Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Das umweltrechtliche Genehmigungsverfahren. Rechtspolitische Überlegungen zu seiner Demokratisierung und Liberalisierung | APuZ 17/1978 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 17/1978 Artikel 1 Aspekte einer längerfristigen Umweltpolitik Das umweltrechtliche Genehmigungsverfahren. Rechtspolitische Überlegungen zu seiner Demokratisierung und Liberalisierung

Das umweltrechtliche Genehmigungsverfahren. Rechtspolitische Überlegungen zu seiner Demokratisierung und Liberalisierung

Peter Cornelius Mayer-Tasch

/ 47 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Im Hinblick auf die soziopolitischen Auswirkungen der ökologischen Krise sind die Modalitäten der behördlichen Genehmigungsverfahren in ständig wachsendem Maße zu einem Politikum geworden. Ein gut Teil der Erbitterung, die unzufriedene Umweltschützer auf die Straße und in die Gerichtssäle treibt, geht auf das Schuldkonto der gegenwärtigen Genehmigungspraxis. Die umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren gegenwärtiger Prägung leiden unter einer ganzen Reihe von (wechselseitigen) Informations-und Kommunikationsmängeln, die die Tauglichkeit dieser Verfahren als Optimationsbasis der Genehmigungsentscheidungen ernsthaft in Frage stellen. Diese Mängel lassen sich von der Antragsprozedur und der der Bekanntmachung über die Begutachtungs-und Erörterungspraxis bis hin zur Teilgenehmigungs-und sofortigen Vollziehbarkeitspraxis verfolgen. Ihre Behebung setzt einen durchgängigen Ausbau der Informations-und Kommunikationsstrukturen im Rahmen der einzelnen Verfahrensabschnitte voraus. Eine im aufgezeigten Sinne durchgeführte Reform würde sowohl eine Demokratisierung als auch eine Liberalisierung der umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren umschließen. Einen Beitrag zur Demokratisierung des Verfahrens würde die Reform deshalb leisten, weil die Möglichkeit zur unmittelbaren Teilhabe der betroffenen Bürger an den in Frage stehenden Willensbildungsverfahren durchgängig erweitert würde. Und einen Beitrag zur Liberalisierung des Verfahrens würde eine diesen Grundlinien folgende Reform vor allem deshalb leisten, weil sie dem — im ökologischen Kontext fundamental bedeutsamen — Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit im Geflecht divergierender rechtlich geschützter Interessen bessere Behauptungschancen einräumt, als dies im Zeichen der bisherigen faktischen Ausgestaltung der umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren der Fall war und ist.

Unter dem Eindruck der in der ganzen westlichen Welt unaufhörlich anwachsenden ökologischen Bewegung ist die Frage der Ausgestalgischen Bewegung ist die Frage der Ausgestaltung umweltrechtlicher Genehmigungsverfahren der Esoterik einer lediglich rechts-wissenschaftlichen Diskussion längst entwachsen. Und im Zeichen der atomaren Kontroverse ist sie vollends zu einem Politikum geworden — zu einem Politikum, dessen Brisanz heute in Westeuropa durch die — international genannten — Ortsnamen Wyhl, Brokdorf, Grohnde, Kalkar und Malville signalisiert wird

Das zum Hauptmotiv der Bürgerinitiativbewegung gewordene Unbehagen an zahllosen sozioökologischen Fehlentwicklungen der hoch-entwickelten Industriegesellschaften entzündete und entzündet sich nicht nur an der unmittelbaren Alltagserfahrung der in allen Lebensbereichen zunehmenden Verschlechterung der Qualität des menschlichen Lebens, sondern nicht zuletzt auch an den dafür (zumindest mit-) verantwortlichen Strukturmängeln des jeweiligen rechtlich-politischen System Besonders konkrete Ansatzpunkte der Kritik bieten die — zumindest vordergründig — für viele (sozio-) ökologischen Schädigungen und Gefährdungen ursächlichen Genehmigungsverfahren für umweltrelevante Bauten und Anlagen.

Ohne die im Laufe der vergangenen Jahre immer deutlicher zutage getretenen Mängel dieser Verfahren bleibt die Militanz so mancher Umweltinitiative unverständlich. Viele Bürger hat erst die Erbitterung über die Eindimensionalität und Borniertheit einzelner Verfahrenszüge, das Gefühl, in einem streckenweise farcenhaften Alibi-Verfahren abgefertigt zu werden, keine wirkliche Chance der Rechtsverwirklichung zu erhalten, zur ultima ratio de offenen Protestes getrieben. Wer die — im Umkreis der Atomenergiedebatte bereits bürgerkriegsähnlichen Formen annehmende — Verlagerung der Auseinandersetzungen von den Behördenstuben und Gerichtssälen auf die Straße für zumindest gefährlich hält, sollte nicht zuletzt diesem — für Diagnose und Therapie des sozioökologischen Syndroms so bedeutsamen — Problemkreis sein Augenmerk zuwenden.

Der rechtspolitischen Erörterung dieses Problemkreises mögen daher auch die folgenden Überlegungen gelten. Ihre Grundlinien sind auf die (sozio-) ökologisch relevanten Genehmigungsverfahren aller westlichen Industrie-gesellschaften übertragbar. In ihrem konkreten Normbezug werden sie sich im wesentlichen auf das Umweltrecht der Bundesrepublik Deutschland konzentrieren.

Grundlinien der Kritik

Die Kritik am rechtlichen Status quo umwelt-relevanter Genehmigungsverfahren läßt sich unschwer auf zwei Haupteinwände zurückführen: auf den Einwand der mangelnden Information aller Verfahrensbeteiligten und auf den Einwand der mangelnden Optimation der in das Verfahren eingebrachten Informationen.

Daß der Mangel an wechselseitiger Information, Kommunikation und Koordination die Entscheidung über Erfolg und Mißerfolg jeglicher behördlicher Optimationsbemühung schon im Ansatz präjudiziert, liegt auf der Hand. Gleichwohl zielt der Einwand der mangelnden Optimation über die Kritik an der Diese Studie ist aus einem Vortrag hervorgegangen, den der Verfasser am 6. 12. 1977 im Salzburger Studio des österreichischen Rundfunks gehalten hat. Sie wird als Teil einer umfassenderen Untersuchung in den (im Herbst 1978 im Westdeutschen Verlag erscheinenden) Sammelband des Verfassers mit dem Titel „Umweltrecht im Wandel" aufgenommen werden. mangelnden Information bzw. Kommunikation der Verfahrensbeteiligten hinaus. Er impliziert die These, daß nicht nur der mangelnde Informationsbzw. Kommunikationsfluß, sondern auch die sonstige strukturelle und funktionelle Auslegung des Genehmigungsverfahrens den verfassungsrechtlich gebotenen Interessenausgleich erschwert oder gar unmöglich macht.

Die aufgezeigten Grundlinien der Kritik lassen sich anhand einer Vielzahl von Verfahrensnormen und Verfahrenspraktiken belegen.

1. Als eine alle weiteren Struktur-und Funktionsmängel umweltrechtlicher Genehmigungsverfahren verstärkende (und vielfach sogar prädestinierende) „Erbsünde" zahlloser Verfahren erweisen sich die Modalitäten der in manchen Landesplanungsgesetzen geregelten Raumordnungsveriahren, in denen die vorgesehenen Standorte sog. raumbedeutsamer Vorhaben vorweg unter landesplanerischen Gesichtspunkten geprüft und beurteilt werden. In ihrer gegenwärtigen Form sind diese Verfahren vor allem unter zwei Aspekten äußerst fragwürdig Zum ersten verzichten sie auf die vergleichende Untersuchung von Alternativstandorten. Es ist dies ein Mangel, der — angesichts des Fehlens von Standortsicherungsplänen — vor allem auch im Hinblick auf die Planung von Atomkraftwerken als geradezu skandalös erscheinen muß, da auf diese Weise keinerlei Gewähr besteht, daß der jeweils annehmbarste Standort gefunden wird. Zum zweiten steht die vielfach alle weiteren Entwicklungen präjudizierende Wirkung des Resultates dieser Verfahren in einem offenkundigen Gegensatz zu dem summarischen Charakter der Prüfung des Projekts auf der Grundlage ebenfalls nur summarischer Unterlagen.

2. Auftakt der eigentlichen Genehmigungsverfahren und mithin auch potentieller Auftakt einer jeden Kritik an derartigen Genehmigungsverfahren bildet die Antragsprozedur. Dem schriftlichen Antrag auf Genehmigung umweltreievanter Anlagen sind (ganz unabhängig davon, ob es sich bei dem betreffenden Vorhaben um irgendeine Fabrik, eine Raffinerie oder um ein Atomkraftwerk handelt) diejenigen Unterlagen beizufügen, die zur Prüfung der gesetzlich normierten Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich erscheinen Was jedoch in diesem Zusammenhang als „er-forderlich" zu gelten hat, ist zumeist äußerst zweifelhaft.

Die Problematik des Kriteriums der Erforderlichkeit läßt sich in diesem Zusammenhang mit besonderer Deutlichkeit an einem Schlüssel-begriff des Umweltrechtes, dem Begriff „Stand der (Wissenschaft und) Technik nämlich, aufzeigen. Nach § 9 Abs. 2 Ziff. 3 AtG darf eine atomrechtliche Genehmigung nur erteilt werden, wenn „die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche" Vorsorge gegen Strahlungsschäden getroffen ist Und nach § 5 Ziff. 2 BImSchG sind genehmigungs -bedürftige Anlagen so zu errichten, daß „Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung". Die Erforderlichkeit der zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen einzureichenden Unterlagen ergibt sich mithin nicht zuletzt aus dem nach dem jeweiligen Stand der (Wissenschaft und) Technik Erforderlichen. Zu einer Klärung der Situation trägt diese Bezugnahme allerdings wenig bei, da es sich bei dem Begriff „Stand der (Wissenschaft und) Technik" auch nur um einen dilatorischen Formelkompromiß handelt. Seine Verwendung kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es den „Stand der (Wissenschaft und) Technik" gar nicht gibt, daß es zwar wissenschaftliche Meinungen über das technisch Mögliche und medizinisch Erforderliche gibt, kaum je aber einen objektiv-fest-stellbaren, unbestrittenen Befund.

Problematisch wird diese — erkenntnistheoretisch bedingte — Einsicht dann, wenn man bedenkt, daß „der" Stand der (Wissenschaft und) Technik dennoch in der Form von — Immissionsgrenzwerte, Emissionsgrenzwerte und das Verfahren zur Bestimmung derartiger Grenzwerte und dergleichen mehr regelnden — Verwaltungsvorschriften und Rechtsverordnun-gen sozial wirksam wird. Derartige normativen Konkretisierungen des sog. Stands der (Wissenschaft und) Technik entsprechen nämlich vielfach durchaus nicht dem erreichten wissenschaftlich-technologischen Niveau

Vieles ist mangelhaft, vieles überhaupt nicht geregelt.

Dieser Rückstand erklärt sich in erster Linie als Resultat ökonomisch motivierter und wissenschaftlich-technologisch kaschierter Einflußnahme der betroffenen Wirtschaftsverbände auf die normativen Festschreibungen des sog.

Stands der (Wissenschaft und) Technik. Nach § 48 BImSchG in Verbindung mit § 51 BImSchG hat der Erlaß der besagten „Verwaltungsvorschriften nach Anhörung eines „jeweils auszuwählende(n) Kreise(s) von Vertretern der Wissenschaft, der Betroffenen, der beteiligten Wirtschaft, des beteiligten Verkehrswesens und der für den Immissionsschutz zuständigen obersten Landesbehörden" zu erfolgen. In der Rechtswirklichkeit aber bedeutet dies in aller Regel nichts anderes, als daß diese Verwaltungsvorschriften — wie auch andere technische Normen, VDI-Richtlinien, Unfallverhütungsvorschriften und dergleichen — von gemischten Ausschüssen erarbeitet werden, denen gleichermaßen Industrie-und Behörden-vertreter angehören Diese Zusammenarbeit von wirtschaftlicher und administrativer Bürokratie erfolgt zwar durchaus nicht immer reibungslos; zahllose Erfahrungen erweisen jedoch, daß sich Wirtschafts-und Behördenvertreter — unter Berufung auf ökonomisch skandierte Gemeinwohlvorstellungen — nur allzu häufig auf Kosten der Bürger zu unheiligen Allianzen zusammenfinden Daß nicht zuletzt die Industrieverbände nachdrücklichst für die gesetzgeberische Weiterverwendung des Begriffs „Stand der (Wissenschaft und) Technik" eintreten ist unter diesen Umständen kaum verwunderlich.

