Einleitung
Seit einigen Jahren ist die Beteiligung der Bürger an der städtebaulichen Planung Gegenstand einer zum Teil recht lebhaft geführten Diskussion sowohl im tagespolitischen als auch im wissenschaftlichen Bereich Einige sehen in der stärkeren Einbeziehung der Bürger in den planerischen Prozeß der baulich-räumlichen Gestaltung des lokalen Raumes eine besondere Gefahr für die individuelle Freiheit und die Funktionsfähigkeit der örtlichen Gemeinwesen, schlimmstenfalls sogar eine umstürzlerische politische Erscheinung. Andere wiederum versprechen sich von einer breiten Partizipation einen nicht unbedeutenden Gewinn an demokratischer Substanz für die bestehende staatliche Ordnung. Im einzelnen wird das Partizipationspostulat von seinen Befürwortern vor allem mit folgenden Argumenten begründet: — Abbau der Fremdbestimmung bei gleichzeitiger Erweiterung der Selbstbestimmungsmöglichkeiten des einzelnen (Emanzipationsfunktion) ; — Verbesserung der administrativen Entscheidungsgrundlagen durch Anregungen und zusätzliche Informationen von den Bürgern (Rationalisierungs-und Effektivierungsfunktion) ;
— Erweiterung des den Plänen zustimmenden Bevölkerungskreises (Legitimationsfunktion) und damit Erhöhung der bürgerschaftlichen Planerfüllungsbereitschaft (Integrations-und Effektivierungsfunktion);
— Intensivierung des Rechtsschutzes: Partizipation als Rechtsschutz nichtgerichtlicher Art (Rechtsschutzfunktion);
— Verstärkung der bürgerschaftlichen Kontrolle administrativen Handelns (Kontrollfunktion) 2).
INHALT Einleitung I. Kurzübersicht über einige ausgewählte Partizipationsmodelle 1. Planungs-und Sanierungsbeiräte 2. Anwaltsplanung (advocacy planning) 3. Gemeinwesenarbeit 4. Bürgerforen 5. Bürgerinitiativen II. Das Partizipationsmodell der Planungszelle III. Die Planungszelle vor dem Hintergrund der Partizipationsidee IV. Zu den politischen Kompetenzen der Planungszelle im freiheitlich-demokratischen Entscheidungssystem 1. Planungszelle und verfassungsrechtliches Demokratieprinzip 2. Auswirkungen auf die Position des einzelnen im politischen Willensbildungs-und Entscheidungsprozeß V. Verwaltungsund beteiligungspolitische Zweckmäßigkeitserwägungen zum Einsatz von Planungszellen VI. Planungszellen und städtebaurechtliche PartizipationsVorschriften Für das Verständnis der aktuellen Diskussion über die Intensivierung der politischen Beteiligung ist es bedeutsam, zwischen der Offentlichkeits-oder Popularpartizipation auf der einen Seite sowie der Betroffenenpartizipa-tion auf der anderen Seite zu unterscheiden. Im zuerst genannten Fall geht es generell um eine engere Bindung der Hoheitsträger an den staatsbürgerschaftlichen Gesamtwillen, was durch eine stärkere Mitwirkung der allgemeinen Öffentlichkeit an der Ausübung hoheitlicher Gewalt erreicht werden soll. Im zweiten Fall handelt es sich darum, die von einer bestimmten hoheitlichen Maßnahme speziell betroffene Bevölkerungsgruppe in höherem Maße als bisher an dem jeweiligen politischen Entscheidungsprozeß zu beteiligen. Zwar können bei der Beantwortung der Frage, welche Personen als Betroffene anzusehen sind und welche ausschließlich zur Kategorie der Öffentlichkeit gehören, erhebliche Abgrenzungsprobleme auftreten. Unlösbar sind diese Probleme jedoch nicht, wenngleich es noch weiterer wissenschaftlicher Bemühungen um die Präzisierung des Betroffenenbegriffs bedarf. Für den hier behandelten Zusammenhang reicht es indessen aus, die Betroffenen als diejenigen Bürger zu definieren, die im Vergleich zu anderen von einer anstehenden politischen Entscheidung besonders nachhaltig in ihren persönlichen Lebensverhältnissen berührt werden. Öffentlichkeit Die besteht demgegenüber — soweit es um den städtebaulichen Bereich geht — im wesentlichen, wenn auch nicht ausschließlich aus der Gesamtbürgerschaft eines Ortes.
Im Rahmen der allgemeinen Partizipationsund Demokratisierungsdebatte kommt dem Teilbereich der städtebaulichen Planung insofern eine hervorgehobene Bedeutung zu, als dieser Bereich häufig den Ausgangspunkt und Hauptbeispielsfall für die aktuellen Beteiligungsbestrebungen bildet. Zudem hat die erzeit allenthalben vorgetragene Partizipationsforderung insoweit, als sie auf die Ausdehnung und Steigerung der bürgerschaftlichen Mitwirkung an der planerischen Gestaltung des örtlichen Raumes gerichtet ist, in der Öffentlichkeit offenbar eine besonders breite Resonanz gefunden. In hohem Maße kontrovers ist allerdings nach wie vor die Frage, in welcher organisatorischen Form, in welchem Umfang und mit welcher rechtlichen Wirkung die Beteiligung der Bürger am städtebaulichen Planungsgeschehen erfolgen soll.
Der Gesetzgeber hat zwar dem Partizipationspostulat sowohl im Rahmen des Städtebauförderungsgesetzes (StBauFG) als auch im Zusammenhang mit der Novellierung des Bundesbaugesetzes (BBauG) Rechnung getragen. Er hat sich hierbei jedoch nicht auf bestimmte organisationstechnische Einzelheiten festgelegt, sondern sich in der Hauptsache darauf beschränkt, eine gemeindliche Pflicht des Inhalts zu statuieren, die administrativen Planungsabsichten mit den Bürgern zu erörtern. Die städtebaurechtlichen Kodifikationen bieten daher den örtlichen Gebietskörperschaften einen relativ breiten Bewegungs-und Gestaltungsspielraum, der es ihnen erlaubt, auf dem Gebiet der Partizipation umfassend zu experimentieren. Den Gemeinden steht hier rechtlich die Möglichkeit offen, neue partizipatorische Verfahren zu entwikkeln und unkonventionelle Ideen zu erproben.
I. Kurzübersicht über einige ausgewählte Partizipationsmodelle
Von den Modellen und Techniken der Bürgerbeteiligung, die im Zusammenhang mit der Suche nach organisatorischen Realisierungsmöglichkeiten der aktuellen Partizipationsforderung in der Fachliteratur ausführlich erörtert und in der Praxis bereits erprobt worden sind, seien die wichtigsten im folgenden kurz skizziert. Es handelt sich hierbei um die Planungs-und Sanierungsbeiräte, die Anwaltsplanung (advocacy planning), die Gemeinwesenarbeit, die Bürgerforen sowie die Bürgerinitiativen. Zu beachten ist, daß sich alle diese Partizipationseinrichtungen hinsichtlich der organisatorischen Einzelheiten jeweils vielfältig variieren lassen.
1. Planungsund Sanierungsbeiräte Ein in der Praxis derzeit sehr häufig angewandtes Partizipationsmodell ist das der Planungs- und Sanierungsbeiräte Diesen Gremien obliegt es, die kommunale Verwaltung, bei der sie eingerichtet werden, in Angele-genheiten der städtebaulichen Planung zu beraten, ihr Empfehlungen zu erteilen und Anregungen zu geben. Die Beiräte können einmal als ein Vertretungsorgan der örtlichen Gesamtbürgerschaft und zum anderen als ein Vertretungsorgan der Betroffenen ausgestaltet werden; sie lassen sich infolgedessen sowohl als ein Instrument der Offentlichkeits-partizipation wie auch der Betroffenenpartizipation einsetzen. In der sozialen Wirklichkeit dürften indessen die Mischformen am häufigsten vorkommen.
Ein Planungs-oder Sanierungsbeirat, der sich ausschließlich aus Sachverständigen zusammensetzt, kann nicht als ein Instrument bür-
gerschaftlicher Mitwirkung an der städtebaulichen Planung angesehen werden. Denn bei Gremien dieser Art geht es nicht um die Teilnahme der Bürger an der räumlich-baulichen Gestaltung des Ortes, sondern um die Inanspruchnahme von Expertenwissen durch die gemeindlichen Planungsinstanzen.
