Einleitung
Unter dem Stichwort „Antidiskriminierungsgesetz" ist die Frage nach dem besten Mittel zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz in jüngster Zeit wiederholt gestellt worden.
Es heißt im Grundgesetz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Im Arbeitsleben sind die Frauen jedoch nach wie vor erheblich benachteiligt: Sie sind überwiegend in die unteren Lohngruppen eingestuft; je anspruchsvoller die Positionen, desto geringer der Anteil der Frauen; die Gefahr der Arbeitslosigkeit ist für sie größer als für Männer; überdies verzichten Frauen häufig darauf, ihre Rechte dem Arbeitgeber gegenüber wahrzunehmen; sie befürchten, daß ein Kampf um ihr Recht aussichtslos ist, daß sie ihre Lage nur noch weiter verschlechtern können; vor allem fürchten sie den Verlust des Arbeitsplatzes 1).
Bei der Gleichberechtigung der Frauen am Arbeitsplatz geht es also um zwei Bereiche: den rechtlichen und den tatsächlichen.
Im rechtlichen Bereich handelt es sich um die Frage, ob ein Gleichberechtigungsgesetz überhaupt nötig ist, weil eventuell bereits nach bestehender Rechtslage die Frauen mit den Männern gleichgestellt sind.
Im tatsächlichen Bereich geht es — über die grundsätzliche Rechtslage hinaus — darum, ob die Durchsetzung der auch den Frauen zustehenden Rechte besondere Zwangsmittel erfordert. Beide Bereiche sind Gegenstand einer Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften. Sie verpflichtet die Mitgliedsstaaten, in dieser Angelegenheit gesetzgeberisch tätig zu werden. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat daraufhin den Entwurf eines Gesetzes vorgelegt; darin wird vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz ausgegangen, um die Gleichbehandlung auch in der Praxis durchzusetzen.
In der Auseinandersetzung über die Durchsetzung der Gleichberechtigung am Arbeitsplatz orientiert man sich häufig an Maßnahmen, die in ähnlich gelagerten Fällen in anderen Ländern, vor allem in den USA, ergriffen werden. Deshalb soll auch die Situation in den USA kurz angeschnitten werden.
Es wird gelegentlich behauptet, ein Antidiskriminierungsgesetz, das die rechtliche INHALT Einleitung I. Von Weimar nach Bonn II. Der Gleichberechtigungssatz Stellung im Rechtssystem Ansichten der 50er Jahre Wirkungsbereich Konkurrenz von Freiheit und Gleichheit III. Der Gleichbehandlungsgrundsatz Rechtsgrundlagen Inhalt und Auswirkungen IV. Gleichberechtigung am Arbeitsplatz morgen Ausgangspunkt: EG Benachteiligungsverbot Umgekehrte Beweislast Schadensersatzanspruch Gleicher Lohn für gleiche Arbeit Ergebnis Gleichstellung von Mann und Frau im Arbeitsleben behandelt, sei in der Bundesrepublik überflüssig, weil es an der geltenden Rechtslage zugunsten der Frau nichts ändern könne. Der Artikel 3 des Grundgesetzes stelle die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau bereits her. Wenn ein an sich wünschenswertes zahlenmäßiges Verhältnis zwischen Frauen und Männern in den einzelnen Arbeitsbereichen nicht vorhanden sei, so handele es sich hier nicht um ein rechtliches, sondern um ein politisches Problem. Gesell-schaftliche Kräfte seien aufgefordert, sich verstärkt für die Frauen einzusetzen. Rechtliche Diskriminierungen seien gar nicht mehr vorhanden, so daß ein weiteres Gesetz auch nicht in der Lage sein könne, diese aufzuheben. Ob das tatsächlich der Fall ist, soll hier untersucht werden.
I. Von Weimar nach Bonn
Bereits in der Verfassung der Weimarer Republik war in deren Grundrechtsteil ein Gleichheitssatz aufgenommen. Er bezog sich auf die Gleichheit aller Deutschen vor dem Gesetz.
Bis zum Ende der Weimarer Republik bestand aber Streit darüber, ob der Gleichheitssatz nur im Hinblick auf die Verwaltung und die Rechtsprechung gelte oder ob sich auch der Gesetzgeber daran zu halten habe. Es ging um die Frage, ob es den Gerichten gestattet sei, die vom Reichstag erlassenen Gesetze daraufhin zu überprüfen, ob ihr Inhalt gegen die Verfassung verstoße. Denn das Parlament sei Repräsentant des souveränen Volkswillens und ihm komme daher eine größere Bedeutung zu als im konkreten Falle der Rechtsprechung Hinzu kommt, daß die Verfassungssätze von Weimar von durchaus unterschiedlicher rechtlicher Qualität waren. So unterschied man zwischen Grundrechts-sätzen, die bloße Programme oder unerzwingbare Zielsetzungen für den Gesetzgeber aufstellten, und anderen Grundrechtssätzen, die unmittelbar anwendbares Recht waren.
Den Streit um die Auslegung der Grundrechtssätze und der damit verbundenen Unsicherheit gibt es in dieser Form in der Bundesrepublik nicht mehr.
Denn nach Art. 1 Abs. 3 GG werden alle nachfolgenden Grundrechte, also auch der Gleichheitssatz, der Gleichberechtigungssatz und das Benachteiligungsverbot des Art. 3 GG, zu unmittelbar geltenden Rechtsnormen erklärt Sie sind also nicht ausschließlich Programmsätze, politische Begriffe oder Leer-formeln, sondern echte Rechtsnormen, die für die Lösung konkreter Streitigkeiten verwend-bar sind Dies aber ist zumindest ein Anhaltspunkt dafür, daß ein neues Gleichstellungsgesetz tatsächlich nur wiederholenden Charakter haben könnte und damit dann wohl überflüssig wäre.
Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) besagt, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind.
Spezialfälle des Gleichheitssatzes sind in den Absätzen 2 und 3 geregelt. Besondere Bedeutung kommt ihrer Anwendung auf das rechtliche Verhältnis von Mann und Frau zu.
Nach Art. 3 Abs. 2 GG sind Männer und Frauen gleichberechtigt (Gleichberechtigungssatz). Nach Art. 3 Abs. 3 GG darf niemand wegen seines Geschlechts ... benachteiligt oder bevorzugt werden (Benachteiligungsverbot). Offen bleibt die Frage, welche Überlegungen den Grundgesetzgeber veranlaßt haben könnten, die in Absatz 2 und 3 enthaltenen Spezialvorschriften zum allgemeinen Gleichheitssatz überhaupt in das Grundgesetz aufzunehmen. Wenn der Gleichberechtigungssatz und das Benachteiligungsverbot ohnehin im allgemeinen Gleichheitssatz enthalten sind, dann — überträgt man einmal die Gedanken zur Notwendigkeit eines neuen Gleichstellungsgesetzes — wären eigentlich auch sie überflüssig.
Nun wäre es sicherlich verfehlt, wenn man gerade im Zusammenhang mit der Verfassung allein formaljuristisch argumentieren würde. Die Verfassung ist eine politische Grundentscheidung. Politische Zielsetzungen waren die entscheidenden Gesichtspunkte der Väter des Grundgesetzes. Sie wollten kein kurzlebiges Gesetz zur Regelung akuter Probleme schaffen, sondern die Basis für eine langfristige politische Entwicklung auf der Grundlage demokratischer Prinzipien schaffen; dazu gehört auch die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau. Mit dem Gleichberechtigungssatz für das Verhältnis von Männern und Frauen sollte nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch in der Familie und im gesellschaftlichen Leben ein Schlußpunkt unter eine geschichtliche Entwicklung gesetzt werden, die von jahrhundertelangen Diskriminierungen der Frau, aber auch von ihrem Kampf um rechtliche und tatsächliche Gleichstellung mit dem Mann zeugt Vor der Verabschiedung des Grundgesetzes gab es zahlreiche Rechtsvorschriften, die die Männer anders behandelten als die Frauen. In der Regel waren es Vorschriften, die der Frau eine eindeutig schlechtere Rechtsposition gaben als dem Mann.
Die Aufnahme des Gleichberechtigungssatzes in das Grundgesetz hätte an sich am Tage seines Inkrafttretens alle die Frau diskriminierenden Rechtsvorschriften ungültig werden lassen müssen, weil sie gegen die Verfassung verstießen. Bei der nahezu unübersehbaren Zahl derartiger Vorschriften hätte das jedoch zu einer heillosen Verwirrung und damit zu einer ganz erheblichen Rechtsunsicherheit geführt Um dies zu vermeiden, gewährte der Grundgesetzgeber dem Bundestag eine Übergangszeit bis zum 31. März 1953; in dieser Zeit sollte dem Gleichberechtigungssatz entgegenstehendes Recht in verfassungsmäßiger Form abgeändert werden.
Offensichtlich war diese Frist — rd. vier Jahre — zu kurz angesetzt. Auf dem wichtigen Gebiet des Ehe-und Familienrechts kam der Gesetzgeber seinem Auftrag erst mit dem Gleichberechtigungsgesetz vom 18. Juni 1957 — wenn auch nur in durchaus unvollständiger Form — nach Hieran zeigt sich, daß die Materie schwierig ist. Die Schwierigkeit ist aber wohl weniger im juristischen als im soziologischen und im psychologischen Bereich zu sehen.
Jahrhundertelang war der Großteil der Bevölkerung davon überzeugt, daß Rechtsvorschriften, die die Frau benachteiligten, in eine harmonisch gefügte Ordnung hineinpaßten und dem Wesen der Frauen entsprä-chen. Solche Einstellungen konnten nicht mit einem Schlage durch ein Gesetz beseitigt werden. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß von den Parlamentariern der jungen Bundesrepublik die Frau diskriminierende Vorschriften als solche gar nicht erkannt oder aus Gründen der Praktikabilität einfach für notwendig befunden wurden.
Kurz, es zeigt sich, daß das Grundgesetz von Anfang an auch eine besondere erzieherische Funktion hatte, mit dessen Hilfe die Vorstellungen von der Gleichberechtigung von Mann und Frau in eine zeitgemäße Form gelenkt werden sollten. Nicht zuletzt hieraus ist zu erklären, daß der Grundgesetzgeber meinte, den allgemeinen Gleichheitssatz durch den Gleichberechtigungssatz und das Benachteiligungsverbot erläutern zu müssen.
Mit der Hervorhebung dieser beiden Ausformungen ist die zugrunde liegende Materie natürlich nicht in ihren Einzelheiten geregelt; eine Vielzahl von Fragen ist offengeblieben, die entweder im Laufe der Zeit beantwortet wurden oder auch heute noch auf eine Regelung durch den Gesetzgeber warten. So kann dieser u. a. dazu beitragen, das Problem der Gleichberechtigung von Mann und Frau einer breiten Öffentlichkeit durch präzise Rechts-vorschriften bewußtzumachen und damit zur Rechtssicherheit beizutragen. Darüber hinaus kann er an der Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung der Frau mitwirken.