Der „Stand der Technik" ist aber auch insofern ein äußerst fragwürdiger Maßstab, als seine Verbesserung weitgehend von der technologischen Kapazität und damit nicht zuletzt auch vom guten Willen derjenigen abhängig ist, deren — bereits begangene oder noch bevorstehende — Umweltsünden durch ihn korrigiert werden sollen. Die Erfahrung hat immer wieder gezeigt, daß die Entwicklung der Umweltschutztechnik von der Industrie nur insoweit mit Nachdruck gefördert wurde, als sie — wie etwa beim Doppelkontaktverfahren für die Schwefelsäureherstellung — zugleich auch Produktionsvorteile versprach Unter administrativem Druck allerdings konnte die von den an einer derartigen Prognose wirtschaftlich Interessierten in die ferne Zukunft verlegte Verbesserung des jeweiligen Standes der Umwelt-technik dann zuweilen sozusagen über Nacht erreicht werden. Da jedoch das politische, wissenschaftliche und moralische Eigengewicht der zuständigen staatlichen Exekutivinstanzen (denen in aller Regel der tatsächliche Stand der Wissenschaft und Technik unbekannt ist) für breit angelegte rechtsökologische Parforce-Maßnahmen gänzlich unzureichend ist, bleibt die Förderung umweltfreundlicher Technologien weitgehend der Vorsorgebereitschaft der Industrie überlassen. Die Grenzen dieser Vorsorgebereitschaft decken sich jedoch in aller Regel mit den Grenzen einer (mehr oder weniger großzügig definierten) Rentabili-tät. Steht die Weiterentwicklung von Sicher-heitsund Sauberkeitstechniken etwa der (Rentabilität versprechenden) Standardisierung ei-einer Anlage entgegen, so wird eben auf diese Weiterentwicklung verzichtet. Der technologische Status quo wird dann flugs als Stand der (Wissenschaft und) Technik deklariert und unter tatkräftigem Einsatz der wirtschaftlichen Interessen nur allzu häufig auch normiert. Das Beispiel „Berstschutz" für Kernreaktoren mag als besonders aktuelles und prägnantes Beispiel für dieses triste Phänomen genannt werden.

Aufgehalten und korrigiert werden kann die hier skizzierte Fehlentwicklung nur durch eine Zurückdämmung des unmittelbaren Einflusses der interessierten Wirtschaftsverbände auf die jeweilige normative Konkretisierung des Standes der (Wissenschaft und) Technik. An seine Stelle muß in verstärktem Maße eine Beteiligung sozioökonomisch unabhängiger Sachverständiger treten. Institutionen wie dem — Ende 1977 von unabhängigen Persönlichkeiten begründeten und getragenen — Freiburger „Oko-Institut für angewandte Ökologie" könnten dabei eine bedeutsame Aufgabe zukommen

Die allmähliche Ersetzung der unmittelbaren Beteiligung der Wirtschaft und ihrer wissenschaftlichen Trabanten durch eine verstärkte Beteiligung wahrhaft unabhängiger Sachverständiger bei der jeweiligen Festlegung des sog. Standes der (Wissenschaft und) Technik würde aller Voraussicht nach auch zu einer Intensivierung der öffentlichen Diskussion der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen der jeweiligen technologischen Optionen führen. Und im Zuge der Intensivierung dieser öffentlichen Diskussion dürfte es wohl auch möglich sein, den Charakter der Definition des jeweiligen Standes von Wissenschaft und Technik als normative Entscheidung deutlich werden zu lassen — deutlich werden zu lassen etwa, daß die atomrechtliche Festlegung von Dosisgrenzwerten in der Strahlenschutzverordnung nichts anderes bedeutet als eine Entscheidung über die Zuordnung bzw.den Entzug quantifizierbarer Uberlebenschancen für eine quantifizierbare Anzahl von Menschen Und die Offenlegung derartiger Implikationen jeder nach dem Stand der (Wissenschaft und) Technik getroffenen konkreten Genehmigungsentscheidung dürfte es dann vor allem auch in stärkerem Maße als bisher möglich machen, die suggestive — und in bezug auf nachträgliche Anordnungen auch normative — Grenze des Standes der (Wissenschaft und) Technik zu über-schreiten und gegebenenfalls auch unter Berufung auf den unzureichenden gegenwärtigen Erkenntnisstand auf ökonomisch motivierte technische Optionen zu verzichten. Verfassungsrechtlich geboten dürften derartige Verzichte unter den Bedingungen der ständig mitwirkenden Intensivierung der Umweltbelastung des Menschen ohnedies häufig genug sein

Im Augenblick freilich sind die umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren schon im Stadium der Einreichung der Antragsunterlagen von der hier skizzierten doppelten Ungewißheit belastet — von der Ungewißheit über den tatsächlichen Stand der (Wissenschaft und) Technik und von der Ungewißheit über die zum Nachweis der hiernach gebotenen Vorsorge erforderlichen Unterlagen. Von zwei Ungewißheiten also, die die Beweislast zwar nicht de jure, wohl aber de facto umkehren und den Genehmigungsbehörden eine Belastung auferlegen, denen sie sehr häufig nicht oder nur in unzureichendem Maße gewachsen sind. Daß die Genehmigungsbehörden — unter Überschreitung der erwähnten normativen Mindeststandards — eigenständig nach dem zur gesetzlichen Richtschnur erhobenen tatsächlichen „Stand der (Wissenschaft und) Technik" fragen, kommt so gut wir gar nicht vor Ein derartiger Rückgriff auf das gesetzlich (und verfassungsrechtlich) Gebotene blieb bislang einigen wenigen aufgeklärten Verwaltungsrichtern vorbehalten Die Genehmigungsbehörden selbst jedoch lassen es nur allzu bereitwillig bei den — aus den genannten Gründen vielfach äußerst fragwürdigen — Standards bewenden.

Tun sie sich mithin noch vergleichsweise leicht, wo sie auf derart quantifizierte oder doch quantifizierbare Genehmigungsvoraussetzungen zurückgreifen können, so fällt es ihnen um so schwerer zu ermessen, ob etwa der Nachweis der „Zuverlässigkeit und Fachkunde" der für die Leitung und Beaufsichtigung ihres Betriebs verantwortlichen Personen in hinreichender Weise erbracht ist (wie es etwa § 3 Abs. 1 Ziff. 4 AtVfV fordert). Und nahezu utopisch wird es selbst dem Arglosesten erscheinen, die für den Nachweis „aller für die Sicherheit der Anlage ihres Betriebs bedeutsamen" Unterlagen zu bestimmen (wie es § 3 Abs. 1 Ziff. 6 AtVfV für den Sicherheitsbericht fordert).

Die Schwierigkeiten, die sich bei der Bestimmung der Erforderlichkeit der jeweiligen Unterlagen ergeben, bieten einen idealen Ansatzpunkt für die allenthalben erfahrbare Tendenz der Antragsteller, nur äußerst dürftige Unterlagen einzureichen, insbesondere aber mit solchen Informationen hinter dem Berge zu halten, die die Umweltverträglichkeit ihres Projektes in Frage zu stellen geeignet sind oder gar die potentiellen Konsequenzen des Normalbetriebs bzw.denkbarer Katastrophenfälle erkennen lassen Die zur Prüfung des Vorliegens der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlichen Unterlagen müssen zwar auf Verlangen der Genehmigungsbehörden ergänzt werden wo jedoch schon die Rechtslage nicht dazu angetan ist, konkrete Gegenvorstellungen zu fördern, ist auch nicht zu erwarten, daß von diesem Nachforderungsrecht in hinreichender Weise Gebrauch gemacht wird. Und dies um so mehr, als auch der Bewußtseins-und Kenntnisstand der mit derartigen Entscheidungen Befaßten aus angebbaren Gründen selten als — im klassischen Sinne des Begriffes — „aufgeklärt“ bezeichnet werden kann Die von Vollzugsdefiziten jeder Größenordnung durchsetzte Praxis bestätigt diese Aussage nur allzu nachdrücklich, was sich anhand zahlreicher Beispielsfälle belegen läßt

Hinzu kommt, daß der gesetzlich vorgesehene Schutz von Geschäfts-bzw. Betriebsgeheimnissen weitere Verschleierungsmöglichkeiten bietet. Zwar müssen nach § 10 Abs. 2 BImSchG und § 3 Abs. 2 AtVfV auch Angaben, die derartige Geheimnisse einschließen, so ausführlich gehalten sein, „daß es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können". Diese Erläuterungspflicht steht jedoch unter dem Vorbehalt, daß sie „ohne Preisgabe des Geheimnisses" erfüllbar ist — eine Formulierung, die dem Mißbrauch des Geheimnisschutzes Tür und Tor öffnet. Selbst dann jedoch, wenn von diesem Vorbehalt nicht in mißbräuchlicher Weise Gebrauch gemacht wird, führt er zwangsläufig zu einer Absenkung des öffentlichen Informations-und Optimationsniveaus. Informationen, die der Öffentlichkeit nicht bzw. nur verschlüsselt zugänglich werden, haben — wie die Erfahrung lehrt — sehr viel geringere Optimationschan-cen als solche, die offen diskutiert werden.

3. Eine weitere Behinderung des zur optimalen Entscheidungsfindung unverzichtbaren Informations-und Kommunikationsflusses ergibt sich paradoxerweise aus der sog. öffentlichen Bekanntmachung.

Nach Vorliegen der vom Antragsteller und (oder) der Genehmigungsbehörde für erforderlich gehaltenen Antragsunterlagen ist das beantragte Vorhaben öffentlich bekanntzumachen. Diese öffentliche Bekanntmachung hat sowohl im Amtsblatt als auch in den örtlichen Tageszeitungen zu erfolgen Da jedoch das Amtsblatt in aller Regel nur wenigen Interessierten, nicht aber von einer breiten Öffentlichkeit gelesen wird und die Bekanntmachung in den örtlichen Tageszeitungen in aller Regel in Kleindruck-Anzeigen erfolgt erwächst der potentiell betroffenen Bevölkerung noch im Publikationsvorgang selbst ein — in seinen Auswirkungen keineswegs zu unterschätzender — Informationsfilter.

Wie schon die Alltagserfahrung lehrt und überdies kommunikationswissenschaftliche Untersuchungen belegen, wird Kleingedrucktes in sehr viel geringerem Umfang gelesen als das in normalen Schrifttypen Gesetzte. Nicht umsonst pflegt(e) der um sicheren Gewinn besorgte Geschäftsmann die Vertragsbedingungen hinter Kleingedrucktem zu verbergen. Wenn diese viel gerügte Praxis schon im zivilrechtlichen Bereich Anlaß zu einer Rechts-reform bot, so müßte dies in noch verstärktem Maße für diesen Bereich des öffentlichen Rechts gelten, in dem das Gemeinwohl in so offenkundiger Weise auf dem Spiel steht. Wer von der Antragstellung (und damit auch von der bevorstehenden Auslegung der entsprechenden Unterlagen) überhaupt keine Kenntnis erlangt, kann sich auch nicht um eine effektive Berücksichtigung seiner (das Gemeinwohl möglicherweise mit umfassenden) Lebensinteressen kümmern.

4. Eine Beeinträchtigung des Informationsflusses wird aber vielfach auch in den zu knapp bemessenen Auslegungsfristen gesehen. Hatte die Gewerbeordnung und die bis zum 28. Februar 1977 in Kraft befindliche Fassung der Atomanlagen-Verordnung nur Auslegungsfristen von einem Monat vorgesehen, so normiert § 10 Abs. 3 BImSchG und § 6 Abs. 1 der neugefaßten atomrechtlichen Verfahrensverordnung nunmehr Auslegungsfristen von zwei Monaten. Wenn man jedoch bedenkt, daß potentiell Betroffene ohne eigenes Verschulden (wie etwa durch Krankheit und dergleichen) daran gehindert sein können, die ausgelegten Unterlagen schon zu Beginn der auf die öffentliche Bekanntmachung folgenden Auslegungsfrist einzusehen, so wird man auch diese überfällige Verlagerung der Auslegungsfristen noch nicht als großen Fortschritt bewerten können. Und wenn man weiterhin bedenkt, daß es bei technisch hochkomplizierten Anlagen (wie sie auf der Zivilisationsstufe der westlichen Industriegesellschaften die Regel bilden) für die potentiell Betroffenen zumeist un-möglich ist, die Frage ihrer aktuellen Betroffenheit ohne die — nicht zuletzt zeitraubende — Inanspruchnahme fremden Sachverstands zu beantworten, so wird man die gegenwärtig rechtskräftigen Auslegungsfristen vollends als unbefriedigend empfinden. Ohne ausreichendes Verständnis der Unterlagen kann eine Individualinteressen sichernde und Allgemein-interessen fördernde öffentliche Mitsprache sinnvollerweise nicht stattfinden. Die öffentliche Auslegung der Unterlagen ist daher auch ein ungemein wichtiges Zwischenglied in der Informations-und Optimationskette des umweltrechtlichen Genehmigungsverfahrens. Ist es brüchig, so steht die Ratio des ganzen Verfahrens auf dem Spiele.

5. Die Erhöhung des Informations-und Opti-mationsniveaus umweltrechtlicher Genehmigungsverfahren kann durch die Einholung von Gutachten gesichert werden Wie die Erfahrung lehrt, ist die Gutachterpraxis heutiger Prägung jedoch eher dazu angetan, dieses Ziel zu gefährden.

