Problementfaltung und Erläuterung der Vorgehensweise
Der Begriff . Soziales Lernen'ist gängige Münze geworden. Wenn er mehr als ein Modebegriff sein soll, muß er mit Substanz gefüllt werden; dies ist verschiedentlich versucht worden Für eine theoretische Klärung haben diese Versuche sicher ihren Sinn gehabt, ob sich damit aber irgend etwas an der Alltags-praxis in den Schulen geändert hat, muß bezweifelt werden. Mehr Wirkung werden da schon Handlungsanweisungen bzw. -Vorschläge haben, die als Rahmenrichtlinien oder Richtlinien den Lehrern in die Hand gegeben werden und durch ihren amtlichen Charakter evtl. Schubkraft entwickeln.
Die Frage ist, mit welchem Bezugssystem man eine Analyse dieser Richtlinien vornehmen kann. Eine additive Nebeneinanderstellung der Richtlinienaussagen wäre zwar möglich, bedeutete aber keine Analyse. Für diese erscheint es notwendig, das Bezugssystem des Analysierenden aufzudecken, um dem Leser nachvollziehbar zu machen, welches , Netz über die Fänge'geworfen wird und was demzufolge im Netz auch nur hängen bleiben konnte. Im folgenden Abschnitt wird das . Netz'beschrieben, mit dem anschließend die Richtlinien analysiert werden sollen.
Theorie sozialen Lernens — Bezugssystem für die Analyse
Unter sozialem Lernen wird bewußt initiiertes, organisiertes und in seinem gesellschaftlichen Zusammenhang reflektiertes Lernen von Verhaltensweisen, Einstellungen und Handlungsbereitschaften wie -kompetenzen gegenüber, gegen oder mit einzelnen, Gruppen und Institutionen verstanden Mit dieser Definition ist also Lernen gemeint, das auf eine Kultivierung der Sozialbeziehungen zielt, das an einer Aufklärung über Störfaktoren von Kommunikationen bzw. gruppendynamischer Prozesse interessiert ist, das Kooperation zwischen Individuen und in Gruppen möglich macht. Es ist ebenfalls an ein Lernen gedacht, das kompetent macht, Interessen individueller oder kollektiver Art zu artikulieren, durchzusetzen gegenüber anderen Gruppen und gegenüber Institutionen.
Soziales Lernen im Rahmen einer emanzipatorischen Erziehungsund Unterrichtspraxis wird die notwendig einzugehenden Bindungen an Normen und die Notwendigkeit, Verpflichtungen einzugehen, bewußtzumachen versuchen, mit dem Ziel, beteiligte Individuen an der Weiterentwicklung gesetzter, voll oder nur bedingt anerkannter Normen zu interessieren und zu engagieren. Dort, wo Bindungen und Beschränkungen eingegangen werden müssen (in der Familie, in der Schule, im Betrieb, in der Freundesgruppe, im Verein, in der Partei, in der Hochschule, in der Kirche, in der Kommune), sind Gleichheit und Gegenseitigkeit in der Bestimmung der einzuhaltenden Normen, Spielregeln, der einzugehenden Verpflichtungen und zu übernehmenden Aufgaben anzustreben
Der Beziehungsaspekt müßte sich an der leitenden Idee symmetrischer Kommunikation orientieren und soziales Lernen also Lernende wie Lehrende in Prozesse hineinziehen, die ständig symmetrische Kommunikation anstreben. Da symmetrische Kommunikation als auf Gleichheit und Gegenseitigkeit angelegte In-Herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung, Berliner Freiheit 7, 5300 Bonn/Rhein.
Leitender Redakteur: Dr. Enno Bartels. Redaktionsmitglieder:
Paul Lang, Dr. Gerd Renken, Dr. Klaus W. Wippermann.
Die Vertriebsabteilung der Wochenzeitung DAS PARLAMENT, Fleischstr. 61— 65, 5500 Trier, Tel. 06 51/4 61 71, nimmt entgegen — Nachforderungen der Beilage „Aus Politik und Zeitgeschichte";
— Abonnementsbestellungen der Wochenzeitung DAS PARLAMENT einschließlich Beilage zum Preis von DM 12, 60 vierteljährlich (einschließlich DM 0, 72 Mehrwertsteuer) bei Postzustellung;
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Die Veröffentlichungen in der Beilage, „Aus Politik und Zeitgeschichte" stellen keine Meinungsäußerung des Herausgebers dar; sie dienen lediglich der Unterrichtung und Urteilsbildung. teraktion zwischen Individuen und Gruppen zu verstehen ist, gleichzeitig aber Störungen (kommunikative Mißverständnisse hinsichtlich des Rollenverständnisses, emotionale Befindlichkeiten, kommunikative Inkompetenz)
ständig diese behindern, ergibt sich für soziales Lernen der weite Aufgabenbereich der Entwicklung sozialer Sensibilität, Kooperationsfähigkeit und politischer Handlungsfähigkeit Der Inhaltsaspekt muß die individuellen wie gesellschaftlichen Voraussetzungen des angestrebten sozialen Verhaltens thematisieren, er muß die Aktionsfelder sozialen Verhaltens (zwischenmenschliche Varianten wie Freundschaft, Liebe, Sexualität, gruppenorientierte Aufgaben, politische Aktionen u. a. m.) wie deren Bedingungen behandeln, und er muß die Zielperspektiven, die Chancen, sie anzustreben, und die dabei zu bewertenden Konsequenzen analytisch zu erfassen versuchen. Man könnte auch von prozeßorientierten und produktorientierten Aspekten sozialen Lernens sprechen.
Diesen Erkenntnissen lassen sich folgende Fragen zuordnen:
1. Welche erzieherischen Zielvorstellungen werden im Hinblick auf welche Vorstellungen über den Menschen formuliert? Wird der sich von ungerechtfertigten Zwängen emanzipierende Mensch, der gleichzeitig bewußt und bereitwillig notwendige Bindungen und Verpflichtungen eingeht, explizit gewünscht?
2. Welche Lernverhältnisse werden als die wünschenswerten beschrieben? Werden überhaupt Aussagen über den Beziehungsaspekt organisierten Lernens gemacht?
3. An welchen Inhalten werden Fragen sozialen Lernens thematisiert? Mit welchen Lehrintentionen werden sie behandelt, in welchem zeitlichen Umfang?
4. Werden der Beziehungs-und Inhaltsaspekt auf die gesellschaftlichen wie individuellen Bedingungen bezogen und ergeben sich praktische Konsequenzen (Handlungsdimension), oder ist eine sterile, folgenlose unterrichtliche Behandlung intendiert?
Da zu vermuten ist, daß Richtlinien bzw. Lehrpläne allgemeine Intentionen formulieren und dann an einer Stelle spezieller Fragen sozialen Lernens behandeln, wird ihr Text in seiner Gesamtheit zu analysieren sein. Im folgenden wird eine Übersicht über die Inhalte der Rahmenrichtlinien, Richtlinien und Lehrpläne für die hier zur Rede stehenden Fragen gegeben; anschließend werden sie ei-ner Analyse unterzogen. Die Inhaltsübersicht stellt insofern eine Analyse dar, als sie unter den formulierten Fragen erstellt wird.
Soziales Lernen in den Rahmenrichtlinien, Richtlinien oder Lehrplänen der Länder
Baden-Württemberg Textgrundlage für die folgenden Ausführungen ist der Entwurf der vorläufigen Arbeitsanweisungen für Sachunterricht in der Grundschule vom Juni 1975.
Danach hat der Sachunterricht in der Grundschule das allgemeine Ziel, ausgehend von anregungsreichen Lernsituationen die Handlungsfähigkeit der Kinder zu erweitern. Dafür werden vier Intentionen näher erläutert: eine sachliche, eine soziale, eine kommunikative und eine kulturelle Intention. Alle vier Intentionen sind für soziales Lernen relevant:
Nach der ersten geht es darum, Erscheinungen und Zusammenhänge der Lebenswirklichkeit in überprüfbarer Weise erfassen, erklären und beurteilen zu können; nach der zweiten sollen die Schüler Erscheinungen und Prozesse ihrer Lebenswirklichkeit im sozialen und politischen Bezugsrahmen erfassen und in sozialen Situationen bewußt entscheiden und handeln können; nach der dritten sollen sie sich mit anderen verständigen und durch Medien übermittelte Informationen verstehen können; nach der vierten sollen sie Erscheinungen und Zusammenhänge der Lebenswirklichkeit in übergreifenden gesellschaftlich-kulturellen Zusammenhängen sehen und verstehen können.