Dies scheint auch deshalb von besonderer Bedeutung zu sein, weil sich gerade das Prinzip der Gleichheit in der Entwicklung befindet und dabei in seiner Bedeutung zugenommen hat. Bezog es sich ursprünglich allein auf die Gleichheit vor dem Gesetz, so gilt es heute auch für die politische Mitbestimmung, wie sie sich im Wahlrecht zu den politischen Körperschaften darstellt oder als sozialstaatliche Gleichheit im Sinne einer Gerechtigkeit für alle.
Natürlich muß dieser Sachverhalt von den politischen Entscheidungsgremien erst einmal erkannt werden. Ist dies aber der Fall, dann muß — und dies ist der entscheidende Punkt — der politische Wille nicht nur dieser Gremien, sondern auch der gesellschaftlichen Kräfte wie etwa der der Gewerkschaften und der der Arbeitgeberverbände darauf gerichtet sein, Gleichberechtigung zu verwirklichen. Man kann indessen nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß ein in dieser Richtung zielender Wille tatsächlich allenthalben vorhanden ist. Anzunehmen ist vielmehr, daß gerade in Zeiten einer nachlassenden Wirtschaftskonjunktur die stärkere Teilnahme der Frauen, am Arbeitsleben den verschärften Wettbewerb mit den dominierenden Männern bedeutet. Im Kampf um einen Arbeitsplatz aber ist von einem Mann kaum soviel Ein-sicht zu erwarten, daß er einer Frau den Vor tritt läßt. Aber auch bei den Interessenvertre tungen der Arbeitnehmer ist von dem Willen Gleichberechtigung zu praktizieren, nur we nig festzustellen; denn über die „Konzes sions" -frau hinaus sind auch in den Vor standsetagen der Gewerkschaften i. d. R. nu Männer anzutreffen.
II. Gleichberechtigungssatz
Stellung im Rechtssystem
Wenn der Gleichberechtigungssatz ausreicht und damit jedes Gesetz, das dazu beitragen soll, die Gleichberechtigung der Geschlechter im Arbeitsleben zu verwirklichen, überflüssig macht, muß der Gehalt des Art. 3 Abs. 2 GG und seine Auswirkungen für jedermann deutlich werden. Art. 3 Abs. 2 GG ist zunächst einmal ein Spezialfall, eine konkrete Ausformung des allgemeinen Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gleichheitssatz ist ein umfassendes Gebot, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln und die Gesetze ohne Ansehen der Person anzuwenden -Er ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender, sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Ungleichbehandlung nicht finden läßt, wenn also die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß.
Der Gleichberechtigungssatz nach Art. 3 Abs. 2 GG sagt, daß Differenzierungen auf Grund des Geschlechts nicht zulässig sind Der dem Gesetzgeber verbleibende Spielraum ist wesentlich enger als der des in Art. 3 Abs. 1 geregelten allgemeinen Willkür-verbots Ihm ist grundsätzlich untersagt, unterschiedliche Regelungen für Männer und Frauen unter Berufung auf das verschiedene Geschlecht einzuführen. Es wird hier trotz der vorhandenen Ausnahmen von einem „absoluten Differenzierungsverbot" gesprochen. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn sie sich mittelbar oder unmittelbar aus der biologischen Verschiedenheit von Mann und Frau ergeben. So spielt der Gleichberechtigungs-satz im Mutterschutzrecht keine Rolle Andererseits wird der Gleichberechtigungs satz auch durch andere Grundrechte einge schränkt, wie etwa durch Art. 12 Abs. 1 GC (Beschränkung der Wehrpflicht auf Männer oder Art. 12 Abs. 4 GG (Ausschluß der Frauen von Dienstleistungen mit der Waffe) Auch wenn hier nicht die Einführung der Wehrpflicht für Frauen befürwortet werden soll, so ist doch festzuhalten, daß diese Einschränkungen des Gleichberechtigungssatzes auf Herkommen und Sitte beruhen und damit Relikte einer traditionellen Vorstellung von den „frauengemäßen" Aufgaben des weiblichen Geschlechts sind. Zwar handelt es sich hier nicht um eine Benachteiligung der Frauen, sondern eher um eine Bevorzugung, aber schließlich sollen durch den Gleichberechtigungssatz nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer geschützt werden.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind die Frauen „auf den (rechtlichen) Status der Männer" angehoben worden Ob dies jedoch eine vom Verfassungsgeber nicht beabsichtigte „Umschichtung der Gesellschaftsordnung" auf die Dauer ausschließt, bleibt offen. Schließlich ist es absurd zu meinen, man könne einerseits rd. 50 Prozent der Bevölkerung, die rechtlich benachteiligt sind, die gleichen Rechte zuerkennen wie der anderen Hälfte der Bevölkerung und sich auch um die Durchsetzung dieser Rechte bemühen, andererseits aber davon ausgehen, daß das soziale Verhältnis in einem Zustand der Gleichberechtigung das gleiche sei wie in einem Zustand.der Uber-und Unterordnung.
