I. Volkssouveränität setzt Öffentlichkeitsarbeit voraus
Nach Art. 20 GG geht in der Bundesrepublik alle Staatsgewalt vom Volke aus. Diese Staatsgewalt wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung, ausgeübt. Volkssouveränität und Ausübung der Staatsgewalt durch Wahlen und Abstimmungen, also durch einen Akt des Auswählens, setzen einen zum Entscheiden und Auswählen befähigten Bürger Voraus. Daß diese Befähigung ganz wesentlich von den Möglichkeiten abhängt, Informationen über die zur Entscheidung stehenden politischen Alternativen zur Verfügung zu haben, bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung. Man mag einen Staat unter vielen Gesichtspunkten und nach vielen Kriterien beurteilen; seine demokratische Qualität jedenfalls hängt ganz ursächlich davon ab, wie leicht dem Bürger der Zugang zu den im politischen Leben entscheidungsrelevanten Informationen gemacht wird. Die Leichtigkeit des Zugangs zu Informationen allein ist jedoch keineswegs ausreichend. Zur Entscheidungsfähigkeit gehört notwendigerweise die Fähigkeit zur Informationsverarbeitung dazu. Dies bedeutet, daß möglichst viele Bürger möglichst gut in der Lage sein sollen, einen Problemzusammenhang zu durchschauen und die Bedeutung einer Information in diesem Zusammenhang zu erkennen.
Die Idee der Volkssouveränität und ihre Manifestation in allgemeinen Wahlen, bei denen alle Bürger gleiches Stimmrecht haben, setzt also größte Bereitschaft und Fähigkeit zur Informationsweitergabe und Informationsaufnahme im Verhältnis zwischen den Verwaltern der Politik und den Staatsbürgern voraus. Nach diesen Vorüberlegungen wird unter Verwendung des aus . Sender'und . Empfänger'bestehenden informationstheoretischen Grund-modells kommunale Öffentlichkeitsarbeit wie folgt definiert: Kommunale Öffentlichkeitsarbeit ist das Bemühen einer Gemeindeverwaltung, Informationen über ihre Verwaltungstätigkeit und ihre Planungsabsichten sachund problemgerecht weiterzugeben, und zwar so, daß diese Informationen eine möglichst große Zahl von Bürgern erreichen und in dem oben beschriebenen Sinne verarbeitet werden können. Kommunale Öffentlichkeitsarbeit in diesem Verständnis ist also kein Selbstzweck sondern das Mittel, „die Einwohner und Bürger besser über die Tätigkeit ihrer Gemeinde zu informieren und dem interessierten Bürger mehr Beteiligungsmöglichkeiten anzubieten, ohne daß der Grundsatz der repräsentativen Demokratie berührt wird."
Dies wird als eines der Hauptziele der 1974 novellierten Gemeindeordnung von Rheinland-Pfalz genannt.
Bei diesem Verständnis von kommunaler Öffentlichkeitsarbeit ist es letztendlich unerheblich, ob sie als freiwillig übernommene, gesetzlich zugelassene oder gesetzlich zugewiesene Selbstverwaltungsangelegenheit (Pflicht-aufgabe) durchgeführt wird. Sie müßte prinzipiell immer mit denselben Maßstäben gemessen werden. Auch hier besteht jedoch eine Kluft zwischen prinzipiell Wünschbarem und tatsächlich Machbarem. Wir wollen uns daher im folgenden weniger mit dem beschäftigen, was an sich aus der demokratischen Staats-theorie ableitbar an Öffentlichkeitsarbeit zu leisten wäre, sondern mit dem, wozu die Gemeinden aufgrund der augenblicklichen Gesetzeslage verpflichtet sind, wie die Gemeinden diesen Pflichten im Rahmen ihrer Selbstverwaltung nachkommen und welche Probleme sich dabei ergeben.
Aus den einschlägigen Gesetzen, die den Kommunen eine wie immer geartete Informationspflicht auferlegen, ergeben sich unterschiedlich intensive Arten gesetzlich vorgeschriebener Öffentlichkeitsarbeit. Dabei sind drei Stufen zu unterscheiden:
— die Unterrichtung — die Unterrichtung plus Aussprache — Unterrichtung plus Anhörung Diese drei Formen werden im Folgenden etwas näher beschrieben.