Die Inhalte des Sachunterrichts werden in Erfahrungs-und Handlungsbereiche gegliedert. In den Erfahrungsbereichen Luft, Wasser, Schall, Licht, Wärme, Bewegung, Magnetismus, elektrischer Strom, Umwelt I, Wetter, Pflanzen, Tiere, Mensch werden die Schüler herausgefordert und dazu geführt, Erlebnisse und Beobachtungen, die sie in ihrer Umwelt machen, in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen und auszulegen.
In den Handlungsbereichen Erziehung, Wohnen, Freizeit, Arbeit, Dienstleistung/Verwal-tung, Politik/Offentlichkeit, Umwelt II, Massenmedien, Konsum soll den Kindern in ständigem Bezug auf das eigene Handeln gezeigt werden, wie man innerhalb vorgegebener Ordnungen nach übernommenen Verhaltens-mustern mit anderen Personen und mit Dingen umgeht und wie verschiedene menschliche Bedürfnisse durch gesellschaftliche Einrichtungen in jeweils besonderer Weise versorgt, zum Teil auch erzeugt werden.
Die Lehr-und Lernverfahren sollen den Schüler aktivieren (Prinzipien der Anschauung, der Erlebnis-und Erfahrungsnähe, des Handlungsbezugs, der Ganzheitlichkeit); der Lehrer soll häufiger Anreger, Partner und Berater im Unterricht sein. Felderkundungen, Fallanalysen, Projekte, Rollen-und Planspiel werden als zusätzliche Verfahren zur Erschließung von Handlungsbereichen genannt.
Die Erfahrungsund Handlungsbereiche tauchen im Lehrplan als Themen wieder auf, die nach Schuljahren aufgegliedert werden. Den Themen werden Ziele allgemeingehaltener Art zugerechnet. Dazu Beispiele für das Thema , Erziehung': . Kennenlernen der Schule als Institution organisierten Lernens', . Sich der Rolle des Kindes als Schulanfänger bewußt werden', . Familie als Lebensgemeinschaft erkennen', . Erkennen, daß Sanktionen Mittel sind, um das Einhalten von Ordnungen, Regeln und Gesetzen zu sichern'.
Bayern Textgrundlage für die folgenden Ausführungen ist der Lehrplan für die Grundschule (1. bis 4. Jahrgangsstufe), veröffentlicht im Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, Nr. 9/1971.
Schichtenspezifisch bedingte Rückstände, vor allem im sprachlichen und im übrigen kulturellen Standard sowie in der Lernmotivation, sollen abgebaut werden. Die allgemeinen Aufgaben werden so formuliert: — die Beherrschung elementarer Kulturtechniken; — die Erarbeitung eines für die weiterführenden Schulen unentbehrlichen Bestands an Wissen, Verhaltensweisen und Arbeitsformen, insbesondere das Anbahnen und Festigen einer bewußten Lernhaltung sowie üben und Verstehen kooperativer Lebensformen; — der planmäßige Übergang von einem zunächst überwiegend anschaulichen zu einem mehr abstrahierenden Denken; — die Förderung von Sensibilität und Kreativität, besonders auch in musischen Grunderfahrungen.
Nach der Stundentafel werden dem Sachunterricht in den ersten beiden Schuljahren je drei, im 3. und 4. Schuljahr je vier Stunden zugewiesen. Dieser Sachunterricht der Grundschule soll die Kinder zu sachgemäßer Auseinandersetzung mit den Gegenständen ihres Erfahrungsraumes führen. Der Unterricht soll abwechslungsreich, handlungsbetont sein, alle Sinne beanspruchen, zum Gedankenaustausch zwischen den Kindern und zu einfallsreichem, produktivem Denken führen. Er gliedert sich in die fachlichen Bereiche Sozial-und Wirtschaftslehre, Geschichte, Erdkunde, Biologie, Physik/Chemie auf.
Die Sozial-und Wirtschaftslehre geht von den mitmenschlichen Erfahrungen aus, die das Kind in Familie und Spielgruppe, in Schule und weiterem Lebenskreis gewinnt. Entsprechend der Bedeutung ökonomischer Tatbestände in der Umwelt des Kindes werden wirtschaftliche Fragen einbezogen. Folgende Aufgaben werden besonders hervorgehoben: — Kenntnis einfacher sozial und wirtschaftlich bedeutsamer Tatsachen;
— Einführung in soziale und wirtschaftliche Beziehungen und Abhängigkeiten;
— Einsicht in die Bedeutung menschlicher Grundbedürfnisse und deren Befriedigung durch Güter und Dienstleistungen;
— erstes Verständnis für Konflikte und Schwierigkeiten im Zusammenleben der Menschen und für andere soziale Probleme, die dem Kind in seinem Lebenskreis begegnen.
Da die Sozial-und Wirtschaftslehre an Erfahrungen des Kindes anknüpft, sind Unterschiede in den sozialen Erfahrungen und in schichtenspezifischen Bedingungen zu berücksichtigen. Die Inhalte werden so dargestellt, daß zu zwei verbindlichen Lehraufgaben Themenvorschläge für alle vier Jahrgangsstufen geordnet werden.
Erste verbindliche Lehraufgabe:
Die Stellung des einzelnen gegenüber dem Mitmenschen, gegenüber den Institutionen in der Gesellschaft und dem organisierten Zusammenleben. Auseinandersetzung mit Interessen und Interessenkonflikten, mit den geltenden Ordnungen, mit der Spannung von Anpassung und Behauptung — verantwortliches Handeln. Themenvorschläge dafür sind: die Familie; in der Schule; Nachbar und Nachbarschaft; der Fremde; unsere Schule; Kinder als Partner; Aufgaben, die Familie und Nachbarschaft nicht leisten können, z. B. Wohnungsbau, Gesundheitsvorsorge, Wasserversorgung, Post und Bahn u. a.; Gewählte als Vertreter vieler anderer; das Schulwesen; Mitmenschen mit anderer Sprache, Hautfarbe, Religion und Lebensweise.
Zweite verbindliche Lehraufgabe:
Erkenntnis, daß menschliche Bedürfnisse durch Arbeit zu befriedigen sind. Berufe aus dem Lebenskreis des Kindes, Grundfragen der Produktion, der Güterverteilung, der Dienstleistungen und des Konsums in einer marktorientierten Industrie-Gesellschaft. Freizeit als Angebot und Aufgabe. Themenvorschläge dafür sind: Bedürfnisse und Arbeiten in der Familie; Berufsbilder aus der Umwelt des Kindes; Einkäufen und Verkaufen; Möglichkeiten der Produktion (Handarbeit, Maschinenarbeit, Fabrikproduktion); der Wandel in der Wirtschaft; erweiterte Freizeit.
Berlin Textgrundlage für die folgenden Ausführungen sind die Rahmenpläne für Unterricht und Erziehung in der Berliner Schule, herausgegeben vom Senator für Schulwesen 1970. Für alle Schulstufen bzw. -arten werden ausführlich zwölf Grundsätze entwickelt, die hier nur in knapper Weise wiedergegeben werden können:
— Die Berliner Schule ist eine einheitlich angelegte Schule für die gesamte Jugend.
— Förderung jedes Jugendlichen ist die vordringlichste Aufgabe der Schule.
— Mündigkeit und lebenslanges Lernen sind vorzubereiten.
— Mitmenschliche Verantwortung und faire wie rationale Konfliktlösung sind Erziehungsziele. — Zum Selbstverständnis und zur Selbstverwirklichung der Kinder und Jugendlichen ist beizutragen.
— Selbstverständnis ist nicht möglich ohne Weltverständnis.
— Die Schule muß auch Leistungsschule sein.
— Schule muß wissenschaftsorientiert sein.
— Zur Selbstverwirklichung des Menschen gehört seine Bewährung im Beruf.
— Politische Bildung soll Information, demokratische Lebensweise und aktive Teilnahme vermitteln.
— Die Schule muß durch die Pflege persönlicher Interessen und Neigungen zur Freizeit erziehen.
— Die Schule muß ein enges Verhältnis zu anderen Institutionen gewinnen (Kirchen, Jugendpflege u. a. m.).
Die 6jährige Grundschule hat zu sachbezogener Arbeitshaltung, Rollendistanz, sachbezogenem Gespräch, Kooperation, Selbstbeurteilung, Beherrschung der Kulturtechniken, zur Orientierung in der gegenwärtigen Umwelt, zu einer Fremdsprache, zu bildnerischem Darstellen, zum Musizieren und zum Sport zu führen.
Innerhalb des vorfachlichen Unterrichts der Schuljahre 1— 4 (17— 21— 25— 27 Wochenstunden), aus dem jeweils nur eine sehr begrenzte Zahl von Fachstunden ausgegliedert werden sollen, spielt die sog. Sachkunde mit fünf Aspekten (dem technisch-physikalischen, dem biologischen, dem erdkundlichen, dem geschichtlichen und dem sozialkundlichen) eine zentrale Rolle.