Ansichten der fünfziger Jahre Heute erscheint uns das Differenzierungsverbot zwischen Mann und Frau als etwas Selbstverständliches. Aber noch bis zur Mitte der fünfziger Jahre vertraten herausragende Rechtslehrer Auffassungen, die heute antiquiert anmuten. So wurden generelle Lohn-und Gehaltsabschlagsklauseln in Tarifverträgen zu Lasten weiblicher Arbeitnehmer für zulässig gehalten, weil sie auf Grund der „typischen andersartigen sozialen Stellung der Frau gegenüber dem Mann" sowie auf Grund des „typisch geringeren wirtschaftlichen Wettes der Frauenarbeit" vereinbart wurden. Niedrigere Frauenlöhne seien i. d. R. auch nicht sittenwidrig. Es komme vielmehr darauf an, ob ein Wirtschaftszweig die Anhebung der Frauenlöhne auf das Niveau der Männerlöhne wirtschaftlich tragen könne. Letzten Endes müsse man befürchten, daß die Erhöhung der Frauenlöhne zu Lasten der Männer erfolge überhaupt würde man den Frauen mit der Lohngleichheit einen „Bärendienst" erweisen, weil im Eventualfall dann gerade die Frauen entlassen würden
Wirkungsbereich Obwohl der Gleichberechtigungssatz unmittelbar geltendes Recht ist, muß man doch fragen, für wen die Rechtsnorm des Art. 3 Abs. 2 GG bindend ist. An wen richtet sie sich?
Zunächst einmal wendet sie sich an den Staat und bindet dessen Gesetzgebungsorgane, die Rechtsprechung und die Verwaltung. Denn Grundrechte sind ihrer Natur nach in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat Aber auch für die Tarifparteien — Arbeitgeber und Arbeitnehmer — ist Art. 3 Abs. 2 GG bindend und setzt ihnen Grenzen Die Tarifautonomie ist von vornherein als grundrechtlich beschränkte Befugnis gegeben. So konnte das Bundesarbeitsgericht auch Tarifvertragsbestimmungen mit der Begründung aufheben, sie verstießen gegen den Satz von der Gleichberechtigung der Geschlechter
Dagegen ist die Lehre von der unmittelbaren Geltung der Grundrechte unter Privaten, also etwa zwischen dem einzelnen Arbeitgeber und dem einzelnen Arbeitnehmer, insbesondere bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses, durchaus umstritten. Die sog. Drittwirkung der Grundrechte wird vom Bundesarbeitsgericht — allerdings ohne abschließende Stellungnahme — für die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter praktischen Gesichtspunkten, aber ohne einheitliche theoretische Fundierung, weitgehend vertreten Sie findet beim Bundesverfassungsgericht nur vorsichtige Anwendung und wird in der theoretischen Auseinandersetzung angegriffen, z. T. uneingeschränkt abgelehnt Die unmittelbare Drittwirkung des Art. 3 GG wird vor allem deshalb angezweifelt, weil damit die Privat-autonomie, das allgemein gültige Prinzip der Vertragsfreiheit, zerstört werde. Daher müsse das Grundrecht der Freiheit das Grundrecht der Gleichheit einschränken. Die Bemühungen des Bundesarbeitsgerichts, durch unmittelbare Anwendung des Art. 3 GG Unbilligkeiten im Arbeitsleben auszugleichen, werden schlicht als „verkorkst" bezeichnet.
In der Tat hat das Bundesarbeitsgericht Schwierigkeiten, wenn es einerseits Art. 3 GG direkt anwendet, auf der anderen Seite aber auch die Privatautonomie als verbürgtes Grundrecht anerkennen muß.
Konkurrenz von Freiheit und Gleichheit
Es ist, folgt man dieser etwas zwiespältigen Haltung des Bundesarbeitsgerichts, offenkundig, daß beide Grundrechtsprinzipen — Gleichheit und Freiheit — miteinander in einem Konkurrenzverhältnis stehen. Wem soll Schutz gewährt werden: dem, der sich auf das Grundrecht der Freiheit, oder dem, der sich auf das Grundrecht der Gleichheit beruft? Diese Situation ruft ein Gefühl der Unsicherheit hervor — ein Gefühl der Rechtsunsicherheit!
Natürlich soll die Freiheit der Vertragsgestaltung soweit wie möglich erhalten bleiben. Andererseits kann dieses Prinzip dem wirtschaftlich Mächtigen dem wirtschaftlich Schwachen gegenüber eine derart beherrschende Stellung einräumen, daß aus praktischen und ethischen Notwendigkeiten heraus wenigstens mittelbar der Rechtsgedanke des Art. 3 GG auf das einzelne Arbeitsverhältnis wirken muß.
Dies ist eine Situation, die nicht erst seit heute für das Arbeitsrecht gesetzliche Regelungen erforderlich macht. Der Gesetzgeber aber hat es der Rechtsprechung, insbesondere dem Bundesarbeitsgericht, überlassen, allgemeine Rechtsgrundlagen im einzelnen fortzuentwickeln. Mit anderen Worten: Die Rechtsprechung hat teilweise die Funktion des Gesetzgebers übernommen, nicht etwa, weil sie sich danach gedrängt hätte, sondern weil ihr der Gesetzgeber keine ausreichenden gesetzlichen Grundlagen an die Hand gegeben hat. So mußte das Bundesarbeitsgericht auf der Grundlage einzelner Fälle versuchen, • allgemein gültige Prinzipien zu entwickeln. Eines dieser Prinzipien ist der Gleichbehandlungsgrundsatz.
III. Gleichbehandlungsgrundsatz
Rechtsgrundlagen Der Gleichbehandlungsgrundsatz gehört zu den bedeutendsten Prinzipien des Arbeitsrechts. Er wurde schon vom Reichsarbeitsgericht entwickelt, und zwar im Zusammenhang mit der Gewährung sozialer Leistungen Nach dem Kriege wurde er von den Arbeitsgerichten übernommen und insbesondere vom Bundesarbeitsgericht ausgebaut Heute ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zwar allseitig anerkannt, es gibt jedoch keine allgemein anerkannte Rechtsgrundläge, auf die er sich stützen könnte.
