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Arbeitsmarktpolitik in der sozialen Marktwirtschaft. Ein Arbeitsmarktprogramm für die Gegenwart und Zukunft | APuZ 9/1979 | bpb.de

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APuZ 9/1979 Artikel 1 Arbeitsmarktpolitik in der sozialen Marktwirtschaft. Ein Arbeitsmarktprogramm für die Gegenwart und Zukunft Probleme und Perspektiven der Arbeitsmarktpolitik Soziale Sicherung zwischen Anpassung und Strukturreform

Arbeitsmarktpolitik in der sozialen Marktwirtschaft. Ein Arbeitsmarktprogramm für die Gegenwart und Zukunft

Kurt H. Biedenkopf

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Zusammenfassung

In den letzten vier Jahren sind die Grenzen der bisherigen Arbeitsmarktpolitik deutlich geworden. Das selbst gesteckte Ziel — die Wiedererlangung der Vollbeschäftigung — wurde nicht erreicht. Wenn sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt künftig nicht weiter verschlimmern soll, müssen neue Wege eingeschlagen und die Schwächen der bisherigen Arbeitsmarktpolitik überwunden werden. Diese Schwächen liegen vor allem in einer unzureichenden Analyse der Ursachen, in der fehlenden Bereitschaft bei vielen Verantwortlichen, erkennbare Fehlentwicklungen zu berichtigen und in der mangelnden Einheit von Wirtschafts-, Gesellschaftsund Sozialpolitik. Zunehmend wächst allerdings bereits die Erkenntnis, daß die gegenwärtige Arbeitslosigkeit nicht nur ein arbeitsmarkt-und wirtschaftspolitisches Problem ist, sondern auch Ausdruck einer gesellschaftlichen und politischen Krise. Damit ist das Problem der Arbeitslosigkeit zugleich einfacher und schwieriger, als bisher angenommen. Die gegenwärtigen Probleme sind noch vergleichsweise kontrollierbar; die eigenlichen Schwierigkeiten liegen in der Zukunft. Neben einer Reihe wirtschafts-und arbeitsmarktpolitischer Aufgaben müssen vor allem die längerfristigen ordnungspolitischen Probleme gelöst und das Ungleichgewicht von Gegenwarts-und Zukunftsinteressen überwunden werden. Neben Maßnahmen, die die Nachfrageschwäche beheben helfen und für ein ausreichendes Wachstum sorgen, sind sehr differenzierte Maßnahmen für die einzelnen Problem-gruppen des Arbeitsmarktes erforderlich. Während erstere vorwiegend dazu beitragen, neue Arbeitsplätze für qualifizierte Arbeitskräfte zu schaffen, muß das Schwergewicht der sonstigen Maßnahmen auf die Verbesserung der Lage der an-und ungelernten Arbeitskräfte, der Teilzeitarbeitsuchenden (insbesondere Frauen), der gesundheitlich; Beeinträchtigten, der älteren, eines Teils der jüngeren und der falsch ausgebildeten Arbeitskräfte gelegt werden. Auf dieser Grundlage kann — die Entschlossenheit und den guten Willen aller Beteiligten, insbesondere auch der Tarifparteien, vorausgesetzt — die Arbeitslosigkeit in absehbarer Zeit überwunden werden.

I. Einleitung

Nach langen Jahren des steilen wirtschaftlichen Aufschwungs, der Vollbeschäftigung und Wohlstandsmehrung scheinen seit geraumer Zeit die Antriebskräfte der westlichen Industrieländer erlahmt zu.sein. Das wirtschaftliche Wachstum ist zurückgegangen, Millionen von Menschen haben ihre Arbeitsplätze verloren. Damit teilen diese Länder in gewissem Umfang das Schicksal der übrigen Welt, in der seit langem Arbeitslosigkeit ein brennendes Problem ist. In vielen Entwicklungsländern tritt dieses Problem offen zutage. In den östlichen Planwirtschaften wird es durch die vergleichsweise niedrige Produktivität und den hohen Anteil der im militärischen Bereich tätigen Menschen verdeckt. Nur wenigen Ländern ist es bisher gelungen, sich dem allgemeinen Trend zu entziehen.

Damit befinden wir uns in der paradoxen Situation, daß weltweit größte Anstrengungen unternommen werden müssen, um auch nur die wichtigsten Aufgaben unserer Zeit zu bewältigen und dennoch ein großer Teil der Menschheit ohne Arbeit und damit ohne sichere Existenzgrundlage ist. Der notwendige Anstoß zur Überwindung dieses Zustandes ist auf voraussehbare Zeit nur von den entwik-kelten Industrieländern zu erwarten. Sie sind deshalb bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit besonders gefordert. über die Gründe und Ursachen der Arbeitslosigkeit gehen die Meinungen immer noch weit auseinander. Unstreitig ist jedoch, daß die heutige Arbeitslosigkeit in den meisten westlichen Industrieländern mit früheren Zeiten der Arbeitslosigkeit oder der weit verbreiteten Arbeitslosigkeit in der Dritten und Vierten Welt nicht gleichzusetzen ist. Festzustellen ist ferner, daß die angenommenen Gründe für die gegenwärtige Arbeitslosigkeit sich mit den Jahren verändert haben. Zunächst schien sie eine Folge der Energiekrise, die Ende 1973 durch die Erhöhung der Erdöl-preise ausgelöst wurde. Sodann wurde eine allgemeine konjunkturelle Schwäche als die wesentliche Ursache angesehen. Auf dieser Annahme basieren z. B. heute noch die meisten staatlichen Arbeitsmarktprogramme. Sie wollen durch höhere Ausgaben der öffentlichen Hand verstärktes Wachstum der Wirtschaft und dadurch mehr Arbeitsplätze schaffen. Doch langsam verbreitet sich die Erkenntnis, daß diese Politik nicht ausreicht, sie es sich vielleicht zu einfach macht. Mehr und mehr wird erkennbar, daß die Arbeitslosigkeit nicht nur ein wirtschaftliches Problem ist, sondern zunehmend auch Ausdruck einer umfassenden gesellschaftlichen und politischen Krise. Eine genauere Analyse der Arbeitslosigkeit und ihrer Struktur bestätigt diese Erkenntnis.

II. Ausgangstage

Eine exakte Analyse der Struktur der Arbeitslosigkeit ist bisher nur vereinzelt durchgeführt worden. Sie wird zudem erschwert durch einander sich widersprechende offizielle Statistiken, durch die die wirkliche Lage auf dem Arbeitsmarkt nur unvollkommen widergespiegelt wird. Insbesondere im interna-tionalen Bereich gibt es erhebliche Abweichungen. Statistische Probleme wie etwa die sogenannten verdeckten Arbeitslosen, die scheinbar Arbeitslosen, die stille Reserve und die Schwarzarbeiter — um nur einige zu nennen — müssen in den nachfolgenden Ausführungen unberücksichtigt bleiben.

Basierend auf den zahlreichen Struktur-und sonstigen der Bundesanstalt Untersuchungen für Arbeit kommt man zu dem Ergebnis, daß es die Arbeitslosigkeit, die auf eine einheitliche, alles erklärende Ursache zurückgeführt werden könnte, nicht gibt. Die Gründe, aber auch die Folgen der gegenwärtigen Arbeitslosigkeit sind vielmehr sehr unterschiedlich. Sie betrifft im wesentlichen verhältnismäßig genau zu bestimmende Gruppen, deren Interessen und deren wirtschaftliche und soziale Lage weit auseinander liegen.

Im einzelnen ist festzustellen, daß sich die Arbeitsmarktlage seit Mitte der siebziger Jahre erheblich verändert hat. Seit 1974 ist die Zahl der statistisch erfaßten Arbeitslosen in fast allen westlichen Ländern sprunghaft gestiegen. Seit diesem Zeitpunkt ist die Arbeitslosenquote auf ungewohnt hohem Niveau verhältnismäßig konstant. So betrug der Anteil der Arbeitslosen in der OECD in den Jahren 1975, 1976 und 1977 im Schnitt aller Länder 5, 4 Prozent, 1978 dürfte er ähnlich hoch liegen. In den Ländern der Europäischen Gemeinschaft war die Arbeitslosenquote 1975 mit 4, 4 Prozent und 1976 mit 5 Prozent etwas niedriger und 1977 mit 5, 4 Prozent etwa gleich groß wie in den OECD-Ländern insgesamt. Auch hier dürfte es für 1978 keine gravierenden Änderungen geben. In absoluten Zahlen ausgedrückt bedeuten diese Quoten, daß in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft 1975 4, 6 Millionen, 1976 5, 2 Millionen und 1977 und 1978 knapp 6 Millionen Menschen ohne Arbeitsplatz waren.

