Zur Einführung in die Problemlage
Als im Herbst 1977 bekannt wurde, daß neun Offiziere an der Bundeswehrakademie in München am Ende einer privaten Feier in betrunkenem Zustand eine symbolische Verbrennung von Juden vorgenommen hatten und die Öffentlichkeit Aufklärung über den Vorfall verlangte, hat Bundesverteidigungsminister Leber gegenüber dem Korrespondenten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Adel-bert Weinstein, in einem Gespräch erklärt (FAZ vom 5. 11. 1977): „Hier geht es gar nicht um Antisemitismus. Hier hat sich ein Fehlverhalten von Soldaten gezeigt, ein Verstoß gegen die vom Grundgesetz gebotene Achtung vor der Würde des Menschen.“ Der Verteidigungsminister hat weiterhin erklärt, auf die allgemeinen Ursachen eingehend: „Den Soldaten fehlen Grundeinsichten in geschichtliche Zusammenhänge. Regelrecht schlechte Bildung hat zu den Vorgängen in München geführt. Ein ernstes Wort an die Kultusminister ist nötig. Man kann das Fehlen von politischen, geschichtlichen und philosophischen Basiskenntnissen nicht mit technischem Wissen und Beschäftigung mit Mathematik aufwiegen. Die Kultusminister, die Lehrer und Professoren müssen umdenken; sie müssen ein Unterrichtssystem entwickeln, das dem jungen Menschen die Chance gibt, während der Schulzeit in die Rolle des künftigen Staatsbürgers hineinzuwachsen."
Der Vorfall in München hat nicht nur die Bundesregierung beschäftigt. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages hat dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz im Oktober 1977 mitgeteilt, der Verteidigungsausschuß sei einmütig zu der Auffassung gelangt, daß die Vorgänge in München auf ein erhebliches Bildungsdefizit an den Schulen über die Geschichte des Nationalsozialismus schließen lassen. Er hat die Kultusministerkonferenz gebeten, die politische Bildung in diesem Bereich zu intensivieren und besonders die Auseinandersetzung mit dem Totalitarismus und Extremismus jeder Art und Richtung zu verstärken.
Die Kritik des Bundesverteidigungsministers und des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages am Ergebnis der politischen Bildung in der Schule muß unverständlich erscheinen, wenn es nicht Ursachen gäbe, die eine solche Einschätzung — und mag sie auch übertrieben und im ganzen unzutreffend sein — möglich machten. Man wird nicht herumkommen, solche Ursachen einzugestehen, mindestens in dem Phänomen des öffentlichen Vorurteils. Dieses Vorurteil betrifft die Behandlung des Nationalsozialismus im Geschichts-und Gemeinschaftskundeunterricht und die Rahmenbedingungen der Stellung des Faches Geschichte an den Schulen.
Zum Problembereich: Behandlung des Nationalsozialismus im Unterricht
Wichtig zum Verständnis der Ausgangslage und der Entwicklung ist noch heute, was der Deutsche Ausschuß für das Erziehungs-und Bildungswesen (von 1953 bis 1965 höchstes Beratungsgremium für die staatliche Bildungspolitik) zu diesem Problem und seinen Implikationen 1955 in seinem Gutachten zur politischen Bildung und Erziehung festgestellt hat. Ausgehend von der These, daß politisches Denken geschichtliche Orientierung und einen Vorblick auf die Zukunft voraussetzt, stellt der Deutsche Ausschuß fest: Beides ist heute (1955) in Frage gestellt. Es gelingt uns noch nicht, unseren gegenwärtigen Standort in seinem bisherigen Verhältnis zur deutschen Geschichte zu bestimmen. Insbesondere ist in breiten Schichten noch keine Übereinstimmung in der Beurteilung des Nationalsozialismus und des Widerstandes erreicht worden. Andererseits erschwert die Undurchsichtigkeit der weltpolitischen Konstellation den Entwurf eines Bildes von unserer politischen Zukunft. Diese zweifache Un-gewißheit darf aber nicht zur Rechtfertigung von Ausflüchten dienen; sie enthält vielmehr eine Forderung, der wir uns stellen müssen.
