Entwicklungsperspektiven und Entwicklungspole Lateinamerikas
Wolf Grabendorff
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Zusammenfassung
Lateinamerikas Entwicklung seit der kubanischen Revolution läßt sich als „Stabilität der Instabilität" beschreiben. Obwohl durch das Nebeneinander sehr unterschiedlicher Entwicklungsstufen von einem einheitlichen Entwicklungstrend kaum gesprochen werden kann, hat das internationale Gewicht der Region und insbesondere seiner Schlüsselländer (Mexiko, Brasilien, Venezuela, Argentinien und auch Kuba) überproportional zugenommen. Demgegenüber hat die regionale Kooperation nicht die erwarteten Erfolge für die jeweiligen Volkswirtschaften und die Region insgesamt erbracht. Die Politik der abhängigen Industrialisierung hat bisher relativ instabile Wirtschaftssysteme entstehen lassen, deren mangelnde Ausrichtung auf die Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung sich in den gleichfalls instabilen politischen Systemen widerspiegelt. Von wachsender Bedeutung sind die regionalen Entwicklungspole Lateinamerikas, deren Einfluß vornehmlich auf ihrer relativen politischen Stabilität, ihrer wirtschaftlichen Potenz und ihrer internationalen Anerkennung beruht. Entwicklungspole erster Ordnung sind Mexiko und Brasilien, zu denen Venezuela und Argentinien als Entwicklungspole zweiter Ordnung in gewisser Konkurrenz stehen. Zur Einschätzung des Gewichts der Entwicklungspole müssen folgende Faktoren berücksichtigt werden: die internen (z. B. die Systemstabilität), die intraregionalen (z. B.der Einfluß als Machtzentrum), die interamerikanischen (z. B. die Beziehungen zu den USA) und die extraregionalen (z. B. die Stellung im internationalen System). Danach haben Mexiko und Brasilien relativ günstige Aussichten, ihre Position als Entwicklungspole auszubauen, während Venezuelas Stellung weniger gefestigt ist und Argentinien nur unter Einschränkungen als Entwicklungspol gelten kann. Zehn Thesen zur Entwicklung Lateinamerikas bieten einen Ausblick auf die achtziger Jahre.
Geschichte wird auch in Lateinamerika nicht nach Dekaden, sondern nach Ereignissen gemessen. Dennoch bieten die zwei Jahrzehnte seit der kubanischen Revolution einen Anlaß, bestimmte Entwicklungen und Tendenzen in ganz Lateinamerika aufzuzeigen. Mit dem Ausbrechen Kubas aus dem interamerikanischen System begann für Lateinamerika eine zweite Dekolonisierungsphase. Da die meisten Staaten der Region zwar sehr früh ihre politische, bisher jedoch keine wirtschaftliche Unabhängigkeit erringen konnten, markierte der Ausbruch Kubas aus der Abhängigkeit von den USA den Beginn einer neuen Ära. Seither ist Lateinamerika ein Kontinent in der Krise. Trotz vieler gemeinsamer Entwicklungsprobleme und Abhängigkeiten haben sich die einzelnen Staaten in den letzten zwanzig Jahren doch sehr unterschiedlich entwickelt. Das Nebeneinander sehr ungleicher Entwicklungsstufen — selbst innerhalb einiger Staaten — erlaubt kaum mehr, von einem einheitlichen Entwicklungstrend zu sprechen. Die wirtschaftlichen Strukturen und politischen Systeme in der Region lassen sich nicht zuletzt auch deshalb so schwer vergleichen, weil die betreffenden Staaten in unterschiedlichem Maße ins internationale System integriert worden sind. So hat der wirtschaftliche Aufschwung für einen großen Teil der Staaten gleichzeitig neue Abhängigkeiten mit sich gebracht. Dies gilt insbesondere für die kleineren Länder, die nicht mehr allein von den Industrienationen, sondern zusätzlich auch von den Entwicklungspolen innerhalb der Region abhängig geworden sind. Zu diesen Entwicklungspolen zählen unbestritten Mexiko und Brasilien, während Venezuela und Argentinien zwar ein gewisses Potential für eine solche Position besitzen, aber aus wirtschaftlichen und/oder politischen Gründen nicht an den Einfluß Mexikos und Brasiliens heranreichen.
Es ist sicherlich ein Wagnis, die Trends, die sich in den letzten zwanzig Jahren lateiname-
I. Lateinamerika als Region
rikanischer Entwicklung gezeigt haben, in die Zukunft zu projizieren. Es lassen sich jedoch aus dem innerstaatlichen und außenpolitischen Verhalten gewisse Schlußfolgerungen ziehen: Die Entwicklungen der wirtschaftlichen und politischen Systeme gleichen Wellen, die mit national sehr unterschiedlichen Frequenzen immer wiederkehren. Die sich daraus ergebende „Stabilität der Instabilität" ergibt gewisse Anhaltspunkte für die Perspektiven Lateinamerikas in den achtziger Jahren. 1. Internationale Position Ohne Zweifel gehören die meisten Staaten Lateinamerikas zu den „zu spät Gekommenen" im internationalen System, insbesondere im Vergleich zu jenen anderen Staaten der Welt, die ebenfalls zu Beginn des 19. Jahrhunderts ihre Unabhängigkeit errangen. Bis zur kubanischen Revolution spielten die Staaten Lateinamerikas eine relativ unwichtige Rolle in der internationalen Politik, und es ist müßig, darüber zu spekulieren, was die ausschlaggebenden Gründe dafür waren. Seit 1959 hingegen ist Lateinamerika sehr rasch ein bedeutsamer Faktor auf der Bühne der Weltpolitik geworden. Im Vergleich zu anderen Regionen der Welt hat insbesondere der Einfluß einiger seiner Schlüsselländer wie Brasilien, Mexiko, Argentinien, Venezuela und auch Kuba, überproportional zugenommen. In gleichem Maße haben auch die innerhalb der Dritten Welt vergleichsweise beachtlichen wirtschaftlichen Zuwachsraten, der hohe Kapitaltransfer aus den Industrienationen und der Reichtum an mineralischen Rohstoffen ebenso wie die landwirtschaftlichen Ressourcen Lateinamerika zu einem wichtigen Partner der Weltwirtschaft werden lassen.
Gerade diese starke Integration in das weltwirtschaftliche Netz und die damit verbundene Abhängigkeit von den Industrieländern läßt Lateinamerika in seinen politischen Positionen zwischen den Industrieländern und der Dritten Welt schwanken. Kulturell verstehen sich seine Eliten ohne Zweifel als Teil des Westens, doch setzt sich bei vielen langsam die Einsicht durch, daß ihre Länder strukturell denen der Dritten Welt wesentlich ähnlicher sind als den Industrienationen.
In manchen Eliten ist aus dieser Haltung eine Art Ideologie entstanden, die gut zu der Tatsache zu passen scheint, daß sich einige Staaten als Aufsteigernationen im internationalen System verstehen. Analog zu dem innergesellschaftlichen Klassenschema sehen sie in der internationalen Hierarchie eine Aufteilung in Ober-, Mittel-und Unterschicht. Dabei verkörpern die westlichen Industrieländer und Japan die Oberschicht und die armen Staaten der Dritten Welt die Unterschicht. Sie selbst rechnen sich — ebenso wie einen Teil der sozialistischen Länder — zur Mittelklasse. Aus diesem Selbstverständnis heraus verbünden sich diese lateinamerikanischen Staaten je nach Interessenlage entweder mit der Oberschicht in der internationalen Hierarchie oder mit dem internationalen „Proletariat" — also den armen Ländern — gegen den „Club der Reichen". Ihre Zielvorstellungen sind dabei eindeutig. Es geht ihnen um die eigene wirtschaftliche Absicherung und um ein Mitspracherecht im internationalen System. Ob sich diese Politik der wechselnden Allianzen langfristig auszahlen wird, läßt sich noch nicht absehen.
Die außenpolitische Emanzipation Lateinamerikas hat naturgemäß — aufgrund der unterschiedlichen Interessen — zu einer wachsenden Distanz zu den USA geführt. Gleichzeitig orientierte sich die Region aber auch stärker nach Europa hin. In dem Maße, wie sich die Außenbeziehungen Lateinamerikas diversifizierten, hat auch das Interesse anderer wirtschaftlicher und politischer Mächte an der Region zugenommen. Das gilt besonders für Westeuropa und Japan, in geringerem Maße aber auch für die sozialistischen Länder und China. Die Politik der Diversifizierung nach außen wird auch künftig die internationale Position der lateinamerikanischen Länder kennzeichnen. Dabei versuchen einige, sich alle Optionen offenzuhalten. Insbesondere Brasilien und Kuba werden auch in Zukunft die Vorreiter für eine nicht nur regionale, sondern globale lateinamerikanische Außenpolitik sein. Beide verstehen sich aus unterschiedlichen Gründen als Bindeglieder zwischen verschiedenen Welten: Kuba als Scharnier zwischen der Dritten Welt und dem sozialistischen Lager und Brasilien — stellvertretend für einen großen Teil des Kontinents — als Scharnier zwischen Erster und Dritter Welt.