In der Bundesrepublik Deutschland lag die Arbeitslosenquote 1975 mit 4, 7 Prozent etwas über der EG-Quote, 1976 dagegen mit 4, 6

Prozent leicht und 1977 mit 4, 5 Prozent deutlich unter den europäischen Vergleichszahlen. Auch 1978 steht die Bundesrepublik Deutschland etwas besser da als der EG-Durchschnitt. Die absoluten Zahlen der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland sind hinlänglich bekannt: im Schnitt sind seit rund vier Jahren mehr als eine Million Menschen ohne Arbeitsplatz.

Für die Zukunft sind zur Zeit keine durchgreifenden Besserungstendenzen abzusehen. Alle entsprechenden längerfristigen Prognosen sind pessimistisch. Zwar dürfen diese langfristigen Projektionen über die künftige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt nicht überbewertet werden. Die Zahl der Unbekannten (wichtige Erfindungen, Veränderungen in den Lebensgewohnheiten, technologischer Fortschritt, Geburtenrückgang), die bei diesen Berechnungen zwangsläufig berücksichtigt werden müssen, ist zu hoch. Die langfristigen Projektionen verdeutlichen jedoch, daß wir nach dem heutigen Stand der Erkenntnisse keinen Anlaß haben anzunehmen, die gegenwärtigen Probleme würden sich in absehbarer Zeit von selbst erledigen. Vielmehr sprechen wichtige Gründe dafür, daß sich das Problem der Arbeitslosigkeit in Zukunft noch verschärfen wird. Entscheidende Bedeutung kommt deshalb einer sorgfältigen Untersuchung der Struktur der gegenwärtigen Arbeitslosigkeit zu, ohne die keine hinreichende und wirkungsvolle Therapie entwikkelt werden kann.

III. Struktur der Arbeitslosigkeit

Die letzten Strukturuntersuchungen der Bundesanstalt für Arbeit hatten im wesentlichen folgendes Ergebnis:

Arbeitslosigkeit und berufliche Qualifikation Zwei Drittel der Erwerbstätigen sind beruflich qualifiziert. Nur etwa ein Drittel ist an-oder ungelernt. Bei den Arbeitslosen ist dieses Verhältnis fast umgekehrt. Mehr als 55 Prozent der Arbeitslosen haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Dabei liegt dieser Anteil bei arbeitslosen Frauen und Jugendlichen noch höher. Die beruflich qualifizierten, uneingeschränkt leistungsfähigen Arbeitslosen bildeten eine verhältnismäßig kleine Gruppe von ca. 20 Prozent.

Arbeitslosigkeit und Teilzeitarbeit Rund 8 Prozent der Erwerbstätigen üben derzeit eine Teilzeitbeschäftigung aus. Der Bedarf an solchen Arbeitsplätzen ist jedoch erheblich höher. Etwa ein Fünftel der Arbeitslosen suchen ausschließlich einen Teilzeit-Arbeitsplatz. Diese Gruppe besteht zu 99 Prozent aus Frauen, über ein Drittel aller arbeitslosen Frauen gehört in diese Gruppe, obwohl hier die Aussichten auf einen Arbeitsplatz gering sind. Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage liegt im Bereich der Teilzeitarbeit bei 1 : 9, bei Vollzeitbeschäftigungen ist es 1 : 3.

Arbeitslosigkeit von Männern und Frauen Von den rund 26 Millionen Erwerbspersonen in der Bundesrepublik Deutschland sind ca. 16 Millionen Männer und 10 Millionen Frauen.

Noch 1970 waren Frauen im Verhältnis zu ihrer Beteiligung am Erwerbsleben bei den Arbeitslosen unterdurchschnittlich vertreten. Dieses Verhältnis hat sich in der Folgezeit ständig zuungunsten der Frauen verschoben.

1976 und 1977 gab es über mehrere Monate mit zunehmender Tendenz erheblich mehr arbeitslose Frauen als Männer. In relativen Zahlen wird diese Entwicklung noch deutlicher. 1977 und 1978 lag die Arbeitslosigkeit bei Männern ein halbes Jahr lang bei 3 Prozent, während sie bei Frauen die 6-Prozent-Marke überschritt.

Arbeitslosigkeit und gesundheitliche Beeinträchtigungen Etwa 8 Prozent der Erwerbspersonen sind in irgendeiner Form gesundheitlich beeinträchtigt. Bei den Arbeitslosen ist dieser Anteil etwa dreimal so hoch. Von diesen gesundheitlich beeinträchtigten Personen gilt rund ein Fünftel als schwerbehindert. Die Arbeitslosenquote Schwerbehinderter Erwerbspersonen liegt allerdings deutlich unter der allgemeinen Arbeitslosenquote. In den letzten Jahren ist die Tendenz jedoch steigend.

Altersspezilische Arbeitslosigkeit Die verschiedenen Altersgruppen sind von der Arbeitslosigkeit unterschiedlich betroffen. Am niedrigsten ist die Arbeitslosenquote bei den 30-bis 55jährigen. Sie liegt in der letzten Zeit in der Bundesrepublik Deutschland meistens im Bereich von 3 Prozent. Ungünstiger ist das Bild bei den unter 25jährigen und den über 55jährigen. Hier liegt die Arbeitslosenquote im gleichen Zeitraum weit über 5 Prozent. Dies bedeutet, daß z. B. im September 1977 in der Bundesrepublik Deutschland rund eine Viertelmillion Jugendlicher unter 25 Jahren, das sind fast 27 Prozent aller Arbeitslosen, ohne Arbeit waren. In den kommenden Jahren wird sich aller Voraussicht nach das Problem der Jugendarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland und in Teilen Westeuropas aufgrund der geburtenstarken Jahrgänge, die dann in das erwerbsfähige Alter kommen, noch weiter verschärfen.

Arbeitslosigkeit und akademische Ausbildung Von den knapp 5 Millionen Akademikern (Absolventen von Fach-und Hochschulen) waren im September 1977 rund 44 000 arbeitslos, das sind 0, 8 Prozent. Obwohl Absolventen von Fach-und Hochschulen an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen mit knapp 20 Prozent beteiligt sind, betrug ihr Anteil bei den Arbeitslosen nur 4, 4 Prozent. Damit sind sie gegenwärtig weniger als andere Gruppen von Arbeitslosigkeit betroffen. Dieser Zustand wird sich jedoch voraussichtlich schon in Kürze aufgrund der stark ansteigenden Akademikerzahlen verschlechtern.

Dauer der Arbeitslosigkeit In der Bundesrepublik Deutschland nimmt die Zahl der längerfristig Arbeitslosen zu. Im Mai 1978 waren bereits über 200 000 länger als ein Jahr ohne Arbeit, 91 000 davon sogar schon mehr als zwei Jahre. Unter diesen Arbeitslosen sind verhältnismäßig viele, bei denen eine Reihe von Gründen der Arbeitslosigkeit zusammenkommt, z. B. Alter, gesundheitliche Einschränkungen, geringe Qualifikation und der Wunsch nach Teilzeitarbeit. Die Tendenz zu längerer Arbeitslosigkeit wird in einzelnen Bereichen künftig noch ausgeprägter sein, denn die Wiedereingliederung in das Arbeitsleben nach einer längeren Zeit der „Entwöhnung" ist mit besonderen Problemen verbunden.

Zusammenfassend läßt sich die Struktur der Arbeitslosen in der Bundesrepublik Deutschland wie folgt beschreiben:

Qualifizierte, uneingeschränkt leistungsfähige Arbeitskräfte, die eine Vollzeitbeschäftigung anstreben, bilden gegenwärtig unter den Arbeitslosen eine Minderheit. Diese Feststellung ist von außerordentlicher Bedeutung für alle Maßnahmen im Bereich des Arbeitsmarktes in der Gegenwart und in der Zukunft. Da für diesen Personenkreis von rund 200 000 Menschen etwa 140 000 offene Stellen zur Verfügung stehen, ist die Arbeitslosigkeit dieser Gruppe nur zu einem Teil auf Mangel an Arbeit zurückzuführen. Hinzu kommen Standortprobleme, allgemeine Fluktuation, Veränderungen im betrieblichen oder örtlichen Arbeitsplatz-angebot und ähnliches. Nicht erst seit heute ist bekannt, daß in vielen Bereichen Firmen vergeblich versuchen, dringend benötigte Facharbeiter zu bekommen.

