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Praktizierte Bürgernähe*) | APuZ 15/1978 | bpb.de

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APuZ 15/1978 Artikel 1 Praktizierte Bürgernähe*) Öffentlichkeitsarbeit als kommunale Pflichtaufgabe

Praktizierte Bürgernähe*)

Jürgen Gramke

/ 47 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Das Gefühl, „denen da oben" nicht mehr trauen zu können, ihnen aber dennoch ausgeliefert zu sein, nimmt in der Bevölkerung zu, -Gebietsreform, die Ausweitung des kommunalen Aufgabenbereiches und die immer weiterschreitende Spezialisierung und Technisierung haben diese Tendenz, insbesondere an den „Nahtstellen" zu den Bürgern — in den Gemeinden —, noch zusätzlich verschärft. Zahlreiche Abhandlungen zu diesem Thema widmen ihr Interesse jedoch vorwiegend der theoretischen Seite des Problems. Fruchtbar werden Einsichten und Appelle aber nur durch einen Lernprozeß praktischer Handhabung, durch „Leaming by doing“. Hierzu fehlt bisher im Schrifttum das Wichtigste: nämlich die Darstellung praktischer, anwendungsfähiger und bereits angewandter Beispiele dafür, wie die allgemeine Erkenntnis „Mehr Bürgernähe!“ auch tatsächlich erfolgversprechend in den nüchternen kommunalen Alltag umgesetzt werden kann. Die Ausführungen, die hier für die kommunale Praxis formuliert worden sind, wenden sich nicht an den Wissenschaftler und sind ohne lastende theoretische Betrachtungen angestellt. Der Autor hat in seiner eigenen Gemeinde allmählich ein Netz von Bürgerkontakten initiiert, das auf Dauer angelegt ist und ermutigend angenommen wird; er möchte die von ihm selbst gesammelten, anspornenden Erfahrungen ebenso weitergeben wie Erfahrungen, die ihm aus anderen Orten bekanntgeworden sind.

Der vorliegende Aufsatz ist ein auszugsweiser Vorabdruck aus der in Kürze im Deutschen Gemeindeverlag, Köln, unter gleichem Titel erscheinenden Publikation.

„Manches politische Engagement erschiene mir glaubwürdiger, wenn es sich auf das Nächstliegende erstreckte!" Walter Scheel

Die Gemeinde als Grundlage des demokratischen Staatsaufbaues

Grundgesetz und Landesverfassungen gehen übereinstimmend davon aus, daß die Gemeinden und Gemeindeverbände unverzichtbarer Teil unseres Staatsaufbaues sind.

Erklärtes Ziel der Verfassungsbestimmungen list, daß unser Staat nach oben sich von unten aufbaut, und sich das Staatsgebiet aus der Gesamtheit der Gemeinden zusammensetzt. Damit hat die Gemeinde überragende Bedeutung für das Staatsverständnis des Bürgers und ist gleichsam die „Schule demokratischer Staats-gesinnung" sie ist der Platz der täglichen Begegnung mit dem Bürger und der täglichen unmittelbaren Verantwortung ihm gegenüber; in ihr beantwortet sich im wesentlichen die Frage, ob der Bürger tatsächlich „mündiger Staatsbürger" sein kann.

Die Chance der Beteiligung des Bürgers an den politischen Angelegenheiten ist nirgendwo so groß wie in der Gemeinde, denn der kommunale Aufgabenbereich ist umfassend: „Nach gemeinem deutschen Recht verfolgt die Gemeinde nicht einen mehr oder weniger vereinzelten Zweck, sondern hat die Bestimmung, alle Beziehungen des öffentlichen Lebens in sich aufzunehmen. Die Gemeinde kann hiernach alles in den Bereich ihrer Wirksamkeit ziehen, was die Wohlfahrt des ganzen, die materiellen Interessen und die geistige Entwicklung des einzelnen fördert."

Gleichzeitig haben die Gemeinden das Recht, diese weitreichenden Aufgaben, das Wohl ihrer Einwohner zu fördern, in freier Selbstverwaltung durch ihre von der Bürgerschaft gewählten Organe zu erledigen, d. h. sie können nach eigenem Ermessen und frei von staatlicher Weisung über ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze entscheiden. Diese Stellung der Gemeinden, für das, was heute als „Daseinsvorsorge" bezeichnet wird, verantwortlich zu sein, ist lastende Bürde und weitreichende Chance zugleich. Sie verlangt eine ständige Auseinandersetzung mit der Frage: „Ist meine Gemeinde auf dem richtigen Weg?" und muß die Antwort darauf an dem Leitsatz messen, daß die Selbstverwaltung vom Interesse und vom Engagement des Bürgers am öffentlichen Geschehen in seiner Gemeinde lebt.

Die Wege zu bürgernaher Aufgabenerledigung

Die nachfolgenden Ausführungen sollen sich ausschließlich mit allen denjenigen Möglichkeiten zu bürgernaher kommunaler Arbeit beschäftigen, die bereits aus der praktischen Anwendung und den dabei gewonnenen Erfahrungen heraus beurteilbar sind. Von der Behandlung „theoretischer Zukunftsbilder" habe ich mit Absicht -da hierüber genug Abhandlungen vorliegen -vollständig Abstand genommen: Die bescheidensten konkreten Aufgaben zu verwirklichen, ist sinnvoller als alle abstrakten Konzeptionen, die lediglich auf dem Papier stehen.

So finden sich in der Gesamtaufzählung der wirklich zahlreich anwendbaren und auch empfehlenswerten Möglichkeiten sehr bewußt auch kleine und kleinste -eigentlich nur abrundende -Schritte, die neben den erforderlichen zentralen Maßnahmen aufgeführt sind: denn nur so, wenn in allem Handeln der Verantwortlichen das Bemühen um Bürgernähe verwirklicht wird, erwächst die Atmosphäre, die zu dem von uns allen gewünschten „Miteinander zwischen Rathaus und Bürgerschaft" führt und die fragwürdige, aber noch häufig anzutreffende Kritik an „denen da oben" ab* löst. Wer Kleinigkeiten vergißt, stellt mitunter alles in Frage!

Der Autor ist sich bewußt, daß sich manche der behandelten Möglichkeiten eher (oder nur) in Gemeinden bis (etwa) dem Einwohnerschwellenwert 100 000 so wie geschildert verwirklichen lassen. Aber auch für die GroßStädte können ohne weiteres aus den hier unterbreiteten Vorstellungen ihrer Struktur entsprechende Wege hergeleitet werden. Hinzuweisen ist außerdem darauf, daß der Gesetzgeber niemals zu einer so breiten verpflichtenden Regelung bei der Ausgestaltung bürgernaher Aufgabenerledigung kommen kann und kommen darf, wie sie hier darge-stellt werden wird -denn ein derartiger Versuch des Gesetzgebers müßte an der zu großen Unterschiedlichkeit der örtlichen Verhältnisse scheitern. Auf diesem Hintergrund ist die Verantwortung in jeder einzelnen Gemeinde, sich die Vielfalt der Möglichkeiten genau zu betrachten und das Wichtige für die jeweilige örtliche Arbeit herauszusuchen, um so größer.

Bürgerversammlung

Die Bürgerversammlung ist eine Art „Herzstück" für ein festgefügtes, auf Dauer angelegtes Wechselgespräch zwischen Rat und Verwaltung einerseits und der Bürgerschaft andererseits; diese wichtige Ausformung und besondere Symbol des Miteinander-Redens soll deshalb hier ausführliche Erläuterung finden.

Zur Definition: Die Bürgerversammlung ist eine Einrichtung, zu der die gesamte Bevölkerung einer Gemeinde bzw. von Teilgebieten der Gemeinde eingeladen ist und auf der Angelegenheiten von öffentlichem Interesse erörtert werden mit anschließender freier Aussprache. Die Veranstaltung wird einberufen vom Bürgermeister, Stadtdirektor oder Gemeindevorstand (in jedem Falle in Überein-stimmung mit diesen) und dient der Unterrichtung der Bürgerschaft über wichtige Gemeindeangelegenheiten ebenso wie dem allgemeinen Meinungsaustausch sowie dem Entgegennehmen von Hinweisen, Anregungen und Verbesserungsvorschlägen aus der Bürgerschaft. Die Bürgerversammlung ist eine „amtliche" (d. h. offizielle) Veranstaltung der Gemeinde. Einige Bundesländer (Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Saarland) nennen das Institut der (nach freiem Ermessen durchgeführten) Bürgerversammlung ausdrücklich in ihren Gemeindeordnungen. Im Gemeinderecht der übrigen Bundesländer sind Bürger-oder Einwohnerversammlungen bisher nicht vorgesehen, jedoch auch ohne gesetzliche Grundlage jederzeit zulässig: in mehreren Ländern (insbesondere z. Z. in Nordrhein-Westfalen) werden immer nachdrücklichere Überlegungen angestellt, diese Einrichtung auch dort in der Gemeindeordnung unmittelbar zu verankern, um dadurch -entsprechend ihrer Bedeutung -eine Verbindlichkeit bzw. Stärkung und Heraushebung dieses Weges zu erreichen.

Die Bürgerversammlung ist in zwei grundsätzlichen Formen denkbar: einmal als regelmäßige, in festen zeitlichen Abständen wiederholte Veranstaltung, auf der alle die Bürger und die Gemeinde interessierenden Themen im Informationsund Meinungsaustausch angesprochen werden können, zum anderen als (Sonder-) Veranstaltung zu einem speziellen Thema, sofern ein solches in der Gemeinde von herausragend aktueller Bedeutung ist.