Lateinamerika wird auch in Zukunft bei der Schaffung einer neuen Weltwirtschaftsordnung eine sehr wichtige Rolle spielen. Mit den zunehmenden Möglichkeiten, eigene Interessen durchzusetzen, werden die lateinamerikanischen Länder auf traditionelle Bindungen — gegenüber den USA und auch Europa — immer weniger Rücksicht nehmen. Dem steht freilich gegenüber, daß viele Staaten der Region ihr internationales politisches Gewicht zum großen Teil gerade aus der engen Kooperation mit den westlichen Industrieländern beziehen. Ihr politischer Einfluß im internationalen System sagt jedoch wenig über ihre Fähigkeit aus, im eigenen Land Unterentwicklung oder Abhängigkeit zu überwinden. 2. Regionale Kooperation Trotz mehr als dreißigjähriger Bemühungen der CEPAL, der regionalen UN-Organisation zur wirtschaftlichen Entwicklung Lateinamerikas, sind die von ihr ausgehenden Integrationsansätze relativ erfolglos geblieben. Die Formen der regionalen Kooperation haben sich freilich im Laufe der Jahre immer wieder geändert. Die CEPAL war davon ausgegangen, daß sich die Volkswirtschaften im regionalen Rahmen leichter modernisieren lassen würden, wobei sich jedes Land in dem Bereich industrialisieren sollte, wo seine stärksten komparativen Vorteile lägen. Das Entwicklungsziel der regionalen Integration war, langfristig auch in Lateinamerika einen gemeinsamen Markt zu schaffen. Insbesondere der Zentralamerikanische Gemeinsame Markt (MCCA) und die Lateinamerikanische Freihandelszone (ALALC) wurden als Durchgangsstadien zu einer Entwicklung angesehen, der die Europäische Gemeinschaft langfristig als Vorbild dienen sollte. Während im MCCA rasche intraregionale Handelsverbesserungen erzielt wurden, blieben innerhalb der ALALC die Bemühungen zur Koordination des Außenhandels und der Industrialisierungspolitik weitgehend stecken. Auch mußten die kleineren Mitgliedstaaten bald erkennen, daß die ABM-Staaten (Argentinien, Brasilien und Mexiko) aufgrund ihrer stärker fortgeschrittenen Industrialisierung fast alle Vorteile der Lateinamerikanischen Freihandelszone auf sich vereinigten.
Als sich in den späten sechziger Jahren in Lateinamerika dann die Einsicht durchsetzte, daß eine regionale Integration nur zwischen Staaten mit annähernd ähnlichem Entwicklungsstand möglich sein würde, wurde der Anden-Pakt gegründet. Diese Zollunion sah die Harmonisierung der industriellen Entwicklungsprogramme, die Integration der Infrastruktur und auch eine umfangreiche finanzielle Zusammenarbeit der Mitgliedsländer (Bolivien, Chile, Ecuador, Kolumbien, Peru, Venezuela) vor. Aus der regionalen Verteilung der industriellen Entwicklungszentren und den Restriktionen für Auslandsinvestitionen erwuchs bald ein politischer Konflikt zwischen den Ländern des Anden-Pakts. Die Differenzen führten 1976 zum Austritt Chiles; seither sind trotzt unbestreitbarer wirtschaftlicher Erfolge von diesem Integrationsmodell keine wesentlichen Entwicklungsimpulse mehr ausgegangen.
Nach dem weitgehenden Scheitern dieser regionalen Kooperationsansätze wurde 1975 durch die Gründung des Lateinamerikanischen Wirtschaftssystems (SELA) der Versuch einer neuen regionalen Kooperationsform gestartet. Die ALALC und der MCCA hatten vor allem den Freihandel betont und die Ausfüllung der Integrationsansätze privaten — zumeist multinationalen — Unternehmen überlassen. Der Anden-Pakt seinerseits hatte versucht, stärker entwicklungspolitische Akzente zu setzen und die Rolle des Staates im Integrationsprozeß aufzuwerten. SELA schließlich wurde aufgrund der bisher gemachten Erfahrungen als Koordinationsinstrument für zwischenstaatliche Kooperation im Wirtschaftsbereich konzipiert. Das Lateinamerikanische Wirtschaftssystem verfolgt den doppelten Zweck, nach innen flexible Integrationsmechanismen anzubieten und nach außen „bargaining power" gegenüber den Industrienationen aufzubauen. Diese neue Kooperationsform ist typisch für das erhöhte Engagement des Staates in Fragen wirtschaftlicher Zusammmenarbeit in Lateinamerika. Diese Entwicklung entspricht der allgemeinen Tendenz in der Dritten Welt zur Betonung der „collective self-reliance".
Langfristig wird sich darüber hinaus die regionale Kooperation aufgrund neuer Machtverhältnisse noch stärker als bisher an den neuen Entwicklungspolen orientieren, in deren Einzugsbereich eine informelle wirtschaftliche Integration zustande kommen dürfte. Dies führt freilich gleichzeitig zu einer erhöhten Konfliktgefahr, so daß regionale Ressourcen-Konflikte in Zukunft nicht ausgeschlossen werden können. Andererseits ergeben sich aber im Gegensatz zu den bisherigen Kooperationsansätzen auch bessere Wachstumsaussichten, die allerdings in erster Linie den Entwicklungspolen selbst zugute kommen dürften. Insofern wird langfristig die regionale Kooperation nicht zur Überwindung des intraregionalen Entwicklungsgefälles beitragen, sondern es eher noch verstärken. 3. Wirtschaftliche Strukturen Trotz beachtlicher Zuwachsraten in den letzten Jahren — vor allem in einigen Ländern Lateinamerikas — ist der wirtschaftliche Fortschritt der Region nur auf einige wenige Bereiche beschränkt geblieben. Es ist bisher in den meisten Ländern kaum gelungen, relativ stabile interne Wirtschaftssysteme aufzubauen. Die Abhängigkeit von externer Kapital-und Technologiezufuhr hat sich in dem Maße verstärkt, in dem die Länder der Region, über ihre traditionellen Exportprodukte hinaus auch Fertigwaren für den Weltmarkt zu produzieren begannen, für deren Produktion sie auf den Import von Investitionsgütern und moderner Technologie angewiesen sind. Um die dafür notwendigen Devisen zu erwirtschaften, müssen die meisten lateinamerikanischen Länder vorwiegend für den Export produzieren, so daß diese Industrialisierung nur in den wenigsten Fällen auf die Bedürfnisse der Mehrheit der eigenen Bevölkerung abgestellt ist.
So stellt sich Lateinamerika heute als eine halb industrialisierte Region dar, die in etwa die industrielle Produktion der Europäischen Gemeinschaft von 1950 erreicht hat. Bis 1990 dürfte Lateinamerika die industrielle Produktion der EG von 1970 erreichen. Diese Aussicht darf allerdings nicht zu der Annahme verleiten, daß damit auch ein ähnlicher Wohlstand verbunden sein wird, da die Bevölkerung Lateinamerikas doppelt so schnell wächst wie die der EG.
In der Zukunft dürfte sich die schon heute sehr ungleichgewichtige regionale und soziale Entwicklung noch verstärken, weil sich vor allem die Entwicklungspole bemühen werden, die regionalen und internationalen Ressourcen auf sich zu konzentrieren. Hinzu kommt, daß die Notwendigkeit, mit den sozialen Problemen in ihren Ländern fertigzuwerden, die Eliten der jeweiligen Staaten zu einer wesentlich umfangreicheren dirigistischen Planung zwingt, als das in den Indüstrieländern der Fall ist. Eine solche Entwicklung wird sich nur bedingt mit der bisherigen Integration Lateinamerikas in den Weltmarkt vereinbaren lassen. Ohnehin stoßen viele der Produkte, die Lateinamerika an die Industrieländer verkaufen will, dort auf Zollbarrieren und andere Handelshemmnisse. Insofern bietet sich für viele lateinamerikanische Staaten als einzige Lösung ihrer Entwicklungsprobleme eine zunehmende Ausweitung des Binnenmarktes an. Eine solche Veränderung wird freilich nicht nur die Produkt-und Sozialstrukturen in den einzelnen Ländern beeinflussen, sondern auch die Beziehungen zu den Industrienationen außerordentlich belasten. Denn eine binnen-marktorientierte Entwicklung muß anderen Gesetzen gehorchen als die bisher in Lateinamerika vorherrschende abhängige Industriasierung. Zu den wesentlichen Zielen einer solchen binnenmarktorientierten Entwicklung gehört die Befriedigung von Grundbedürfnissen der Bevölkerung. Dies läßt sich jedoch nur durch eine Änderung der bisherigen Einkommensverteilung erreichen.
Gerade unter diesem Aspekt aber wäre es für die entwickelteren Länder Lateinamerikas besonders schwierig, ihre wirtschaftlichen Probleme durch weitere Integration in den Weltmarkt zu lösen. Dies würde im wesentlichen den Status quo — die extreme wirtschaftliche Ungleichheit — fortschreiben und die überwiegende Mehrheit der Gesellschaft von dem sogenannten „wirtschaftlichen Fortschritt" ausschließen. Daran können aber selbst die herrschenden Eliten vor allem im Hinblick auf die politische Stabilität auf Dauer kein Interesse haben. 4. Politische Systeme Die politische Entwicklung Lateinamerikas ist durch die Menschenrechtspolitik der Regierung Carter wieder mehr ins Blickfeld geraten. Die Versuche lateinamerikanischer Eliten, ihren gesellschaftlichen Status quo bei gleichzeitigem wirtschaftlichen Fortschritt zu erhalten, ohne machtpolitische Einbußen zu erleiden, haben immer wieder zu krassen politischen Fehlleistungen geführt. Alle Regierungssysteme in Lateinamerika — diktatorische wie autoritäre, populistische, reformistische und progressive — haben immer wieder versucht, „Stabilität zu produzieren", um damit Bedingungen für einen „wirtschaftlichen Fortschritt" zu schaffen. Aber gerade das Streben nach politischer Stabilität um jeden Preis muß in einer Umbruchgesellschaft, wie sie sich in unterschiedlichen Phasen in allen Ländern Lateinamerikas manifestiert, immer wieder zu Revolten führen, die sich auch durch die härtesten Diktaturen nicht auf Dauer unterdrücken lassen.