Bei der Beurteilung der Lage qualifizierter Arbeitskräfte darf allerdings nicht übersehen werden, daß das gegenwärtig noch vergleichsweise ausgewogene Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage schon in Kürze durch die demographisch bedingte Zunahme des Arbeitskräftepotentials erheblich gestört werden könnte. Auch für qualifizierte Arbeitskräfte stellt sich deshalb zwar noch nicht so sehr zum gegenwärtigen Zeitpunkt, aber doch für die Zukunft die Frage nach sicheren Arbeitsplätzen.

An-und ungelernte Arbeitskräfte bilden mit über einer halben Million Menschen die größte Gruppe unter den Arbeitslosen. Für sie stehen nur knapp 100 000 offene Stellen zur Verfügung. Im Gegensatz zu den qualifizierten Arbeitskräften können allgemeine wirtschaftliche Ankurbelungsmaßnahmen die Arbeitslosigkeit dieser Gruppe nur mildern, nicht aber beseitigen. Denn die Beschäftigung von an-und ungelernten Arbeitskräften ist in allen modernen Industriegesellschaften von der Beschäftigung einer ausreichenden Anzahl qualifizierter Arbeitskräfte abhängig. Bei den gegenwärtigen wirtschaftlichen Rahmen-, Ar-beitsund Einkommensbedingungen kommt auf zwei qualifizierte Arbeitskräfte eine an-oder ungelernte Kraft. Dabei verschiebt sich das Verhältnis seit geraumer Zeit zugunsten der qualifizierten und zuungunsten der an-und ungelernten Arbeitskräfte, denn letztere sind von Technisierung und Rationalisierung besonders betroffen.

Dies bedeutet, daß in der Bundesrepublik Deutschland zur Beschäftigung der gegenwärtig rund 500 000 an-und ungelernten Arbeitslosen mindestens 1, 5 Millionen Arbeitsplätze, davon etwa 1 Million für qualifizierte Arbeitskräfte, besetzt, die meistens von ihnen sogar neu geschaffen werden müßten. Daß dies nicht möglich ist, folgt schon aus der einfachen Tatsache, daß in unserem Land allenfalls 250 000 qualifizierte Arbeitskräfte arbeitslos sind und somit für die Besetzung freier Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Geht man davon aus, daß es in absehbarer Zeit gelingt, alle zur Zeit arbeitslosen qualifizierten Arbeitskräfte wieder zu beschäftigen, so würden damit nur rund 100 000 Arbeitsplätze für an-

und ungelernte Arbeitslose zusätzlich entstehen. Zwar ist die Grenzziehung zwischen qualifizierten und an-und ungelernten Arbeitnehmern nicht starr, so daß bei einem allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung eine Reihe qualifizierter Arbeitsplätze mit angelernten Arbeitskräften besetzt werden könnte. Doch es gibt auch hier Grenzen. Die Zeiten allgemeiner Überbeschäftigung, in denen praktisch jedermann einen Arbeitsplatz findet, sind kein Maßstab für die Beschäftigungsmöglichkeiten an-und ungelernter Arbeitskräfte heute. Unter normalen Bedingungen bleibt nach einer völligen Ausschöpfung des qualifizierten Arbeitskräftepotentials eine große Zahl von an-und ungelernten Arbeitslosen ohne Arbeitsplatz. Für die Wiederbeschäftigung an-und ungelernter Arbeitsloser sind deshalb neben allgemeinen wirtschaftlichen Ankurbelungsmaßnahmen noch weitere spezifische Maßnahmen erforderlich (s. Kap. V).

Jeweils eigenständige Maßnahmen sind auch für die folgenden sogenannten Problemgruppen notwendig: Teilzeitkräfte, Frauen, Arbeitskräfte mit gesundheitlichen Einschränkungen, ältere Arbeitskräfte, jüngere Arbeitskräfte, Akademiker. Die Beschäftigungsmöglichkeiten aller dieser Gruppen sind nicht nur durch die allgemeine Wirtschaftslage beeinträchtigt, hinzu kommen jeweils noch andere Gründe für ihre Arbeitslosigkeit. Nur nach Klärung dieser Gründe im einzelnen ist eine wirksame Bekämpfung der Arbeitslosigkeit dieser Gruppen möglich (vgl. dazu Kap. V).

IV. Bisherige Maßnahmen und Vorschläge

In der Bundesrepublik Deutschland bestanden die bisherigen Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit im wesentlichen aus mehreren Programmen der Bundesregierung und einer Reihe regionaler und lokaler Programme. Die Mittel, die Bund, Länder und Gemeinden dafür bisher aufgewendet haben, gehen in die zig-Milliarden DM. Neben gezielten arbeitsmarkt-politischen Maßnahmen sollten diese Programme hauptsächlich der Ankurbelung der Konjunktur dienen. Darüber hinaus hatten zahlreiche internationale Konferenzen das Thema „Bekämpfung der Arbeitslosigkeit" auf der Tagesordnung. Gleichwohl ist es zu konkreten, international abgestimmten Maßnahmen bisher kaum gekommen. Es liegen lediglich verbale Absichtserklärungen vor.

Trotz der Maßnahmen im nationalen Bereich ist heute festzustellen, daß die Zahl der Arbeitslosen und die Zahl der offenen Stellen seit 1975 ziemlich konstant geblieben sind. Die in der Bundesrepublik Deutschland seit Anfang 1974 eingesetzten Mittel zur Konjunkturbelebung und zur Arbeitsplatzbeschaffung sind bisher ohne durchschlagenden Erfolg geB blieben. Auch die saisonalen Verbesserungen am Arbeitsmarkt können nicht darüber hinwegtäuschen, daß alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden lediglich einen weiteren Anstieg der Arbeitslosenziffern verhindert haben.

Daneben gibt es eine große Zahl von Therapievorschlägen und Maßnahmekatalogen, insbesondere von den politischen Parteien und den Tarifpartnern. Diese Vorschläge zur Behebung der Arbeitslosigkeit lassen sich in etwa in fünf Gruppen einteilen:

Vorschläge zur Belebung der öffentlichen und privaten Investitionen Diese Vorschläge beinhalten im wesentlichen eine Verstärkung der gegenwärtigen Finanz-und Wirtschaftspolitik. Sie zielen auf größere Geldwertstabilität, direkte Investitionsförderung, Exporthilfen, Verstetigung des Wachstums, Steigerung der Nachfrage, Abbau lei-stungsund investitionshemmender Steuern, Verbesserung der Gewinnerwartung, Förderung der Forschungstätigkeit usw.

Vorschläge zur Förderung des Arbeitsmarktes Auch diese Vorschläge zielen auf eine Fortsetzung der gegenwärtigen Politik. Dazu gehören Mobilitäts-und Eingliederungshilfen, die gezielte Förderung von Problemgruppen, Umschulungsund Ausbildungsmaßnahmen, Förderung der Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen, eine bessere Berufsberatung, personelle Verstärkung der Arbeitsverwaltung und anderes.

Die Verwirklichung eines Teils der in diesen beiden ersten Gruppen genannten Vorschläge ist im Rahmen der beschlossenen Maßnahmen bereits in Angriff genommen worden. Sie sind grundsätzlich geeignet, zum Abbau der Arbeitslosigkeit beizutragen. Eine Überwindung aller bestehenden Probleme auf dem Arbeitsmarkt kann jedoch durch ihre Verwirklichung nicht erwartet werden.

Vorschläge zur Stärkung der Massenkaufkraft Diese Vorschläge zielen auf die individuelle Steigerung des Einkommens durch Lohnerhöhungen. Dadurch sollen die Massenkaufkraft gestärkt, die Nachfrage vermehrt und entsprechend positive arbeitsmarktpolitische Folgen bewirkt werden.