II. Unterrichtung
Soweit es sich nicht um bundesgesetzliche Re-(gelungen handelt, beziehe ich mich auf Vorschriften der Gemeindeordnung von Rheinland-Pfalz, die im Jahre 1974 in einigen wichtigen Punkten novelliert wurde, bzw. auf die (Praxis der Stadtverwaltung Mainz. In dem vom Deutschen Gemeindeverlag herausgegebenen „Kommunalbrevier Rheinland-Pfalz", das aus-weislich seiner Autoren als „regierungsoffiziöse" Interpretation aufzufassen ist, heißt es:
„Eines der Hauptziele der neuen Gemeinde-ordnung ist es, die Einwohner und Bürger besser über die Tätigkeit seiner Gemeinde zu informieren und dem interessierten Bürger mehr Beteiligungsmöglichkeiten anzubieten, ohne daß der Grundsatz der repräsentativen Demokratie -d. h. die entscheidende Verantwortlichkeit liegt beim Gemeinderat und Bürgermeister -berührt wird". Auf dieses Ziel hin sind offensichtlich einige Vorschriften des dritten Abschnittes der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung konzipiert, der die Überschrift „Einwohner und Bürger" trägt. So heißt es beispielsweise im § 15, Abs. 1: „Die Gemeindeverwaltung hat die Einwohner über wichtige Angelegenheiten aus dem Bereich der örtlichen Verwaltung in geeigneter Form zu unterrichten." In der Tat, diese Vorschrift ist neu. Sie holt allerdings lediglich eine schon immer bestehende Praxis ein, der nun im Nachhinein die Ehre der Legitimation durch die Gemeindeordnung zuteil wird. Das was die Gemeinden schon immer getan haben, wird jetzt zur Pflichtaufgabe erklärt. Sicherlich wird es für einen weiten Bereich aus dem Spektrum der kommunalen Angelegenheiten unter der Bürgerschaft einer Stadt politisches Einverständnis darüber geben, was im Sinne dieser Vorschrift „wichtige Angelegenheit" ist. Geringer ist das Maß der Übereinstimmung jedoch bezüglich der Form, die in einem konkreten Fall als geeignet angesehen wird. In den Zweifelsfällen entscheidet nach dieser Vorschrift der Bürgermeister als Leiter der Gemeindeverwaltung.
Diese Unterrichtung kann außer durch amtliche Bekanntmachungen und die übliche Form der Pressemitteilung natürlich auch durch Inserate geschehen. So behandelt beispielsweise die Stadt Mainz jeden Monat einmal auf einer Sonderseite im Anzeigenteil der Zeitung ein bestimmtes Thema, z. B. die Situation der Schwimmbäder, Probleme des Nahverkehrs, das Angebot der öffentlichen Büchereien und ähnliches. Diese Form der Unterrichtung ist zweifellos eine der wesentlichen Grundlagen kommunaler Öffentlichkeitsarbeit im Sinne sachlicher Information — wenn es gelingt, den Drang nach werbender Selbstdarstellung im Zaume zu halten. Gleichwohl ist anzumerken, daß solche Information sich als „Verlautbarung" einer Behörde der unmittelbaren Auseinandersetzung mit dem Bürger entzieht. Stellungnahmen auf derartige Informationen in Form von Briefen an die Verwaltung bzw. als Leserbrief an die Zeitung bleiben die seltene Ausnahme. Bei dieser Form der Information hat der „Sender" eine absolut unzureichende Kontrolle darüber, ob die Information im gewünschten Sinne angekommen ist und wie sie verarbeitet wurde. Kommunale Öffentlichkeitsarbeit kann daher bei dieser Form der Information nicht stehen bleiben, sie muß einen unmittelbaren Kontakt mit dem Bürger suchen.
III. Unterrichtung und Aussprache
Diesen Kontakt schaffen alle Formen der Öffentlichkeitsarbeit, die den Angesprochenen unmittelbar Gelegenheit geben, sich zu den Informationen und Darlegungen der Verwaltung zu äußern. Prototyp dieser Form von Öffentlichkeitsarbeit ist die Bürgerversammlung. Sie gehört in vielen Städten, auch in Mainz, zu den bereits klassisch zu nennenden Formen kommunaler Öffentlichkeitsarbeit. Ihr Wert ist darin zu sehen, daß sie dem Bürger die Möglichkeit gibt, nachzufragen und in einen Dialog mit der Verwaltung einzutreten.
Die Erfahrungen mit Bürgerversammlungen sind ganz überwiegend positiv, vor allen Dingen dann, wenn es um die lokalen Probleme einzelner Stadtteile gebt. Sehr viel schwieriger ist es bereits, beispielsweise den Haushaltsplan, die mittelfristige Finanzplanung oder den Flächennutzungsplan in einer Bürgerver-Sammlung zu behandeln. Dies hängt damit zusammen, daß derartige Planungen sehr komplexer Natur sind, daher in ihren Zusammenhängen für den „normalen" Bürger schwer durchschaubar bleiben und der einzelne Bürger sich nur in ganz wenigen Einzelfragen direkt betroffen fühlt.
Auch diese Form der Öffentlichkeitsarbeit ist seit 1974 als kommunale Pflichtaufgabe in der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung festgelegt. Ihr § 16 schreibt vor, daß einmal im Jahr eine solche Bürgerversammlung stattzufinden hat, im übrigen nach Bedarf stattfinden soll. Sie ist vom Bürgermeister einzuberufen, der die Tagesordnung, den Ort und die Zeit festlegt. Allerdings kann auch der Gemeinderat mit der Mehrheit der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder beschließen, daß der Bürgermeister zu einem bestimmten Gegenstand eine Bürgerversammlung einzuberufen hat.
Trotz der oben bereits erwähnten Vorteile gegenüber der Unterrichtung sollte man nüchtern feststellen, daß auch die Bürgerversammlung als Informationsmedium stärker den Informationsabsichten der Gemeindeverwaltung entgegenkommt als dem Informationsbedürfnis der Bürger. Dies liegt in der „Technik" der Bürgerversammlungg bzw. ist in der „Natur der Sache", wie die Juristen sagen würden, begründet.
Die Ursache dafür ist vor allen Dingen in der nur schwer korrigierbaren Tatsache zu suchen, daß die Verwaltung durch ihre Experten über einen von den meisten Bürgern nicht einzuholenden Informationsund Wissensvorsprung verfügt. Dieser Effekt wird noch verstärkt durch die Tatsache, daß die Verwaltung sich frühzeitig über den Gegenstand einer Bürgerversammlung einigen kann, um dadurch eine möglichst lange Vorbereitungszeit zu haben, daß aber die öffentliche Bekanntmachung über den Gegenstand nicht früher als eine Woche vor dem angesetzten Termin zu erfolgen braucht.