So bieten auch die derzeitigen, vornehmlich militärischen Entwicklungsdiktaturen nur eine Stabilität auf Zeit. Bisher ist es noch keinem dieser autoritären Regime gelungen, wirtschaftliches Wachstum zu sichern und dabei zugleich eine soziale Integration voranzutreiben. Diese Einsicht und die Anstöße durch die Carter-Regierung haben in jüngster Zeit Wahlen wieder als politisch opportun erscheinen lassen. Einige Militärs scheinen vor der Schwierigkeit, ihre Länder zu regieren, zu kapitulieren und sich lieber in die Kasernen zurückziehen zu wollen, ehe die eigene Institution durch den Verschleiß an der Macht völlig korrumpiert und gespalten wird.
Selbst die besonders repressiven Militärregime, die sich mit nordamerikanischer Geburtshilfe durch die „Doktrin der nationalen Sicherheit" ihre eigene Staatsphilosophie geschaffen haben, scheinen sich auf die Dauer nicht an der Macht behaupten zu können. Obwohl sie glauben, eine Staatsform sui generis entwickelt zu haben, die sich von den liberalen, parlamentarischen Demokratien des Westens und den totalitären Volksdemokratien des Ostens unterscheidet, ist auch ihre autoritäre „Demokratie" eine für die Probleme ihrer Staaten untaugliche Lösung. In den meisten Staaten der Region läßt sich erkennen, daß politisch stabile Perioden mit politisch turbulenten Phasen abwechseln. Es scheint zur politischen Kultur Lateinamerikas zu gehören, daß zivile und militärische Regierungsperio-den wellenartig aufeinander folgen, ohne daß es ihnen gelingt, die zentralen politischen und sozialen Aufgaben ihrer Länder zu lösen.
Die immer weiter fortschreitende „Militarisierung der Technokraten" und „Technokratisierung der Militärs" in Lateinamerika könnte dazu führen, daß eine neue staatstragende Klasse entsteht, die ebensowenig vom Volk legitimiert ist wie die Militärregime der „nationalen Sicherheit“. Wahlen und Parteien haben zwar als Legitimation gegenüber den westlichen Industrieländern, von denen diese Staaten weitgehend abhängig sind, nach außen einen hohen Stellenwert, nach innen aber aufgrund der krassen sozialen Unterschiede nur geringes Gewicht. Wo immer eine durch Wahlen legitimierte Regierung an die Macht kommt, scheitert sie erfahrungsgemäß häufig an den wirtschaftlichen Zwängen und an der Macht der internen und externen Vetogruppen, die grundsätzliche Veränderungen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gefüges bisher immer zu verhindern gewußt haben. Die viel zitierte Hoffnung, daß wirtschaftliches Wachstum und Modernisierung die Stabilität der politischen Systeme Lateinamerikas erhöhen würden, ist inzwischen krass und in einigen Staaten sehr blutig widerlegt worden. Auch die entwicklungspolitische Leistungsfähigkeit militärischer Diktaturen muß nach den Erfahrungen in Peru und in Brasilien sehr fragwürdig bleiben. Es ist deshalb eher damit zu rechnen, daß die politische Landschaft Lateinamerikas in Zukunft durch neue Herrschaftsmodelle wie Einparteienregime oder korporativistische Regierungsformen geprägt wird. Da sich eine Partizipation von unten mit derartigen Herrschaftsmodellen kaum vereinbaren läßt, wird auch künftig die staatliche Souveränität überall in Lateinamerika der persönlichen Freiheit übergeordnet werden.
II. Regionale Entwicklungspole
In den letzten Jahren haben sich in Lateinamerika regionale Machtzentren herausgebildet. Die Grundlagen dafür liegen in der relativen politischen Stabilität, einer gewissen wirtschaftlichen Potenz und in einer weitgehenden internationalen Anerkennung der jeweiligen Staaten. Von zusätzlicher, vielleicht ausschlaggebender Bedeutung ist die Fähigkeit dieser Staaten, genügend externes Kapital und Technologie zu importieren, um den eigenen industriellen Fortschritt durchzusetzen bzw. bezahlen zu können.
Entwicklungspole erster Ordnung sind heute Mexiko und Brasilien, wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen. Beide aber verfügen über eine große, rasch wachsende Bevölkerung, ein ausgedehntes Territorium und überdurchschnittliche Ressourcen. Entwicklungspole zweiter Ordnung sind Venezuela und — mit gewissen Einschränkungen — Argentinien. Beide verfügen über einen hohen Entwicklungsstand, ein beträchtliches Pro-Kopf-Einkommen und umfangreiche Ressourcen. Das Erdölland Venezuela hat aufgrund seiner strategischen Bedeutung als Rohstoff-basis für die Energieversorgung der USA ein über sein sonstiges Wirtschaftsund Bevölkerungspotential hinausgehendes politisches Gewicht in der Region erhalten. Argentinien dagegen, das früher zu den führenden Staaten Lateinamerikas gehörte, hat an Bedeutung innerhalb der Region verloren, vor allem aufgrund seiner internen politischen Entwicklung. Die Rolle Kubas, auf das zumindest einige der Merkmale eines Entwicklungspols zutreffen, muß hier unberücksichtigt bleiben, weil seine Entwicklungsperspektiven aufgrund seiner Einbindung in das sozialistische Lager anders gelagert sind. Andererseits sollte seine Bedeutung zumindest für einige Staaten der Karibik nicht unterschätzt werden. Schließlich ist es ihm im Gegensatz zu den anderen Entwicklungspolen Lateinamerikas gelungen, die elementare Unterentwicklung im eigenen Lande weitgehend zu überwinden. Während des letzten Jahrzehnts sind die kleineren und wirtschaftlich schwächeren Staaten im Bereich der Entwicklungspole allmählich in eine gewisse Satellitenposition gedrängt worden. Allerdings haben Argentinien und Brasilien wie auch Mexiko und Venezuela aus politischen Gründen immer wieder versucht, diesen Tatbestand nicht allzu offenkundig werden zu lassen. Bei der Herausbildung der Entwicklungspole hat die Unterscheidung zwischen wirtschaftlicher und politischer Expansion eine entscheidende Rolle gespielt. So üben diese regionalen Machtzentren zwar wirtschaftlichen Einfluß, aber keine politische Kontrolle über ihren jeweiligen geopolitischen Einzugsbereich aus. Für Mexiko ist dies Zentralamerika und ein Teil der Karibik, für Venezuela ist es die Karibik und in gewissem Umfang der nördliche Anden-Raum; für Argentinien sind es vor allem die Anrainerstaaten des La-Plata-Beckens und für Brasilien sind es nahezu alle Staaten Südamerikas mit Ausnahme Venezuelas und Argentiniens.
Zu den typischen Merkmalen eines Entwicklungspols gehört die Fähigkeit der herrschenden Elite, — aufgrund natürlicher Voraussetzungen und internationaler Verbindungen Kapital und Know-how im jeweiligen Einflußbereich zu investieren, — Produktions-und Rohstoffpotential in ihrem Einflußbereich zu koordinieren, — bereits etablierte, externe Interessen teilweise zu verdrängen oder mit ihnen zusammenzuarbeiten, — das eigene wirtschaftliche und politische System für die Eliten im jeweiligen Einflußbereich attraktiv zu machen.
Durch die Dynamik der Entwicklungspole kommt es zu einer Neustrukturierung von Einflußbereichen in Lateinamerika, die von vielen der betroffenen kleineren Staaten bekämpft wird. Gleichzeitig bietet diese Entwicklung Staaten wie Bolivien, Paraguay und Uruguay aber auch zusätzliche wirtschaftliche Möglichkeiten, die die bisherigen formalen Integrationsansätze nicht erbracht haben. So besteht trotz des ausgeprägten Souveränitätsbewußtseins der lateinamerikanischen Länder eine gewisse Bereitschaft zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den Entwicklungspolen.
Die Entwicklungspole stehen miteinander in wirtschaftlichem, aber auch politischem Wettbewerb und sind, je nach dem Grad ihrer internen Stabilität, wirtschaftlichen Potenz und internationalen Anerkennung, in ihrer Führungsrolle keineswegs unumstritten. Dies gilt zwar weniger für Mexiko und Brasilien, dafür um so mehr für ihre Konkurrenz in der von ihnen beanspruchten Einflußsphäre: Venezuela und Argentinien. Dabei spielen auch politische Rivalitätsprobleme eine gewisse Rolle, die jedoch gegenüber den wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten eher in den Hintergrund treten. So dürfte Venezuela mit sinkenden Oleinnahmen ebenso an Einfluß verlieren, wie dies bei Argentinien aufgrund andauernder interner Instabilität der Fall war.
