Einleitung
Seit Antritt der Regierung Carter häufen sich von westlicher, vor allem von deutscher Seite die Forderungen an die USA, ihre ständig steigenden Olimporte endlich zu reduzieren. Auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Bonn im August 1978 verpflichtete sich der amerikanische Präsident (einmal mehr) dazu, politische Maßnahmen zur Einschränkung der Oleinfuhr durchzusetzen.
Tab. 4
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Warum stellen die amerikanischen Olimporte eine solch brisante politische und wirtschaftliche Größe dar? Die 80prozentige Energieautarkie der USA und ihre reichen Rohstoffreserven verdecken hohe sektorale und regionale Abhängigkeiten. Bei Rohöl und Olprodukten haben ständig steigende Einfuhren die Abhängigkeit von der Auslandsproduktion auf 43 Prozent geschraubt (zur Zeit des Olembargos 1973 lediglich 20— 25 Prozent); der gesamte Transportsektor sowie die dichtbevölkerte Industrieregion der Ostküste sind vollständig auf Importe angewiesen.
So stiegen die amerikanischen Olimporte bis auf 9 Millionen Barrel am Tag (7, 33 Barrel = 1 t; 1 Barrel/Tag = 49, 8 t/Jahr) im Jahre 1977; das ist der größte Beitrag eines einzelnen Staates zur Weltöleinfuhr; er trägt im entscheidenden Maße zum Defizit in der amerikanischen Handels-und Zahlungsbilanz bei. Die Dollarschwäche ist die weltwirtschaftlich fühlbarste Folge. Die Forderungen der Verbündeten und die Versprechungen des Präsidenten gründen also auf sehr realen und berechtigten Besorgnissen.
Dieser Aufsatz entstand im Rahmen eines von der Volkswagen-Stiftung geförderten Forschungsprojekts der Hessischen Stiftung Friedens-und Konfliktforschung. Er konzentriert sich auf die direkte Auswertung amerikanischer Quellen. Die mitverarbeitete deutsche und amerikanische Sekundärliteratur geht daher nur unzureichend in die Anmerkungen ein. Zu dem empirischen Material, das zugrunde liegt, zählen auch Interviews während eines Forschungsaufenthaltes in Washington im April 1978.
Das neue amerikanische Energiegesetz wird nun von der Administration als die Erfüllung dieser Versprechungen ausgegeben. Das hängt jedoch mehr mit der innenpolitischen Profilierung des Präsidenten zusammen als mit der Realität. Das zentrale Instrument, die Steuergesetzgebung, wurde aus Carters Energieprogramm vom Kongreß herausgebrochen: die Benzin-steuer, die Steuer für industriellen Ol-und Erdgasverbrauch und die Olfördersteuer, die den regulierten amerikanischen Olpreis auf Weltmarktniveau heben sollten. Damit wurde dem Programm die Wirksamkeit genommen: Die Olfördersteuer sollte die Einsparungseffekte nachholen helfen, die die volle Weitergabe der OPEC-Preiserhöhungen an den Verbraucher in Europa bereits erzielt hat; die Benzinsteuer sollte in dem Verbrauchssektor mit dem erwiesenermaßen höchsten Einsparungspotential ansetzen; die industrielle Verbrauchssteuer sollte die erfahrungsgemäß hohe Sensibilität der Industrie für Kostensteigerungen für zusätzliche Reduktionen des Ölverbrauchs ausnutzen.
Der ersatzlose Wegfall dieser Maßnahmen ist maßgeblich für die zurückgenommenen Erwartungen der Regierung bezüglich der Einsparungsmöglichkeiten im Jahre 1985 verantwortlich: Statt 4, 5 Mio Barrel/Tag — der Zielsetzung des ursprünglichen Programms — werden die USA nur 2, 5 Mio Barrel/Tag weniger importieren, als es ohne ein Energiegesetz zu erwarten wäre. Damit würden sich die amerikanischen Importe auf 9— 10 Mio Barrel/Tag und somit der Importanteil auf 50 Prozent erhöhen. Doch selbst diese Vorhersage scheint Kritikern noch überoptimistisch: Andere Schätzungen gehen von lediglich 1, 5 Mio Barrel/Tag Importreduktion aus. Vor allem aufgrund von erheblichen Zweifeln an der Wirksamkeit der verbleibenden Maßnahmen scheint diese Skepsis begründet: — Die schrittweise Erhöhung der Erdgaspreise bis zur Beseitigung staatlicher Preis-kontrollen im Jahre 1985 läßt erst 1985 Höchstpreise erwarten. In der Vergangenheit spekulierten die Erdgasproduzenten trotz seit 1973 erheblich heraufgesetzter Preise auf weitere Preiserhöhungen und steigerten die Produktion nicht nennenswert; es ist nicht zu erwarten, daß sich dieses Verhalten nun ändert. Eine zusätzliche Produktion von Erdgas wird daher nicht in dem von der Regierung prognostizierten Ausmaß zu erwarten sein. — Das Gesetz über die Besteuerung des Verkaufs von Autos mit ineffizienter Energieumsetzung (ohnehin gegenüber der Vorlage stark abgeschwächt) wird aus mehreren Gründen keine großen Auswirkungen haben: Zum einen werden ohnehin Wagen der oberen Steuerklassen kaum noch produziert. Zum anderen treffen die Steuererhöhungen die beiden Verbrauchergruppen nicht, die in erster Linie an großen und damit ineffizienten Wagen interessiert sind: Für den oberen Mittelstand, der diese Wagen als Statussymbol betrachtet, sind die zusätzlichen Ausgaben aufgrund seiner Einkommensverhältnisse wahrscheinlich kein wirksames Hindernis;
für die kinderreichen Familien und die Farmer, die vor allem durch den Gebrauchtwagenmarkt bedient werden, schlagen die Steuern nur sehr mittelbar durch.
— Die verabschiedeten Steuervergünstigungen für energiesparende Investitionen bei Hauseigentümern und Unternehmern müssen noch den Weg durch die einzelstaatliche Gesetzgebung bzw. Administration gehen; Wirkungen werden hier nur sehr verzögert zu erwarten sein.
Diese skeptische Interpretation ist nur vor dem Hintergrund einer gründlichen Analyse •'der Struktur der amerikanischen Energiepolitik zu verstehen. Erklärungen der Regierung Carter sind nur sozusagen die Spitze des Eisberges. Unterhalb dieser Ebene besteht die energiepolitische Szene Amerikas aus einem komplexen, beharrlichen und schwerfälligen System, das den Analytiker bezüglich politischer Änderungen eher pessimistisch stimmt.
