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100 Jahre Sozialistengesetz | APuZ 41/1978 | bpb.de

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APuZ 41/1978 Artikel 1 Der Berliner Kongreß 1878. Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vor 100 Jahren 100 Jahre Sozialistengesetz

100 Jahre Sozialistengesetz

Karl-Ludwig Günsche /Klaus Lautermann

/ 35 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Vor 100 Jahren wurde im Deutschen Reichstag das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ verabschiedet. Gleichsam per Knopfdruck sollte die Sozialdemokratie aus dem politischen Leben Deutschlands ausgesperrt werden: Das Gesetz ließ keinerlei Möglichkeit zur legalen politischen Betätigung zu — ausgenommen die Beteiligung sozialdemokratischer Kandidaten an Wahlen. Verboten wurde auch die Gewerkschaftsbewegung mit all ihren Hilfs-und Unterstützungskassen und ihrer Presse. Doch die Absicht Bismarcks — des Hauptinitiators des Gesetzes — mißlang: Die Arbeiterbewegung nutzte unter dem Gesetz jede Chance zur Weiterarbeit — in den Parlamenten und in der Illegalität. Die Sozialdemokratie wurde in den zwölf Jahren unter dem Gesetz zur wählerstärksten Partei Deutschlands. In jener Zeit entwickelte sich die Sozialdemokratie endgültig zur streng parlamentarisch-demokratischen Partei; extremistische Kräfte wurden ausgeschlossen. Dennoch wurde versucht, dieser fast schon legalistischen Partei, die allerdings durch konsequente Reformarbeit die gesellschaftlichen Strukturen verändern wollte, den Stempel der Verfassungsfeindlichkeit aufzudrücken. Wie an einem Lehrbuch orientiert, exerzierten die Gegner der Sozialdemokratie das ganze Spektrum einer politischen Auseinandersetzung vor, die nicht um eine inhaltliche Begründung bemüht ist. Da derartige Vorgänge nach dem Fall des Sozialistengesetzes nicht beendet waren, sogar gegenwärtig noch aktuell sind, hat die Geschichte des Sozialistengesetzes auch in der heutigen politischen Auseinandersetzung besondere Bedeutung.

I. Ein Lehrstück für die Gegenwart?

Am 21. Oktober 1978 jährt sich zum 100. Mal der Tag, an dem das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“, das „Sozialistengesetz“, in Kraft getreten ist. Die Sozialdemokratische Partei hat mehrfach an dieses Datum erinnert: Am 11. Juni sprach ihr Vorsitzender Willy Brandt zu diesem Thema vor geladenen Gästen in der Frankfurter Paulskirche; am 4. September eröffnete die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung eine Ausstellung historischer Dokumente; der „Vorwärts" veröffentlichte ein Sonderheft; der SPD-Vorstand publizierte eine Broschüre sowie einige Plakate. Auch im hessischen Wahlkampf und im Bundestag bezogen sich SPD-Politiker auf das Bismarcksche Sondergesetz gegen die Sozialdemokratie.

Tatsächlich sind Parallelen zur heutigen innenpolitischen Situation der Bundesrepublik Deutschland unübersehbar: War früher von „vaterlandslosen Gesellen" die Rede, so wird den Sozialdemokraten aus konservativer Richtung heute nationale Unzuverlässigkeit vorgeworfen. So wie sich die bewußte Vermischung von terroristischem Einzelgängertum mit radikalem politischem Veränderungswillen wiederholt, muß heute in manchen Bundesländern auch wieder das schrittweise Abweichen von Rechtsstaatsgrundsätzen, die Verhängung von Berufsverboten für politisch Andersdenkende, die Gesinnungsschnüffelei und Verdächtigungen angeblicher „Sympathisanten" registriert werden. Deshalb liegt es nahe, daß der stellvertretende SPD-Vorsitzende Hans Koschnick die „Beschäftigung mit jenen zwölf Jahren Gewaltherrschaft mehr als nostalgische Selbstbefriedigung" nennt und der sozialdemokratische „Vorwärts" das Sozialistengesetz als „Lehrstück für die Gegen-wart bezeichnet. Und doch tut sich die SPD — abgesehen von einer eher polemischen Form der Auseinandersetzung — schwer, die Parallelen zwischen 1878 und heute zu ziehen.

Denn diese würden neben der Kontinuität einer . rechtslastigen'Agitation auch aufzeigen, daß die Sozialdemokratie als Regierungspartei — wie die Konservativen und Nationalliberalen schon damals — selber der Versuchung zu erliegen scheint, gegenüber radikalen „Systemveränderern" radikal durchzugreifen. Insofern ist die Warnung des ehemaligen SPD-Schatzmeisters Alfred Nau durchaus verständlich: „Freilich gibt es meines Erachtens auch Traditionslinien aus der damaligen Zeit in die Gegenwart, die, wenn sie zu kräftig gezogen werden, in die Irre gehen."

Ziel dieser Veröffentlichung ist es, über die Ursachen und die Folgen des Bismarckschen „Gesetzes gegen die Sozialdemokratie" ausführlich zu informieren — nicht mit den Mitteln einer ausschließlich historischen Darstellung der Zeit von 1878 bis 1890, sondern auch , in der bewußten Absicht, die Spuren und Konsequenzen dieses Gesetzes bis in die Gegenwart hinein zu verfolgen. Denn diese Spuren gibt es noch immer — trotz einer nun fast 30jährigen Tradition einer freiheitlich-demokratischen Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland. Das Sozialistengesetz war Auslöser und ist bis heute Grund dafür, daß die politische Linke in Deutschland diffamiert werden kann wie in keinem anderen demokratischen Staat des Westens, obwohl sie ihre freiheitlich-demokratische Orientierung in den 114 Jahren ihrer Geschichte nicht einmal verraten hat — im Unterschied zu manchen konservativen Kräften.

II. Zwei Attentate und ihre Folgen

Drei Wochen im Frühsommer 1878 haben das innenpolitische Klima in Deutschland von Grund auf verändert: Die Nachfolger der bür-gerlichen Demokraten, die 1848 für liberale Grundrechte auf die Barrikaden gegangen waren, gaben die mühsam erkämpften Prinzipien von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit preis. Im Kampf gegen die erstarkende Arbeiterbewegung schwand die Toleranz, die dem preußischen Königtum nachgesagt worden war. Die Richter unterwarfen sich der Staatsräson. Die politischen Wirkungen dieser drei Wochen und der folgenden zwölf Verbots-Jahre sind noch heute — 100 Jahre später — zu spüren. Trivial waren die Anlässe für diese geistig-politische Klimaveränderung: Am 11. Mai 1878 schoß ein 20jähriger arbeitsloser Klempnergeselle auf den 81jährigen Kaiser Wilhelm I. Der Attentatsversuch blieb ohne Folgen. Der Täter, der sich Max Lehmann oder auch Max Hödel nannte, war schon früh in schlechte Gesellschaft geraten. Der unehelich geborene junge Mann hatte sich mit Diebstählen, Betrügereien und Gelegenheitsarbeiten über Wasser gehalten. 1877 betätigte er sich als Austräger sozialdemokratischer Zeitungen in Leipzig, schloß sich auch der Partei an. Doch wegen Unterschlagung von Abonnementsgebühren verlor er die Stelle bald wieder. Die Partei warnte vor ihm und entzog ihm durch eine Notiz im „Vorwärts“ am 9. Mai 1878 — zwei Tage vor dem Attentat — auch förmlich die Mitgliedschaft. Inzwischen hatte der durch eine Geschlechtskrankheit auch geistig in Mitleidenschaft gezogene Hödel-Lehmann Kontakte zur Christlich-Sozialen Partei des Hofpredigers und Antisemiten Adolf Stöcker geknüpft. Als man ihn ergriff, fand man bei ihm sowohl Mitgliedskarten dieser Partei als auch der Sozialdemokratie.

Alle Fakten sprachen dafür, den Attentatsversuch als Wahnsinnstat eines einzelnen zu werten. In diesem Sinne interpretierte auch nahezu die gesamte Presse den Vorgang, z. B. die bürgerliche Augsburger „Allgemeine Zeitung“: „Selbst die Anzeichen, welche dafür sprechen, daß sich der den deutschen Namen schändende Verbrecher zu den Sozialisten oder Anarchisten zählt, gestatten es kaum, die unter allen Umständen nur anwidernde Tat unter einem politischen Gesichtspunkt zu sehen."

Nationalliberale an die Kette Nur unter dem Gesichtspunkt der politischen Verwertbarkeit sah jedoch Otto von Bismarck, Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident, die fehlgegangenen Schüsse auf den Kaiser. Seine Reaktion kam postwendend: Von seinem Landsitz Friedrichsruh bei Hamburg telegrafierte er an seinen Staatssekretär im preußischen Staatsministerium: „Sollte man nicht von dem Attentat Anlaß zu sofortiger Vorlage gegen Sozialisten oder deren Presse nehmen?"