IV. Unterrichtung und Anhörung
Uber die Bürgerversammlung mit ihrer Möglichkeit zur Aussprache hinausgehend ist die Form der Öffentlichkeitsarbeit, die aus Unterrichtung und Anhörung besteht. Diese über die Bürgerversammlung hinausgehende Qualität von Unterrichtung und Anhörung ergibt sich etwa daraus, daß z. B. das Städtebauförderungsgesetz und das Bundesbaugesetz sie zu Bestandteilen des Verfahrens beim Erlaß einer kommunalen Satzung macht.
1. Unterrichtung und Anhörung nach § 2 a) BBauG Ich möchte mit dem beginnen, was der § 2 a) des neuen Bundesbaugesetzes den Gemeinden an Öffentlichkeitsarbeit zwecks Bürger-beteiligung auferlegt. § 2 a) BBauG bestimmt, daß — die Gemeinde die allgemeinen Ziele und Zwecke der Bauleitplanung öffentlich darzu-legen hat, — allgemein Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung (Anhörung) zu geben ist, — öffentliche Darlegung und Anhörung in geeigneter Weise und möglichst frühzeitig zu erfolgen haben, — die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung aufzuzeigen sind, • — sich wesentlich unterscheidende nungsalternativen aufgezeigt werden sollen, soweit sie in Betracht kommen.
Regelungen, in welcher Weise die inhaltlich so festgelegte Bürgerbeteiligung erfolgen soll, überläßt der Bundesgesetzgeber im Absatz 3 des § 2 a) ausdrücklich den Gemeinden. Eine Bewertung dieser sonst ungewohnten staatlichen Zurückhaltung angesichts einer Möglichkeit, in den kommunalen Bereich hineinzuverfügen, muß ich mir in diesem Zusammenhang versagen. Hier kommt es mir darauf an, in Erinnerung zu rufen, daß die Möglichkeiten, die Bürger an der Bauleitplanung zu beteiligen, nach dem neuen Bundesbaugesetz sehr viel weitergehen als nach dem alten. Nach der Praxis des alten Rechtes hatten die Bürger in aller Regel lediglich die Möglichkeit, das in bunten Farben zu Papier gebrachte Ergebnis eines mehr oder weniger vielschichtigen Planungsprozesses zu bestaunen und je nach dem Grad ihrer Zufriedenheit mit diesem Ergebnis Bedenken und Anregungen vorzubringen. Wir müssen heute zugestehen, daß den Einwirkungsmöglichkeiten des durchschnittlich gebildeten, nicht organisierten Bürgers ein sehr enger Rahmen gezogen war und daß diese Tatsache in Verbindung mit den äußeren Umständen der Wahrnehmung dieses Mitwirkungsrechtes nicht dazu angetan war, eine große Zahl von Bürgern für die Wahrnehmung dieses Rechtes zu begeistern. Es verwundert Pla-daher nicht, daß eine Meinungsumfrage des EMNID-Institutes ergab, nur 10% der Bürger hätten je einmal einen ausgelegten Bebau-B ungsplanentwurf angesehen und 30 °/o der Befragten wußten nicht einmal, daß es bei der Aufstellung von Bebauungsplänen ein Beteiligungsverfahren für die Bürgerschaft gab.
Dies darf man nicht vergessen, wenn man die Wirksamkeit der neuen Bestimmungen nur wenige Monate nach ihrem Inkrafttreten beurteilen will.
Den Spielraum, den der Gesetzgeber den Gemeinden bei der Wahrnehmung ihrer Öffentlichkeitsarbeit als kommunaler Pflichtaufgabe läßt, hat die Stadt Mainz in ihrer Dienstanweisung über die Aufstellung und Änderung von Bauleitplänen wie folgt ausgefüllt:
2. Beteiligung der Bürger an der Bauleitplanung gern. § 2 a) BBauG in Mainz
Verfahren
Im Regelfall findet beim Bauleitplanverfahren die Beteiligung im „Standardverfahren" statt, soweit nicht der Bauausschuß die „erweiterte Beteiligung" beschlossen hat. a) Standardverfahren — Beim Standardverfahren geht der Planaufstellungsbeschluß und der Beschluß in Plan-stufe I der Beteiligung der Bürger voraus.
— Der Bauausschuß kann festlegen, daß schon nach dem Planaufstellungsbeschluß die Beteiligung der Bürger erfolgt.
Die Federführung liegt beim Stadtplanungsamt. b) Erweiterte Beteiligung bei wichtigen Planungen — Der Stadtvorstand schlägt dem Bauausschuß diese Verfahrensweise vor.
— Die Federführung liegt beim Baudezernenten in Abstimmung mit dem Oberbürgermeister. c) Keine Beteiligung gern. § 2 a) Abs. 4 BBauG Der Bauausschuß und der Stadtrat entscheiden, ob keine Bürgerbeteiligung durchgeführt wird.