I. Energiepolitik als Außenpolitik
IEA FSF FEA FPC EPCA USS = = = = = = = Wirtschaftliche Zusammenarbeit Federal Federal Power Commission Policy and In den Anmerkungen:
WB = Wireless Bulletin SDB = State Department Bulletin States Congressional Congressional Commission Abkürzungen: Im Text: lEP KIWZ Erda Ferc H R Ushr = = = = = Cqa = Cqwr = Internationale Energie-Agentur Internationales Energieprogramm Konferenz für Internationale Financial Support Fund Energy Research and Administration Federal Energy Act Energy Administration Energy R贈>
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Das Ölembargo von 1973 forderte Amerika in mehrfacher Hinsicht heraus: Die europäischen Partner weigerten sich, die Unterstützung Israels mitzutragen; die amerikanischen Streitkräfte, deren Treibstoffbedarf zu 50 °/o aus außeramerikanischen Quellen gedeckt wurde, erlebten einen drastischen Rückgang der Zufuhr; die Weltwirtschaftsordnung war durch Kartellierung, Zahlungsbilanzprobleme und drohenden Protektionismus gefährdet; in den USA selbst ließen vor allem interne logistische Probleme das Olembargo in empfindliche Störungen der Volkswirtschaft umschlagen. Erst zu diesem Zeitpunkt setzte sich bei den außenpolitischen Entscheidungsträgern die längst fällige Erkenntnis durch, daß die Zeiten der Ölautarkie vorbei waren und Energieaußenpolitik aus der Perspektive des Importlandes heraus betrieben werden mußte. In der Konzeption des Außenministeriums schmolzen Versorgungssicherheit und die Erhaltung der militärischen Bereitschaft im Ziel der „wirtschaftlichen Sicherheit" zusammen. Die Restaurierung der Weltwirtschaftsordnung, vor allem die Senkung des Ölpreises, bildete den zweiten Zielkomplex, die Wiederherstellung amerikanischer Führung und außenpolitischer Handlungsfreiheit den dritten.
Die Strategie zur Erreichung dieser Ziele sah als ersten Schritt eine gemeinsame Versicherung der Industriestaaten gegen ein neues Embargo und ein System zur Konsolidierung der Zahlungsbilanzen der wirtschaftsschwächsten westlichen Staaten vor. Die zweite Stufe umfaßte die Erarbeitung einer gemeinsamen langfristigen Energie-, Forschungs-und Entwicklungspolitik sowie einer gemeinsamen Haltung gegenüber der OPEC. Europa sollte von bilateralen Beziehungen zur OPEC abgehalten werden; auf die Eröffnung eines separaten euro-arabischen Dialogs reagierte das Außenministerium gereizt
Unter der Administration Carter ist die Zielsetzung die gleiche geblieben. Die Übernahme der meisten Beamten der mittleren Ebene in den zuständigen Abteilungen von Außen-, Energie-, Schatz-und Handelsministerium sicherte diese Kontinuität auch organisatorisch ab. Ganz besonders wird sie durch die Person des außenpolitisch durchaus ambitionierten Energieministers Schlesinger gewährleistet, der ja bereits in den republikanischen Administrationen als Verteidigungsminister arbeitete
Da zudem das Notstandsprogramm verbindlich ist, die gemeinsamen Einsparungsziele jedoch nur appellativ sind und von den USA ständig verfehlt werden, konnten die USA im Gesamtresultat ihr Absicherungsziel selbst für den Fall verwirklichen, daß innenpolitisch eine Importsenkung nicht durchsetzbar ist. Zugleich haben sie das erwünschte Maß an Kontrolle der Partner und dadurch die Rückgewinnung ihrer Handlungsfreiheit erreicht. 3. Eines der wichtigsten Vorhaben der IEA ist es, eine Übersicht über die internationale Allokation von Erdöl und Erdölprodukten zu gewinnen. Zu diesem Zweck benötigt sie große Datenmengen über den Weltmarkt. Bei der Sammlung dieser Daten verläßt sie sich auf die internationale Ölindustrie, also weitgehend auf die multinationalen Energieunternehmen der USA. Auch das Notstandsprogramm soll sich der logistischen Strukturen dieser Unternehmen bedienen; die Allokationen im Falle eines neuen Embargos sollen von den Unternehmen ausgeführt werden.
Arbeits-und Beratungsgruppen der Industrie sind im IEA-Statut verankert und nehmen gerade wegen ihrer Bedeutung für Informationssystem und Logistik eine Schlüsselstellung ein. Man folgte damit dem Wunsch der Amerikaner, kein paralleles Allokationssystem unter Regie der IEA — also einer internationalen Organisation — aufzubauen; zugleich entspricht die Konstruktion auch dem Interesse der Olkonzerne, ihre Steuerungsmöglichkeiten nicht zu verlieren. Das alte Ziel der amerikanischen Oldiplomatie, die Stellung der amerikanischen Ölindustrie zu verteidigen, wurde also auch in die multilaterale Energiekooperation eingebracht
Parallel zum IEP hatte die amerikanische Regierung den FSF als Sicherungsnetz entworfen, falls die herkömmlichen internationalen Finanzinstitutionen die Zahlungsbilanzprobleme der schwächsten Industriestaaten nicht ausreichend lösen könnten. Der amerikanische Vertragsentwurf zum FSF trug die gleichen charakteristischen Züge wie der des IEP: 1. Er macht die Vermeidung unilateraler außenwirtschaftlicher Schutzmaßnahmen und eine energiesparende Politik zur Bedingung, Kredite über den Fonds zu erhalten. 2. Er fordert für einen Kredit, der die Einlage des Landes im Fonds übersteigt, 90 % der Stimmen. Da die USA über 28 °/o der Stimmen verfügen, hätten sie, ebenso wie die Bundesrepublik und Japan, bei größeren Krediten eine Veto-Position erhalten.
Die USA hätten daher einen erheblichen Einfluß auf die Energie-, Wirtschafts-und Währungspolitik ihrer schwächeren Partner nehmen können. Wieder wird deutlich, daß die amerikanische Regierung die Krisensituation zur Erweiterung ihres internationalen Steuerungspotentials zu nutzen versuchte. Dies wurde in den Vereinigten Staaten auch durchaus betont
Durch den FSF sollten direkte Kredite aus den OPEC-Ländern umgangen werden. Auch ein noch umfangreicheres Recycling über den Internationalen Währungsfonds (IWF) hätte wegen der gestiegenen Bedeutung der Ölexporteure in diesem Gremium die amerikanische Kontrolle schwächen, den Einfluß auf die Energiepolitik der Kreditnehmer unmöglich machen können. Die Konstruktion des FSF erleichterte eine Mediatisierung der Kredite über die privaten Märkte, in denen amerikanische Banken, vor allem wegen hoher OPEC-Einlagen, die Führungsposition innehaben
Bekanntlich gelang es der amerikanischen Regierung nicht, den FSF innenpolitisch abzusichern. c) Langfristige Zusammenarbeit Das langfristige Kooperationsprogramm der IEA von 1976
Auch der „Beschluß über Gruppenziele und energiepolitische Grundsätze" von 1977
Die Zusammenarbeit zwischen Industriestaaten und OPEC sowie den ölimportierenden Entwicklungsländern (der „Vierten Welt") entwickelte sich nach amerikanischem Plan erst im Anschluß an die Festlegung der gemeinsamen westlichen Position. Diese Verzögerung sowie die einseitige westliche Haltung trugen zum Mißerfolg der KIWZ (1975 bis 1977) auf dem Energiesektor bei. Der Westen zwang die „Vierte Welt" in eine nicht immer sinnvolle Solidarität mit der OPEC und verhinderte so, daß die energiepolitischen Interessen der bedürftigsten Länder in angemessen differenzierter Weise zur Geltung kamen. Die Verwunderung amerikanischer Politiker über die Solidarität der Dritten Welt offenbarte einmal mehr die mangelnde Kenntnis über die Folgewirkungen eigener Politik auf das Fühlen und Denken der Entwicklungsländer
5. Der letzte wichtige Faktor für die enttäuschenden Ergebnisse des Nord-Süd-Dialogs sind die wiederholten, außenpolitisch unproduktiven Gewaltdrohungen amerikanischer Spitzenpolitiker gegen die arabischen Länder (s. u.). Natürlich mußten sie in der „Dritten Welt" Assoziationen an Imperialismus und Neokolonialismus wecken. Sie zwangen daher die „Vierte Welt" in eine enge Koalition mit OPEC förmlich hinein.