2.
Anwaltsplanung (advocacy planning)
Diese maßgeblich von dem Amerikaner Paul Davidoff entwickelte Technik der Partizipation, die in der deutschen Fachliteratur bereits des öfteren behandelt worden ist sieht — grob charakterisiert — vor, daß die verschiedenen bürgerschaftlichen Interessengruppen jeweils aus ihrer sozialen und politischen Perspektive Planungskonzeptionen erarbeiten, der Verwaltung und der Öffentlichkeit vorlegen und ihnen gegenüber vertreten.
Bevölkerungskreise, die aufgrund sozialer Unterprivilegierung nicht in der Lage sind, ein eigenes planerisches Konzept zu entwerfen und zu vertreten, erhalten einen Planungsanwalt, der diese Aufgabe übernimmt.
Nachdem die Vor-und Nachteile der verschiedenen Gruppenvorschläge in einem öffentlichen Diskussionsprozeß, an dem auch die Verwaltung teilgenommen hat, ausführlich erörtert worden sind, ist das Konzept auszuwählen, das verwirklicht werden soll. Die kommunalverfassungsrechtlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik legen es nahe, die Bestimmung des letztlich zu verwirklichenden Plans der örtlichen Vertretungskörperschaft vorzubehalten. Das Grundgesetz ließe aber beispielsweise auch eine diesbezügliche Abstimmung unter der gemeindlichen Gesamtbürgerschaft zu.
Das Anwaltsplanungsmodell ermöglicht es, die Vorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse derjenigen Bevölkerungsschichten zur Geltung zu bringen, die ihre Belange nicht selbständig artikulieren und vertreten können.
Darin liegt der besondere Vorteil dieses Mo-dells.
Sein Nachteil besteht vor allem in der Gefahr, daß der Planungsanwalt aufgrund seines überlegenen Sachverstandes seine „Klienten" einschüchtert, bevormundet oder gar manipuliert. Dagegen dürfte es ein ohne weiteres lösbares organisationsrechtliches Problem sein, die Unabhängigkeit des Planungsanwalts von der örtlichen Verwaltung auch in dem Fall sicherzustellen, in dem er von der Gemeinde sein Gehalt bezieht.
3. Gemeinwesenarbeit Die Gemeinwesenarbeit kann als eine besondere Methode der aus der früheren Armenfürsorge hervorgegangenen Sozialarbeit angesehen werden. Sie wird von Gemeinwesenarbeitern wahrgenommen, deren Aufgabe insbesondere darin besteht, ökonomisch und politisch schwachen Bevölkerungsgruppen bei der Artikulation und Durchsetzung ihrer Belange zu helfen. Vom traditionellen Sozialarbeiter unterscheidet sich der Gemeinwesenarbeiter vor allem dadurch, daß er sich nicht mit den Problemen von Einzelpersonen, sondern von sozialen Gruppen befaßt.
Die Gemeinwesenarbeit ist zwar kein Instrument speziell zur Intensivierung der bürgerschaftlichen Mitwirkung an der städtebaulichen Planung. Gleichwohl läßt sie sich auch hierfür mit Erfolg einsetzen In diesem Fall kommt dem Gemeinwesenarbeiter die Aufgabe zu, der planenden Verwaltung die Vorstellun-gen, Wünsche und Forderungen der von ihm vertretenen Personen vorzutragen und sich dafür einzusetzen, daß sie berücksichtigt werden. Umgekehrt obliegt es ihm, die Gruppe, für die er tätig ist, über die administrativen Planungsabsichten, deren Auswirkungen und Nebenfolgen zu unterrichten. Zu seinem Aufgabenkreis gehört ferner, „seine" Gruppe gegebenenfalls bei dem Versuch zu unterstützen, sich — etwa in Gestalt einer Bürgerinitiative — zu organisieren, um die eigenen Belange wirksamer zur Geltung bringen zu können.
Da das Modell der Gemeinwesenarbeit mit dem Anwaltsplanungsmodell große Ähnlichkeit aufweist, teilt es auch weitgehend dessen Vor-und Nachteile.
4. Bürgerforen Für das hier zu behandelnde Partizipationsmodell gibt es eine Art Prototyp: das — so der satzungsgemäße Name — „Münchner Diskussionsforum für Entwicklungsfragen (Münchener Forum) e. V.". Dieser rechtsfähige Verein, der Ende der sechziger Jahre unter beträchtlicher Mithilfe der Stadt München, welche auch die Vereins-mitgliedschaft besitzt, gegründet wurde, ist unter der Kurzbezeichnung „Münchner Forum" weit über die Grenzen der bayerischen Landeshauptstadt hinus bekannt geworden.
Er ist bereits mehrfach Gegenstand von Erörterungen in der Partizipationsliteratur gewesen Zu seinen Mitgliedern gehören sowohl natürliche wie juristische Personen und nichtrechtsfähige Institutionen. Seine Aufgabe besteht insbesondere darin, zum einen die bürgerschaftliche Einflußnahme auf die administrative Planung generell zu verstärken und zum anderen speziell die Planungsbetroffenen bei dem Bemühen zu unterstützen, ihre Belange gegenüber der Verwaltung wirksam zur Geltung zu bringen.
Das Forum kann seine Aufgaben naturgemäß nur dann sachgerecht erfüllen, wenn es von der örtlichen Planungsverwaltung unabhängig ist. Ob hier indessen eine „echte" Unabhängigkeit gegeben ist, die auch ernsthafte Konfliktsituationen zu überdauern vermag, muß allerdings bei realistischer Betrachtung der Dinge angezweifelt werden. Die Zweifel gründen sich dabei einmal auf die enge organisatorische Verbindung zwischen dem Forum und der Stadt München; zum anderen ist hier die kräftige finanzielle Unterstützung durch die bayerische Landeshauptstadt zu beachten, ohne die das Forum kaum existenzfähig wäre. Die Schwierigkeit besteht in diesem Zusammenhang jedoch vor allem darin, daß das Forum jener die eigene Unabhängigkeit ständig gefährdenden Nähe zur örtlichen Planungsverwaltung letztlich nicht wirksam auszuweichen vermag. Denn es ist, wenn es einen nennenswerten Beitrag zu einer möglichst breiten Partizipation am städtebaulichen Planungsprozeß leisten will, sowohl auf eine enge Zusammenarbeit mit den planenden Verwaltungsinstanzen als auch auf wirtschaftliche Zuwendungen aus städtischen Mitteln in hohem Maße angewiesen.
5. Bürgerinitiativen Die Entstehung von Bürgerinitiativen gehört seit einiger Zeit zu den üblichen Begleiterscheinungen auch von städtebaulichen Planungsprozessen. Für die kommunale Verwaltung gilt es, diesen Umstand für die Intensivierung der bürgerschaftlichen Mitwirkung an der baulich-strukturellen Gestaltung des örtlichen Raumes zu nutzen. Dies kann insbesondere durch eine möglichst enge Kooperation zwischen den gemeindlichen Planungsinstanzen und den Bürgerinitiativen geschehen: Den Gruppen wären vor allem lückenlose Informationen zur Verfügung zu stellen; die anstehenden Planungsfragen wären mit ihnen intensiv zu erörtern. Die administrative Förderung und Unterstützung der Bürgerinitiativen, und zwar gegebenenfalls auch durch Hilfen wirtschaftlicher Art, würde dazu beitragen, daß die hier behandelte Partizipationstechnik der Kooperation zwischen der Planungsverwaltung und den ad hoc gebildeten Aktionsgruppen in größerem Umfang und mit besseren Ergebnissen als bisher eingesetzt werden könnte.
II. Das Partizipationsmodell der Planungszelle
Ein weiteres Modell, das wegen seines unorthodoxen, ja spektakulären Charakters auffällt und schon aus diesem Grund künftig mit erhöhter Aufmerksamkeit rechnen darf, ist von dem Wuppertaler Soziologen Peter C. Dienel entwickelt und unlängst in einer monographischen Abhandlung detailliert dargestellt worden Es handelt sich um das Modell der Planungszelle.