Veröffentlichung des Beteiligungstermines
Die Einladung zur Anhörung und Erörteiung gern. § 2 a) BBauG findet wie folgt statt: a) Hinweisanzeige im Lokalteil der Allgemeinen Zeitung Mainz b) Amtliche Bekanntmachung in der Mainzer Allgemeinen Zeitung mit Veröffentlichung einer Planskizze und Beschreibung der Ziele und Zwecke der Planung c) Veröffentlichung in den wöchentlich erscheinenden Ortsteilzeitungen d) Aushang am schwarzen Brett in den betreffenden Stadtteilen, im Rathaus und in der Zitadelle, Bau A e) Die Fraktionen des Stadtrates und die Mitglieder des betroffenen Ortsbeirates erhalten eine besondere Einladung.
Die Terminfestlegung und die Reservierung der benötigten Räumlichkeiten erfolgt durch das Stadtplanungsamt. Die Einladung erfolgt durch die Bauverwaltung. Zwischen ihr und dem Anhörungs-und Erörterungstermin sollen in der Regel sieben Kalendertage liegen.
In besonders gelagerten Einzelfällen kann über die vorgenannten Veröffentlichungen und Einladungsnormen hinausgegangen werden.
Ort und Zeit der Anhörung
Ort ist der jeweilige Stadtteil. Für den Bereich der Innenstadt findet die Anhörung und Erörterung im Rathaus statt. In der Regel beginnt die Darlegung und Anhörung um 17. 00 Uhr. Sie endet nach Ablauf einer Stunde, wenn sich mangels Beteiligung die Darlegung erübrigt.
Kann die Darlegung und Anhörung in einem Termin nicht abgewickelt werden, ist nach Möglichkeit sofort ein Fortsetzungstermin festzulegen.'Ist dies nicht möglich, muß der neue Termin rechtzeitig bekanntgemacht werden. Im Rahmen der erweiterten Beteiligung legt die Verwaltung die Räumlichkeiten von Fall zu Fall fest.
Durchführung der Anhörung und Erörterung
Die öffentliche Darlegung, Anhörung und Erörterung erfolgen grundsätzlich in einem Termin. Weitere Termine sind auf Wunsch der Bürger möglich. Vor Beendigung der Veranstaltung ist zu fragen, ob eine Bedenkfrist gewünscht wird. Diese Frist ist auf 14 Tage zu begrenzen. Innerhalb dieser Frist stehen die Gebietssachbearbeiter während der Publikumsstunden zur Verfügung.
Bei der Darlegung ist darauf hinzuweisen, daß a) die vorgestellten Skizzen noch keine endgültige Planung darstellen, b) die Träger öffentlicher Belange noch nicht gehört wurden und deshalb Planänderungen möglich sind.
Bei den Erörterungsterminen ist, in Abstimmung mit dem zuständigen Abteilungsleiter des Stadtplanungsamtes, der in Rede stehende Planentwurf aufzuhängen. Die sich aus ihm ergebenden Auswirkungen, Ziele und Zwecke der Planung sind darzulegen. Soweit sich wesentlich unterscheidende Lösungen für die Neugestaltung der Entwicklung eines Gebietes aufzeigen, müssen diese auf Plänen dargestellt und erläutert werden. Teil des vorzustellenden Planmaterials ist grundsätzlich der entsprechende Ausschnitt des Flächennutzungsplanes. Das in der öffentlichen Darlegung vorzulegende Planmaterial ist dem Baudezernenten oder dem hierzu Beauftragten rechtzeitig vorzulegen.
Ausführungen der Bürger bei der Anhörung und Erörterung
Alle wesentlichen Anregungen werden durch einen Mitarbeiter der federführenden Stelle protokolliert. Das Protokoll über den Ablauf des Bürgerbeteiligungsverfahrens ist Bestandteil der künftigen Vorlagen an den Stadtvorstand, Bauausschuß und Stadtrat. Fragen der Bürger, die innerhalb der Veranstaltung nicht beantwortet werden können, werden in angemessener Zeit schriftlich beantwortet, wenn dies gewünscht wird.
Das Protokoll ist dem Baudezernenten -über den Amtsleiter -mit einer fachlichen Stellungnahme vorzulegen. Er entscheidet über eine erneute Vorlage in Planstufe I im Stadt-vorstand und im Bauausschuß. Erfahrungen mit dieser Regelung liegen, wenn auch sicher noch nicht abschließend, vor. Seit Inkrafttreten des Gesetzes wurde sie in insgesamt 50 Verfahren der verbindlichen Bauleitplanung angewendet. Die Teilnehmerzahlen bei den Informations-und Erörterungsterminen schwanken zwischen 20 und 150. Dabei ist jetzt schon festzustellen, daß die Beteiligungszahlen umso höher sind, je stärker ein Planungsvorhaben bereits vor der Anhörung in der Öffentlichkeit diskutiert wurde und je höher das Bildungsniveau in den betroffenen Stadtteilen ist. Man kann sich daher der Erkenntnis nicht entziehen, daß auch diese noch so gut gemeinten Formen der kommunalen Öffentlichkeitsarbeit wiederum im wesentlichen nur die Schichten erfassen, die auch früher schon wußten, sich Gehör zu verschaffen. Insofern sind die eigentlichen Probleme nicht gelöst und von kommunaler Seite aus auch nicht zu lösen. Ich komme darauf noch einmal zurück.