Die Regierung Carter betont stärker als die vorangegangene Administration ihre Bereitschaft, die „Vierte Welt" bei der Deckung ihres Energiebedarfs zu unterstützen. Außen-und Energieministerium haben entsprechende Programme entwickelt. Der Kongreß hat mit den Auslandshilfegesetzen seit 1975 und dem Gesetz zur Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen von 1978 die gesetzliche Grundlage für eine Ausweitung dieser Programme geschaffen. Zudem versucht die Regierung auch, ihre Non-Proliferationspolitik mit Hilfe alternativer Lösungsangebote für die Energieprobleme der Entwicklungsländer zu stützen
Im militärischen Bereich können die USA auf einer dreißigjährigen Zusammenarbeit mit dem größten Olexporteur aufbauen.
Die Sicherheitsbedürfnisse der konservativen Olexporteure bieten den USA politische Vorteile, die — trotz gegenteiliger Beteuerungen der Regierungen — auch in wirtschaftlichen Nutzen umschlagen: Die amerikanischen Muttergesellschaften der ARAMCO haben ein Vorkaufsrecht auf 7 Mio. Barrel/Tag Rohöl; dies stellt gegenüber der Konkurrenz einen Kostenvorteil und eine zuverlässige Absicherung der Versorgung dar
II. Energiepolitik zwischen Innen-und Außenpolitik: Einschränkungen und Widersprüche
Tabelle 1:
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Das Außenministerium konnte jedoch seine Strategie nicht ohne Einschränkungen in die Tat umsetzen. Unstimmigkeiten innerhalb der Regierung, wahltaktische Rücksichten und vor allem die Opposition des Kongresses verursachten Ungereimtheiten, Widersprüche, ja sogar das Scheitern einiger Teile des Konzepts. 1. Bürokratische Politik: Die Auseinandersetzungen um den Mindestschutzpreis Zwischen Finanz-und Außenministerium der Ford-Regierung gab es Differenzen in der Frage des Mindestschutzpreises, die zum Scheitern einer entsprechenden Politik in Amerika beitrugen.
Für das Außenministerium stellte der Mindestschutzpreis ein wichtiges Mittel symbolischer Politik im Rahmen seiner weltordnungspolitischen Konzeption dar. Er sollte dem wichtigsten Bindeglied der OPEC — dem gemeinsam festgelegten Verkaufspreis — ein ökonomisches Äquivalent seitens der Industriestaaten entgegenstellen und so deren Solidarität demonstrieren.
Das Finanzministerium ist hingegen auf eine orthodoxe marktwirtschaftliche Position ein-geschworen. Ein politisch festgelegter Preis bewirkte bei der Behörde daher von vornherein Unbehagen. Sie setzte zunächst gegen das Außenministerium durch, die Einzelregelung der Preisstützung den einzelnen Mitgliedstaaten der IEA zu überlassen; das Außenministerium hatte auch diese Modalitäten vertraglich fixieren wollen.
Der Kongreß seinerseits hielt die Subventionierung billiger amerikanischer Olproduktion und die zusätzliche Belastung der Konsumenten durch den Mindestschutzpreis für untragbar und verweigerte der Regierung die Ermächtigung für preisstützende Maßnahmen
Gewaltdrohungen gegen OPEC Die Interventionsdrohungen amerikanischer Spitzenpolitiker gegen die arabischen Staaten 1974 und 1975 haben in Europa einige Unruhe ausgelöst. Die mehrfachen Wiederholungen bedürfen um so mehr einer Erklärung, als sich sowohl militärische wie ökonomische (Nahrungsmittelembargo) Aktionen durch genauere Analysen als unpraktikabel erwiesen haben.
Eine militärische Intervention könnte nicht schnell genug erfolgen, um die präventive Zerstörung der Olfeider zu verhindern. Selbst der Einsatz von vier Divisionen zur Besetzung Saudi-Arabiens böte keine Garantie gegen Sabotage. Das Risiko einer sowjetischen Gegen-intervention erscheint zudem sehr hoch.
Gegen ein Nahrungsmittelembargo spricht die raltiv geringe Abhängigkeit der arabischen Einfuhr von den USA und die Möglichkeit, auf dem diversifizierten Weltmarkt neue Anbieter zu finden
Die amerikanische Regierung kannte 1974/75 diese Sachlage. Die Drohungen widersprachen zudem ihrer außenpolitischen Zielsetzung: Sie beunruhigten die Alliierten, erleichterten den OPEC-Staaten das Bündnis mit der „Vierten Welt" in der Vorbereitung der KIWZ und erschwerten den bilateralen Dialog Amerikas mit den Olexporteuren. Abgesehen von der grundsätzlichen Fragwürdigkeit von Gewalt-drohungen in den internationalen Beziehungen waren sie demnach nicht einmal für außenpolitische Zielsetzungen instrumentalisierbar.
Es liegt daher nahe, auf innenpolitische Motive zu rekurrieren. Die Entspannungspolitik sowie der Rückzug aus Vietnam hatten die Ford-Administration zusehends konservativer Kritik wegen ihrer Angeblich zu weichen außenpolitischen Linie ausgesetzt.
Eine Politik der Stärke, ja sogar militärischer Interventionismus, ist der amerikanischen politischen Kultur nicht fremd. Sie hat eine lange Tradition und wird von einer starken Minderheit selbst nach Vietnam unterstützt. Eine konfrontative Politik gegenüber den arabischen Staaten findet daher immer wieder Befürworter.
Selbst Carter hatte im Wahlkampf eine scharfe Position gegenüber OPEC bezogen; nach Übernahme der Regierung durch die demokratische Administration hatte das Außenministerium allerdings gemäßigtere Töne angeschlagen und eine militante Studie des General Accounting Office (einer der Legislative zugehörigen Behörde) scharf kritisiert; diese Studie hatte eine harte Haltung gegenüber den Olexporteuren mit dem Ziel gefordert, das Kartell zu zerbrechen
Die gleiche, auf inneramerikanische Interessen gerichtete Perspektive findet sich auch in den Passagen des Energy Policy and Conservation Act (EPCA) von 1975 wieder, die die gesetzliche Grundlage für den amerikanischen Beitrag zur IEA schaffen.
Nach dem Wunsch des Kongresses sollen vertrauliche Geschäftsinformationen nur kumuliert in die IEA weitergegeben werden, so daß die einzelnen Quellen nicht mehr identifizierbar sind. Zudem sollen amerikanische Informationen nur als Gegenleistung für Daten aus anderen Staaten eingebracht werden — angesichts der asymmetrischen Verteilung von Informationen zugunsten der amerikanischen Energieindustrie eine groteske, für die Haltung des Kongresses aber bezeichnende Bestimmung.
Die Vollmachten für den Präsidenten sind eng definiert; sie beziehen sich lediglich auf die unmittelbare Notstandssituation und zielen auf die Abwendung ökonomischer und beschäftigungspolitischer Nachteile. Die weitergehenden allianz-und weltpolitischen Zielsetzungen von IEA akzeptiert der Kongreß im EPCA nicht. Die Vollmachten bedeuten, wie ausdrücklich betont wird, keine Billigung oder Ratifizierung des IEP. Der Kongreß erwähnt in diesen Passagen die IEA nicht einmal.