Bei der künftigen Entwicklung dieser vornehmlich wirtschaftlichen Machtzentren in Lateinamerika muß daher auch die Systemstabilität und die politische Kultur der einzelnen Entwicklungspole mitberücksichtigt werden. Es ist nicht auszuschließen, daß auch Mexiko und Brasilien mittelfristig durch einen Macht-verlust ihrer Herrschaftseliten und/oder die Instabilität ihrer politischen Systeme ihre Position wenn nicht verlieren, so doch einschränken müssen. Andererseits könnte z. B. Argentinien aufgrund seiner gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen schon in den achtziger Jahren eine uneingeschränkte Position als Entwicklungspol zurückerobern, insbesondere dann, wenn Brasilien eine ähnliche Abstiegsphase durchmachen sollte wie Argentinien zwischen 1966 und 1976.
Zu diesen relativ internen Veränderungsmomenten kommen mindestens drei externe, die unabhängig von der ohnehin entscheidenden internationalen Anerkennung die Stellung der jetzigen Entwicklungspole beeinträchtigen könnten. Dazu gehören: — die politisch-ideologische Komponente, die aufgrund der Rolle Kubas im karibisch-mittelamerikanischen Raum die Attraktivität der Entwicklungspole Mexiko und Venezuela erheblich mindern könnte;
— die militärisch-sicherheitspolitische Komponente, die aufgrund einer potentiellen kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Peru, Chile und Bolivien das Gewicht Brasiliens und Argentiniens ganz erheblich schmälern würde; — die weltwirtschaftliche Komponente, die durch wesentliche Veränderungen von Produkt-bzw. Marktstrukturen, vor allem im Bereich der Energieversorgung, innerhalb relativ kurzer Zeit die jetzige Position der Entwicklungspole in Lateinamerika gefährden könnte.
Um daher die Entwicklungsperspektiven der Entwicklungspole Lateinamerikas mittelfristig auch nur annähernd abschätzen zu können, müssen in jedem Fall folgende Faktoren berücksichtigt werden:
—die internen Faktoren einschließlich der Systemstabilität, des Bevölkerungswachstums, der Rohstoffbasis und der Wirtschaftsaussichten; — die intraregionalen Faktoren, also das Gewicht des jeweiligen Entwicklungspols innerhalb seines Einflußbereichs und die Wahrscheinlichkeit einer Verringerung oder auch Verstärkung dieses Gewichts aufgrund der Entwicklung anderer Staaten;
— die interamerikanischen Faktoren, die bei der Betrachtung aller Entwicklungen in Lateinamerika auch weiterhin trotz einer neuerdings zu beobachtenden Zurückhaltung der USA einen hohen Stellenwert besitzen und insbesondere im Falle Mexikos als Nachbarland der USA von ausschlaggebender Bedeutung sind;
— die extraregionalen Faktoren, die bei der zunehmenden außenpolitischen Emanzipation Brasiliens und auch Mexikos die Position der Entwicklungspole in der Weltwirtschaft und im internationalen System überhaupt bestimmen werden. 1. Mexiko Mexiko hat seit der Konsolidierung seiner Revolution durch die wirtschaftlichen Reformen im Jahre 1940 eine für lateinamerikanische Verhältnisse ungewöhnlich stabile Periode hinter sich, die seine Stellung als Entwicklungspol im Norden Lateinamerikas sehr gefestigt hat. Die Krisenerscheinungen der letzten Jahre, die Zweifel an der Beständigkeit einer solchen Stabilität aufkommen ließen, sind durch die neue Position Mexikos als einem der führenden, zukünftigen Erdölexporteure der Welt zwar nicht beseitigt, aber doch überdeckt worden. Ein weiterer Vorteil Mexikos liegt in seiner nationalen Identität, die in der Revolution von 1910 bis 1917 ihren Ursprung hat und in der jüngsten Geschichte vertieft worden ist. Die ständige Notwendigkeit, sich gegen den übermächtigen Nachbarn im Norden behaupten zu müssen, hat Mexiko zu einer Nation werden lassen, deren vielseitiges Potential vielleicht erst gegen Ende dieses Jahrhunderts zum Tragen kommen wird.
Das politische System Mexikos hat sich aus verschiedenen Gründen über ein halbes Jahrhundert hinweg als außerordentlich stabil erwiesen. Das de-facto-Einparteienregime hat den Übergang von der Agrarzur Industriegesellschaft mit relativ wenig Anpassungskonflikten vollziehen können. Dieses System, das kaum mit einer Demokratie angelsächsischen Zuschnitts zu vergleichen ist, hat eigene Strukturen und Gesetzmäßigkeiten entwik-kelt, die schon über mehrere Generationen konstant geblieben sind und dem jeweiligen Präsidenten nur eine „Diktatur auf Zeit" erlauben. In diesem für lateinamerikanische Verhältnisse bereits recht fortschrittlichen politischen System werden aufgrund der starken organisatorischen Kapazität der Staatspartei PRI alle Konflikte innerhalb der Partei ausgetragen und dadurch die Bildung von Gegeneliten wenn nicht verhindert, so doch kanalisiert.
Das ungewöhnliche Bevölkerungswachstum von mehr als 3 Prozent pro Jahr gefährdet freilich auch mittelfristig die bisherige Stabilität des Landes. Die Kluft zwischen denen, die in das bestehende wirtschaftliche und soziale System integriert sind, und jenen marginalen Schichten, die von dem System nicht mehr verkraftet werden können, erweitert sich ständig. Es dürfte trotz des sagenhaften Reichtums des Landes in den nächsten Jahren zu wachsenden sozialen Unruhen kommen, falls nicht ein neuer Verteilungsschlüssel gefunden wird. Die finanziellen Probleme des Landes sind nicht so gravierend, wie die hohe Auslandsverschuldung zu signalisieren scheint. Vielmehr bietet die Rohstoffbasis Mexikos aufgrund der Erdölreserven schon mittelfristig die Aussicht auf glänzende wirtschaftliche Zuwachsraten. Freilich sind gerade Erdölgewinne, gesamtgesellschaftlich gesehen — wie das Beispiel Venezuela zeigt —, entwicklungspolitisch häufig unergiebig.
Die Nachbarschaft zu den USA wird auch in Zukunft trotz der dadurch bedingten Verzerrung des Wirtschaftsgefüges Mexikos einen relativ beständigen Marktzugang für die eigenen Produkte bieten. Wenn es also gelingt, das politische System durch Anpassung an die veränderten Bedingungen der achtziger Jahre stabil zu halten, dürften interne Faktoren nicht zuletzt auch angesichts einer zunehmenden politischen Liberalität mittelfristig die Attraktivität des Entwicklungspols Mexiko noch erhöhen.
Mexikos wachsendes Gewicht innerhalb seiner engeren Regien kommt unter anderem auch darin zum Ausdruck, daß die Zentral-amerikaner in ihm und weniger in den USA den „Koloß im Norden" sehen, obwohl Mexiko nie den Versuch gemacht hat, den viel kleineren Nachbarstaaten im Süden seine Vorherrschaft zu oktroyieren. Da gerade in den nächsten Jahren im zentralamerikani-sehen Raum mit großer Instabilität zu rechnen sein dürfte, wird Mexikos Einfluß wesentlich zunehmen, Zumal die USA — wie die jüngsten Erfahrungen in Nicaragua gezeigt haben — ihre Interessen in Zentralamerika weniger prononciert als in der Vergangenheit vertreten dürften.
Nicht ganz so bedeutend wie in Zentralamerika, aber dennoch von zunehmendem Gewicht ist die Rolle Mexikos in der Karibik, wobei die Beziehungen zu Jamaika und Kuba eine zentrale Rolle spielen. Sein Verhältnis zu Kuba hat deswegen einen besonderen politischen Stellenwert, weil Mexiko sich schon 1962 als einziges lateinamerikanisches Land beharrlich geweigert hatte, die diplomatischen Beziehungen zu Kuba abzubrechen. Diese Standhaftigkeit gegenüber den Pressionen der USA hat sich für Mexiko langfristig ausgezahlt, obwohl sie keineswegs ausschließlich einer Sympathie für Castros Kuba entsprang.
Zwei andere Dinge haben dabei eine entscheidende Rolle gespielt: Mexikos spezifisches Interesse an anderen Revolutionen und sein Festhalten am Nichteinmischungsprinzip, das durch den Abbruch der Beziehungen zu einem Land wie Kuba ausgehöhlt worden wäre.
Auch den anderen Entwicklungspol in der zentralamerikanischen und karibischen Region — Venezuela —, in dem Mexiko durchaus einen möglichen Konkurrenten sieht, hat es zunächst durch freundschaftliche Beziehungen teilweise für seine eigenen Interessen einspannen können. Die Schaffung des Lateinamerikanischen Wirtschaftssystems (SELA) ist ein Produkt ihrer gemeinsamen Politik. Dennoch könnte es in Zukunft, vor allem in der Erdölexportpolitik, zu Spannungen zwischen beiden Staaten kommen.
Innerhalb Südamerikas hat Mexiko erst in den siebziger Jahren begonnen, eine wichtigere Rolle zu spielen. So war die Unterstützung der Regierung Allende in Chile ein zentraler Teil der Lateinamerikapolitik des Präsidenten Echeverria. Sie entsprang ebenso wie andere Kontakte innerhalb der Region dem Wunsch, in der Dritten Welt eine Führungsposition zu übernehmen. Infolge der zunehmenden Militarisierung der südamerikanischen Herrschaftssysteme stieg Mexikos Ansehen* als relativ demokratischer Staat bei einem Großteil der demokratisch gesinnten Eliten in der Region.