Das Reichsarbeitsgericht hat ihn aus der „konkreten Ordnung des Betriebes“ hergeleitet. Das Bundesarbeitsgericht meint u. a., der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben rechtfertigte ihn Es hat aber auch, in Übereinstimmung mit einem großen Teil der Rechtslehre, die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers als Basis des Gleichbehandlungsgrundsatzes angesehen Andererseits soll er ein Ausfluß der Grundsatznorm des Art. 3 Abs. 2 und 3 GG sein und hierdurch seine inhaltliche Prägung erhalten Auch Billigkeitserwägungen oder sonstige allgemeine Rechtsgedanken werden zur juristischen Fundierung herangezogen.
Die möglichen Rechtsgrundlagen des Gleichbehandlungsgrundsatzes sind also vielfältig und recht allgemein. Konkretisiert werden sie erst im Rechtsstreit, wenn sie das Gericht zur Urteilsfindung heranzieht. Entscheidend ist letztlich das Gerechtigkeitsgefühl der Richter. Ein tragender Grundsatz des Arbeitsrechts steht also auf rechtlich nicht ausreichend gesichertem Fundament.
Damit erheben sich aber auch Zweifel daran, ob es tatsächlich sinnvoll ist, daß das Arbeitsrecht in diesem Punkte vom Bundesarbeitsgericht, das in seinen Begründungen variiert, weiterentwickelt wird. Eher erscheint es angemessen, daß der Gesetzgeber in einen Arbeitsgesetzbuch, das bereits lange auf siel warten läßt, oder in einem speziellen Geset die Grundlagen des Gleichbehandlungsgrund satzes konkretisiert.
Inhalt und Auswirkungen
Im einzelnen sagt der Gleichbehandlung: grundsatz, daß Gleiches gleich und Ungle ches nach seiner Eigenart zu behandel ist .'Er verbietet die willkürliche, d. i sachfremde Schlechterstellung einzelner A beitnehmer, ohne aber Begünstigungen i Einzelfall völlig auszuschließen Voraussetzung für die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist eine besondere Beziehung der betroffenen Arbeitnehmer zueinander. Dies ist bei Arbeitnehmern desselben Betriebes der Fall oder bei Arbeitnehmergruppen innerhalb eines Betriebes, die nach objektiven Kriterien zusammengefaßt werden können. Eine Pflicht des Arbeitgebers zur Gleichbehandlung besteht aber nicht, wenn die Arbeitnehmer verschiedenen Betrieben desselben Unternehmens angehören. Es fehlt dann an der erforderlichen Gruppenbildung.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nur anwendbar, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem arbeitsvertraglichen Verhältnis miteinander verbunden sind. Bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses gilt er jedoch nicht. Der Arbeitgeber kann nicht gezwungen werden, einen bestimmten Arbeitnehmer einzustellen, weil er vergleichbare Arbeitnehmer bereits eingestellt hat. Bei mehreren Bewerbern kann der Arbeitgeber nach den Kriterien entscheiden, die für ihn wichtig sind. Das gleiche gilt im Prinzip auch für die Wiedereinstellung. Ein Saisonbetrieb etwa braucht rechtswirksam entlassene Arbeitnehmer nicht zu berücksichtigen, wenn sie sich erneut, zusammen mit bisher betriebsfremden Arbeitnehmern, bewerben. Der Gleichbehandlungsgrundsatz findet auch keine Anwendung auf die Arbeitsvergütung der Arbeitnehmer, die nicht Mitglied in der Gewerkschaft sind; diese können nach anderen Kriterien entlohnt werden als Gewerkschaftsmitglieder
Ob auch der Verzicht des einzelnen Arbeitnehmers oder der einzelnen Arbeitnehmerin auf gleiche Behandlung, insbesondere im Hinblick auf die Höhe des Lohns, wirksam vereinbart werden kann, ist umstritten.
Nach der vor allem vom Bundesarbeitsgericht vertretenen Ansicht ist der Grundsatz der Lohngleichheit i. d. R. unabdingbar. Ein einzelvertraglicher Verzicht darauf ist dann unwirksam.