Innere Voraussetzung für das Gelingen und für die Sinnerfüllung einer Bürger-versammlung ist, daß die Verantwortlichen die Anwendung dieses Kommunikationsmittels (das ebenso wichtig und wirksam wie mißbräuchlich anwendbar sein kann) als wirkliche Möglichkeit und Weg zum Dialog mit den Bürgern wollen und ernst 'nehmen, d. h. die Einrichtung der Bürgerversammlung nicht als ständige Wahlversammlung, als Veranstaltung der Versprechungen, als einseitige Zurschaustellung oder als Bestätigungsveranstaltung benutzen (wozu manchmal mit durchaus zulässigen verfahrensmäßigen und taktischen Mitteln eine Versuchung besteht). Äußere Voraussetzungen (Vorbereitung, Durchführung, Auswertungen und Auswirkungen) der Bürgerversammlung: Auch sie bestimmen in wesentlicher Weise darüber mit, inwieweit die Einrichtung der Bürgerversammlung zum Erfolg wird (d. h. angenommen und ein wirkliches „Gesprächsforum“ wird).

Die Vorbereitung

Sie beginnt mit Terminplanung und Standort-wahl: Bereits der Termin muß sorgfältig ausgewählt sein. Aus den Terminüberlegungen sind von vornherein zu streichen: Ferienzeiten, besondere Feiertage, Zusammentreffen mit größeren anderen Veranstaltungen am Ort, frühzeitig erkennbare terminliche Überschneidungen mit übernationalen oder überregionalen Veranstaltungen mit hoher Einschaltquote im Fernsehen oder Rundfunk sowie die Haupt-Berufszeiten (d. h. die Werktage in den Zeitspannen 8-18 Uhr). Als besonders günstig haben sich die Wochentags-Abende (Anfangszeitpunkt: 19 oder 20 Uhr) herausgestellt. In überwiegend ländlichen Gemeinden oder Ortsteilen wird auch der Sonntagvormittag (nach den Kirchenzeiten) außerordentlich angenommen. Der so gefundene Termin sollte frühzeitig (d. h. mindestens 2 Monate vor der Veranstaltung) festgelegt und zumindest in einer Vorankündigung auch bereits vorab werden. bekanntgegeben

Die Auswahl des Standortes für die Bürger-versammlung wird oftmals unterschätzt; er ist aber für die Bereitschaft der Bürger zur Teilnahme und für die Atmosphäre der Veranstaltung von Bedeutung. In Betracht kommen einerseits größere Restaurationsräume und Restaurationssäle, andererseits größere Räumlichkeiten in öffentlichen Gebäuden (Begegnungsstätten, Sitzungsräume, Schulen, Kultur-und Sporthallen) sowie räumliche Einrichtungen der örtlichen Vereine und Institutionen. Bei der Auswahl sollte zunächst daran gedacht werden, einen Platz zu finden, der sowohl wegemäßig leicht erreichbar als auch von seiner Art her „neutral“ und „annehmbar" ist, d. h. ohne lange und schwierige Zu-wege erreichbar ist und niemanden wegen seiner persönlichen Einstellung am Besuch hindert (z. B. bei Durchführung einer Veranstaltung in dem Gebäude einer Partei, einer Sekte o. ä.). Zu vermeiden sind zu große Säle (in den nur ein Teilraum tatsächlich in Anspruch genommen wird) ebenso wie zu kleine

Räume. Der Bürger wünscht eine gewisse behagliche Umgebung (in der auch geraucht, Getränke erhalten werden können). Insofern sind Bürgerzentren und gemeindliche Begegnungsstätten geradezu ideal; durchaus empfehlenswert aber auch Restaurationsräume (wenn vorher mit dem Inhaber ausgemacht worden ist, daß kein Bestellzwang besteht). Schulräume haben sich nicht immer als besonders glückliche Wahl herausgestellt, weil Bürger häufig eine „Sperre" gegen diese Räume („Beschulungscharakter") haben und sie als zu nüchtern empfinden; trotzdem werden sich in verschiedenen Ortsteilen oder kleineren Gemeinden keine günstigeren Standorte finden.

Mit Sorgfalt ist auch an die Vorbereitung im Veranstaltungsraum zu denken: die Sitz-und Tischanordnung muß sich dem Charakter der Veranstaltung -ein Gesprächsforum zu sein -anpassen. Die Plazierung der „Offiziellen auf einer Bühne oder Ähnlichem („Thron für die da oben") ist möglichst zu vermeiden (statt dessen: günstig angeordnete Plazierung auf gleicher Ebene mit den Bürgern); die Plätze sind so zu ordnen, daß möglichst alle direkte Blickrichtung zum „Vorstandstisch" und zu evtl, im Laufe der Versammlung benutzten Karten und anderen Demonstrationsmitteln haben. Wird ein größerer Kreis von Teilnehmern erwartet, bei dem die Ausführungen von Versammlungsleitung und Besuchern akustisch vielleicht unzureichend verständlich nur sein werden, ist für eine Mikrofonanlage sowohl im Saal (zwischen den Bürgern) wie auch am Vorstandstisch zu sorgen (und deren Wirksamkeit vor Veranstaltungsbeginn zu erproben). Neben Terminplanung, Standortwahl und -ausstattung ist die Form der Übermittlung der Einladung zur Bürgerversammlung nachdrücklicher Beachtung wert: neben allgemeinen Hinweisen (Ankündigungen und Vorab-besprechungen im redaktionellen Teil der Presse, Veröffentlichung einer amtlichen Bekanntmachung, Darstellung in Monatsprogrammen öffentlicher Mitteilungsblätter), ist es besonders wirksam und empfehlenswert, allen Haushaltungen der Gemeinde bzw. eines Orts-oder Stadtteiles per Post eine im Text kurz gehaltene, in persönlicher Anrede abgefaßte Einladungskarte zu übersenden, weil dies die eindringlichste Form der Aufforderung darstellt. In der Vorankündigung selbst oder in der Einladung sollte keine Tagesordnung festgelegt, sondern sollten allenfalls Schwerpunkt-themen aufgeführt werden.

Die Durchführung (der Ablauf) der Bürgerversammlung

Mit der Auffassung „Eröffnen und dann mal sehen, wie es läuft" ist von vornherein alles ebenso falsch gemacht wie mit der Zielvorstellung, die Versammlung mit langatmigem Tätigkeitsbericht „über die Zeit zu bringen“.

Eine gute Bürgerversammlung zeichnet sich vielmehr durch straffe, aber verständnisvolle Verhandlungsleitung, Verzicht (und notfalls sogar: Verbot) langer Reden und Aussprachen aus. Die Bürgerversammlung sollte sich aufteilen in: einleitendes Referat (Höchstdauer: 20 Minuten), Behandlung von Schwerpunktthemen (wichtige Fragen von besonders aktueller örtlicher Bedeutung; falls hierzu gesonderte Einführung, sollte diese die Zeitspanne von 5 Minuten nicht überschreiten), allgemeine Aussprache (Hauptteil der Veranstaltung), zusammenfassende Schlußbetrachtung. Eine Pause zwischen den einzelnen Veranstaltungsteilen erweist sich meist als wenig zweckmäßig, da dies leicht die Atmosphäre und Konzentration der Versammlung stört und zu einer vermeidbaren zeitlichen Verzögerung der Veranstaltung führt. Der zeitliche Gesamtumfang der Veranstaltung sollte 3 Stunden nicht überschreiten. Die Veranstaltungsleitung sollte beim Vorsitzenden des Rates und/oder dem Hauptverwaltungsbeamten liegen (also bei denjenigen Personen, die auch die Einladung zur Bürgerversammlung unterschrieben haben). Dabei kann es durchaus angebracht sein, sich die Veranstaltungsleitung zeitlich aufzuteilen, d. h.der eine eröffnet und begrüßt, hält das Einleitungsreferat und leitet das Gespräch über die Schwerpunktthemen, der andere leitet die allgemeine Aussprache -hier sind verschiedenste denkbar. Der -Variationen Versamm lungsleiter hat darauf zu achten, daß möglichst alle Wortmeldungen in der Aussprache berücksichtigt werden; „Langredner" hat er (mit dem Hinweis, daß dies sonst kein Dialog mit allen würde) in zeitlich vernünftigen Schranken zu halten -das gilt sowohl für Bürger als für „offizielle" Experten. Er soll auch auf die referierenden oder stellungnehmenden Mitarbeiter der Verwaltung einwirken, sich um Anschaulichkeit der Darstellung zu bemühen; evtl, sind erläuternde Kartenwerke, Schaubilder, Dia-Einblendungen und Kurzfilme nützlich (Veranstaltung soll aber kein „Filmabend" werden!). Der Versammlungsleiter soll ferner zu Wortmeldungen ermuntern (und Pausen ohne Wortmeldungen nicht dazu benutzen, gleich die Veranstaltung zu schließen)

und darauf achten, auf Grund seines höheren Informationsstandes und der möglichen fachlichen oder rhetorischen Überlegenheit den oft (jedenfalls vor einem großen Teilnehmerkreis)

diskussionsungewohnten Bürger nicht durch I Scharfzüngigkeit, Überheblichkeit und Intoleranz „scheu" zu machen. Erst bei Beachtung dieser Grundsätze entwickelt sich die richtige Gesprächsatmosphäre.

Werden im Einzelfall (und dies wird bei jeder Bürgerversammlung anzutreffen sein) private Probleme vorgetragen, die besser bei einer persönlichen Vorsprache in der Verwaltung zu i klären wären und für die Gesamtheit der Anwesenden ohne irgendeine generelle Bedeu tung sind, so sollte die Erörterung darüber sogleich ausgeklammert und das Einzelgespräch i (sogleich nach der Bürgerversammlung oder zu einem späteren Termin) vereinbart werden.

„Störenfriede" (d. h. solche Personen, die es auf eine nachhaltige Störung der Veranstaltung abgesehen haben) sind aus der Aussprache bzw. aus der Veranstaltung selbst auszuschließen. Es wird nicht für richtig angesehen, daß sich mehrere Ratsvertreter die Versammlungsleitung teilen bzw. mit als Experten am Vorstandstisch sitzen; allzu leicht kommt es dann i zu längeren Meinungswechseln unter parteipolitischen Vorzeichen, die den Zweck der Veranstaltung, den Dialog mit den Bürgern, in Frage stellen; die Bürger erwarten die parteipolitische Erörterung im Rat ihrer Gemeinde, nicht im Gespräch mit ihnen. Anwesende Ratsmitglieder (eine Teilnahme im Kreise der Bürger wäre natürlich wünschenswert) sollten die Veranstaltung vor allem als Informationsmöglichkeit für sich auffassen. Dagegen kann die „Verstärkung" des Vorstandstisches durch Ausschußvorsitzende (falls ein besonderes, wichtiges Thema behandelt wird, das in die Zuständigkeit des betreffenden Ausschusses fällt) oder durch leitende Verwaltungsmitarbeiter sinnvoll sein.