Bismarck, der seit seinem Amtsantritt als preußischer Ministerpräsident 1862 im Kampf gegen die durch das Parlament symbolisierten Demokratisierungstendenzen in Deutschland reiche Erfahrungen gesammelt hatte, benutzte die Hödel-Schüsse vor allem, um die Nationalliberale Partei an seine Kette legen zu können. 1876 hatte deren mächtige Parlamentsfraktion den Versuch der Regierung vereitelt, durch Verschärfung des § 130 des Strafgesetzbuchs und eine Neuformulierung des § 131 das politische Strafrecht auf alle möglichen Systemgegner auszuweiten. Eine — vorhersehbare — Ablehnung eines Ausnahmegesetzes gegen die Sozialdemokratie werde ihm, so kalkulierte Bismarck, die Chance geben, die Nationalliberalen als Sympathisanten der Sozialdemokratie und damit als Helfershelfer von Terroristen abstempeln zu können.

Ohne dieses taktische Kalkül des Kanzlers zu kennen, rieten ihm seine Minister von einem Ausnahmegesetz ab. Am 13. Mai reiste Landwirtschaftsminister Karl Rudolf Friedenthal nach Friedrichsruh, um Bismarck die Bedenken der Ministerrunde vorzutragen. Statt eines Ausnahmegesetzes solle eine Verschärfung des „gemeinen Rechts“ angestrebt werden. Doch der Kanzler blieb hart und lehnte auch einen weiteren Kompromißvorschlag ab, das von ihm geplante Ausnahmegesetz erst in der Herbst-Sitzungsperiode des Reichstages behandeln zu lassen.

Selbstverständlich setzte Bismarck sich durch: Bereits am 22. Mai, nur elf Tage nach Hödel-Lehmanns Attentatsversuch, wurde der von ihm gewünschte Gesetzentwurf vom Bundesrat verabschiedet, obwohl einige Länderregierungen zunächst Einwände erhoben hatten. Die parlamentarischen Beratungen ließ Bismarck von amtlichen Kommentaren über die angebliche moralische Mitschuld der Sozialdemokratie an der Tat begleiten. So hieß es in einem „Immediatbericht" des preußischen Staatsministeriums: „Selbst über die Grenzen des Reichs hinaus hat die Beunruhigung Platz gegriffen, weil die Tat sich erwies als eine verhängnisvolle Frucht jener sozialdemokrati4) scher Umsturzbewegungen, die sich epidemisch ausbreiten von Nation zu Nation.“

Aus einer internen Sprachregelung des Staatsministeriums dagegen wird ersichtlich, daß sich Bismarcks eigene Beunruhigung in Grenzen hielt. In ihr wurde die eilends zusammengeschusterte Vorlage damit begründet, daß „die Regierung ihre Schuldigkeit (tun) und sich von der Verantwortung für Mangel der Abhülfe (freimachen müsse)" Nicht der Kampf gegen den angeblichen Umsturz war also entscheidend, sondern der Eindruck, den die Regierung in der Öffentlichkeit machte.

Die Kampagne der bismarcktreuen Presse vor allem gegen die Nationalliberalen, die der mangelnden Konsequenz gegenüber der „roten Gefahr" bezichtigt wurden, verfehlte ihre Wirkung nicht: Bei der ersten Fraktionssitzung der 127 Nationalliberalen im Reichstag, in der die Vorlage behandelt wurde, sprachen sich 20 bis 30 Abgeordnete gegen ein striktes Nein zum Ausnahmegesetz aus. Sie wollten zunächst mit Bismarck verhandeln. Parteiführer Rudolf von Bennigsen gelang es, einen Kompromiß durchzusetzen: Ablehnung des Ausnahmegesetzes, doch neue Verhandlungen im Herbst des Jahres über Strafrechtsverschärfungen.

So hatte Bismarck, auch wenn die Vorlage am 24. Mai im Reichstag mit Pauken und Trompeten durchfiel, schon ein Teilziel erreicht. Die Nationalliberalen hatten zu erkennen gegeben, daß sie über Gesetzesvorlagen mit sich reden lassen wollten, die sie zwei Jahre zuvor noch strikt abgelehnt hatten. Die Front der entschiedenen Vertreter der liberalen Grundrechte bröckelte bereits. Am 2. Juni 1878 fiel sie vollends in sich zusammen: Durch Schüsse aus einem Schrotgewehr verletzte der 30jährige stellungslose Landwirt Dr. Karl Nobiling den Kaiser schwer. Auch Nobiling, der nach der Tat einen Selbstmordversuch unternahm, an dessen Folgen er schließlich starb, war eine gescheiterte Existenz. Er pflegte zwar Versammlungen der Sozialdemokratischen Partei zu besuchen, trat dort aber stets als Oppositionssprecher auf. Er selbst bezeichnete sich als der Nationalliberalen Partei nahestehend.

Aber diese Hintergründe interessierten den Reichskanzler auch diesmal nicht. Sein Kanzleichef Christoph von Tiedemann schildert, wie Bismarck die Nachricht von dem zweiten Attentatsversuch aufnahm: „Wie ich auf dem Weg nach der Aumühle aus dem Fried-richsruher Park hinaustrat, gewahrte ich den Fürsten, der von seinen Hunden begleitet, langsamen Schrittes im Sonnenschein über das Feld daherkam ... Er war in heiterster Laune und erzählte von seinen Wanderungen an diesem Tage und von der wohltuenden Wirkung, die die lange Bewegung in der Waldluft auf seine Nerven gehabt habe. Nach einer kleinen Pause sagte ich: , Es sind einige wichtige Telegramme eingelaufen.'Er antwortete in scherzendem Ton: , Sind sie so eilig, daß wir sie hier auf freiem Feld erledigen müssen?'Ich erwiderte: . Leider! Sie enthalten eine empörende Nachricht; es ist wieder auf den Kaiser geschossen worden, und dieses Mal haben die Schüsse getroffen; der Kaiser ist schwer verwundet.'Mit einem Ruck blieb der Fürst stehen. Er stieß in heftiger Bewegung seinen Eichenstock vor sich in die Erde und sagte tief aufatmend ... : , Dann lösen wir den Reichstag auf.'"

Falschmeldung als Wahlkampfauftakt Bismarck sah sich am Ziel: Nach einem Wahlkampf, der nach der Parlamentsauflösung unter dem Vorzeichen der Attentate geführt werden sollte, würde im neuen Reichstag schon eine ihm gefügige Mehrheit zustande kommen. Der Wahlkampf wurde bereits am frühen Morgen nach dem Attentat durch eine Meldung der halbamtlichen Nachrichtenagentur Wolffs Telegraphenbüro mit einer erwiesenen Falschmeldung eröffnet. In ihr hieß es: „Bei einer späteren gerichtlichen Vernehmung hat der Attentäter Nobiling bekannt, daß er sozialdemokratischen Tendenzen huldige, auch wiederholt hier sozialistischen Versammlungen beigewohnt und schon seit acht Tagen die Absicht gehabt habe, den Kaiser zu erschießen, weil er es für das Staatswohl ersprießlich gehalten habe, das Staatsoberhaupt zu beseitigen."

Bereits zum Zeitpunkt der Verbreitung dieser Meldung durch Wolffs Telegraphenbüro, das vertraglich an die preußische Regierung gebunden war, stand fest, daß gerichtsverwertbare Aussagen von dem schwerverletzten Nobiling gar nicht zu erhalten waren. Bei seinen Verhören äußerte er zwar etliche Motive für den Anschlag — zum Beispiel, er habe den liberalen Kronprinzen auf den Thron bringen wollen. Einiges spricht dafür, daß das Bis-marcksche Ministerium selbst Urheber dieser Meldung gewesen ist, die das Signal für eine Kampagne mit doppelter Stoßrichtung gab: Die Sozialdemokraten sollten in eine Verbindung mit dem Umsturz gestellt und die Liberalen verdächtigt werden, mit den „Kaisermördern" gemeinsame Sache zu machen — weil sie angeblich notwendige gesetzliche Maßnahmen ablehnten.

In der gleichermaßen über das Attentat aufgebrachten wie uninformierten Bevölkerung ging Bismarcks Saat jetzt auf. Ein Stimmungsbericht aus Halle: „In der Stadt strömten ungeheure Menschenmassen auf den Straßen auf und ab, und der Marktplatz glich einem Kessel voll erregter Menschen. Die einen beteten, andere sangen: , Nun danket alle Gott'. Andere wußten den Verlauf des Attentats noch nicht genau und fragten ständig: , Ist er tot, ist er tot?'Von allen Kirchen läuteten die Glocken und in förmlicher Verzückung liefen viele mit entblößtem Kopf herum und schlugen in blinder Wut anderen die Kopfbedekkung herunter." Menschen, die lediglich im Verdacht standen, Sozialdemokraten zu sein, wurden gehetzt: „Sie kamen ganz harmlos aus dem Lokal von Rödiger, Große Wall-straße, und waren dabei beobachtet worden. Das Lokal war als ein , rotes'verrufen, und so wurden unsere Leute von einer größeren Menschenmenge verfolgt... Die Genossen wehrten sich zwar mit allen Kräften, mußten aber der von wahnsinniger Wut erfaßten Menge weichen. Diese Tobsuchtsstimmung hielt mehrere Tage an."