Trotz der offensichtlichen Spannungen mit dem erdrückenden Nachbarn USA dürfte sich Mexiko langfristig bewußt um eine Brücken-funktion zwischen den USA und Lateinamerika bemühen. Dadurch verschafft es sich als Entwicklungspol in Zentralamerika und der Karibik mittelfristig eine außerordentlich günstige Ausgangsposition, die durch die Möglichkeit, künftig bilaterale Entwicklungshilfe leisten zu können, noch ausgebaut werden dürfte.
Seine geographische Lage als Nachbar der USA bedeutet für Mexiko gleichzeitig Segen und Fluch seiner Entwicklung. Das unübersehbare wirtschaftliche Gefälle zwischen beiden Staaten hat zu einer verzerrten Wirtschaftsstruktur in Mexiko sowie einer massiven Abwanderung von Arbeitskräften und einem „brain drain" der Spezialisten geführt. Andererseits hat das Aufeinanderprallen von Dritter Welt und Erster Welt Mexiko zu ungewöhnlichen Entwicklungsanstrengungen veranlaßt. Da fast zwei Drittel seines Außenhandels mit den USA abgewickelt werden, wird Mexiko auch in Zukunft seine außergewöhnliche wirtschaftliche Position halten können, wenn es auch weiterhin die Nachteile einer derartigen Abhängigkeit von den USA auf sich nehmen muß. Vor allem die jüngsten Entwicklungen im Energiebereich dürften dazu beitragen, Mexikos Verhandlungsposition außerordentlich aufzuwerten.
Bei der Neuformulierung des bilateralen Verhältnisses dürfte eher das venezolanische Beispiel den diplomatischen Ton zwischen Mexiko und USA bestimmen, als daß ein wirkliches Erdöl-Preisdiktat zustande kommt wie bei den arabischen Staaten. Denn Mexiko muß auch auf die Rohstoffinteressen der benachbarten Großmacht Rücksicht nehmen und wird sich auch aus diesem Grunde schwer tun, schon bald der OPEC beizutreten. Andererseits wird seine nationale Glaubwürdigkeit als avantgardistisches Land der Dritten Welt weitgehend davon abhängen, daß es sich nicht allzu stark den US-Interessen unterordnet, sondern seine wirtschaftliche Potenz gegenüber dem mächtigen Nachbarn in die Waagschale wirft.
Dennoch wird die geopolitische Situation des Landes auch in Zukunft ein dominanter Faktor in seiner Rolle als Entwicklungspol sein, weil die USA den internen und externen Spielraum Mexikos weiterhin zu beeinflussen vermögen. Der Vorteil dieser nachbarlichen „Fremdbestimmung" liegt darin, daß die USA das Nachbarland Mexiko unabhängig von den wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten immer bereitwilliger stützen werden als andere lateinamerikanische Länder.
Trotz seiner beschränkten Möglichkeiten, seine außenwirtschaftlichen und außenpolitischen Beziehungen zu diversifizieren, hat Mexiko in den letzten Jahren ungewöhnliche Anstrengungen in dieser Richtung unternommen. Die Handelsabkommen mit der EG und dem RGW von 1975 und seine Vorreiterrolle bei der Schaffung und Verabschiedung der „Charta der ökonomischen Rechte und Pflichten der Staaten" von 1974 sind dafür die auffälligsten Beispiele. Mexikos eigene wirtschaftliche Entwicklung wurde davon bisher allerdings nur marginal berührt.
Die Diversifizierungsversuche Mexikos zeugen von seinem Bedürfnis, ausgeprägte Distanzvorstellungen gegenüber seinem übermächtigen Nachbarn und dessen wirtschaftlichen Konzeptionen zu entwickeln. Die jüngsten Verhandlungen der Regierung Lopez Portillo mit Präsident Carter haben diese Notwendigkeit erneut zum Ausdruck kommen lassen.
Mexiko empfindet sich als „ Anti-Status-quo-Macht" im internationalen System und als Advokat einer neuen Weltwirtschaftsordnung. Schon deswegen dürfte Mexiko seine Position innerhalb der Dritten Welt dauerhaft festigen können. Daher wird Mexiko auch bei allen zukünftigen Verhandlungen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern eine wichtige Funktion ausüben. Insofern bieten sowohl die interamerikanischen Faktoren, aufgrund der engen Anbindung an die USA, als auch die extraregionalen Faktoren durch seine Profilierung hinsichtlich der Forderungen der Dritten Welt Mexiko besonders günstige Zukunftschancen als Entwicklungspol. 2. Brasilien Brasiliens Weg seit der sogenannten Revolution von 1964 ist in vielen Teilen der Welt einerseits mit Bewunderung, was die wirtschaftlichen Zuwachsraten betraf, und andererseits mit Ablehnung, was die Repression von Seiten seines Regierungssystems anging, verfolgt worden. Brasilien hat es als regionale Vormacht in Lateinamerika verstanden, seine Politik zumindest indirekt in einem großen Teil des Kontinents wirksam werden zu lassen. Gleichzeitig hat es durch seine Größe und sein diplomatisches Geschick seinen Einfluß weit über die Region hinaus geltend gemacht. Die Frage nach der Stabilität des brasilianischen Modells ist vor allem eine Frage nach seinem Erfolg. Solange die Allianz zwischen Militärs und Technokraten wirtschaftliche Erfolge — insbesondere für den oberen Teil der Gesellschaft — zu produzieren vermochte, war dieses Modell stabil. Das System verfügte über eine Organisationskapazität und eine politische Macht, die in westlichen Industriestaaten einer Regierung meist nur in Krisenzeiten eingeräumt werden. Es konnte daher weitgehend unabhängig von Interessengruppen und der Zustimmung von unten seine politischen Vorstellungen durchsetzen.
Der Konsensus zwischen Militär und wirtschaftlicher Elite brach, wie die Entwicklung seit 1974 zeigt, in dem Moment auseinander, in dem der wirtschaftliche Erfolg ausblieb. In dem Maße, wie internationale Konjunkturdaten und interne Entwicklungen Brasilien zwingen, wirtschaftspolitische Veränderungen vorzunehmen, wird die Stabilität des militärisch-technokratischen Entwicklungsmodells gefährdet. Die für die achtziger Jahre vorhersehbare Ablösung des Militärregimes durch zivile Regierungen dürfte sicher zu einer weiteren Destabilisierung des gesamten Entwicklungspols Brasilien beitragen. Da der bisherige Konsensus unter großen politischen Opfern und nicht zuletzt auch mit gezieltem Terror von oben erreicht worden ist, lassen sich bei der langsamen Öffnung des Systems mittelfristig natürliche Instabilitäten gar nicht vermeiden. Alle Ankündigungen des Militärs, das System in absehbarer Zeit grundlegend zu demokratisieren, müssen daher eher mit Skepsis beurteilt werden, weil dadurch die unter großen sozialen Kosten errungene „militärische Stabilität" gefährdet würde. Die kritischen Probleme sind unter dem Militärregime keineswegs auch nur in Ansätzen der Lösung näher gekommen und dürften daher erst in Zukunft bei einer weiteren Öffnung des Systems die politischen Auseinandersetzungen bestimmen. Dabei werden die Verschuldung und die Auslandsinvestitionen als die deutlichsten Zeichen externer Abhängigkeit sowie die Einkommensverteilung und die politische Partizipation im Vordergrund stehen. • Angesichts der problematischen Situation im Energiebereich hat sich das brasilianische Modell bereits seit der Ölkrise den veränderten Bedingungen anzupassen versucht. Eine Möglichkeit sehen die Brasilianer offensichtlich in der Umstellung vom exportorientierten Wachstumsmodell auf ein Binnenmarktmodell, wobei als Binnenmarkt langfristig der ganze Einflußbereich ihres Entwicklungspols angesehen wird. Eine solche Politik dürfte zunächst aber ganz erhebliche Strukturveränderungen des brasilianischen Wirtschafts-und Sozialgefüges notwendig machen. Innerhalb der Militärs sind die Meinungen vorläufig noch geteilt, ob die Entwicklung konsequent in diese Richtung vorangetrieben werden soll oder ob in Erwartung steigender Rohstoffpreise und sinkender Zölle mit weiterer Integration in die Weltwirtschaft gerechnet werden kann.
Der Großraum Brasilien mit seinen 115 Mio. Einwohnern läßt ein um die Anrainerstaaten erweitertes Binnenmarktmodell als sehr viel-versprechend erscheinen. Abgesehen von einer sicherlich problematischen Übergangs-phase in den achtziger Jahren würde ein solches Modell den dezidierten Autonomievorstellungen Brasiliens sehr entgegenkommen. Mittelfristig dürfte aber der rasche Wandel vom Entwicklungsland zur „Großmacht" ohne die gleichzeitige Veränderung politischer und sozialer Strukturen die interne Stabilität des Entwicklungspols Brasilien sehr belasten.
Brasilien hat sich in den siebziger Jahren in einem Maße als Regionalmacht in ganz Südamerika etabliert, das selbst Argentinien zum Zeitpunkt seines größten Einflusses niemals erreicht hat. Brasilien leistet umfangreiche Entwicklungshilfe innerhalb der Region und hat insbesondere ideologisch nahestehenden Regimen bisher bei der Konsolidierung ihrer Macht und bei der Durchsetzung ihrer internen Sicherheitsvorstellungen geholfen. Brasilien hat es aber auch verstanden, die in den spanischsprachigen Ländern Lateinamerikas immer wieder aufkeimende Furcht vor einer brasilianischen Hegemonie zumindest zeitweilig zu zerstreuen. In jüngster Zeit ist es ihm sogar gelungen, bessere Beziehungen zu Argentinien, dem traditionellen Rivalen um die Vorherrschaft in Südamerika, herzustellen.
