroffene, der Interessent, der Rechtsträger sich beteiligen, mitbestimmen, vorgehen kann. In diesen Prozeß der Urteilsbildung gehen zweifellos auch die Interessen der jeweiligen Schüler ein, und es ist legitim, wenn der Lehrer dem Schüler hilft, seine eigenen Interessen klar zu erkennen und zu artikulieren. Aber der Bildungsprozeß wäre gestört, wenn subjektive Interessen Vorurteile stabilisierten, statt daß diese in Frage gestellt werden.

Schule muß Urteilsbildung didaktisch als ein inneres Handeln erfahrbar und vollziehbar machen, und sie muß methodisch den gesamten Prozeß der Analyse, Erörterung, Urteilsbildung im Politischen in der Weise kommunikativ anregen, daß der Unterricht im analogen Sinn selbst politisches Handeln wird, nämlich eine dialogische und möglicherweise streitige Auseinandersetzung, in die die Beteiligten ihre Meinungen, ihre Überzeugungen und ihr Selbstverständnis einbringen. Ich will hier offen lassen, wie weit die politische Erwachsenenbildung Handlungsorientierung legitimerweise anders faßt. Aber auch dort muß das didaktische Arrangement auf Bildung, nicht auf Schulung zielen, und also die für freie Urteilsbildung notwendige Distanz gegenüber fixierten Meinungen und Interessen herstellen.

Geschichtliche und politische Phänomene stehen jedenfalls immer in sozialen Problemzusammenhängen und sind als Gegenstände von Bildungsbemühungen mit den Wert-, Sinn-und Selbstverständnisfragen der Beteiligten verknüpft. Bildung nach dem Prinzip der Rationalität kann deshalb nur heißen, sie zu Gegenständen dialogischer Auseinandersetzung zu machen. Information und Belehrung muß von gemeinsamen Reflexionsprozessen umgriffen sein, alle Beteiligten müssen die Chance haben, ihre Sinn-und Selbstverständnisfragen, die sich am problemhaltigen Gegenstand entzünden, in ein Gespräch einzubringen. Daher ergeben sich aus dem Rationalitätsprinzip Anerkennung der Pluralität von Meinungen und Überzeugungen und Toleranz, Verzicht auf Indoktrination, auf Überwältigung des Schülers oder des Adressaten durch den überlegenen Lehrer, Verzicht auf Parteilichkeit der Lehrziele.

Für den Politikunterricht heißt dies, daß einerseits die ethische und politisch-partizipatorische Dimension des Urteilens, Entscheidens, Handelns im Gespräch erreicht werden muß, daß andererseits Lehrprogramm und Lehrer das Verhältnis von Zustimmung und Kritik offenhalten müssen. Für den Geschichtsunterricht heißt es, daß es weder um naive Tratitionspflege noch um kritische Traditionsauflösung geht, sondern um Traditionsreflexion, um historische Aufklärung, die sich der Methoden und Erkenntnisse der Historie soweit wie möglich bedient, darüber hinaus aber, wie das auch jede große Geschichtsschreibung tut, die „Bewältigungsdimension" einbezieht, das heißt, daß nach unserem Verhältnis zum Geschichtlichen gefragt wird. Geschichtsunterricht kann, zumal, in einer weltanschaulich pluralen Gesellschaft, nicht geschichtlich fundierte Identität der Individuen und Gruppen sowie der Gesamtgesellschaft stiften; er kann aber, indem er die Pluralität der Identitäten respektiert und reflektiert, dem einzelnen kritische Identifikation ermöglichen.