Als staatstheoretischer und verfassungspolitischer Ausgangspunkt Dienels hinsichtlich der Bemühungen um die Planungszelle erweist sich dabei die von ihm vertretene These, wonach „das Dilemma der Demokratie . .. am besten als Aufforderung zu begreifen (ist), die Verfahren zur Produktion von Entscheidungen weiterzuentwickeln" Diese These verdient volle Zustimmung. Sie kann generell als Arbeitsgrundlage der gegenwärtigen Bestrebungen um die Verbesserung bestehender oder die Entwicklung neuer Partizipationstechniken gelten.
Angesichts der Schwierigkeiten, denen sich die Demokratieverwirklichung aufgrund der zunehmenden Komplexität der Lebensverhältnisse in den modernen Industrienationen ausgesetzt sieht, stellt sich überdies heute mehr denn je die Aufgabe, im Rahmen der Bemühungen, dem demokratischen Ideal möglichst nahe zu kommen, über das Herkömmliche hinauszudenken und auch das völlig Neue in die Überlegungen einzubeziehen. Ob und gegebenenfalls in welchem Maße das Planungs-zellen-Modell eine wegweisende Weiterentwicklung der politischen Willensbildungsund Entscheidungsverfahren darstellt, läßt sich lediglich auf der Grundlage einer näheren kritischen Untersuchung zuverlässig beurteilen.
Mit Hilfe der Planungszellen, die Dienel bisweilen als „Bürgerinitiativen der dritten Generation" apostrophiert soll generell eine stärkere Beteiligung der Bürger am politischen Geschehen ermöglicht werden. Das Modell ist mithin nicht auf den Einsatz im Bereich der städtebaulichen Planung beschränkt; es ist jedoch nach Dienel insbesondere auch für diesen Bereich vorgesehen und geeignet Im folgenden soll des näheren der Frage nachgegangen werden, was das Partizipationsinstrument der Planungszelle speziell im Hinblick auf die bürgerschaftliche Mitwirkung an der städtebaulichen Planung zu leisten vermag.
Bei der Planungszelle handelt es sich nach der Definition von Dienel um eine „Gruppe von 25 im Zufallsverfahren ausgewählten, auf drei Wochen freigestellten und von der öffentlichen Hand vergüteten Laienplanern, die gemeinsam mit zwei Angehörigen der betreffenden Fachressorts und angeleitet von zwei Prozeßbegleitern Lösungen vorgegebener, in der zur Verfügung stehenden Zeit bewältigbarer Bewertungs-, Kontrolloder Planungsprobleme erarbeiten"
Auffällig an der Planungszelle ist hiernach, daß ihre Mitglieder nicht gewählt, berufen oder delegiert, sondern im Zufallsverfahren bestimmt werden. Dies hat einmal den Vorteil, daß der einzelne im Rahmen seiner Mitarbeit kaum auf Wähler-, Parteioder Verbandsinteressen Rücksicht zu nehmen braucht; denn seine — ohnehin auf drei Wochen befristete -Teilnahme an der Planungszelle ist von der Unterstützung durch diese Instanzen völlig unabhängig. Er kann daher weitgehend seine originäre Auffassung vertreten. Ein weiterer Vorteil des Zufallsverfahrens besteht darin, daß alle Bürger die gleiche Chance besitzen, in einer Planungszelle mitarbeiten zu können. Niemand braucht vorher besondere Qualifikationen zu erwerben oder sich zu profilieren, wie es der Fall wäre, wenn der Mitarbeit eine Wahl, eine Berufung oder eine Delegation vorgeschaltet wäre. So-fern der einzelne Hemmungen hat, an einer Planungszelle teilzunehmen, was insbesondere bei Unterschichtenangehörigen denkbar ist, kann man gezielte Partizipationshilfe leisten, d. h. sich in individuellen Gesprächen um die Stärkung seines Selbstbewußtseins bemühen. Das Modell der Planungszelle ist mithin in besonderem Maße geeignet, speziell diejenigen in das öffentliche Geschehen einzubeziehen, die nicht zum sozialaktiven Teil der Bevölkerung gehören und daher vergleichsweise geringe Chancen haben, daß ihre Vorstellungen und Interessen im politischen Prozeß berücksichtigt werden.
Von konstitutiver Bedeutung für das von Dienel vorgeschlagene Partizipationsmodell ist im weiteren, daß die Laienplaner für die Dauer ihrer Mitarbeit in der Planungszelle von ihren täglichen Pflichten im Beruf oder privaten Haushalt entbunden werden. Die Mitwirkung in einer Planungszelle ist keine Feierabendbeschäftigung, sondern entspricht in ihren Anforderungen an den einzelnen einem gewöhnlichen Arbeitsalltag. Die Bewältigung derjenigen Probleme, die mit einer vorübergehenden Freistellung des Laienplaners von seinen Pflichten im Beruf oder privaten Haushalt verbunden sind, wird besondere organisatorische Maßnahmen erfordern, die zum Teil neue rechtliche Regelungen voraussetzen Daß sich indessen diese Probleme im großen und ganzen zufriedenstellend lösen lassen, wird man auch dann annehmen dürfen, wenn man dem von Dienel in diesem Zusammenhang angesprochenen Gedanken einer rechtlichen Verpflichtung zur Teilnahme an Planungszellen („Planpflicht") keine Sympathien entgegenzubringen vermag.
Da die Beanspruchung durch die Mitwirkung in einer Planungszelle der eines gewöhnlichen Arbeitsalltags gleicht, ist es konsequent, wenn Dienel fordert, daß die Laienplanertätigkeit finanziell vergütet wird. Hierbei wird von dem Grundsatz auszugehen sein, daß dem einzelnen durch seine Mitarbeit keine wesentlichen wirtschaftlichen Einbußen entstehen.
Die Teilnehmer der Planungszelle werden im Rahmen ihrer Tätigkeit einmal unterstützt durch die für die organisatorischen und gruppenpädagogischen Fragen verantwortlichen Prozeßbegleiter. Im weiteren werden Sachverständige hinzugezogen, die für die rein fachliche Hilfeleistung in bezug auf das behandelte Sachproblem zur Verfügung stehen. Daß mit der Einschaltung derartiger Experten für die Laienplanergruppe die Gefahr der Bevormundung oder gar der Manipulation entsteht, ist in der Literatur bereits kritisch vermerkt worden Die Planungszelle kann jedoch der Unterstützung durch Prozeßbegleiter und Sachverständige nicht entraten. Es sind hier bestimmte Ansprüche an die Haltung, das Verantwortungsbewußtsein und die Integrität dieser Personen zu stellen, ähnlich wie bei den Planungsanwälten im Modell der Anwaltsplanung. Die den Planungszellen beigeordneten Fachleute müssen — wie Bank formuliert — „an Herrschaft durch Information gehindert und auf Dienen durch Wissen verpflichtet werden"
III. Die Planungszelle vor dem Hintergrund der Partizipationsidee
Das aktuelle Partizipationspostulat zeichnet sich insbesondere dadurch aus, daß die geforderte Bürgerbeteiligung auf breiter Basis erstrebt wird. Soweit es auf den Bereich der städtebaulichen Planung gerichtet ist, intendiert es die Mitwirkung möglichst aller Bürger aus dem jeweils in Betracht kommenden Bevölkerungskreis (Stadtöffentlichkeit oder Betroffene) an der planerischen Gestaltung des örtlichen Raumes. Ein Vorzug der Planungszelle besteht darin, daß sie sowohl im Rahmen der Offentlichkeitsoder Popularpartizipation als auch im Rahmen der Betroffenenpartizipation eingesetzt werden kann. Im zuerst genannten Fall werden die Teilnehmer im Zufallsverfahren aus der Gesamtbürger-17 schäft ausgewählt, im zweiten Fall aus dem Kreis der zuvor ausgegrenzten Betroffenen.