Das durch Watergate genährte Mißtrauen des Kongresses gegen die Macht der Exekutive und der großen Industrie, der Versuch, dennoch die Interessen dieser Industrie zu wahren, sofern sie als amerikanische Interessen verstanden werden, das Mißbehagen gegenüber den Executive Agreements (außenpolitischen Vereinbarungen der Regierung, die der Parlamentskontrolle entzogen bleiben) und Vorbehalte gegenüber einem zu weitgehenden und möglicherweise amerikanische Interessen verletzenden Engagement der USA in der IEA und dem FSF bilden die komplexe Motivation des Kongresses. Das Gesetz gibt dem Kongreß nicht nur die Möglichkeit, dem Präsidenten die Notstandsvollmachten wieder zu entziehen, sondern macht insbesondere langfristige amerikanische Verpflichtungen in der IEA zu einer unverbindlichen Absichtserklärung.
Diese Einstellung ist kennzeichnend für die Haltung des Kongresses zur Energiepolitik. Eine Untersuchung der Aufmerksamkeitsverteilung amerikanischer Parlamentarier in den „Hearings" (Befragungen von Politikern, Interessenvertretern und Fachleuten) zur Energieaußenpolitik ergab, daß sich über zwei Drittel der gestellten Fragen auf amerikanische Akteure bezogen; auf europäische Interessen richteten sich gar nur 6, 5 0/0 der Fragen (das ist etwa der gleiche Anteil, der auf amerikanische Konsumenten oder die einheimische mittelständische Ölindustrie entfiel)
Energiepolitik ist in den USA als innenpolitische Frage definiert. Der Kongreß vermittelt daher nicht inneramerikanische und außer-amerikanische Interessen; er versucht vielmehr, zwischen den verschiedenen Anforderungen der amerikanischen Gesellschaft einen Kompromiß zu finden und nach außen durchzusetzen. Das innenpolitische Feld liegt damit im Zentrum des Interesses der Energieaußenpolitik der Vereinigten Staaten.
III. Energiepolitik als Innenpolitik
Tabelle 2:
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1. Rahmenbedingungen amerikanischer Energieinnenpolitik Entscheidendes Kennzeichen der energiepolitischen Problematik der USA ist der ungewöhnlich hohe Pro-Kopf-Energieverbrauch, der selbst weit über dem von Ländern mit vergleichbarem Lebensstandard liegt. Wie die Überprüfung der Ergebnisse der Sparprogramme der Industrieländer durch die IEA zeigt, hat sich die Differenz zwischen europäischem und amerikanischem Pro-Kopf-Verbrauch aufgrund der strikteren Energiesparprogramme in Europa eher noch vergrößert.
Die Amerikaner konsumieren rund ein Drittel der jährlichen Weltenergieproduktion. Diese Zahlen mögen überraschen, da ja der inneramerikanische Rohölpreis über Jahre hinweg über dem Weltmarktpreis lag. Sie werden jedoch aussagekräftiger, wenn man das Fehlen einer Verbrauchssteuer wie der deutschen Mineralölsteuer in Rechnung stellt; für den amerikanischen Endverbraucher war die Energie stets billig. Die Zahlen belegen das hohe Sparpotential der USA. Die Richtung der notwendigen Sparmaßnahmen ist daher beherrschendes Thema der amerikanischen Energiedebatten.
Flankiert wird dieses Thema durch Auseinandersetzungen über die Frage, wie die seit Ende der sechziger Jahre stagnierende amerikanische Ol-und Gasproduktion wieder ausgeweitet werden kann.
Im Rahmen seines Anti-Inflations-Programms hatte Präsident Nixon Anfang der siebziger Jahre auch das Rohöl unter staatliche Preis-kontrollen gestellt. Diejenige Olmenge, die auf einem bestimmten Olfeld bereits im Stich-jahr 1973 produziert wurde („altes öl"), durfte nicht über einem staatlich festgelegten Höchstpreis verkauft werden. Das über diese Basismenge hinaus geförderte öl („neues Ol") war von den Kontrollen ebenso ausgenommen wie zeitweilig öl aus weniger ertragreichen und daher kostenungünstigeren Bohrungen sowie mit den teureren sekundären und tertiären Techniken erschlossenes Ol.
Die Erdgaspreise stehen seit 1954 teilweise unter Kontrolle der Federal Power Commission (FPC, jetzt Federal Energy Regulatory Commission: FERC). Die FPC (FERC) reguliert die Preise von Gas, das nicht in dem produzierenden Bundesstaat verbraucht („innerstaatliches Gas"), sondern an einen anderen Bundesstaat verkauft wird („zwischenstaatliches Gas"). Der Preis des innerstaatlichen Gases hingegen ist frei. Der kontrollierte Gas-preis wurde weit unter Marktwert, daher auch weit unter dem Preis von öl und Kohle mit einem vergleichbaren Heizwert gehalten. Deshalb verdrängte das Erdgas — in den USA nur in begrenzten Reserven vorhanden — bis in die siebziger Jahre hinein andere Brennstoffe in wichtigen Bereichen (Raumheizung, Industrie, Kraftwerke).
Als Folge dieser Kontrollmaßnahmen lagen zu Beginn des Embargos, noch mehr aber nach den Preiserhöhungen durch die OPEC, die Preise von 70 °/o der amerikanischen Primärenergie unter dem Weltmarktpreis. Die Auseinandersetzung über Beibehaltung oder Abschaffung der Preiskontrollen ist daher zentrales Standardthema der amerikanischen Energiediskussion seit 1973. 2. Energiepolitische Ziele und Instrumente Diese Diskussion hat sich mit einem Komplex von traditionellen, durchaus widersprüchlichen energiepolitischen Zielen auseinander-zusetzen. Tabelle 2 zeigt diese Ziele in ihrer Beziehung zu übergeordneten, konsensualen Grundzielen der amerikanischen Gesellschaft.
Zur Erreichung dieser Ziele werden folgende energiepolitische Instrumente diskutiert: vor 1. Das Marktinstrument: Es setzt allem auf die produktionsstimulierende, aber auch auf die verbrauchsdämpfende Wirkung steigender Preise. Im Zentrum einer solchen Politik steht die Beseitigung staatlicher Preiskontrollen, also die Anhebung des inneramerikanischen Energiepreises auf den Weltmarkt-preis und damit die Erhöhung der Erträge der amerikanischen Primärenergieproduzenten. Man verspricht sich davon eine Belebung der stagnierenden Explorationstätigkeit, die Anwendung kostspieligerer Produktionsmethoden und dadurch die Erschließung neuer Reserven. 2. Das Instrument Steuern (Produktions-, Verbrauchs-und Importsteuern): Es will grundsätzlich den Effekt von Preissteigerungen nutzen, die Verwendung des höheren Ertrages aber dem Staat überlassen. Die gezielte Förderung vorrangiger Energieformen, die Abwendung sozialer Härten und ein ausreichender Umweltschutz sollen die wichtigsten Verwendungszwecke darstellen. 3. Das Reglementierungsinstrument konzentriert sich auf die Nachfrageseite und beruht auf einem weitgehenden Staatseingriff. Staatliche Verbrauchsnormen für Geräte und industrielle Verfahren sowie Produktions-und Verkaufsverbote für vermeintlich überflüssige energieintensive Produkte und Verfahren stehen im Mittelpunkt. Importbeschränkungen, Rationierung und Preiskontrollen stellen komplementäre Maßnahmen dar.