Bei der Behandlung sozialkundlicher Unterrichtsgegenstände soll das Verhältnis des einzelnen Menschen zum Mitmenschen, zur Gesellschaft und ihren Teilbereichen geklärt werden.
Die Themen mit Unterthemen sind:
1. und 2. Klasse A Kind und Schule Leben und Arbeit in der Klasse — Verhalten in der Gruppe — Orientierung und Verhalten auf dem Schulgrundstück — Anpassen an eine notwendige Ordnung — Umgang mit Sachen Aufgaben und Zuständigkeiten des Schulpersonals Verhalten auf dem Schulweg B Kind und Familie Der Tagesablauf Die Verwandten C Das Kind als Fußgänger im Straßenverkehr Der sichere Schulweg Allein unterwegs Besondere Gefahren im Straßenverkehr D Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel E Das Kind und die Menschen in seiner Umgebung 3. und 4. Klasse A Die Schule Klassen-und Schulordnung Aufgaben und Zuständigkeiten der Erwachsenen in der Schule Schüler mit besonderen Aufgaben Gemeinschaftsaufgaben in Gruppe, Klasse und Schule Der einzelne Schüler in der Klasse Die Berliner Schule B Als Radfahrer im Straßenverkehr Das verkehrssichere Fahrrad Mit dem Fahrrad unterwegs C Arbeitswelt und Wirtschaft Berufe In einem Handwerksbetrieb Auf einer Baustelle Der Handel D Vom Geld Geld als Tauschmittel — Arbeit und Geld — Sparen — öffentlicher Haushalt E öffentliche Einrichtungen Feuerwehr — Gesundheitswesen — Polizei — Post F Informationsquellen und Kommunikationsmittel Bücher — Schriften — Zeitung,. Zeitschrift — Rundfunk und Fernsehen G Freizeit H Die Verwaltung des Bezirkes und Berlins J Zur Zeitgeschichte Berlins Berlin 1945 — Viersektorenstadt Berlin — Berlin 1948 — Berlin 1961 — Die Verbindungswege Bremen Textgrundlage für die folgenden Ausführungen ist der Lehrplan für die Grundschule von 1961. Nach diesem Lehrplan umfaßt die bremische Grundschule das 1. — 6. Schuljahr. Beim Abschluß der Grundschule soll jeder Schüler — die elementaren Fertigkeiten beherrschen, — über einen aus der heimatlichen Umgebung gewonnenen Wissenschatz verfügen, der seiner Begabung entspricht, — der Entwicklungsstufe gemäß zu selbständiger Arbeit fähig sein, — sich in seine Gemeinschaft einfügen können, — bereit sein, sich musisch und sportlich zu betätigen.
Die beiden ersten Schuljahre müssen als Einheit gesehen werden. Der Unterricht entnimmt seine Stoffe der Welt des Kindes und beschäftigt sich mit Menschen, Tieren, Pflanzen, Dingen und Vorgängen in Haus und Schule, auf der Straße, im Garten und bei der Arbeit.
Der Sachunterricht im 3. und 4. Schuljahr beginnt mit dem Sammeln und Ordnen der Erscheinungen in der Umwelt des Kindes. Der Schüler soll dem Unterrichtsgegenstand unmittelbar begegnen und seine Kräfte und Fertigkeiten bei der Arbeit daran üben. Dabei gewinnt er erdkundliche und biologische Grundbegriffe und soziale Grunderfahrungen. Der Lehrplan enthält verbindliche Themen, die jede Schule ergänzen sollte. Verbindliche Themen sind:
für das 3. Schuljahr: Rund um die Schule (Einführung in den Stadtplan);
für das 3. und 4. Schuljahr: Ein Haus wird gebaut. Unsere Straße. Bei der Feuerwehr. Auf dem Postamt. Nachtschicht. Auf dem Bahnhof. An der Weser. Im Park, im Wald. Im Garten. Auf dem Felde. Der Arzt kommt;
für das 4. Schuljahr: Unser Stadtviertel (Einführung in den Heimatatlas). Die Geest. Die Marsch. Das Moor.
Der Sachunterricht im 5. und 6. Schuljahr gliedert die Stoffe nach den üblichen Fächern. Dabei treten Geschichte, Erdkunde, Biologie und Naturlehre auf.
Hamburg Textgrundlage für die folgenden Ausführungen sind die Richtlinien und Lehrpläne der Freien und Hansestadt Hamburg, Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung, Bandl: Grundschule (Kl. 1— 4), die zum 1. 2. 1974 für die Dauer einer Erprobungsphase verbindlich geworden sind.
Grundsätzliche Ausführungen sagen aus, daß die Ziele des Grundschulunterrichts bedingt sind durch die Bedürfnisse der Kinder dieses Alters, durch die Erfordernisse des individuellen und des gesellschaftlichen Lebens sowie durch die Erkenntnisse der Wissenschaft.
Selbstvertrauen, Lernfreude und Kreativität, die Fähigkeit des Kindes zu rationaler Orientierung und zur Zusammenarbeit mit anderen Menschen sollen gestärkt bzw. angebahnt, werden.
Spielen, freie Arbeit des einzelnen Kindes, Unterrichtsgespräch und Gruppenarbeit sind neben gezielten aufgabenorientierten Lehrgängen die wichtigsten Aktivitäten und Formen, in denen das Kind in der Grundschule lernt.
In allen Bereichen der Grundschule, insbesondere bei der Partner-und Gruppenarbeit sowie beim Verwirklichen gemeinsamer Projekte, sollen soziale Verhaltensweisen herausgefordert, geübt und gestärkt werden. Dazu gehören: — Regeln miteinander festlegen und einhalten, — sich beteiligen an einem Vorhaben, — mit einem Partner und mit mehreren Schülern der Gruppe zusammenarbeiten, — gemeinsam planen, — Rücksicht nehmen auf die anderen; nicht immer alles allein oder nur das Interessanteste tun wollen, — neue Mitglieder in die Gruppe aufnehmen wollen und integrieren, — die eigenen und die Fähigkeiten der anderen erkennen, anerkennen und in der Gruppe einsetzen, — Konflikte erkennen, ertragen und lösen, — Kompromisse schließen, — seine eigenen berechtigten Interessen sowohl dem Interesse der Gruppe oder einer Sache unterordnen als gegebenenfalls auch gegen Widerstände vertreten, — Regeln kritisch bedenken und gegebenenfalls neue Regeln erfinden, — Vorurteile erkennen und abbauen, — Folgen des eigenen Handelns und der eigenen Forderungen für sich und für die anderen voraussehen und berücksichtigen.
Die Richtlinien für den Sachunterricht beschreiben diesen als einen Lernbereich mit drei Teilbereichen:
— Natur — Gesellschaft — Technik.
Besonders wichtig sind im Sachunterricht das freie Arbeiten, das Lernen durch Entdecken, die Gruppenarbeit, der Epochen-und Projekt-unterricht sowie die Teamarbeit.
Die zur Verfügung stehende Zeit für den Sachunterricht (im 3. Schj. z. B. 5, im 4. Schj. 6 Stunden wöchentlich) sollen im Verhältnis 1: 1: 1 auf die Teilbereiche Natur — Gesellschaft — Technik aufgeteilt werden.
Die Themen für den Teilbereich . Gesellschaft/Verkehrserziehung'sind:
Klasse 1: Versorgung/Einkaufen; Familie:
was ist eine Familie? /Aufgaben und Rollen in der Familie; auf dem Schulweg; Kind und Kraftfahrzeug; bei Wind und Wetter unterwegs. Klasse 2: Versorgung: Beispiele zum Aspekt Versorgung; Konsum und Werbung: Im Supermarkt einkaufen; Verkehr: Auto oder Bahn?, -Arbeit und Arbeitsteilung; Freizeit:
wie und wo macht das Spielen Spaß?; Umweltschutz: die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Spielen auf der Straße; als Mitfahrer im Auto.
Klasse 3: Versorgung: Beispiele zum Aspekt Versorgung und Entsorgung; Familie: Funktionen der Familie; Konsum und Werbung; Schule: Konflikte in der Schule/Aufgaben der Schule; Arbeit und Arbeitsteilung; Freizeit: Entwurf eines Spielplatzes; Umweltschutz; Stadt als Wohngebiet; Straßen im Schulbezirk; Signale im Straßenverkehr.
Klasse 4: Versorgung; Konsum und Werbung; Verkehr und Wirtschaft; Schule; Arbeit und Arbeitsteilung; Freizeit; Erholung; Umweltschutz; Wohnen; Zeitung; Stadt als Wohngebiet; die Fahrradprüfung.