Es hat sich ferner gezeigt, daß diese Form der Öffentlichkeitsarbeit neue Anforderungen an die Mitarbeiter einer Kommunalverwaltung stellt 3. Unterrichtung und Anhörung nach dem Städtebauförderungsgesetz Vorbereitet durch die teilweise heftige Diskussion über den Zustand und die Zukunft unserer Städte trat 1971 das Städtebauförderungsgesetz in Kraft, das für ganz bestimmte städtebauliche Maßnahmen eine Beteiligung der Betroffenen am Planungsgeschehen fordert und damit die Städte vor die Aufgabe stellt, neue Formen ihrer Öffentlichkeitsarbeit zu entwickeln. An mehreren Stellen, besonders aber in § 9, fordert das Städtebauförderungsgesetz die Gemeinden auf, mit den Eigentümern, den Mietern, Pächtern und anderen Nutzungsberechtigten beabsichtigte Neu die -
gestaltung des Sanierungsgebietes und die Möglichkeiten ihrer Beteiligung an der Durchführung der Sanierung zu erörtern.
Ferner soll den Arbeitnehmern der Betriebe im Sanierungsgebiet Gelegenheit gegeben werden, sich zur Neugestaltung des Sanierungsgebietes zu äußern. Im Städtebaubericht der Bundesregierung aus dem Jahre 1975 heißt es dazu (Seite 72): „Die rechtlichen Vorschriften des Städtebauförderungsgesetzes zur bürgerschaftlichen Beteiligung geben den Gemeinden ausreichenden Spielraum für experimentelle Formen dieser Beteiligung. In der Praxis haben sich mehr oder weniger institutionalisierte Formen herausgebildet, die von ständigen Sanierungsbeiräten über Stadtforen bis hin zu einem breiten Spektrum durch Bürgerinitiativen eröffnete Aktionsformen reichen. Die bisherigen Erfahrungen rechtfertigen nicht die Befürchtung, daß die angestrebten Ergebnisse bürgerschaftlicher Beteiligung wegen der weitgefaßten Verfahrensvorschriften verfehlt werden. Die Bundesregierung hält es demgegenüber für vorteilhaft, daß der gesetzliche Rahmen locker genug gefaßt ist, um der Praxis Möglichkeiten zur Erprobung einer Vielfalt von Modellen zu lassen, innerhalb deren der Bürger eigenverantwortlicher zur Mitgestaltung seiner Umwelt beitragen kann." Was in dieser Textstelle aus dem Städtebaubericht 1975 sehr theoretisch und abstrakt „experimentelle Formen" und „Möglichkeiten zur Er-B probung einer Vielfalt von Modellen" genannt wird, enthält eine Menge politischer und finanzieller Probleme.
Die Sanierung eines historisch gewachsenen alten Stadtgebietes ist eine kommunalpolitische Aufgabe von großer Vielschichtigkeit, die in Anbetracht ihrer städtebaulichen, finanziellen und zeitlichen Dimensionen nur gelingen kann, wenn die politischen Kräfte einer Stadt, insbesondere die im Stadtparlament vertretenen Parteien, in den wesentlichen Zielsetzungen übereinstimmen. So muß man z. B. nüchtern feststellen, daß nicht alle politischen Parteien, deren Fraktionen in den Sanierungsausschüssen bzw. Gemeindeparlamenten die Entscheidungen zu treffen haben, allen denkbaren Formen bürgerschaftlicher Mitwirkung mit gleichem Wohlwollen oder gleicher Skepsis gegenüber treten. Es ist durchaus nicht wertend gemeint, wenn ich hier feststelle, daß -übrigens quer durch alle Fraktionen -ein honoriger Sanierungsbeirat, in dem alteingesessene Hauseigentümer und Geschäftsleute, juristisch sachkundige Beamte und stadtteil-bekannte Vereinsvorsitzende den Ton angeben, einem bestimmten politischen Temperament näher stehen als eine Bürgerinitiative, in der Studenten, junge Künstler und noch nicht oder eben erst ordinierte protestantische Theologen das Wort führen. Hinzu kommt, daß sich nicht alle Gruppen von Betroffenen in gleicher Weise von den gleichen Formen der Öffentlichkeitsarbeit angesprochen fühlen. Um es deutlich zu machen: eine didaktisch noch so gut aufgezogene Aufstellung von Bebau-ungs-und Architekturplänen wird dem Industriearbeiter die Sanierungsziele und die damit für ihn verbundenen Konsequenzen weniger nahe bringen können als das persönliche Gespräch im Beratungsbüro oder gar beim Bier in seiner Stammkneipe. Öffentlichkeitsarbeit als kommunale Pflicht-aufgabe nach dem Städtebauförderungsgesetz -insoweit lassen sich vielleicht Erfahrungen verallgemeinern -müßte aus einem Bündel aufeinander abgestimmter Einzelmaßnahmen bestehen. Diese Einzelmaßnahmen sollten, wie eben schon angedeutet, zielgruppenspezifisch ausgerichtet werden. Ferner sind nicht alle denkbaren Formen von Öffentlichkeitsarbeit unabhängig vom Stand des Verfahrens als gleich geeignet zu betrachten. So wird beispielsweise in der Phase der vorbereitenden Untersuchungen und der Festlegung der Grundsätze für den Sozialplan das Gespräch mit einzelnen betroffenen Gruppen sicherlich ein wirkungsvolleres Mittel der Öffentlichkeitsarbeit sein als die große Bürgerversammlung. Auch wenn eine solche Bürgerversammlung objektiv allen die gleiche Chance einräumt, ihre Belange vorzubringen, so muß man doch der Tatsache Rechnung tragen, daß nicht alle Menschen die gleichen Fähigkeiten haben, ihre Probleme darzustellen. Die große Bürger-versammlung und die Ausstellung von Planungsunterlagen eignen sich besonders in der Phase, in der es darum geht, mit einer möglichst breiten Öffentlichkeit die grundlegenden Sanierungsziele zu erörtern. Im „Durchführungs-Alltag" einer Sanierungsmaßnahme gewinnt dann der Stammtisch, der Einzelfragen behandelt und das Sanierungsbüro, eine größere Bedeutung als in den vorausgehenden Phasen. Eine Stadtteilzeitung, die möglichst alle zwei oder alle drei Monate erscheinen und an alle Haushalte verteilt werden sollte, ist wichtig, um die Imageumkehr vom Negativen ins Positive bei den Bewohnern eines Sanierungsgebietes ständig zu unterstützen. Dies ist nach meiner Erfahrung für einen langfristigen Erfolg der Sanierungsbemühungen von größter Bedeutung.