Dienel setzt hier allerdings die Akzente wesentlich anders. Er betont, daß „die Planungszelle . . . bei ihrem Zustandekommen ohne die Kategorie der unmittelbaren Betroffenheit aus(kommt)" Nach seinem Modellentwurf sollen die Betroffenen als „Vertreter massiver Sonderinteressen" lediglich das Recht erhalten, vor der Planungszelle „eingehend gehört" zu werden. „Sie nehmen an der Arbeit der Gruppe nicht dauernd teil und sie sind auch nicht befugt, die erforderlichen Bewertungen mitzuvollziehen." Die Betroffenen sind „innerhalb der Planungszelle nur befristet, z. B. in der Form des Hearings, zugelassen" Diese rigide Beschränkung der Betroffenenrechte ist jedoch nicht durch die Konstruktion des Planungszellenmodells zwingend vorgegeben. Sie erklärt sich daraus, daß Dienel der Betroffenenpartizipation generell besonders reserviert gegenübersteht. Er befürchtet hier eine Zurückdrängung des „Gemeininteresses" durch „Sonderinteressen" und sieht die gesamtgesellschaftliche Rationalität politischer Maßnahmen gefährdet.
Ohne die Argumente von Dienel geringzuachten, ist jedoch hervorzuheben, daß ein wesentliches Anliegen der aktuellen Partizipationsbestrebungen von Anfang an darin bestanden hat, die Mitwirkung der Betroffenen im politischen Willensbildungs-und Entscheidungsprozeß zu stärken. Das derzeit allenthalben vorgetragene Partizipationspostulat nährt sich vor allem auch aus dem Unmut, der darüber entstanden ist, daß die öffentliche Verwaltung in zunehmendem Maße Entscheidungen mit zum Teil schwerwiegenden Folgewirkungen für die persönlichen Lebensumstände einzelner Bürger getroffen hat, ohne diese Bürger vorher angemessen zu unterrichten oder gar zu konsultieren. Erst im Zuge der gegenwärtigen Partizipations-und Demokratisierungsdiskussion haben die administrativen Hoheitsträger begonnen, sich umzustellen, wobei der Umstellungsprozeß durch entsprechende Maßnahmen des Gesetz-gebers beschleunigt worden ist.
Bei der organisationstechnischen Realisierung einer stärkeren Betroffenenbeteiligung ist freilich zu vermeiden, daß der politische Pro-zeß jeweils von Minderheiten beherrscht wird und das demokratische Mehrheitsprinzip seine Geltungskraft einbüßt. Die Verwirklichung der Idee der Betroffenenpartizipation läuft damit auf die Institutionalisierung eines abgestuften Mitwirkungssystems hinaus. Dabei werden sich die Abstufungen danach zu richten haben, von welchem sachlichen Gewicht ein politisches Problem für die Allgemeinheit ist und inwieweit bei der Lösung des jeweiligen Problems die persönlichen Lebensverhältnisse von Einzelpersonen tangiert sind. Es gilt der Grundsatz, daß die Mitwirkungsrechte der Betroffenen um so stärker zu begrenzen sind, je größer die Bedeutung einer öffentlichen Angelegenheit für die Allgemeinheit ist. Oder umgekehrt ausgedrückt: Je geringer die Bedeutung einer öffentlichen Angelegenheit für die Allgemeinheit ist, um so umfangreicher und weitgehender dürfen die Mitwirkungsrechte der Betroffenen sein. Dies bedeutet etwa, daß die Betroffenenpartizipation bei der Entscheidung über die inhaltliche Konzeption einer wichtigen städtebaulichen Planungsmaßnahme, etwa einer Innenstadtsanierung, relativ gering zu halten ist. Dagegen könnten nach den hier dargelegten Grundsätzen den Betroffenen in bestimmten, eng abzugrenzenden planerischen Detailfragen durchaus substantielle (Mit-) Entscheidungsrechte gewährt werden.
Betrachtet man das von Dienel entworfene Modell der Planungszelle unter dem Gesichtspunkt der öffentlichkeits-oder Popularpartizipation des näheren, so fällt folgendes auf: Wenn — wie es der Idee der Öffentlichkeitspartizipation entspräche — alle Bürger einer Stadt in Planungszellen an kommunal-politischen Aufgaben mitwirkten, dann müßten, zumal in Großstädten, Tausende von Planungszellen eingerichtet werden. Es ergäbe sich, bundesweit gesehen, ein gigantisches Partizipationsunternehmen, das wegen seines organisatorischen und wirtschaftlichen Aufwands die Grenzen des Vertretbaren übersteigen dürfte. Dienel kalkuliert im Stadium eines „vorläufigen Endausbaus" seines Modells in der Bundesrepublik 144 000 Planungszellen pro Jahr ein, wobei der finanzielle Aufwand nach seiner Schätzung annähernd sechs Mrd. DM beträgt
Setzt man das von Dienel offerierte Partizipa-tionsinstrument auf dem Sektor der städtebaulichen Planung in der Weise ein, wie es die Idee der Popularpartizipation verlangt, so dürfte das jährliche Kontingent an Planungszellen alsbald weitgehend, wenn nicht völlig erschöpft sein. Andere politische Probleme als solche städtebaulicher Art könnten allen-falls sporadisch behandelt werden. Dies aber widerspricht dem Modell der Planungszelle insofern, als es darauf angelegt ist, daß The-men aus möglichst vielen verschiedenen Sachbereichen aufgegriffen werden. Ein besonderer Vorteil besteht gerade darin, daß es sich hier nicht um ein bereichsspezifisches Partizipationsmodell handelt, sondern daß vielfältige Verwendungsmöglichkeiten gegeben sind. Planungszellen lassen sich im Be-reich des Städtebaus ebenso einsetzen wie in denen des Bildungswesens, der Sozialpolitik, des Gesundheitswesens etc. Will man diesen Vorteil der vielfältigen Verwendbarkeit nicht ungenutzt lassen, so bleibt für den Sektor des Städtebaus nur eine relativ eng begrenzte Anzahl von Planungszellen übrig, was im weiteren bedeutet, daß nur wenigen Bürgern die Möglichkeit eingeräumt werden kann, über Planungszellen an der planerischen Gestaltung des örtlichen Raumes mitzuwirken. Hinsichtlich der Popularbeteiligung im Bereich der städtebaulichen Planung wird das Modell der Planungszelle mithin einem der wichtigsten Anliegen der Partizipationsidee insofern nicht gerecht, als es nicht sicherzustellen vermag, daß die Beteiligung auf breiter bürgerschaftlicher Basis erfolgt
Das soeben skizzierte Bild stellt sich etwas günstiger dar, soweit es um die Partizipation von Betroffenen geht, da es sich hierbei um eine wesentlich kleinere Personengruppe handelt. Doch selbst wenn man davon ausgeht, daß der Kreis der Betroffenen, etwa bei Stadtsanierungen, von der Größenordnung her weitgehend überschaubar ist, dürfte es Schwierigkeiten bereiten, sämtliche Sanierungsbetroffenen in Planungszellen zu beteiligen. Das Modell der Planungszelle wächst hiernach sogar dann, wenn es lediglich als Instrument der Betroffenenpartizipation verwandt wird, rasch in Dimensionen hinein, die in der Praxis nur mit höchsten Anstrengungen zu bewältigen sind.
Zwar läßt sich die Zahl der an Planungszellen teilnehmenden Personen dadurch verringern, daß nicht jeweils alle in Betracht kommenden Bürger (Stadtöffentlichkeit oder Betroffene) in dieses Partizipationsverfahren eingeschaltet werden. Der Planungszelle wird dann so etwas wie eine Repräsentativfunktion zugeordnet. Sie artikuliert nicht nur ihren eigenen Willen, sondern der Idee nach in mehr oder weniger großem Umfang auch den der übrigen Bürger, ähnlich wie bei einem Parlament, das als handelndes Organ der Gesamtbürgerschaft gedacht werden kann. Zufallsbedingte Einseitigkeiten lassen sich dadurch reduzieren, daß für eine Sachfrage jeweils mehrere Planungszellen eingerichtet werden. Man kann die genannte Repräsentativfunktion verstärken, indem man bei der Auswahl der Teilnehmer ein modifiziertes Zufallsverfahren anwendet, etwa ein System, das man mit der Formel „Setzen und Losen" umreißen könnte. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang, vorher bestimmte Personenkreise auszugrenzen (etwa nach Beruf, Bil-dung, Alter, Geschlecht, Einkommen etc.), aus denen dann nach dem Zufallsprinzip die Teilnehmer ausgewählt werden. Hierdurch erhielte die personelle Zusammensetzung der Planungszelle stärkere Akzente der Repräsentativität.