Die Unzulänglichkeit der überkommenen Gutachterpraxis wird vor allem unter zwei Aspekten deutlich: unter dem Aspekt der Zufälligkeit der Gutachterauswahl zum ersten und unter dem Aspekt der Zufälligkeit des jeweiligen Gutachteninhalts zum zweiten Beide Arten der Zufälligkeit sind letztendlich als Funktion der mannigfachen Abhängigkeiten zu sehen, in denen auch Gutachter zu stehen pflegen. Die wichtigsten dieser Abhängigkeiten lassen sich als soziale und wissenschaftliche umschreiben.

Bei der sozialen Abhängigkeit braucht es sich keineswegs um eine unmittelbare soziale Abhängigkeit vom Antragsteller zu handeln. Derartige Abhängigkeiten werden im Gegenteil von den Genehmigungsbehörden schon bei der Gutachterauswahl geprüft und vermieden werden. Nahezu die Regel ist jedoch eine soziale Abhängigkeit latenter Art — die mittelbare Abhängigkeit des Gutachters vom Wohl und Wehe der Technologie nämlich, über die er zu befinden hat. Für den Bereich der Kernenergie hat u. a. Robert Jungk nachdrücklich auf diese Zusammenhänge hingewiesen

Nahezu ebenso unausweichlich wie diese Art der latenten sozialen Abhängigkeit (die sich jeweils durch ein mehr oder minder dichtes Geflecht sozioökonomischer Querverbindungen konkretisieren ließe) ist die wissenschaitliche Abhängigkeit der Gutachter von einschlägigen Vorarbeiten. Zumindest partiell werden ihre Erkenntnisse auf Vorarbeiten beruhen, deren eigene Bedingtheit ungeklärt bleibt. Die unmittelbare wissenschaftliche Abhängigkeit der Gutachter mag sich auf diese Weise mit einer mittelbaren sozialen kreuzen, ohne daß diese Zusammenhänge für die auf Beratung angewiesenen Genehmigungsbehörden erkenntlich werden.

Die — durch die erwähnten Faktoren bedingten — Zufälligkeiten der Gutachterauswahl werden jedoch durch die Zufälligkeit des Inhalts der Gutachten noch erhöht. Diese Zufälligkeit des Inhalts wird nicht zuletzt durch die allzuwenig differenzierten Fragestellungen präjudiziert. So wird etwa—um ein beliebiges Beispiel zu nennen — bei der Begutachtung der Auswirkungen zu erwartender Emissionen in aller Regel nicht zwischen verschiedenen Personengruppen differenziert. Ohne eine derartige Differenzierung (zwischen Gesunden, Kranken, Kindern, Erwachsenen und alten Menschen etwa) kann ein gänzlich verzerrtes Bild der Wirklichkeit entstehen.

Als wohl gravierendste Unzulänglichkeit der Gutachterpraxis herkömmlicher Prägung ist aber schließlich und endlich auch noch zu rügen, daß den Einwendern nicht selten die Einsicht in die von der Genehmigungsbehörde eingeholten Gutachten verweigert wird. Obwohl die gesetzlichen Vorschriften über die Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben die Offenlegung der eingeholten Gutachten nicht ausdrücklich fordern, dürfte sich die Rechtswidrigkeit dieser Praxis aus der inneren Logik eines weiteren in diesem Zusammenhang zu erläuternden Rechtsinstituts ergeben — aus der inneren Logik des Erörterungsverfahrens nämlich.

6. Im sog. Erörterungsverfahren hat die Genehmigungsbehörde mit den Einwendern deren Einwendungen zu „erörtern", Neben dem Kreis der zu Einwendungen (und damit auch zur Teilnahme an dem gesetzlich vorgeschriebenen Erörterungsverfahren) Berechtigten ist im Zeichen der praktischen Erfahrungen mit diesem Verfahren auch der Begriff der Erörterung selbst problematisch geworden.

Was zunächst den Kreis der zu Einwendungen Berechtigten anbetrifft, so wird man in den einschlägigen Gesetzen (mit einigen Ausnahmen im Naturschutzrecht) vor allem die ausdrückliche Nennung der — regional und (oder)

sachlich betroffenen — Gemeinden und Umweltverbände vermissen — ein auch für das schweizerische Atomrecht zu konstatierendes Versäumnis, das man sich dort soeben zu korrigieren anschickt Gerade sie wären in be-: sonderem Maße in der Lage, entscheidungserhebliche Gesichtspunkte in das Erörterungsverfahren einzubringen — sofern man sie nicht schon in einem früheren Stadium des (eigentlichen Genehmigung-) Verfahrens hören will.

In der kritischen Literatur wird zu Recht darauf hingewiesen, daß die frühzeitige Beteiligung derartiger Gremien auch in vorzüglicher Weise geeignet wäre, sowohl den Druck der Masseneinwendungen auf das Genehmigungsverfahren selbst als auch den nachträglichen Druck auf die Genehmigungsentscheidungen abzuschwächen

Problematisch sind aber insbesondere auch die Implikationen des unbestimmten Rechtsbegriffes der Erörterung geworden. Zu seiner rechtlichen Profilierung bedarf es einer Besinnung auf seinen Sinngehalt.

Der Begriff der Erörterung entstammt dem Wortschatz der klassischen Rhetorik. In den Rhetorikschulen erlernten die Eleven unter anderem formale und materiale „Topoi" -Kataloge, die es ihnen ermöglichten, jedes konkrete Entscheidungsproblem von verschiedenen Topoi, d. h. also, von verschiedenen Orten aus zu betrachten. Von dieser rhetorischen Methode der Betrachtung eines Problems von verschiedenen Orten aus, d. h. also unter verschiedenen Blickwinkeln, ist der Sinngehalt des Begriffs der „Erörterung" bestimmt. Er setzt voraus, daß das Für und Wider einer Problematik ausgiebig erörtert wird, daß Argumente pro und contra artikuliert und gegeneinander abgewogen werden.

Aus dieser Bestimmung des Sinngehaltes einer „Erörterung" ergibt sich, daß ein Erörterungstermin jedenfalls nicht zu einem bloßen Anhörungstermin degradiert werden darf. Ein rechtsstaatlichen Erfordernissen entsprechender Erörterungstermin setzt daher voraus, daß nicht nur die Einwender ihre Bedenken vortragen, sondern daß es auch zu einer echten Aussprache zwischen den Verfahrensbeteiligten kommt, bei der das Für und Wider des Vorhabens ausführlich „erörtert" wird. Daß aber überhaupt ein derart ausführlicher Austausch von Argumenten und Gegenargumenten erfolgen kann, setzt wiederum voraus, daß den Opponenten in ausreichendem Maße die Gelegenheit zur Information über die Einzelheiten des Projekts gegeben wurde. Das heißt aber u. a. auch, daß den Einwendern die Gelegenheit zur Einsicht in die den Genehmigungsbehörden vorliegenden Gutachten eingeräumt werden muß. Wird all dies verweigert, so werden damit zugleich auch die tatsächlichen Voraussetzungen einer sinnvollen Erörterung untergraben.

Bedauerlicherweise hat die Praxis immer wieder gezeigt, daß die sog. Erörterungstermine bestenfalls zu formelhaften Anhörungsterminen geraten in denen den Einwendern weder eine ausführliche Darlegung ihrer Bedenken noch das Eingehen auf die Stellungnahmen anderer Teilnehmer am Erörterungsverfahren noch die Einsichtnahme in vorliegende Fachgutachten gestattet wird. Insbesondere die schon von ihrer normativen Anlage her zu einer Alibi-Rolle verurteilten atomrechtlichen Erörterungsverfahren geraten vielfach zu einer bloßen Farce, bei der die Einwender entweder lediglich angehört oder aber zudem noch mit beruhigenden Gemeinplätzen abgespeist werden. Beendet wird das Verfahren, „wenn dessen Zweck erreicht ist .. (§ 12 Abs. 3 AtVfV).

Wenn dem Erörterungsverfahren vom Gesetzgeber eine echte Informationsund Optimati-onsaufgabe zugedacht gewesen sein sollte, so wird es nun jedenfalls in praxi von den Genehmigungsbehörden als den Herren des Verfahrens vielfach zu einer bloßen Alibi-Posse degradiert. In besonders krasser Weise hat sich dies etwa im Fall Wyhl gezeigt, wo die Baden-Württembergische Landesregierung bereits vor Abhaltung des Erörterungstermins den Bauauftrag vergeben hatte

7. Als weiterer Schwerpunkt der Kritik muß die — auch dem Baurecht und dem Immissionsschutzrecht bekannte, jedoch vor allem im Zusammenhang mit der Genehmigung von Atomkraftwerken virulent gewordene — Teilgenehmigungspraxis angesprochen werden.

Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren umfaßt gegenwärtig — je nach Sachlage — 20 bis 30 Teilgenehmigungen Diese Folge unverbundener Teilgenehmigungen birgt eine Janusköpfige'Gefahr in sich: die Gefahr des Erlasses rechtlich unverantwortlicher Lawinenentscheidungen im Zeichen prononcierter Sachzwangvorstellungen nämlich, oder aber umgekehrt die Gefahr volkswirtschaftlich unverantwortlicher Fehlinvestitionen Wenn ein so gefährliches und aufwendiges Projekt wie ein Atomkraftwerk an der letzten oder vorletzten Teilgenehmigung nur deshalb nicht scheitert, weil schon zuviel Geld investiert wurde, oder aber scheitert, obwohl schon sehr viel Geld investiert wurde, so ist beides die gleichermaßen unannehmbare Folge einer fehlkonzipierten Genehmigungspraxis. Ebenso wie die — gerade für atomrechtliche Genehmigungen zur Regel gewordene — Erteilung der sofortigen Vollziehbarkeit liegt auch die Teilgenehmigungspraxis bisheriger Prägung auf jener Grundlinie kontinuierlicher staatlicher Vorleistungen an die Antragstel-ler die der atomaren Kontroverse so viel Zündstoff geliefert hat.

8. Im Zeichen der hier vorausgesetzten konstitutionellen Grundwerte äußerst problematisch ist aber auch die — im Gegensatz zu der sonstigen Verwaltungspraxis — gerade bei umweltrechtlichen (insbesondere bei atom-rechtlichen) Genehmigungsverfahren vergleichsweise häufige Anordnung der soiorti-’ gen Vollziehbarkeit der Genehmigungsentscheidung gemäß § 80 Abs. 2 Ziff. 4 VwGO.

Äußerst problematisch ist diese Tendenz den Genehmigungsbehörden vor allem deshalb, weil die rechtlichen Voraussetzungen einen en derartigen Anordnung — die Annahme nämlich, daß sie „im öffentlichen Interesse" oder „im überwiegenden Interesse eines Beteiligten" geboten sei — vielfach allzu leichtfertig bejaht werden. Besonders auffällig ist dies imr Hinblick auf atomrechtliche Genehmigungs-t entscheidungen, deren vorgebliche Gemeinwohlorientierung und (oder) subjektive Vor-c dringlichkeit in Wissenschaft und Politiklu äußerst umstritten ist, jedoch gleichwohl vom den Genehmigungsbehörden regelmäßig bejaht wird.

Fragwürdig sind aber in derart problematischen Bereichen nicht nur die Voraussetzun-

gen, sondern auch die Konsequenzen einer Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit. Wird i sie nicht angefochten, so tritt die grundsätzlieh aufschiebende Wirkung einer potentiellen Anfechtungsklage gegen die eigentliche Genehmigungsentscheidung nicht in Kraft. Die potentiellen Anfechtungskläger haben dann zwar nicht de jure, wohl aber de lacto Nachteile zu befürchten. Die durch vorhergehende Investitionen ausgeübten politischen „Sach-/zwänge" pflegen sich auch über die treuher-Ts zigsten juristischen Dementis hinwegzusetzen.: Wird die Anordnung der sofortigen Vollzie-hung jedoch angefochten und gemäß § 801 Abs. . 5 VwGO der Antrag auf Wiederherstel-3 lung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gestellt, so wird die Verwaltungs-:

gerichtsbarkeit vielfach unnötig belastet. Ge-Rechtsschutzverfahrene das vorläufige bringt eine Vielzahl zusätzlicher Unsicherhei-ten und Schwierigkeiten mit sich. Bei beson-ders brisanten Entscheidungen — wie es diel atomrechtlichen stets darstellen — verstärktes zudem das der Anfechtung zugrunde lie-gende soziopolitische Konfliktpotential 9. Zum Abschluß dieser kritischen Überlegungen zum Status quo umweltrechtlicher Genehmigungsverfahren muß noch die seit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 14. März 1977 auch in breiterer Öffentlichkeit diskutierte Standortproblematik angesprochen werden Unter Berufung auf die höhere demokratische Legitimation der Volksvertretungen haben schon kurz nach Erlaß des Urteils prominiente Exponenten aller im Bundestag vertretenen Parteien vorgeschlagen, die Entscheidung über den Standort und die Art künftiger Atomkraftwerke den bislang zuständigen Länderministerien zu entziehen und den Länderparlamenten zu übertragen. Und in seinem Vorlagebeschluß an das Bundesverfassungsgericht vom 18. August 1977 hat das Oberverwaltungsgericht Münster die Belassung der Genehmigungskompetenz für Atomkraftwerke vom Typus „Schnelle Brüter“ bei den Länder-ministerien sogar für verfassungswidrig erklärt. Wenn man von der Problematik des sog. Schnellen Brüters einmal absieht, die im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit des bei dieser Art der Energieerzeugung anfallenden Plutoniums wohl in der Tat als Sonderfall angesprochen werden kann, so vermag die hier erwähnte Kritik am rechtlichen Status quo allerdings nicht zu überzeugen.