In geschichtlich-politischer Bildung, die einer demokratisch verfaßten Gesellschaft angemessen ist, bedingen einander offenes Geschichtsbild, offene Gesellschaft, politischer Relativismus und Toleranz,'und zwar nicht aus Desinteresse an der Wahrheit, sondern auf der Basis eines Sinnkonzepts des Zusammenlebens, nach dem die Wertorientierungen und die Sinnfragen Gegenstand argumentativen Gesprächs, die Ziel-und Interessenkonflikte Gegentand demokratisch-politischen Streitens und Entscheidens sind. Unser gemeinsamer Maßstab sei die zur Tradition gewordene Geschichte unseres bisherigen Streits, meinte Hartmut von Hentig kürzlich Das ist wenig, aber nicht zu wenig, wenn wir festhalten, daß dazu die Fundamentalnormen des freiheitlichen Verfassungsstaates gehören: personale Menschenwürde, Politik eingrenzende und zugleich verpflichtende Menschenrechte und die Strukturprinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

VI. Zusammenfassung

Das Ergebnis unserer Überlegungen zum Verhältnis von Geschichts-und Politikunterricht lautet: — Auf der Zielebene gibt es keinen Unterschied zwischen geschichtlicher und sozialkundlich-politischer Bildung. Versteht man politische Bildung nur weit genug und formuliert man ihre Ziele in einer Weise, daß sie‘allen Gruppen in unserer Gesellschaft zumutbar sind, dann kann man sagen, die beiden Fächer Geschichte und Politikunterricht/Sozialkunde ergänzten sich gegenseitig unter der gemeinsamen Zielsetzung politischer Bildüng. Beide arbeiten an der Aufklärung unseres geschichtlich-politischen Bewußtseins als einer Voraussetzung rationaler und humaner Bewältigung von Problemen unseres Zusammenlebens — Auf der Ebene der Grundbegriffe/Kategorien und Methoden ist zunächst einmal der je spezifische Aspekt der beiden Disziplinen zu unterscheiden. Der konstitutive Aspekt der Geschichtswissenschaft ist die Frage nach dem Vergangenen in seinem Zusammenhang mit uns in unserer Gegenwart. Der konstitutive Aspekt der Politikwissenschaft ist die Frage nach der Möglichkeit der Bewältigung gesamtgesellschaftlicher Probleme und Aufgaben. Dieser je spezifische Aspekt differenziert sich aus in einem begrifflich-kategorialen und methodischen Instrumentarium, das den beiden Disziplinen teilweise gemeinsam ist. — Thematisch-inhaltlich ergibt sich daraus die Notwendigkeit der Unterscheidung, aber auch der Zuordnung von Aufgaben/Thementypen geschichtlicher und sozialkundlich-politischer Bildung. Beide Fächer brauchen die Möglichkeit, die ihren Objekten und ihren Kategorien entsprechenden Thementypen eigenständig zu entfalten. Gerade dadurch wirken sie zusammen an der Aufgabe politischer Bildung. Die historisch-genetische Bearbeitung eines geschichtlichen Zusammenhangs und der historische Längsschnitt einerseits, die sozialwissenschaftlich-politische Analyse eines Problems andererseits sind zwei Aufgaben, die gleichsam quer zueinander stehen, die deshalb methodisch nicht gleichzeitig zu bewältigen sind, aber sich ergänzend aufeinander beziehen können. Der historische Querschnitt oder die Konstellationsanalyse und die politikwissenschaftliche Fall-oder Situationsanalyse arbeiten zwar mit gleichen Fragestellungen und teilweise gleichen Methoden, aber in der Regel an unterschiedlichen Gegenständen. Erst wenn beide in klarer Unterscheidung durchgeführt sind, wird ein Vergleich von geschichtlicher und gegenwärtig-aktueller Situation sinnvoll und fruchtbar.

Dasselbe gilt für die ebenfalls in beiden Fächern mögliche systematisch-strukturierende Betrachtung. Gleiche Begriffe (z. B. Herrschäft, Staat, Revolution, Kapitalismus, Sozialismus, Parlamentarismus, Demokratie usw.) decken fundamentale Unterschiede zwischen Vergangenheit und Gegenwart eher zu als auf, wenn nicht historisch sauber die Normen, Institutionen und Strukturen vergangener Epochen einerseits und unserer Gesellschaft andererseits in sich analysiert werden. Schließlich beginnt ja die Aufgabe historischer Ortsbestimmung der Gegenwart, der Beitrag der Geschichte zu politischer Bildung, mit der historischen Klärung unserer politischen Grundbegriffe, Normen und Institutionen.