Dies stellt im wesentlichen eine Fortsetzung der bisherigen gewerkschaftlichen Lohnpolitik dar. Die Auswirkungen dieser Lohnpolitik auf den Arbeitsmarkt sind jedoch zumindest fragwürdig, wenn nicht gar durch die bisherige Entwicklung widerlegt.

Vorschläge zur Vermehrung von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst Arbeitsbeschaffungsprogramme der öffentlichen Hand mit dem Ziel der Bereitstellung von Arbeitsplätzen, vor allem im Bereich einfacher Dienste, werden seit geraumer Zeit in einigen Ländern praktiziert. In der Bundesrepublik Deutschland werden solche Programme bisher noch mit Zurückhaltung behandelt, von einigen Gruppen jedoch verstärkt gefordert. Da die Finanzierung solcher Arbeitsplätze zur Zeit nur durch eine weitere Verschuldung der öffentlichen Haushalte möglich wäre, erscheinen diese Vorschläge wenig realistisch. Sie würden zudem die Aufwendungen des Staates für konsumtive Zwecke weiter erhöhen und dadurch dem Ziel, die öffentlichen Investitionen zu steigern, zuwiderlaufen.

Vorschläge zur Verminderung des Arbeitskräftepotentials Zu diesen Vorschlägen gehören die Verkürzung der täglichen, wöchentlichen, monatlichen und der Jahresarbeitszeit, der Abbau von Überstunden, die Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze, die Einführung eines Babyjahres oder Erziehungsgeldes, die Einführung eines zehnten Schuljahres und ähnliches. Diesen Vorschlägen ist gemeinsam, daß sie als sozial-oder bildungspolitische Maßnahmen durchaus wünschenswert sein können; eine wirksame Lösung der Arbeitsmarktprobleme kann von ihnen jedoch nicht erwartet werden. Sie übersehen insbesondere — ebenso wie die Vorschläge zur künstlichen Vermehrung von Arbeitsplätzen —, daß die Struktur der Arbeitslosigkeit einen schematischen Austausch von Arbeitslosen mit Erwerbstätigen weitgehend ausschließt. Qualifizierte Arbeitsplätze können nicht durch an-und ungelernte Arbeitskräfte, Vollzeitarbeitsplätze nur bedingt durch Teilzeitarbeitskräfte besetzt werden usw. Zwar können arbeitszeitverkür-zende Maßnahmen im Ergebnis für qualifizierte Arbeitskräfte vorteilhaft sein, für die sozial schwachen an-und ungelernten Arbeitskräfte jedoch brächte dies erhebliche Nachteile. Das Ausscheiden qualifizierter Arbeitskräfte aus dem Erwerbsleben und die zumindest vorläufig noch bestehenden Schwierigkeiten bei der Wiederbesetzung ihrer Arbeitsplätze hätte — wie oben unter III. ausgeführt wurde — die Vernichtung zahlreicher Arbeitsplätze für an-und ungelernte Arbeitskräfte zur Folge. Eine solche Politik wäre unsozial. Außerdem verbieten sich solche arbeitsumverteilenden Maßnahmen aus ordnungspolitischen Gründen: sie wären mit den Grundgedanken der sozialen Marktwirtschaft nicht vereinbar.

Da von all diesen Maßnahmen eine nachhaltige Verbesserung der Situation auf dem Arbeitsmarkt, die Wiedererlangung der Vollbeschäftigung, nicht erwartet werden kann, müssen in einem Arbeitsmarktprogramm für die Gegenwart und Zukunft andere Maßnahmen in Erwägung gezogen werden. Hierbei dürfen grundsätzliche Veränderungen der bisherigen Politik nicht ausgeschlossen werden. Die bisherige Arbeitsmarktpolitik und viele der sie begleitenden und ergänzenden Vorschläge leiden unter — der unzureichenden Analyse der Ursachen, — der fehlenden Bereitschaft, erkennbare Fehlentwicklungen zu berichtigen und — der mangelnden Einheit von Wirtschafts-, Gesellschafts-und Sozialpolitik.

Die Überwindung dieser Schwächen ist Voraussetzung einer erfolgreichen Arbeitsmarkt-politik. Dem wird im folgenden Rechnung zu tragen sein.

V. Arbeitsmarktpolitik für die Gegenwart und Zukunft

Arbeitsplatzschaffende Maßnahmen für beruflich qualifizierte Arbeitslose müssen trotz des zur Zeit noch begrenzten Kreises von Betroffenen an der Spitze der Überlegungen stehen. Die Eingliederung der qualifizierten Arbeitslosen in das Erwerbsleben ist nicht nur für diese Gruppe bedeutsam. Sie erleichtert auch die Arbeitsbeschaffung für andere Gruppen von Arbeitslosen. Zugleich verbessert sie die Voraussetzungen zur Bewältigung der vor uns stehenden Probleme auf dem Arbeitsmarkt. 1. Allgemeine arbeitsplatzschaffende Maßnahmen Die Arbeitslosigkeit qualifizierter Arbeitskräfte ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß die in den westlichen Industrie-ländern angebotenen Güter und Dienstleistungen nicht genügend Abnehmer finden und deshalb die Produktionskapazitäten in weiten Bereichen nicht ausgelastet sind. Für diese Nachfrageschwäche gibt es verschiedene Ursachen. Während in den Ostblockländern, den mäßig wohlhabenden Entwicklungsländern und den armen Entwicklungsländern Kaufkraftschwierigkeiten der Grund für die Nachfrageschwäche auf dem Weltmarkt sind, liegen die Gründe dafür in den westlichen Industrieländern und den OPEC-Staaten tiefer. Jedenfalls kann im Gegensatz zu früheren Stagnationsphasen heute von mangelnder Liquidität nicht mehr die Rede sein. Statt dessen ist davon auszugehen, daß die Nachfrageschwäche darauf beruht, daß die Waren und Dienstleistungen nicht preiswert genug, nicht bekannt genug und nicht attraktiv genug sind.

Die Überwindung dieser Hemmnisse würde die vorhandene Kaufkraft mobilisieren und stärken. Die Folge wäre ein langfristiger wirtschaftlicher Aufschwung, eine bessere Auslastung der Produktionskapazitäten, steigende Investitionen und ein zumindest teilweiser Abbau der Arbeitslosigkeit.

Die Rolle der Preise Die preiswertere Gestaltung der Pallette von Gütern und Dienstleistungen würde den Kreis von Käufern vergrößern. Damit könnte mehr produziert und letztlich die Zahl der Arbeitsplätze vermehrt werden. Zur Verwirklichung dieses Ziels müssen zunächst die Bestimmungsfaktoren der Preise untersucht werden. Zu nennen sind hier zunächst die Kosten für Rohstoffe und Energie. Diese Kosten sind Mitte der siebziger Jahre stark gestiegen. Unter Umständen war diese Preissteigerung das auslösende Moment für die gegenwärtige wirtschaftliche und Arbeitsmarktkrise. Inzwischen ist jedoch eine Preisberuhigung eingetreten. Als weiterer Kostenfaktor sind die Kosten für Kapital zu nennen. Anfang 1978 hatte die Verzinsung des Fremdkapitals und die Rendite des Eigenkapitals einen historischen Tief-punkt erreicht. Unter Berücksichtigung der Inflationsrate und der Besteuerung sind echte Substanzverluste eingetreten. Aufgrund der schlechten Gewinnsituation der Unternehmen sind heute die Anreize für Investitionen, insbesondere für arbeitsplatzschaffende Erweiterungsinvestitionen, erheblich gemindert.

Der mit weitem Abstand wichtigste Kostenfaktor der meisten Güter und aller Dienstleistungen sind die Personalkosten. Sie liegen bei etwa 50 Prozent der Gesamtkosten. Diese Kosten für Arbeit sind seit Anfang der siebziger Jahre außerordentlich gestiegen. Die Bundesrepublik Deutschland steht heute zusammen mit Belgien und den skandinavischen Ländern an der Lohnkostenspitze. Die nominellen Arbeitskosten haben die Produktivitätsentwicklung der letzten Jahre bei weitem übertroffen. Noch drastischer stiegen die Kosten für die soziale Sicherheit. Die Aufwendungen für die soziale Sicherheit haben sich in den letzten 20 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland real vervierfacht. Die Belastung von Wirtschaft und Arbeitnehmern mit Sozialabgaben hat heute in der Bundesrepublik Deutschland nach fast einhelliger Meinung Grenzwerte erreicht.

