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Einige Anmerkungen zu der Stellungnahme von Felix v. Cube | APuZ 24/1979 | bpb.de

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APuZ 24/1979 Artikel 1 Atheismus als politisches Problem Nicht Wissenschaft und Atheismus sind inhuman, sondern dogmatische Ansprüche. Eine Stellungnahme zu dem Beitrag von Hugo Staudinger Einige Anmerkungen zu der Stellungnahme von Felix v. Cube Die ausgebliebene Legitimationskrise

Einige Anmerkungen zu der Stellungnahme von Felix v. Cube

Hugo Staudinger

/ 6 Minuten zu lesen

Die Ausführungen Felix von Cubes zeigen mir, daß es in einer großen Zahl von Fragen ein erfreuliches Maß an Übereinstimmung gibt. Einige Bemerkungen jedoch kann ich zwar als spontane Äußerungen eines engagierten Menschen respektieren, sehe jedoch kaum einen Bezug zu meinen Ausführungen. So habe ich weder gefordert, Galilei noch einmal zu verurteilen, noch die Wissenschaft von vornherein an ein theistisches Weltbild zu binden, noch gar den Atheisten zum Bösen schlechthin zu erklären.

Der einzige Satz, auf den von Cube bei diesen seinen Vermutungen hinweisen kann, ist das Zitat von Karl Jaspers gegen Ende meiner Ausführungen. Tatsächlich handelt es sich jedoch_auch hier um ein Mißverständnis. Wenn Karl Jaspers erklärt, daß es unmöglich sei, daß dem Menschen die Transzendenz verlorengeht, ohne daß er aufhört Mensch zu sein, so ist diese Feststellung, wie auch der Zusammenhang, in dem ich sie zitiere, zeigt, nicht auf den einzelnen Menschen gemünzt, sondern auf die Menschheit insgesamt. Es wird also keineswegs bestritten, daß es humane Atheisten gibt, sondern nur behauptet, daß eine atheistische Gesellschaft zur Inhumanität tendiert. Im übrigen verstehe ich, nicht, warum von Cube gegen den Begriff des Methodischen Atheismus polemisiert. In meinen Ausführungen behaupte ich nirgends, daß Wissenschaftler grundsätzlich Atheisten seien, sondern nur, daß die Wissenschaften jeweils so vorgehen, als ob es keinen Gott gäbe. Dies jedoch ist exakt Methodischer Atheismus.