In oberflächlicher Fächerintegration, in einem begrifflich-kategorialen und methodischen Einheitsbrei ist das alles nicht zu leisten. Gerade um der politischen Bildung willen braucht der Geschichtsunterricht begrifflich, methodisch und thematisch ebenso seine Eigenständigkeit wie der Politikunterricht. Aber wer die Eigenständigkeit der Geschichte nur aus einem antiquarischen, beliebigen Geschichtsinteresse begründet, vergißt die Bedeutung der Geschichte für politische Bildung. Politische Bildung braucht Geschichte, Geschichtsunterricht ist politische Bildung

Was hier an Gemeinsamkeit der beiden Fächer Geschichts-und Politikunterricht/Sozialkunde beschrieben ist, scheint mir hinsicht-lieh der Fächerkoordination gleichsam das gemeinsame Minimum der am Gespräch beteiligten Didaktiker, unbeschadet unterschiedlicher weltanschaulich-politisch und wissenschaftstheoretisch bedingter Positio-Nachbardisziplinen. Die wesentlichen Gedanken beider Arbeiten sind ferner eingegangen in einen „Entwurf einer didaktischen Konzeption für den Grundkurs Gemeinschaftskunde in der Mainzer Studienstufe", Hrsg. Arbeitsstelle für Lehplanentwicklung und -koordination des Landes Rheinland-Pfalz, Bad Kreuznach 1977. Dort ist auch die Erdkunde einbezogen, über die ich hier mangels Fachkompetenz nicht gesprochen habe. nen. Wenn das so ist, dann wäre es an der Zeit, für die Sekundarstufe I in allen Schularten eine dementsprechende Verteilung des vorhandenen Studentendeputats vorzunehmen und die beiden Fächer Geschichte und Sozial-kunde curricular aufeinander hinzuordnen. Dies bleibt unmöglich, wenn die in den meisten Bundesländern heute gegebene beklagenswerte Randposition der Sozialkunde, insbesondere ihre Beschränkung auf die Abschlußklassen, zementiert bleibt. Der Geschichstunterricht wird dann weiterhin relativ beziehungslos zu den Aufgaben und Fragestellungen politischer Bildung bleiben.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die prägnanteste Darstellung des Zusammenhangs von Historie und Didaktik findet man in den Beiträgen zu Erich Kosthorst (Hrsg.), Geschichtswissenschaft. Didaktik — Forschung — Theorie, Göttingen 1977.

  2. Walther Hofer, Geschichte zwischen Philosophie und Politik. Studien zur Problematik des modernen Geschichtsdenkens, Stuttgart 1956.

  3. Hermann Heimpel, Der Mensch in seiner Gegenwart. Sieben historische Essays, Göttingen 1954; Reinhard Wittram, Das Interesse an der Geschichte, Göttingen 1958.

  4. Waldemar Besson, Geschichte als politische Wissenschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 46/62; derselbe, Zur gegenwärtigen Krise der deutschen Geschichtswissenschaft, in: Gesellschaft — Staat — Erziehung, 1963, Heft 3; Hans Mommsen, Politische Wissenschaft und Geschichtswissenschaft, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Heft 4/1962. Dazu ferner das von Waldemar Besson erstmals 1961 herausgegebene Fischer-Lexikon „Geschichte".

  5. Vgl. Besson und Mommsen in den genannten Aufsätzen; ferner Hofer, a. a. O., S. 15 ff., S. 26, S. 134 ff.

  6. Vgl. Hofer, a. a. O„ S. 129 ff., S. 168 ff., ferner Besson und Mommsen sowie die Aufsätze: Historismus, Historische Methode, Historisches Denken der Gegenwart, Universalgeschichte, im genannten Fischer-Lexikon.

  7. Als herausragenden Versuch vgl. Karl Dietrich Erdmann, Entwurf einer historischen Gegenwartskunde, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 1963, S. 28 ff.