Schließlich sind die Kosten des Staates zu nennen. Die Steuern und Abgaben, die der Staat für seine Aufwendungen benötigt, müssen durch alle in der Wirtschaft erarbeitet werden. Im Vergleich zu anderen westlichen Industrieländern ist der Staatsverbrauch in der Bundesrepublik Deutschland verhältnismäßig hoch. Diese Entwicklung kann nicht unbegrenzt fortgesetzt werden. Zusammen mit den Sozialabgaben, hat die Belastung der Bürger mit Abgaben und Steuern eine Grenzbelastung der Lohneinkommen von über 50 Prozent erreicht.

Eine Analyse der Bestimmungsfaktoren der Preise ergibt, daß eine Senkung der Kosten nur bei den Kosten der Arbeit, den Sozialkosten und den Abgaben an den Staat möglich ist. Bei den Kosten für Kapital und der Eigenkapitalrendite gibt es gegenwärtig keinen Spielraum. Die Gestaltung der Rohstoff-und Energiepreise ist dem nationalen Einfluß weitgehend entzogen.

Bei allen Überlegungen über Maßnahmen zur Senkung der Kosten und Preise müssen deshalb Maßnahmen zur Dämpfung der Kosten für Arbeit an der Spitze stehen, denn von den beeinflußbaren Kosten sind die für Arbeit am bedeutendsten. Eine Dämpfung dieser Kosten hat auch die schnellsten Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt. Sie ist möglich durch eine Kurskorrektur in der Tarifpolitik, eine stärkere Differenzierung der Tarifvereinbarungen, eine Erhöhung der Transparenz von Tarifverhandlungen und verstärkte Rationalisierungsmaßnahmen. Der zweite Bereich, der durch sein Volumen und seine Struktur Möglichkeiten der Kosten-einsparung bietet, ist der Sozialbereich. Im Unterschied zu den Arbeitskosten können kostensparende Veränderungen im Sozialbereich allerdings nur mittelfristig wirksam werden und deshalb auch nur mittelfristige Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt haben. Eine Dämpfung der Sozialkosten ist möglich durch die Herstellung der unbedingten Transparenz des Sozialbereichs, die Weckung des Interesses des einzelnen an kostengünstigen Leistungen im Sozialbereich, die Stärkung der individuellen Vorsorge und Förderung von Selbstbeteiligungsformen sowie die äußerste Zurückhaltung bei der Schaffung neuer Soziallasten. Unvereinbar mit einer solchen Politik äußerster Kostenbeschränkung sind zum Beispiel eine Reihe von Maßnahmen, die heute paradoxerweise im Zusammenhang mit der Entlastung des Arbeitsmarktes diskutiert werden. Hierzu gehören namentlich die weitere Vorverlegung der flexiblen Altersgrenze und die Einführung eines sogenannten Baby-Jahres oder Erziehungsgeldes. Da diese Maßnahmen aufgrund der bereits beschriebenen Struktur des Arbeitsmarktes nicht kostenneutral zu verwirklichen sind, muß ihre kostentreibende Wirkung im Sozialbereich zu einer weiteren Verschärfung der Situation auf dem Arbeitsmarkt führen.

Als dritter Bereich, in dem kostensenkende Maßnahmen möglich sind, ist der Bereich der Kosten des Staates zu nennen. Eine Senkung der Steuer-und Abgabenlast würde sich mit ziemlicher Sicherheit langfristig in einer Verbilligung unserer Güter und Dienstleistungen niederschlagen. Ferner ist zu denken an den Ausbau der betriebswirtschaftlichen Organisation und die Prüfung staatlicher Tätigkeit, an die Entstaatlichung wirtschaftlicher Tätigkeiten (Privatisierungen), an die stärkere Berücksichtigung der Folgekosten öffentlicher Investitionen sowie an die Einführung einer restriktiven Personalpolitik im staatlichen Bereich.

Die Durchführung der vorgeschlagenen Maßnahmen zur Senkung der Preise erfordert eine teilweise Abkehr von der bisherigen Politik, Verzicht auf Besitzstände und gründliches Umdenken. Nur wenn die Zusammenhänge zwischen Arbeitskosten, Soziallasten und Kosten des Staates auf der einen Seite und Prei9 sen, Kapazitätsauslastung, Investitionen und Arbeitsplätzen auf der anderen Seite ausreichend berücksichtigt und der Öffentlichkeit bewußt werden, wird es möglich sein, den Widerstand einzelner organisierter Interessen gegen notwendige Maßnahmen zu überwinden. Eine Kurskorrektur der bisherigen kostentreibenden Politik, die die meisten westlichen Industrieländer in eine Sackgasse geführt hat, ist eine unverzichtbare Voraussetzung zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen Stabilität und eines zukünftigen anhaltenden Aufschwungs. Stabilität und Aufschwung sind jedoch das tragende Fundament für die Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Die Rolle des Bekanntheitsgrades Eine weitere Möglichkeit, durch den vermehrten Absatz von Gütern und Dienstleistungen die Investitionen anzuregen und dadurch neue Arbeitsplätze zu schaffen, ist die Verbesserung des Bekanntheitsgrades. Dies gilt in erster Linie für die Märkte der wohlhabenderen Entwicklungsländer und des Ostblocks, innerhalb gewisser Grenzen auch für Märkte der westlichen Industrieländer und selbst für den Binnenmarkt. Die Verbesserung des Bekanntheitsgrades von Gütern und Dienstleistungen erfordert vor allem Innovationen und Investitionen, also Ideen und Geld. Die westlichen Industrieländer müssen größere Anstrengungen als bisher unternehmen, um die Voraussetzungen für neue Initiativen zu schaffen und die Bereitstellung der erforderlichen Mittel für ihre Verwirklichung zu gewährleisten. Die private Wirtschaft und der Staat haben in der Vergangenheit bereits erhebliche Anstrengungen unternommen, um den Bekanntheitsgrad unserer Güter und Dienstleistungen insbesondere auf ausländischen Märkten zu erhöhen. Diese Anstrengungen müssen vor allem von der privaten Wirtschaft in Zukunft noch verstärkt werden. Dazu gehören der weitere Ausbau der Marktinformation, der Aufbau und Ausbau von Consulting-Unternehmen, durch die insbesondere mittelständischen Betrieben die Erschließung neuer Märkte ermöglicht wird, ferner Maßnahmen, die die Werbung verbessern, sowie die gezielte Förderung des Exports.

Die Rolle der Attraktivität Die Frage der Attraktivität westlicher Güter und Dienstleistungen hat auf den verschiedenen Märkten unterschiedliches Gewicht.

Während sie in der Mehrzahl der Entwicklungsländer und im Ostblock nur eine untergeordnete Rolle spielt, hat sie in den westlichen Industrieländern und in den wohlhabenden Entwicklungsländern zunehmende Bedeutung. Durch eine Steigerung der Attraktivität der westlichen Güter und Dienstleistungen können ihr Absatz gefördert, die Investitionen gesteigert und so die Zahl der Arbeitsplätze vermehrt werden. In den westlichen Industrieländern, namentlich aber in der Bundesrepublik Deutschland, gab es in den zurückliegenden Jahrzehnten eine Reihe von strukturellen Anpassungsschwierigkeiten, die zu einem Nachlassen der Attraktivität bestimmter Güter geführt haben. Auch sind bei einigen Produkten gewisse Marktsättigungsanzeichen nicht zu übersehen.

Die Grundlagen zur Steigerung der Attraktivität von Gütern und Dienstleistungen sind im wesentlichen die gleichen, die bereits im Zusammenhang mit der Steigerung ihres Bekanntheitsgrades genannt wurden: Innovationen und Investitionen, also Ideen und Geld.

Die Steigerung des Nutz-und Neuigkeitswertes und damit die Attraktivität von Gütern und Dienstleistungen erfordert Kreativität, Innovationsfreudigkeit und Risikobereitschaft.