Da ich in einer kurzen Erwiderung nicht auf alle Punkte der Ausführungen von Cubes eingehen kann, bitte ich, dessen Stellungnahme jeweils mit meinen Ausführungen zu vergleichen. Außerdem weise ich ergänzend nochmals auf die von mir mitverfaßte umfassende Analyse der wissenschaftlich-technischen Welt hin, die den geistigen Gesamtzusammenhang aufweist 1). Zu zwei zentralen Fragenkomplexen möchte ich jedoch kurz Stellung nehmen: 1. Felix von Cube überschreibt seine Ausführungen mit dem Satz: „Nicht Wissenschaft und Atheismus sind inhuman, sondern dogmatische Ansprüche." In seinen Ausführungen spricht er mehrmals von religiösen Ideologien und erklärt u. a.: „Jedes Dogma führt zur Mißachtung Andersdenkender und zur Diktatur der . Rechtgläubigen'." Da Herr von Cube von der Religion nur im Zusammenhang mit Ideologie spricht, gewinnt man den Eindruck, als sei Religion eine Art von Ideologie. Dabei beachtet er jedoch nicht, daß Ideologien in ihrem eigenen Selbstverständnis wissenschaftlich beweisbar sind und daher nicht nur Anspruch auf Wahrheit erheben, sondern darüber hinaus zu der Auffassung neigen, daß nur Uneinsichtige oder Bösartige ihnen die Anerkennung verweigern. Im Gegensatz dazu sind einige Religionen, insbesondere das Christentum, zwar von ihrer Wahrheit überzeugt, behaupten jedoch nicht, den Inhalt ihrer Glaubensbekenntnisse stringent beweisen zu können. Daher gestehen sie jedem Achtung zu, der sich ihnen, seiner eigenen Gewissensentscheidung folgend, nicht anschließt. Die Texte des II. Vatikanischen Konzils zeigen, daß ein Wahrheitsanspruch nicht zwangsläufig mit Intoleranz verbunden sein muß. Hier geht es um ein Grundproblem der Gegenwart, um die Gewinnung einer Position, die weder einer allgemeinen Relativierung Vorschub leistet, noch einem intoleranten Absolutheitsanspruch gleichkommt. Wie ich in meiner Be-• gründung zu These 7 ausgeführt habe, bedarf auch eine pluralistische Konzeption der Gesellschaft einer klaren Entscheidung über die Basis ihrer Toleranz. Leider hat von Cube hierzu kaum etwas gesagt, sondern statt des-sen erklärt, daß er mir mein „Toleranzversprechen nicht abnehmen" kann. Die Spannung, die zwischen der Idee der Menschenrechte und dem Gedanken der Volkssouveränität besteht, läßt sich nicht so einfach mit dem Hinweis vom Tisch wischen, „daß Menschenrechte und Demokratieprinzip nach dem Grundgesetz durch keine Mehrheit geändert werden können". Selbstverständlich ist das im Sinne positivistischen Denkens formal unbestreitbar. Aber was antwortet von Cube jenen Gruppen, die der Mehrheit des Jahres 1948 das Recht bestreiten, in ein Grundgesetz unwiderrufliche Bestimmungen zugunsten der Menschenrechte aufzunehmen, die die Souveränität der Mehrheit des Jahres 1980 beschränken und es ihr z. B. verwehren, Abtreibungen völlig freizugeben? Bei dieser Frage beginnt doch erst das Problem. Wenn von Cube sich in seinen gesamten Ausführungen immer wieder auf die Wertfreiheit der Wissenschaften beruft, so ignoriert er die wissenschaftstheoretischen Diskussionen der letzten Jahrzehnte. Daß die Wissenschaften heute weithin einen „instrumenteilen Charakter" haben, ist ja gerade deshalb ein Problem, weil sie eben nicht mit einem Hammer verglichen werden können, der selbst passiv ist, den man jedoch gut oder schlecht anwenden kann. Denn im Gegensatz zum Hammer haben die Wissenschaften selbst eine ihnen eigene Dynamik. Sie drängen zu einer immer perfekteren schrankenlosen Erfassung der Wirklichkeit. Das jedoch ist kein wertfreier Vorgang, da im Zuge der wissenschaftlichen Forschung selbst — also nicht erst durch ihre Anwendung — Experimente „nötig" oder zumindest wünschenswert erscheinen, die u. U. eine Vernichtung, Denaturierung oder Pervertierung der „Forschungsobjekte" bedeuten. Dieses Problem bleibt solange unerheblich, wie sich die Forschung im rein physikalischen Bereich bewegt. Schon in der Biologie wird es jedoch akut, indem sich die Frage stellt, ob der Mensch das Recht hat, mit Tieren beliebig zu experimentieren, sofern er sich davon aufschlußreiche Forschungsergebnisse verspricht. Die immanente Konsequenz wissenschaftlicher Forschung jedoch drängt darüber noch hinaus: Manche Forschungsprogramme lassen sich nur durchführen, wenn Menschen für entsprechende Experimente zur Verfügung stehen. Die „ideale Forschungssituation" ist dann erreicht, wenn — wie beim Tierversuch — ohne Rücksicht auf die „Versuchsobjekte" vorgegangen werden kann. Diese Möglichkeit bot sich im Dritten Reich. Auf begründeten Antrag erhielten Forscher die Mitteilung, daß für die geplanten Versuche Häftlinge „selbstverständlich zur Verfügung gestellt werden" 2). Sogar in Fällen, in denen eine ideologische Komponente mitspielte, blieb zumeist die wissenschaftliche Motivation der eigentlich treibende Motor. So wandte sich z. B. Prof. Dr. August Flirt, Ordinarius der Anatomie, an Heinrich Himmler: „Nahezu von allen Rassen und Völkern sind umfangreiche Schädelsammlungen vorhanden. Nur von den Juden stehen der Wissenschaft so wenig Schädel zur Verfügung, daß ihre Bearbeitung keine gesicherten Ergebnisse zuläßt. Der Krieg im Osten bietet uns jetzt Gelegenheit, diesem Mangel abzuhelfen. In den jüdisch-bolschewistischen Kommissaren, die ein widerliches, aber charakteristisches Untermenschentum verkörpern, haben wir die Möglichkeit, ein greifbares wissenschaftliches Dokument zu erwerben, indem wir ihre Schädel sichern. Die praktische Durchführung der reibungslosen Beschaffung und Sicherstellung dieses Schädelmaterials geschieht am zweckmäßigsten in Form einer Anweisung an die Wehrmacht, sämtliche jüdisch-bolschewistischen Kommissare in Zukunft lebend sofort der Feldpolizei zu übergeben. Die Feldpolizei wiederum erhält Sonderanweisung, einer bestimmten Stelle laufend den Bestand und Aufenthaltsort dieser gefangenen Juden zu melden und sie bis zum Eintreffen eines besonderen Beauftragten wohl zu behüten. Der zur Sicherstellung des Materials Beauftragte (ein der Wehrmacht oder sogar der Feldpolizei angehörender Jungarzt oder Medizinstudent, zugerüstet mit einem PKW nebst Fahrer) hat eine vorher festgelegte Reihe photographischer Aufnahmen und anthropologischer Messungen zu machen und, soweit möglich, Herkunft, Geburtsdatum und andere Personalangaben festzustellen. Nach dem danach herbeigeführten Tod des Juden, dessen Kopf nicht verletzt werden darf, trennt er den Kopf vom Rumpf und sendet ihn in eine Konservierungsflüssigkeit gebettet in eigens zu diesem Zwecks geschaffenen und gut verschließbaren Blechbehältern zum Bestimmungsort."

Angesichts solcher Dokumente verstehe ich nicht, daß Herr von Cube meine Feststellung, daß ein Teil der Untaten des Dritten Reiches „nicht primär der spezifischen Ideologie . . ., sondern der Menschenverachtung der vom Methodischen Atheismus geprägten modernen Wissenschaften zugeschrieben werden müsen", für „zu grotesk" hält, „um darauf weiter einzugehen". Auch meine Bemerkung, daß die Tendenz der absoluten Verfügung über den Menschen bis zum heutigen Tag in den Wissenschaften wirksam bleibt, halte ich angesichts der angeführten Beispiele voll aufrecht.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Chance und Risiko der Gegenwart — Eine kritische Analyse der wissenschaftlich-technischen Welt, Schöningh, Paderborn, 1976.

  2. IMT, Bd. XXVII, S. 348.

  3. Doc. Nr. 185 im Prozeß gegen 23 SS-Ärzte und Wissenschaftler in Nürnberg 1946/47, zitiert nach A. Mitscherlich und F. Mielke, Das Diktat der Menschenverachtung, 1947, S. 99 ff.

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