Die Nachbereitung (und Auswertung) der Bürgerversammlung

Selbstverständlich sollte die Protokollführung: über den Ablauf der Veranstaltung sein. Es ist kein „öffentliches" Protokoll (das irgendwo abzudrucken oder zur Einsicht auszulegen wäre), sondern dient als Arbeitspapier und Gedächtnisstütze für die Vertreter der Gemeinde. Auszüge oder Ausfertigungen dieses Protokolls sollten möglichst unverzüglich den fün die Einzelfragen zuständigen Dezernaten und Ämtern der Gemeindeverwaltung zugeleitet werden, um nicht in Widersprüchlichkeiten gegenüber den Aussagen, Festlegungen und Prüfungszusagen in der Bürgerversammlung zu geraten sowie um eine möglichst zügige Bearbeitung der behandelten Probleme zu erreichen.

Die den Bürgern in der allgemeinen Aussprache zugesagten Prüfungsschritte oder positiven Einzelentscheidungen sind ernst zu nehmen und auch tatsächlich durchzuführen -die Ergebnisse sind dem Fragesteller zwischenzeitlich als Einzelinformation oder allgemein über die Presse (oder eine andere Mitteilungsmöglichkeit) oder in der darauf folgenden Bürger-Versammlung als Gesamtinformation bekannt-zugeben. Um an die vorangehende Bürgerversammlung in überschaubarem Zeitraum anknüpfen zu können, einen wirklich fortgesetzten Dialog zu entwickeln und das aktuelle Informiertsein nicht abreißen zu lassen, ist für kleinere Gemeinden mehrmals jährlich, für mittlere und größere Gemeinden für jeden Stadtteil zumindest einmal jährlich eine Bürgerversammlung durchzuführen. Diese zeitliche Abfolge im Zusammenwirken mit einer gründlichen Nachbereitung der Veranstaltungsergebnisse sorgen für erhöhtes Vertrauen gegenüber den Verantwortlichen sowie für lebhaftes Interesse, erfreulich konstruktives Mitdenken und starkes Verantwortungsbewußtsein auf der nächsten Bürgerversammlung und in der dazwischenliegenden Zeit.

Zusätzliche Anregungen für die Abhaltung einer Bürgerversammlung

Der große Besucherkreis aus der Bürgerschaft kann geeignet sein, den Standort einer Bürgerversammlung so zu legen, daß im zeitlichen Zusammenhang mit der Veranstaltung ein neues bauliches oder funktionelles Angebot der Gemeinde (Begegnungsstätte, Kultur-und Sportstätten, Gesundheits-, Feuerschutz-, Bildungseinrichtungen) oder der örtlichen Vereine und Verbände (Sportstätte, Versammlungshalle) vorgestellt wird. Entsprechende Führungen können vor oder nach der Bürger-versammlung angeboten, Erläuterungen für die Neueinrichtungen können in der Bürger-versammlung selbst gegeben werden.

Im Zusammenhang mit der Bürgerversammlung kann es weiterhin empfehlenswert sein, Planungs-und Bauprogramme, Karten-und Erläuterungswerke, die nicht unbedingt auch zu den Themen der Bürgerversammlung gehören müssen, zu zeigen, um so zusätzliche Informationen zu ermöglichen und auch so zusätzlich zum Meinungsaustausch anzuregen. Bei der räumlichen Anordnung der Ausstellungsstücke ist aber darauf zu achten, daß sie den Ablauf der eigentlichen Veranstaltung nicht stören und insbesondere vor und nach der Versammlung zugänglich sind.

Die Aushändigung einzelner Unterlagen an die teilnehmenden Bürger (z. B. Statistiken, Abschlußberichte in Kurzfassung, Kurzerläu-terungn) ist möglich, sollte allerdings die Ausnahme bleiben. Sie ist auf die Fälle zu beschränken, in denen mündliche Kurzerläuterungen (zu einem wichtigen Thema) entweder aus sich heraus (weil nicht alle Zahlenwerke genannt werden können) nicht ausreichend verständlich sind bzw. als Unterlage für einen späteren detaillierten Dialog mit den Bürgern nicht ausreichen.

Besondere Problemstellungen

Hier sollen die Punkte „Debattenroutiniers und Querulanten", „Proteste gegen Ratsentscheidungen“ und „Fehlereingeständnisse“, „parteipolitische Gegensätze“ und „Einwirkungen von Bürgerinitiativen" aufgegriffen werden.

Oftmals nimmt die Diskussion insgesamt einen unbefriedigenden Verlauf, weil sie überwiegend von nur wenigen, schon aus früheren Versammlungen bekannten „Debattenroutiniers“ bestritten wird Dies scheint aber mehr eine „Kinderkrankheit" in der Anfangsphase von Bürgerversammlungen zu sein: verläuft die Bürgerversammlung nach der „ersten Einübung" in der richtigen Weise (d. h. empfangen die Bürger Anregungen und Toleranz und gewinnen sie Vertrauen), so spielen „Debattenroutiniers" keine Rolle mehr -ja bemerken den Unwillen des größeren Besucherkreises über den Stil ihres Auftretens und verändern diesen meist.

Auch die Befürchtung, daß Bürgerversammlungen vorwiegend Querulanten dazu dienen, verdrängte Komplexe abzureagieren, ist aus den Erfahrungen vieler Bürgerversammlungen unbegründet. Viele Nörgler halten anfangs in Bürgerversammlungen nur deshalb auf, weil sie früher keine ähnlichen Gelegenheiten zus Meinungsäußerungen hatten und der neuen Einrichtung einfach noch mißtrauisch gegenüberstehen: auch diese Erscheinung verläuft sich schnell.

Als letztlich unnötig hat sich auch die Befürchtung herausgestellt, daß die Bürgerversammlung zum Schauplatz der Austragung parteipolitischer Gegensätze wird. Dies liegt insbesondere daran, daß die Parteien am jeweiligen Ort sehr bald einsehen, daß der bei der Bürgerversammlung anwesende Personenkreis -worauf bereits hingewiesen wurde -keinen Wert darauf legt, daß die für die Erörterung der ihn interessierenden Gemeineangelegenheiten zur Verfügung stehende Zeit durch Auseinandersetzungen zwischen den Parteien in Anspruch genommen wird. Der Gefahr einer „Politisierung" kann man dadurch zusätzlich vorbeugen, daß man in Wahlzeiten auf die Einhaltung einer Pause im Rhythmus der Bürgerversammlungen achtet. Im übrigen dient dazu auch der bereits erwähnte Verzicht, Vertreter der Ratsfraktionen mit in das „Podium“ einer Bürgerversammlung einzubeziehen. Gerade hinsichtlich der Frage der parteipolitischen Auseinandersetzungen auf Bürgerversammlungen -ein häufig gebrauchtes Argument gegen Bürgerversammlungen -sollte sich niemand beunruhigen lassen; selbst wenn tatsächlich auf ersten entsprechenden Veranstaltungen davon noch zu kräftige Tendenzen vorhanden sein sollten, ist dies normalerweise nur eine Übergangserscheinung. Ein zwangsläufiges Ereignis und ebenso gewolltes wie bleibendes Problem ist es dagegen, daß sich die Repräsentanten der Gemeinde der Bewertung von Ratsentscheidungen zu stellen haben. Hier stehen der Ratsvorsitzende und der Hauptverwaltungsbeamte vor der Schwierigkeit, einerseits die Darlegungen der Bürger nicht in den Wind schlagen zu dürfen und andererseits selbstverständlich für die Haltung des Rates eintreten zu müssen. -Daraus ergeben sich 3 Reaktionsmöglichkeiten und -empfehlungen. Erste Möglichkeit: Die politische Entscheidung, gegen die sich der Protest richtet, ist getroffen worden, ohne die durch sie Belasteten mit ihren Argumenten zu hören und ihre Argumente zu würdigen und folglich ohne ausreichend bekannte Begründung. Diesem Mangel kann noch in der Bürgerversammlung selbst abgeholfen werden, indem ein Mindestmaß an Information und Begründung nachgeholt wird und die Entscheidung dann im Laufe der Versammlung aus nunmehr gewonnener Überzeugung doch akzeptiert wird. Gerade dann werden Vorteile der Bürgerversammlung besonders plastisch sichtbar.

-Zweite Möglichkeit: Die Entscheidung ist falsch und nach Kenntnis der Argumente der Bürger eigentlich unvertretbar, vielleicht sogar schädlich. In einem solchen Fall, der so klar hervortretend natürlich nur selten auszumachen sein wird, der aber möglich ist, wäre die Vertretungskörperschaft gut beraten, wenn sie ihre falsche Entscheidung, gegen die sich der berechtigte Protest der Bürger richtet, von sich aus revidieren würde. In diesem Fall wäre den Verantwortlichen auf der Bürgerversammlung anzuraten, die Einschätzung und die Argumentationsreihe der Bürger in der Vertretungskörperschaft zur Sprache zu bringen, ein überdenken bzw. Verändern der zunächst gefällten Entscheidung zu erwägen zu geben und dies in der Bürgerversammlung anzukündigen.