Daß es sachlich von Nutzen sein kann, in einem städtebaulichen Planungsfall eine nach Gesichtspunkten der Repräsentativität zusammengesetzte Planungszelle (oder auch mehrere) einzusetzen, soll hier keineswegs in Zweifel gezogen werden Einzuwenden ist allerdings, daß derartige Veranstaltungen nach den Maßstäben der Partizipationsidee nur von begrenztem Wert sind. Denn diese Idee besitzt eine ausgeprägte emanzipatorische Dimension insofern, als sie vor allem auch auf die aktive individuelle Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsentfaltung gerichtet ist. Dabei kommt es darauf an, gerade jene Möglichkeiten des einzelnen auszubauen und zu erweitern, welche es ihm erlauben, tätig an der Regelung der öffentlichen Angelegenheiten mitzuwirken. Beim Modell der Planungszelle ist indessen eine tätige Mitwirkung nur demjenigen möglich, der vom Zufall als Teilnehmer ausgewählt worden ist. Alle anderen haben bezüglich der Planungszelle — hier zeigt sich die Kehrseite des Zufallsprinzips — auch nicht die geringste Mitwirkungsmög-lichkeit. Sie können im Gegensatz zu ihren Einwirkungsbefugnissen auf die gewählten Vertretungskörperschaften nicht einmal die personelle Zusammensetzung beeinflussen. Erst recht entfällt jede Möglichkeit, diese Zusammensetzung zu ändern, wenn sie mit den Arbeitsergebnissen nicht einverstanden sein sollten. Es ergibt daher folgende Sache konstellation: Während der eine das ihm vom Zufall zugeteilte Privileg genießt, als Laienplaner an der Regelung einer konkreten öffentlichen Angelegenheit mitwirken zu können, ist der andere, was die Planungszel-le(n) zu der betreffenden politischen Sachfrage angeht, reiner Zuschauer, ohnmächtiger Zaungast.
IV. Zu den politischen Kompetenzen der Planungszellen im freiheitlich-demokratischen Entscheidungssystem
Nach der Konzeption von Dienel soll das Modell der Planungszelle zunächst lediglich im Rahmen der Entscheidungvorbereitung eingesetzt werden. Hiernach wäre die Planungszelle auf eine reine Gutachter-oder Beraterrolle beschränkt. Eigene (Mit-) Entscheidungsrechte stünden ihr nicht zu. Die Befugnis, eine Sache abschließend zu regeln, verbliebe nach wie vor in vollem Umfang den in der geltenden Rechtsordnung dafür vorgesehenen Instanzen.
Dienel schließt es jedoch für die Zukunft nicht aus, daß der Planungszelle das Recht eingeräumt wird, in öffentlichen Angelegenheiten nicht nur als'Berater oder Gutachter, sondern auch als formell (Mit-) Entscheiden-der tätig zu sein. Denn die Planungszelle — so argumentiert er — sei im Prinzip auch in anderen Funktionen als zur bloßen Entscheidungsvorbereitung einsetzbar. Infolgedessen könne es durchaus „zur Übertragung begrenzter Zuständigkeiten bei Bewertungs-, Planungsoder Kontrollfragen an Laienpla-
nergruppen" kommen. Die Frage, ob eine derartige Übertragung als erstrebenswert oder zweckmäßig angesehen werden kann, wird von Dienel nicht des näheren erörtert. Er verweist in diesem Zusammenhang vornehmlich auf die „Eigendynamik der mit dem Modell eingeleiteten Entwicklung"
Mit der Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit Planungszellen die Befugnis erhalten sollten, öffentliche Angelegenheiten verbindlich zu regeln, sind indes die Grundlagen der politischen Willensbildung und Entscheidung in unserem Staatswesen angesprochen. Dabei kann es durchaus geschehen, daß die von Dienel erwähnte Eigendynamik außer Kontrolle gerät und massiv in die falsche Richtung drängt. Die Kritik am Partizipationsmodell der Planungszelle hebt die rechtliche Un-verbindlichkeit der Arbeitsergebnisse bereits als Schwachstelle des Modells hervor. Es wird geltend gemacht, daß das Planungszellenkonzept an Wert gewinnt, wenn die Laienplanergruppen nicht auf die bloße Beratung und Begutachtung in politischen Sachfragen beschränkt bleiben
Unter diesen Voraussetzungen erscheint es bedenklich, die Frage der politischen Kompetenzen von Planungszellen gleichsam bis auf weiteres sich selbst zu überlassen. Das bestehende politische Entscheidungssystem stellt eine hochkomplizierte Konstruktion dar, deren Einzelelemente sorgfältig aufeinander abgestimmt sind und die infolgedessen auf Änderungen sehr sensibel reagiert. Zur Vermeidung von Fehlentwicklungen ist es daher unerläßlich, den Einbau von neuen Elementen planvoll zu gestalten und die vorgesehenen Neuerungen vor allem auch im Wege der gedanklichen Antizipation umfassend zu prüfen. Es kommt hierbei darauf an, etwaige disfunktionale Folgeerscheinungen oder unerwünschte Nebenwirkungen möglichst frühzeitig zu identifizieren. Diese sachlich nicht gerade unwichtigen Überlegungen dürften es sein, die dazu geführt haben, daß — wie Dienel in pointierter Formulierung feststellt — „die Juristen . . . geradezu fasziniert" sind von der Frage, ob „die Planungszelle mit eigenen Entscheidungskompetenzen ausgestattet ist oder ob sie lediglich zur Vorbereitung von Entscheidungen eingesetzt wird"
1. Planungszelle und verfassungsrechtliches Demokratieprinzip Die bestehenden politischen Entscheidungskompetenzen sind im Rahmen der geltenden Rechtsordnung nach bestimmten Prinzipien verteilt und detailliert festgelegt worden. Eine Veränderung dieser Kompetenzen bedarf daher entsprechender rechtlicher Neuregelungen. folgenden soll untersucht des werden, ob es nach den Bestimmungen des Grundgesetzes zulässig wäre, die Planungszellen mit Entscheidungsrechten, etwa in Fragen der städtebaulichen Planung, auszustatten. Nach Art. 28 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gilt das Demokratieprinzip auch für die kommunalen Gebietskörperschaften. Die Organisation eines freiheitlich-demokratischen Entscheidungssystems ist dadurch gekennzeichnet, daß jedem Bürger prinzipiell die gleichen Rechte zustehen, auf die öffentlichen Angelegenheiten Einfluß zu nehmen. Der Grundsatz der politischen Gleichheit gehört zu den wichtigsten Bestandteilen des grundgesetzlichen Demokratieprinzips Nach Dienel ist das bei der personellen Besetzung der Planungszellen anzuwendende „Verfahren der Zufallsauswahl . . . geeignet, den Gleichheitsgrundsatz zu gewährleisten" Dieser Auffassung kann indessen nicht beigepflichtet werden. Bei den demokratischen Basiseinrichtungen, wie etwa dem allgemeinen Wahlakt oder dem — im Grundgesetz allerdings nur rudimentär ausgebildeten — Plebiszit wird das politische (Mit-) Entscheidungsrecht jeweils jedem einzelnen Bürger konkret eingeräumt. Es unterliegt allein der Disposition des Bürgers, ob er das Recht ausübt oder nicht.
Dies ist bei dem Modell der Planungszelle anders. Hier wird der konkreten Einräumung des (Mit-) Entscheidungsrechts ein formelles Auswahlverfahren vorgeschaltet. Das Recht, in einer bestimmten öffentlichen Angelegenheit (gemeinsam mit anderen) zu entscheiden, erhält jeweils nur derjenige, der zu der vom Zufall ausgewählten Laienplanergruppe gehört. Dies führt dazu, daß nicht jedem Bürger die gleichen Befugnisse ifbezug auf die Regelung politischer Fragen zustehen: Die hinsichtlich einer bestimmten öffentlichen Angelegenheit, etwa einer Flächennutzungsplanung, für eine Planungsstelle im Zufallsverfahren bestimmten Bürger haben größere Entscheidungsrechte als die übrigen. Darin liegt eine Verletzung des politischen Egalitätsprinzips Hieran ändert auch der Umstand nichts, daß die nicht berücksichtigten Bürger möglicherweise in einer anderen öffentlichen Angelegenheit, beispielsweise einer Stadtsanierung, aufgrund der Zufallsauswahl für die betref-fende(n) Planungszelle(n) ihrerseits privilegierte Entscheidungsrechte eingeräumt bekommen. Denn die Intention des politischen Gleichheitsgrundsatz geht dahin, das alle Bürger im Hinblick auf alle öffentlichen Angelegenheiten prinzipiell die gleichen Entscheidungsrechte innehaben.