Nach vorherrschender Ansicht aber kann ein Verzicht des einzelnen Arbeitnehmers auf gleiche Behandlung im Arbeitsvertrag rechtswirksam vereinbart werden. In diesem Falle kann der Arbeitgeber, vorausgesetzt, daß tarifvertragliche Bestimmungen nicht verletzt werden, einen Arbeitnehmer für die gleiche Arbeit geringer entlohnen als andere, die bereits bei ihm beschäftigt sind: Der Grundsatz der Vertragsfreiheit hat den Vorrang vor dem Grundsatz der Gleichbehandlung
Ungültig ist der Verzicht auf gleichmäßige Behandlung nur dann, wenn er durch unzulässigen Druck herbeigeführt wurde. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist auch verletzt, wenn bei bereits bestehenden Arbeitsverhältnissen Frauen und Männer bei gleicher Arbeit nach sachfremden Kriterien in unterschiedliche Lohngruppen eingegliedert werden. Das gleiche gilt bei der Gewährung von Lohnzulagen Die Gleichbehandlung von Männern und Frauen darf allerdings nicht zur „Gleichmacherei“ führen. Sachliche Unterscheidungen nach physischen und psychischen Eigenheiten der Geschlechter sind möglich, woraus sich, wie das Bundesarbeitsgericht sagt, das Frauenarbeitsschutzrecht rechtfertige
Bereits diese längst nicht erschöpfende Darstellung des Themas zeigt, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz nur in sehr genereller Form gesetzlich verankert ist. Sein Geltungsbereich ist umstritten. Die Rechtslage für die betroffenen Arbeitnehmer ist unsicher. Die Gerichte, vor allem das Bundesarbeitsgericht, sind anhand der anfallenden Rechtsstreitigkeiten bemüht, diesen Bereich zu konkretisieren. Dies geschieht naturgemäß unsystematisch, darüber hinaus ohne gefestigte Rechtsgrundlagen; häufig genug wird vom Ergebnis her argumentiert
Diese Rechtsgrundlagen zu schaffen, ist aber Aufgabe des Gesetzgebers. Zwar besteht auch auf anderen Gebieten der Wunsch, eine Form der Gleichberechtigung in der Praxis zu erreichen und zu kodifizieren, so daß in der Tat die Sorge nicht von der Hand zu weisen ist, daß ein neues, stark differenziertes und kaum noch zu überblickendes Rechtsgebiet mit neuen Lücken auf uns zukommt. Andererseits hilft es auch wenig, die Gleichberechtigung der Geschlechter für eine „Selbstverständlichkeit" zu halten und die unbefriedigende Rechtslage in Kauf zu nehmen. Die Durchsetzung der rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau im Arbeitsleben ist hier bisher nur am Rande erwähnt worden. Die Möglichkeiten des Gesetzgebers, gerade in diesem Punkte den Frauen Hilfestellung zu leisten, sind in der allgemeinen Diskussion noch nicht ausgeschöpft. Andererseits sind Regelungen, die in der Bundesrepublik kaum bekannt, geschweige denn praktiziert werden, in anderen Ländern, vor allem in den USA, bereits in die Tat umgesetzt worden.
So wurden dort neben einer Reihe von Gleichberechtigungsgesetzen staatliche Kontrollorgane geschaffen, die die Verwirklichung der Gesetze von Amts wegen zu überwachen haben. Sie können beispielsweise aus eigenem Recht Klage gegen einen Unternehmer erheben, der den Grundsatz der Lohn-gleichheit zu Lasten von Frauen oder Männern verletzt. Die benachteiligten Arbeitnehmer werden nur insoweit betroffen, als ihnen der zu Unrecht einbehaltene Lohn nachgezahlt wird. In dem Rechtsstreit selbst sind sie nicht Partei. Ein benachteiligter Arbeitnehmer in der Bundesrepublik muß hingegen in jedem Einzelfall selbst Klage vor dem Arbeitsgericht erheben. Darüber hinaus werde in den USA Unternehmen, bei denen ein Unproportionalität der Geschlechter festge stellt wird, zu aliirmative-action-Programme. verpflichtet. Diese sollen, etwa auf dem We über eine Zusatzausbildung, bewirken, da sich die Chancen der Frauen, eine besser Arbeitsstelle zu erhalten, steigern. Insbeson dere sollen jedoch Frauen vermehrt in de Lage sein, Führungspositionen zu überneh men. Auch durch Regierungsprogramme wer den Frauen gezielt gefördert.
Ziel dieser Aktionen ist die Herstellung eine: bestimmten zahlenmäßigen Verhältnisses zwi sehen den Geschlechtern auf allen Ebener des Arbeitslebens. Zwar wird in der Rege kein Quotensystem propagiert, allgemeine Zielvorstellungen orientieren sich aber sehr wohl daran
Es wird nun zu prüfen sein, inwieweit das für die Bundesrepublik geplante Gesetz zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz in der Lage sein wird, die rechtliche und tatsächliche Situation der Frauen im Arbeitsleben zu verbessern.
IV. Gleichberechtigung am Arbeitsplatz morgen
Ausgangspunkt: EG Mit dem jetzt als Referentenentwurf vorliegenden Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz in der Bundesrepublik Deutschland wird beabsichtigt, das deutsche Arbeitsrecht an eine Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft anzupassen
Richtlinien sind Gesetze der EG, die für die Mitgliedsstaaten unmittelbar bindend sind. Sie bestimmen das Ergebnis einer gewünschten Regelung, überlassen aber die Maßnahmen zur Anpassung des innerstaatlichen Rechts den nationalen Gesetzgebern.
Die Richtlinie „zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen" vom 9. Februar 1976 setzte als Frist für die Anpassung des innerstaatlichen Rechts den 14. August 1978 Der diese Forderung recht spät berücksichtigende Referentenentwurf konkretisiert und erweitert den vor allem vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitsrecht in mehreren Punkten und stellt ihn — wenn auch nicht unter jedem denkbaren Aspekt — auf eine im wesentlichen eindeutige Rechtsgrundlage.
Benachteiligungsverbot
Zunächst einmal wird dem Arbeitgeber verboten, einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin wegen des Geschlechts zu be nachteiligen. Das Benachteiligungsverbot be-zieht sich auf das gesamte Arbeitsverhältnis. Um sicherzustellen, daß jede Form der Diskriminierung wegen des Geschlechts von dem Gesetz umfaßt wird, verbietet es generell diskriminierende „Vereinbarungen oder Maßnahmen". Hieraus wird deutlich, daß nicht nur die unmittelbare oder offene Benachteiligung unzulässig ist, sondern auch die mittelbare oder versteckte. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers findet dort seine Grenzen, wo es diskriminierend wirkt. Kündigungen sind rechtswidrig, wenn sie nach geschlechtsspezifischen Kriterien erfolgen.