Die Ziele des Teilbereichs Gesellschaft werden ausdrücklich auf den Wertrahmen des Grundgesetzes bezogen. Demokratisches Verhalten, bewußte Orientierung, Aufgeschlossenheit gegenüber gesellschaftlichen Veränderungen sind einzelne Ziele.
Hessen Textgrundlage für die folgenden Ausführungen sind die Rahmenrichtlinien . Primarstufe — Sachunterricht — Aspekt Gesellschaftslehre’, hrsg. vom Hessischen Kultusminister 1972.
Die vorliegenden hessischen Rahmenrichtlinien gliedern den Lernbereich Sachunterricht nach fächerintegrierenden Prinzipien in einen Teil mit naturwissenschaftlich-technischem Aspekt und einen Teil mit dem Aspekt GeB sellschaftslehre. Die allgemeine Zielsetzung ist am Demokratiegebot des Grundgesetzes orientiert:
Oberstes Lernziel für eine demokratische Gesellschaft ist die Befähigung zur Selbst-und Mitbestimmung. Dabei ist eine optimale Teilnahme des einzelnen an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen an die Aufhebung ungleicher Lebenschancen geknüpft Es geht in der Verfolgung dieser Zielvorstellung nicht um eine Institutionenkunde, sondern um ein Lernen auf der Basis eigenen Handelns und um eine Befähigung zu erweiterter Handlungskompetenz. Sog. übergeordnete Lernziele sind deshalb: — die Sensibilisierung gegenüber Motiven und Interessen, — die Bereitschaft zur Stellungnahme und zur Entscheidung auf der Grundlage eines je besten Informationsniveaus, verbunden mit der Bereitschaft zur Revision des eigenen Standpunktes, — die Befähigung zur Verbalisierung eigener Bedürfnisse und Interessen, zur Argumentation und zur Auseinandersetzung.
Inhaltlich werden drei Arbeitsbereiche angegeben: 1. Einführung in die Gesellschaft 2. Wirtschaftliche Beziehungen 3. öffentliche Aufgaben.
Gegenstand des Lernens im Arbeitsbereich 1 ist die Abhängigkeit individueller Verhaltensformen, Einstellungen und Handlungsgrundlagen von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaft. Gliederungspunkte dafür sind:
Umgang mit Informationen — Menschen werden von Menschen beeinflußt (Manipulation) — Was man braucht und was man haben möchte (Bedürfnisse) — Wie Kinder zu Erwachsenen werden (Rollen) — Wie Entscheidungen zustande kommen (Mitbestimmung) — Menschen urteilen über Menschen (Vorurteile, Chancen).
Gegenstand im Arbeitsbereich 2 sind die Bedingungen, die zu den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen geführt haben, und die daraus folgenden Konsequenzen. Gliederungspunkte dafür sind:
Menschen arbeiten — Stätten der Arbeit — Mensch und Maschine — Der Mensch als Konsument — Versorgung mit Gütern — Industrielle und landwirtschaftliche Wirtschaftsräume.
Der Arbeitsbereich 3 wird damit begründet, daß Gesellschaft auch betrachtet werden muß unter dem Gesichtspunkt von Aufgaben, die der einzelne nicht mehr lösen kann, d. h. unter dem Gesichtspunkt institutionalisierter Machtausübung. Gliederungspunkte dafür sind:
Siedlungen für Menschen — Wohnungen für Menschen — Der Verkehr schafft Verbindungen — Jeder hat Anspruch auf Erholung und Freizeit — Ernährung und Gesundheit — Umweltschutz gegen Umweltschmutz — Ordnungen und Regelungen.
Niedersachsen Textgrundlage für die folgenden Ausführungen sind die Rahmenrichtlinien für die Grundschule, hrsg. vom Niedersächsischen Kultusminister 1975.
Der Bildungsauftrag der Grundschule wird vom Bildungsauftrag der Schule hergeleitet, wie er in § 2 des Niedersächsischen Schulgesetzes von 1975 festgelegt worden ist. In diesem wird die Anlehnung an das Grundgesetz und an die vorläufige niedersächsische Verfassung ausgesprochen und formuliert, daß die Schüler fähig werden sollen, die Grundrechte für sich und andere wirksam werden zu lassen, nach ethischen Grundsätzen zu handeln, ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Toleranz zu gestalten, Konflikte vernunftgemäß zu lösen, aber auch zu ertragen, sich Informationen zu verschaffen und sich ihrer kritisch zu bedienen, ihre Wahrnehmungs-, Empfindungsund Ausdrucksmöglichkeiten zu entfalten und sich im Berufsleben zu behaupten. Die Schüler sollen zunehmend selbständiger werden. Die Schule soll Lehrern und Schülern den Erfahrungsraum und die Gestaltungsfreiheit bieten, die zur Erfüllung des Bildungsauftrages erforderlich sind.
Unter der Überschrift . Sozialformen des Lernens'werden Ausführungen zum Lernen im Spiel, zum freien Arbeiten, zum Lernen im Klassenverband, zum Lernen in Gruppen (Partner-, Gruppenarbeit), zum Lernen in Einzelarbeit, zum Epochen-und Projektunterricht gemacht. Dabei wird der Projektunterricht folgendermaßen beschrieben: In ihm setzen sich die Schüler mit selbstgewählten Fragestellungen und Problemen aus ihrem Interessen-und Lebensbereich, mit Ereignissen im Klassen-und Schulleben und aktuellen Anlässen auseinander. Dabei wird es sich um grup9 penbezogene Lernprozesse handeln, die zunehmend selbstbestimmt sein sollen.
Dem Sachunterricht werden in der Stundentafel je vier Stunden für das 1. und 2., je fünf Stunden für das 3. und 4. Schuljahr pro Woche reserviert. Seine Lerninhalte sind aus der für den Schüler gegenwärtig und zukünftig bedeutsamen, unmittelbar und mittelbar zugänglichen Lebenswirklichkeit zu gewinnen. Im Sinne eines situationsorientierten Ansatzes werden fünf Lernfelder genannt, die den Sachunterricht gliedern: Zusammenleben der Menschen — Menschen und Raum — Sicherung und Gefährdung menschlicher Existenz — Naturphänomene und ihre Zusammenhänge — Mensch und Technik.
Die ersten drei Lernfelder werden detailliert aufgegliedert:
Zum Lernfeld . Zusammenleben der Menschen'werden folgende Rahmenthemen ausgeführt: Menschen und ihre Rollen, Umgang mit Informationen, Bedürfnisse, Wünsche und Rechte, Menschen und ihr Verhältnis zur Arbeit, Menschen urteilen und werten, Umgang mit öffentlichen Einrichtungen (Post, Verkehrsmittel, Polizei, Feuerwehr), Menschen und die Gesellschaft zwischen Beharrung und Veränderung.
Lernfeld . Mensch und Raum": Menschen erschließen sich den Raum, durch wirtschaftliche Nutzung verändern Menschen die Landschaft, Menschen schaffen sich Wohnungen und Erholungseinrichtungen, Menschen brauchen Versorgungsund Entsorgungseinrichtungen, Menschen müssen ihre Lebensgrundlagen schützen.
Lernfeld „Sicherung und Gefährdung menschlicher Existenz': körperliche und seelische Bedürfnisse des Menschen, Organe unseres Körpers und ihre Aufgaben, akute und schleichende Gefährdungen, Sexualerziehung, Verhalten bei Unfällen und anderen Gefährdungen, Verhalten im Verkehr.
Nordrhein-Westfalen Textgrundlage für die folgenden Ausführungen sind die Richtlinien und Lehrpläne für die Grundschule in Nordrhein-Westfalen, in der zweiten Auflage erschienen 1973.
Die Ziele des Unterrichts in der Grundschule sind wie die der anderen Schulen auch durch die Landesverfassung vorgegeben. Die Grundschule hat die Aufgabe, dem Kind die Welt zu eröffnen, es zu einer sachlichen Erfüllung des Lernens anzuhalten und zu mitmenschlichem Verhalten zu führen. Darüber hinaus muß die Grundschule das kritische Bewußtsein der Kinder früh aktivieren und elementare Formen der Mitbestimmung ermöglichen.
Der Sachunterricht hat im 1. Schuljahr zwei, im 2. Schuljahr drei, im dritten Schuljahr vier und im 4. Schuljahr fünf Stunden pro Woche zur Verfügung. Er hat u. a. die Aufgabe, das Kind zu einer zielgerichteten Erschließung der Umwelt zu führen: in der Natur, im Zusammenleben der Menschen in der Familie und in den Kindern bekannten gesellschaftlichen Gruppierungen, in der Wirtschaft, in der Arbeit und Technik, in dem vom Menschen heute und früher gestalteten Raum, in der Beziehung zum eigenen Körper und der Hygiene. Die Lernbereiche des Sachunterrichts sind Physik/Wetterkunde, Chemie, Technik, Biologie, Geschlechtererziehung, Soziale Studien, Haushaltslehre, Geographie, Verkehrserziehung. Intentionen und Inhalte sozialen Lernens kann man also in drei Lernbereichen vermuten.