Der etwaige Einwand, auch die Mitglieder der parlamentarischen Körperschaften verfügten im Vergleich zu den übrigen Staatsbürgern über größere Entscheidungsrechte in politischen Fragen, geht in diesem Zusammenhang fehl. Denn die Entscheidungsprivilegien der Parlamentarier beruhen im Gegensatz zu denen der Planungszellenmitglieder auf einem politischen Mandat, das ihnen im Rahmen eines demokratischen Wahlakts übertragen worden ist. Dieses Mandat ist entziehbar, so daß der Parlamentarier politisch zur Rechenschaft gezogen werden kann. Die politische Verantwortlichkeit ist das Korrelat zu der erweiterten Entscheidungsbefugnis in den öffentlichen Angelegenheiten, Sofern dagegen den Planungszellenteilnehmern privilegierte Entscheidungsbefugnisse eingeräumt werden, gehen diese nicht auf ein konkretes politisches Mandat, sondern auf den Zufall zurück. An die Stelle des wahlbezogenen Mandatsprinzips rückt hier das Zufallsprinzip mit der Folge, daß Planungszellenteilnehmer nicht in wirkungsvoller Weise politisch zur Rechenschaft gezogen werden können. Dem entspricht es, daß Dienel die Verantwortlichkeit der Laien-planer rein schadensersatzrechtlich konzipiert. Er denkt in diesem Zusammenhang an eine Haftpflichtkonstruktion etwa in der Art, wie sie derzeit im Bereich des Straßenverkehrs existiert Eine Verpflichtung zum Ausgleich in Geld meßbarer Schäden ist jedoch etwas anderes als politische Verantwortlichkeit.
Zwar gibt es auch im Bereich von Regierung, Verwaltung und Justiz Personen, die aufgrund ihrer besonderen Entscheidungsbefugnisse in den öffentlichen Angelegenheiten einen erhöhten politischen Einfluß auszuüben vermögen, ohne unmittelbar vom Bürger ein konkretes Mandat erhalten zu haben. Aber das politische Entscheidungssystem des Grundgesetzes beruht insoweit auf der Idee, daß insbesondere die Personen aus den Bereichen der öffentlichen Verwaltung und der Justiz lediglich im Einzelfall vollziehen, was von den Vertretungskörperschaften, also den unmittelbaren Mandatsträgern, generell vorentschieden worden ist. Wenn dies für die Regierung nur bedingt gilt, so ist zu berücksichtigen, daß sie — gleichsam zur Kompensation — in erhöhtem Maße der Kontrolle und dem Zugriff des Parlaments unterliegt.
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, daß der Sinn der Planungszellen gerade nicht darin besteht, die von den unmittelbaren Mandatsträgern getroffenen generellen Entscheidungen im Einzelfall zu vollziehen. Sie sind keine Vollzugsinstrumente, sondern vielmehr darauf angelegt, für die Allgemeinheit aktiv-gestaltend tätig zu sein. Es handelt sich daher bei den institutionalisierten Laienplanergruppen um Einrichtungen höchstpolitischen Charakters. Parallelen beispielsweise zu den Geschworenen oder Laienrichtern im Bereich der Justiz werden unter diesem Blickwinkel der Sache nicht gerecht.
Daß die dem verfassungsrechtlich normierten Entscheidungssystem zugrunde liegende politische Idee in der Praxis nur unzulänglich verwirklicht ist und vor allem auch in Justiz und Verwaltung politische Gestaltungsentscheidungen ideewidrigen Ausmaßes getroffen werden, ist eine allseits bekannte und mit Recht kritisierte Erscheinung. Es wäre jedoch — ungeachtet der verfassungsrechtlichen Zulässigkeitsproblematik — verfehlt, diesen unbefriedigenden Zustand dadurch auszuweiten, daß neue spezifisch politische Entscheidungsträger ohne unmittelbares bürgerschaftliches Mandat und weitgehend losgelöst von der Einflußnahme durch die parlamentarischen Körperschaften eingerichtet werden. Eine sinnvolle Verbesserung des bestehenden politischen Entscheidungssystems läßt sich nur dann erfolgreich realisieren, wenn die Prinzipien für diese Verbesserung aus der dem System zugrunde liegenden Idee deduziert werden und nicht aus einer defizienten Praxis. Sofern man daher um eine größere Überein-stimmung von — formelhaft gesprochen — Verfassungswirklichkeit und Verfassungsidee bemüht ist, gilt es, ideeimmanente Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehört etwa eine Stärkung der Parlamente oder auch die Erweiterung der unmittelbaren Beteiligung der Bürger an den politischen Entscheidungen unter Ausnutzung des Spielraums, den das staatsrechtliche Repräsentationsprinzip hier gewährt.
Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß die Einräumung von Entscheidungsrechten an Planungszellen unter drei Aspekten zum freiheitlichen Demokratiebegriff des Grundgesetzes in Widerspruch steht: Sie verstößt gegen das politische Egalitätsprinzip, das wahlbezogene Mandatsprinzip sowie den Grundsatz der politischen Verantwortlichkeit.
Die Einrichtung von Planungszellen ohne die Befugnis zur verbindlichen Regelung öffentlicher Angelegenheiten ist dagegen — worauf in diesem Zusammenhang ausdrücklich hingewiesen sei — unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten unbedenklich, weil hier das vom Grundgesetz vorgesehene System der politischen Entscheidungskompetenzen und Verantwortlichkeiten unangetastet bleibt. Die politischen Entscheidungsträger sind grundsätzlich befugt, die Informationsgrundlagen für ihre Tätigkeit dadurch zu vertiefen und zu ergänzen, daß sie sich von Außenstehenden beispielsweise Gutachten erstatten lassen, fachliche Beratung besorgen oder auch Meinungsäußerungen und Stellungnahmen verschaffen.
2. Auswirkungen auf die Position des einzelnen im politischen Willensbildungs-und Entscheidungsprozeß Neben den verfassungsrechtlichen Einwänden ist ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt hervorzuheben, der dagegen spricht, Planungszellen die Befugnis zur verbindlichen Entscheidung öffentlicher Angelegenheiten einzuräumen. Denn eine derartige Veränderung am bestehenden hoheitlichen Kompetenz-und Verantwortlichkeitsgefüge würde die Position des einzelnen am politischen Willensbildungs-und Entscheidungsprozeß keineswegs stärken. Bei näherer Analyse der Dinge zeigt sich, daß hier — im Gegenteil — letztlich eine Positionsschwächung zu erwarten wäre. Ein staatliches Ordnungssystem, in dem öffentliche Angelegenheiten von Laienplanergruppen abschließend geregelt werden, weist gegenüber dem traditionellen westlichen Demokratie-Modell, von dem auch das Grundgesetz ausgeht, eine elementare Veränderung auf. Diese Veränderung besteht in der Ersetzung des auf allgemeine und gleiche Wahlen bezogenen Mandatsprinzips durch das Zufallsprinzip: In Angelegenheiten von genereller Bedeutung für das Gemeinwesen entscheiden Personen, die weder vom Staatsvolk ausgewählt worden sind, noch im Hinblick auf ihre politische Tätigkeit von den gewählten Mandatsträgern gebührend kontrolliert und inhaltlich beeinflußt werden können.
Daß auch das Prinzip der Zufallsselektion Vorzüge aufweist, ist bereits erwähnt worden Als vorteilhaft kann gelten, daß es auch demjenigen privilegierte Entscheidungsbefugnisse zu verschaffen vermag, dr etwa aufgrund mangelnder politischer Gewandtheit von vornherein keine oder nur sehr geringe Chancen besitzt, jemals erfolgreich aus einem demokratischen Wahlverfahren hervorzugehen. Bei einer Wahl werden hinsichtlich der Kandidaten bestimmte Eigenschaften, Qualifi-kationen oder Fähigkeiten verlangt, die viele Bürger nicht aufweisen. Beim Zufallsverfahren werden dagegen insoweit keine besonderen Anforderungen gestellt. Es ist aus diesen Gründen geeignet, der Entstehung oligarchischer Erscheinungen im politischen Raum vorzubeugen. Zudem entfällt bei der Zufalls-selektion diejenige Rücksichtnahme, die der staatsbürgerschaftlich gewählte Mandatsträger üben muß, wenn er seine Wiederwahl sicherstellen will. Die Mitglieder von Zufalls-gruppen sind unabhängiger.