Das politische Klima in Deutschland war umgeschlagen. Ignaz Auer, führender sozialdemokratischer Politiker, erinnert sich: „Die der Sozialdemokratie feindliche Presse, die Regierungsorgane an der Spitze, logen und fälschten in einer Weise, wie man es in Deutschland früher nie gekannt." Wissenschaftler verbrämten die Sozialistenhetze mit neuen Thesen — allen voran der Historiker Heinrich von Treitschke, der in jenen Tagen seine Schrift „Der Sozialismus und der Meuchelmord" veröffentlichte. Kernsätze:

— „Eine allmähliche Läuterung der Sozialdemokratie von innen heraus haben wir nie erwartet, denn der Unsinn und die Niedertracht können sich nicht abklären." — „Wir können uns nicht mehr darüber täuschen, die Sozialdemokratie ist der Rute entwachsen, sie ist zu einer Schule des Verbrechens geworden." — „Diese Menschen (die Sozialdemokraten, d. Verf.) trotzen auf die Gewalt der Fäuste, und sie verstehen nur die Sprache der Gewalt." ,

Hetze und Berufsverbote Auf Bismarcks Antrag löste der Bundesrat am 11. Juni den Reichstag auf und setzte die Neuwahlen für den 30. Juli an. In die Wahl-kampffront von Presse und Exekutive gegen die Sozialdemokratie reihten sich wie selbstverständlich viele Unternehmer ein. Bebel schreibt in seinen Erinnerungen: „Bismarck mißbrauchte den gewaltigen Einfluß, den er mit Hilfe des Reptilienfonds auf einen großen Teil der Presse ausübte, um die Bevölkerung zum fanatischsten Hasse gegen die Sozialdemokratie aufzupeitschen. Und dieser Presse schlossen sich alle an, die an einer Niederlage der Sozialdemokratie ein Interesse hatten, insbesondere ein großer Teil der Unternehmerschaft." Der Solinger Besteckfabrikant J. A. Henckels kündigte an: „Diejenigen aber, welche sich fernerhin durch irgendwelche Handlungen noch als Mitglieder der sozialdemokratischen Partei kennzeichnen, werde ich unnachsichtlich entlassen." Die Handelskammer des Bezirks Minden rief am 10. Juli 1878 dazu auf, alle Arbeiter zu entlassen, die sozialdemokratischer Neigungen verdächtig waren, und regte an, „Arbeiterentlassungsscheine" auszustellen, auf denen der Grund für die Kündigung vermerkt sei

Dieser Art von Berufsverbot in der privaten Wirtschaft stand der öffentliche Dienst nicht nach. Bedrückend aktuell wirken die Erlasse des preußischen Handelsministers Albert von Maybach zur Überwachung der Beamten und Arbeiter bei den Bau-und Eisenbahnverwaltungen: Die Regierungspräsidenten, die Landräte und die Vorsitzenden der Eisenbahndirektionen wurden dringend gebeten, sich über die Ergebnisse dieser Überprüfungen auf dem laufenden zu halten. Die preußische Bürokratie funktionierte: In einem dem Oberpräsidenten der Provinz Sachsen vertraulich übermittelten Verzeichnis sind 85 sozialdemokratischer Neigungen Verdächtige aufgeführt, darunter zwei Bahnhofsinspektoren, drei Bahn-meister, eine Reihe von Weichenstellern, Bahnwärtern und Vorarbeitern Die Kampagne zeigte die erwarteten Wirkungen: Als Kandidaten der Nationalliberalen Partei für den neuen Reichstag wurden überwiegend Angehörige des rechten Flügels nominiert, die sich bereits auf eine Zustimmung zum Ausnahmegesetz festgelegt hatten. Aber auch die eher linksliberale Fortschrittspartei blies mit ins Horn der Konservativen: Der Vorsitzende des Berliner „fortschrittlichen Wahl-Komitees“, der Fabrikant C. Keilpflug, unterzeichnete ein Flugblatt mit folgendem Inhalt: „Der sozialdemokratische Schwindel mitsamt seinen Schmarotzerpflanzen ist eine Schmach für das ganze deutsche Volk, berechnet, den kleinen Mann an sich zu locken und die Kluft zwischen Arbeiter und Fabrikant gewissenlos zu erweitern. Die sozialistischen Agitatoren verführen den leichtgläubigen Arbeiter zu ungerechtem Widerstand gegen seinen Arbeitgeber und rauben ihm dadurch das Brot! Keiner aber ist imstande, der hungernden Arbeiterfamilie Arbeit und dadurch Brot zu verschaffen. Darum folgt nicht den Lockungen der vaterlandslosen Zugvögel, sondern jagt sie hinaus aus Berlin, dahin, woher sie gekommen sind."

Obwohl erst der kommende Reichstag das Ausnahmegesetz beschließen sollte, verfuhren Polizei und Justiz so, als sei es bereits in Kraft. Wegen läppischer Äußerungen wurden harmlose Bürger zu langen Freiheitsstrafen wegen „Majestätsbeleidigung" verurteilt. Bei nahezu allen prominenten Sozialdemokraten fanden Haussuchungen und Beschlagnahmungen von Akten und Privatbriefen statt. Einen normalen Wahlkampf konnte die Sozialdemokratische Partei 1878 nicht durchführen. Sie konzentrierte sich auf ihre Schwerpunkt-Wahlkreise. Trotzdem vereinigte sie bei den Wahlen am 30. Juli 437 158 Stimmen auf ihre Kandidaten. Das waren nur knapp 60 000 weniger als 1877. Nach einigen überraschenden Erfolgen bei den Stichwahlen am 6. August konnte sie neun Abgeordnete in den neuen Reichstag entsenden — nur drei weniger als bisher.

Im übrigen erbrachte die „Attentatswahl" die erwarteten Zugewinne für die Deutsche Konservative Partei und die Deutsche Reichspartei (Freikonservative). Beide gewannen — zusammengenommen — 38 Sitze hinzu. Die eindeutigen Verlierer der Wahl waren die liberalen Parteien. Den Fortschrittlern hatte ihr ausschließlich gegen die Sozialdemokratie gerichteter Wahlkampf so wenig genutzt wie den Nationalliberalen die Ankündigung, einer Gesetzesvorlage für ein Ausnahmegesetz zuzustimmen. Das katholische Zentrum hingegen, das seiner bisherigen Haltung treu geblieben war, gewann ein Mandat hinzu.

Die Sitzverteilung im neuen Reichstag zeigt jedoch, daß den Nationalliberalen nach wie vor die Schlüsselrolle zufiel (in Klammern die bisherige Sitzverteilung):

Deutsche Konservative Partei 59 (40) Deutsche Reichspartei (Freikonservative) 57 (38) Nationalliberale 99 (128) Fortschrittspartei 26 (35) Zentrum 94 (93) Sozialdemokraten 9 (12) Sonstige 43 (38)

Schwenk der Nationalliberalen Nachdem der Bundesrat sich die Regierungsvorlage zu eigen gemacht hatte, befaßte sich am 16. September 1878 der Deutsche Reichstag in erster Lesung mit dem Entwurf eines „Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie". Im Gegensatz zu dem ersten Entwurf war dieser gründlich vorbereitet worden. Die Liberalen sollten nicht noch einmal die Möglichkeit erhalten, ihre Ablehnung auf formaljuristische Schwächen der Vorlage zu stützen. Staatsminister Otto Graf von Stolberg, der Stellvertreter Bismarcks, brachte den Entwurf mit einer kurzen Rede ein. Er forderte den Gesetzgeber auf, der Exekutive wirksamere Waffen gegen die sozialdemokratischen Umtriebe in die Hand zu geben: „Wenn der Staat solche wirksamen und scharfen Mittel in Anwendung bringt, dann handelt er meines Erachtens nicht allein im Interesse der Selbsterhaltung, sondern zugleich im Interesse der Bevölkerung selbst, namentlich der arbeitenden Bevölkerung, die jetzt vor allem den Verführungen der sozialdemokratischen Bewegung ausgesetzt ist."

Zum Hauptgegner der Vorlage aus dem bürgerlichen Lager wurde in der ersten Lesung der Zentrumsabgeordnete Peter Reichensperger, neben Ludwig Windthorst der führende Kopf der starken katholischen Fraktion. Reichensperger befürchtete eine willkürliche Ausweitung des vorgesehenen Gesetzes auch auf andere politische Gruppierungen: „Je nachdem die Strömungen des Augenblicks laufen, je nachdem oppositionelle Stellungen hier und da Platz greifen, würde das Wort . Reichsfeinde', was ja auch schon so gräßlich grassiert und so viel Schaden herbeigeführt hat, auch hier Platz greifen. Also meine Herren, der Bundesrat darf es mir nicht verübeln und auch meinen Freunden nicht, wenn wir zu dergleichen Eventualitäten nicht die Hand bieten. Wir können und wollen nicht in dieser Weise unter dem Titel eines Ausnahme-gesetzes alle Freiheiten gefährden.“

Die Zentrumsfraktion hatte allen Grund zu befürchten, daß bei einem neuen Schwenk Bismarckscher Politik auch die politisch organisierten Katholiken wieder als „Reichsfeinde" verfolgt würden. Denn eben erst war Bismarck dabei, die Katholiken aus dieser Rolle zu entlassen. Die bewußte Spaltung des politischen Spektrums in „staatstreue“ Kräfte und „Reichsfeinde" machte einen entscheidenden Teil von Bismarcks Herrschaftstechnik aus. Der Historiker Hans-Ulrich Wehler beschreibt diesen Aspekt: „Er (Bismarck, d. Verf.) machte sich den uralten sozialpsychologischen Gegensatz von , in-group‘ und , out-group‘ zunutze und stilisierte innere Konflikte derart um, daß er eine Mehrheit von . reichstreuen'Elementen gegen eine Minderheit von . Reichsfeinden'führen konnte. Welfen, Groß-deutsche, Elsaß-Lothringer, Dänen und Polen waren für diese Kategorie der Reichsfeinde ohnehin prädestiniert, konnten aber je für sich schwerlich die Vorbedingung einer gravierenden Bedrohung erfüllen. Daher wurden der politische Katholizismus, der parlamentarische Liberalismus, die Sozialdemokraten, die freisinnigen Juden als die eigentlichen . Reichsfeinde'aufgebaut."