Auf 5/4 Seiten im DIN-A 5-Format wird eine Einführung in die . Sozialen Studien'gegeben. Sie sind auf Kenntnisse, Einsichten und kritische Überprüfung gesellschaftlicher, geschichtlicher und wirtschaftlicher Gegebenheiten gerichtet und sollen Kritikfähigkeit, Selbstbestimmung und Mitverantwortung anbahnen. Probleme müssen im Erfahrungsbereich der Schüler aufgesucht und durch Fallstudien müssen Lösungswege entwickelt werden. Die Themen sind: Schule, zu Hause, Wohnen, kommunale Aufgaben, Arbeiten, Werbung, die Nachrichtenträger, Umweltschutz, die Zeit, der Kalender, früher und heute, Mensch und Zeit, die Nahrung, der Kauf.
Die Geschlechtererziehung ist Erziehung zu verantwortlichem geschlechtlichem Verhalten. Mutterschaft und Geburt, Bezeichnungen der Geschlechtsorgane, Kenntnis der sichtbaren Phänomene der Schwangerschaft, die Vaterschaft in biologischer und sozialer Sicht, geschlechtliche Reifeerscheinungen, Menstruation und Pollution sind die Themen für das erste bis vierte Schuljahr.
Die Verkehrserziehung als Konfrontation mit dem modernen Verkehrssystem wird als bedeutsamer Teilbereich neuzeitlicher Bildungsarbeit angesehen. Der Verkehr erweist sich als ein differenzierter Wirklichkeitsbereich mit sozialen und technischen Bezügen. Die Analyse des Verkehrs, der bestimmt wird vom Verhalten der Verkehrsteilnehmer, von der Beschaffenheit der Verkehrsmittel, der Verkehrswege und den jeweils geltenden Verkehrsregeln, und die Verbesserung der verkehrspraktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten stellen die beiden unterrichtlichen Schwerpunkte dar.
Rheinland-Pfalz und Saarland Textgrundlage für die folgenden Ausführungen ist der Lehrplan für die Grundschule der Länder Rheinland-Pfalz und Saarland, zur Erprobung herausgegeben von den Kultusministern dieser Länder im Juli 1971.
Die Ausführungen im allgemeinen Teil sprechen davon, daß das Leben in unserer Gesellschaft eine Schule fordere, die die Kinder anleitet, Eindrücke der Umwelt nicht nur erlebnismäßig, sondern auch rational zu erfassen, kritisch zu verarbeiten und danach ihr Verhalten zu bestimmen. In sozialintegrativen Formen des Unterrichts sind die Kinder zur eigenen Meinungsbildung und zur selbständigen Stellungnahme zu ermutigen; ihre Kreativität ist durch das Lösen selbstgestellter Aufgaben zu fördern. Die Kinder sollen ihren Platz in der Gemeinschaft finden, sich einordnen und behaupten lernen. Der Sachunterricht hat im 2. Schuljahr vier und im 3. und 4. Schuljahr jeweils sechs Wochenstunden zur Verfügung. Die entscheidende didaktische Frage des Sachunterrichts ist die nach den für unser Leben und unsere Gesellschaft konstitutiven und repräsentativen Sachverhalten und Zusammenhängen, soweit sie im Erfahrungsraum der Kinder sichtbar werden. Es werden folgende Lernbereiche unterschieden: naturwissenschaftlicher (Physik, Chemie, Technik, Biologie), geographischer, sozialer und politischer, wirtschaftlicher und geschichtlicher Lernbereich sowie Verkehrserziehung.
Im sozialen und politischen Lernbereich sollen dem Kind stufenweise die vielfältigen Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen dem Individuum und der sozialen und politischen Umwelt erschlossen werden. Hierbei. soll das Kind erfahren, daß es ein Recht auf Selbstverwirklichung hat. Gleichzeitig soll es erfahren, daß neben ihm andere Menschen das gleiche Recht haben. Es soll erkennen, daß man sich zur Durchsetzung von Interessen organisieren kann. Hierbei entstehende Konflikte dürfen nicht als Übel verstanden werden, sondern als Aufgabe.
Es werden vier Thematiken genannt: Ordnungen, demokratische Ordnung, die sozialen und öffentlichen Einrichtungen, Informationen.
Beispiele für Ordnungen: soziale Situationen aus dem kindlichen Erleben: Spiel, Familie, Schule, Situationen aus dem Straßenverkehr.
Beispiele für demokratische Ordnung: Gemeinderat und Gemeindeverwaltung, das Gericht. Beispiele für soziale und öffentliche Einrichtungen: soziale Einrichtungen wie Kinderheim, Sanatorium, Krankenhaus, Altersheim, Lebenshilfe, Einrichtungen, die der Sicherheit dienen (Polizei, Bundeswehr, Feuerwehr, Erste Hilfe u. a. m.), Einrichtungen, die der Versorgung dienen (Energie-, Wasserversorgung), Einrichtungen, die dem Verkehr dienen (Bundesbahn, Bundespost usw.), Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung dienen (Haus der Jugend, Bücherei, Theater u. a. m.).
Beispiele für die Informationen: Fernsehen, Rundfunk, Zeitungen, Bücher, Zeitschriften, Filme, Prospekte, Gebrauchsanweisungen, Plakate.
Im wirtschaftlichen Lernbereich sollen die Kinder Einblick in das moderne Wirtschaftsleben unter folgenden Gesichtspunkten erhalten: — die industrielle Produktion soll als ein Fertigungsverfahren begriffen werden, das aus häuslicher bzw. handwerklicher Produktion hervorgegangen ist; sie erfüllt und weckt gleichzeitig Bedürfnisse;
— beim Transportwesen kann insbesondere die allseitige Abhängigkeit (z. B. Verbraucher — Erzeuger, Stadt — Land) bewußt gemacht werden;
— der Umgang mit Geld macht überlegtes und angemessenes Konsumverhalten notwen-dig;
— beim Einblick in die Berufswelt soll die Arbeitsteilung und Spezialisierung erkannt werden.
Schleswig-Holstein Textgrundlage für die folgenden Ausführungen ist einmal der zweibändige Lehrplan . Grundschule und Vorklasse in Schleswig-Holstein", hrsg. vom Kultusministerium des Landes Schleswig-Holstein im Jahre 1975, und zum anderen sind es die Materialien zum Sachunterricht in der Grundschule, hrsg. von Jürgen Holm und Hans Heinrich Kolbeck im Jahre 1976.
Nach dem Lehrplan ist Ziel der Grundschule die Vorbereitung der Schüler auf selbständige Teilhabe am Leben in unserer Zeit. Sie soll Voraussetzungen schaffen für die Selbstverwirklichung des einzelnen, für sein Sozialverhalten, für sein Verhältnis zur Gesellschaft und für seine Bereitschaft, eine freiheitliche und demokratische Ordnung mitzugestalten.
Kindliches Lernen soll sowohl das Grundlagen-und Antriebskräfte betreffende (soge-nannte affektive) Lernen als auch das die Erkenntnisse betreffende (sogenannte kognitive)
und das zwischenmenschliche Beziehungen betreffende (sogenannte soziale) Lernen beinhalten. Ausgang von konkreten Situationen, Lernen beim Spiel, Lernen durch Entdecken sollten bestimmende Prinzipien sein. Einzel-, Partner-und Gruppenarbeit sind Sozialformen, bei denen die Kinder lernen, den Unterricht zunehmend mitzugestalten. Freies Lernen und Projektlernen stärken die Selbständigkeit und das Lernen durch Tun.
Der Sachunterricht umfaßt den Teilbereich . Gesellschaft’ mit Geographie, Geschichte und Sozialerziehung und den Teilbereich . Natur'
mit Biologie, Chemie und Physik sowie Verkehrserziehung als Kurs.
Der Teilbereich . Gesellschaft'zeigt auf, daß der Mensch nicht nur als einzelner, sondern zugleich auch in gesellschaftlicher Verflechtung lebt. In acht Themenbereichen, die wesentlichen Bezügen menschlichen Lebens entsprechen, soll die Grundintention verfolgt werden: Familie/Gruppe/Gesellschaft Wohnen Gesundheit/Schutz des Lebens Freizeit/Erholung Arbeit/Wirtschaft Orientierung/Information Verkehrsteilnahme Natur des Raumes.
Diese Themenbereiche werden in Lerneinheiten für die Vorklasse und die vier Grundschuljahre aufgegliedert und dann mit Lernzielen und Hinweisen erläutert.