Zum ersten bieten die Länderparlamente — demokratische Primärlegitimation hin, demokratische Primärlegitimation her — keineswegs eine bessere Gewähr für annehmbare Standortentscheidungen als die Länderministerien. Weder ihr fachspezifischer Sachverstand noch ihre Eingebundenheit in sozioökonomische und soziopolitische Tageszwänge rechtfertigt eine derartige Annahme. Zum zweiten würde eine Verlagerung der Standort-entscheidungen auf die Länderparlamente einen flagranten Eingriff in das rechtsstaatliche Grundprinzip der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG), einen Eingriff nämlich in typische (und durch das geltende Recht auch als solche ausgewiesene) Verwaltungsfunktionen bedeuten. Und zum dritten schließlich würde eine derartige Kompetenzverlagerung zugleich auch eine empfindliche Schmälerung der dem betroffenen Bürger zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten und damit eine Verletzung der in Art. 19. Abs. 4 GG verankerten Rechtsweggarantie implizieren, da durch Maßnahmegesetze getroffene Standortentscheidungen nurmehr von den Verfassungsgerichten angefochten werden können. Ganz abgesehen davon nämlich, daß schon die psychologischen Barrieren, die dem betroffenen Bürger den Weg zu den Verfassungsgerichten versperren, vergleichsweise hoch sind, und abgesehen auch davon, daß das jeder Verfassungsbeschwerde vorgeschaltete a-limine-Verfahren (§ 93 a BVerfGG) die prozeßrechtliche Zulässigkeitsschwelle noch weiter erhöht, würden sich seine Erfolgsaussichten auch von der materiell-rechtlichen Situation her ganz erheblich verschlechtern, da dann nurmehr das sehr viel grobmaschigere Netz des Verfassungsrechts als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stünde, überdies würde dem deutschen Bundesbürger (der selbst noch ein letztinstanzielles Verwaltungsgerichtsurteil mit der Verfassungsbeschwerde anfechten kann) aber auch ein ganzer Instanzenzug ohne Äquivalent entzogen. Die ins Auge gefaßte Kompetenzverlagerung für atom-rechtliche Standortentscheidungen verstieße mithin gegen die Ratio der grundgesetzlich verankerten Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG)

Dasselbe würde übrigens auch für die Verwirklichung eines Vorschlags von Siegfried Breuer gelten, der die atomrechtliche Genehmigungskompetenz auf ein „sachverständiges, repräsentatives und unabhängiges Verwaltungsgremium" übertragen wissen will, dessen Entscheidungen von den Gerichten nur-mehr auf die Einhaltung der allgemeinen Grenzen des administrativen Beurteilungsspielraums hin überprüft werden sollen. Ganz abgesehen von den wohl unüberwindlichen Schwierigkeiten der Konstituierung eines Verwaltungsgremiums, dem auch die potentiellen Einwender die Prädikate „sachverständig, repräsentativ und unabhängig" zuerkennen würden, wäre auch diese Minderung der staatsbürgerlichen Rechtsschutzmöglichkeiten kaum als verfassungskonform anzusehen, da ja auch die gegenwärtige Rechtslage implizite von der Sachverständigkeit, Repräsentativität und Unabhängigkeit der Genehmigungsbehörden ausgeht.

Grundlinien der Reform

Die nunmehr zu skizzierenden Grundlinien der Reform folgen den bislang skizzierten Grundlinien der Kritik. Ihre Aufgabe wird es sein, den durch das gegenwärtige Genehmigungsrecht und die gegenwärtige Genehmigungspraxis auf mannigfache Weise behinderten Informationsfluß zu erleichtern und auf diese Weise bessere Voraussetzungen für eine behördliche Optimation der in das Verfahren eingebrachten Interessen zu erreichen. Auf welche Weise dies im einzelnen . geschehen könnte, mag nun im folgenden erläutert werden.

1. Was zunächst die — dem eigentlichen Genehmigungsverfahren vorgeschalteten — Raumordnungsverfahren anbetrifft, so müßte die Einführung einer Alternativenprüfung Gegenstand jeglicher Reformbemühung sein. Soweit die Anzahl der in Frage kommenden Standorte durch Standortsicherungspläne festgelegt ist, was bislang erst in Baden-Württemberg der Fall ist könnte die Prüfung von Alternativen auf die Standorte beschränkt werden Solange derartige Standortsicherungspläne jedoch (aus naheliegenden wahlpolitischen Erwägungen nicht verabschiedet und veröffentlicht werden, müßte von den Antragstellern im Rahmen des Raumordnungsverfahrens die Angabe von Alternativstandorten gefordert werden.

Um dem weithin präjudizierenden Charakter der Raumordnungsverfahren gerecht zu werden, müßte überdies dafür gesorgt werden, daß die Prüfung unter landesplanerischen Aspekten in Zukunft weniger summarisch ausfällt. Ohne eine vertiefte Prüfung (die auch die Bereitstellung detaillierter Unterlagen durch den Antragsteller voraussetzt) wäre es besser, auf ein derartiges Verfahren ganz zu verzichten. Das Risiko einer falschen Weichenstellung ist gerade in diesem Stadium des Verfahrens besonders groß.

2. Was sodann die notorische Unzulänglichkeit der von den Antragstellern in die eigentlichen Genehmigungsverfahren eingebrachten Unterlagen anbetrifft, so ließe sich diesem n Mangel — zumindest bis zu einem gewissen Grade — durch eine stärkere Konkretisierung p der an derartige Unterlagen zu stellenden Anforderungen abhelfen. Was zur Prüfung der 1 Genehmigungsvoraussetzungen im Sinne der i jeweils in Frage stehenden umweltrechtlichen 1 Vorschriften „erforderlich" und damit als „Unterlage"

einzureichen ist, könnte auf ähnliche e Weise in einer Rechts-oder Verwaltungsverordnung festgelegt werden, wie es bereits für die Ermittlung der Emissionsgrenzwerte (in .

der Strahlenschutzverordnung oder auch in der sog. TA-Luft und der sog. TA-Lärm ) ge

schehen ist. Eine solche Verordnung könnte e ein — nach Anlagetypen differenziertes und an n charakteristischen Problem-und Fragestellungen orientiertes — Grundmuster enthalten.

Von dem behördlichen Nachfragerecht bräuchte dann in der Regel nur noch im Hinblick auf atypische Besonderheiten des jeweiligen Vorhabens Gebrauch gemacht werden.

Bei der Normierung eines derartigen Grund-musters könnten insbesondere auch die bisherigen Erfahrungen mit typischen Unterlassungssünden der Antragsteller bei der Einreichung von Unterlagen berücksichtigt werden.

Damit bliebe es in Zukunft nicht nur den Genehmigungsbehörden erspart, stets aufs neue grobe Informationsunterschlagungen hinnehmen zu müssen; es bliebe vielmehr vielfach auch den potentiellen Einwendern erspart, die Genehmigungsbehörden selbst noch im Elementarsten an ihr Nachfragerecht erinnern zu müssen — an ein Recht übrigens, dem im Zeichen des konstitutionellen Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) auch eine Nachfragepflicht entspricht. Insgesamt gesehen würde eine derartige Ausformung des Antragsverfahrens dem potentiell Betroffenen jedenfalls in aller Regel weit bessere Informationschancen einräumen, als sie ihm bislang zur Verfügung stehen, zumal man ihm kaum zumuten kann, einen Teil seiner i Freizeit der Überwachung der beamteten Hü-. ter des Gemeinwohls zu opfern. Ein im Zusammenhang mit der Erörterung der Antragsprozedur noch zu erwähnendes Sonderproblem ist der aus ökologenkreisen für den Bau von Atomkraftwerken nachdrücklichst geforderte Bedarisnachweis.

Die Forderung nach Einführung einer Rechts-pflicht zum Bedarfsnachweis erscheint sowohl unter rechtstheoretischen als auch unter rechtssoziologisch-pragmatischen Gesichtspunkten gerechtfertigt. Rechtstheoretisch deshalb, weil sowohl die — atomrechtliche Genehmigungen erteilenden — Verwaltungsbehörden als auch die — diese Genehmigungen überprüfenden — Verwaltungsgerichte an das (das gesamte öffentliche Recht beherrschende) Verhältnismäßigkeitsprinzip gebunden sind. Im Zeichen des Verhältnismäßigkeitspostulats haben sowohl die Genehmigungs-als auch die Kontrollbehörden zu prüfen, ob der mit der Errichtung und dem Betrieb derart problematischer Anlagen verbundene Gefährdungseingriff in das Grundrecht der betroffenen Bürger auf Erhaltung ihres Lebens und ihrer körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 GG) nicht durch überwiegende Gemeinwohlinteressen gerechtfertigt erscheint, sowie auch — sofern ersteres bejaht werden sollte —, ob nicht dieselben Gemeinwohlinteressen auch durch einen Gefährdungseingriff geringerer Intensität befriedigt werden könnten. Um nun diese — im Zeichen der Wesensgehaltsschranke des Art. 19 Abs. 2 GG wie auch des Prinzips der Gesetz-und Rechtmäßigkeit der Verwaltung und Rechtsprechung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG gebotene — Prüfung durchführen zu können, bedürfen sowohl die administrativen Genehmigungs-wie die judikativen Kontrollbehörden entsprechender Unterlagen. Aufgrund mehr oder weniger vager Behauptungen über die gegenwärtige oder künftige (Energie-) Bedarfslage läßt sich diese konkrete Verhältnismäßigkeitsprüfung jedenfalls nicht durchführen. Es bedarf vielmehr in jedem einzelnen Fall des Nachweises, daß gerade das hier und jetzt beantragte Kraftwerk zur Deckung eines dringenden, anderweitig nicht zu deckenden Energie-bedarfs gebaut werden muß. Nur so vermögen die mit atomrechtlichen Genehmigungen oder der Anfechtung derartiger Genehmigungen befaßten Beamten ihrer Rechtspflicht zu genügen.

Diese rechtstheoretische Begründung der Notwendigkeit eines Bedarfsnachweises wird aber auch durch rechtssoziologische bzw. rechts-pragmatische Erwägungen gestützt. Die Erfahrung zeigt, daß atomrechtliche Genehmigungen sozial nur noch schwer durchsetzbar sind, daß sie stets politisch bekämpft, rechtlich angefochten und letztlich einer (verwaltungs-) gericht-lichen Prüfung unterzogen werden Angesichts des aus diesem rechtssoziologischen Befund ablesbaren Plausibilitätsdefizits des atom-rechtlichen Genehmigungverfahrens wäre eine Erhöhung der Transparenz gerade dieses Verfahrens im Interesse aller Beteiligten dringend geboten. Kein Verdacht erbittert die Gegner der Atomenergie in Wissenschaft und Politik mehr als die (Hypo-) These, daß der behauptete Energiebedarf (im Sinne einer nicht empirisch ablesbaren, sondern allenfalls normativ bestimmbaren Größe überhaupt nicht bestehe. Kein Argument trifft die Befürworter der Atomenergie in Wirtschaft und Politik schneidender als die (Hypo-) These, die Antragsteller befriedigten keinen objektiv feststellbaren Sozialbedarf, sondern lediglich ihr subjektives Gewinnstreben — und dies auf Kosten der Volksgesundheit.

Die Einführung einer Rechtspflicht zum Bedarfsnachweis würde mithin das allseitige Informationsniveau und die allseitige Transparenz sowohl des atomrechtlichen Genehmigungs-als auch des atomrechtlichen Anfechtungsverfahrens in unverkennbarer Weise fördern. Sie würde alle Beteiligten — Antragsteller und Einwender wie auch Genehmigungs-und Kontrollbehörden — zwingen, ihre Bestrebungen und Entscheidungen auf einer differenzierteren Informations-(und damit auch Optimations-) Grundlage zu überdenken. Die Festschreibung des Förderungszwecks in § 1 Ziff. 1 AtG kann im Zeichen der vorweg angestellten verfassungsrechtlichen Überlegungen ohnedies keinen Bestand haben, was im übrigen auch durch die im Würgassen-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 1975 vorgenommene Priorisierung des Schutzwecks (§ 1 Ziff. 2 AtG) indiziert wird Diese Priorisierung ist ein erster — wenn auch dogmatisch eher unbeholfener — Schritt in die richtige Richtung. Eine dogmatisch „saubere" Lösung könnte nur durch den Verzicht des Atomgesetzes auf die Nennung pauschaler Zwecke erreicht werden. Die Ziel-und Zweck-bestimmung allen staatlichen Handelns wird durch die Verfassung normiert. Und zu deren Konkretisierung im Bereich des Atomrechts vermag der Bedarfsnachweis in der Tat einen bedeutsamen Beitrag zu leisten. Er erhöht das allseitige Informations-und Optimationsni-veau und könnte damit durchaus auch zu einer Beruhigung der aufgewühlten energiepolitischen Szenerie führen — sei es durch eine Abschwächung des weitverbreiteten Bürgerprotestes wider die gegenwärtigen energiepolitischen Prioritäten, sei es durch die Förderung der Einsicht in deren mangelnde rationale Basis.