August Bebel, der anerkannte Führer der kleinen sozialdemokratischen Parlamentsfraktion, benutzte die Tribüne des Reichstags, um die gegnerischen Machenschaften aufzudekken und die Öffentlichkeit über den vergangenen Wahlkampf aufzuklären: „Man hat uns in einer Weise verfolgt, die an die dunkelsten Zeiten des Mittelalters erinnert. Wie man im Mittelalter religiös Andersgläubige ... verfolgte, so hat man im letzten Viertel des neunzehnten Jahrhunderts einen allgemeinen Hetzkrieg gegen die Sozialdemokraten als politisch Andersgläubige ... in Szene gesetzt. Man hat die Männer sozialdemokratischer Gesinnung aus Arbeit und Brot geworfen und ihnen die Existenz abzuschneiden versucht, man hat sie beschimpft und verleumdet, für ehr-und rechtlos erklärt.“ Doch Bebel hielt sich nicht mit Klagen auf. In der für die Sozialdemokratie jener Zeit typischen Zukunftsgläubigkeit schleuderte er der Reichstagsmehrheit entgegen: „Sie könnten uns gar nicht besser nützen, als durch Annahme des Gesetzes, denn Tausende und Abertausende, die heute noch keine Sozialdemokraten sind, werden es dann sicher werden.“

Nach der ersten Lesung bildete der Reichstag eine aus 21 Abgeordneten bestehende Kommission zur weiteren Beratung der Vorlage. Die betroffenen Sozialdemokraten waren in ihr nicht vertreten. Zehn Sitzungen lang bemühten sich die acht Vertreter der Opposition — einschließlich des Nationalliberalen Eduard Lasker — um Abschwächung der Vorlage. Ihm vor allem gelang es, eine zeitliche Begrenzung sowie einige andere Neuformulierungen durchzusetzen

Der Reichskanzler, dem schon die Bundesratsvorlage nicht weit genug gegangen war, beobachtete die Kommissionsverhandlungen mit Mißtrauen. Er zog die Notbremse: Er ließ die nationalliberale Fraktion durch Artikel in ihm nahestehenden Blättern unter Druck setzen. Entweder rücke man von Lasker ab oder man riskiere erneute Neuwahlen. Diese Drohung führte zum Ziel. Die Nationalliberalen, die eine weitere Wahlniederlage befürchten mußten, wiedersetzten sich von nun an allen weiteren Änderungswünschen Laskers. Ihr Fraktionsvorsitzender Rudolf von Bennigsen handelte ohne Wissen seiner Parteifreunde mit Bismarck ein Kompromißpapier aus und präsentierte es der überrumpelten Fraktion als nicht weiter veränderbar.

Obwohl bei den weiteren Beratungen die Konservativen einige Abmilderungen der Vorlage wieder rückgängig machten, hielt sich die gesamte nationalliberale Fraktion an die Absprache ihres Vorsitzenden mit Bismarck. Ohne Ausnahme stimmte sie am 19. Oktober 1878 für das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie", das „Sozialistengesetz". Nur die Sozialdemokraten, die Fortschrittler und das Zentrum sowie einige Vertreter von Minderheiten — insgesamt 149 von 370 anwesenden Abgeordneten — lehnten die Vorlage ab. Eduard Lasker, der sein Gewissen durch einen Appell an die Regierung besänftigen wollte, die durch das Gesetz „gezogenen Grenzen loyal anzuerkennen" wurde am nächsten Tag von der — damals noch liberalen — „Frankfurter Zeitung" mit dem Kommentar bedacht: „Herr Lasker hat mit dem gestrigen Tag aufgehört, ein liberaler Politiker zu sein."

Vor der Schlußabstimmung nannte der Sozialdemokrat Wilhelm Liebknecht die eigentlichen Motive des Sozialistengesetzes beim Namen: „Schlagen Sie zu, aber verleumden Sie nicht fünfhunderttausend deutsche sozialdemokratische Wähler, verleumden Sie nicht eine Million deutsche Reichsbürger, die durch die Motive dieses Gesetzes zu Meuchelmördern und zu Mitschuldigen gestempelt werden! Sagen Sie, meine Herren, da auf der rechten Seite: Wir hassen die Sozialdemokratie, weil sie zu demokratisch ist, und Sie (zu den 1 Nationalliberalen, d. Verf.), weil sie sozialistisch ist, weil sie unsere Klasseninteressen bedroht ... Haben Sie den Mut, die wahren Motive zu erklären, und klagen Sie uns nicht einer Schuld an, die nicht besteht."

Am 21. Oktober unterzeichnete der Kronprinz in Vertretung des noch an seinen Schußverletzungen genesenden Kaisers das Gesetz, das damit rechtskräftig wurde. Es untersagte der Sozialdemokratie praktisch alle Aktivitäten, mit Ausnahme der Beteiligung an Wahlen und der parlamentarischen Arbeit: Paragraph 1: „Vereine, welche durch sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische Bestrebungen den Umsturz der bestehenden Staats-oder Gesellschaftsordnung bezwecken, sind zu verbieten." Versammlungen, „öffentliche Festlichkeiten und Aufzüge" die denselben Zwecken dienten, waren aufzulösen, entsprechende Druckschriften zu verbieten. Besondere Bedeutung erlangte bald der Paragraph 28 des Gesetzes, nach dem Personen, „von denen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu besorgen ist", aus bestimmten Regionen ausgewiesen werden konnten. Das Gesetz galt zunächst nur bis zum 31. März 1881. Doch es wurde viermal verlängert. Und jedes Mal bröckelte die Front der Gegner weiter ab. Auch Fortschrittler und Zentrumsabgeordnete stimmten den Folgegesetzen zu.

III. Die Sozialdemokratie unter dem Ausnahmegesetz

Die zwölf Jahre, in denen die deutschen Sozialdemokraten unter dem Sozialistengesetz in der Illegalität leben mußten, prägten die Partei wohl stärker als irgendeine andere Periode ihrer Geschichte. In dieser Zeit wurde die bis heute zu beobachtende Tendenz geformt, konservative Strategie mit Anpassung zu unterlaufen— oder es jedenfalls zu versuchen. Die absolute Festlegung der Sozialdemokraten auf den Parlamentarismus vollzog sich in den Jahren 1878 bis 1890 ebenso wie die Fixierung auf strenggläubiges Legalitätsdenken. Nicht zuletzt begann die Partei — als Konsequenz ihres kompromißlosen Bekenntnisses zum Parlamentarismus — in dieser Zeit den Anspruch zu den Akten zu legen, allein und ausschließlich Vertreterin der Arbeiterklasse zu sein. Sie wollte die politische Macht auf dem parlamentarischen Wege erreichen, mußte infolgedessen ihre Klientel ausweiten, um die Mehrheit erreichen zu können. Dabei lag es nahe, daß sie ihre neue Zielgruppe in jenen linken Demokraten sah, die 1849 gemeinsam mit den Sozialdemokraten auf den Barrikaden gestanden hatten: das aufgeklärte Bürgertum, die Intellektuellen, die selbständigen Handwerksmeister. Die wohl folgenschwerste Entwicklung, zu der in der Zeit des Sozialistengesetzes der Grund gelegt wurde, ist jedoch die erzwungene Entfremdung der politisch bewußten Arbeiterschaft vom Staat, ihre Isolierung innerhalb der Gesellschaft.

Mit Anpassung gegen Repressionen Die vielen Warnzeichen in den Wochen vor der Verabschiedung des Sozialistengesetzes hätten die Sozialdemokraten eigentlich in Alarmstimmung versetzen müssen, denn niemand hatte ernstlich daran gezweifelt, daß Bismarck das Gesetz letztlich durchsetzen würde. Der strategische Fehler der führenden Sozialdemokraten lag jedoch darin, daß sie davon ausgingen, das Gesetz werde nur kurze Zeit in Kraft bleiben. Solange aber könne man den Kopf einziehen. Uber die Zeit „danach“ aber machte man sich wenig Gedanken — eine Situation, die sich 1933 unter schrecklicheren Vorzeichen wiederholen sollte.

Kurz vor der Endabstimmung über das Sondergesetz waren der Parteivorstand, ein Teil der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion sowie Delegierte aus Berlin, Leipzig, Braunschweig, Barmen, Chemnitz und Kiel in Hamburg zusammengekommen, um über die Strategie in den bevorstehenden Wochen und Mo-naten zu beraten. Der Generalnenner, auf den sich die Konferenzteilnehmer einigten, war: Man wollte abwarten, wie lange das Gesetz in Kraft bliebe, mit welcher Konsequenz es angewendet, in welcher Form trotz des Gesetzes politische Arbeit möglich sein würde — dann erst sollte eine Strategie der Partei festgelegt werden.