Das vom Deutschen Ausschuß angesprochene Verhältnis vieler Deutscher zur jüngsten Vergangenheit spiegelte sich damals wie heute am klarsten im Geschichtsunterricht. Für die frühen fünfziger Jahre dürfte die allgemeine Feststellung zutreffen, daß der Unterricht in deutscher Geschichte schwerpunktmäßig kaum weiter als bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges führte und damit vor der Epoche des Zusammenbruchs der deutschen Groß-machtstellung endete. Bei den Lehrern, die damals zögerten, den Weg der Geschichte des deutschen Volkes bis zur Hitler-Diktatur und Zerstörung des Deutschen Reiches zu verfolgen, wirkten sich äußere und innere Hemmnisse aus. Zu den inneren Hemmnissen zählte der Deutsche Ausschuß 1960 neben Bequemlichkeit, Mangel an Mut oder Einsicht auch eine heimliche Sympathie mit dem Nationalsozialismus, dessen unteilbare Wirklichkeit man aus einer fragwürdigen „Objektivität" beschönigend in einen verbrecherischen und einen rühmenswerten Teil aufspaltete. Weit verbreitet war die Auffassung, daß der Abstand fehle, um in der Schule ein Bild der Gewaltherrschaft des Dritten Reiches und der Verhältnisse in Deutschland zu dieser Zeit zu zeichnen. Die Grenzen der Abstinenz wurden deutlich, als 1959 von heimlich agierenden Tätern jüdische Friedhöfe geschändet und antisemitische Schmierereien an Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer des NS-Regimes angebracht wurden. Der Deutsche Ausschuß reagierte im Januar 1960, möglichen Mißdeutungen in der öffentlichen Meinung vorbeugend, mit einer Erklärung aus Anlaß der antisemitischen Ausschreitungen. Seine einleitende Feststellung lautete: Anzeichen eines neu-belebten Antisemitismus haben die Öffentlichkeit alarmiert. Ihre Hintergründe und eigentliche Bedeutung sind noch nicht eindeutig geklärt. So ist noch nicht eindeutig klar, was von außen gesteuert, was Rowdytum, was nur jugendliche Oppositionslust und was wirklich eine Äußerung antisemitischer oder nationalsozialistischer Gesinnung ist. Doch muß das, was wir zuverlässig wissen, die Verantwortung aller derer wachrufen und schärfen, die mit dem Menschen, vor allem mit der Jugend zu tun haben.
Die Verantwortlichen für die politische Bildung der Jugend, das waren die Kultusminister der Länder. Sie reagierten nahezu gleichzeitig. Mitte Februar 1960 faßte die Kultusministerkonferenz einen verbindlichen(!) Beschluß zur Behandlung der jüngsten Vergangenheit im Geschichts-und Gemeinschaftskundeunterricht und im Juli 1962 einen weiteren sachlich vertiefenden Beschluß zur Behandlung des Totalitarismus im Unterricht. Es ist nicht notwendig, die Beschlüsse hier in allen Einzelheiten darzulegen. Wichtig ist, daß die Kultusminister der Länder in einer Angelegenheit, die damals wie heute für die Glaubwürdigkeit der Prinzipien der Bundesrepublik Deutschland als freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat von nahezu kritischer Bedeutung ist, ihre Geschlossenheit und Einmütigkeit unter Beweis stellten. Die Länder vereinbarten für die Einstellung und Ausbildung der Lehrer: Die Bewerber für alle Schularten müssen in den Lehramtsprüfungen nachweisen, daß sie mit den Elementen der rechtsstaatlichen Ordnung (Grundrechte, Menschenrechte, internationale Rechtssatzung) vertraut sind und daß sie einen Überblick über die Geschichte unseres Jahrhunderts haben. Sie müssen nachweisen, daß sie die Haupttatsachen kennen, die zur Zerstörung der rechtsstaatlichen Ordnung in der nationalsozialistischen Zeit geführt haben und daß sie sich eine Meinung gebildet haben über Ursache und Wirkung der Spaltung Deutschlands. Die Länder vereinbarten für den Unterricht: Der Geschichtsunterricht ist in allen Klassenstufen im Hinblick auf seinen politischen Bildungsgehalt und auf die Vorbereitung des Unterrichts in der neuesten