Die Unumgänglichkeit der gesetzgeberischen Begründung einer Rechtspflicht zum Bedarfs-nachweis läßt sich nicht zuletzt auch aus der Tatsache ablesen, daß eine ganze Reihe von Verwaltungsgerichten inzwischen dazu übergegangen sind, die allgemeinen Bedarfsprognosen im Rahmen atomrechtlicher Anfechtungsverfahren einer kritischen Prüfung zu unterziehen Die hierin zum Ausdruck kommende Plausibilitätslücke atomrechtlicher Genehmigungsentscheidungen muß zwangsläufig auf deren verfahrungsrechtlichen Voraussetzungen zurückwirken. In den USA hat die Atomenergiebehörde (AEC) bereits 1973 den hier empfohlenen Kurs eingeschlagen und in der Schweiz steht man im Begriff, ihn auch gesetzlich festzuschreiben. Art. 3, Abs. 1, Buchstabe b des Novellierungsentwurfs zum schweizerischen Atomgesetz vom 23. Dezember 1959 sieht vor, daß Atomkraftwerke künftig nur mehr gebaut werden können, wenn ein konkreter Bedarfsnachweis für die jeweils geplante Anlage erbracht wird. Nach der Regierungsvorlage zählt der Bedarfsnachweis zu den Voraussetzungen der von der Regierung für jedes Einzelvorhaben zu erteilenden Rahmenbewilli-gung, die mithin neben dem Standort und dem technischen Konzept auch die sozioökonomische Notwendigkeit des Projekts zu bestätigen hat Die Verfasser des Entwurfs gehen nämlich von einem tendenziell normativen Bedarfs-begriff aus — von einem Bedarfsbegriff, der die Alternativen der Energieerzeugung wie der Energieersparnis gleichermaßen mitumschließt Daß diese Bereitschaft zur normativen Objektivierung des Bedarfsbegriffes auch für sie am Rubikon der Gefährdung des (nicht problematisierten) gegenwärtigen „Lebensstandards“ endet wird man eher dem für eine echte ökopolitische Wende noch nicht (ganz) reifen Zeitgeist als ihnen selbst anlasten dürfen. Auch mit einem derart begrenzten Vorschlag erheben sie sich zur umwelt-rechtlichen Avantgarde.

Sollte die Bundesrepublik diesem — durchaus nachahmenswerten — Beispiel der Schweiz folgen, so müßten die in § 2 Abs. 2 AtG genannten Genehmigungsvoraussetzungen um das Erfordernis des konkreten Bedarfsnachweises und § 3 Abs. 1 AtVfV um die Bestimmung der zur Erbringung dieses Nachweises erforderlichen Unterlagen ergänzt werden. Daß nicht zuletzt auch die Festlegung der im einzelnen unzureichenden Unterlagen (sowohl im Hinblick auf deren normative Standardisierung wie auch im Hinblick auf jeden Einzelfall) erhebliche Probleme aufwerfen würde, ist unverkennbar. Da jedoch die verfassungsrechtliche Synchronisation des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens ohne derartige Vorkehrungen in der Zukunft weniger als je zuvor möglich erscheint, wird man die mit der Lösung der ihnen immanenten Probleme verbundene Mühe nicht scheuen dürfen. 3. Eine derartige Verbesserung der Informationschancen der Betroffenen wäre selbstverständlich auch von einer potentiellen Reform der bestehenden Vorschriften über die „öffentliche Bekanntmachung“ des Auslegungsverfahrens zu erwarten. Wichtig wäre in diesem Zusammenhang vor allem, daß die Veröffentlichung des Vorhabens den Schleierfängen des Kleingedruckten entrissen würde. Auch diese Forderung beruht auf der Überlegung, daß es dem potentiell Betroffenen nicht zuzumuten ist, unaufhörlich auf der Lauer zu liegen und — mit viel Zeit und einer extrastarken Lese-brille ausgestattet — unter dem Wust klein-gedruckter Zwangsversteigerungshinweise und dergleichen auch noch nach Hinweisen auf umweltrelevante Genehmigungsverfahren zu forschen.

4. Ähnliches gilt aber schließlich auch für die Verlängerung der Auslegungsfristen von bislang zwei auf drei Monate, wie sie vor kurzem — nach amerikanischem Vorbild — vom schweizerischen Bundesrat für die Standort-(rahmen)

bewilligung als Gesetzesvorlage beschlossen wurde Eine derartige Verlängerung der Auslegungsfristen könnte die zuvor skizzierten negativen Implikationen der überkommenen Fristenregelung zumindest teilweise neutralisieren. Die Verringerung der Planungsund die Verlängerung der Ausführungsphase umweltrelevanter menschlicher . Hervorbringungen ist eine für die Neuzeit charakteristische Entwicklung. Auf ihr Schuld-konto gehen viele negative Begleiterscheinungen der Moderne. Daß die hier empfohlene Verlängerung der Auslegungsfristen in diesem Sinne ein wichtiger Schritt zurück wäre, liegt i auf der Hand. Eine Auslegungsfrist von drei . Monaten würde jedenfalls den Informationsi interessen der Öffentlichkeit (und damit mittel-ibar auch den Optimationsinteressen der Allgemeinheit)

Rechnung tragen, ohne die Ent1 faltungsinteressen des Antragstellers über Ge-l bühr zu beeinträchtigen.

5. So unverkennbar die Dringlichkeit der bislang genannten Reformvorschläge sein mag, : so unverkennbar ist auch, daß die Revision der überkommenen Gutachterpraxis das Kernstück einer jeden Reform umweltrechtlicher Genehmigungsverfahren abgeben müßte. Als unverzichtbare Grundlage jeder behördlichen Genehmigungsentscheidung für umweltrelevante Anlagen kommt der — von unmittelbaren oder mittelbaren sozialen Rücksichten unabhängigen — Objektivität und wissenschaftlichen Qualität der von den Genehmigungsbehörden eingeholten Gutachten die größte Bedeutung zu. Daß die Erfüllung dieser beiden Grunderfordernisse einer gemeinwohlorientierten Gutachterpraxis im Zwielicht der bisherigen Erfahrungen nicht als gesichert gelten kann, wurde bereits betont. Überlegungen zur Überwindung der mannigfachen Zufälligkeiten der gegenwärtig vorherrschenden Gutachterpraxis werden daher auch schon seit geraumer Zeit angestellt.

— Ein besonders überzeugendes Reformmodell präsentiert der sog. „Wiedenfelser Entwurf", der im Februar 1973 auf einer Arbeitstagung der Evangelischen Akademie Baden erarbeitet wurde. Er befaßt sich sowohl mit der Auswahl der Gutachter als auch mit dem Inhalt der Gutachten

Was zunächst die Gutachterauswahl anbetrifft, so enthält der Wiederfelser Entwurf den Vorschlag, sämtliche Verfahrensbeteiligten an der Auswahl zu beteiligen. Es würde dies konkret bedeuten, daß sowohl der Antragsteller als auch die von Umweltbelastungen (potentiell) Betroffenen einen oder mehrere Gutachter benennen könnten, die dann von der Genehmigungsbehörde auf Staatskosten zur Begutachtung herangezogen würden. Im Zeichen der gegenwärtig zu beobachtenden Masseneinwendungen müßte das Benennungsrecht der Betroffenen wohl repräsentativ ausgeübt werden. Da sich jedoch heute zumeist ein oder mehrere Umweltverbände zum Wortführer des Protestes gegen die Errichtung von Atomkraftwerken aufschwingen, dürfte diese Bündelung kaum ernsthaften Schwierigkeiten begegnen. Im übrigen bliebe es der Genehmigungsbehörde selbst unbenommen, von sich aus noch einen oder mehrere weitere Gutachter zu berufen. Eine derartige Erstellung von Parallelgutachten wäre sehr viel vorteilhafter als die gegenwärtige Praxis. Zum einen könnte man es sich dann ersparen, jeden Gutachter schon von vorneherein auf seine etwaige persönliche Verflechtung mit irgendwelchen sozialen, ökonomischen oder politischen Interessen zu überprüfen. Die zwangsläufige Konfrontation der Gutachten würde nämlich einen erheblichen Objektivitätsdruck ausüben, da die offene Gegenüberstellung wohl nicht zuletzt auch im unmittelbaren Vergleich die Hintergründe der jeweiligen Thesen aufscheinen ließe. Zum zweiten würde die zu erwartende Gegenüberstellung aber aller Voraussicht nach auch einen nicht unerheblichen Qualitätsdruck ausüben, da nach Vorlage der Gutachten das Gewicht der vorgelegten Daten und Schlüsse offen gegeneinander abgewogen werden könnte, überdies würden die (häufig durchaus nicht mit überragendem Sachverstand ausgestatteten) Genehmigungsbehörden durch eine derartige Gutachterauswahl aber auch ganz erheblich entlastet werden, da sie nunmehr ohne weiteres davon ausgehen könnten, daß die bedeutsamsten Positionen und Gegenpositionen sachverständig in das Verfahren eingebracht werden. Bei dieser Hervorhebung der Vorteile einer potentiellen Reform der Gutachterauswahl wird allerdings als selbstverständlich vorausgesetzt, daß die eingeholten Gutachten dann auch tatsächlich allen Verfahrensbeteiligten zur Einsichtnahme offenstehen. Ohne den Abschied von der — gerade im Bereich der Gutachterpraxis besonders informations-und optimationshemmenden — Arkanpolitik tradierter Prägung wäre auch diese Reform der Gutachterauswahl wenig erfolgversprechend.

Nicht minder bedeutsam als die (inzwischen auch von einem Diskussionsleitfaden der SPD als erwägenswert apostrophierten Vorschläge des Wiedenfelser Entwurfs zu einer Reform der Gutachterauswahl sind jedoch auch seine Vorschläge zur inhaltlichen Ausgestaltung der Gutachten. Wenn bei der kritischen Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Gutachterpraxis gesagt wurde, daß nicht nur die übliche Auswahl der Gutachter, sondern auch der übliche Inhalt der Gutachten ein hohes Maß an Zufälligkeit aufweise, so muß sich die rechtspolitische Bemühung auf die Frage konzentrieren, auf welche Weise dieser Zufälligkeit begegnet werden kann. Und gerade auch zur Beantwortung dieser Frage hat der Wiedenfelser Entwurf einen wertvollen Beitrag geleistet.

Wichtigster Programmpunkt nämlich ist die vorgängige Einigung sämtlicher Verfahrens-beteiligten (einschließlich der vorgesehenen Gutachter) auf einen Fragenkatalog. „Dieser Katalog", so heißt es in dem Entwurf, „soll ...

alle Fragen umfassen, die irgendeinem der Beteiligten wesentlich erscheinen ... Der wesentliche Inhalt ... soll in einem öffentlichen Hearing ... erarbeitet werden. Der Fragen-katalog soll veröffentlicht werden und von jedem Bürger ergänzt werden können." Ebenso wie für die Bestimmung der vom Antragsteller einzureichenden Unterlagen könnte auch zur Vereinfachung dieses Verfahrens ein anlagetypisches Grundmuster entworfen werden. Bei der Erarbeitung der jeweiligen Fragenkataloge könnten sich die Verfahrensbeteiligten dann in der Regel auf die anlagenspezifischen Fragestellungen des betreffenden Projekts beschränken.

Die Vorteile einer derartigen Vorformung des jeweiligen Inhalts der Gutachten liegen auf der Hand. Sie ermöglichen zum einen eine weitgehende Vergleichbarkeit (und damit auch Überprüfbarkeit) der verschiedenen Gutachten und garantieren zum anderen eine optimale Erschließung des durch die jeweils beantragten Anlagen eröffneten Problemfelds. Sie sichert mithin sowohl den potentiell Betroffenen als auch den Genehmigungsbehörden ein Höchstmaß an (weitgehend objektivierbarer) Information und schafft damit auch die Voraussetzungen für eine echte behördliche Gemeinwohlentscheidung. Die Gefahr, daß bei einem derartigen Verfahren überflüssige Fragen in den Katalog Aufnahme finden (und damit das ganze Genehmigungsverfahren unnötig belasten) werden, wiegt gering im Vergleich zu der Chance, daß auf diese Weise eine Klärung aller entscheidungswichtigen Fragen gelingen kann.

6. Eine im skizzierten Sinne erfolgte Reform des Antrags-, Bekanntmachungs-, Auslegungs-

und Begutachtungsverfahrens würde — zumindest partiell — zugleich auch eine Reform des Erörterungsverfahrens vorbereiten, das nicht zuletzt unter erheblichen Informationsmängeln leidet.