  8. Vgl. Karl Ernst Jeismann, Historischer und politischer Unterricht, in: Rolf Schörken (Hrsg.), Zur Zusammenarbeit von Geschichts-und Politikunterricht, Stuttgart 1978, S. 16.

  9. Vgl. insbesondere Joachim Rohlfes, Umrisse einer Didaktik der Geschichte, Göttingen 1974 3; Joachim Rohlfes und Karl Ernst Jeismann (Hrsg.), Geschichtsunterricht. Inhalte und Ziele, Stuttgart 1974, Beiheft zu „Geschichte in Wissenschaft und Unterricht“; Historischer Unterricht im Lernfeld Politik, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 96, Bonn 1973; in dem in Anmerkung 8 ferner genannten Sammelband von Schörken läßt sich die Fortsetzung der Diskussion zwischen den unterschiedlichen Theoriekonzepten verfolgen; vgl. ferner Anm. 16.

  10. Unterschiedliche didaktische Konzepte kategorialer Erschließung von Politik sind; Hermann Giesecke, Didaktik der politischen Bildung, Neue Ausgabe, 7. neubearb. Aufl., München 1972; Wolfgang Hilligen, Zur Didaktik des politischen Unterrichts I, Opladen 1975; Bernhard Sutor, Didaktik des politischen Unterrichts, Paderborn 1973 s.

  11. Vgl. die in den Anmerkungen 9 und 16 genannten Titel.

  12. Jeismann bei Schörken (vgl. Anmerkung 8), S. 30 f.

  13. Vgl. meine in Anmerkung 10 genannte Didaktik, bes. S. 39 ff. und S. 166 ff.

  14. Jeismann bei Schörken (vgl. Anmerkung 8), S. 31.

  15. Karl-Georg Faber, Theorie der Geschichtswissenschaft, München 1971, S. 35.

  16. Jeismann bei Schörken (vgl. Anmerkung 8), S. 31; ferner: Behrmann/Jeismann/Süssmuth, Geschichte und Politik. Didaktische Grundlegung eines kooperativen Unterrichts, Paderborn 1978, S. 17 f., über Inhalte des Geschichtsunterrichts.

  17. Vgl. J. Rohlfes in der in Anmerkung 9 genannten Schrift der Bundeszentrale, S. 86 ff.; ferner meinen in Anm. 33 genannten Aufsatz.

  18. Arnold Bergsträsser, Geschichtliches Bewußtsein und politische Entscheidung, in: Geschichte und Gegenwartsbewußtsein. Festschrift für Hans Rothfels, Göttingen 1963, S. 14.

  19. Jörn Rüsen, Historik und Didaktik, bei Kost-horst (vgl. Anmerkung 1), S. 48; vgl. ferner Behrmann/Jeismann/Süssmuth (Anmerkung 16), S. 55 ff., und Jeismann bei Schörken (Anmerkung 8), S. 31 f-

  20. Dies ist im wesentlichen eine Frage nach dem Stand der Forschung und nach der Materiallage. So ist z. B. in der Geschichtswissenschaft die Zeit der Römischen Revolution, der Übergang von der Republik zur Kaiserzeit besser erforscht und materialiter im Unterricht besser zugänglich als etwa die Kaiserzeit selbst. Gegenstände, an denen Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Fächer im Kategorialen und im Methodischen gut demonstrierbar wären, sind z. B. neuzeitliche Revolutionen, das Scheitern der Weimarer Republik oder der Komplex Faschismus/Nationalsozialismus/Totalitarismus.

  21. Man wird also nicht verzichten können auf die Themenfelder der Inneren Politik (Meinungsund Willensbildung/Medien, Verbände, Parteien; politisch-parlamentarischer Prozeß; Rechtsordnung und Rechtspolitik), der Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik (Wirtschaftsordnung; Konjunktur-und Strukturpolitik; Sozialstaatsprinzip und Sozialpolitik; Okonomie-Okologie-Problematik), der Internationalen Politik (Deutschlandfrage; Europapolitik; Bündnissysteme, Rüstung und Friedenssicherung sowie Entspannungspolitik; Entwicklungspolitik; Vereinte Nationen). Die thematische Strukturierung, die Intensität und Extensität der Behandlung dieser Themenbereiche ist damit freilich noch völlig offen.