Hinzu kommt ein allgemeines Maßregelungsverbot. Hiernach darf ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Beispielsweise darf der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer nicht die Werkswohnungen kündigen, weil dieser an einem legalen Streik teilgenommen hat. Das Maßregelungsverbot ist ein besonderer Fall des Benachteiligungsverbotes. Es wurde aber wegen seiner erheblichen praktischen Bedeutung gesondert in den Referentenentwurf aufgenommen. Gerade Frauen sind Maßregelungen besonders ausgesetzt; i. d. R. sind sie auch viel seltener als Männer bereit, sich dagegen zu wehren.
Das Maßregelungsverbot ergibt sich bereits jetzt aus dem Kündigungsschutzgesetz, das aber nicht für Kleinbetriebe gilt, sowie für „Beschwerden" aus § 84 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes. Diese Rechtslage soll durch das neue Gesetz verdeutlicht und zugleich auf alle Arbeitnehmer ausgedehnt werden, die von der bisherigen Regelung noch nicht erfaßt wurden.
Besonders ist hervorzuheben, daß das Benachteiligungsverbot in Zukunft bereits bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses gelten soll. Es wird dem Arbeitgeber verboten, Frauen (oder Männer) deshalb nicht einzustellen, weil sie Frauen (oder Männer) sind.
Eine Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt nach dem Entwurf nicht vor, wenn andere, sachliche Gründe eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Zwar ergibt sich dies aus dem Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechts ohnehin. Dennoch haben die Verfasser des Entwurfs gemeint, einen entsprechenden Satz in das Gesetz aufnehmen zu müssen.
Im Grunde zeigt dies nur die erhebliche Unsicherheit, mit dem das Thema Gleichbehandlung noch behaftet ist. Ein eigentlich überflüssiger Satz soll Gesetz werden, weil er zur Erläuterung der Materie, zur Abgrenzung der Fallgruppen, notwendig erscheint.
Umgekehrte Beweislast
Bemerkenswert ist die Verteilung der Beweis-last in dem Entwurf. Im Regelfall muß in einem Rechtsstreit derjenige, der Tatsachen behauptet, diese auch beweisen. Fühlte sich im konkreten Falle eine Arbeitnehmerin auf Grund ihres Geschlechts benachteiligt, mußte sie auch beweisen, daß der Arbeitgeber entsprechend vorgegangen ist. Beweisschwierigkeiten wären sicher nicht selten, wenn nicht überhaupt die Regel. Hier schafft der Gesetz-entwurf Abhilfe. Er kehrt die Beweislast um. Weist die Arbeitnehmerin in einem Rechtsstreit eine Ungleichbehandlung nach und macht sie geltend, daß diese allein wegen des Geschlechts erfolgt ist, muß der Arbeitgeber die sachlichen Gründe darlegen, die ihn zu der angegriffenen Entscheidung veranlaßt haben. Diese — umgekehrte — Beweislastregelung gilt für alle arbeitsrechtlichen Streitfälle, in denen es um eine Benachteiligung wegen des Geschlechts geht.
Schadensersatzanspruch Ein Verbot ist letzten Endes nur wirksam, wenn seine Übertretung geahndet wird.
Wenn eine Benachteiligung wegen des Geschlechts während eines bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses erfolgt, dann ist der Arbeitgeber verpflichtet, den gegebenenfalls zurückbehaltenen Lohnanteil nachzuzahlen.
Liegt aber ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot bei der Vergabe einer Arbeitsstelle vor, dann hat das zunächst einmal nicht zur Folge, daß die benachteiligte Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrages hätte. Der Arbeitgeber kann nicht gezwungen werden, sie einzustellen. Andererseits wird der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers, der eingestellt worden ist, nicht deshalb unwirksam, weil dieser als Folge der Diskriminierung der Arbeitnehmerin zustandegekommen ist.
Der Gesetzentwurf sieht bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot bei der Arbeitsplatzvergabe die Leistung eines Schadensersatzes vor. Dieser steht der Arbeitnehmerin (oder dem Arbeitnehmer) dann zu, wenn sie (er) sich um eine Arbeitsstelle be-worben hat und ein Arbeitsvertrag allein wegen der Geschlechtszugehörigkeit des Bewerbers nicht geschlossen wurde.
In der Regel gibt es jedoch eine ganze Reihe von Gründen, die für oder gegen die Einstellung eines Arbeitnehmers sprechen können. Wenn ein Arbeitgeber aber eine Bewerberin allein wegen ihres Geschlechts nicht eingestellt hat, wird es ihm dennoch nicht schwer-fallen, andere, „sachliche" Gründe vorzuschieben, die zum Abschluß eines Arbeitsvertrages mit einem männlichen Bewerber geführt haben. Diese Gründe können durchaus plausibel klingen; die Bewertung von Kriterien wie „persönliche Ausstrahlung, Auftreten, Flexibilität", um nur einige zu nennen, ist objektiv nicht nachprüfbar. Allerdings muß der Arbeitgeber es künftig unterlassen, öffentlich zu erklären, das Geschlecht des Bewerbers habe seine Entscheidung beeinflußt.
Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, deutlich zu machen, daß geschlechtsspezifische Vorstellungen bei seiner Entscheidung keine Rolle gespielt haben, kann man von einer bewiesenen Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts ausgehen. Die benachteiligte Arbeitnehmerin besitzt dann einen Schadenersatzanspruch unter der Voraussetzung, daß sie einen Schaden nachweisen kann. Dieser muß dadurch entstanden sein, daß sie darauf vertraut hat, ihre Bewerbung werde nicht an geschlechtlicher Diskriminierung scheitern.