Brasilien glaubte in mancher Hinsicht, eine phasenverschoben ähnliche Entwicklung nachholen zu können, wie sie die USA in ihrer Geschichte durchgemacht haben. Bei der Eroberung des eigenen Hinterlandes wie auch hinsichtlich des Einflusses auf andere Länder hatte Brasilien gehofft, nachvollziehen zu können, was ihm die USA bei ihrem Aufstieg zur Weltmacht vorgemacht hatten. Auch deshalb ist den Brasilianern, historisch gesehen, die enge Allianz mit den USA immer ein vordringliches außenpolitisches Anliegen gewesen. Erst als Brasilien Anfang der siebziger Jahre begann, die USA eher als Hindernis denn als Hilfe für seinen Aufstieg im internationalen System zu empfinden, wurden die USA zu einem außenpolitischen Partner unter anderen.
Ihren bilateralen Beziehungen haben die Brasilianer in den letzten zehn Jahren vor allem vier Kriterien zugrunde gelegt, die ihrem Entwicklungsbedarf entsprechen. Demnach muß ein außenpolitischer Partner folgende Möglichkeiten bieten: — Zugang zu einem großen und diversifizierten Markt;
— Zugang zu Rohstoffen, insbesondere Energieträgern; — Zugang zu Finanzquellen;
— Zugang zu moderner Technologie.
Solange die USA willens und in der Lage waren, die Mehrheit dieser Bedingungen zu erfüllen, waren sie zumindest unter außenwirtschaftlichen Gesichtspunkten der bevorzugte Partner.
Inzwischen hat sich jedoch herausgestellt, daß auch einige andere Partner Brasilien ähnliche Möglichkeiten bieten können, ohne politische Auflagen damit zu verbinden. Die Amerikaner hatten eine Zeitlang versucht, die außenpolitischen Ambitionen Brasiliens auf den lateinamerikanischen Raum zu beschränken, hatten aber damit die globalen Zielvorstellungen der brasilianischen Militärs gründlich mißverstanden. Es war den Brasilianern eher peinlich, als Juniorpartner oder Gendarm der USA in Lateinamerika angesehen zu werden. Sie haben daher jede Möglichkeit genutzt, sich mit anderen autoritär-militärischen Regimen in Lateinamerika gegen die USA zu solidarisieren. So deutet die kurzfristige Kündigung der langjährigen militärischen Zusammenarbeit mit den USA auf die Bereitschaft hin, in Zukunft auch gegen deren Willen zumindest in Teilbereichen eine eigene Politik zu betreiben.
Diese kompromißlose Haltung, die Brasilien in jüngster Zeit gegenüber den USA eingenommen hat, wäre kaum möglich gewesen, wenn es nicht in den letzten Jahren — trotz anhaltender wirtschaftlicher Abhängigkeit von den USA — durch eine sehr kluge Au-ßenund Außenwirtschaftspolitik eine beachtliche Position im internationalen System und in der Weltwirtschaft erlangt hätte. Neben den weiterhin außerordentlich wichtigen wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA stützt sich Brasilien heute mit unterschiedlicher Gewichtung auf folgende zusätzliche Partner: — Westeuropa, insbesondere die Bundesrepublik Deutschland;
— Ostasien, insbesondere Japan; — Dritte Welt, insbesondere Schwarzafrika; — Sozialistische Länder, insbesondere die Sowjetunion. Bei dem Versuch, maximale Vorteile für die eigene Entwicklung zu erreichen, hat es Brasilien jahrelang verstanden, auch mit politisch völlig konträren Partnern gut auszukommen. So stieg sein Handelsvolumen mit dem sozialistischen Lager zwar keineswegs so spektakulär an wie das mit Westeuropa, aber doch in einem für lateinamerikanische Länder ungewöhnlichen Ausmaß. Daneben gelang es Brasilien lange Zeit, sowohl mit Israel als auch mit den arabischen Ländern, mit Schwarzafrika ebenso wie mit Südafrika gute Beziehungen zu unterhalten. Die Auflösung des portugiesischen Kolonialreichs haben die Brasilianer zum Anlaß genommen, sich vor allem in Angola und Mozambique des gemeinsamen Erbes zu erinnern und sich wirtschaftlich und kulturell zu engagieren. Ihre geschickte Diplomatie hat es bisher den Brasilianern erlaubt, in der Sache hart und in der Form flexibel als einer der wichtigsten Vermittler zwischen den Interessen der Industrie-und Entwicklungsländer zu fungieren.
Die jüngsten Entwicklungen deuten darauf hin, daß Brasilien seine angestrebte Groß-machtposition eher über eine Führungsrolle in der Dritten Welt als durch eine Integration in die Erste Welt erreichen kann. Denn so eng die ideologischen Bindungen zwischen Brasilien bzw.seinen herrschenden Eliten und der westlichen Welt auch sein mögen, so gering ist seine strukturelle Affinität zu den Industriestaaten. Dem wird auch die zukünftige interne Entwicklung des Landes Rechnung tragen müssen. Die in den nächsten Jahren fälligen Entscheidungen werden zwar Brasiliens Position als Entwicklungspol nicht gefährden, wohl aber aufgrund der zu erwartenden internen Instabilität seine Attraktivität für seine Nachbarstaaten verringern. 3. Venezuela Neben den beiden Entwicklungspolen erster Ordnung in Lateinamerika spielt Venezuela eine Sonderrolle, weil es als ungewöhnlich kleines Land mit nur 13 Mio. Einwohnern eine über die Region hinausgehende internationale Position errungen hat. Dies beruht darauf, daß Venezuela bis vor kurzem das ölreichste Land Lateinamerikas war, und daß es andererseits in einer von Militärregimen dominierten Region schon über zwanzig Jahre eine nahezu mustergültige Demokratie ist.
Die Tatsache, daß ein so kleines Land mit relativ geringen Möglichkeiten eine überdurchschnittliche Rolle in Lateinamerika spielt, ist an und für sich kein Novum, wie das Beispiel Kubas zeigt. In mancher Hinsicht ist die kubanische Entwicklung mit der venezolanischen der letzten zwei Jahrzehnte insofern vergleichbar, als beide Staaten, ausgehend von relativ ähnlichen Voraussetzungen, zwei völlig unterschiedliche politische Richtungen eingeschlagen haben, die sich beide jedoch als recht erfolgreiche Wege in die internationale Politik erwiesen haben.
Die internen Faktoren haben Venezuela in der Tat begünstigt. Das Land hat seit 1958 eine bemerkenswerte demokratische Stabilität aufzuweisen; die Regierungen sind in sehr weitgehendem Maße vom Volk legitimiert gewesen und es hat sich ein relativ stabiles Zweiparteiensystem entwickelt. Die Voraussetzung für diese in Lateinamerika so außergewöhnliche Entwicklung schuf das Erdöl. Doch auch diese demokratischen Regierungen haben trotz hoher Erdöleinnahmen und geringer Bevölkerungszahlen die dringendsten sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Landes nicht zu lösen vermocht. Statt dessen war das Land aufgrund der hohen externen Einkommen in der Lage, eine Demokratie zu finanzieren, ohne eine Umverteilung auf Kosten der oberen Schichten vornehmen zu müssen. Das böse Wort von der „Schönwetterdemokratie" trifft daher auch auf Venezuela zu. Deshalb sind sich die demokratischen Führer des Landes durchaus bewußt, daß die Stabilität der Demokratie davon abhängt, ob es ihnen gelingt, im nächsten Jahrzehnt die Wirtschaft zu diversifizieren und eine Vielzahl neuer Arbeitsplätze zu schaffen. Nur so wird Venezuela bei langsamem Rückgang der Erdölförderung politische und soziale Krisen verkraften können. Sicherlich ist es für Venezuela leichter als für andere lateinamerikanische Staaten gewesen, den innenpolitischen Konsensus herzustellen, weil er durch umfangreiche Zahlungen aus der Staatskasse finanziert werden konnte. Andererseits kann es sein, daß die erreichte politische Stabilität auch in einer wirtschaftlichen Übergangsphase anhält und damit Venezuela auch in Zukunft seine Attraktivität für andere Länder der Region behält.
Unter der Präsidentschaft Perez hatte Venezuela sich besonders um die Solidarität der lateinamerikanischen Staaten bemüht. Die Entwicklungshilfe für kleinere Länder der Region, die sehr wichtige Rolle, die Venezuela im Anden-Pakt spielt und schließlich die zusammen mit Mexiko betriebene Gründung des Lateinamerikanischen Wirtschaftssystems (SELA) belegen dies deutlich. Seine gewisse Vormachtposition in der Karibik, deren immer zahlreicher unabhängig werdende Mini-staaten eine wirtschaftliche Anlehnung an Venezuela suchen, wird von den größeren Inseln, wie die Konflikte z. B. mit Trinidad zeigen, nicht ohne weiteres hingenommen. Andererseits ist die Einflußsphäre des Entwicklungspols Venezuela nicht auf die Karibik beschränkt. Auch in Zentralamerika und im An-den-Raum ist Venezuela bilateral sehr aktiv geworden. Erstaunlicherweise ist es dabei bisher nicht zu einer Auseinandersetzung mit der entscheidenden Macht in der Region, den USA, gekommen. Auch gegenüber Mexiko waren die Beziehungen gut bis freundschaftlich, obwohl hier zwei Entwicklungspole in einer gewissen Konkurrenz um ihr geopolitisches Umfeld stehen.