Der Hauptverwaltungsbeamte hat es insofern hinsichtlich von Verwaltungsentscheidungen leichter: er kann -sofern er keine zusätzliche Prüfung in dem zuständigen Fachbereich seiner Verwaltung für notwendig hält -eine veränderte Entscheidung, sollte dies noch möglich sein, sogleich zusagen. -Dritte Möglichkeit: Die Entscheidung ist bei Würdigung aller Argumente richtig oder zumindest vertretbar, und ausreichend begründet, sie widerspricht jedoch, tatsächlich oder vermeindlich, der Interessenlage der protestierenden Bürger, in der Regel einer Minderheit. In diesem Fall können und dürfen die Verantwortlichen, die sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen müssen, nicht nachgeben (und niemand, Bürger oder Politiker, darf wollen, daß die nach unserem Verfassungssystem „zur Herrschaft auf Zeit" Berufenen ihre als richtig erkannte Entscheidung auf Druck zurücknehmen und durch eine andere, weniger gute, sachlich nicht zu rechtfertigende, aber im Augenblick der Versammlung besondere Zustimmung findende Entscheidung ersetzen). Nachgiebigkeit in einem solchen Fall wäre blanker Opportunismus

Erstaunlich -vielleicht aber erklärlich -ist der Umstand, daß Bürgerinitiativen die Bürgerversammlungen bisher kaum für ihre Anliegen nutzen. Das Wesensmerkmal dieser Gruppen, ihre Aktivitäten außerhalb institutioneller Formen zu entwickeln, tritt hier deutlich zu Tage Ansätze von Einwirkungen 4 stoßen sehr schnell auf den Unwillen der übrigen anwesenden Bürger, die keine einseitige und „befrachtete" Aussprache wollen, und gehen erfahrungsgemäß schnell unter.

Bisherige Erfahrungswerte

Die im folgenden skizzierten Erfahrungen resultieren aus der Durchführung von etwa hundert in den Jahren 1972-1977 persönlich durchgeführten Bürgerversammlungen.

Erste Feststellung: Es besteht nicht nur anfängliches Interesse an der Durchführung von Bürgerversammlungen. Bei sinnvoller Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung dieser Veranstaltungen bleibt auch -über den Verlauf mehrerer Jahre zu beobachten -ein gleichmäßig starkes Interesse (abzulesen an Teilnehmerzahlen und Lebendigkeit der Aussprache) vorhanden; bei Themen mit besonderer Tagesaktualität kann die Teilnehmerzahl sprunghaft emporschnellen. -Zweite Feststellung: Die „Gerüchteküche" über angebliche „kommunale Geheimnisse" (nach dem Motto:

„die machen viel, aber wir verstehen wenig, laßt uns mal herumrätseln und vermuten") kommt endlich weitgehend zum Erliegen. Das Handeln von Rat und Verwaltung ist „durchsichtig" geworden, ist verständlich und wird als „unser Handeln" von den meisten Bürgern verstanden. Die Teilnehmer der Bürgerversammlungen setzen ihrerseits die von ihnen mitgenommenen Informationen und das von ihnen gewonnene Verständnis als Multiplikatoren in ihrem Verwandten-, Freundes-, Bekannten-und Mitarbeiterkreis um. Das allgemeine „Mitgehen" und das sich allgemein herausbildende öffentliche Bewußtsein wächst in einem überraschenden Maße. -Dritte Feststellung: Die Bürger erwarten gar keinen „Schwall von Versprechungen und Zusagen", sie erwarten nur ausführliche Erklärung voller Offenheit. Das mit überzeugenden Argumenten begründete „Nein" ist ihnen lieber als ein ausweichendes „Jein" oder das „Ja", das sich später nicht halten läßt. Aus wievielen Bürger-versammlungen kann man (für den weiteren Weg gestärkt) hinausgehen, wenn man erlebt hat, wieviel Verständnis für schwierige und auch belastende Entscheidungen von den Bürgern zum Ausdruck gebracht worden ist. -

Vierte Feststellung: Man lernt wieder, sachlich miteinander zu diskutieren, zuzuhören, aufeinanderzuzugehen. Es entwickelt sich zu einer bestimmten Gepflogenheit, strittige Themen und mit Vorurteilen belastete Fragen nicht gleich zum Gegenstand von Leserbriefen in den Zeitungen zu machen oder sonstige Proteste sogleich ohne direkten Gesprächspartner in der Öffentlichkeit anzubringen, sondern die betreffenden Angelegenheiten -sofern dies zeitlich möglich ist -in der nächsten Bürger-versammlung anzuschneiden und dort darüber miteinander eine Aussprache zu führen. -Fünfte Feststellung: Aus den Darstellungen der Bürger wird eine Reihe von Schritten initiiert, die manches Mal vorher „offiziell" noch gar nicht bedacht oder eingeleitet worden waren -eine Beobachtung, die gerade für Maßnahmen gilt, die nicht zu materiellem Vorteil einzelner anwesender Bürger vorgetragen wurden. Die Bereitschaft zum Engagement der Bürger läßt sich daneben auch daran ablesen, daß es nicht selten vorkommt, daß die Erledigung einzelner Maßnahmen in gemeinschaftlicher Durchführung in der Bürgerversammlung abgesprochen wird (d. h., daß zum Beispiel ein Termin verabredet wird, an dem die Bürger eines Ortsteils selbst einen Wanderweg anlegen öder Sportanlagen verbessern und dies mit Unterstützung der Gemeinde in „Handund Spanndienst" leisten wollen) oder einzelne Bürger sich spontan bereit erklären, für das Gemeinwohl zuträgliche persönliche Schritte (Abtretung von Gelände für Kinderspielplatz-und Straßenzwecke, Übernahme von Aufsichtstätigkeiten u. a.) zu unternehmen. -Sechste Feststellung: Der persönliche Kontakt (eingeschlossen die zusätzlich mitanwesenden Verwaltungsmitarbeiter, die selbstverständlich am Beginn der Bürgerversammlung allen Teilnehmern mit dem Hinweis auf das von ihnen wahrgenommene Aufgabengebiet vorgestellt werden sollen) zu den Bürgern führt dazu, daß ein erheblich vermehrter Kontakt zum Rathaus (durch Besuch, durch Telefonanrufe und durch schriftliche Äußerungen)

gesucht wird, weil durch das Zusammensein auf der Bürgerversammlung viel Scheu, viel „Schwellenangst" abgebaut worden ist. -

Siebente Feststellung: Die Bürgerversammlung dient -ein nicht beabsichtigter, aber auch nicht unwichtiger Nebenzweck -auch dazu, zusätzliches Verständnis der Bürger untereinander und zwischen einzelnen Bürger-gruppen zu schaffen und Spannungen zwischen diesen -und nicht nur zwischen ihnen und der Gemeinde -abbauen zu helfen. So ist es keine Seltenheit, daß in der sachlichen und umfassenden Erörterung in einer Bürgerversammlung zunächst unverrückbar erscheinende unterschiedliche Auffassungen (Jung -Alt, Fußgänger -Autofahrer, Hundehalter -

Hundegegner) zu einer gemeinsamen Lösung geführt oder zumindest zu einem grundsätz-liehen Verständnis und zu Ansatzpunkten einer Einigung gebracht werden. Auch dies bedeutet für den einzelnen ein neues Bewußtsein der Gemeinschaft und der Verantwortung ihr gegenüber. -Achte Feststellung: Keinesfalls stimmt die Behauptung, daß „die Attraktivität der Bürgerversammlung letztlich immer begrenzt sein wird, solange sie ohne Entscheidungsbefugnis ist" Die Bürger kommen nicht, um Entscheidungen auf sich zu ziehen, sondern um sich zu informieren und mit zu beraten; sie akzeptieren das Entscheidungstecht des Gemeinderates voll und wünschen verfassungsmäßig in ihrer erdrückenden Mehrheit keine Veränderung dieser vorgegebenen Situation. Wer über mangelnde Kompetenzen der Bürgerversammlung nachdenkt und den Ruf nach einer „direkten Demokratie heraus-zuhören meint, sollte mehr tatsächliche Erfahrungen auswerten als dies aus Gedankenspielen zu folgern -auch hier wird allzuleicht eine bedeutsame Forderung allzuschnell aus der Theorie abgeleitet.

Fazit: Die Bürgerversammlung findet in der kommunalen Praxis sicherlich noch nicht die Beachtung, die sie im Interesse einer bürger-nahen Selbstverwaltung eigentlich verdienen würde. Möge sich dies ändern: man findet keine bessere Gelegenheit, um -ein überkommenes Wort aufnehmend -„dem Volk aufs Maul zu schauen!

Gesprächskreise Die alle Fachbereiche der gemeindlichen Aufgaben berührende Information und Diskussion in der Bürgerversammlung kann für einzelne, der Gemeinde besonders wichtige Strukturbereiche sinnvoll durch gesonderte „Gesprächskreise" ergänzt werden: hier treffen sich die Repräsentanten der Stadt (Ratsvorsitzender, Fraktionsvertreter, einzelne Ausschußvorsitzende sowie die Verwaltung) regelmäßig oder unregelmäßig (je nach Notwendigkeit und nach den Wünschen der Gesprächspartner) unter anderem mit den Vertretern der Wirtschaft (Industrie, Gewerbe, Handwerk, Einzelhandel, Gewerkschaftsvertreter), den Verantwortlichen der kirchlichen Arbeit, den Vertretern des Sportes und den Betroffenen der Sanierungsgebiete (bzw.deren Sprechern und deren Beratern).

In diesen Gesprächskreisen, für die Themen-stellungen, Ort des Gespräches, Vorbereitun-’ gen und Verfahrensfragen gemeinsam abgesprochen werden sollten, kann durch rechtzeitigen Erfahrungsaustausch sowie durch Abstimmung der gegenseitigen Absichten und der jeweils gemeinsam oder einzeln notwendigen Schritte ein Hand-in-Hand-Arbeiten sichergestellt werden. Die Gesprächsleiter sollten dabei im Wechsel von der einen und der anderen Seite gestellt werden (ein kleiner, aber wichtiger Ausdruck der Partnerschaft);

auf ein gemeinsames Protokoll ist Wert zu legen.