Wenn eingangs gesagt wurde, daß den Beteiligten von den Genehmigungsbehörden nicht selten die Einsicht in vorliegende Fachgutachten verweigert wird, so sind neuerdings normative Ansätze zur Korrektur dieser wenig sachdienlichen Praxis feststellbar. Den bescheidensten Ansatz bietet § 6 Abs. 3 AtVfV, der vorsieht, daß die Genehmigungsbehörde Akteneinsicht „nach pflichtgemäßem Ermessen" gewähren „kann" (und damit lediglich die bisherige Rechtsprechung normiert

Durch § 66 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 25. Mai 1976 wurde die Offenlegung schriftlicher Gutachten wenigstens zur Sollvorschrift erhoben. Verstärkt, zugleich aber auch relativiert wird diese Vorschrift jedoch durch § 29 Abs. 1 VwfG, der bestimmt, daß die zuständige Verwaltungsbehörde den jeweiligen Verfahrensbeteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gewähren hat, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Ganz abgesehen davon, daß auch hier wieder allein die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Erforderlichkeit erhebliche Rechtsunsicherheiten begründet, wird die Rechtspflicht zur Akteneinsicht auch noch durch § 29 Abs. 2 VwfG eingeschränkt. Nach dieser Bestimmung ist die Behörde zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, „soweit durch sie die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt, das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder soweit die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen der berechtigten Interesse der Beteiligten oder dritter Personen, geheimgehalten werden müssen".

Auch diese — nicht nur allen Erfordernissen der Sprachästhetik, sondern auch dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitserfordernis widersprechende — Einschränkung der allgemeinen Offenbarungsregel bietet wieder eine Fülle von Ansatzpunkten für legale Informationsunterschlagungen. Für die normative Neugestaltung (zumindest) der umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren ist daher der Wegfall aller unnötigen Informationsbarrieren und die Begründung eines subjektiven Rechtsanspruchs aller Verfahrensbeteiligten auf unbehinderte Akteneinsicht zu fordern — eines Rechtsanspruchs, der nur durch eine (sehr restriktiv zu haltende und zu handhabende) Staatssicherheits-und Betriebsgeheimnisschutzklausel eingegrenzt werden darf. Als flankierende Maßnahme müßte außerdem auch das Recht auf Vervielfältigung einzelner Aktenteile begründet werden da es den Verfahrensbeteiligten nicht zugemutet werden kann, eventuell äußerst vielschichtige Zusammenhänge im Gedächtnis zu behalten. Schon durch den Ausschluß oder die übermäßige Beschränkung des Vervielfältigungsanspruchs kann eine repressive Informationspolitik (mit schwerwiegenden Konsequenzen für die Verwirklichung des Gemeinwohls) betrieben werden.

Eine Verbesserung des Erörterungsverfahrens bisheriger Prägung ließe sich aber insbesondere auch aus der hier befürworteten Konzeption der Einholung von Parallelgutachten entwickeln. Der zur Vorstrukturierung der einzelnen Parallelgutachten von den Verfahrensbeteiligten erarbeitete Fragenkataiog könnte zugleich auch der Vorstrukturierung des Erörterungsverfahrens dienen. Würde der Fragenkatalog zum Rückgrat des Erörterungsverfahrens werden, so ließen sich damit aller Voraussicht nach die beiden schwersten Mängel der bisherigen Erörterungspraxis ausgleichen: die Abhängigkeit der behandelten Themen von dem (mehr Qder weniger zufälligen) Inhalt der einzelnen Einwendungen nämlich und die Verzerrung des Erörterungszum bloßen Anhörungstermin. Die Vorgabe eines Katalogs von Fragen und die Vorlage von gutachtlichen Antworten auf diese Fragen würden es kaum mehr erlauben, die Einwender mit einer bloßen Anhörung abzuspeisen; sie würden vielmehr eine vergleichende Diskussion dieser Antworten geradezu herausfordern. Und eine — dieser roten Linie folgende — Diskussion würde wohl auch eine hinreichende Grundlage für jegliche Genehmigungsentscheidung abgeben.

Das — bei der Erörterung der Modalitäten der Gutachterbenennung bereits erwähnte — Problem der Bündelung von Masseneinwendungen stellt sich allerdings auch für das Erörterungsverfahren Im Interesse der Praktikabilität und Transparenz des Verfahrens wäre auch hier eine gewisse Bündelung der Argumentation erstrebenswert. Eine normative Ausgestaltung des Erörterungsverfahrens (wie sie vereinzelt ins Gespräch gebracht wird) müßte daher auch Vorkehrungen für die — eventuell nach Argumentationskreisen gegliederte — repräsentative Wahrnehmung des Erörterungsrechts treffen.

Zum Abschluß dieser Überlegungen zur Reform des Erörterungsverfahrens mag noch ein sehr bedeutsamer Vorschlag von Alfred Rinken aufgegriffen werden — der Vorschlag nämlich, die Leitung des Erörterungsverfahrens einer sachkundigen, jedoch in institutioneller Distanz zu allen Verfahrensbeteiligten stehenden Persönlichkeit anzuvertrauen.

Angesichts der — leider unübersehbaren — Tatsache, daß die bislang mit der Leitung der Erörterungsverfahren betrauten Vertreter der Genehmigungsbehörden die Einwender nur allzu häufig als mehr oder weniger lästige Störenfriede betrachten und diese Einschätzung dann auch auf die schon angedeutete Weise in die Strukturierung des Verfahrens einfließen lassen, würde eine derartige Neutralisierung der Verhandlungsleitung einen (im Sinne der angegebenen Reformziele) konstruktiven Beitrag zur Entspannung der meist ohnedies allzu gespannten Atmosphäre der Erörterungstermine leisten können. 7. Die Reform der (insbesondere) atomrechtlichen Teilgenehmigungspraxis schließlich müßte eine Verfahrenskonzentration anstreben, die allerdings wenig gemein hätte mit den üblichen Vorstellungen der Energiewirtschaft von einer „Straffung" der atomrechtlichen Genehmigungsverfahren. Eine Verfahrenskonzen-tration der hier angestrebten Art brauchte keineswegs zu einer zeitlichen Verkürzung, wohl aber zu einer zeitlichen und sachlichen Koordination der einzelnen Teilgenehmigungen zu führen. Sie könnte etwa nach Art eines Planfeststellungsverfahrens erfolgen das die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Teil-genehmigungen unangetastet ließe. Eine derartige Zusammenfassung der einzelnen Verfahrensschritte würde die Genehmigungsbehörden einerseits einem heilsamen Koordinationszwang unterwerfen und andererseits zugleich auch von dem unheiligen Zwang befreien, die unzureichenden Koordinationsmöglichkeiten durch eine exzessive Auflagen-praxis auszugleichen.

Insgesamt gesehen wäre von einer Reform der Teilgenehmigungspraxis im hier vorgeschlagenen Sinne eine doppelte Verbesserung des Status quo zu erwarten: eine Erhöhung der analytischen Qualität der einzelnen Genehmigungsabschnitte nämlich und eine Verringerung der Gefahr volkswirtschaftlich unvertretbarer Fehlinvestitionen. 8. Die oben begründete Fragwürdigkeit der sofortigen Vollziehbarkeitspraxis indiziert nicht zuletzt die Tatsache, daß derartige Anordnungen (insbesondere im Rahmen des atom-rechtlichen Genehmigungsverfahrens) immer häufiger von den Verwaltungsgerichten aufgehoben werden Diese Rechtssprechungstendenz der Verwaltungsgerichte bedeutet nicht zuletzt eine Anerkennung der grundrechtssichernden Funktion des vollen gerichtlichen Rechtsschutzes einschließlich der aufschiebenden Wirkung einzelner Rechtsmittel.

Eine gesetzgeberische Präzisierung der in § 80 Abs. 2 Ziff. 4 VwGO genannten Voraussetzungen, zumindest aber eine größere Zurückhaltung der Genehmigungsbehörden bei der Bejahung dieser Voraussetzungen, wäre mithin ein echter Beitrag zur Liberalisierung umwelt-rechtlicher Genehmigungsverfahren. 9. Wenn beim Aufriß der Grundlinien der Kritik am Status quo umweltrechtlicher Genehmigungsverfahren jene Kritik an der gegenwärtigen Fassung des Atomgesetzes verworfen wurde, die auf eine Verlagerung der Standortentscheidungskompetenz von den Länderministerien auf die Länderparlamente abzielt, so bedeutet dies noch nicht, daß das Verfahren der Standortfindung nicht reformierungsfähig wäre. Eine unter volksstaatlichen Vorzeichen wünschenswerte und unter rechtsstaatlichen Vorzeichen unbedenkliche Reform könnte insbesondere in der gesetzlichen Verpflichtung der Parlamente zur Aufstellung und.

Veröffentlichung von landesweiten Standortsicherungsplänen bestehen.

Die Verpflichtung zur Standortsicherungsplanung würde den staatlichen Instanzen wenigstens für diesen Bereich die — angesichts des ökonomischen Engagements des Staats in der Energiewirtschaft allerdings auch nur formale •— Initiativkompetenz zurückgeben und damit zugleich auch die Chancen einer lanidesplanerisch verantwortlichen Standortfindung erhöhen. Die aus diesem Planungsverfahren hervorgehenden Standortsicherungspläne könnten dann für die Genehmigungsverfahren einen (alternativ angelegten) Rechtsrahmen abgeben, der die konkreten Standortentscheidungen zumindest de iure nicht präjudiziert und mithin auch die überkommenen Rechtsschutzmöglichkeiten nicht tangiert. Angesichts der faktischen Vorwirkung der Standortsicherung wäre allerdings auch erwägenswert, die von der Umweltministerkonferenz vom 9. Februar 1976 geforderte Beteiligung der Bevölkerung an der Standortplanung und -Sicherung zu verwirklichen, die auf diese Weise zustande gekommenen Standortsicherungsentscheidungen für anfechtbar zu erklären und dafür die Standortgenehmigung im bisherigen Sinne fallen zu lassen — eine Alternative für die sowohl Rechtsstaatlichkeitsals auch Praktikabilitätserwägungen sprechen

Die erwähnte Beteiligung der Bevölkerung bei der Standortfindung könnte eventuell auch in Form eines regionalen Plebiszits erfolgen, wie es die schweizerische Volksinitiative „zur Wahrung der Volksrechte und der Sicherheit beim Bau und Betrieb von Atomanlagen" vom 20. Mai 1976 gefordert hat und wie es auch in umweltpolitisch engagierten Kreisen der Bundesrepublik Deutschland diskutiert wird. Die schweizerische Volksinitiative (die von der Berner Regierung inzwischen ablehnend kommentiert wurde fordert, daß die Konzessio-nierung von Atomkraftwerken von der „Zustimmung der Stimmberechtigten von Standortgemeinde und angrenzenden Gemeinden zusammen, sowie der Stimmberechtigten jedes einzelnen Kantons, dessen Gebiet nicht mehr als 30 km von der Atomanlage entfernt liegt" abhängig gemacht werden soll.

Uber die verfassungsrechtliche Zulässigkeit und über die Zweckmäßigkeit einer entsprechenden gesetzgeberischen Innovation wird man rechten können. Nach der Rechtsauffassung des Verfassers wäre eine entsprechende Abänderung des Atomgesetzes auch dann durch Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG voll gedeckt, wenn die Abstimmung nicht nur als Meinungsbild, sondern vielmehr als echte Standortentscheidung konzipiert würde. Ginge man von der entgegengesetzten Auffassung aus, so könnten jedenfalls durch eine Verfassungsänderung die rechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Modifikation des Atomgesetzes geschaffen werden.

Bedeutsamer als die Frage nach der konstitutionellen Legalität ist daher auch die Frage nach der konstitutionellen Legitimität einer solchen Maßnahme. Auch darüber, wieweit das nach unserer Verfassungsordnung vorherrschende Repräsentationsprinzip durch die Integration plebiszitärer Willensbildungsverfahren ergänzt bzw. begrenzt werden sollte, wird man mit guten Gründen unterschiedlicher Meinung sein können. Eines allerdings scheint unzweifelhaft zu sein: daß nämlich plebiszitären Entscheidungen bei Fragen von hoher soziopolitischer Sprengkraft ein ebenfalls hoher Befriedungswert zukommt. Und daß es sich gerade bei der atomaren Kontroverse um eine derartige Frage handelt, kann kaum zweifelhaft sein Ganz abgesehen aber von diesem — im Zeichen der Ordnungslegitimität zu deutenden — Aspekt, steht auch die Auswirkung einer derartigen Integration eines plebiszitären Elementes auf die sonstigen Legitimitätsaspekte atomrechtlicher Genehmigungsentscheidungen in Frage. Wenn man etwa bedenkt, daß nach einer Infratest-Umfrage aus dem Jahre 1977 (auch) jeder dritte Befürworter der Atomenergie Bedenken gegen den Bau eines Atomkraftwerkes in seiner eigenen Region hätte so wird man sich fragen müssen, ob nicht gerade Volksabstimmungen die Doppelbödigkeit der sozialen Akzeptanz (und damit letztendlich auch der Legitimität) gewisser repräsentativer Entscheidungen bloßlegen und auf diese Weise — über ihre unmittelbaren Folgen hinaus — auch mittelbar einen demokratischen Optimationseffekt ausüben könnten.