Doch in die Beratungen platzte die Ankündigung des Parteikassierers August Geib, der de facto die Position des Parteivorsitzenden ausübte, er wolle sein Amt niederlegen. Darüber hinaus schlug Geib vor, die Partei noch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes aufzulösen, dieses den Behörden offiziell mitzuteilen und damit dem Verbot zuvorzukommen. „Es gab zwischen uns und Geib eine lebhafte Auseinandersetzung", erinnerte sich August Bebel an die dramatische Hamburger Konferenz. „Es wurden die verschiedensten Vorschläge gemacht, wie man ihm seine Tätigkeit erleichtern könne. Er blieb aber bei seinem Vorsatz." Die Delegierten waren nach der Ankündigung Geibs wie gelähmt. Bebel gehörte zu den wenigen, die entschlossen gegen eine derart resignative Reaktion auf das bevorstehende Verbot Front machten. Er beschwor die Konferenz, „es sei doch ein Ding der Unmöglichkeit, daß die Partei keinen Zentralpunkt mehr habe, an den sich die Genossen in ihren Nöten um Rat wenden könnten" Vergeblich! Die Mehrheit der Delegierten stimmte Geib zu, die Auflösung wurde beschlossen und den Parteimitgliedern durch eine Notiz im Parteiorgan „Vorwärts“ mitgeteilt.

Doch die Mitgliedschaft hielt den Auflösungsbeschluß lediglich für eine geschickte taktische Finte. Sie wurde bald eines anderen belehrt: „Die Genossen an den verschiedenen Orten, welche die Erklärung des Vorstandes vom 19. Oktober für ein Deckungsmanöver genommen hatten, mußten sich allzubald überzeugen, daß es dem Vorstand bitterer Ernst mit seiner Erklärung gewesen war" schreibt Ignaz Auer.

In Hamburg wurde noch ein zweiter, für diese Phase typischer Beschluß gefaßt: Angesichts der zu erwartenden Schließung sozialdemokratischer Redaktionen beschloß man, „anstelle der unterdrückten neue Blätter zu gründen, die sich dem Gesetz anzubequemen versuchten" Die honorige, aber unpolitische Begründung für diesen Anpassungsbeschluß: Man wollte damit den zahlreichen Mitarbeitern der Partei und ihrer Presse Lohn und Brot sichern. Dementsprechend erschien im „Vorwärts" am Tage des Inkrafttretens des Gesetzes eine Notiz, in der die Zeitung ankündigte, daß sie sich „auf den Boden des Ausnahmegesetzes stellen und die . sozialdemokratischen, sozialistischen oder kommunistischen, auf den Umsturz der bestehenden Staats-und Gesellschaftsordnung gerichteten Bestrebungen, die in einer den öffentlichen Frieden, insbesondere die Eintracht der Bevölkerungsklasse gefährdende Weise zu Tage treten'(§ 1 des Ausnahmegesetzes), resp.derartig durch die Polizei gedeutet werden könnten, sorgsamst vermeiden werde"

Der Anpassungskurs erwies sich als zwecklos: Bis zum 30. Juni 1879 wurden insgesamt 127 periodische und 278 nichtperiodische Druckschriften der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften verboten. Ein Großteil hatte sich — entsprechend dem Hamburger Beschluß — vor dem Verbot selbst aufgelöst. Der „Vorwärts" wurde trotz seiner Ankündigung, die vom Gesetz gezogenen Grenzen zu beachten, ebenso eingestellt wie die zahlreichen blut-und inhaltsleeren Blätter, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gegründet und in.denen sozialdemokratische Drucker, Setzer und Redakteure beschäftigt wurden.

August Bebel war in dieser Zeit der Motor der verbotenen Partei. Er unterstützte die wenigen zaghaften Wiederaufbauversuche, widersetzte sich dem Anpassungskurs und kritisierte noch in seinen Erinnerungen, in denen er so viele Ereignisse geschönt hat, daß es in der Anfangsphase unter dem Sozialisten-gesetz in der Parteiführung „mehr Marodeure und Hasenfüße (gab), als uns lieb war“ daß „auch in den Massen, namentlich in den mittleren und kleineren Orten, vielfach Niedergeschlagenheit und Tatenlosigkeit" herrschte.

Am 28. November 1878 war es mit der Niedergeschlagenheit und Tatenlosigkeit der Partei vorbei: Im „Reichsanzeiger" wurde an diesem Tag verkündet, daß über Berlin der kleine Belagerungszustand verhängt worden war. Die Illusionen, denen sich die Mehrheit der sozialdemokratischen Parteiführer hingegeben hatten, zerstoben mit einem Schlage, die Hoffnungen auf eine liberale Handhabung, auf ein augenzwinkerndes Sich-Verständigen waren vorbei. Bei den Beratungen im Reichstag hatte die Regierung — vor allem aufgrund der Bedenken der Liberalen — ausdrücklich zugesichert, daß der § 28 des Sozialistengesetzes nur angewendet werden sollte, „wo ganze Bezirke oder Ortschaften durch die sozialdemokratischen Agitatoren so unterwühlt sind, daß das allgemeine Bewußtsein von der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden der Bürger gestört ist, daß man erwarten kann, die öffentliche Sicherheit werde durch irgendwelche gewalttätige Ausbrüche gefährdet oder gestört werden"

Diese Kautschuk-Formulierungen mußten herhalten, um die Verhängung des Belagerungszustandes abzudecken, als Kaiser Wilhelm I. in pompösen Aufzug nach Berlin heimgeholt wurde, nachdem er von seiner Verwundung durch das Nobiling-Attentat genesen war. 67 Sozialdemokraten wurden aufgrund des § 28 des Sondergesetzes sofort aus Berlin ausgewiesen, die meisten von ihnen waren Familienväter! oft blieb ihnen nur eine 24stündige Frist zur Abreise.

Die Gruppe sozialdemokratischer Parteiführer um August Bebel und Wilhelm Liebknecht wurde durch die Verhängung des . kleinen'Belagerungszustands in ihren Warnungen vor einem Anpassungskurs bestätigt. Sie waren es auch, die nach der Verhängung des Belagerungszustandes den Abwehrkampf der Sozialdemokratie organisierten. Das sofort von ihnen gegründete Komitee zur Unterstützung der Ausgewiesenen und ihrer Familien, dessen Zentralstelle in Leipzig war, übernahm de facto die Aufgabe des Parteivorstandes. Der Erfolg der Arbeit Bebels und Liebknechts war unerwartet groß: Allein an Geldmitteln gingen vom Tag der Verhängung des Belagerungszustandes bis zum 1. August 1880 in Leipzig 37 310 Mark ein. Uber die Summen, die von den lokalen Unterstützungskomitees gesammelt wurden, kann man nur Vermutungen anstellen.

So bedeutungsvoll die Arbeit des Unterstützungskomitees innerparteilich auch war, wichtiger für die Partei war der Stimmungsumschwung, der nach dem Erlaß des Ausnahme-gesetzes zu verzeichnen war: „Die infamen Lügen aus Anlaß der Attentate hatten in weiten Kreisen des Volkes eine den Sozialdemokraten sehr ungünstige Stimmung erzeugt. Mit der Proklamation des . Kleinen'und den daraufhin erfolgten Ausweisungen trat in dieser Beziehung ein vollständiger Umschwung ein", registrierte Ignaz Auer. „Ein gewisses Gefühl der Scham bemächtigte sich auch solcher Kreise, die von dem Verdacht sozialdemokratischer Gesinnung absolut frei wa-ren." Selbst bürgerliche Abgeordnete spendeten bei den Sammlungen für verfolgte Sozialdemokraten, darunter auch Eduard Lasker, „dem sehr bald das Gewissen wegen seiner Zustimmung zum Gesetz schlug"

Als am 28. Oktober 1880 über Hamburg und Umgebung, am 27. Juni 1881 über Leipzig, am 25. Oktober 1882 über Harburg und schließlich am 20. Mai 1886 auch noch über die Stadt Spremberg, die Gutsbezirke Slamen und Hein-richsfeld, am 16. Dezember 1886 über Frankfurt (Main), Hanau, den Kreis Höchst und den Obertaunuskreis, am 11. Februar 1887 über Offenbach und am 14. Februar 1887 über Stettin, Grabow und Altdamm der Belagerungszustand verhängt wurde, war die resignative Anpassungsphase der Partei längst vorüber. Sie hatte den aktiven Wiederaufbau der zerschlagenen Organisation begonnen und die Arbeit im Reichstag — die einzige Möglichkeit, legal öffentlich zu wirken — als Waffe in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gestellt.