Geschichte anzulegen. Themen und Tatsachen aus der nationalsozialistischen Zeit, die in den Abschlußklassen sämtlicher Schulen zu behandeln sind, wurden als Programm für besondere Absprachen vereinbart. Der Schulausschuß der Kultusministerkonferenz erhielt den Auftrag, eine planmäßige Überprüfung der Lehrbücher vorzunehmen, damit den Schulbuchverlegern gemeinsame Hinweise für die Überprüfung und Verbesserung der Bücher gegeben werden konnten. Die Richtlinien für die Behandlung des Totalitarismus vom Juli 1962 konkretisierten die Lernziele und -inhalte dieses Unterrichts für den Nationalsozialismus, für den Bolschewismus und den totalitaristischen Kommunismus. Die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz haben in der Umsetzung auf Landesebene durch den Ausbau und die Verbesserung der Lehrerbildung im Fachbereich politische Wissenschaft, durch die Intensivierung der Zusammenarbeit bei der Lehrerfortbildung mit der Bundeszentrale und den Landeszentralen für politische Bildung, durch die Verbesserung des Angebots an Lehr-und Lernmitteln und an didaktischen Modellen maßgeblich zu einem Wandel der Situation beigetragen. Bedeutsam für die weitere Entwicklung des Lernbereichs „Darstellung des Nationalsozialismus, seine Ziele und Schwerpunkte" wurde in der Mitte der sechziger Jahre, beeinflußt auch durch allgemeine Entwicklungen im gesellschaftlichen und Bildungsbereich, die hier nicht näher dargestellt werden können, eine Verlagerung des Interesses auf diejenigen Inhalte, die eine besondere Affinität zu den übergeordneten Leitzielen der politischen Bildung aufweisen und weiterführende Perspektiven ermöglichen. Solche Affinitäten sind in der Thematik des deutschen Widerstands gegen das nationalsozialistische System enthalten, in der Auseinandersetzung mit dem Phänomen der äußeren und inneren Emigration, mit den verschiedenen Widerstandskreisen, mit der Kulmination des Widerstandes am 20. Juli 1944 und allgemein mit einem neu-erwachenden Interesse an politischer Ethik. Für die Erziehung zum mündigen Staatsbürger, für die Befähigung zur Wahrnehmung der Grundrechte im politischen und gesellschaftlichen Leben und für die Exemplifizierung von Bewährungsproben, vor die die freiheitlich-demokratische Gesinnung der Bürger gestellt werden kann, erwies sich der deutsche Widerstand als ein kostbarer Schatz von Zeugnissen und Anschauungsmustern menschlicher Bewährung. In der im Auftrage der Forschungsgemeinschaft 20. Juli von Otto-Ernst Schüddekopf verfaßten Studie „Der deutsche Widerstand gegen den Nationalsozialismus", zu der der Bundespräsident ein Vorwort geschrieben hat, ist sehr eindrucksvoll der Nachweis geführt, wie — günstiger als in den Lehrplänen der Kultusministerien der Länder erkennbar — eine geradezu überreiche didaktische Literatur zum Thema Widerstand vorliegt. Der Verfasser macht sich die Feststellung von Joachim Rolfs zu eigen: „Erst jetzt (1977) sind die Voraussetzungen gegeben, um dem Thema . Nationalsozialismus und Faschismus'mit der sachlich-kühlen Distanz des Historikers gegenüberzutreten, dem die reichen Ergebnisse einer weit verzweigten Forschung zur Verfügung stehen und der sich kaum noch vor unkontrollierbaren Emotionen in acht nehmen muß. Die nationalsozialistische Ära ist einem Großteil der heute Lebenden fast so fremd wie das Bismarck-Reich, zugleich aber innerlich und äußerlich näher, weil man die Folgen und Implikationen des deutschen Faschismus noch fast täglich zu spüren bekommt: In den Bedingungen und . Ängsten heutiger politischer Auseinandersetzungen, im Umgang mit den Zeitgenossen von damals oder den Sympathisanten von heute." Soviel zu diesem Punkt, wie er sich bis noch vor einem Jahr im Reflex der Beschäftigung mit der Materie auf gesamtstaatlicher Ebene in der Kultusministerkonferenz darstellte.