Der Sitzungsort der Gesprächskreise kann dann zweckmäßig in Beratungsthemen einführen sowie zusätzliche Informationen und Erkenntnisse vermitteln, wenn er von Fall zu Fall (nicht unbedingt regelmäßig) in eine Umgebung gelegt wird, auf die sich das Interesse der Gesprächspartner ohnehin konzentriert (z. B. Sozialstation, Sportzentraum, Sanierungsberatungsstelle, Wasserwerk, Industrie-stätten). Teilweise ist es üblich, die einzelnen Gesprächskreise mit besonderen Bezeichnungen -wie z. B. „Wirtschaftsgespräch" -zu kennzeichnen. Die Einrichtung von Gesprächskreisen hat sich als sehr förderlich für die Zusammenarbeit innerhalb der Gemeinde erwiesen. Telefonsprechstunden Allgemeine Sprechstunden (meist regelmäßig zu fester Zeit einmal wöchentlich angeboten) gehören für Ratsvorsitzende und Verwaltungschefs zur landläufigen Übung.

Recht unbekannt ist dagegen noch die regelmäßige Einrichtung einer „Telefonsprechstunde". Warum diese Möglichkeit bisher kaum irgendwo eröffnet worden ist, erscheint angesichts des Interesses der Bevölkerung an dieser Einrichtung unerklärlich.

Unter „Telefonsprechstunde" ist die Ergänzung der vorab angesprochenen allgemeinen „Sprechstunden" in dem Sinne zu verstehen, daß Ratsvorsitzender und/oder Hauptverwaltungsbeamter (bzw. in Ausnahmefällen ihre allgemeinen Vertreter) der gesamten Bevölkerung zu bestimmten Stunden in der Woche zumindest l-2mal monatlich) zu telefonischen Anfragen, Anregungen und Meinungsaustausch zu festem Termin zur Verfügung stehen. Als Termin ist dafür der Sonnabendvormittag zeitlich besonders günstig geeignet, d. h. ein Zeitpunkt, an dem die Bürger, unabhängig von ihren beruflichen Verpflichtungen, am ehesten Gelegenheit haben, „ohne irgendwelche Barrieren" den Kontakt zu den Repräsentanten der Gemeinde zu suchen.

Mehrjährige Erfahrungen mit der Einrichtung der Telefonsprechstunde haben gezeigt, in welchem gleichbleibend großem Umfange von diesem Angebot Gebrauch gemacht wird. Viele Bürger äußern sich bei ihren Anrufen vorab erfreut darüber, daß dies für sie-die einzige Möglichkeit darstellt, ein solches (schon lange gewünschtes) Gespräch zu erreichen.

Organisatorisch sind für die Durchführung der Telefonsprechstunde keine große Umstände erforderlich: die Besetzung der Telefonzentrale reicht neben der Anwesenheit des Ratsvorsitzenden oder des Hauptverwaltungsbeamten aus. Die Telefonzentrale nimmt die Gespräche an, notiert Name und Adresse des Anrufenden und verbindet weiter. Bei mehreren gleichzeitig ankommenden Gesprächen wird der Rückruf vom Rathaus zugesagt.

Zeitpunkt und Verfahrensregeln der Telefon-sprechstunden sollten öffentlich bekanntgegeben werden, wobei möglichst auf jede einzelne Telefonsprechstunde (wiederkehrend) in der Presse bzw. in Mitteilungsblättern hingewiesen werden sollte.

Bekanntmachungen: Amtliches Mitteilungsblatt „Bekanntmachungen" sind amtliche Informationen, die in nach Ortsrecht festgelegten Veröffentlichungsformen (Tageszeitungen, amtliche Mitteilungsblätter, Aushangkästen, Mischformen der drei erstgenannten Wege) der Bevölkerung zugängig gemacht werden.

„Amtliche Information" meint jedoch nicht, daß die Bekanntmachung in einer hölzern-bürokratischen Formulierung abgefaßt werden muß: Bekanntmachungen sollten im Gegenteil so aufgesetzt sein, daß sie sich in einer ansprechenden (nicht unterkühlt-gleichgültigen oder abweisenden) Art an den Leser wenden; sie sollten im Aufbau klar gegliedert und in den einzelnen Sätzen verständlich (d. h. ohne unverständliche Abkürzungen, ohne Leerformeln, ohne unbekannte Verwaltungsund Gesetzesbegriffe) abgefaßt sein.

In den Bekanntmachungen spiegelt sich die Einstellung der Verwaltung zum Bürger wieder: aus manchen Bekanntmachungstexten kann man an der Anrede und am Inhalt eben doch immer noch erkennen, wie distanziert einige Verwaltungen zum Bürger stehen und dies allein schon durch einen sehr spröden Ton der Bekanntmachungen zum Ausdruck bringen. Der Hauptverwaltungsbeamte sollte sich persönlich darum sorgen, daß seine Dienststellen durch Hinweise oder Gespräche eine Schulung erfahren, wie die Bekanntmachungstexte -eines der häufigsten und damit wichtigsten Informationsmittel • -besser (d. h. lesbarer, partnerschaftlicher) gestaltet werden können; die Umgewöhnung der Mitarbeiter kommt nicht plötzlich, sie ist ein längerer Prozeß.

Die Aufforderung, zu einem neuen, der bürger-nahen Aufgabenerledigung entsprechenden Stil bei der Abfassung der Bekanntmachungstexte zu kommen, gilt um so mehr, als die gemeindlichen Bekanntmachungen nicht nur Pflichtbekanntmachungen, sondern darüber hinaus wichtige Hinweise zu den verschiedensten anderen Verfahren, Ereignissen und Einrichtungen des kommunalen Aufgabenkreises enthalten sollen, die auf freiem Ermessen der Gemeinde beruhen.

Neben den (oft den gleichen Gegenstand behandelnden) redaktionellen Darstellungen erhält die amtliche Bekanntmachung dadurch ihren hohen Informationswert, als die Bürger normalerweise solche Bekanntmachungen mit einer zusätzlichen Aufmerksamkeit heraussuchen und lesen (wobei die Verhaltensweisen in Klein-, Mittel-und Großstädten sehr unterschiedlich sein mögen).

Die Zahl freiwilliger amtlicher Bekanntmachungen (häufige Bekanntmachungen wären zu begrüßen) findet aber zwangsläufig seine Grenzen in dem notwendigen Bestreben der Gemeinden, mit möglichst geringem finanziellen Aufwand die erforderlichen Informationsvermittlungen durchzuführen: dort, wo keine Jahrespauschalen mit den Zeitungen (was zu empfehlen ist) vereinbart sind, ergeben sich bei einer Ausweitung der Bekanntmachungen allzuleicht erhebliche finanzielle Belastungen, die abschrecken.

Auf Grund der zuletzt angedeuteten Zwangslage (nämlich einerseits: vermehrt zur Informationsverbesserung mit amtlichen Veröffentlichungen an die Bürgerschaft herantreten wollen; zum anderen: durch die Preisgestaltung an häufigen Veröffentlichungen im Anzeigenteil der Zeitungen gehindert zu sein) haben immer mehr Kommunen (Gemeinden und Kreise) eigene Wege gewählt, um aus der unbefriedigenden Situation wie folgt herauszu11 kommen: sie haben entweder eigene Amtsblätter eingeführt oder Vereinbarungen mit Verlegern über die Herausgabe von Mittei-lungsglättern (mit amtlichem Teil) abgeschlossen. -Keine Kommune ist an einer solchen Entscheidung gehindert, weil bei der Wahl der Bekanntmachungsform Zeitungen und Amtsblätter in allen Bundesländern gleichrangig nebeneinander erlaubt sind.

Derartige Amts-und Mitteilungsblätter können auf vielfältige Art und Weise gestaltet werden. Erste Alternative: Herausgabe eines Amtsblattes durch die Gemeinde selbst; der Text beschränkt sich auf reine Bekanntmachungen. -Zweite Alternative: Herausgabe durch die Gemeinde selbst; Text enthält sowohl Bekanntmachungen wie auch redaktionelle Teile (gestaltet durch Verwaltungsmitarbeiter, freie Mitarbeiter, Beiträge von örtlichen Vereinen, Verbänden, Unternehmen, sonstige Institutionen). -Dritte Alternative:

Blatt wird von der Gemeinde herausgegeben und enthält neben dem redaktionellen Text (s.

vorangehende Alternativen) auch einen Anzeigenteil, mit dem die Herstellungskosten (und evtl, auch die Vertriebskosten) ganz oder teilweise abgedeckt werden. -Vierte Alternative: Mitteilungsblatt wird von einem privaten Verleger herausgegeben; es enthält neben redaktionellem Teil und Anzeigenteil auch einen ständigen amtlichen Teil; in einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Verleger ist festgelegt, ob und welche finanziellen Zuwendungen an den Verleger gezahlt werden sowie (zweckmäßigerweise) wie der Vertrieb erfolgt. -Fünfte Alternative: Zu den amtlichen Bekanntmachungsblättern bzw.den Mitteilungsblättern mit amtlichem Teil gehören nicht die Arten von Mitteilungsblättern, die von den Gemeinden Bekanntmachungstexte (die z. B. in Tageszeitungen als amtliche Bekannt-machung abgedruckt werden) nur zur Auswertung oder zur Veröffentlichung nach eigenem Ermessen zugesandt bekommen. — Weitere Alternativen: Diese beziehen sich auf Varianten zu den vorher genannten Veröffentlichungsformen, insbesondere hinsichtlich der Sehr unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten des Vertriebes und der Frage, ob die Blätter kostenlos oder gegen Bezahlung verbreitet werden; die Vertriebs-(Verteilungs-) formen haben eine große Bandbreite und liegen zwischen den Möglichkeiten der kostenlosen Verteilung an alle Haushaltungen in der Gemeinde (per Post oder Boten) und der Zustellung ausschließlich an feste, einen Monats-oder Jahrespreis zahlende Abonnenten.

Sollen Bekanntmachungsund Mitteilungsblätter einen hohen Stellenwert im Informationsbemühen der Gemeinde gegenüber ihrer gesamten Bürgerschaft haben, ist -welcher Weg auch immer gewählt wird -darauf Wert zu legen, daß eine möglichst breite Streuung dieser Blätter im gesamten Gemeindegebiet gesichert ist.