Das Verhältnis zu den USA ist für Venezuela immer von ausschlaggebender Bedeutung gewesen. Seit der Energiekrise von 1973/74 haben auch die USA eingesehen, wie strategisch wichtig für ihre Energieversorgung Venezuela ist, von dem sie immerhin fast ein Viertel ihrer Erdölimporte beziehen. Seit jener Zeit hat sich durch seine Mitgliedschaft in der OPEC auch Venezuelas „bargaining power" gegenüber den USA erhöht. Ein gutes Beispiel dafür war die Verstaatlichung der ausländischen Erdölfirmen. Freilich wird diese Verhandlungsmacht vielleicht schon Mitte der achtziger Jahre aufgrund der enormen Erdölvorräte und möglichen Exporte Mexikos nach den USA zurückgehen. Doch sieht es zumindest zur Zeit nicht so aus, als ob die USA Mexiko gegen Venezuela ausspielen könnten. Vielmehr scheinen die Venezolaner ihre Er-B fahrungen im Umgang mit dem großen Erdöl-abnehmer an Mexiko weiterzugeben.
Dennoch ist Venezuelas kritische Haltung gegenüber den USA keineswegs so eindeutig, wie es die Sprecherrolle, die es zeitweilig für den spanisch-sprachigen Raum übernommen hat, erscheinen läßt. Zwar haben die Venezolaner in der Frage der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit Kuba, in der Frage des Panama-Kanals und schließlich auch in der Nicaragua-Krise den USA immer wieder gezeigt, daß sie nicht länger einseitige Entscheidungen in dieser Region treffen können. Andererseits sind die Systemverknüpfungen zwischen den USA und dem von ihnen abhängigen Venezuela aber so tiefgreifend, daß die Nutzung des außenpolitischen Spielraums weniger ein eigener Weg ist als vielmehr der Versuch, die weiterhin dominierende Stellung der USA zu kompensieren.
Es wird leicht übersehen, daß Venezuela als Gründungsmitglied der OPEC nicht nur im Nord-Süd-Konflikt, sondern auch bei der Entwicklung der Strategien der Dritten Welt überhaupt eine herausragende Rolle gespielt hat. In die Diskussion um die neue Weltwirtschaftsordnung hat es seine jahrzehntelangen Erfahrungen mit den mächtigsten multinationalen Firmen — den Erdölgesellschaften — eingebracht. Gerade weil die Abhängigkeit Venezuelas von den USA so groß ist, ist die Sensibilität gegenüber den Problemen, die diese Abhängigkeit mit sich bringt, in Venezuela so ausgeprägt. Auch diese Erfahrung verbindet es mit Mexiko. Innerhalb der OPEC freilich sieht sich Venezuela eher in einer Mittlerrolle: es ist zwar an hohen Preisen für sein Erdöl interessiert, will aber andererseits im Gegensatz zu den arabischen Ländern keinen politischen Druck auf die USA ausüben, weil es in dem O 1 keine politische Waffe zur Lösung regionaler Probleme sieht.
Ein weiteres wichtiges Moment für die Rolle Venezuelas als Entwicklungspol liegt darin, daß aufgrund seiner demokratischen Stabilität die sozial-und christdemokratischen Parteien Lateinamerikas in ihm das demokratische Zentrum der Region sehen. So werden auch die internationalen Parteibeziehungen zu anderen lateinamerikanischen Ländern weitgehend über Venezuela abgewickelt. Diese Art zivilen Einflusses auf Eliten im Wartestand ist ein weiteres Plus für Venezuelas Position als Entwicklungspol in Lateinamerika.
Die drei entscheidenden Entwicklungspole in Lateinamerika — Mexiko, Brasilien und Ve14 nezuela — haben ihre Position vornehmlich aufgrund ihrer wirtschaftlichen Potenz erreicht. Aber auch ihre sehr unterschiedliche interne Struktur und die damit verbundene jeweilige politische Stabilität dient divergiei renden gesellschaftlichen Gruppen in allen lai teinamerikanischen Ländern als Vorbild für die eigene Entwicklung: Demokratisch gesinnte Politiker orientieren sich an Venezuela, Anhänger des Einparteiensystems an Mexiko und Befürworter der „Politik der nationalen ’ Sicherheit" an Brasilien. 4. Argentinien Es ist schwer zu entscheiden, ob Argentinien — das lange Zeit führende Land Lateinamerikas — lediglich aus historischer Sicht oder aber in Erwartung eines neuen Aufstiegs zu den Entwicklungspolen der Region gerechnet werden soll. Es gibt in Lateinamerika nur wenige Länder, die eine ähnliche Position wie Argentinien erreicht haben. Auch heute noch ist Argentinien mit seinen nur 26 Mio. Einwohnern aufgrund seiner Ressourcenausstattung und seiner gesamtgesellschaftlichen Entwicklung das relativ reichste Land Lateinamerikas. Der Reichtum Argentiniens liegt nicht nur darin, daß es in fast allen wesentlichen Produkten einschließlich des Erdöls Selbstversorger ist, sondern auch darin, daß sein Erziehungswesen, seine Infrastruktur und viele andere Faktoren, die ein modernes Staatswesen ausmachen, in der Region bei weitem am höchsten entwickelt sind. Noch zu Kriegsende war Argentinien sogar das sechst-reichste Land der Erde, das sich aufgrund seiner indirekten Zugehörigkeit zum britischen Weltreich Kanada und Australien fast stärker verbunden gefühlt hat als seinen lateinamerikanischen Nachbarn.
In den letzten Jahren hat Argentinien jedoch einen außerordentlichen Abstieg durchmachen müssen. Wohl kein anderes Land Lateinamerikas ist von einer ähnlichen politischen Dauerkrise erschüttert worden, wie sie in Argentinien de facto schon seit 1955 anhält. Bürgerkriegsähnliche Zustände haben zwischen 1974 und 1977 das Land an den Rand des Chaos gebracht, dessen Folgen in absehbarer Zeit kaum überwindbar sein dürften.
Der Versuch Peröns, die Arbeiterschaft in das politische System des Landes zu integrieren, ohne den Oberschichten ihre wirtschaftliche Position zu nehmen, hatte zwar in der Zeit der vollen Kassen — also insbesondere in den direkten Nachkriegsjahren — einen gewissen Erfolg, erwies sich jedoch in seiner Wieder-auflage 1973 als unmögliches Vorhaben. Andererseits ist es zwischen 1955 und 1973 weder zivilen noch militärischen Regierungen gelungen, ohne die politische Beteiligung der Arbeiterklasse zu regieren; auch vorläufig ist ein innenpolitischer Konsensus nicht in Sicht. Die gut organisierte Arbeiterschaft wehrt sich trotz aller militärischen Repression heftig dagegen, den wirtschaftspolitischen Abstieg des Landes allein tragen zu müssen, und die Militärs sind untereinander selbst zerstritten über den erfolgversprechenden Weg, aus der Dauerkrise des Landes herauszukommen. Sie haben auch nicht die Absicht, in naher Zukunft das politische System wieder in zivile Hände zu überführen. Insofern sind in Argentinien sicherlich die internen Stabilitätsvoraussetzungen, wie sie bei den anderen drei Entwicklungspolen Lateinamerikas bestehen, nicht gegeben.
Aus diesen Gründen hat Argentinien auch innerhalb der Region an Ansehen sehr verloren. Die traditionelle Rivalität zu Brasilien, die sich zumeist im Kampf um Einfluß in den Pufferstaaten Bolivien, Paraguay und Uruguay niederschlug, hat sich inzwischen abgeschwächt, denn Brasilien hat zumindest in absoluten Zahlen Argentinien längst überrundet. Andererseits ist Argentinien gerade aufgrund seiner gesamtgesellschaftlichen Entwicklung und dem Prof-Kopf-Einkommen immer noch ein ernst zu nehmender Rivale. Insbesondere im Kampf um künftige Energiequellen werden die Auseinandersetzungen mit Brasilien sowohl hinsichtlich der Nutzung von Wasserkraft im Paranä-Gebiet als auch hinsichtlich des Ausbaus der Nuklearenergie in beiden Ländern vorläufig nicht abklingen. Auch gegenüber dem anderen Nachbarn — Chile — stehen Ressourcenkonflikte im Vordergrund, denn der eher legalistisch erscheinende Disput um die drei kleinen Inseln im Beagle-Kanal ist nur vor dem Hintergrund der möglichen Nutzung der 200-Seemeilen-Wirtschaftszone in diesem Bereich zu verstehen.
Auch im engeren regionalen Bereich scheint es dem Entwicklungspol Argentinien an Attraktivität zu fehlen. Dennoch sehen seine Nachbarstaaten in ihm ein gewisses außenpolitisches Korrektiv zu dem als expansiv eingestuften Brasilien. Für die ganze Region könnte aber Argentinien schon in der nächsten Dekade nach einer möglichen innenpolitischen Stabilisierung insofern wieder attraktiv werden, weil es im technologischen Be15 reich und kulturell seine führende Position bisher hat halten können und damit für alle spanisch-sprachigen Länder der Region ein Anziehungspunkt bleiben wird.