Daneben existieren unkontroverse oder nebenrangige Instrumente wie Forschungsförderung (allerdings mit gewissen Meinungsverschiedenheiten über Zusammensetzung des Forschungsbudgets und Grad der Kommerzialisierungshilfe) und finanzielle und steuerliche Anreize zur Energieeinsparung.
Obwohl die umfassenden energiepolitischen Vorlagen seit 1973 jeweils Elemente aller drei Alternativen enthielten, hatten sie doch eindeutige Schwerpunkte und können daher den Instrumenten zugeordnet werden (Tabelle 3). Keiner dieser ehrgeizigen Pläne konnte den langen Marsch durch das legislative Verfahren auch nur halbwegs unbeschadet überstehen. Zwar existiert quer durch die Parteien und gesellschaftlichen Gruppen ein Konsens, daß Amerika seine Importabhängigkeit reduzieren solle. Jedoch gehen die Meinungen über den richtigen Weg weit auseinander. Wie die folgende Analyse zeigt, sind diese Gegensätze tief in der amerikanischen Gesellschaft verwurzelt und daher nur außerordentlich schwer zu überwinden. 3. Ideologische Differenzen Präferenzen für bestimmte energiepolitische Instrumente — und damit für weitergehende politische Ziele — werden durch die herrschenden Strömungen amerikanischer Ideologie bestimmt
Die konservative Ideologie vertritt die Idee des freien Unternehmertums. Der Eingriff des Staates in den Markt oder in die Konsument-scheidung des einzelnen Bürgers gilt als Übel. Die sozialen Effekte der Energieverteuerung sind nebenrangig; dahinter steht die Vorstellung, daß der soziale Erfolg in der individuellen Leistung begründet, eine gesellschaftliche Verantwortung also generell nicht anzunehmen ist. Auch von der Umweltverschmutzung wird angenommen, daß sie sich auf der Basis freiwilliger Leistungen der Wirtschaft bewältigen lasse. Die Erhaltung des marktwirtschaftlichen Systems, die Stärkung der privaten und nationalen Wirtschaft und die nationale Sicherheit genießen Vorrang in der Skala gesellschaftlicher Ziele. Der amerikanische Liberalismus bevorzugt das Steuerinstrument. Man hält die Fähigkeit des Marktes für begrenzt, mit „externalities", d. h. sozialen oder umweltpolitischen Kosten, umzugehen. Ein Minimum an staatlicher Lenkung hat insbesondere die sozialen Härten der Marktwirtschaft abzufangen, zu der man sich ansonsten durchaus bekennt. Darüber hinaus sieht der Liberalismus die Integrität der politischen Instanzen durch das Wachstum privatwirtschaftlicher Macht bedroht. Eine verschärfte Kartellgesetzgebung (AntiTrust-Gesetze) und eine sozial orientierte Steuerpolitik sollen dem Staat Mittel an die Hand geben, diese Macht in Grenzen zu halten. Auch der Reformliberalismus bejaht grundsätzlich die Marktwirtschaft, stellt aber die soziale Gerechtigkeit entschieden über das wirtschaftsideologische Dogma. Das Reglementierungsinstrument soll die Härten der Energieknappheit gleichmäßig unter die sozialen Schichten verteilen, wenn ausreichendes Wachstum durch gesicherte und preiswerte Zufuhr nicht mehr garantiert werden kann. Die Reformliberalen artikulieren auch die liberalen Anti-Trust-und umweltpolitischen Standpunkte aggressiver. 4. Parteipolitische Differenzen Die amerikanischen Parteien haben keine feste organisatorische Struktur. Das Persönlichkeits-und Mehrheitswahlsystem der USA macht den einzelnen Parlamentarier von seiner Partei unabhängiger und bindet ihn enger an die Interessen seiner Wählerschaft als etwa in der Bundesrepublik. Das Präsidialsystem stellt die Kontrollfunktion des Parlaments gegenüber der Exekutive stärker in den Vordergrund und legitimiert eine kritische Haltung der Abgeordneten auch gegenüber einer Regierung der eigenen Partei. Die Präsidentschaftswahlen stellen in diesem System den Zeitpunkt dar, in dem in der Umsetzung der weltanschaulichen Prämissen in aktuelle politische Programme die unterschiedlichen Standpunkte der Parteien am deutlichsten hervortreten.
Die Republikaner sind konservativ; ihre Regierungen haben stets das Marktinstrument anzuwenden versucht. Die Abgeordneten und Senatoren dieser Partei blockierten erfolgreich liberale Ansätze in der Energiepolitik. Dabei wurden sie von der zweiten Säule des Konservatismus, den Demokraten aus den Südstaaten, unterstützt.
Die Wahlplattform der Republikaner von 1976 verband allgemein-und energiepolitischen Konservatismus. Ihre Präambel forderte die Einschränkung der Regierungstätigkeit, die Stärkung des freien Marktes, die Verlagerung der Lösung der Sozialprobleme auf freiwillige Organisationen sowie in die Kommunen, die Stärkung privater Initiativen zur Reduktion der Unterbeschäftigung und zur Hebung des Lebensstandards sowie die Reduktion der Steuerlast. In der Energiepolitik stand an erster Stelle die Verringerung der Importabhängigkeit; die Ausweitung der amerikanischen Olproduktion rangierte vor der Einsparung, die Staatsintervention sollte geschwächt, die Rolle des Marktes ausgedehnt, die Preise sollten dementsprechend freigegeben werden.
Die liberale Position wird von den Nordstaaten-Demokraten vertreten. Eine kleine Gruppe liberaler republikanischer Politiker aus den Staaten der Ostküste koaliert gewöhnlich mit ihnen. Ihre energiepolitische Haltung läßt sich als Kompromiß zwischen Steuer-und Reglementierungspolitik beschreiben.
Zu den Reformliberalen in der demokratischen Partei zählen Parlamentarier der Ostküste, der liberalen ländlichen Bezirke des Mittelwestens und — vereinzelt — des Westens. Eine Abgrenzung fällt schwer, da der Über-gang zum gemäßigt liberalen Lager fließend ist.
Die demokratische Wahlplattform von 1976 trägt liberale und reformliberale Züge. Nicht das Ausmaß, sondern der Mißbrauch staatlicher Befugnisse werden kritisiert. Den Nixonund Ford-Administrationen wird die Vernachlässigung sozialer Gerechtigkeit angekreidet. Die Regierung habe bei einer angemesseneren Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums eine wichtige Rolle zu spielen. Auf dem Energiesektor sei der „freie Markt" eine unrealistische Illusion. Die Regierung habe die Gesamtwirtschaft und die Konsumenten in erster Linie vor überhöhten Preisen zu bewahren. Die Einsparung nimmt in der Rangliste der energiepolitischen Ziele den Spitzenplatz ein
Damit hat sich das Interesse der öl-und gas-produzierenden Industrie durchgesetzt. Zwischen den etwa 30 großen, integrierten Unternehmen (integrierte Unternehmen sind auf allen Stufen der Ölindustrie tätig, vom Bohrturm bis zur Benzinpumpe) und den etwa 10 000 „unabhängigen" Gesellschaften gibt es seit Jahren eine Interessengemeinsamkeit, was die Beendigung der Preiskontrolle und die Beibehaltung von Steuervergünstigungen, also die Erhöhung der Gewinne der gesamten Industrie angeht. Da die „Unabhängigen" zudem auf die Pipeline-Systeme der Großen angewiesen sind, haben sie auch stets deren Widerstand gegen Strukturreformen in der Industrie unterstützt. Die kleinen Unternehmen entsprechen sehr viel mehr dem in der Öffentlichkeit bevorzugten Typ des freien amerikanischen Unternehmers; sie spielen im allgemeinen mehr die Rolle der lautstarken Lobby, während sich die großen Gesellschaften auf diskrete Kontakte zur Exekutive konzentrieren und sich ansonsten eher im Hintergrund halten.