Beispiele für Lerneinheiten sind:
Familie/Gruppe/Gesellschaft Wer ich bin, Regeln in der Kindergruppe, Gefühle, Jungen und Mädchen, Familie, Einander helfen, Niemand spielt mit Ralf, Unsere Klasse, Klassenordnung, Arbeitsteilung im Haushalt, Familienzuwachs, Mitbestimmung in der Schule, Kommunale Aufgaben, Vorbereitung auf die Pubertät, Schleswig-Holstein — ein Land der Bundesrepublik.
Wohnen Hausgrundstück, Wohnstraße, Hausordnung, Altstadt, Neubaugebiet.
Gesundheit/Schutz Kranksein, Müllbeseitigungsanlage, Naturpark, Helfen und Hilfe holen, Sturmflut, Land-gewinnung. Freizeit/Erholung Spielplatz, Garten, Sportanlage, Schwimmanlage, Campingplatz, Planung einer Familien-reise, Seebad, Gebirgsort.
Arbeit/Wirtschaft Miteinander arbeiten, Geld, Handwerklicher Produktionsbetrieb, Teich, Ware und Werbung, Post, Fabrik, Hochseefischfang, Sozial-geschichtlicher Wandel.
Orientierung/Information Tageslauf, Zeitleiste, Schulweg, Wanderung, Schulviertel, Uhr, Kalender, Ortsplan, Manipulation, Kulturhistorische Entwicklungsreihe.
Verkehrsteilnahme Bushaltestelle, Parkplatz, Straßenkreuzung, Bahnhof, Flugplatz, Kanalschleuse, Seehafen-becken. Natur des Raumes Steinsammlung, Wetter, Kiesgrube, Boden, Fluß, Ausgleichsküste, Standmoräne.
Analyse der Richtlinienempfehlungen bzw. -anweisungen
Entsprechend den früher formulierten Fragen kann jetzt die Analyse versucht werden. Die erste Frage richtete sich auf die allgemeinen Zielvorstellungen, denen schulisches Lernen folgen sollte, speziell natürlich auch soziales Lernen. 1. Analyse allgemeiner Zielvorstellungen überraschend ist die sofort ins Auge springende Übereinstimmung der allgemeinen Ziele: Da ist ständig die Rede von der Intention, die Erscheinungen und Prozesse der Lebens-wirklichkeit zu erfassen, sich ihnen gegenüber bewußt, entscheidungs-und handlungsfähig zu verhalten. Mündigkeit, Selbstverständnis und Selbstverwirklichung, mitmenschliche Verantwortung, soziale Sensibilität und Kreativität sollen erreicht werden. Kritisches Bewußtsein und Mitbestimmung sollen früh angestrebt werden. — Man könnte also von dem großen Konsens in der Bundesrepublik sprechen! Und wenn man diese allgemeinen Zielformulierungen ernst nehmen darf, verwundert die zum Teil bitterböse Kommentierung der hessischen Rahmenrichtlinien in den letzten Jahren.
In Bayern wird z. B. schon in der Grundschule eine Einführung in soziale und wirtschaftliche Beziehungen und Abhängigkeiten, die in der Bundesrepublik bestehen, gegeben, wobei ausdrücklich soziale Erfahrungen und schichtenspezifische Bedingungen berücksichtigt werden sollen. Nach dem Lehrplan für Rheinland-Pfalz und das Saarland soll das Grund-schulkind erkennen, daß man sich zur Durchsetzung von Interessen organisieren kann. Dabei entstehende Konflikte dürfen nicht als Übel verstanden werden, sie sollen als Aufgabe angenommen werden. Nach dem Lehrplan Schleswig-Holsteins werden die Kinder der Vorklasse schon in die Lage versetzt, sich in beruflichen, öffentlichen und privaten Situationen kompetent zu verhalten. Die Vermittlung von Selbständigkeit und Entscheidungsvermögen, die Fähigkeit zu kooperativem und sozialverantwortlichem Handeln wird dafür als notwendig erachtet. Also: Progressivität auf der ganzen Linie!
Freilich erkennt man bei näherem Zusehen wichtige Nuancen, ergibt sich der Verdacht, daß sich hier nur eine unverbindliche Verbalprogressivität zeigt, die nicht eingelöst wird oder von der man ohnehin annimmt, daß sie in den realen Gegebenheiten schulischen Lernens nicht wird zum Zuge kommen können.
Zuerst zu den Nuancen: Ausdrücklich Bezug auf das Grundgesetz nehmen nur drei Texte: die hamburgischen, die hessischen und die niedersächsischen Rahmenrichtlinien. Die meisten der anderen, ja doch immerhin Anweisungscharakter beanspruchenden Texte bleiben in einem Sprachgebrauch, der auf den ersten Blick zwar die bereits skizzierte Progressivität besitzt, auf den zweiten Blick aber dadurch charakterisiert ist, daß man von Gesellschaft und der Selbstverwirklichung ermöglichenden Teilhabe an ihr nur in einer sehr allgemeinen Weise spricht.
Im baden-württembergischen Entwurf und im Bremer Lehrplan ist explizit davon die Rede, daß man lernen muß, wie man innerhalb vorgegebener Ordnungen nach übernommenen Verhaltensmustern mit anderen Menschen und mit Dingen umgeht, daß der Schüler lernen soll, sich in seine Gemeinschaft einzufügen; im bayerischen Lehrplan ist von der sozialen Integration die Rede. Es wäre sicher falsch, hier von vornherein die versteckte, aber eben vorhandene „Reaktion" zu wittern. Einordnung, Vorgegebenes, Zu-Übernehmendes, Integration aber sind eben Vokabeln, die mindestens ambivalent sind und eher Assoziationen zu einer Gemeinschaftsideologie wek-ken. Im übrigen ist, insgesamt gesehen, ein Nord-Süd-Gefälle hinsichtlich der Orientierung an Postulaten einer progressiven Gesellschaft nicht festzustellen. 2. Analyse der intendierten Lernverhältnisse Soziales Lernen, so war einleitend konstatiert worden, muß, wenn es sich an emanzipatorischen Zielvorstellungen orientiert, im Vollzug adäquat zu den Zielen sein. D. h., daß Selbstbestimmung, Kooperation, Konfliktaustrag, Infragestellung problematischer Autoritätsverhältnisse, Reflexion geltender Normen, Versuche symmetrischer Kommunikation und Sensibilisierung für die Erfordernisse einer solchen anspruchsvollen Kommunikation dann auch konkret angestrebt werden müssen. Bei den Ausführungen zu den Lehrund Lernverfahren, die man als die die Lernverhältnisse bestimmenden Strukturmomente verstehen kann, tauchen einige Stereotype ständig auf: Einmal wird immer wieder auf die Prinzipien der Anschauung, der Erlebnis-und Erfahrungsnähe, des Handlungsbezugs Bezug genommen (Erkundungen, Beobachtungsgänge lebensnahe Darstellungen, unmittelbare Sach-begegnung), zum anderen gehört es zu den Standardhinweisen, Einzel-, Partner-und Gruppenarbeit, Unterrichtsgespräch zu den Sozialformen des Unterrichts zu zählen. Rollenspiele und Fallanalysen werden seltener erwähnt, das Lernen im Spiel und das Lernen durch Entdecken gehören hin und wieder zu den methodischen Forderungen.
Wenn selbstbestimmtes Lernen, symmetrische Kommunikation, Konfliktzulassung und -austrag Unterrichtsrealität werden sollen, scheinen das sog.freie Lernen und das Projektlernen am ehesten „Ausbrüche" aus dem verplanten Lernen in der Institution „Schule" zu erlauben. Von Projekten ist in mehreren Texten (Baden-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein) die Rede. Sozialintegrativer Führungsstil auf der Seite der Lehrer wird häufig als notwendig bezeichnet. In den niedersächsischen Rahmenrichtlinien wird der Projektunterricht näher beschrieben als ein Unterricht, in dem die Schüler sich mit selbstgewählten Fragestellungen und Problemen aus ihrem Interessen-und Lebensbereich auseinandersetzen, in dem gruppenbezogene Lernprozesse ablaufen, die zunehmend selbstbestimmt sein sollen.