Die Rahmenbedingungen des Faches Geschichte an den Schulen
Um die Entfaltungsmöglichkeiten des Lernbereichs „Nationalsozialismus" im Unterricht zu verstehen, muß man die Rahmenbedingungen kennen, unter denen das Fach Geschichte an der Schule steht. Geschichte ist Pflichtfach für alle Schüler der Sekundarstufe I in den Klassen 7 bis 9 bzw. 10. In der gymnasialen Oberstufe (Jahrgangsstufen 11 bis 13) gehört das Fach Geschichte zum gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld und wird im Rahmen des Faches Gemeinschaftskunde unterrichtet, wenn es nicht als selbständiges Fach unterrichtet wird. Mit der Einrichtung des Faches Gemeinschaftskunde haben die Kultusverwaltungen der Länder 1960 dem Erfordernis Rechnung getragen, die Zahl der Fächer zu vermindern und die Menge der fachlichen Inhalte auf Wesentliches und Beispielhaftes für die Arbeit der Wissenschaften, ihre allgemeinen Grundlagen und fachspezifischen Methoden zu verdichten. In dem neuen Fach Gemeinschaftskunde sind die fachlichen Aufgaben der Geschichte, der Erdkunde und der Sozialkunde integriert. Der problemlösende Beitrag dieser Fächer soll an fächerübergreifenden zur Geltung gebracht werden. Die formelle Preisgabe der Eigenständigkeit des Faches Geschichte und seine Umwandlung in einen historischen Aspekt, der bei der Aufhellung gemeinschaftskundlicher Sachverhalte angelegt werden soll, ist in der Öffentlichkeit vielfach als Verdrängung der Geschichte durch Soziologie gedeutet und als Schritt auf dem Wege in die Geschichtslosigkeit und Gesichtslosigkeit des deutschen Vol-kes kritisiert worden. Wenngleich die Gefahr einer völlig geschichtslosen Gymnasialbildung in der Oberstufe durch Spezialbeschlüsse der Kultusministerkonferenz gebannt ist, so bleibt doch ein weiterer Umstand bestehen, der die institutioneile Sicherung des Faches Geschichte geschmälert hat: die strukturelle Alternative für alle Lernbereiche, als Grund-oder Leistungsfach unterrichtet zu werden. Diese Alternative bedeutet, daß der Oberstufenschüler zur Belegung von einem Minimum an historischen Kursen verpflichtet ist, über die Maximierung und Optimierung dieses Minimums aber in einem gewissen Rahmen frei verfügen kann. In dieser Struktur der gymnasialen Oberstufe liegt für die Geschichte wie für jedes Fach eine Chance und ein Risiko. Die historische Bildung kann auf dem Wege über ein Leistungskursfach vertieft und verbreitert und auf dem Wege über ein Grundkursfach dürftig werden.
Der nordrhein-westfälische Kultusminister Girgensohn hat sich in den Beratungen des Landtages Nordrhein-Westfalen am 18. Mai 1978 zur Verbesserung des Geschichtsunterrichts in den Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen ausdrücklich gegen die Legendenbildung gewandt, daß die Schulreformen der letzten Jahre, vor allem die Reform der gymnasialen Oberstufe, von einer steten Degradierung des Geschichtsunterrichts begleitet gewesen ist. Er hat hervorgehoben, daß erst die Reform ermöglicht hat, daß Geschichte auch Hauptfach werden kann im Sinne eines Schwerpunktfaches mit schriftlichen Arbeiten. Nach der Mitteilung des Ministers haben im Schuljahr 1976 fast 20 Prozent der Schüler der Jahrgangsstufen 12 und 13 der gymnasialen Oberstufe Geschichte als Leistungsfach gewählt.