Informationsbroschüren, Informationsreihen

Uber die aktuellen Tages-, Wochen-und Monatsinformationen hinaus besteht das Bedürfnis, über zusammenhängende, größere Sachbereiche in Form von Informationsbroschüren unterrichtet zu werden, die sich im Laufe der Zeit zu einer (in der Abfolge vorher geplanten) ganzen Informationsreihe entwikkeln können.

Mit einem solchen Schritt erspart man einerseits dem Bürger, sich durch Besuche und Nachfragen bei der Verwaltung mühsam (und dann oftmals aus dem Zusammenhang gerissene) Teilinformationen zu besorgen oder auf Vermutungen oder auf evtl, falsche (oder unvollständige) Ratschläge Dritter angewiesen zu sein, -andererseits erspart man den Verwaltungsmitarbeitern den Zeitaufwand, immer aufs neue in publikumsintensiven Angelegenheiten stets wiederkehrende Erläuterungen geben zu müssen; schließlich macht man durch diesen Schritt auf zusätzliche Weise mit dem ganzen Umfang des jeweiligen kommunalen Angebotes in dem durch die Broschüre dargestellten Fachbereich bekannt.

Als Sachgebiete für solche Informationsbroschüren (sog. „Leitfäden") bieten sich unter anderem an: Sozialbereich, Jugendpflege, Sportbereich, Bildungswesen (mit allgemeinbildenden Schulen, Erwachsenenbildung, Berufsbildungsstätten, Musik-und Malschulen), Ausländerbetreuung.

Andere Informationsbroschüren, die von staatlicher Seite (Bundes-und Landesregierung, Arbeitsverwaltung etc.) herausgegeben werden, ergänzen sich mit dem kommunalen Informationsbemühen. Die Erfahrung zeigt, daß derartige Leitfäden gut angenommen Werden.

Für die Verteilung der Informationsbroschüren an die Bürgerschaft bieten sich mehrere Möglichkeiten an (z. B. Auslage in gemeindlichen Dienststellen, in Kreditinstituten, in Begegnungsstätten, Arztpraxen, Verkaufsstellen des öffentlichen Nahverkehrs, über Schulen).

Stadtrundfahrten

Stadtrundfahrten stellen eine Art „Bürgerversammlung auf Rädern" dar; sie bieten eine günstige Gelegenheit, gleichzeitig Informationen zu geben, die Meinung der Bürger einzuholen und den persönlichen Kontakt zu ihnen aufzunehmen oder zu vertiefen.

Stadtrundfahrten, die von der Gemeinde offiziell angeboten werden und die unter sachkundiger Führung von Repräsentanten des Rates oder der Verwaltung stattfinden, werden den Skeptiker damit überraschen, auf welches Bürgerinteresse sie stoßen.

Die Stadtrundfahrt kann ihren Informationszweck dann besonders gut erfüllen, wenn darunter nicht ein bloßes „Durchfahren" der Gemeinde (ähnliche Touristenrundfahrten in großen Städten) verstanden wird, sondern Standorte ausgesucht werden, die der einzelne Bürger ohne diese Fahrt gar nicht oder zumindest nicht so umfassend kennenlernen würde: Ich denke dabei an den Besuch von Wassergewinnungsanlagen (Hochbehälter, Filterwerk, Verteilungsund Kontrollanlagen), das Vorstellen der „inneren Abläufe" und der Technik von Sportstätten (Hallenbad, Sporthalle) und Kultureinrichtungen (Theater), Besichtigung der Funktionen eines Krankenhauses, Begehung von Umweltschutzanlagen, Führung durch Jugendbegegnungsstätten, Begehung strittiger Straßenbauvorhaben und vieles mehr. Angesichts der großen Zahl der hier zur Auswahl stehenden, den Bürger durch den Reiz des persönlichen Erlebens (stärker als durch Zeitungsdarstellungen) anziehenden Besichtigungsmöglichkeiten sollten für eine Stadtrundfahrt erfahrungsgemäß jeweils nur 2-4 Objekte herausgegriffen werden.

Die Häufigkeit der Stadtrundfahrten richtet sich nach dem „Angenommenwerden" durch die Bevölkerung. Günstigster Zeitpunkt ist das Wochenende (um auch Berufstätigen Gelegenheit zur Teilnahme zu geben). Die Termine der Stadtrundfahrten sollte man offiziell bekanntmachen (mit Hinweis auf Anmeldungserfordernis und Anmeldungsfrist). Ein finanzieller Beitrag für die Stadtrundfahrt findet bei den Teilnehmern Verständnis. Neben den allgemeinen Stadtrundfahrten, zu denen alle Bürger (auch alle Altersgruppen) eingeladen sind, kann auch zu speziellen Stadtrundfahrten (für Senioren, für Sportinteressierte, für Jugendliche etc.) eingeladen werden.

Es sollte Wert darauf gelegt werden, daß jede der Stadtrundfahrten nach Möglichkeit mit einem kurzen Beisammensein der Teilnehmer und der sie begleitenden Repräsentanten der Stadt abschließt. Die Gesamtzeit der Rund-fahrt und des Beisammenseins sollte 331/2 Stunden nicht überschreiten.

Vorstellung der kommunalen Einrichtungen

Nicht nur aus Anlaß von Einweihungen neuer kommunaler Einrichtungen sollte Gebrauch davon gemacht werden, diese Einrichtungen werbend vorzustellen.

Der Bürger muß durch dieses offizielle Vorstellen an einzelnen kommunalen Aufgabenerledigungen interessiert und auf sie aufmerksam gemacht werden; ihm muß die evtl, vorhandene Scheu genommen werden; er muß sich aufgefordert fühlen als regelmäßiger Besucher wiederzukehren (z. B. in die Stadtbücherei, Volkshochschule, Sportstätte oder Rathaus); er sollte Verständnis gewinnen für bestimmte Arbeitsabläufe in der Gemeindeverwaltung (Straßenmeisterei, Krankentransport, Rathaus).

Eine gute Resonanz bei der Bevölkerung können gut vorbereitete und lebendig durchgeführte „Tage der offenen Tür" finden, die sich auf das Vorstellen einzelner Einrichtungen konzentrieren. Diese Veranstaltungen müssen in der Öffentlichkeit ausreichend angekündigt sein und müssen einen volkstümlichen Rahmen haben (durch Musik, Wettbewerbe, Kinderbetreuung etc.).

Ein solcher „Tag der offenen Tür" soll einen umfassenden „Blick hinter die Kulissen" gewähren. Veranstaltet man z. B. einen „Tag der offenen Tür" für das Rathaus, so gehört dazu: Vorstellen der „Technik im Einsatz" (EDV-Anlage, Meldekartei auf Mikrofilm, Offset-Drukkerei, Lichtpausgerät), von speziellen Räumen (Trauraum mit Schaufensterpuppen, Hochbauabteilung als Architekturbüro), einzelne Einrichtungen (z. B. zentraler Schreibdienst), Pläne, Modelle, Graphiken (Entstehung eines Haushaltplanes, Baugenehmigungsverfahren, Bauleitplanverfahren, Wohngeldverfahren), Bilder-und Diaserien. Die Besucher können zusätzlich ein „Begleitheft" erhalten, das die Aktivitäten und Verfahrenseinzelheiten bezeichnet und erläutert.

„Tage der offenen Tür" sollten in den Augen der Bürgerschaft aber eine Besonderheit bleiben, d. h. nur ein-bis zweimal im Jahr an unterschiedlichen Standorten durchgeführt werden. Das schließt aber nicht aus, bei wichtigen Einrichtungen der Stadt (unabhängig von „Tagen der offenen Tür") regelmäßig Führungen anzubieten oder z. B. Besichtigungen öffentlicher Einrichtungen über VHS-Programme zu ermöglichen.

Es muß ein Ziel mit sein, Bürgerinteresse nicht nur durch schriftliche oder mündliche Information zu wecken und zu steigern, sondern auch durch das Vorführen von Arbeitsabläufen „vor Ort".

Jahresrechenschaftsbericht gegenüber der Bürgerschaft

Um die Entwicklung der Gemeinde Jahr für Jahr auch für den Bürger verständlich festzuhalten, den Verlauf eines Jahres „bilanzieren" zu können, Geplantes und Durchgeführtes gegenüberzustellen, Prioritäten in der Aufgaben-erledigung erkennbar zu machen, den Bürgern das Gefühl des Mitverfolgens (und auch der Kontrolle) zu geben, sollte zu jedem Jahreswechsel von der Gemeinde eine Art „Jahresrechenschaftsbericht" herausgegeben und für die gesamte Bürgerschaft veröffentlicht werden.

Dieser Maßnahmenkatalog (die Jahresbilanz) -und am besten noch dazugefügt: die Planung für das folgende Jahr -sollte in gedrängter, übersichtlicher Form, in vereinfachter schematischer Darstellung und ohne inhaltliche Wertung abgefaßt sein.

Es empfiehlt sich außerdem, den Bericht neben dem (vollständigen oder auszugsweisen) Abdruck in den Zeitungen zugleich in das Be-kanntmachungsoder Mitteilungsblatt der Gemeinde (das der Bürger länger aufbewahrt als eine Tageszeitungsausgabe) einrücken zu lassen.

Neubürgerinformation

Jeder Neubürger hat ein Bedürfnis danach, nicht lange „Fremdling" zu sein, sondern seine neue Wohngemeinde mit ihren wichtigsten Einzelheiten möglichst bald überblicken zu können und erste Kontakte zu gewinnen. Er möchte auch über seine offiziellen Ansprechpartner (die Gemeinde und ihre verschiedenen Dienststellen) informiert sein.

Er wird sich deshalb freuen, die mit seinem Umzug meist vielfältig verbundenen formalen Schritte im Wege freiwillig angebotener Hilfe seiner neuen Gemeinde leichter und schneller durchführen zu können; er freut sich gleichzeitig, Tips für andere Erledigungen zu erhalten und gleichzeitig über das kommunale Angebot unterrichtet zu werden.