V. Öffentlichkeitsarbeit und Stadtentwicklungsplanung
Die bisher nahezu ausschließlich demokratie-theoretische Auseinandersetzung um Partizipationsmodelle und -Strategien bei der politischen Planung hat das Nachdenken über eine sich an den tatsächlichen Möglichkeiten orientierende Praxis in den Hintergrund gedrängt. Daher soll im Folgenden auf ein Projekt der Bürgerbeteiligung bei der Formulierung eines Stadtteilentwicklungsprogrammes in Mainz eingegangen werden.
Zunächst einige Worte zu dem Planungsvorhaben selbst. Es handelt sich um ein Stadtteilentwicklungsprogramm für ein innerstädtisches Mainzer Stadtgebiet, in dem etwa 30 000 Personen leben. Außer kriegsbedingten Erneuerungen stammt die Bausubstanz im wesentlichen aus den Jahren 1880 bis 1910. Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte beträgt 250 Einwohner pro ha. Hält man sich vor Augen, daß der Städtebau heute mit einer Durchschnittsdichte von 100 Einwohner pro ha rechnet, so ist leicht ersichtlich, daß viele Probleme eines solchen Stadtteils allein schon durch seine Siedlungsdichte zu erklären sind. Die Sozialstruktur ist geprägt durch Industriearbeiter, die in den an diesen Stadtteil angrenzenden Mainzer Großbetrieben arbeiten, und durch kleine und mittlere Angestellte und Beamte, die in den innerstädtischen öffentlichen Verwaltungen und privaten Dienstleistungsbetrieben beschäftigt sind.
Der Mainzer Stadtrat hat als oberstes Entwicklungsziel für diesen Stadtteil beschlossen, ihn als innenstadtnahes Wohngebiet zu erhalten und die Abwanderung der Bevölkerung in die Wohngebiete am Stadtrand durch geeignete Maßnahmen zu stoppen.
Die Formulierung eines in sich stimmigen Systems von Unterzielen und Maßnahmen für die wichtigsten städtebaulichen Funktionen wie Wohnen, Arbeiten, Verkehr, soziale Infrastruktur und Umwelt sowie die Bewertung der denkbaren Maßnahmen nach Prioritätsgesichtspunkten ist Aufgabe des Stadtteilent/Wicklungsprogramms für die Mainzer Neu-stadt. Dieses Stadtteilentwicklungsprogramm soll in zwei Stufen aufgestellt werden. Die erste Stufe ist die Formulierung der aus dem Oberziel abzuleitenden Unterziele und Maßnahmen auf den eben genannten städtebaulichen Sektoren sowie das Aufzeigen der Restriktionen, die sich der Erreichung dieser Ziele entgegenstellen. Die zweite Stufe besteht darin, die Maßnahmen nach einem Prioritäten-schema zu ordnen und ihre finanziellen Auswirkungen auf den städtischen Haushalt zu kalkulieren. Zwischen der ersten und der zweiten Stufe sollen die Bürger in diesen Planungsprozeß einbezogen werden. Das Stadtteilentwicklungsprogramm für die Mainzer Neustadt steht zur Zeit am Beginn der Stufe 2, d. h. die Beteiligung der Bürger an diesem Projekt ist verfahrensmäßig abgeschlossen worden, so daß erste Erfahrungen vorliegen.
Nun im einzelnen zum Projekt der Bürger-beteiligung. Obwohl der Mainzer Stadtrat in öffentlicher Sitzung mutig beschlossen hatte, daß die Bürger bei der Ausarbeitung des Stadtteilentwicklungsprogrammes zu beteiligen seien und auch ein Konzept dazu im zuständigen Ausschuß mit großer Mehrheit gebilligt worden war, bekam ein nicht unbeträchtlicher Teil des Rates bei der Realisierung dieses Konzeptes ein bißchen Angst vor der eigenen Courage — eine Belastung für das Projekt, wie sich zeigen sollte.
Es begann mit einem Brief des Oberbürgermeisters an alle Haushalte in diesem Stadtteil, in dem versucht wurde, unter Bezugnahme auf die aktuellen Probleme die Absichten eines Stadtteilentwicklungsprogramms darzulegen. Auf diesen Brief, der mit der Aufforderung abschloß, zurückzuschreiben, reagierten etwa 5Q Personen. Diese Bürger wurden als Kontakt-und Testpersonen betrachtet, mit denen das Projekt „PLANEN FÜR DIE NEUSTADT -BÜRGER INFORMIEREN UND BETEILIGEN SICH" durchgesprochen und einzelne Schritte detaillierter festgelegt werden sollten. Außerdem wurde das Konzept zur Bürgerbeteiligung mit den Vereinsvorsitzenden, den Pfarrern und den Vorsitzenden der örtlichen Parteiorganisationen erörtert.