  22. Hermann Heimpel, Entwurf einer deutschen Geschichte, in: Heimpel 1954 (vgl. Anmerkung 3), S. 166 u. 181.

  23. Vgl. Jürgen Kocka, Sozialgeschichte — Strukturgeschichte — Historische Sozialwissenschaft. Vorüberlegungen zu ihrer Didaktik, in: Geschichtsdidaktik, Heft 4/1977, S. 284 ff.

  24. Vgl. die Thementypen und den Themenkatalog bei Behrmann/Jeismann/Süssmuth (Anmerkung 16), S. 228 ff; die Übersicht dazu ebenfalls bei Jeismann (Schörken-Band, vgl. Anmerkung 8), S. 66 ff.

  25. Ein Symptom dieser Entwicklung: auf der ersten von inzwischen insgesamt drei Tagungen, die die Deutsche Vereinigung für politische Bildung gemeinsam mit dem Gesamtdeutschen Institut 1976 zur Deutschlandfrage veranstaltete, kam die eine von zwei Arbeitsgruppen, bestehend aus vornehmlich jungen Lehrern, in eintägiger Diskussion zu dem Ergebnis, unter einer Deutschen Frage könnte sie sich nichts vorstellen. Es sei hinzugefügt, daß die Tagung insgesamt und die weiteren Tagungen der Jahre 1977 und 1978 bei diesem entwaffnenden Ergebnis nicht stehen blieben.

  26. Wanda Kampmann, Zur Didaktik der Zeitgeschichte, Stuttgart 1968, S. 86 ff.

  27. Hans Buchheim, Totalitäre Herrschaft — Wesen und Merkmale, München 1962.

  28. So zuletzt Alfred Schickel, Was Schüler von Hitler wissen, in: FAZ vom 17. 4. 1979.

  29. Vgl.den bei Behrmann/Jeismann/Süssmuth (Anmerkung 16), S. 15 f., und bei Jeismann (Schörken-Band, Anmerkung 8), S. 22 L, umschriebenen Begriff von Fachdidaktik; ferner meine Didaktik (Anmerkung 10), S. 21 ff.

  30. Jeismann bei Schörken (Anmerkung 8), S. 44 f.; Behrmann/Jeismann/Süssmuth (Anmerkung 16), S. 81 ff.

  31. Hartmut von Hentig in: FAZ vom 25. 8. 1978.

  32. Vgl. Behrmann/Jeismann/Süssmuth (Anmerkung 16), S. 238, zur „Beziehung des Lernzielgefüges"; hier sollte man allerdings richtiger von Leitoder Richtzielen sprechen.

  33. In einer stärker systematisch-deduktiven Ableitung habe ich die hier erörterten Fragen dargestellt in meinem Beitrag „Geschichte als politische Bildung" zu dem demnächst erscheinenden Sammelband von Wolfgang W. Mickel (Hrsg.), Politikunterricht im Zusammenhang mit seinen

Weitere Inhalte

Bernhard Sutor, Dr. phil., geb. 1930; Inhaber des Lehrstuhls für Didaktik der Sozialkunde an der Kirchlichen Gesamthochschule Eichstätt; seit 1968 Mitarbeit an der Lehrplanentwicklung in Rheinland-Pfalz. Veröffentlichungen: Politik und Philosophie, Mainz 1966; Didaktik des politischen Unterrichts, Paderborn 1971, 19732; Grundgesetz und politische Bildung, Hannover und Mainz 1976; Politik, Lehrund Arbeitsbuch für Sekundarstufe II (Hrsg.), Paderborn 1979; zahlreiche Aufsätze über Grenzfragen zwischen Philosophie und Politik sowie zur Geschichts- und Politikdidaktik.