Zwar entziehen sich diese Erfordernisse dem direkten und gezielten staatlichen Einfluß, es ist jedoch Aufgabe der Politik, die Strukturen zu schaffen, in denen sie sich entfalten könmen. Vom Staat sind deshalb folgende Maßnahmen zu erwarten: Die Ausweitung der in-

vestiven Ausgaben zu Lasten der konsumtiven Ausgaben, der zügige Abbau von Erhaltungssubventionen, die Förderung von Innovationen durch breitere Streuung staatlicher Mittel, die Förderung von Unternehmensneugründungen und steuerliche Erleichterungen bei Innovationsgewinnen. Die Unternehmen ihrerseits müssen zu einer Verbesserung der Qualität vorhandener Produkte und Dienstleistungen beitragen, neue Dienstleistungen entwickeln und ihre Produktpalette von den Gütern und Dienstleistungen weniger entwickelter Länder bewußt absetzen.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß eine wirksame Politik der Arbeitsplatzbeschaffung für beruflich qualifizierte und andere Arbeitslose die gesamte Wirtschafts-, Gesellschaftsund Sozialpolitik, aber auch Fragen der Außenwirtschaft, der Energie-und Rohstoffversorgung, der Entbürokratisierung des Gemeinwesens, der Kosten-und Produktivitätsentwicklung, der Veränderung der Weltarbeits-B teilung und zahlreiche weitere Gesichtspunkte umfassen muß. Viele Konzepte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit leiden darunter, daß sie dieses Problem viel zu eng und isoliert sehen. Eine länger andauernde Arbeitslosigkeit, wie wir sie heute erleben, hat Ursachen, die mit oberflächlichen und kurzfristig wirkenden Mitteln nicht zu beheben sind. Sie signalisiert tiefgreifende Fehlentwicklungen in unserem Gemeinwesen. Die wichtigsten dieser Fehlentwicklungen und die Möglichkeiten zu ihrer Beendigung sind im vorangegangenen Abschnitt angesprochen worden. Die westlichen Industrieländer müssen den hier aufgezeigten Weg gehen, wenn sie ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern, die Attraktivität ihrer Güter und Dienstleistungen steigern, neue Märkte erschließen und dadurch Raum für zusätzliche Investitionen und damit neue Arbeitsplätze schaffen wollen. Diese Ziele kann niemand im Alleingang erreichen. Ihre Verfolgung erfordert die enge Zusammenarbeit von Unternehmern, Arbeitnehmern, Gewerkschaften und Politikern. Wenn diese Zusammenarbeit nicht gewährleistet ist, ist Vollbeschäftigung auf absehbare Zeit nicht zu erreichen. 2. Besondere arbeitsplatzschaffende Maßnahmen für an-und ungelernte Arbeitskräfte Für die verhältnismäßg hohe Arbeitslosenquote an-und ungelernter Arbeitskräfte gibt es zahlreiche Gründe. Konjunkturelle Schwierigkeiten spielen allerdings erst in zweiter Linie eine Rolle. Der Hauptgrund dürfte der relative Kostenanstieg für an-und ungelernte Arbeitskräfte sein. In den zurückliegenden 20 Jahren stiegen die Einkommen an-und ungelernter Arbeitskräfte prozentual schneller als die Einkommen der qualifizierten Arbeitskräfte. Dies ist eine Folge der gleichmacherischen Umverteilungspolitik, die nicht zuletzt die Gewerkschaften durch ihre Tarifpolitik verfolgt haben. Durch die Durchsetzung von Sockelbeträgen und Zusatzleistungen, die im Ergebnis wie Sockelbeträge wirkten, wurde eine schrittweise Annäherung der Löhne für an-und ungelernte Arbeitskräfte an die Löhne gelernter Arbeitskräfte erreicht. Hinzu kommt der absolute Rückgang von Arbeitsplätzen für an-und ungelernte Arbeitskräfte durch die Entwicklung neuer und immer komplizierterer Technologien sowie durch Rationalisierungsmaßnahmen. Schließlich ist eine Veränderung in der Weltarbeitsteilung festzustellen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland und anderen westlichen Industrieländern zum Nachteil der an-und ungelernten Arbeitskräfte auswirkt. Ferner sind zu nennen veränderte Wettbewerbsbedingungen, die Räumung bestimmter Arbeitsplätze durch einheimische an-und ungelernte Arbeitskräfte sowie die geringe Mobilität dieser Arbeitskräfte. Die Probleme an-und ungelernter Arbeitskräfte werden in Zukunft voraussichtlich noch wachsen, da die technologische Entwicklung im Gegensatz zu früher nur wenige neue Arbeitsplätze für an-und ungelernte Arbeitskräfte schafft, umgekehrt jedoch viele dieser Arbeitsplätze vernichtet und die Welt-arbeitsteilung weiter voranschreitet. Insbesondere zur Weltarbeitsteilung gibt es keine Alternative. Die unmittelbare Folge ist, daß immer mehr hochbezahlte an-und ungelernte Arbeitskräfte in den westlichen Industrieländern wettbewerbsunfähig werden und damit ihren Arbeitsplatz verlieren.

Die Schaffung sicherer Arbeitsplätze für an-und ungelernte Arbeitskräfte stellt alle westlichen Industrieländer vor erhebliche kurz-, mittel-und langfristige Probleme. Wie bereits ausgeführt wurde, führen alle Maßnahmen, die die Zahl von Arbeitsplätzen für qualifizierte Arbeitskräfte vermehren, nur zu einem Teil zur Vermehrung von Arbeitsplätzen für an-und ungelernte Arbeitslose. Um die Arbeitslosigkeit dieses Personenkreises zu überwinden, müssen deshalb neben den zuvor genannten weitere Maßnahmen ergriffen werden. Im einzelnen ist hier zu denken an die gezielte und rasche Förderung der an-und ungelernten Arbeitskräfte durch Hebung ihres Ausbildungsund Leistungsstandes, damit aus der großen Zahl von an-und ungelernten Arbeitskräften wenigstens ein Teil zu qualifizierten Arbeitskräften werden kann. Hier sind jedoch rein leistungsmäßig Grenzen vorhanden. Gefördert werden muß ferner die Mobilität der an-und ungelernten Arbeitskräfte. Auch um die Beibehaltung des Anwerbestopps für ausländische Arbeitnehmer wird man in diesem Zusammenhang nicht herum-kommen.

Entscheidende Bedeutung hat ferner die Vermehrung der Zahl der Arbeitgeber für an-und ungelernte Arbeitskräfte. Der in den letzten Jahren festzustellende Rückgang der Bereitschaft, Arbeitgeberfunktionen zu übernehmen, sich selbständig zu machen, ist ein wichtiger Grund für die Arbeitslosigkeit vieler an-und ungelernter Arbeitskräfte. Diesem Trend muß gezielt entgegengewirkt werden. Dem Bürger muß wieder nachdrücklich die Erkenntnis vermittelt werden, daß die Übernahme unternehmerischer Verantwortung gerade von kleinen und mittelständischen Unternehmen eine unverzichtbare gesellschaftliche Aufgabe ist. Soweit überflüssige administrative Hindernisse — zum Beispiel auch die bekannten Beschäftigungsbarrieren in zahlreichen, das Arbeitsleben regelnden Gesetzen — diesem Ziel entgegenstehen, müssen sie beseitigt oder sinnvoll abgeändert werden.

Die Erhaltung und verstärkte Schaffung von Arbeitsplätzen für an-und ungelernte Arbeitskräfte ist aber auch außerhalb traditioneller unternehmerischer Tätigkeit möglich und geboten. Einer dieser Bereiche ist der private Haushalt, der als Arbeitsplatz diskriminiert, verunglimpft und wirtschaftlich benachteiligt worden ist. Die Opfer dieser vorwiegend gesellschaftlich bedingten Entwicklung sind nicht nur überlastete berufstätige Frauen und Mütter, sondern vor allem Hunderttausende an-und ungelernte weibliche Arbeitskräfte, von denen viele eine Teilzeitarbeit wünschen. Für einen Großteil dieser Arbeitslosen bietet der private Haushalt geeignete Arbeitsplätze. Um diese zu erschließen, müssen die gesellschaftlichen Diskriminierungen der privaten Haushalte als Arbeitsplatz abgebaut, das Interesse vor allem junger Menschen an solchen Arbeitsplätzen geweckt, der Privathaushalt auch steuerlich als Arbeitgeber behandelt und die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, die sozialen Lasten der Beschäftigung von Arbeitnehmern in Privathaushalten angemessen zu verteilen.