In gleichem zeitlichem Zusammenhang wurden die Mitarbeiter aus der Verwaltung, die als Fachleute für das Projekt zur Verfügung stehen sollten, in einem Wochenendseminar auf ihre Aufgabe vorbereitet. Nachdem über diese Aktivitäten die ersten Presseberichte erschienen waren, meldete der Stadtrat sehr nachdrücklich sein Interesse an einer detaillierten Beteiligung bei der Durchführung dieses Bürgerbeteiligungsvorhabens an. Er begnügte sich nicht mehr damit, die Verwaltung seinen Beschluß nach eigenem Gutdünken ausführen zu lassen, sondern bestellte den Ältestenrat als Kontaktgremium, mit dem alle wesentlichen Projektschritte abzustimmen waren.
Ich möchte an dieser Stelle gleich einen ganz wesentlichen Gedanken in diesem Zusammenhang einschieben, bevor ich mit meinem Bericht weiterfahre: Die Öffentlichkeitsarbeit einer Kommunalverwaltung, die wirklich intensiv und auf breiter Front die Bürger zur Stellungnahme in bestimmten kommunalpolitischen Problemzusammenhängen mobilisieren will, gerät unweigerlich in einen Interessenkonflikt mit den politischen Parteien. Dabei muß man ganz nüchtern sehen, daß die Behörde in Gestalt von Personen auftritt, von denen heute eine große Zahl parteipolitisch gebunden ist. Wenn diese Mitarbeiter mit gut gemachten Informationsschriften und Plakaten in einem Stadtteil auftreten, bleibt es gar nicht aus, daß die Mitglieder des Stadtrates sich in einer Konkurrenzsituation sehen und insbesondere die Angehörigen der in Opposition stehenden Fraktion eine unzulässige Parteinahme seitens der Verwaltung vermuten. Diese Gegebenheiten haben unsere Planungs-B Öffentlichkeitsarbeit in der Mainzer Neustadt belastet.
Das Projekt „PLANEN FÜR DIE NEUSTADT -BURGER INFORMIEREN UND BETEILIGEN SICH" wurde konzipiert und durchgeführt als eine Veranstaltungsreihe der Volkshochschule. Zunächst wurde in zwei Informationsabenden das Planungsinstrument „Stadtteilentwicklungsprogramm" und die Rolle der Bürgerbeteiligung im Rahmen dieser Planung erläutert. Ausgehend von der Erkenntnis, daß die Menschen am meisten dadurch zu motivieren sind, daß man die Probleme aufgreift, die sie tagtäglich selber bedrängen, wurde nach diesem Informationsvorspann zu sogenannten lokalen Arbeitskreisen eingeladen. Zu diesem Zweck wurde der Stadtteil in einzelne Wohnbezirke unterteilt und für jeden Wohnbezirk ein Arbeitskreis gebildet. Diese lokalen Arbeitskreise -insgesamt sechs -tagten dreimal und trafen sich ein viertes Mal zu einer gemeinsamen Abschlußsitzung, für die die Mitarbeiter der Verwaltung die Diskussionspunkte aus den einzelnen Arbeitskreisen gesammelt und nach Sachgesichtspunkten geordnet hatten. Auf diese Weise wurde erkennbar, daß bestimmte Probleme von allgemeiner Brisanz waren, weil sie in allen Arbeitskreisen auftauchten und daß sich andere von geringerer Bedeutung erwiesen. Gleichzeitig hatte diese gemeinsame Sitzung aller Arbeitskreise die Aufgabe, die Anwesenden für die Mitarbeit in der zweiten Runde des Projektes zu gewinnen. Diese zweite Runde sollte nicht mehr unter dem Gesichtspunkt der räumlich eng abgegrenzten Probleme der einzelnen Wohnquartiere stehen. Stattdessen sollte versucht werden, die Bürger auf der Grundlage der in den lokalen Arbeitskreisen geführten Diskussionen für die vertiefende Bearbeitung nach Funktionen gegliederter Planungsprobleme zu gewinnen. Zu diesem Zweck wurden Arbeitskreise angeboten zu den Themen Wohnen und Arbeiten, soziale Infrastruktur, Freiflächen und Umwelt sowie Verkehr.
Diese Arbeitskreise sollten sich insgesamt an neun Abenden treffen. Nach je drei Abenden sollte eine gemeinsame Sitzung aller Arbeitskreisteilnehmer das Zusammenführen der Gesichtspunkte ermöglichen. Abschließen sollte das Projekt mit einer Bürgerversammlung des Oberbürgermeisters, in der die Bürger der Verwaltung die Ergebnisse ihrer Arbeit erläutern und übergeben konnten.
Auf diese Weise ergab sich eine Zeitdauer für das Projekt von einem halben Jahr. Diese Konzeption fand das Interesse der Bundeszentrale für politische Bildung und wurde von ihr finanziell unterstützt, um Erfahrungen für die eigene Arbeit zu sammeln.