Resümee

Daß die hier skizzierten Vorschläge und Überlegungen zur Reform umweltrechtlicher Genehmigungsverfahren zu einer durchgängigen Verbesserung der Informations-und Koordinationschancen aller Verfahrensbeteiligten und damit im Ergebnis auch zu einer durchgängigen Verbesserung der Interessenausgleichs-chancen führen könnten, bedarf nach all dem Gesagten kaum mehr besonderer Betonung. Abschließend zu betonen bleibt, daß die Verfolgung dieser Grundlinien der Reform zugleich auch einen Beitrag zur Demokratisierung und Liberalisierung umweltrechtlicher Genehmigungsverfahren umschließen würde.

Einen Beitrag zur Demokratisierung des Verfahrens würde die Reform deshalb leisten, weil die Möglichkeit zur unmittelbaren Teilnahme der betroffenen Bürger an den in Frage stehenden Willensbildungsverfahren durchgängig erweitert würde. Und einen Beitrag zur Liberalisierung des Verfahrens würde eine diesen Grundlinien folgende Reform vor allem deshalb leisten, weil sie dem — im ökologischen Kontext fundamental bedeutsamen — Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit im Geflecht divergierender, rechtlich geschützter Interessen bessere Behauptungschancen einräumt, als dies im Zeichen der bisherigen normativen und faktischen Ausgestal-tung der umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren der Fall war und ist.

Insbesondere die — im Hinblick auf die verfassungsrechtlich verankerte Wesensgehaltsgrenze eines jeden Eingriffs in dieses sog. Muttergrundrecht bedeutsame — Verhältnismäßigkeitsprüfung (die letztendlich stets in eine umfassende Chancen-und Risikenabwä-gung mündet) ließe sich mit Hilfe des hier präsentierten Instrumentariums eines reformierten Genehmigungsverfahrens sehr viel umfassender und damit auch befriedigender durchführen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. hierzu ausführlich Mayer-Tasch, Kernenergie und Bürgerprotest, in: Carl Amery, K. M. Meyer-Abich, P. C. Mayer-Tasch, Energiepolitik ohne Basis, Frankfurt 1978, S. 7 ff. «

  2. Vgl.des näheren Mayer-Tasch, Die Bürgerinitiativbewegung. Der aktive Bürger als rechts-und politikwissenschaftliches Problem, Reinbek b. Hamburg 1 9773, S. 23 ff. passim.

  3. Vgl. hierzu auch das Memorandum des Bayer. Städteverbandes „Zur Verbesserung des Verfahrens bei der Errichtung von Kernkraftwerken", München 1977, S. 3 f.

  4. Vgl. etwa § 10 Abs. 1 BImSchG sowie § 3 Abs. 1 AtVfV.

  5. Siehe auch die vergleichbare Formulierung von Art. 10 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 des Schweizerischen Bundesgesetzes über die friedliche Verwendung der Atomenergie und den Strahlenschutz vom 23. 12. 1959. Noch unbestimmter heißt es etwa in § 13 Abs. 1 des Österreichischen Strahlenschutzgesetzes vom 8. 7. 1969 (BGBl, Jg. 1969, S. 1337 ff.), daß die Genehmigungsbehörden „unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse" durch Verordnung den Umgang mit radioaktiven Stoffen etc. sowie den Betrieb von Strahleneinrichtungen von der allgemeinen Bewilligungspflicht gemäß §§ 7 oder 10 ausnehmen können, sofern eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen einschließlich ihrer Nachkommenschaft nicht zu besorgen sei (!!).

  6. Derartige Verwaltungsvorschriften enthalten etwa die sog. TA-Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft) in der Fassung vom 28. 8. 1974 (GMB 1, S. 425, 525) und die sog. TA-Lärm

  7. Vgl. etwa die Strahlenschutzverordnung in der Fassung vom 13. 10. 1976 (BGBl I, 2905).

  8. Vergl. hierzu und zum folgenden schon Mayer-Tasch, Umweltrecht und Umweltpolitik, in: Charles F. Doran, Manfred O. Hinz, P. C. Mayer-Tasch, Umweltschutz — Politik des peripheren Eingriffs, S. 23 f.

  9. Vgl. dazu statt anderer E. Schmidt, Rechtsprobleme des Umweltschutzes, in: Oel — Zeitschrift für die. Mineralölwirtschaft, Jg. 1972, S. 138 ff. Vgl. auch Siegfried de Witt/Rainer Beeretz, Altes Recht und neue Technik, S. 6 f. (MS eines Vortrages, der am 17. 8. 1977 im Rahmen der Sendereihe „Wachstum oder Sicherheit" des Heidelberger Studios des Südfunks gehalten wurde).

  10. Ebenso zu Recht Beeretz/de Witt, a. a. O., S. 7 ff.

  11. Vgl. dazu wieder Schmidt, Rechtsprobleme des Umweltschutzes, a. a. O.

  12. Vgl. zu diesem Problemkreis u. a. Siegfried Nagel, Lärm in den Straßen, in: Umwelt, Jg. 1971, Heft 3, S. 19 ff., sowie die Kommentare zum Bundestags-Hearing „Luftreinhaltung“ von Siegfried Nagel (Umweltschutz kontra Wirtschaftswachstum, in: Umwelt 1971, Heft 4, S. 13 ff.), Franz Dreyhaupt (Im Zwiespalt am Ziel vorbei, in: Umwelt 1971, Heft 4, S. 15 ff.) und Helmut Kleinhorst (Nicht ohne Zwang und Kontrolle, in: Umwelt 1971, Heft 4, S. 17 ff.).

  13. Vgl. dazu ausführlich Renate Mayntz/Hans-Ul-rieh Derlien, Vollzugsprobleme der Umweltpolitik. Empirische Untersuchung der Implementation von Gesetzen im Bereich der Luftreinhaltung und des Gewässerschutzes im Auftrag des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, Stuttgart/Mainz/Köln 1978 (MS, S. 357 ff.). In den in dieser Studie wiedergegebenen Interviewauszügen werden auch Problemlösungsimpulse gegeben. So erklärte ein Gewerbeaufsichtsbeamter: „Es wird . . .dem Bildungsstand und dem Ausbildungsgrad des einzelnen Abteilungsleiters überlassen zu prüfen, was „Stand der Technik" ist. Ich möchte wissen, wozu das Umweltbundesamt in Berlin existiert. Von dem haben wir nämlich in dieser Hinsicht noch nichts gehört. Wir sind dafür, daß man mit den Mitteln der modernen Computertechnik ein System schafft, bei dem man abfragen kann, was für welche Anlagen der neueste Stand der Technik ist" (a. a. O., S. 357). Und der Vertreter einer Landesanstalt erklärte: „Daneben sollte man ein Informationssystem aufbauen — wie etwa die Rundbriefe des Bundesinnenministeriums —, das über den neuesten Stand der Technik informiert" (a. a. O., S. 358).

  14. Vgl. dazu wieder Beeretz/de Witt, a. a. O., S. 3 ff. und passim.

  15. Zur Zielsetzung dieses Instituts mögen einige Passagen aus seiner Selbstdarstellung (Werbebroschüre) angeführt werden:

  16. Vgl. dazu des näheren Manfred O. Hinz, Zur Verfassungsmäßigkeit der Dosisgrenzwerte, in: Viertes Deutsches Atomrechts-Symposium, Referate und Diskussionsberichte, hrsg. vom Institut für Völkerrecht der Universität Göttingen, Köln/Berlin/Bonn/München 1976, S. 165 ff.

  17. Gemäß § 17 Abs. 2 BImSchG darf die zuständige Verwaltungsbehörde „eine nachträgliche Anordnung nicht treffen, wenn die ihr bekannten Tatsachen ergeben, daß die Anordnung 1. für den Betreiber und für Anlagen der von ihm betriebenen Art wirtschaftlich nicht vertretbar oder 2. nach dem Stand der Technik nicht erfüllbar" ist. Vgl. allerdings auch die „Notbremse" des § 21 BImSchG. — Zur Auslegung des Begriffs der „wirtschaftlichen Vertretbarkeit" vgl. Werner Hoppe, Die „wirtschaftliche Vertretbarkeit" im Bundesimmissionsschutzgesetz, in: NJW 1977, S. 1849 ff.

  18. Vgl. Art. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 GG und Art. 20 Abs. 3 GG.

  19. Vgl. dazu ausführlich die Erhebungen von Mayntz/Derlien (Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, MS. S. 43 ff., S. 351 ff.), aus denen im übrigen auch hervorgeht, daß der „Stand der Technik" nicht selten auch als „Synthese von technisch Möglichem und wirtschaftlich Zumutbarem"

  20. Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die vollziehende Gewalt an „Gesetz und Recht" gebunden!

  21. Vgl. vor allem die Entscheidung des OVG Münster vom 7. 7. 1976 (abgedruckt in: DVB 1 1976, S. 790 ff. (793), und dazu Breuer, Die Entwicklung des Immissionsschutzrechts 1974— 1976, a. a. O., S. 1029. A. A. Carl Hermann Ule, Die Bindung der

  22. Vgl. dazu auch den Wiedenfelser Entwurf zur Neugestaltung des Genehmigungsverfahrens im Umweltschutz, 1973, S. 5, sowie Mayntz/Derlien, Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, a. a. O., S. 329.

  23. Die schweizerische Volksinitiative „zur Wahrung der Volksrechte und der Sicherheit beim Bau und Betrieb von Atomanlagen" vom 20. 5. 1976 (BB 1 1976 II, S. 1126) forderte daher auch für den Fall der von ihr vorgesehenen Volksabstimmung in den Standortgemeinden von Atomkraftwerken und den an diese angrenzenden Gemeinden die vorherige öffentliche Bekanntmachung der Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung im Katastrophenfall (Abs. 5 der vorgeschlagenen Neufassung des Art. 24 quinquies der schweizerischen Bundesverfassung — vgl. dazu die Botschaft 77. 054 über die Volksinitiative „zur Wahrung der Volksrechte und der Sicherheit beim Bau und Betrieb von Atomanlagen" vom 24. 8. 1977, S. 4, 24 f., 39 f.).

  24. Vgl. § 10 Abs. 1 S. 2 BImSchG sowie § 3 Abs. 4 AtVfV,

  25. Vgl. oben Anm. 13.

  26. Vgl. Mayntz/Derlien, Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, passim, deren Befunde in eklatantem Gegensatz zu den euphemistischen Bemerkungen von Otto Kimminich (Das Recht des Umweltschutzes, München 1972, S. 197 ff. [204]), stehen. Als besonders gravierend erweist sich das (nicht zuletzt au'ch durch die unzureichende personelle und materielle Ausstattung bedingte) Vollzugsdefizit im Hinblick auf nachträgliche genehmigungspflichtige Änderungen von Anlagen. Derartige Änderungen werden vielfach (unentdeckt) ohne Genehmigung vorgenommen (vgl. a. a. O., S. 35). Ärgerlich ist auch die häufige Gewährung von übergangsfristen bei Neugenehmigungen — eine Praxis extra legem (a. a. O., S. 363 ff).

  27. Vgl. etwa § 4 AtVfV.

  28. Hierzu auch kritisch Horst Zilleßen, Energie-politik — Dialog mit dem Bürger?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 27/1977, S. 19.

  29. Vgl. etwa § 20 AtG („Im Genehmigungs-und Aufsichtsverfahren nach diesem Gesetz und den auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Rechtsverordnungen können von den zuständigen Behörden Sachverständige zugezogen werden").

  30. Eine Kritik an der gegenwärtig vorherrschenden Gutachterpraxis enthält auch der Wiedenfel-ser Entwurf, a. a. O., S. 5 ff.

  31. Der Atomstaat, München 1977, S. 57 ff. Vgl. hierzu auch Hans-Helmuth Wüstenhagen, Bürgerinitiativen, Atomenergie und Wissenschaft, in: Wü-stenhagen/Krusewitz/Krysmanski/Hinz, Umweltmisere, Bürgerinitiativen und die Verantwortung der Wissenschaftler, Köln 1976, S. 8 ff. (9).

  32. Vgl. § 10 Abs. 6 BImSchG und § 8 AtVfV.

  33. Nach der gegenwärtigen Regelung sind die Gemeinden zu dem Nachweis gezwungen, daß sie (etwa als Grundeigentümer) in einem eigenen, subjektiven Recht beeinträchtigt sind bzw.sein könnten. — In dem bereits erwähnten Memorandum des Bayerischen Städteverbandes wird daher auch I für die Gemeinden die Einräumung einer gesicherten Beteiligtenstellung im Rahmen des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens gefordert (a. a. O., S. 6). In der Regierungsvorlage zur Änderung des i schweizerischen Atomgesetzes ist eine derartige Beteiligtenstellung der Gemeinden bereits vorgesehen. Vgl. SZ vom 26. 10. 1977. — Vgl. für ein Beteiligungsrecht von Umweltverbänden auch Willi Blümel, der sich hiervon nicht zuletzt eine Reduktion der üblich gewordenen Masseneinwendungen verspricht (Masseneinwendungen im Verwaltungsverfahren, in: Im Dienst für Recht und Staat. Festschrift für Werner Weber, Berlin 1974, S. 540 ff. (565 f.).