Jedoch wird auch den Interessen der energie-verbrauchenden Industrien sowie derjenigen Branchen, die energieverbrauchende Geräte produzieren, Rechnung getragen. Ihr Hauptinteresse liegt in der Vermeidung von staatlichen Normen für energieintensive Produkte und Produktionsprozesse. Die Automobilindustrie führt seit Jahren einen zähen Kampf gegen die gesetzliche Verankerung von Normen für Sicherheit, Umweltverträglichkeit und Treibstoffverbrauch. Die Petrochemie fürchtet das Verbot einer Reihe von Endprodukten, die bei ihrem Einsatz übermäßig viel Energie verbrauchen und durch andere Erzeugnisse, etwa aus Naturfasern, substituiert werden könnten. Das Agrobusiness sorgt sich vor allem um die gesicherte Zufuhr von Erdgas, Treibstoffen und Kunstdünger.
Einige kleinere Gegensätzlichkeiten zwischen den einzelnen Industrien resultieren aus dem Versuch jeder Branche, Kostensteigerungen und Einsparungsbemühungen in die anderen Industriesektoren abzuschieben. So verlangt die Autoindustrie eine gleichmäßige Verteilung der durch die Einsparungspolitik entstehenden Lasten, d. h. eine Belastung vor allem der Kraftwerksindustrie. Die Kraftwerksindustrie ihrerseits will die Einsparungsanstrengungen auf den Bereich des Individualverkehrs konzentriert sehen.
Die in der Tradition des , New Deal'stehende reiormliberale Koalition wird vor allem von den Gewerkschaften getragen. Ihr Eintreten für Importquoten, Rationierung und Verbrauchsnormen findet allerdings seine Grenze, wenn sie die Gesamtwirtschaft, insbesondere die Vollbeschäftigung, in Gefahr sehen. So trat z. B. die amerikanische Automobilarbeiter-Gewerkschaft nicht für die wirksamste Form der Verbrauchsnormen für Personen-kraftwagen, ein generelles Produktionsverbot für verbrauchsintensive Wagentypen, ein; sie bevorzugte vielmehr die „weichere" Version einer Durchschnittsnorm für die gesamte Produktion eines Jahres, weil sie von der schärferen Maßnahme eine zu starke Einschränkung des Absatzes und damit den Verlust von Arbeitsplätzen befürchtete.
Die Interessenvertretungen der Konsumenten mißtrauen noch stärker als die Gewerkschaften den Aussagen über eine allgemeine Knappheit an Energieressourcen. Für sie liegt die Krise nicht in der Energieknappheit, sondern in den Preisen, die der Konsument zu zahlen hat. Ihre Priorität ist daher die Verhinderung einer weiteren Preissteigerung, ja sogar eine Senkung der Preise.
In diese Koalition haben sich auch die Vertreter des , Small Business'eingereiht, die die Rücksichtslosigkeit der großen Energiekonzerne in den Zeiten der Knappheit zu spüren bekommen haben. Sie glauben, daß weder die ausreichende Versorgung noch angemessene Preise für ihre Mitglieder ohne staatliche Mithilfe erreichbar sind.
Die Haltung der öffentlichen Versorgungsund Transportunternehmen, die sich meist in Stadt-oder Gemeindeeigentum befinden, ist an den Interessen der Konsumenten orientiert. Die Gründung der meisten dieser Betriebe geht auf den New Deal zurück, der den sozialstaatlichen Gedanken in den USA erstmals verankerte. Ihre Verwaltungen stehen daher der Idee demokratischer Kontrolle über die Wirtschaft von vornherein positiv gegenüber. Während die private Kraftwerksindustrie höhere Brennstoffpreise an den Konsumenten weitergeben kann, sind die Kommunalpolitiker dem Wähler verantwortlich und daher auf die Wahrung der Konsumenteninteressen bedacht.
Zu den Gruppen, die sich nicht eindeutig einordnen lassen, zählen die unabhängige Olverarbeitungs-und Verteilungsindustrie, die Transportindustrie sowie die Umweltschutz-gruppen. Für die Transportindustrie stellen erhöhte Brennstoffkosten ein erhebliches Problem dar. Dieses Problem verringert sich jedoch, wenn die Kostensteigerungen gleichmäßig unter die verschiedenen Transportmittel verteilt werden oder der eigene Transportsektor sogar bevorzugt behandelt wird. Die unter Ford noch recht heftige Opposition vieler Teile dieser Industrie gegen Beseitigung der Preis-kontrollen ist daher heute der Forderung nach ihrer gleichmäßigen Beseitigung gewichen. Einigkeit besteht darüber, daß die Hauptlast der Kostensteigerungen ebenso wie die Hauptlast allgemeiner Einsparungspolitik vom Bereich des Individualverkehrs zu tragen sei. Gegenüber Verbrauchsnormen verhält man sich indifferent bis ablehnend.
Die Versorgungslage der unabhängigen Raffinerien und Brennstoffhändler ist in Krisenzeiten im Vergleich zu den Tochtergesellschaften der integrierten Energiekonzerne unsicher. Preissteigerungen können von ihnen nicht durch Gewinne auf anderen Stufen der Ölwirtschaft aufgefangen werden. In Knappheits-oder Preissteigerungsperioden sind sie daher einer Verdrängungskonkurrenz ausgesetzt. Andererseits liegt eine Beseitigung der Preiskontrollen für Petroleumprodukte in ihrem Interesse, da so ihre eigenen Gewinnmargen vergrößert werden können. Teile der Industrie neigen daher zur Beibehaltung allgemeiner Preiskontrollen, andere Teile zu ihrer Aufhebung.
Bei den Umweltschutzgruppen genießt die Einsparung von Energie unumstrittene Priorität. Dies ergibt sich aus der Überlegung, daß jede zusätzliche Energieproduktion und jeder zusätzliche Verbrauch neue Belastungen für die Umwelt mit sich bringen. Sie bekennen sich daher als einzige Interessengruppe auch zum Einsatz des Steuerinstruments, um die Nachfrage zu reduzieren
In der amerikanischen Mittelschicht gibt es gegenwärtig eine Bewegung gegen die Ausdehnung der Staatstätigkeit, die sogenannte Steuerrevolte. Weder kommen dieser Schicht Steuererleichterungen für niedrige Einkommensgruppen noch die „Schlupflöcher" der Steuergesetzgebung für die Reichen zugute. Da die Indifferenz gegenüber der Sozialstaatsidee gerade in dieser Schicht tief verwurzelt ist, zielen die Argumente der „Steuerrevolte" vor allem auf den Abbau von Sozialleistungen. Dementsprechend ist die Haltung der Mittelschicht in der Energiepolitik defensiv, d. h. gegen neue Steuerlasten sowie gegen die Einschränkung ihrer Wahlfreiheit für Konsumentscheidungen durch Verbrauchsnormen gerichtet. Die Bewahrung von energiekonsumierenden Statussymbolen ist in dieser Schicht geradezu ein kulturelles Syndrom
Die amerikanische Unterschicht verbraucht pro Kopf am wenigsten Energie, dennoch schlagen Energiepreissteigerungen für diese Menschen in einer Größenordnung zu Buche, daß ihr Lebensstandard weiter eingeschränkt wird. Nach 1973 kam es verschiedentlich vor, daß in Großstädten Tausenden von armen Einwohnern die Strom-oder Gaszufuhr gesperrt wurde, weil sie nicht in der Lage waren, die gestiegenen Rechnungen zu bezahlen. Die Vertreter dieser Gruppierungen, etwa der älteren Leute ethnischer oder Minderheiten, schließen sich daher bereitwillig der reformliberalen Koalition an.