Parlamentarismus als Bekenntnis Es hatte in der Anfangsphase unter dem Sozialistengesetz in der Sozialdemokratie eine lebhafte Debatte darüber gegeben, ob man die gesetzliche Möglichkeit, sich an Wahlen zu beteiligen, nutzen solle oder nicht. Die Positionen gingen quer durch die Partei. Es gab eine anarchistische Strömung, die sich um die Abgeordneten Johann Most und Wilhelm Hasselmann gruppierte. Sie lehnten die Beteiligung an Wahlen ab, propagierten zunehmend die terroristische Einzeltat anstelle der politischen Aktion. Eine zahlenmäßige einflußreiche Gruppe plädierte zwar für die Teilnahme an den Wahlen, forderte jedoch bei der Arbeit im Parlament Mäßigung, um keinen Anlaß zum Einschreiten und zum Verlust auch noch dieser Möglichkeit legaler Aktivität zu bieten. Der Flügel um Bebel und Lieb-knecht schließlich setzte sich dafür ein, jede Möglichkeit zur Selbstdarstellung bei den Wahlen zu nutzen, um jede Stimme zu kämpfen, um in die Parlamente zu kommen, um die Stellung der Reichstagsfraktion zu stärken. Der Reichstag, so formulierte Bebel, sei für die verbotene Soizaldemokratie die „Tribüne, von der wir zu den Millionen sprechen können, ein Agitationsmaterial, wie wir es uns nicht großartiger denken können" Bebel definierte aber auch, wo für ihn die Grenzen parlamentarischer Arbeit lagen: „Höher als das Mandat stehen mir meine Grundsätze, die ich nie und unter keinen Umständen verleug-nen werde." Diese rigorose Auffassung wurde allerdings nicht von der Gesamtfraktion geteilt In einem Brief an Liebknecht urteilte Bebel bitter, einige sozialdemokratische Abgeordnete hätten „ihren proletarischen Ursprung vergessen. Das Reichstagsmandat befriedigt ihren Ehrgeiz und ihre Eitelkeit, sie sehen sich mit großer Selbstbefriedigung unter den , Auserwählten der Nation'... Dem praktischen Leben sind sie entfremdet und wissen nicht, wie es darin aussieht." Sie hätten jeglichen Kontakt zur Basis verloren und entzögen sich deren Kontrolle, merkte Bebel weiter an.

So blieben die innerfraktionellen Konflikte nicht aus, vor allem nachdem der erste Parteitag der Sozialdemokraten unter dem Gesetz, der vom 20. bis 23. August 1880 auf Schloß Wyden in der Schweiz nach zahlreichen Tarnungsmanövern abgehalten werden konnte, beschlossen hatte, daß die Reichstagsfraktion mit der Parteiführung beauftragt werden sollte und daß die Teilnahme an Reichstags-, Landtags-und Kommunalwahlen notwendig sei.

Mit der Entscheidung, die Reichstagsfraktion offiziell mit der Parteiführung zu betrauen, war der Konflikt vorprogrammiert: Zwar waren die Anarchisten Most und Hasselmann in Wyden aus der Partei ausgeschlossen worden — und ihre Anhängerschaft ging immer mehr zurück. Die Gruppe derer, die — auch und gerade in der Fraktion — bereit waren, um des schieren überlebens willen selbst Grundsatz-positionen aufzugeben, war jedoch noch immer stark.

Das Forum, auf dem die inneren Auseinandersetzungen ausgetragen wurden, war der „Sozialdemokrat", im September 1879 als Exilorgan der Partei in Zürich zum ersten Mal erschienen, auf dem Wydener Kongreß in den Rang des offiziellen Parteiorgans erhoben. Die Redaktion des Blattes lag — nach einem einjährigen Gastspiel des bayerischen Sozialdemokraten Georg von Vollmar — in den Händen von Eduard Bernstein, über dessen Wirken Engels nach dem Erscheinen von fünf von ihm verantworteten Ausgaben befriedigt urteilte: „Das Blatt wird nicht mehr abwiegeln, wenn es so bleibt, sondern den Leuten in Deutschland zur Ermutigung dienen."

Die Auflage des Blattes stieg von Anfangs 2 700 auf über 10 000 Exemplare im Jahre 1890. Woche für Woche wurde die in Deutschland verbotene Zeitung auf zum Teil abenteuer-42) liehen Wegen nach Deutschland geschmuggelt. Für den Vertrieb war Julius Motteler verantwortlich, der bald den bewundernden Beinamen „Roter Feldpostmeister" erhielt. Selbst die kaiserliche Yacht wurde zum Transport des Exilorgans nach Deutschland „mißbraucht". In seiner Abschiedsausgabe 1890 schrieb der „Sozialdemokrat" voll Genugtuung: „Nichts ist der roten Feldpost heilig."

In den Spalten des „Sozialdemokrat“ entbrannten bald die scharfen Richtungskämpfe der Fraktion, die an Themen wie etwa Zollpolitik, Beteiligung an Wahlen, der Militarismusfrage ausgetragen wurden. Eine der heftigsten Fehden entzündete sich am Streit um die Dampfersubvention. Die Reichsregierung hatte Ende 1884 eine Vorlage eingebracht, die die Subvention privater Dampferlinien nach Asien, Afrika und Australien mit 5, 4 Millionen Mark Steuergeldern vorsah. Die Regierung hatte die Notwendigkeit dieser Riesenausgabe u. a. mit dem Hinweis begründet, durch den Bau der zur Einrichtung der Dampferlinien notwendigen Schiffe würden bei den deutschen Werften Arbeitsplätze gesichert. Auch die Unterhaltung der Dampfer-linien würde später dauerhafte Arbeitsplätze schaffen. Schließlich — dies gehörte allerdings nicht zur offiziellen Version — war die deutsche Industrie zum Absatz ihrer Produkte damals, in einer Zeit wirtschaftlicher Depression und ungenutzter Produktionskapazitäten, auf die Erschließung neuer Märkte dringend angewiesen.

Die Mehrheit der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion votierte für die Zustimmung zur Dampfersubvention, da das 5, 4-Millionen-Pro-jekt deutschen Arbeitern Lohn und Brot bringe, außerdem aber auch der Förderung des internationalen Verkehrs diene. Starke Pressionsversuche der gewerkschaftlichen Vertretungen der Schiffszimmerleute unterstützten die Fraktionsmehrheit. Auch die Gewerkschaften sahen in dem Projekt ausschließlich ein Mittel zur Eindämmung der hohen Arbeitslosenquote im Schiffsbaugewerbe.

Gegen diese Argumentation machten vier Abweichler der sozialdemokratischen Fraktion Front: August Bebel, Wilhelm Liebknecht, Karl Hugo Rödiger und Karl Wilhelm Stolle lehnten die Vorlage entschieden ab, da sie ihrer Ansicht nach die Bismarcksche KolQnialpolitik unterstützte, deren Risiken für die deutsche Wirtschaft ihnen zu unabwägbar schienen. Auf die Spitze getrieben wurde die Auseinandersetzung, als der „Sozialdemokrat" zugunsten der vier Abweichler eingriff: Das offizielle Parteiorgan wurde mit einer Beilage verschickt, in der die Basis in Deutschland gegen die Haltung der Fraktionsmehrheit mobilisiert wurde. Damit bot sich der Fraktionsmehrheit ein Ventil: Sie konnte ihren gesammelten Zorn auf das Haupt des verantwortlichen Redakteurs, Eduard Bernstein, laden und den Schwenk in der Sache ohne Gesichtsverlust vorbereiten. Die Forderungen, die die Mehrheit an ihre Bereitschaft zur Zustimmung geknüpft hatte, waren, so signalisierten ihr Regierungskreise, für die Regierung unannehmbar. Damit hatte sich die Argumentation der Abweichler durchgesetzt, die sozialdemokratische Fraktion lehnte die Dampfersubventionen in der dritten Lesung geschlossen ab. Die Diskussion um die Befugnisse des Parteiorgans „Sozialdemokrat“ war jedoch damit nicht abgeschlossen. Engels notierte: „Wie die Sachen stehen, stehn jetzt . Fraktion und Redaktion'sich als gleichberechtigte Mächte gegenüber.“ Und Bernstein gab er den Rat: „Wäre ich Redakteur des . Sozialdemokrat', so würde ich von Redaktions wegen die Fraktion wirtschaften lassen, wie sie wollte, d. h. im Reichstag, die Kritik hierüber den Parteigenossen überlassen."

Bernstein folgte dem Ratschlag. Der „Sozialdemokrat" wurde immer mehr zum Sprachrohr der Gruppe um Bebel und Liebknecht, die die entschlossenere Auseinandersetzung mit Bismarck — aber auch mit den Liberalen — und einen entschiedeneren Kurs der Partei forderten. Ihnen gegenüber stand der Flügel um Ignaz Auer und Wilhelm Blos, der immer noch taktieren und sich anpassen wollte. Doch zu diesem Zeitpunkt war Bebels Ansehen in der Partei bereits so stark angewachsen, daß er zur zentralen Figur geworden war und der Partei organisatorisch und programmatisch seinen Stempel aufdrücken konnte.

Kampf mit allen Mitteln Nur auf den ersten Blick ist es ein Widerspruch, daß die Partei in dieser Zeit und nach dem entschiedenen Bekenntnis zum Parlamentarismus im Oktober 1880 beim Wydener Kongreß eine Programmänderung vornahm: Künftig, so beschlossen die Delegierten, sollte es heißen, der Kampf um die sozialistische Gesellschaft werde „mit allen Mitteln" geführt; das Wort „gesetzlich" wurde gestrichen. In der Praxis bedeutete dies nur, daß die Partei sich zwei Jahre nach dem Erlaß des Gesetzes entschlossen hatte, die Konsequenzen aus dem Verbot jeder legalen Tätigkeit — bis auf die Arbeit im Parlament — zu ziehen. Sie bekundete damit auch formal ihren Willen, den Parteiapparat trotz des Gesetzes wiederaufzubauen.