Entscheidende Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang ferner der Verbesserung oder vielmehr Wiederherstellung der Übereinstimmung von Leistung und Lohn zu. Wie bereits erwähnt wurde, ist die Arbeitslosigkeit an-und ungelernter Arbeitskräfte ganz wesentlich auch auf das Auseinanderklaffen von Leistung und Lohn zurückzuführen. Dabei wird nicht verkannt, daß heute ca. 22 Prozent der Arbeitnehmerhaushalte in unmittelbarer Nähe der Sozialhilfeschwelle liegen. Eine Verminderunge ihrer Einkommen kommt aus sozialen Gründen also nicht in Betracht. Gesondert zu prüfen ist jedoch die Frage, ob diese sozial bestimmten Einkommen wie bisher in vollem Umfang vom Arbeitgeber erbracht werden müssen. Wie die Arbeitslosigkeit gerade der an-und ungelernten Arbeitskräfte zeigt, ist der Markt immer weniger bereit, Löhne zu zahlen, die zwar unter sozialen, nicht aber unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt sind. Sollte sich diese Tendenz verstärken, muß eine grundsätzliche politische Entscheidung darüber herbeigeführt werden, ob Arbeitseinkommen gerade in den Bereichen niedriger Produktivität künftig nicht wenigstens zu einem Teil von ihrer sozialen Funktion entlastet und stärker nach wirtschaftlichen Maßstäben bemessen werden sollten. Die Einkommensausfälle, die hierdurch in vielen Fällen eintreten würden, müßten aus sozialen Gründen, ähnlich wie dies heute bereits beim Wohngeld der Fall ist, von der Allgemeinheit zum Ausgleich gebracht werden. Die Kosten hierfür würden mit Sicherheit unter den heutigen Aufwendungen für Arbeitslose liegen. 3. Maßnahmen für andere Problemgruppen Teilzeitarbeitsplätze Ein besonderes Mißverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage herrscht zur Zeit auf dem Teilzeitarbeitsmarkt. Teilzeitarbeitskräfte sind fast ausschließlich Frauen. Da in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren sowohl die Zahl der Arbeitskräfte insgesamt als auch das Verhältnis von Frauen und Männern statistisch gleichgeblieben sind, ist die Erhöhung der Zahl der Teilzeitarbeitskräfte im wesentlichen auf einen teilweisen Rückzug der Frauen aus dem Erwerbsleben zurückzuführen. Dieser Trend wird durch das Verhalten vieler arbeitsloser Frauen bestätigt. Ein Drittel der arbeitslosen Frauen, die heute eine Teilzeitbeschäftigung suchen, hatte vor Eintritt der Arbeitslosigkeit ein Vollzeitarbeitsverhältnis. Mit dieser Entwicklung hat die Umwandlung der Arbeitsplätze von Vollzeitzu Teilzeitarbeitsplätzen nicht Schritt halten können. Insbesondere die höheren Kosten veranlassen viele Unternehmen, nur in beschränkter Zahl Teilzeitarbeitsplätze einzurichten. Daneben ergeben sich organisatorische Probleme, vor allem aus den bestehenden betrieblichen Arbeitsstrukturen. Außerdem muß gerade in diesem Bereich mit einer gewissen Scheinarbeitslosigkeit gerechnet werden, da eine nicht näher quantifizierbare Zahl von arbeitslosen Frauen sich nur deshalb um einen Teilzeitarbeitsplatz bewirbt, um für einige Zeit Arbeitslosengeld zu erhalten. An der Aufnahme einer Tätigkeit sind sie häufig nicht wirklich interessiert.

Bei den Maßnahmen zur Schaffung weiterer Teilzeitarbeitsplätze muß die Beseitigung kostenmäßiger Nachteile für die Unternehmen an der Spitze stehen. Erst wenn Teilzeitarbeitsplätze gegenüber Vollzeitarbeitsplätzen für die Unternehmen kostenneutral einzurichten sind, wird sich ihre Zahl spürbar erhöhen lassen. Zu denken ist zum Beispiel an eine entsprechend niedrigere Bezahlung von Teilzeitarbeitskräften oder — um eine bessere Auslastung der Teilzeitarbeitsplätze zu. erreichen — an die unterschiedliche Bezahlung von Vormittagsarbeit und Nachmittagsarbeit, da insbesondere für letztere kaum Kräfte zu bekommen sind. Daneben sollte die Förderung von Untersuchungen über die Ausweitungsmöglichkeiten von Teilzeitarbeit in allen Bereichen weiter vorangetrieben werden.

Arbeitsplätze für Frauen Die Hauptgründe für den hohen Anteil von Frauen an der Gesamtarbeitslosigkeit liegen zum einen in dem ausgeprägten Wunsch nach Teilzeitarbeit, zum anderen in der relativ geringeren beruflichen Qualifikation der meisten Frauen und schließlich in dem engen beruflichen Spektrum, in denen Frauenarbeit angeboten wird. Hinzu kommen geringe Mobilität insbesondere bei verheirateten Frauen und solchen mit Kindern, die vielfach aus verständlichen Gründen einen Arbeitsplatz in unmittelbarer Nähe der Wohnung suchen. Auch die Arbeits-und Sozialgesetzgebung zum Schutze der Frau und Mutter hat, wie die EG-Kommission festgestellt hat, sich negativ auf die Erwerbschancen der Frauen ausgewirkt. Schließlich gibt es unter den arbeitslosen Frauen eine nicht unerhebliche Zahl, die nur deshalb Arbeit suchen, weil ihre Männer keine Beschäftigung haben. Mit der Rückkehr der Männer in das Berufsleben wird auch die Zahl dieser arbeitsuchenden und damit arbeitslosen Frauen zurückgehen.

Die Gründe, die zur Arbeitslosigkeit von Frauen führen, sind die gleichen, die vorstehend genannt wurden. Eine frauenspezifische Arbeitslosigkeit ist, abgesehen von der Teilzeitarbeit, nicht festzustellen. Für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von Frauen gelten deshalb die bereits oben dargestellten Maßnahmen.

Arbeitsplätze für gesundheitlich beeinträchtigte Arbeitslose Die allgemeine Knappheit an Arbeitsplätzen erlaubt es vielfach, die vorhandenen Arbeitsplätze mit voll leistungsfähigen Arbeitskräften zu besetzen. Hiervon sind insbesondere die Personen betroffen, die nicht durch das Schwerbehindertengesetz geschützt sind, die also leichtere Beeinträchtigungen haben. Gesetze wie das Lohnfortzahlungsgesetz im Krankheitsfall sind deshalb in vielen Fällen dazu, geeignet, die Einstellung solcher leichter behinderter Personen zu erschweren.

Im Mittelpunkt aller Maßnahmen für gesundheitlich beeinträchtigte Arbeitskräfte muß die Rehabilitation stehen. Die bisher eingeleiteten Maßnahmen in diesem Bereich sind im großen und ganzen zufriedenstellend. Verbesserungsfähig ist im Rahmen der Rehabilitation die Aufklärung über berufliche und sonstige Möglichkeiten bei den Betroffenen und den sie behandelnden Ärzten. Ferner sollten die eingerichteten Berufsförderungswerke für Personen mit schweren Schäden ausgebaut und die langen Wartezeiten für Umschulungs-maßnahmen vermindert werden. Wünschenswert ist weiterhin die Ausdehnung des Berufsfächers für Rehabilitanden. Zu denken ist ferner an eine Ausweitung des Schwerbehindertengesetzes auf Personen mit leichterer Behinderung. Viele Betriebe finden die nach dem Schwerbehindertengesetz vorgesehenen 6 Prozent von Schwerbehinderten Arbeitskräften nicht und müssen dann entsprechende Abgaben entrichten. Bei einer flexibleren Handhabung des Schwerbehindertengesetzes — zum Beispiel die Zulassung der Erfüllung der Quote durch Einstellung mehrerer leichter behinderter Personen — könnte man einer großen Zahl gesundheitlich beeinträchtigter Arbeitsloser helfen.

Maßnahmen für ältere Arbeitskräfte Ältere Arbeitskräfte sind häufig weniger leistungsfähig und flexibel als jüngere. Zudem nehmen ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen tendentiell zu. Insoweit bestehen für sie ähnliche Probleme wie für die gesundheitlich beeinträchtigten Personen. Auch die geltende Arbeits-und Sozialgesetzgebung, die die älteren Arbeitnehmer privilegieren und schützen sollte, wirkt sich, wenn einmal Arbeitslosigkeit eingetreten ist, negativ aus, denn ältere Arbeitnehmer werden dann nur noch sehr ungern wieder in einer neuen Firma eingestellt. Schließlich sind ältere Arbeitskräfte in großem Umfang in solchen Wirtschaftsbereichen tätig, die sowohl hinsichtlich ihres regionalen Standortes als auch hinsichtlich ihrer Zukunftsaussichten benachteiligt sind.