Tabelle 4 läßt im übrigen Zweifel an der Wirksamkeit des Marktinstruments für die Einsparung aufkommen: Diejenigen, die am härtesten betroffen würden, haben kaum Energie zu sparen; diejenigen mit Einsparungsspielräumen könnten sich auch höhere Preise leisten. Hier stößt man auf ein prinzipielles amerikanisches Dilemma: Das Fehlen einer umfassenden sozialpolitischen Siche26) rung macht alle Preis-oder Steuererhöhungen für die Unterschichten zu einer Existenzfrage; ihre politischen Vertretungen sind gezwungen, in jeder innenpolitischen Detailfrage „sachfremde" Sozialpolitik zu machen. Politische Lösungen werden dadurch oft erschwert
Von zehn Staaten der bevölkerungsreichen und industrialisierten Nordostküste hingegen haben nur New York und Maryland eine (vernachlässigbar geringe) Erdöl-bzw. Erdgasproduktion. Mangels Transportsystemen vom Golf von Mexiko zur Ostküste ist diese Region vollständig auf Importe aus dem Ausland angewiesen. Nur Preiskontrollen und staatliche Zuteilung erlauben diesen Staaten eine Teilnahme an den Vorteilen der preisgünstigeren Inlandsproduktion und eine Minderung der durch den hohen Weltmarktpreis anfallenden Lasten. Die Ostküste wird vorwiegend durch Liberale im Kongreß vertreten.
Die Landwirtschaft der Staaten im Mittleren und Fernen Westen — oft noch kleinbetrieblich organisiert — benötigt einen erheblichen Energie-Input. Eigene Energiequellen existieren jedoch nur in North Dakota, Nebraska und Montana. Diese energiearmen Staaten sind ebenfalls traditionell liberal.
Kalifornien nimmt als einer der größten Energieproduzenten und -konsumenten eine Zwischenstellung ein. So verhält es sich auch mit den Industriestaaten zwischen Ohio und der Seenplatte: Auf erhebliche Energiezufuhr angewiesen, verfügt doch jeder von ihnen über eine nicht unerhebliche Eigenproduktion an Ol und/oder Gas. Gewerkschaftseinfluß einerseits, Big-Business-Einfluß andererseits führen zu gemischt demokratisch-republikanischen Delegationen, die mehr oder weniger nach Parteilinie abstimmen.
Auch die Agrarstaaten des „Sonnengürtels" stehen im Widerstreit von Produktion und Konsum. Großindustrielle Landwirtschaftsorganisation und traditioneller Südstaatenkonservatismus geben jedoch oft den Ausschlag für eine Koalition mit dem ölproduzierenden Südwesten; dem schließt sich die energiearme, aber südstaaten-konservative Südatlantikküste an
In energiepolitischen Abstimmungen im Kongreß vertreten die beiden Gegenpole, ölproduzierende Staaten und ölverbrauchende Staaten — also weitgehend Südwesten contra Nordosten —, ihre Positionen über den Wechsel der Administration hinweg mit erstaunlicher Stabilität. Eine Auswertung von Schlüsselabstimmungen zur Beibehaltung oder Aufhebung von Preiskontrollen ergab, daß in beiden Häusern zwischen 70 und 90 °/o der „Ol" -Demokraten regelmäßig für die Aufhebung, zwischen 90 und 100 % der Nordost-Demokraten gegen die Aufhebung der Preis-kontrollen stimmten; bei den Republikanern betrug das Verhältnis 70— 100 °/o der „Ol" -Parlamentarier für, 40— 60 °/o der Nordost-Parlamentarier gegen die Aufhebung der Preiskontrollen. Alle Ergebnisse dieser Gruppierungen weichen deutlich vom Durchschnittsverhalten der jeweiligen Partei ab. 8. Bürokratisch-organisatorische Differenzen Nach 1973 bestand eines der Hauptprobleme der Regierung in der Koordination ihrer eigenen energiepolitischen Aktivitäten. Nicht weniger als 62 Abteilungen in Ministerien und unabhängigen Regulationskommissionen hatten energiepolitische Kompetenzen. Diese Zersplitterung bot natürlich partikularen Interessen ideale Anlaufstellen für ihre Lobby
Daher verwundert es nicht, daß das Programm des Präsidenten nicht nachhaltig und wirkungsvoll im Kongreß vertreten wurde. Die Kongreßliberalen machten der Administration sogar offene Vorwürfe, in der Preis-kontrollfrage die eigene Position untergraben zu haben
Das Energieministerium ist auch aus einem anderen Grund auf die enge Zusammenarbeit mit der Industrie angewiesen. Die Datenbasis, auf der seine Planungen beruhen, kann nur von der Industrie geliefert werden, da dem Staat selbst Explorationstätigkeit, auch auf eigenem Land, untersagt ist. Diese Abhängigkeit erschwert eine eigenständige, industrie-kritische Position des Ministeriums erheblich.
Auch der Kongreß hat nach wie vor Schwierigkeiten, die komplizierte Energiegesetzgebung mit seinem Ausschußsystem zu bewältigen. Zwar hat der Senat einen Energieausschuß geschaffen, jedoch müssen die Steuer-aspekte der Energievorlagen vom Finanzausschuß, die Verbrauchsnormen vom Handels-ausschuß bearbeitet werden. Der Anteil der Konservativen und Olstaatenvertreter im Energieausschuß hat im neuen Kongreß zugenommen, im Finanzausschuß dominieren sie eindeutig.
Im Repräsentantenhaus hat sich zwar der Energieunterausschuß des Handelsausschusses die führende Rolle erkämpft — mit einer knappen gemäßigt-liberalen Mehrheit —, jedoch spielen auch der liberale Steuerausschuß und der ebenfalls liberale Innenausschuß eine Rolle. Vor allem für die zügige Bearbeitung der energiepolitischen Probleme ergeben sich aus dieser Zersplitterung zusätzliche Schwierigkeiten. 9. Ergebnis: Das energiepolitische Patt Die vielfältigen Interessen überdauern den Wechsel von Regierungen und sorgen dafür, daß gegen jede bedeutsame energiepolitische Einzelvorlage mehrheitsfähige Koalitionen zustande kommen. Ein Kompromiß wäre vielleicht in Gestalt des Steuerinstruments denkbar, doch ist dieses Instrument auf konservativer wie reformliberaler Seite negativ besetzt. Einsparungsvorlagen werden daher auf den ideologisch, interessen-, regional-und parteipolitisch kleinsten gemeinsamen Nenner heruntertransformiert, unter republikanischen ebenso wie unter demokratischen Administrationen.