Gleichwohl gilt es hier folgende Zusammenhänge zu beachten: Sofern die Regierenden im Rahmen eines periodisch wiederkehrenden allgemeinen und gleichen Wahlakts bestimmt werden, verfügen die Staatsbürger über wirksamere politische Gestaltungsmöglichkeiten als bei Anwendung der Zufallsselektion. Denn im erstgenannten Fall können die Bürger ihren Willen und ihre Vorstellungen unmittelbar in das Auswahlverfahren einbringen. Darüber hinaus bietet der allgemeine Wahlakt — im Gegensatz zum Zufallsverfahren — jedem Bürger Gelegenheit zu tätiger politischer Mitwirkung, was nach den Maßstäben der Partizipationsidee besonders bedeutsam ist. Mehr noch: Obgleich der Wahlakt nur in mehrjährigem Abstand ausgeübt wird, so geht doch bereits allein von seiner Existenz eine kontrollierende und die Politik der Regierenden beeinflussende Wirkung aus; denn die Regierenden dürfen sich mit Rücksicht auf ihre Wiederwahl nicht allzu weit vom Willen der Staatsbürgerschaft entfernen. Dieser Umstand gewährleistet eine gewisse Kontinuität im Hinblick auf die bürgerschaftliche Beeinflussung des politischen Prozesses.
Etwas anderes gilt dagegen für das Modell der Planungszelle. Hier kann der Bürger nur zu dem Zeitpunkt auf die öffentlichen Angelegenheiten einwirken, zu dem er zufällig „an der Reihe" ist, d. h. vom Zufall als Mitglied einer Laienplanergruppe ausgewählt worden ist. In der übrigen Zeit ist er insoweit, als die Planungszellen zu verbindlichen Entscheidungen befugt sind, absolut machtlos. Zwar ist bei einer größeren Anzahl von Planungszellen die Wahrscheinlichkeit für den einzelnen höher, vom Zufall zum Laienplaner bestimmt zu werden, als aufgrund einer allgemeinen Wahl in eine parlamentarische Körperschaft einziehen zu können. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, daß sich Laienplanergruppen wegen ihrer beschränkten Problemverarbeitungskapazi-tät jeweils nur punktuell einsetzen lassen. Eine parlamentarische Vertretungskörperschaft bearbeitet prinzipiell das gesamte Politikspektrum der entsprechenden Ebene, sei es des Bundes, eines Landes oder einer Gemeinde. Der einzelne Bürger vermag beim Planungs-zellen-Modell nur hinsichtlich eines verhältnismäßig eng eingegrenzten Spezialproblems an einer politischen Sachentscheidung mitzuwirken. Auf alle anderen Sachentscheidungen, die von den zahlreichen Planungszellen getroffen werden, in denen er nicht Mitglied ist, hat er wiederum überhaupt keinen Einfluß.
Als Ergebnis der vorstehenden Darlegungen bleibt thesenartig festzuhalten: In Gesellschaften mit hochkomplexen Lebensverhältnissen bietet das wahlbezogene Mandats-prinzip — im Hinblick auf den politischen Gesamtprozeß — dem einzelnen größere Gestaltungs-und Einflußnahmemöglichkeiten als das Zufallsprinzip. Wenn sich demnach die Ausübung politischer Herrschaft auf ein entziehbares Mandat der Beherrschten stützt, so entspricht dies im Vergleich zu dem Fall, daß sie auf dem Zufall beruht, einer höheren Entwicklungsstufe in der politischen Kultur.
V. Verwaltungs-und beteiligungspolitische Zweckmäßigkeitserwägungen zum Einsatz von Planungszellen
Wenngleich es — wie dargelegt — verfassungsrechtlich unzulässig ist und es sich auch nach allgemeinen Partizipationsgrundsätzen nicht empfiehlt, Planungszellen mit Entscheidungsrechten in öffentlichen Angelegenheiten auszustatten, so bedeutet dies keineswegs, daß auf den Einsatz von Laienplanergruppen im politischen Teilbereich der städtebaulichen Planung völlig verzichtet werden sollte. Im Gegenteil: Die Verwendung von Laienplanergruppen im Rahmen des Wil-lensbildungs-und Entscheidungsprozesses zur planerischen Gestaltung des örtlichen Raumes bietet eine Reihe von Vorzügen: Die Vorteile der Verwendung von Laienplanergruppen auf dem Sektor des Städtebaus bestehen zunächst darin, daß der Bürger Gelegenheit erhält, sich mit Problemen der baulich-räumlichen Ortsplanung intensiv vertraut zu machen. Er kann sich vor allem auch aus solchen Quellen umfassend unterrichten, die ihm gewöhnlich nicht oder jedenfalls nicht in dem hier gegebenen Umfang zur Verfügung stehen. In der Planungszelle ist er zudem persönlich gefordert, praktikable Lösungen zu einem aktuellen städtebaulichen Problem zu erarbeiten; es werden mithin konkrete Ansprüche an seine Kreativität, Phantasie und Gestaltungskraft gestellt. Die Mitarbeit in Laienplanergruppen vermag demnach zu bewirken, daß die Urteils-und Kritikfähigkeit des Bürgers nicht nur hinsichtlich des gerade behandelten städtebaulichen Spezialproblems, sondern generell in Fragen der baulich-räumlichen Ortsplanung geschärft wird.
Die Tätigkeit in der Planungszelle ist darüber hinaus durch eine markante Praxisbezogenheit gekennzeichnet. Dadurch erhält sie — wie Dienel zutreffend ausführt — ein hohes Maß an Ernsthaftigkeit und Wirklichkeitsnähe; es liegt hier weder eine Schulsituation noch eine bloße Sandkastenspielerei vor. Die Arbeitsresultate der Planungszelle werden nicht nur den entscheidungsberechtigten politischen Instanzen als eine Art Gutachten übergeben, sondern auch der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Als gründlich erarbeiteter Stellungnahme informierter Bürger zu einer politischen Sachfrage wird man diesen Resultaten voraussichtlich ein verstärktes Gewicht beimessen. Es darf infolgedessen davon ausgegangen werden, daß sie als ein wichtiges Datum sowohl in die öffentliche Diskussion als auch in den offiziellen Willensbildungsund Entscheidungsprozeß eingehen werden. Diese Zusammenhänge dürften für die Motivation der Laienplaner von erheblicher Bedeutung sein. Planungszellen erweisen sich nach den vorstehenden Ausführungen mithin — knapp charakterisiert — als Veranstaltungen politischer Bildung, die sich vor allem durch den Umstand auszeichnen, daß sie direkt an die Praxis angekoppelt sind.
Aus der Sicht der öffentlichen Verwaltung läßt sich als Vorzug bereits anführen, daß Laienplanergruppen wegen ihrer von vornherein exakt befristeten Existenz nicht auf kräftezehrende Dauerkonflikte angelegt sind. Darin unterscheiden sie sich von vielen Bürgerinitiativen. Aber auch bei einem Beirat kann es über längere Zeiträume zu heftigen Kontroversen mit den entscheidungsbefugten administrativen Instanzen kommen, zumal dann, wenn die Beiratsmitglieder ausschließlich von den Betroffenen gewählt worden sind.
Die Vorteile der Verwendung von Planungszellen zeigen sich für die öffentliche Verwaltung indessen vor allem darin, daß sie erfährt, wie eine bestimmte städtebauliche Frage von Bürgern beurteilt wird, die sich damit konzentriert beschäftigt haben. Die herkömmliche Meinungsumfrage vermag dies nicht zu leisten, da sie sich an die Bürger wendet ohne jede Rücksicht auf deren Informationsstand und Sachkunde. Bürgerschaftliche Stellungnahmen sind häufig geprägt von Ressentiments und Voreingenommenheiten, welche von den betreffenden Personen bei näherem Nachdenken nicht mehr aufrechterhalten werden. Es fehlt hier der Filter der Reflexion. Planungszellen bieten dagegen bürgerschaftliche Voten auf der Grundlage gediegener Sachinformation und intensiver Beschäftigung mit dem Gegenstand.