Die Sicherung der Arbeitsplätze von älteren Arbeitskräften erfordert deshalb ein Umden13 ken aller Beteiligten. Nicht hilfreich ist es zum Beispiel, wenn heute im Zusammenhang mit arbeitsplatzschaffenden Maßnahmen immer wieder diskutiert wird, ob ältere Arbeitskräfte nicht jüngeren Arbeitskräften Platz machen sollten, denn diese Diskussion fördert Vorurteile. Schließlich sollten die sozialen Schutzmaßnahmen dahingehend überprüft werden, ob durch Modifizierungen die jetzt auftretenden Benachteiligungen nicht vermieden werden können.

Arbeits-und Ausbildungsplätze für jüngere Arbeitskräfte Hauptgrund für die hohe Arbeitslosigkeit jüngerer Arbeitskräfte ist ihre hohe Fluktuation, über 50 Prozent der unter 20jährigen und 45 Prozent der unter 25jährigen sind weniger als 3 Monate arbeitslos. Insoweit muß die hohe Arbeitslosenquote bei jüngeren Arbeitskräften als ein Scheinproblem bezeichnet werden. Die eigentliche Ursache für ihre Arbeitslosigkeit dürfte in der unterdurchschnittlichen Qualifikation liegen. Drei Viertel aller jugendlichen Arbeitslosen unter 20 Jahren hatten zum Beispiel im Mai 1978 keine abgeschlossene Berufsausbildung, ein Drittel sogar keinen Hauptschulabschluß oder Sonder-schulbildung. Daneben wirken sich geringere Berufserfahrung und die Arbeitsund Sozial-gesetzgebung, nach der zum Beispiel jüngeren Arbeitnehmern leichter gekündigt werden kann als älteren, negativ aus.

Abgesehen von der fluktuationsbedingten Arbeitslosigkeit gibt es also keine jugendspezi-fische Arbeitslosigkeit. Die Probleme der jüngeren Arbeitslosen werden deshalb weitgehend mit der Arbeitsmarktpolitik für qualifizierte und an-und ungelernte Arbeitskräfte beseitigt. Soweit die Arbeitslosigkeit durch besondere Unterqualifikation bedingt ist, sind die Ausbildungsanstrengungen, und zwar bereits auf schulischer Ebene, zu verstärken. Zwar hat der Mangel an Ausbildungsplätzen für Jugendliche heute nur bedingt etwas mit der Arbeitslosigkeit zu tun; für seine Über-windung sind aber trotzdem eigene Überlegungen erforderlich. Hierzu gehören insbesondere der Ausbau der Berufsberatung für Schulabgänger, die Förderung der beruflichen Bildung, der Abbau administrativer Schranken bei der Ausbildung, einer Veränderung der Schwerpunktbildung in der Bildungspolitik und die gezielte Förderung von Lernschwachen.

Arbeitsplätze für falsch ausgebildete Arbeitslose (Akademiker)

Die Akademikerarbeitslosigkeit beruht im wesentlichen darauf, daß viele Studenten seit Jahren am Bedarf vorbei studiert haben. Hierfür ist nicht zuletzt eine verfehlte Bildungspolitik ursächlich gewesen. Zudem ist ein relativer Rückgang der Beschäftigungsmöglichkeiten für Akademiker festzustellen. Die frühere Meinung, Hochschulbildung ist hohe Ausbildung, hat sich als unhaltbar erwiesen, denn ein Akademiker ist kein besonders hochqualifizierter Facharbeiter sondern ein hochqualifizierter Spezialist mit besonders geringer beruflicher Mobilität.

Alle Maßnahmen müssen deshalb an einer Neuorientierung des Bildungssystems ansetzen. Hinzukommen muß eine bessere Studien-und Berufsberatung, die den Studenten frühzeitig das hohe berufliche Risiko eines einseitigen Studiums vor Augen hält. Dabei muß das Leistungsprinzip an den Schulen und Hochschulen verstärkt werden. Akademiker mit schwachen Abschlußleistungen haben nur geringe Chancen, erfolgversprechende Berufs-wege einzuschlagen. Ferner muß die ständige Anpassung der beruflichen Qualifikation an veränderte Arbeitsbedingungen durch Umschulungsmaßnahmen Vorrang vor der Ausbildung von Akademikern haben, die später entsprechend ihrer Berufsausbildung nicht beschäftigt werden können.

VI. Ausblick

Das Problem der Arbeitslosigkeit ist zugleich einfacher und schwieriger, als es zunächst den Anschein hat. Es ist vergleichsweise einfach in der Gegenwart. Seine eigentlichen Schwierigkeiten liegen jedoch in der Zukunft. In der Gegenwart mischen sich kontrollierbare strukturelle Veränderungen mit Wohlstands-

Symptomen und Wachstumsproblemen. Zugleich kündigen sich jedoch Entwicklungen an, deren Auswirkungen bisher vernachlässigt worden sind.

Dem Problem der Arbeitslosigkeit kann man deshalb nur mit einer zweigleisigen Strategie gerecht werden. Eine Vielzahl von Maßnah-B men muß sorgfältig auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Bedingungen der verschiedenen Problemgruppen der heute Arbeitslosen abgestellt werden. Gleichzeitig ist die sehr viel größere und schwierigere Aufgabe zu lösen, unsere Gesellschaft auf die außerordentlich komplexen Herausforderungen der unmittelbaren Zukunft vorzubereiten.

Eine sachliche Diskussion dieser Fragen ist dringend geboten. Sie dürfen nicht nur Funktionären und Bürokratien überlassen bleiben. Vorurteile und überholte Besitzstände müssen hier hinter den Notwendigkeiten von Gegenwart und Zukunft zurücktreten. Alle Bürger sind gefordert.

Die ständige Entwöhnung von eigener Verantwortung, die abnehmende Bereitschaft zur Selbständigkeit auch im wirtschaftlichen Bereich, die Zunahme von staatlicher Betreuung, Reglementierung, Bevormundung und vieles andere mehr sind keine gute Grundlage für die Bewältigung der vor uns stehenden Aufgaben. Der heute allgemein beklagte wirtschaftliche und gesellschaftliche Stillstand hat hier seinen Nährboden. Diese Zusammenhänge müssen gesehen werden, wenn wir die Arbeitslosigkeit dauerhaft überwinden wollen. Das Kurieren an Symptomen hilft nur wenig und kostet viel. Wichtiger ist die Rückbesinnung auf tragende gesellschaftliche Strukturen: Die Anerkennung dessen, der etwas unternimmt; die Belohnung von Ideen, Initiativen und Leistung; eine Politik, die Raum schafft zur Entfaltung des einzelnen; die möglichst dezentrale Organisation des politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Handelns und die Bereitschaft des einzelnen, der Gruppen und Verbände, Risiken zu übernehmen und für ihr Handeln einzustehen. Wenn die westlichen Industrieländer ihre Politik wieder stärker an diesen Grundsätzen ausrichten, werden sie die Dynamik zurückgewinnen, die sie zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit brauchen.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Kurt H. Biedenkopf, Dr. jur., Professor, Rechtsanwalt; geb. 1930 in Ludwigshafen; 1973 bis 1977 Generalsekretär der Christlich Demokratischen Union Deutschlands; seit 1977 Vorsitzender des CDU-Landesverbandes Westfalen-Lippe und wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Wirtschaftsund Gesellschaftspolitik in Bonn. Neuere Veröffentlichungen: Fortschritt in Freiheit. Umrisse einer politischen Strategie, München 1974; Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Die Grundlagen christlich-demokratischer Politik, Sonderdruck aus: Geschichte und Staat, Band 192/193, München 1975; Wege aus der Arbeitslosigkeit, Schriften des Instituts für Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik Band 1, Stuttgart 19783; Wohnungsbau am Wendepunkt, Schriften des Instituts für Wirtschaftsund Gesellschaftspolitik Band 2, Stuttgart 1978.