Auch die traditionell anti-amerikanische Haltung Argentiniens, die nur zeitweilig unter den Militärregimen etwas abgeklungen ist, stärkt Argentiniens etwas schwache Position als Entwicklungspol. Denn es hat die USA immer als Rivalen und niemals als Partner in der Hemisphäre betrachtet. Argentinien war in seiner ganzen Geschichte stets stärker europa-orientiert und stand als Nahrungsmittel-exporteur auf dem Weltmarkt in Konkurrenz zu den USA. Die derzeitige Kritik der Carter-Regierung an Argentinien wegen der kontinuierlichen Verletzung der Menschenrechte und die daraus resultierende Kredit-und Waffenexportsperre von Seiten der USA hat jetzt auch die argentinischen Militärs getroffen, die bisher relativ pro-amerikanisch ausgerichtet waren. Daher sind die nordamerikanisch-argentinischen Beziehungen zur Zeit auf dem tiefsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg. Sie werden auch mittelfristig wohl kaum besser werden, denn unabhängig von der jetzigen Politik Carters zeigen die Argentinier keine Neigung, sich US-amerikanischen Interessen unterzuordnen. Andererseits ist Argentinien für die USA von weit geringerer wirtschaftlicher und strategischer Bedeutung als Mexiko und Brasilien oder selbst Venezuela, und deswegen dürften die USA auch ihreseits keine großen Anstrengungen unternehmen, Argentinien in irgendeiner Form entgegenzukommen.
Diese mangelnde interamerikanische Komponente läßt sich auch dadurch erklären, daß sich Argentinien — nicht zuletzt aufgrund seiner starken europäischen Einwanderung — immer als" das europäischste Land Lateinamerikas gefühlt hat.
Auch in den Handelsbeziehungen spielt Westeuropa bei den Importen und Osteuropa bei den Exporten inzwischen die entscheidende Rolle, da Argentinien die traditionellen Märkte für seine Produkte durch eine entsprechende Politik der EG verlorengegangen sind. Ideologisch und sicherheitspolitisch hat Argentinien aber gerade in den letzten Jahren zunehmend auch Kontakt zu Südafrika gesucht. Trotzdem ist Argentinien als einziger der vier Entwicklungspole auch weiterhin Mitglied in der Blockfreien-Bewegung, wenn auch die jetzige Militärregierung von dieser Mitgliedschaft sehr wenig Gebrauch macht. Diese internationale Position erinnert an die „Dritte Position" Peröns, der lange vor dem Emanzipationsstreben der Entwicklungsländer bereits nach einem Dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus gesucht hatte. Perön war nicht zuletzt aufgrund der extremen geographischen Lage Argentiniens immer der Meinung, daß ein Land wie Argentinien die Welt nicht aus dem Blickwinkel des Ost-West-Konflikts betrachten sollte.
Es ist keineswegs ausgeschlossen, daß bei einem Wechsel des innenpolitischen Kurses eine argentinische Politik des „Dritten Weges" wieder relevant werden könnte. Gerade aufgrund seiner weitreichenden internationalen Erfahrungen könnte dann Argentinien durchaus eine wichtige Position innerhalb des Nord-Süd-Konflikts einnehmen und dadurch auch seine derzeit eher reduzierte Rolle als Entwicklungspol aufwerten.
III. Zehn Thesen zur Entwicklung Lateinamerikas in den achtziger Jahren
1. In Lateinamerika wird sich in absehbarer Zukunft kein einheitlicher politischer oder wirtschaftlicher Trend abzeichnen. Die allzu großen Unterschiede der wirtschaftlichen und sozialen Ausgangslage der verschiedenen Länder ermöglichen auch keine einheitlichen Zielvorstellungen. Gewisse Perspektiven ergeben sich jedoch für die Rahmenbedingungen der allgemeinen Entwicklung. 2. In fast allen lateinamerikanischen Ländern sind die Gesellschaften in einem rapiden Wandlungsprozeß begriffen. Aus diesem Grund sind politische Instabilitäten trotz militärischer Herrschaftsmodelle auch in der nächsten Dekade unumgänglicher Bestandteil der Entwicklung. Demokratie wird dabei als Ziel und nicht als gesellschaftlicher Prozeß angesehen.
3. Die wirtschaftliche Entwicklung wird mit unterschiedlicher Gewichtung innerhalb der Region etwa im gleichen Umfang oder sogar stärker als im letzten Jahrzehnt voranschreiten. Diese Entwicklung wird jedoch aller Voraussicht nach keine gerechtere Verteilung in-16 nerhalb der sozialen. Schichten mit sich bringen und daher nicht zu einem gesamtgesellschaftlichen Fortschritt in der Region oder auch nur zur minimalen Bedürfnisbefriedigung aller seiner Bewohner beitragen. 4. Der Nationalismus wird in den verschiedenen Staaten Lateinamerikas weitere virulente Phasen durchlaufen. Der heute noch vorherrschende Anti-Amerikanismus wird durch den langsamen Rückzug der USA aus der Region leicht abgebaut werden. Demgegenüber wird die Opposition gegen die neuen regionalen Entwicklungspole vermutlich zunehmen. Die Suche nach einer eigenständigen Position wird bei vielen Staaten extreme Formen annehmen, so daß sich kriegerische Auseinandersetzungen innerhalb Lateinamerikas nicht ausschließen lassen. 5. Die Ablehnung der Familienplanung durch die meisten Regime wird zu einer enormen Bevölkerungsexplosion führen. Eine annähernde Verdoppelung der bisherigen 330 Mio. Einwohner Lateinamerikas auf 600 Mio. zu Ende dieses Jahrhunderts gilt als sicher. Die dadurch ins Unermeßliche steigende Arbeitslosigkeit dürfte schon in der nächsten Dekade selbst bei relativ erfolgreichen Regierungen zu einer extremen Systemgefährdung führen. 6. Erfahrungsgemäß werden in Lateinamerika Entwicklungsetappen oft übersprungen. Andererseits haben einige Staaten der Region auch weltwirtschaftlich-oder . systembedingte Abstiegsphasen durchgemacht. Uruguay, Chile und Argentinien waren in den siebziger Jahren dafür die krassesten Beispiele. In den achtziger Jahren werden mit ziemlicher Sicherheit andere Staaten einen ähnlichen Weg gehen müssen. 7. Die Industrialisierung der Region in der letzten Dekade hat auch den direkten Einfluß der USA auf die lateinamerikanische Wirtschaft teilweise verringert. Die offensichtliche außenwirtschaftliche Diversifizierung hat dazu geführt, daß das wirtschaftliche Engagement der USA nicht so stark zugenommen hat wie das anderer Industrieländer, z. B.der Bundesrepublik und Japans. Dieser Prozeß wird sich in den nächsten Jahren noch verstärken, obwohl andererseits die USA alles versuchen werden, nicht von den wichtigen Rohstofflagern, Industriegütermärkten und Investitionsmöglichkeiten in Lateinamerika abgeschnitten zu werden. Die generelle Abhängigkeit Lateinamerikas vom Kapital-und Technologieimport aus den Industrienationen wird aber eher zu-als abnehmen. 8. Aus strukturellen Gründen wird sich Lateinamerika in den achtziger Jahren stärker mit der Dritten Welt identifizieren, als dies bereits in den siebziger Jahren erkennbar war. Nur ein einseitiges und politisch noch nicht vorhersehbares Entgegenkommen der Industrieländer gegenüber den wirtschaftlichen Erwartungen Lateinamerikas könnte einen solchen Prozeß verhindern. 9. Lateinamerikas Beziehungen zu Europa könnten sehr ungewöhnliche Formen annehmen, falls es Westeuropa gelingen sollte, sich vom Image eines Juniorpartners der USA freizumachen. Bei nahezu gleichem Angebot an Kapital, Know-how und Marktzugang würde Lateinamerika nicht zuletzt wegen der geringeren politischen Pressionsmöglichkeiten Europa immer den Vorzug in einer Partnerschaft einräumen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Europa in Zukunft bereit sein sollte, seine Kooperation ohne ordnungspolitische Vorbehalte anzubieten und auf den Export'eigener Wirtschaftsund Gesellschaftsmodelle zu verzichten. 10. Auch in Zukunft wird die Umverteilung von Macht, Einfluß und Wohlstand nicht nur innerhalb der Staaten Lateinamerikas gefordert werden. Es ist zugleich eine Forderung der Region insgesamt an das jetzige internationale und weltwirtschaftliche System. Diese Forderung wird auch von all den Staaten Lateinamerikas vehement unterstützt werden, die eine solche Umverteilung innerhalb der eigenen Gesellschaft strikt ablehnen.
Wolf Grabendorff, Dipl. -Pol., geb. 1940, 1972— 74 ARD-Fernsehkor-respondent für Lateinamerika, seit 1975 Lateinamerika-Referent bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (Ebenhausen/Isar). Veröffentlichungen u. a.: Lateinamerika — wohin?, München 1974; Lateinamerika — Kontinent in der Krise (Hrsg.), Hamburg 1973; Brasilien: Entwicklungsmodell und Außenpolitik (zusammen mit Manfred Nitsch), München 1977. Zahlreiche Beiträge zur Innen-und Außenpolitik lateinamerikanischer Staaten in Fachzeitschriften und Sammelwerken.