Wie der Neubürger in seinem neuen Wohnort Aufnahme findet, so wird er auch mit seiner Einstellung antworten: nämlich von Anfang an mehr interessiert oder mehr gleichgültig dem kommunalen Geschehen gegenüberzustehen. Durch die verstärkte Fluktuation der Bevölkerung sollten sich die Gemeinden zusätzlich aufgefordert fühlen, von sich aus zu einem möglichst reibungslosen überwechseln des Neubürgers aus dem Gemeindeleben des einen Ortes in das Gemeindeleben des anderen Ortes nach Kräften mit beizutragen.

Um das Angebot der Gemeinde, dem Neubürger Beratung und Kontakte zu bieten, in eine persönliche Ansprache zu kleiden, sollte jedem hinzuziehenden Bürger (bzw. jedem Haushaltsvorstand einer hinzuziehenden Familie) bereits in den ersten Tagen nach dem Wohnsitzwechsel ein offizielles Begrüßungsschreiben der Stadt (mit Informationsanlagen) übersandt werden, das von dem Ratsvorsitzenden und dem Hauptverwaltungsbeamten persönlich unterzeichnet sein sollte.

Betriebsbesuche

Auch das Kennenlernen und das Kontakthalten mit den Industrie-und Gewerbeunternehmen am Ort sollte im Sinne des „Miteinanders" nicht der Zufälligkeit einer Einladung durch die Firma (bei Betriebsjubiläen oder Eröffnung neuer Anlagen) überlassen bleiben, sondern zu einem festen Programm der Repräsentanten der Gemeinde (evtl, begleitet von zusätzlichen Fachleuten der Verwaltung) ausgestaltet werden.

Da die Struktur jeder Gemeinde und die persönlichen Verhältnisse der in ihr lebenden Bürger durch die Arbeitsstätten und Angebote in Industrie und Gewerbe besonders geprägt werden und gerade die Kenntnisse dieses Bereiches deshalb besonders wichtige Einblicke geben, ist der durch regelmäßige Betriebsbesuche mögliche Überblick über die Wirtschaftslage und die Situation der Beschäftigten am Ort als aktueller Wissensstand unerläßlich notwendig. Bei den Betriebsbesuchen (die langfristig festzulegen sind und bei denen zwischen den einzelnen Arten der Betriebe -Größenstruktur, Herstellungsbereich usw. -gewechselt werden sollte) können in den Gesprächen mit den Unternehmensleitungen und den Betriebsräten Entwicklungsmöglichkeiten, Probleme und Möglichkeiten zur gemeindlichen Hilfestellung erörtert und angegangen werden. Manches wird erst hier richtig erkannt und einer Lösung nähergebracht.

Die Betriebsbesuche verschaffen eine besondere Gelegenheit zum Informationsfluß an die Gemeinde (die nicht nur selbst zu informieren hat, sondern sich auch um das Einholen von Informationen bemühen muß, die von privater Seite stammen und zum Entscheidungshintergrund bei den Überlegungen der Gemeinde mit hinzugehören).

Soll der Betriebsbesuch einem wirklich nachhaltigen Zweck entsprechen, so darf er nicht nur in Form einer „Stippvisite" ausfallen (d. h. er darf nicht nur ein kurzes symbolhaftes Auftreten sein): Man muß sich für einen Betriebs-besuch Zeit nehmen, um Einrichtungen und Räumlichkeiten sowie Produktionsabläufe wirklich kennenzulernen, Gruppen-und Einzelgespräche zu führen, gegebenenfalls mit privaten Nachbarn oder benachbarten Firmen Anschlußgespräche oder gemeinsame Gespräche über Nachbarschaftsprobleme miteinbeziehen zu können.

Ständiger Bürgerservice im Rathaus

Die Kommunalverwaltung hat wie kaum eine andere Behörde unmittelbare Leistungen für den Bürger zu erbringen und ist für eine gedeihliche und erfolgreiche Erledigung ihrer Aufgaben in besonderer Weise auf ein ständig gutes Einvernehmen mit der Bürgerschaft angewiesen: für sie sollte bürgernahe Arbeit Notwendigkeit und Verpflichtung zugleich sein -sie ist ein „Dienstleistungsbetrieb", der sich von früheren Verwaltungsgepflogenheiten weit entfernt hat.

Bürgerservice muß deshalb im kommunalen Bereich besonders großgeschrieben werden. Die kommunale Verwaltung muß aber im Zeichen finanzieller Bedrängnis heute mehr denn je zugleich auch wirtschaftlich arbeiten und deshalb ständig rationalisiert werden.

Die nachfolgenden Abschnitte schildern einige wesentliche Bestandteile eines modernen bür-igernahen Bürgerservices.

Ausbildung und Fortbildung der Verwaltungsmitarbeiter

Die meisten Bürger haben heute viel mehr mit dem „Kommunalbeamten" als mit den gewählten Vertretern der Gemeinde zu tun. Von diesen Kontakten mit den Verwaltungsmitarbeitern hängt deshalb ein Großteil ihrer Einstellung zu der Gemeinde ab. Die Auswahl, die Ausbildung und die Fortbildung der Mitarbeiter in der kommunalen Verwaltung sind somit von grundlegender Bedeutung für den „Mechanismus der kommunalen Demokratie".

Einzustellen wären eigentlich nur solche Bewerber in den öffentlichen Dienst, die außer der notwendigen schulischen und/oder fachlichen Ausbildung die Gewähr bieten, für Publikumskontakte und entsprechendes Bemühen besonders aufgeschlossen zu sein. Kommunale Verwaltungsplätze sind nichts für „Alleinkämpfer".

Die Möglichkeiten der Aus-und Fortbildung reichen von Seminaren auf Dezernenten-und Amtsleiterebene (und der Weitergabe solcher Schulung in die einzelnen Dienststellen hinein) bis hin zur allgemeinen Mitarbeiterschulung in hauseigenen „Seminaren für die richtige Bedienung des Bürgers", wie dies z. B. bei Mitarbeitern aus publikumsintensiven Ämtern (unter Einsatz moderner Videotechnik) in der Stadtverwaltung Bonn durchgeführt wurde.

In persönlichen Gesprächen mit den Mitarbeitern (bei jeder sich bietenden Gelegenheit), in schriftlichen Informationen, Hinweisen und Musteranleitungen, in hauseigenen Informationsveranstaltungen oder Seminaren bzw. in Seminaren, die von dritter Seite aus angeboten werden, sollte der Weiterentwicklung der bürgerfreundlichen Einstellung und der ihr entsprechenden Verhaltens-und Verfahrenstechniken ständige Aufmerksamkeit gewidmet werden. Jeder einzelne Mitarbeiter sollte sich als „Beauftragter für Bürgernähe" fühlen.

Auskunftsstellen, Beratungsstellen

Beratungsstellen in den Rathäusern (und gegebenenfalls auch an anderen Stellen, z. B. in den Stadtbezirken) werden insbesondere in den größeren (mithin anonymeren) Gemeindeverwaltungen immer notwendiger.

Beratungsstellen haben die Aufgabe, den rat-und hilfesuchenden Bürgern sowohl Hinweise über zuständige Dienststellen und Sachbear15 beiter zu geben wie auch Hilfeleistungen beim Ausfüllen von Vorgängen und Formularen zu bringen. Teilweise sind in den Bundesländern auch Beratungsstellen eingerichtet, die zur Erläuterung von Rechtsmitteln gegen Verwaltungsbescheide zur Verfügung stehen. Neben dem häufigen Verlust der Übersichtlichkeit einer Gemeindeverwaltung (wegen ihrer Größe) ist immer stärker auch der Verlust der Verständlichkeit in der Verwaltungssprache getreten: unsere Datenverarbeitungsanlagen sind allgemein zwar sehr wertvolle Hilfsmittel, da sie zwangsläufig systematisch, gründlich und schnell arbeiten; sie verringern für den Bürger gleichzeitig jedoch in erheblichem Maße die Verständlichkeit der Verwaltungssprache (oder heben in Einzelfällen diese Verständlichkeit ganz auf). Gerade auch hier sind deshalb häufig Beratungshilfen erforderlich.

Die Beratungsstelle sollte in der Nähe des Haupteinganges des Rathauses untergebracht und durch deutliche Hinweise für jeden Besucher auffindbar gemacht sein. Gemeindeverwaltungen, die meinen, einen Beratungsdienst führen zu sollen, aber dafür keinen vollen Mitarbeiter abstellen können, geben einem ihrer Mitarbeiter die Beratertätigkeit als Neben-funktion zu sonstigen dienstlichen Aufgaben.

Die Beratungsstelle verlangt nach einem qualifizierten Mitarbeiter, der nicht nur Namen und Dienstplatz der zuständigen Sachbearbeiter kennt (bzw. dies aus einem Verzeichnis ablesen kann), sondern nach einer Verwaltungskraft, die von ihrer Ausbildung her auch über die wesentlichen Bearbeitungsverfahren Kenntnisse und Überblick besitzt.

Die letztgenannte Qualifikation verlangt dagegen die bloße „ Auskunftsstelle" (Aufgabe: den Weg zu weisen) nicht: sie kann ebenso von dem Pförtner mit versehen werden wie -bei kleineren Gemeindeverwaltungen -von der Botenmeisterei, der Umdruckstelle oder Poststelle.

Informationstelefon

Das sog. „Informationstelefon" findet immer häufigere Anwendung.