Aktuelle Probleme der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus im Unterricht
Kultusminister Girgensohn hat in seiner Landtagsrede am 18. Mai 1978 verdeutlicht, daß man die Quantität des Geschichtsunterrichts verdoppeln kann, ohne dadurch das Geschichtsbewußtsein nennenswert zu ändern. Ausschlaggebend sei aber, ob entscheidende Fragen der Geschichte in den Blick kommen oder nicht. Der Minister bekennt: „Fleute ist meine Sorge, mein Problem, daß der Geschichtsunterricht nicht mit dem Jahr 1933 aufhört. Diese Frage ist nach wie vor akut."
Der Minister präzisiert, wie er sich beispielhaft eine Lösung des Problems denkt: „Einer der Prüfsteine des Geschichtsunterrichts ist z. B. für mich die Frage, ob die Vorgeschichte der , Reichskristallnacht', jener schrecklichen Pogrom-Nacht, und der sogenannten . Endlösung der Judenfrage'erarbeitet worden ist. Allein mit Stundenzahlen, mit Geschichte als zentralem Fach, ist das sicher nicht zu leisten. Hier geht es um die Substanz des Unterrichts."
In der vorerwähnten Erklärung des nordrhein-westfälischen Kultusministers findet ein Beschluß der Kultusministerkonferenz seinen Niederschlag, der am 20. /21. April 1978 gefaßt worden ist. Die Kultusministerkonferenz hat darin zunächst dem Vorschlag des Schulausschusses zugestimmt, daß der 40. Wiederkehr der „Reichskristallnacht" im Jahre 1978 in den Schulen in einer Weise gedacht werden soll, die der Bedeutung angemessen ist. Die Bundeszentrale für politische Bildung ist gebeten worden, dafür geeignetes Material vorzubereiten. Die Kultusministerkonferenz hat in diesem Zusammenhang fernerhin an ihre früheren Beschlüsse in der Materie und an das Fortbestehen der Aufgabe erinnert, einer unkritischen Hinnahme von verharmlosenden oder gar verherrlichenden Darstellungen des durch Diktatur, Völkermord und Unmenschlichkeit gekennzeichneten Dritten Reiches und seiner Repräsentanten aktiv entgegenzuwirken. Die Kultusminister haben vereinbart, die Schulen anzuweisen, dieses Thema entsprechend den Richtlinien und Lehrplänen mit besonderer Intensität zu behandeln.
Ich darf meine wenigen mehr orientierenden Hinweise mit einer persönlichen Bemerkung beschließen. Das Problem der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ist ein Problem der Wahrheit über die Identität des eigenen Volkes und darin eingeschlossen auch der eigenen Identität. Muß zu dieser Wahrheit des Stigma von Auschwitz und Oradour gehören? Die Erfahrung, die die Deutschen in den verflossenen 33 Jahren seit dem Ende der Hitler-Diktatur gemacht haben, lehrt: Ja. Wir müssen bereit sein, uns dieser Vergangenheit zu stellen. Je offener und gewissenhafter wir es tun, um so freier werden wir von dem Vorwurf, nicht wahrhaben zu wollen, was geschehen ist. In dieser Bereitschaft, die GeB schichte des eigenen Volkes hinzunehmen, liegt die Möglichkeit begründet, auch mit unseren Nachbarvölkern über deren Wahrheit ins Reine zu kommen. Die Geschichte der deutsch-französischen und insbesondere der deutsch-polnischen Beziehungen ist ein Lehrstück auf diesem Wege. Wir gewinnen auch erst von diesen historischen Grundlagen her das Verständnis für die Verfassung dieses Staates und.seine Grundwerte.