Die Programmänderung von Wyden wurde und wird vielfach so ausgelegt, als ob diese Entscheidung die Absage der Sozialdemokratie an den Rechtsstaat gewesen sei. Daß dies nicht so war, wird sehr deutlich, wenn man sich die Debatte um den Terrorismus vor Augen führt, die in Wyden geführt wurde. Johann Most war sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter. Als das Sozialistengesetz in Kraft trat, wurde er — gemeinsam mit Wilhelm Hasselmann — zum Sprecher des radikalen Parteiflügels, der nicht Anpassung, sondern Kampf forderte. Sein Motto: „Nicht umsichtige Taktik unter dem Sozialistengesetz, sondern schlaue Taktik gegen dasselbe ist nötig und auch zu ermöglichen.“ Gerade bei überzeugten Sozialdemokraten in der Berliner Arbeiterschaft stieß Most mit diesen Tönen auf offene Ohren. Seine Anhänger-schar wuchs, vor allem nachdem er — als einer der ersten Berliner Ausgewiesenen — im Exil eine Zeitung mit dem Titel „Die Freiheit" gegründet hatte, die täglich aus dem Ausland nach Deutschland eingeschmuggelt wurde. Dieses Blatt unterschied sich von den saft-und kraftlosen Anpassungsblättern durch seine entschiedene, kämpferische Sprache. Die Auflage stieg, bis Most — der innerhalb der Parteiführung in die Isolierung geraten war, weil er keinen taktischen Überlegungen mehr zugänglich war und alle Abmachungen brach — immer extremere Positionen verfocht. Sein Kurs, das wurde sehr schnell deutlich, mußte zur Parteispaltung führen. Schlichtungsversuche blieben ergebnislos. So wurde er ebenso wie Hasselmann in Wyden aus der Partei ausgeschlossen. Sein Weg führte ihn in eine immer stärkere Isolierung und Radikalisierung. Schließlich forderte er in der inzwischen auflagenschwachen „Freiheit" offen zum individuellen Terror auf, lieferte Anleitungen zum Bombenbau und publizierte immer wieder Pläne über angebliche Verschwörungen.

Da es Bismarcks Taktik von Anfang an gewesen war, die Sozialdemokratie mit Mord und Terror in Verbindung zu bringen, nutzten er und die ihm verbundenen Zeitungen derartige extreme Äußerungen immer wieder, um die Sozialdemokratie mit ihnen zu belasten. So blieb die Terrorismusdebatte in der Sozialdemokratie aktuell. 1887 formulierte der Parteitag in St. Gallen noch einmal deutlich, daß nach Ansicht der Sozialdemokraten die anarchistische Gesellschaftstheorie antisozialistisch sei.

Nach dem Fall des Gesetzes zog Bebel noch einmal den eindeutigen Trennungsstrich: „Ohne mich auf eine theoretische Darlegung der Unterschiede zwischen Sozialdemokratie und Anarchismus einzulassen, konstatiere ich die Tatsache, daß sich in allen Kulturstaaten die Anhänger beider Richtungen auf das feindlichste gegenüberstehen ... Die Anarchisten sind im Grunde genommen die konsequenten, ins Extrem gehenden Ausläufer der bürgerlichen Liberalen, mit deren Weltanschauung sie vieles gemeinsam haben.“ Das Ziel der Sozialdemokratie sei „die Eroberung der politischen Macht, um mit deren Hilfe die soziale Umgestaltung durchführen zu können, d. h. eine soziale Organisation zu schaffen, die auf der vollen Gleichberechtigung und Gleichverpflichtung aller beruht." Vor diesem Hintergrund wird verständlich, daß die Partei den Wydener Beschluß keineswegs als Absage an die Gesetzlichkeit verstehen konnte. Sie vollzog vielmehr eine Doppelstrategie: Sie wollte auch durch ihr Programm legitimiert sein, die Partei in der Illegalität weiterzuführen und gleichzeitig die legalen Mittel — die Arbeit im Parlament — zur Arbeit in der Öffentlichkeit nutzen. Deshalb wurde in Wyden außerdem der Beschluß gefaßt, sich konsequent an allen Wahlen zu beteiligen.

Neue Wählerschichten Der Wiederaufbau der zerschlagenen Partei-organisation vollzog sich von Ort zu Ort unterschiedlich. Waren es zunächst Gesangs-, Sport-und Geselligkeitsvereine, die unter dem Deckmantel des vergnüglichen Vereinslebens als Tarnorganisationen fungierten, so entstand Anfang der achtziger Jahre sehr schnell die sogenannte „Innere Organisation". Wie sie aussah, hing von den örtlichen Gegebenheiten ab. So gab es z. B. in Hamburg eine Achter-kommission, die drei ihrer Mitglieder zum örtlichen Parteivorstand wählte. Die Achter-kommission bestimmte für die einzelnen Stadtgebiete Vertrauensleute, die wiederum Distriktführer wählten. Aus den Reihen der Distriktführer kamen schließlich die Bezirks-führer. Ähnlich war die Struktur in anderen Großstädten. Allen Organisationsformen gemeinsam war zwangsläufig das sorgfältige Bemühen, die Kontakte der einzelnen Parteigliederungen untereinander so gering wie möglich zu halten. Die Mitglieder der verschiedenen Kommissionen und Vorstände waren jeweils nur dem engsten Kreis derer bekannt, für die sie zuständig waren. So konnte die Zahl derer, die . aufflogen', wenn die Polizei auf ihre Tätigkeit aufmerksam wurde, klein gehalten werden.

Zwischen der geheim arbeitenden „inneren Organisation" und der Reichstagsfraktion kam es gelegentlich zu heftigen Spannungen. Die Fraktion wollte die „innere Organisation“ entmachten. Diesen immer wieder auflebenden Versuchen widersetzte sich Bebel entschieden. „Die innere Organisation muß vor allen Dingen respektiert werden, denn diese hat allein die richtigen Prinzipien der Sozialdemokratie“, erklärte er 1886

Daneben bestanden die Geselligkeitsvereine weiter; sie erfuhren unter dem Sozialistengesetz sogar einen ungeheuren Aufschwung: Die Arbeiter antworteten auf die Isolierung, in die sie durch das Gesetz getrieben worden waren, damit, daß sie sich bewußt in eine Subkultur zurückzogen, in der sie eigene Zeitungen, Vereine, Hilfsund Sterbekassen sowie Bildungseinrichtungen hatten — und damit immer stärker von der bürgerlichen Gesellschaft isoliert wurden.

Parallel zur Sozialdemokratie entwickelte sich in diesen Jahren rasch die Gewerkschaftsbewegung: 1885 hatten die gewerkschaftlichen Hilfskassen bereits 730 000 Mitglieder (Ende 1880: 60 000). Der Zulauf zu Partei und Gewerkschaft war so groß, daß Ignaz Auer konstatieren konnte: „Wenn früher besoldete Agitatoren im Lande herumgeschickt werden mußten, um für die Prinzipien des Sozialismus zu wirken, so wurden diese jetzt durch die ausgewiesenen Arbeiter reichlich ersetzt . .. Sie wurden jetzt zu Agitatoren und warben um Sympathien für die Sozialdemokratie unter Arbeitern, die vorher von der Existenz dieser Partei keine Ahnung hatten .. . Die Ausweisungen, anstatt die Sozialdemokratie zu schwächen, (stärkten) dieselbe nur und führten ihr immer neue Rekruten zu." Diese neuen „Rekruten" kamen auch aus Schichten, die der Sozialdemokratie bis dahin verschlossen geblieben waren: aus den Reihen der Intellektuellen und der selbständigen Handwerker sowie aus Kreisen kleinerer Bauern und der Landarbeiter. Die Erschließung dieses Potentials für die Partei wurde systematisch in Angriff genommen, nachdem der Parteitag von Kopenhagen 1883 beschlossen hatte, die Öffentlichkeitsarbeit der Partei bewußt auf neue Zielgruppen abzustellen. So wurde die Vertrauenswerbung bei den Frauen verstärkt, Bauern und Landarbeiter wurden gezielt angesprochen. Auch die Kasernen wurden zum Objekt sozialdemokratischer Zielgruppenarbeit. Das bürgerliche Potential sollte durch die Ansprache von Studenten und Intellektuellen erschlossen werden.

Daß die Partei mit dieser Strategie erfolgreich war, zeigen die Wahlergebnisse: 1881 — bei der ersten Reichstagswahl unter dem Gesetz — erhielt sie 312 000 Stimmen, 1884 waren es bereits 550 000, 1887 763 000 und 1890 — im letzten Jahr des Gesetzes — schließlich 1 427 000. Damit war die deutsche Sozialdemokratie zur wählerstärksten Partei in Deutschland geworden — wenn auch Wählerstimmen bei dem damals geltenden Wahlsystem kein Indikator für parlamentarische Repräsentation waren: Die Einteilung der Wahlkreise war so ungerecht, daß z. B. im ländlichen Wahlkreis Schaumburg-Lippe 6 723 Stimmen zur Wahl eines Abgeordneten ausreichten, während im industriellen Arnsberg-Bochum 43 693 Stimmen erforderlich waren. So reichten die über 1, 4 Millionen Wählerstimmen 1890 nur zu 35 von 397 Abgeordnetensitzen.

Bismarcks Zielsetzung, die Sozialdemokratie mit dem Parteiverbot zu vernichten, war fehl-geschlagen. Ebenso enttäuscht wurde seine Absicht, die Arbeiter durch die Sozialgesetzgebung, die er Anfang der achtziger Jahre ins Parlament einbrachte, auf seine Seite zu ziehen.