  34. Art. 5 Abs. 2 bzw. Art. 6 des Novellierungsentwurfs zum schweizerischen Atomgesetzes vom 23. 12. 1959 sehen vor, daß „jedermann" (worunter auch Personenvereinigungen mit und ohne Rechts-persönlichkeit zu verstehen sind) sowie Kantone und „interessierte Gemeinden" sich in einem doppelstufigen Verfahren kritisch zur atomrechtlichen Rahmenbewilligung äußern können. Vgl. Botschaft über die Ergänzung des Atomgesetzes 77. 053 vom 24. 8. 1977, S. 37 f„ 47 ff., 60 f.

  35. Vgl. dazu Blümel, Anm. 33, a. a. O., Eckhard Rehbinder, in: Contra und Pro Verbandsklage (Anhörung des Arbeitskreises für Umweltrecht), Berlin 1976, S. 15 f., sowie Rudolf Stich, Thesen zur Notwendigkeit der Verbandsklage, a. a. O., S. 101.

  36. Im neugefaßten § 29 Abs. 2 BBauG, in dem von der Erörterung im Rahmen der Bauleitplanung die Rede ist, wurde denn auch hinter den Terminus „Erörterung“ der Begriff „Anhörung" in Klammern gesetzt. Die vielbeschworene normative Kraft des Faktischen beginnt hier bereits ihre Wirkung zu entfalten!!

  37. Vgl. §§ 8— 12 AtVfV, insbesondere aber § 12 Abs. 3 AtVfV.

  38. Vgl. Wüstenhagen, Bürger gegen Kernkraftwerke. Wyhl — der Anfang? Reinbek b. Hamburg 1975, S. 75.

  39. Vgl. Walter Schmitt Glaeser, Planende Behörden, protestierende Bürger und überforderte Richter, in: Der Landkreis 1976, S. 442 f., der die Teilgenehmigungspraxis gegenwärtiger Prägung als „Verwirrspiel um Koordinationen" (S. 443) apostrophiert.

  40. Vgl. §§ 8, 9, BImSchG und dazu Breuer, Die Entwicklung des Immissionsschutzrechtes 1974 bis 1976, a. a. O„ S. 1031.

  41. Zur Kritik an der gegenwärtigen Teilgenehmigungspraxis vgl. auch das Memorandum des Bayer. Städteverbandes, a. a. O., S. 4 f.

  42. Vgl. a. a. O., Zur sofortigen Vollziehbarkeitse praxis.

  43. So auch treffend Breuer, Die Entwicklung des Atomrechts 1974— 76, a. a. O., S. 1129. Ablehnencq auch das Memorandum des Bayer. Städteverbandes: /a. a. O., S. 6. — Daß die aufschiebende Wirkung]

  44. Vgl. zum folgenden ausführlich Mayer-Tasch, Kernenergie und Bürgerprotest, a. a. O., S. 25 ff., sowie auch deis., in: Frankfurter Rundschau vom 17. 11. 1977.

  45. Im Ergebnis ebenso Blümel, Die Standortvorsorgeplanung für Kernkraftwerke und andere umweltrelevante Großvorhaben in der Bundesrepublik Deutschland, in: DVB 1 1977, S. 301 ff. (321).

  46. Vgl. Breuer, Die Entwicklung des Atomrechts 1974— 1976, a. a. O„ S. 1127.

  47. Es handelt sich dabei um den sog. Fachlichen Entwicklungsplan „Kraftwerksstandorte“ vom 6. 7.

  48. Ebenso das Memorandum des Bayer. Städte-verbandes, a. a. O., S. 7.

  49. Vgl. auch hierzu Blümel, a. a. O., S. 310 ff.

  50. Zur Problematik dieser normativen Konkretisierungen des — durchaus nicht offenkundigen — Standes der (Wissenschaft und) Technik vgl.des näheren oben, S. 25 ff.

  51. Auch die Begründung eines Gefährdungstatbestandes ist als (potentieller) Eingriff im Sinne von Art. 2, Abs. 2, S. 1 GG zu werten. Vgl. dazu etwa BGHST, Bd. 4, S. 375 ff. (Verfassungsmäßigkeit des Impfgesetzes) sowie auch die Entscheidung des OVG Münster vom 20. 2. 1975 — VII A 911/69 — (Würgassen-Urteil), S. 33 ff.

  52. Vgl. dazu ausführlich Mayer-Tasch, Kernenergie und Bürgerprotest, in: Amery/Mayer-Tasch/Meyer-Abich, Energiepolitik ohne Basis, a. a. O., passim.

  53. Vgl. dazu a. a. O., S. 10 ff.

  54. Vgl. dazu das Urteil des BVerwG vom 16. 3. 1972 (I. C. 49. 70), S. 18.

  55. Vgl. etwa OVG Lüneburg, in: BVB 1 1975, S. 190 ff. (195), VG Freiburg, in: BVB 1 1975, S. 346, VGH München, in: BVB 1 1975, S. 205 f„ und VG Schleswig, in: NJW 1977, S. 644. Vgl. auch schon BVerwG vom 16. 3. 1972, in: DVB 1 1972, S. 680 f. Mit nicht überzeugender Begründung kritisch zur verwaltungsgerichtlichen Prognosekontrolle: Schmitt Glaeser, Planende Behörden, protestierende Bürger und überforderte Richter, in: Der Landkreis 1976, S. 442 ff. (446 f.), sowie Siegfried Breuer, Die Entwicklung des Atomrechts 1974 bis 1976, in: NJW 1977, S. 1128, und: Legislative und administrative Prognoseentscheidungen, in: Der Staat 1977, S. 21 ff. (31 ff.).

  56. Vgl. dazu Mahlmann, Grundzüge, neue Entwicklungen und ausgewählte Fragen des Genehmigungsverfahrens für Kernenergieanlagen in den Vereinigten Staaten von Amerika, verglichen mit dem deutschen Recht, in: Rudolf Lukes /Lothar Vollmer/Wilfried Mahlmann, Grundprobleme zum atom-rechtlichen Verwaltungsverfahren, Heidelberg 1974, S. 68 ff. (119 f.). — Mahlmann lehnt übrigens die Einführung einer Rechtspflicht zum Bedarfsnachweis für die Bundesrepublik Deutschland (mit wenig überzeugender Begründung) ab (a. a. O., S. 120 f.).

  57. Vgl. S. 46, 60, der Botschaft über die Ergänzung des Atomgesetzes 77. 053 vom 24. 8. 1977. Vgl. auch Art. 1 des Entwurfes, a. a. O., S. 59.

  58. Vgl. a. a. O., S. 11 ff., 39 ff.

  59. Vgl. a. a. O., S. 15.

  60. So Art. 5 der Vorlage. (Zu Text und Begründung vgl. Botschaft über die Ergänzung des Atomgesetzes 75. 053 vom 24. 8. 1977, S. 48, 60.)

  61. Vgl. zum folgenden den „Wiedenfelser Entwurf", S. 6 ff. passim.

  62. Vgl. das „Forum Energie", a. a. O. (in dem der Wiedenfelser Entwurf allerdings nicht ausdrücklich angesprochen wird.)

  63. A. a. O„ S. 10.

  64. Vgl. Ferdinand O. Knopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, München 1976, S. 268 f. (mit entsprechenden Nachweisen).

  65. So auch treffend Alfred Rinken in seiner Stellungnahme auf dem Umweltforum 1977 (abgedruckt in: Aktuell: Umweltforum 1977, Bonn 1977, S. 81 (Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen).

  66. Vgl. auch Breuer, Die Entwicklung des Atom-rechts 1974— 1976, a. a. O., S. 1125.

  67. Vgl. a. a. O. (Anm. 65), S. 82.

  68. Wie es auch Lukes und Vollmer (in: Lukes/Vollmer/Mahlmann, Grundprobleme zum atom-rechtlichen Genehmigungsverfahren, 1974, S. 33 ff.), Blümel (Rechtsprobleme des Genehmigungsverfahrens — Standortwahl und -Sicherung, in: 3. Deutsches Atomrechts-Symposium, 1975, S. 43 ff.) und Breuer (Die Entwicklung des Atomrechts 1974 bis 1976, a. a. O., S. 1125) fordern. Ebenso auch das Memorandum des Bayer. Städteverbandes, a. a. O., S. 8.

  69. Dazu auch kritisch das Memorandum des Bayer. Städteverbandes, a. a. O., S. 6.

  70. Vgl. u. a. die Beschlüsse des VG Schleswig vom 15. 12. 1976 (DVB 1 1977, S. 219 ff.) und vom 9. 2. 1977 (DVB 1 1977, S. 358 ff.) sowie auch den Beschluß des VG Koblenz vom 4. 2. 1977 (DVB 1 1977, S. 360 ff.).

  71. Vgl. hierzu im selben Sinne ausführlich Blümel, Die Standortvorsorgeplanung für Kernkraftwerke, a. a. O., S. 306 ff. passim.

  72. Für diese Lösung mit Nachdruck Blümel, Die Standortvorsorgeplanung für Kernkraftwerke, a. a. O., S. 319 ff., sowie auch schon Lukes/Vollmer, Ersetzung der Genehmigungsverfahren für kern-technische Anlagen durch ein atomrechtliches Planfeststellungsverfahren, in: Lukes/Vollmer/Mahlmann, a. a. O., S. 21 ff. (46 ff.). Blümel plädiert im übrigen auch für eine Beteiligung des Bundes an der Standortsicherungsplanung der Länder — ein Plädoyer, das vor allem unter verteidigungspolitischen Aspekten überzeugen muß.

  73. Vgl. die Botschaft 77. 054 vom 24. 8. 1977 über die Volksinitiative „zur Wahrung der Volksrechte und der Sicherheit beim Bau und Betrieb von Atomanlagen", S. 39 f. und passim.

  74. Vgl. a. a. O., passim.

  75. So der Wortlaut des nach Art. 1 Abs. 2 der Initiative zu ergänzenden 4. Absatzes von Art. 24 quinquies der schweizerischen Bundesverfassung.

  76. Vgl. dazu ausführlich Mayer-Tasch, Kernenergie und Bürgerprotest, in: Amery/Mayer-Tasch/Meyer-Abich, a. a. O., S. 7 ff.

  77. Die Ergebnisse der Umfrage sind abgedruckt in: Der Spiegel 1977, Heft 8, S. 163 ff. (164). Gegen den Bau von Atomkraftwerken sprechen sich danach 43 °/o der Befragten aus, für den Bau 53 °/o. Von den letzteren hätten 34 % Bedenken gegen ein Kraftwerk in ihrer Nähe.

  78. Nicht überzeugen kann die — von ihm mehrfach betonte — These Blümels (Die Standortvorsorgeplanung für Kernkraftwerke, a. a. O., S. 305, mit weiteren Nachweisen), daß die Forderung nach Beteiligung der Bürger an Planungsentscheidungen sich nicht auf das Demokratieprinzip stützen könne. Daß das Grundgesetz aus Praktikabilitätserwägungen den Vorrang mittelbarer Teilhabe-formen statuiert, vermag nichts daran zu ändern, daß das Demokratieprinzip ungeachtet seiner Aus-differenzierung dem Ideal der unmittelbaren Selbstregierung verhaftet bleibt und daher auch eine möglichst weitgehende Mitwirkung des Bürgers an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten empfiehlt. Diese möglichst weitgehende Mitwirkung an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten ist aber im übrigen keinesfalls nur im Hinblick auf das Ideal der unmittelbaren Demokratie zu sehen; sie dient auch der Sinnerfüllung

Weitere Inhalte

Peter Cornelius Mayer-Tasch, Dr. jur., geb. 1938 in Stuttgart; Diplom des Bologna Center der Johns Hopkins Universität, Diplome I und II für Rechtsvergleichung der Internationalen Fakultät für Rechtsvergleichung; 1971 Habilitation an der Universität Mainz (öffentliches Recht, Rechtsphilosophie, Politikwissenschaft); seit 1971 Professor für Politische Wissenschaft und Rechts-theorie an der Universität München, seit 1974 auch Mitglied des Lehrkörpers der Münchener Hochschule für Politik; 1975— 1978 Geschäftsführender Direktor des Geschwister Scholl-Instituts für Politische Wissenschaft. Zahlreiche rechts-und politikwissenschaftliche Publikationen, u. a.: Korporativismus und Autoritarismus, Frankfurt 1971; Guerillakrieg und Völkerrecht, Baden-Baden 1972; Die Verfassungen Europas, München 19742; Hobbes und Rousseau, Aalen 19762; Kulturlandschaft in Gefahr, München 1976; Die Bürgerinitiativbewegung, Reinbek 19773; Energiepolitik ohne Basis, Frankfurt 1978 (mit Carl Amery und K. M. Meyer-Abich).