Die Stellungnahme informierter Bürger zu konkreten städtebaulichen Planungsproblemen können die Verwaltungen zwar grundsätzlich auch von einem Beirat oder einer Bürgerinitiative einholen. Aber Beiratsmitglieder müssen häufig auf Wähler-, Partei-oder Verbandsinteressen Rücksicht nehmen, so daß die eigenen Wertungen nicht in originärer Form zur Geltung kommen. Da derartige Rücksichten bei Planungszellenteilnehmern weitgehend entfallen, sind die Voten von Laienplanergruppen weniger durch politisch-taktische Erwägungen beeinflußt. Hinsichtlich der Bürgerinitiativen gilt es in diesem Zusammenhang zu beachten, daß die öffentliche Verwaltung von ihnen in erster Linie die Stellungnahme solcher Personen erhält, die politisch zumindest im Hinblick auf den konkreten Fall bereits hochgradig aktiviert sind. Es handelt sich hier — pointiert ausgedrückt —> um das Votum der Engagierten und Enragierten. Den Planungszellen gehören dagegen vielfach Personen speziell aus jener relativ großen Bevölkerungsgruppe an, deren Mitglieder sich in der Öffentlichkeit nicht lautstark zu Wort zu melden pflegen. In der Planungszelle haben mithin gerade auch diejenigen ein Forum gefunden, deren Interessen und Wertungen im politischen Prozeß am ehesten vernachlässigt werden
Aus dem Einsatz von Planungszellen ergeben sich nach alledem in mehrfacher Hinsicht beteiligungs-und verwaltungspolitische Vorteile, die von anderen Partizipationseinrichtungen nicht oder jedenfalls nicht in demselben Ausmaß zu erwarten sind. Aufgrund dieser spezifischen Vorteile empfiehlt es sich für die örtlichen Gebietskörperschaften, im Rahmen der Bürgerbeteiligung an der baulich-räumlichen Ortsplanung auch auf das Partizipationsinstrument der Planungszelle zurückzugreifen. Allerdings dürften Laienplanergruppen angesichts des beträchtlichen wirtschaftlichen und organisatorischen Aufwands, der mit ihrem Einsatz verbunden ist, lediglich für die bedeutsameren städtebaulichen Planungsfälle in Betracht kommen, etwa für Innenstadtsanierungen oder für Flächennutzungsplanungen.
VI. Planungszellen und städtebaurechtliche Partizipationsvorschriften
Der Gesetzgeber hat — wie eingangs bereits erwähnt wurde — die Partizipationsvorschriften in den städtebaurechtlichen Kodifikationen, dem Bundesbaugesetz und dem Städtebauförderungsgesetz, generalklauselartig weit gefaßt. Von einer detaillierten Regelung des Partizipationsverfahrens hat er abgesehen, weil die Dinge hier derzeit noch allzu stark in Bewegung sind. Bislang hat sich kein bestimmtes Modell für die Bürgerbeteiligung an der städtebaulichen Planung in dem Sinne durchsetzen können, daß es weithin als vorzugswürdig anerkannt wird. Es ist daher zu Recht den Gemeinden Gelegenheit gegeben worden, mit verschiedenen Techniken zu experimentieren und einzelne Verfahren zu testen. Nach der gegenwärtigen Rechtslage können die örtlichen Gemeinwesen die organisatorischen Modalitäten der Partizipationsverwirklichung weitgehend selbst bestimmen und den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles anpassen. Die städtebaurechtlichen Gesetze enthalten jedoch einige normative Fixpunkte, die von den Gemeinden bei der Durchführung der Bürgerbeteiligung in jedem Fall strikt zu beachten sind.
Nach der Partizipationsvorschrift des § 2 a Abs. 2 BBauG genügt es nicht, wenn die dort normierte Bürgerbeteiligung in der Weise erfolgt, daß eine Planungszelle eingerichtet wird. Auch die Einrichtung mehrerer Planungszellen reicht hier nicht aus. Denn die in § 2 a Abs. 2 Satz 1 BBauG geforderten Informationen über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung sind nach der Bestimmung des Gesetzes „öffentlich" darzulegen. Dies bedeutet, daß sie allen Bürgern — nicht nur den Laienplanern — zugänglich sein müssen
Entsprechendes gilt für die in § 2 a Abs. 2 Satz 2 BBauG vorgeschriebene Erörterung. Die Gelegenheit zur Erörterung ist — wie es in der genannten Vorschrift heißt — „allgemein" zu geben. Daraus folgt, daß jedem daran interessierten Bürger die Möglichkeit zu eröffnen ist, mit Vertretern der Gemeinde über die anstehende Planung zu sprechen. Es wäre mit dem Gesetz unvereinbar, wenn derartige Gesprächsmöglichkeiten lediglich für Planungszellenteilnehmer bestünden. Die Gemeinde ist zwar nach § 2 a Abs. 3 BBauG befugt, die von ihr durchgeführte Bürgerbeteiligung auf einen bestimmten räumlichen Bereich, etwa das Planungsgebiet, zu beschränken. Dabei hat sie jedoch nach der ausdrücklichen Anordnung der genannten Gesetzesbestimmung den § 2 a Abs. 2 BBauG zu beachten. Die Gemeinde hat demzufolge innerhalb des beschränkten räumlichen Bereichs wiederum die Informationen über die Planung „öffentlich" darzulegen und „allgemein" Gelegenheit zur Erörterung zu geben;
sie muß sich somit auch hier jeweils an sämtliche Bürger des betreffenden Teilgebiets wenden.
Sofern sich daher die örtlichen Gebietskörperschaften im Rahmen der Bürgerbeteiligung nach § 2 a Abs. 2 BBauG auschließlich des Planungszellenmodells bedienen wollten, müßten sie so viele Laienplanergruppen einrichten, daß jeweils alle Bürger, die dies wünschen, in einer solchen Gruppe mitarbeiten könnten. Der sich hier abzeichnende wirtschaftliche und organisatorische Aufwand dürfte die Gemeinden veranlassen, Planungszellen allenfalls zusätzlich anzubieten. Gegen ein derartiges zusätzliches Partizipationsangebot wäre aus juristischer Sicht nichts einzuwenden. Die örtlichen Gemeinwesen sind rechtlich nicht gehindert, neben einer Information und Partizipation, die den Anforderungen des § 2 a Abs. 2 BBauG entspricht, Laienplanergruppen einzurichten, in denen nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Bürger das betreffende Planungsvorhaben intensiv behandeln und gutachtlich dazu Stellung nehmen. Ähnlich verhält es sich mit den Partizipationsvorschriften nach dem Städtebauförderungsgesetz. Die Gemeinde muß die Beteiligungsmöglichkeit jeweils jedem Betroffenen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 9 Abs, 1 StBauFG konkret anbieten. Ob dieses Angebot in Anspruch genommen wird, ist allein der Entscheidungsgewalt des einzelnen zu überlassen. Die Gemeinde darf sich beispielsweise nicht von vornherein darauf beschränken, die Erörterungen über die baulich-räumliche Neugestaltung des Sanierungsgebiets nach § 9 StBauFG lediglich mit denjenigen zu führen, welche im Rahmen der Zufallsselektion für die Teilnahme an einer Planungszelle ausgewählt worden sind. Daß sich Laienplanergruppen zudem für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 StBauFG vorgesehenen Gespräche insoweit wenig eignen, als hier von der Gemeinde individuell die Frage zu klären ist, inwieweit sich der einzelne Eigentümer mit Baumaßnahmen an der Sanierungsdurchführung (nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht) beteiligen kann, sei in diesem Zusammenhang nur ergänzend erwähnt. Es besteht indes — dies sei abschließend festgehalten — auch im Rahmen des Städtebauförderungsgesetzes die Möglichkeit, Planungszellen zusätzlich einzurichten, d. h. neben einem Beteiligungsverfahren, daß den städtebauförderungsgesetzlichen Partizipationsvorschriften gerecht wird.