Die Betonung der Handlungsfähigkeit der Schüler, der Handlungsorientiertheit des Unterrichts im Sinne B. Schaeffers als Kompensation individueller Erfahrungsdefizite oder der Produktion gemeinsamer Erfahrungsperspektiven ist, alles in allem gesehen, höchstens Proklamation, kaum mehr. Dies entspricht freilich dem Stand der allgemeindidaktischen Diskussion, die die Handlungsdimension schulischen Lernens bisher nicht überzeugend in konkrete Unterrichtsstrategien umsetzen konnte. Auch die sog.freie Arbeit erfährt keine praxisanleitende Strukturierung. Inwieweit die Handlungsorientiertheit des Unterrichts umschlagen könnte in gesellschaftlich relevante Aktionen, ist eine weitere in den Richtlinien absolut offen bleibende Frage. Immerhin soll die Grundschule in Hessen durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und ebenso durch das Recht auf Beschwerde gekennzeichnet sein. Und in Rheinland-Pfalz und im Saarland soll der Schüler das Recht auf Selbstverwirklichung in lebensnahen Situationen erkennen. 3. Analyse der vorgeschlagenen Inhalte Diese Analyse ist wegen der Heterogenität der angegebenen Inhalte, der dazugehörenden Intentionen und zeitlichen Vorschläge sehr schwierig. Unter curriculumtheoretischem Anspruch ist in den meisten Fällen keine Systematik, keine Matrix, kein die Auswahl von Inhalten begründender Rahmen zu erkennen, der die additive Findung von Inhalten ersetzen würde durch einen Begründungszusammenhang. Dies erscheint um so bedauerlicher, als die Inhalte in der didaktischen Diskussion doch wieder größere Bedeutung bekommen. Allgemeine oder prozessuale Lernziele allein sichern die Neubegründung von Lehrplänen (das Lernen lernen usw.)
nicht; die Behandlung oder Auslassung von Inhalten muß sehr sorgfältig beachtet werden. Verfolgen wir zunächst, in welcher Weise Inhalte begründet und ausgewählt werden: Im baden-württembergischen Entwurf ist die Zweiteilung in Erfahrungsund Handlungsbereiche inhaltsbestimmend. Weder der Leitbegriff . Erfahrung'noch der der . Handlung’ wird jedoch definiert. So bleibt es wohl Zufall, daß . Massenmedien'im Handlungsbereich, . Menschen'im Erfahrungsbereich als Themen angeführt werden. Die Intentionen sind zudem — und dies ist generell ein zweites großes Problem — in einer derart allgemeinen Weise formuliert, daß die Lehrintention nicht deutlich wird. Das Beispiel . Erkennen', daß Sanktionen Mittel sind, um das Einhalten von Ordnungen, Regeln und Gesetzen zu sichern, läßt offen, ob diese Erkenntnis nun dazu dienen soll, sich solcher Sanktionen zu bedienen, sich ihnen zu unterwerfen oder sie als untaugliches Mittel der Regelung menschlichen Zusammenlebens anzusehen; es läßt offen, wer sich in welchem Fall solcher Sanktionen bedienen könnte, wem dies verboten ist und ob evtl. Macht, Wissen, Geld, Status eine Rolle bei ihrer Nutzung spielen.
Ein anderes Anordnungsmuster zeigt sich im bayerischen Lehrplan. Die herkömmliche Fächerung ist ein beliebtes Sortierungsverfahren, freilich kein Auswahlprinzip. Bemerkenswert ist immerhin, daß wirtschaftliche Sachverhalte in der Grundschule behandelt werden sollen. Berufsbilder und Grundsachverhalte der Produktion sind z. B. als Themen genannt und auf die Erkenntnis hin zu behandeln, daß menschliche Bedürfnisse durch Arbeit zu befriedigen sind.
Enge Anlehnung an den alten Heimatkundeunterricht verrät der Bremer Lehrplan, wenn er zu verbindlichen Themen erklärt: Rund um die Schule, ein Haus wird gebaut, bei der Feuerwehr, auf dem Postamt, auf dem Bahnhof usw.
Die Hamburger Richtlinien zeigen als strukturierendes Prinzip die Einteilung in Lernberei-B ehe bzw. Teilbereiche. Der Lernbereich . Sachunterricht'gliedert sich in die drei Teilbereiche . Natur 1, . Gesellschaft 1 und . Technik 1. In diesen kehren Grundthemen wie Versorgung, Konsum und Werbung, Freizeit, Arbeit unter verschiedenen Aspekten in allen vier Schuljahren wieder.
Es deutet sich dabei eine fächerübergreifende Strukturierung an, die in den hessischen Rahmenrichtlinien noch ausgeprägter auftritt. Dort werden drei sog. Arbeitsbereiche angegeben: Einführung in die Gesellschaft, wirtschaftliche Beziehungen und öffentliche Aufgaben. Durchgehende Intention ist, individuelle Verhaltensformen oder Arbeitsbedingungen wie wirtschaftliche Verhältnisse oder institutionalisierte Machtausübung jeweils auf den konkreten gesellschaftlichen Hintergrund zu beziehen, zu dem sie gehören.
Auch die niedersächsischen Rahmenrichtlinien sprechen von Lernfeldern. Diese sollen wohl die entscheidenden Aspekte menschlicher Existenz anfreißen: Zusammenleben der Menschen, Mensch und Raum, Sicherung und Gefährdung menschlicher Existenz, Naturphänomene und ihre Zusammenhänge, Mensch und Technik. Die Verdeutlichung der Bedingungen, Chancen und Grenzen menschlicher Existenz nimmt ihren Fortgang in der Intentionen ausdrückenden Nennung von Themen. Gleichzeitig kommt dabei der situationsorientierte Ansatz zum Tragen, der nicht von den herkömmlichen Fächern als Schubladen gesicherten Wissens ausgeht, sondern von relevanten Situationen menschlichen Lebens, die es zu erhellen gilt: Menschen und ihre Rollen, Menschen und ihr Verhältnis zur Arbeit, Umgang mit öffentlichen Einrichtungen, Menschen erschließen sich den Raum u. a. m.
Die Richtlinien Nordrhein-Westialens folgen der Fächeraufteilung im Rahmen des Großbereichs Sachunterricht; sie enthalten als relativ seltenen Teilbereich die . Sozialen Studien 1, die auf Kenntnisse, Einsichten und kritische Überprüfung gesellschaftlicher, geschichtlicher und wirtschaftlicher Gegebenheiten gerichtet sind und Kritikfähigkeit, Selbstbestimmung und Mitverantwortung anbahnen sollen. Die genannten Themen sind die bekannten und häufig auftauchenden: Schule, Wohnen, kommunale Aufgaben, Werbung, Umweltschutz, der Kalender, die Nahrung u. a. m. Die nordrhein-westfälischen Richtlinien sind im übrigen Anlaß, um wenigstens darauf aufmerksam zu machen, daß Fragen des sozialen Lernens einmal natürlich unter dem Beziehungsaspekt Anliegen des gesamten Unterrichts sind, zum anderen — und das soll vor allem gesagt werden — in anderen Lernbereichen/Fächern wesentliche Inhalte darstellen. Die Geschlechtererziehung als Erziehung zu verantwortlichem geschlechtlichen Verhalten, die Verkehrserziehung (fast in allen Richtlinien und Lehrplänen als besonderer Aufgabenkomplex aufgeführt) als Erziehung zu partnerorientiertem und verkehrsgerechtem Verhalten und der Religionsunterricht neuerer Prägung sind für das soziale Lernen eminent wichtige Bereiche. Es würde sich zweifellos lohnen, sie einer gesonderten Analyse zu unterziehen, um das intendierte Verhalten und den gewünschten Bewußtseinsstand zu finden.
Der Lehrplan für Rheinland-Pfalz und das Saarland stellt dem Sachunterricht die didaktische Aufgabe, die für unser Leben und unsere Gesellschaft konstitutiven und repräsentativen Sachverhalte und Zusammenhänge, soweit sie im Erfahrungsraum der Kinder sichtbar werden, zum Gegenstand des Unterrichts zu machen. Die genannten Lernbereiche folgen dann wieder dem herkömmlichen Fächer-schema. Die schon früher angesprochenen, recht progressiven Zielvorstellungen erfahren kein Pendant bei den Inhalten: Die vier Thematiken für den sozialen und politischen Lernbereich sollen . Ordnungen 1, .demokratische Ordnung 1, , die sozialen und öffentlichen Einrichtungen 1 und . Informationen 1 sein. Die Themenbeispiele deuten stark auf eine Institutionenkunde beschreibender Art hin. Die Hervorhebung wirtschaftlicher Sachverhalte ist zweifellos als ein Positivum anzusehen.