Der Energy Policy and Conservation Act von 1975, das noch gültige wichtigste Energiegesetz der Ford-Regierung, war ein Kompromiß zwischen Fords Project Independence und den Vorstellungen der liberalen Kongreßführung. Fords Vorschlag hatte eine sofortige Aufhebung der Preiskontrollen für O 1 und Gas vorgesehen. Das Gesetz hingegen verlängerte die Olpreiskontrollen noch bis 1979 (mit der Möglichkeit der schrittweisen Erhöhung der Höchstpreise) und beließ die Gaspreiskontrollen unverändert. Ford hatte die Einrichtung einer 100 Milliarden Dollar finanzstarken Kreditanstalt zur Förderung der synthetischen Brennstoffe gefordert, was vom Kongreß abgelehnt wurde, ebenso wie die von Ford vorgeschlagenen Verbrauchssteuern auf industriellen Ol-und Gasverbrauch.
Die Kongreßführung wollte einen Preisanstieg der fossilen Brennstoffe generell verhindern. Das Gesetz gestattete jedoch auch unter Beibehaltung der Kontrollen erhebliche Preissteigerungen. Die von den Demokraten verlangte Benzinsteuer wurde abgelehnt; die Verbrauchsnormen des Gesetzes blieben weit hinter den zunächst aufgestellten Richtlinien zurück, vor allem für die Autoindustrie. Die Einrichtung von Importquoten setzte sich ebenfalls nicht durch.
Unumstritten blieben nur Notstandsvollmachten, die jedoch nicht genutzt wurden, das Recht der Energiebehörde, die Umstellung der Kraftwerke und Industriebetriebe auf Kohle anzuordnen, die Kreditgewährung für energie-sparende Investitionen, die Auszeichnung des Energieverbrauchs auf Geräten sowie die staatliche Berechtigung, Informationen aus der Energieindustrie einzuholen
Das magere Ergebnis der gewaltigen energiepolitischen Anstrengungen Carters wurde bereits in der Einleitung dargestellt. Beide Häuser.des Kongresses, liberale wie konservative Politiker, haben dazu beigetragen: Die Benzin-steuer und die Strafsteuer auf ineffiziente Wagen wurden das Opfer der Liberalen im Repräsentantenhaus, die Olfördersteuer und die Industrieverbrauchssteuer scheiterten an den Konservativen im Senat. An der Abschwächung der Erdgasvorlage des Präsidenten (er hatte die Ausdehnung der Kontrollen auf zwischenstaatliches Gas gefordert) hatten Konservative und Liberale teil.
Zugleich hatten sich die reformliberalen Interessengruppen um einige Gewerkschaften und große Konsumorganisationen unter Beteiligung von Umweltschutzgruppen und öffentlichen Versorgungsunternehmen auch organisatorisch zu einer energiepolitischen Koalition zusammengeschlossen, deren Position links vom Regierungsprogramm definiert war; so geriet die Administration zwischen die Fronten: Bei den endgültigen Abstimmungen in beiden Parlamenten waren unter den Gegenstimmen sowohl im Senat als auch beim hauchdünnen Ergebnis im Repräsentanten-haus solche des konservativen wie auch des reformliberalen Kongreßflügels
Die komplexe Struktur der amerikanischen Energiepolitik hat als Resultat ein Patt. Die Folge ist der seit 1973 steigende Import. Selbst die Reduktion der Oleinfuhr im ersten Halbjahr 1978 von 9 auf 7, 6 Millionen Barrel pro Tag paßt durchaus in dieses Bild. Sie ergibt sich aus dem Zustrom von Alaska-Ol, der Ende 1977 einsetzte, sowie aus der Vermarktung von Vorräten, die die Olgesellschaften in Amerika gehalten hatten. Der Importrückgang war selbst in den pessimistischen Prognosen des Jahres 1975 im Falle eines völligen Scheiterns jeder Energiepolitik vorausgesehen worden. Nach der Verabschiedung des energiepolitischen Torsos im Oktober 1978 ist mit einem neuerlichen Anstieg der Importe bereits für 1980 zu rechnen
Trotz aller energiepolitischen Emphase hat seit 1973 kein Präsident den Mut gehabt, die wirksamste, aber höchst unpopuläre Maßnahme anzuwenden, um die amerikanischen Olimporte einzudämmen: die Einrichtung von Importquoten. Es bedarf dazu keiner zusätzlichen Ermächtigung durch den Kongreß. Sogar die notwendigen Vollmachten für staatliche Zuteilungsmaßnahmen in den Vereinigten Staaten sind als Notstandsrechte des Präsidenten seit 1975 gesetzlich verankert.
Die von Ford und Carter eingeführten bzw. angedrohten Importzölle hingegen (sie sind nur auf Rohöl, nicht auf Petroleumprodukte anwendbar) leiten nur die Importe vom Persischen Golf über die — nicht ausgelasteten — europäischen Raffinerien der amerikanischen Olgesellschaften um: An die Stelle der Rohölimporte würden teurere Produktimporte treten. Der Widerstand in den USA, vor allem der einheimischen Raffinerieindustrie, ist erheblich.
Die Präsidenten waren also — bei aller Kritik am Kongreß — nicht bereit, zur Erfüllung ihrer internationalen Verpflichtungen bis zum äußersten zu gehen; auch sie erwiesen der Priorität der inneramerikanischen Interessen ihre Reverenz.
IV. Schlußfolgerungen
Tabelle 3:
Tabelle 3:
1. Amerikanische Energiepolitik ist weder das Ergebnis der rationalen Strategie einzelner Politiker noch der Verschwörung allmächtiger Konzerne. Sie ergibt sich vielmehr aus einem Netzwerk widersprüchlicher Ziele, Akteure und Interessen. 2. Dennoch wahrt sie letztlich die Interessen des amerikanischen Systems und seiner einflußreichen Akteure: Die außenpolitische Kontrollfähigkeit für den Notfall wurde abgesichert. Der Konsum der Amerikaner blieb auf seinem asymmetrisch hohen Niveau erhalten. Der innenpolitische Konsens wurde nicht durch drastische Veränderungen erschüttert. Gewinne und Steuerungsfähigkeit der Energiekonzerne bleiben unangetastet. 3. Die Wahrnehmung der Interessen anderer Staaten im amerikanischen Entscheidungsprozeß ist extrem begrenzt. Natürlich kann man den amerikanischen Politikern keinen Vorwurf daraus machen, daß sie eigene Interessen berücksichtigen wollen. Angesichts der weltweiten Auswirkungen politischer Entscheidungen in den USA ist jedoch die Indifferenz gegenüber ausländischen Bedürfnissen beunruhigend. 4. Die Kosten für die politischen Versäumnisse der Vereinigten Staaten fallen auf die Schwachen. In den USA sind es die Armen, die von Knappheit und Preissteigerungen überproportional betroffen werden. Im internationalen System müssen die rohstoffarmen Entwicklungsländer und die labileren Industriestaaten mit einem angespannten Erdöl-markt, hohen Preisen und mit Zahlungsbilanz-problemen fertig werden. 5. Die wichtigste Erkenntnis aus der Analyse amerikanischer Energiepolitik ist jedoch, in welch hohem Maße die Entwicklung von Nachfrage und Angebot auf dem Energiesektor nicht von technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten, sondern von politischen Interessen, Ideologien und Strukturen bestimmt wird. Dies bestätigt die Skepsis derjenigen, die den scheinbar auf Naturgesetzlichkeiten aufbauenden Energieprognosen und den entsprechenden energiepolitischen Doktrinen mit Mißtrauen begegnen.