Die Motive für die Sozialgesetzgebung hatte Bismarck offen genannt: In der Begründung des Unfallversicherungsgesetzes wurde zugegeben, daß sie Ergebnis des Versprechens in der Debatte um das Sozialistengesetz war, die Sozialdemokratie auch durch positive Maßnahmen zum Wohle der Arbeiter zu bekämpfen. Konsequent definierte Bismarck die Sozialgesetze auch als eine „Weiterentwicklung der Form, welche der staatlichen Armenpflege zugrunde liegt“

Doch die politisch bewußte Arbeiterschaft war damit ebensowenig zu gewinnen wie mit der von Bismarck unterstützten Gründung regierungstreuer sozialdemokratischer Splitter-gruppen. Sie erteilte Bismarck eine Absage. Wie entschieden diese Absage war, wurde Bismarck 1889 noch einmal mit aller Deutlichkeit demonstriert: Allein im bis dahin zentrumstreuen Ruhrgebiet traten 90 000 Bergarbeiter in den Streik; insgesamt befanden sich fast 150 000 Kumpel im Ausstand. Ihre Forderungen: Lohnerhöhung, Achtstundentag, Abbau von Sonderschichten, Zulassung von Arbeiterausschüssen. Die Streikwelle war jedoch nicht auf diesen Berufsstand beschränkt. Zwischen dem 1. Januar 1889 und dem 1. April 1890 streikten in Deutschland in 1 131 Arbeitskämpfen fast 400 000 Arbeiter. Die Streiks wurden zum größten Teil blutig niedergeschlagen —• die Wählerstimmen für die Sozialdemokraten in den Industriegebieten stiegen weiter.

Als 1890 das Sozialistengesetz fiel, weil im Reichstag keine Mehrheit mehr für eine Verlängerung zu bekommen war, war jedoch die Kette der Versuche, die Sozialdemokratie per Verbot zu vernichten, nicht vorüber. Auch in den folgenden Jahren versuchten konservative Kräfte in Deutschland immer wieder, die politisch-inhaltliche Auseinandersetzung mit ihr durch das Parteiverbot zu ersetzen. Der SPD-Parteivorsitzende Herbert Wehner vertrat 1978 in einem Interview sogar die Ansicht, daß „wir heute wieder an eine Stelle gekommen sind, in der man dieser Partei soviel vorzuwerfen versucht, daß sie jedenfalls faktisch für das Urteil des durchschnittlichen Mitbürgers und der Mitbürgerin ausgeschlossen ist aus den Reihen derer, in deren Hände mitgelegt werden kann oder gelegt werden kann ... die Regierung unseres Staates.“ Das wäre eine Fortsetzung des Sozialisten-gesetzes mit anderen Mitteln.

Auf der anderen Seite führte der andauernde Versuch der Konservativen, die Sozialdemokratie als staatsfeindlich zu verleumden, zu politischen Entscheidungen der Partei, die vor allem der Rechtfertigung gegen diesen ständigen Verdacht dienten: Der „Burgfrieden" vom August 1914, die Unentschlossenheit der Mehrheitssozialdemokratie in der Revolution von 1918 und beim Aufbau der ersten deutschen Republik, die Anpassungsversuche eines Teils der SPD-Führung selbst gegenüber Hitler 1933 finden hier eine Erklärung. Und auch heute, da die SPD seit zwölf Jahren im Bund und viel länger in etlichen Bundesländern (mit-) regiert, ist Bismarcks Stachel immer noch spürbar: Allzuoft verzichtet die SPD auf eine klare Haltung gegenüber Versuchen, Rechtsstaatsprinzipien aufzuweichen, gegenüber Versuchen, die Partei pauschal oder Teile von ihr als staatsfeindlich zu diffamieren, gegenüber Versuchen, soziale Errungenschaften wieder abzubauen. So verstanden, ist das Sozialisten-gesetz auch ein „Lehrstück für die Gegenwart".

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vorwort zu Karl-Ludwig Günsche/Klaus Lantermann, Verbieten, aussperren, diffamieren, Köln/Frankfurt 1978, S. 9.

  2. Vorwärts-Sonderausgabe, Sept. 1978, S. 100 f.

  3. Rede zur Ausstellungseröffnung am 4. 9. 1978, hektograf. Manuskript.

  4. Allgemeine Zeitung vom 14. 5. 1878, zit. nach Ursula Schulz (Hrsg.), Die deutsche Arbeiterbewegung 1848— 1919 in Augenzeugenberichten, München 1976, S. 215 f.

  5. Zit. nach Wolfgang Pack, Das parlamentarische Ringen um das Sozialistengesetz 1878— 1890, Düsseldorf 1961, S. 30.

  6. Zit. nach Paul Kampffmeyer, Unter dem Sozialistengesetz, Berlin 1928, S. 165.

  7. Ebd., S. 23.

  8. Christoph von Tiedemann, Aus sieben Jahrzehnten, Bd. 2, Berlin 1909, S. 262 f.

  9. Weser-Zeitung, Extra-Ausgabe, 3. 6. 78; zit. nach Ursula Schulz, a. a. O„ S. 217; vgl. auch W. Pack, a. a. O., S. 54 f.

  10. Paul Kampffmeyer, a. a. O., S. 176.

  11. Ebd. S. 177.

  12. Ignaz Auer, Nach zehn Jahren, Materialien und Glossen zur Geschichte des Sozialistengesetzes, Nürnberg 1913, S. 55.

  13. Heinrich von Treitschke, Der Sozialismus und der Meuchelmord, Berlin 1878, S. 638 ff.

  14. August Bebel, Aus meinem Leben, Berlin 1930, Bd. 2, S. 414.

  15. Zit. nach Günther Bergmann, Das Sozialistengesetz im rechtsrheinischen Industriegebiet, Hannover 1970, S. 22.

  16. Vgl. Paul Kampffmeyer, a. a. O., S. 50.

  17. Ebd. S. 49.

  18. Zit. nach Eduard Bernstein, Geschichte der Berliner Arbeiterbewegung, Berlin 1907 ff., Bd. I, S. 385.

  19. Vgl. Heino Kaack, Geschichte und Struktur des deutschen Parteiensystems, Opladen 1971, S. 50 f.

  20. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages, Berlin 4. Legisl. -Periode, I. Session, Bd. 1, S. 30.

  21. Ebd. S. 31 f.

  22. Hans-Ulrich Wehler, Das deutsche Kaiserreich 1871— 1918, Göttingen 1973, S. 96 f.

  23. Sten. Berichte, 4/1/1, S. 39 f.

  24. Ebd.

  25. Vgl. dazu W. Pack, S. 91 ff.

  26. Sten. Berichte, 4/I/I, S. 355 ff.

  27. Zit. nach W. Pack, S. 111.

  28. Sten. Berichte, 4 I/I, S. 342 ff.

  29. Zit. nach W. Pack, S. 259.

  30. Ebd. S. 260.

  31. A. Bebel, a. a. O„ S. 17.

  32. Ebd. S. 18.

  33. I. Auer, a. a. O., S. 95.

  34. Bebel, a. a. O., S. 19.

  35. Vorwärts Nr. 125, 21. 10. 1878.

  36. A. Bebel, a. a. O., S. 21.

  37. Ebd. S. 22.

  38. Zit. nach A. Bebel, a. a. O., S. 28.

  39. I. Auer, a. a. O., S 101.

  40. A. Bebel, a. a. O., S. 27.

  41. Zit. nach Dieter Fricke, Die deutsche Arbeiterbewegung 1896— 1914, Berlin 1976, S. 515.

  42. Ebd. S. 521.

  43. Ebd. S. 551.

  44. Helmut Hirsch (Hrsg.), Eduard Bernsteins Briefwechsel mit Friedrich Engels, Assen 1970, S. 15.

  45. Der Sozialdemokrat vom 27. 9. 1890 (Abschieds-ausgabe).

  46. Hirsch, a. a. O., S. 321.

  47. Ebd.

  48. Zit. nach K. -A. Hellfaier, Die deutsche Sozialdemokratie während des Sozialistengesetzes 1878 bis 1890, Berlin 1958, S. 48.

  49. Zit. nach Iring Fetscher, Terrorismus und Reaktion, Köln/Frankfurt 1977, S. 128.

  50. Ebd.

  51. D. Fricke, a. a. O., S. 165.

  52. I. Auer, a. a. O., S. 101.

  53. Zit. nach Heinrich Potthoff, Die Sozialdemokratie von den Anfängen bis 1945, Bonn-Bad Godesberg 1974, S. 41.

  54. Interview mit Radio Bremen, 2. 6. 1978, in: Informationen der Sozialdemokratischen Fraktion im Deutschen Bundestag, Nr. 584/78.

Weitere Inhalte

Karl-Ludwig Günsche, geb 1941, Studium der Germanistik, Psychologie und Zeitungswissenschaft; politischer Redakteur in Bonn. Klaus Lantermann, Dipl. -Politologe, geb. 1942, Studium der Publizistik und Politologie in Bonn und Berlin; Redakteur beim Deutschen Depeschen Dienst (ddp). Gemeinsame Veröffentlichungen: Kleine Geschichte der Sozialistischen Internationale, Bonn-Bad Godesberg 1977; Verbieten, aussperren, diffamieren. Hundert Jahre Sozialistengesetz und verwandte Praktiken, Köln/Frankfurt (Main) 1978.