Es geht dabei nur um den Ersatz des sog. Vertrauensschadens (insbesondere verauslagte Unkosten, wie etwa Reisekosten zur Vorstellung), nicht aber um den weitergehenden Anspruch, der sich auf den möglicherweise entgangenen Gewinn oder direkt auf den Abschluß eines Arbeitsvertrages erstreckt. Ein Schadensersatzanspruch besteht nur dann, wenn es ohne diskriminierende Handlung tatsächlich zu einer Einstellung gekommen wäre. Bei mehreren Bewerbern kann deshalb höchstens eine einzige abgewiesene Arbeitnehmerin einen Schadensersatzanspruch haben.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit Ein weiterer Punkt des Referentenentwurfs erfaßt die Festschreibung des bereits vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsatzes von der Gleichheit des Lohns für Männer und Frauen für gleiche oder gleichwertige Arbeit. Ausdrücklich wird hinzugefügt, daß die wegen des Geschlechts des Arbeitneh mers eingeführten Schutzvorschriften (e handelt sich hier vor allem um die Mutter Schutzvorschriften), eine geringere Vergütun nicht rechtfertigen.
Die Bestimmungen über die Gleichbehand lung sind zwingend. Arbeitgeber und Arbeit nehmer können sie in einem Arbeitsvertrag also nicht außer Kraft setzen. Zulässig ist es aber, vom Gesetz dann abzuweichen, wenr dies für den Arbeitnehmer Vorteile hat. Be einem Verstoß gegen das Gesetz kann siet der Arbeitgeber weder auf die Vertragsfrei heit berufen noch darauf, daß der Arbeitnehmer der Benachteiligung nicht widersprochen hat. Eine Benachteiligung wegen des Geschlechts ist in keinem Fall zulässig. Andere Kriterien können aber auch in Zukunft durchaus für eine unterschiedliche Behandlung, insbesondere im Hinblick auf die Vergütung, herangezogen werden.
Ergebnis Der Referentenentwurf ist ein deutlicher Schritt auf dem Wege zur Gleichbehandlung von Mann und Frau am Arbeitsplatz.
Der von der Rechtsprechung kasuistisch entwickelte Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitsrecht wird auf eine im wesentlichen eindeutige Rechtsgrundlage gestellt. Das Maßregelungsverbot ist eine begrüßenswerte Konkretisierung. Auch der Satz von der Lohn-gleichheit von Mann und Frau für gleiche oder gleichwertige Arbeit ist in der Rechtsprechung bereits anerkannt. Die gesetzliche Festschreibung dient aber der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit. Neu ist die Beweislastregelung zugunsten des Arbeitnehmers. Sämtliche Vorschriften dürfen zu Lasten der Arbeitnehmer durch Vertrag nicht abgeändert werden und stellen infolgedessen eine Einschränkung der Vertragsfreiheit dar. Die Ausdehnung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Begründung des Arbeitsverhältnisses bedeutet eine notwendige Ergänzung der Rechtsprechung. Fragwürdig wird sie aber, wenn man feststellen muß, daß ein Verstoß dagegen nur in seltenen Fällen Folgen für den Arbeitgeber haben wird. Wenn dies aber einmal doch der Fall sein sollte, werden sie kaum schwerwiegend sein.
Das Gesetz wird die Gleichbehandlung von Mann und Frau am Arbeitsplatz fördern, ganz sicher aber nicht „perfektionieren" können. Diesem Schritt in die Richtung der Gleichbehandlung müßten weitere folgen. Denken könnte man dabei etwa an erweiterte Schadensersatzregelungen oder auch an affirmative-action-Programme entsprechend den in den USA praktizierten. Modellversuche, wie sie heute bereits in einigen Fällen durchgeführt werden, könnten für eine Weiterentwicklung der gesetzlichen Vorschriften hilfreich sein.
Darüber hinaus wäre zu überlegen, ob die Einrichtung einer Kontrollorganisation sinnvoll ist, die die Gleichbehandlung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz von sich aus überprüft. Sie könnte vor allem benachteiligten Arbeitnehmerinnen helfen, die sich scheuen, ihre Rechte selbst geltend zu machen, weil sie fürchten, daß ihnen dadurch zusätzliche Nachteile entstehen.
Denkbar wäre die Umwandlung des § 15 Abs. 2 BetrVG, nach dem die Geschlechter entsprechend ihrem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein sollen, in eine Mußvorschrift. Dies würde in einem begrenzten Bereich die Einführung eines Quotensystems bedeuten.
Ein kombiniertes System von zeitlichen Zielen und Quoten erscheint sinnvoll, wenn man tendenziell den Anteil der Frauen in bestimmten, bislang männerdominierten Berufsgruppen vergrößern will. In der Berufsausbildung kann die Orientierung z. B. an dem zahlenmäßigen Verhältnis von Jungen und Mädchen in einem Jahrgang erfolgen.
Wenn man die Gleichberechtigung in der Praxis tatsächlich verwirklichen will, dann wird ein wie auch immer geartetes Quotensystem nur dann überflüssig sein, wenn sich der Anteil der Frauen auch in Berufen mit Aufstiegschancen und vor allem in gehobenen Positionen nach und nach verstärkt. Ohne eine derartige Tendenz aber ist mit verstärkten Forderungen nach Einführung eines Quotensystems, das schließlich in politischen Gremien unter dem Stichwort „Proporz" seit langem ein gebräuchliches Prinzip ist, zu rechnen.