VI. Erfahrungen
Unsere Erfahrungen möchte ich in folgenden Punkten zusammenfassen:
-Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung für eine Planung in mittleren oder gar längerem Zeithorizont gerät in ein nur schwer zu überbrückendes Dilemma. Auf der einen Seite mußten die städtischen Mitarbeiter versuchen, deutlich zu machen, daß die in einem Stadtteilentwicklungsprogramm formulierten Maßnahmen nur über einen längeren Zeitraum hin zu realisieren sind, auf der anderen Seite waren trotz entsprechender Aufklärung die Bürger in der Erwartung gekommen, daß diese Arbeitskreise die Gelegenheit böten, auf die sofortige Beseitigung bestimmter Mißstände hinzuwirken. Die aus sachlichen und finanziellen Zwängen resultierende Mittel-bzw. Langfristigkeit eines Stadtteilentwicklungsprogramms geriet in akuten Gegensatz zu der Aktualität der Bürgererwartungen. Dies hatte zur Folge, daß eine gewisse Anzahl von Teil-nehmern die Mitarbeit aufkündigte mit der Begründung: da passiert ja doch nichts, wir sollen nur vertröstet werden.
— Es dürfte sehr schwer, wenn nicht unwahrscheinlich sein, eine große Zahl „normaler" Bürger über eine längere Zeit hin für die Detailarbeit an bestimmten Planungsproblemen zu gewinnen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es nicht möglich ist, noch während der Laufzeit eines solchen Projektes von den Bürgern angeregte Maßnahmen zu realisieren, um dadurch die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit deutlich zu machen.
-Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung im Zusammenhang mit umfassenden Planungsvorhaben wie Stadtteilentwicklungsprogrammen bzw. Sanierungsvorhaben leiden unter der Unkenntnis der Bürger über politische Entscheidungsprozesse und bürokratische Abläufe. Daß über bestimmte Fragen, die dem Bürger als „Lappalie" erscheinen mögen, zu-29 nächst die Stadtratsfraktionen vielleicht sogar mehrmals beraten, dann die Angelegenheit in den zuständigen Ausschüssen des Stadtrates zur Debatte steht, die in vielen Einzelfällen sich erläuternde Stellungnahmen von Experten innerhalb oder außerhalb der Verwaltung erbitten, bis endlich dann abschließend im Stadtrat entschieden wird, ist doch vielen unserer Bürger unverständlich. Gleiches gilt für den bürokratischen Weg, den viele Entscheidungen innerhalb verschiedener Kommunal-und Landes-bzw. Bundesdienststellen nehmen müssen. Der Erfolg von Öffentlichkeitsarbeit im Zusammenhang mit solch komplexen Planungsaufgaben leidet ganz wesentlich an dem Defizit politischer Bildung, d. h. an der mangelnden Einsicht in die notwendige „Schwerfälligkeit" demokratischer Entscheidungsprozesse. — Schließlich hat sich gezeigt, daß die Mitarbeiter einer Stadtverwaltung bisher viel zu wenig für den unmittelbaren Umgang mit Bürgern, die von einem Fachgesichtspunkt aus gesehen Laien sind, ausgebildet wurden. Hier ist eine Menge neu zu überdenken.
wesentlichen aus diesen Folgerungen, die Erfahrungen Öffentlichkeitsarbeit der und Bürgerbeteiligung gemäß Bundesbaugesetz und dem Projekt der Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung im Rahmen eines Stadtteilentwicklungsprogrammes zu ziehen sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen: — Die heute geforderte Art der Öffentlichkeitsarbeit kann weder von den traditionellen Presseämtern der Städte noch von den einzelnen Fachdienststellen „so nebenher" mitgemacht werden. Diese Aufgabe muß von eigens dafür zur Verfügung stehenden Mitarbeitern wahrgenommen werden in Zusammenarbeit mit dem Presseamt und den Fachdienststellen.
— Die für den „Außendienst" benötigten Mitarbeiter müssen für Arbeitszeiten gewonnen werden, die sich nicht an den tarifvertraglich vereinbarten orientieren können.
— Mit der Landeszentrale für politische Bildung und der Volkshochschule sollten ab sofort Kurse organisiert werden, in denen die Mitarbeiter der Verwaltung besser auf den unmittelbaren Umgang mit Bürgern geschult werden.
— Ferner sollte die Volkshochschule in den Stadtteilen, in denen in der nächsten Zeit größere Planungsvorhaben anstehen, Kurse anbieten, um die Bürger auf ihre Beteiligung am Planungsgeschehen vorzubereiten.
— Schließlich müssen im Haushalt mehr finanzielle Mittel bereitgestellt werden, um diese neue Aufgabe sachgerecht und letztendlich zum Nutzen der Bürger zu erfüllen.
Schlußbemerkung
Das Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit als kommunale Pflichtaufgabe muß von zwei verschiedenen Denkansätzen aus gesucht werden, die keineswegs beziehungslos nebeneinander-stehen, sondern sich in einem höchst konflikt-geladenen Spannungsverhältnis zueinander befinden. Es handelt sich auf der einen Seite um das Verständnis von Pflichtaufgaben im kommunal-rechtlichen Sinne und andererseits um die Auffassung dieses Begriffs in einem kommunal-politischen Sinne. Wer versucht, vielleicht je nach Ausbildung und politischem Temperament, die Spannung zwischen den beiden Polen „Kommunalrecht" und „Kommunalpolitik", in dem die Öffentlichkeitsarbeit einer Gemeinde steht, zugunsten eines der beiden Pole aufzulösen, wird den eigentlichen Problemkern, der in diesem Thema steckt, nicht zu fassen bekommen.