Der schleswig-holsteinische Lehrplan führt drei konstitutive Faktoren für die Findung von Inhalten auf: die Bedürfnisse des Individuums, die Erfordernisse der Gesellschaft und die Erkenntnisse der Fachwissenschaften. Wie aber damit Inhalte gefunden werden könnten und welcher Art die Auswahlprinzipien sein müßten, bleibt offen. Eine relevante Fachwissenschaft könnte z. B. die Rechtswissenschaft sein. Rechtswissen ist einer der entscheidend vernachlässigten Komplexe in allen Richtlinien und Lehrplänen. Ein verheißungsvoller Begründungsansatz wird also schnell übersprungen durch die Übernahme gewohnter Fächer oder Fachbereichseinteilungen. Der Teilbereich . Gesellschaft 1 im schleswig-holsteinischen Lehrplan umfaßt, wie dargestellt, acht Themenbereiche. Dabei fällt auf, daß zum Thema , Familie/Gruppe/Gesellschaff schon häufig nicht mehr nur dem Ansatz gefolgt wird, Sachverhalte als statisch existierende und deshalb eindeutig zu beschreibende im Unterricht zu behandeln, sondern die Dynamik von individuellem Verhalten, Rollenerwartungen, institutionellen Zwän-gen als Inhalt zu analysieren und gleichzeitig als Realität zu praktizieren und entsprechend didaktisch-methodisch einzubringen. In anderen Themenbereichen allerdings gelingt dies häufig noch nicht: Wohnen, Freizeit, Orientierung/Information und vor allem Arbeit/Wirtschaft werden überwiegend in beschreibender Weise behandelt unter Verzicht auf die Einbeziehung der Handlungsdimension und unter Verzicht auf gesellschaftskritische wie politökonomische Perspektiven. Das Thema , Arbeit/Wirtschaft" z. B. unter der Überschrift . Miteinander arbeiten" behandeln zu wollen, läßt den Verdacht aufkommen, daß Grundschulkinder ideologischer Verschleierung ausgesetzt werden sollen und die realen Produktionsverhältnisse wie die daraus resultierenden Lebensbedingungen nicht aufgeschlüsselt bekommen sollen.
Auch wenn in einer Reihe neuerer Richtlinien und Lehrpläne die Zielvorstellungen an gesellschaftlichen Richtwerten des Grundgesetzes orientiert sind, scheint beim Übergang zu der Nennung der Inhalte ein didaktischer Bruch aufzutreten. 4. Gesellschaftliche Realität und richtlinien-orientiertes Lernen Es ist jetzt noch der Frage nachzugehen, inwieweit soziales Lernen unter dem Inhalts-wie Beziehungsaspekt auf die konkreten individuellen und gesellschaftlichen Bedingungen bezogen wird, unter denen es in den gesellschaftlichen Verhältnissen der Bundesrepublik Deutschland stattfinden kann. Thematisieren die Richtlinien und Lehrpläne die Spannung, in die soziales Lernen gerät, wenn symmetrische Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden als auf Gleichheit und Gegenseitigkeit angelegte Interaktion verstanden wird und gleichzeitig der Lehrer in der Beamtenhierarchie von Schulverwaltung und Schule steht, wenn ferner institutioneile Restriktionen in der Gestalt von Stundenplänen, festen Zeiteinheiten, ständig wechselndem Fachunterricht und räumlichen Beengtheiten jede freiere Form des Lernens verhindern?
Thematisieren die Richtlinien und Lehrpläne den Widerspruch zwischen sozialem Lernen als Kultivierung der Sozialbeziehungen und den konkurrenz-und leistungsorientierten Verhaltensnormen in der Berufs-und Arbeitswelt, die soziale Sensibilität nur zu größerem Leiden gegenüber Ellenbogenverhalten und Rücksichtslosigkeit führen? Thematisieren die Richtlinien und Lehrpläne die Widersprüche zwischen den Werteinstellungen und Verhaltensweisen der Kinder, die sozial zu sein lernen, und der Eltern, die andere Einstellungen aus ihren beruflichen Erfahrungen gelernt haben?
Wie stellt man sich eigentlich zu dem Problem, daß die Schule in ihren Abhängigkeiten vom gesellschaftlichen Umfeld Merkmale struktureller Gewalt trägt und damit soziales Lernen mehr Wunsch als Realität sein wird? — Ausleseprobleme, Abschlußbedrängnisse, Desorientierung, die Tendenz zu funktionaler Verwertbarkeit bestimmen den Schulalltag mehr als eine emanzipatorische Erziehung. Probleme der Berufs-und Arbeitswelt sind erfahrungsgemäß in der Schule so lange unverdächtig und behandelbar, so lange sie nicht konkrete defizitäre Ausbildungsverhältnisse beinhalten, so lange arbeitsrechtliche Fragen oder gar Fragen der Kapitalverwertung, der Arbeitermitbestimmung im Dispositionsbereich, der Umverteilung der Gewinne ausgelassen werden.
Die gesellschaftliche Tabuierung zentraler, das menschliche Leben in Arbeit und Freizeit bestimmender Inhalte müßte gleichfalls geprüft werden. Wenn man sich mit Fragen beruflicher Sozialisation befaßt, stößt man ständig auf die Reibungsflächen zwischen Bil-dungs-und Beschäftigungssystem, sobald man auch nur schüchtern emanzipatorisches bzw. soziales Lernen auf beide Bereiche anwenden möchte.
Wieviel Toleranz zu abweichenden Auffassungen und eigenständiger Lernplanung würde im Ernstfall zugelassen werden können? Wie wird das Problem . Sprache und Herrschaft in der Schule" thematisiert? Wie werden Schüler auf Konflikte mit einer Behörde, mit dem späteren Lehrherrn, mit älteren Leuten vorbereitet?
Diese Fragen mögen aufzeigen, was Konkretion und Lebensbedeutsamkeit heißen könnte, welche Themen bisher nicht zugelassen oder jedenfalls nicht genannt werden. Wendet man sie nun auf die dargestellten Richtlinien und Lehrpläne an, so muß man einige Defizite feststellen: — In keinem einzigen Fall geht ein Richtlinienentwurf oder ein Lehrplan von einer Analyse der gesellschaftlichen Wirklichkeit aus, um aus ihr im Zusammenhang grundgesetzlicher Ansprüche und dem darin enthaltenen Menschenbild gesellschaftsund lebensrelevante Intentionen und Inhalte zu finden. Der setzende und Normen verfolgende (nicht entwickelnde) Charakter der Richtlinien und Lehrpläne ist historisch zwar gut erklärbar, er ist aber einem diskursiven, auf Gesprächspartner, auf Subjekte hin praktizierten Verfahren bis jetzt nicht gewichen.
— Es ist der Verdacht zu formulieren, daß die Allgemeinheit der genannten Aussagen eine Art ihrer unterrichtlichen Realisation nach , sich zieht, die ähnlich allgemein und das heißt: realitätsabgezogen, lebensfern, tatsächliche Probleme ausklammernd sein wird wie die handlungsanweisenden Aussagen. — Der Verzicht auf eine genauere Beschreibung der gesellschaftlichen, institutioneilen Bedingungen und Chan und interaktionalen -cen sozialen Lernens wird zusätzlich seine Realisierung im Sinne der eingangs entwik-kelten Zielvorstellungen verhindern. — Da in keinem Fall ein Begründungszusammenhang systematisch entwickelt wird, ist die Frage nach den ausgelassenen Themen mindestens ebenso interessant wie die Betrachtung der genannten.
— Bei konsequentem Bezug auf die individuellen Bedingungen sozialen Lernens wäre natürlich auch sehr viel mehr zur Lehrerrolle auszuführen gewesen.
— In ganz wenigen Fällen wird auf die schichtspezifische Sozialisation der Heranwachsenden eingegangen. Die Zusammenhänge zwischen Schichtzugehörigkeit und Ausbildung, zwischen Einstellung der Eltern und Bildungsweg der Kinder, zwischen materieller Situation und Bildungschancen, zwischen Arbeitserfahrungen und Werthorizonten der Eltern, zwischen elterlicher Bildung und kindlicher Motivation — längst Wissensgrundbestand der mit Erziehung professionell Beschäftigten — spielen bei der curricularen Entfaltung des sozialen Lernens in den Richtlinien und Lehrplänen nur eine sehr begrenzte oder gar keine Rolle.
In der Summe heißt dies: Wohl ist deutlich zu erkennen, daß das soziale Lernen in der Grundschule in den neueren Richtlinien und Lehrplänen eine größere Rolle spielen soll; es ist aber gesellschaftlich offensichtlich nicht genügend durchdacht, es ist hinsichtlich seiner curricularen Entwicklung häufig nicht auf dem Stand der wissenschaftlichen Diskussion, es ist inhaltlich heterogen gestaltet und methodisch in der Gefahr, zu einem herkömmlichen Unterrichtsfach zu werden, daß wie die anderen Fächer auch auf realitätsabgezogene Weise Inhalte vermittelt, die keine wirkliche Lebenshilfe bedeuten, weil sie nicht lebensrelevant sind. Dieser Gefahr ist zu begegnen — aber wie groß ist die Erneuerungsfähigkeit von amtlichen Texten?