Es gibt zwei Varianten. Erste Möglichkeit: Am Eingang und in den Fluren des Rathauses und aller seiner Nebenstellen ist an günstig erreichbaren und erkennbaren Standorten ein Telefon angebracht, das die Rolle der Auskunftsstelle übernimmt. An dem Standort des Informationstelefons erläutert ein Schild die Bedienung. Jeder Besucher, der das Informationstelefon abhebt, erhält automatisch (kostenloser Anruf über die Hausleitung) Verbindung mit einem Mitarbeiter, der Fragen nach zuständigen Dienststellen und Sachbearbeitern beäntwortet, an diese verweist oder weiterverbindet oder (falls keine Öffnungszeit der Dienststelle oder bei Abwesenheit des Sachbearbeiters) einen Termin vermittelt oder nennt, an dem der gesuchte Ansprechpartner erreichbar ist. Die Einrichtung hat sich bewährt und ist ohne nennenswerte Kosten zu praktizieren. -Zweite Möglichkeit: Das Informationstelefon wird in der Art eines „Anrufbeantworters" eingerichtet. In dieser Art kann es dem Bürger rund um die Uhr zur Benutzung zur Verfügung stehen, d. h. er kann jederzeit (und unabhängig von Offnungsund Dienstzeiten im Rathaus) seine Anliegen fernmündlich mitteilen und sicher sein, daß seine Anfragen, Hinweise oder Wünsche an den zuständigen Sachbearbeiter gelangen, alsbald eine Bearbeitung erfahren und später zu einer Antwort (telefonisch oder schriftlich) führen. Das Informationstelefon dieser Art wird im wesentlichen in den Nachmittags-und Abend-stunden der Wochentage (d. h. außerhalb der Öffnungszeiten der Dienststellen) und am Wochenende in Anspruch genommen.

Informationsstände und -Tafeln

Unverständlich bleibt, warum viele Gemeinden bis heute noch nicht dazu übergegangen sind, eine der selbstverständlichsten Arten der „Bedienung des Bürgers" durchzuführen: nämlich Informationsstände im Foyer und in den Fluren des Rathauses sowie der Rathausnebenstellen aufzubauen, in denen die verschiedensten gedruckten Informationsunterlagen für den Bürger -in der Art eines Selbstbedienungsladens -präsentiert werden. Nichts ist einfacher als dieser Schritt zum Bürgerservice und kaum einer ist wirkungsvoller. Einzelbeispiele derjenigen Unterlagen zu nennen, die in den Informationsständen vorgehalten, vorgestellt und angeboten werden sollten, fällt angesichts der allzu großen Vielfalt der Möglichkeiten schwer: neben Stadtprospekten, Dienststellenverzeichnissen, Broschüren aus Informationsreihen, gemeindlichen Amts-und Bekanntmachungsblättern, Planungserläuterungen und anderen Unterlagen aus dem kommunalen Informationsangebot sollten auch Informationen der Bundes-und Landesbehörden, von Verbänden und von der Arbeitsverwal-B tung (vom Ratgeber für Ausländer über Gesundheitslexica bis zu Ausbildungsinformationen) ausgelegt werden.

Die Informationsstände sind regelmäßig zu überprüfen (damit sie in allen ihren Auslagen aktuell und vollständig bleiben). Mit anderen Behörden und Verbänden kann vereinbart werden, daß diese regelmäßig ihre Veröffentlichungen zur späteren Auslage in den Rathaus-Informationsständen übersenden.

Orientierungshilfen

Unter „Orientierungshilfen" sollen alle diejenigen Möglichkeiten verstanden werden, den Besucher der Gemeindeverwaltung neben der Betreuung durch Beratungsund Auskunftsstellen sowie durch das Informationstelefon im Rathaus möglichst ohne Probleme den richtigen Weg an die richtige Stelle finden zu lassen. Zu diesen Hilfen zählen neben der Selbstverständlichkeit übersichtlicher Hinweistafeln (mit Aufgliederung der einzelnen Ämter und deren räumliche Zuordnung) insbesondere optische Hilfen in Form von „farbigen Leitwe-gen .

Die ersten Beispiele sehr gelungener „Farbhilfen" lassen sich bei einigen Verwaltungen bereits bewundern. Manchem mag diese Lösung für eine Verwaltung zu unorthodox und „zu verspielt" erscheinen -von der Bürgerschaft wird'sie dankbar (als Zeichen gewandelter Einstellung) angenommen.

Angebote an bestimmte Teile der Bürgerschaft

Richteten sich die bisher beschriebenen Maßnahmen an die Gesamtheit der Bürger im Gemeindegebiet (bzw. in Ortsteilen), so sollen nachfolgend exemplarisch einige Beispiele dafür dargestellt werden, wie gegenüber bestimmten (wichtigen) Gruppen in der Bürgerschaft für ein enges Miteinander in speziellen Aufgabenerledigungen gesorgt werden kann. Dies kann insbesondere durch die Einrichtung zusätzlicher Gremien erfolgen.

In den meisten Fällen führen die von der Gemeinde zu diesem Zweck eingerichteten bzw. auf Initiative und mit Unterstützung der Gemeinde gewählten Gremien die Bezeichnung „Beirat".

Die Beiräte haben -wie ihr Name besagt -nur beratende Funktion. Sie bedürfen der amtlichen Anerkennung, da sie ihrem Sinn und Wesen nach mit den gemeindlichen Organen zusammenzuarbeiten haben. In keinem Fall dürfen sich die Beiräte aber als eine Art „Nebenregierung" verstehen.

Seniorenbeirat; Seniorenparlament

„Fast immer bringt die Beteiligung der Bürger zumindest eine schärfere Sicht der Probleme mit sich, insbesondere eine klarere Übersicht über die sozialen Aspekte einer Maßnahme" Dieses Zitat trifft allgemein, in besonders aus-geprägter Weise speziell aber auch auf die Mitwirkung der älteren Bürger einer Gemeinde zu.

Die Lösung der mit der Aktivierung und Einbindung sowie Betreuung älterer Menschen zusammenhängenden Fragenkomplexe kann viel besser angegangen werden, wenn die Senioren selbst mithelfen statt diese Überlegungen anderen zu überlassen. Was wissen wir (die Entscheidungsträger in Vertretungskörperschaft und Verwaltung) tatsächlich von den Bedürfnissen der älteren Mitbürger? Wie oft plant man (weil man sich als Jüngerer, noch im aktiven Dienst Stehender in die Wünsche der Älteren eben doch nicht ausreichend genug hineinversetzen kann) an dem eigentlich Wichtigen vorbei und wundert sich dann, wie wenig ein attraktiv scheinendes, in bester Absicht angebotenes Angebot angenommen wird. Allerbeste Erfahrungen lassen zur Einrichtung eines Seniorenbeirates raten (die auch verwendete Bezeichnung „Seniorenparlament" wirkt vielleicht etwas hochfahrend), der in einem von amtswegen vorbereiteten und durchzuführenden Wahlverfahren (nach den gleichen Grundsätzen wie beim Wahlverfahren bei allgemeinen Kommunalwahlen) direkt oder über Vertrauensleute (die gleichzeitig die Funktion von „Wahlmännern" ausüben) von allen älteren Bürgern gewählt wird. Die Kandidatenaufstellung (und selbstverständlich damit auch die spätere Arbeit des Seniorenbeirates) sollte parteipolitisch und religiös strikt neutral sein (d. h. es sollen keine Kandidatenvorschläge von Seiten der Parteien und der Kirchen zuge-17 lassen werden). Die Kandidaten sollten vielmehr nur von wahlberechtigten älteren Bürgern selbst -und zwar entweder in den vorbereitenden „Ortsteilversammlungen für Senioren" oder schriftlich (an den Wahlleiter bei der Gemeindeverwaltung) -vorgeschlagen werden dürfen. Zur näheren Erläuterung der Einzelheiten mag das Beispiel eines Ratsbeschlusses zur Einrichtung eines derartigen (mittlerweile erfolgreich tätigen) Seniorenbeirates dienen „ 1. Es wird ein Seniorenbeirat eingerichtet. -2. Der Seniorenbeirat soll 7 Mitglieder umfassen, für die persönliche Stellvertreter berufen werden. -3. Die Mitglieder des Seniorenbeirates sollen im Wege der allgemeinen Wahlen bestimmt werden, an der sich alle Bürger der Stadt, die mindestens 60 Jahre alt sind oder den Status eines Frührentners haben, beteiligen können. (Anmerkung: mit der Alters-schwelle 60 Jahre wird sichergestellt, daß auch diejenigen, die kurz vor dem Rentenalter stehen, sich darauf vorbereiten können und als „Bald-Betroffene" bereits mit einbezogen sind). -4. Das Wahlverhalten ist so auszugestalten, daß zunächst in jedem städtischen Wahlbezirk (entsprechend der Einteilung der Stimmbezirke bei den Kommunalwahlen) ein Vertrauensmann bzw. eine Vertrauensfrau zu wählen ist. Der Kreis der Vertrauensleute wiederum wählt die ordentlichen und die stellvertretenden Mitglieder des Seniorenbeirates. — 5. Zur Vorbereitung der Wahl der Vertrauensleute ist in den Wahlbezirken jeweils zu einem Treffen der älteren Bürger einzuladen, auf dem über die Vorstellungen zur Bildung des Seniorenbeirates sowie über die Senioren-arbeit allgemein zu informieren ist und außerdem die Vorschläge für die Wahl des Vertrauensmannes/der Vertrauensfrau des Wahlbezirkes unterbreitet werden sollen. Diese Treffen werden von Mitgliedern des Sozialausschusses und der Verwaltung gemeinsam durchgeführt. -6. Die eigentliche Wahl der Vertrauensleute soll so vorgenommen werden, daß an einem noch festzusetzenden Tag in jedem Wahlbezirk der Stadt in Anlehnung an die Verfahrensweise der sonstigen Wahlen (Wahllokale, Briefwahl etc.) der Vertrauens-mann/-frau bestimmt wird. Auf den Stimmzetteln sind diejenigen Vorschläge enthalten, die auf dem vorbereiteten offiziellen Treffen der älteren Bürger oder auf schriftlichem Wege (an die Stadtverwaltung) unterbreitet worden sind. Der (die) jenige, der die meisten Stimmen erhält, ist als Vertrauensmann/-frau gewählt; der (die) mit dem zweithöchsten Stimmenanteil gilt als stellvertretender (stellvertretende)

Vertrauensmann/-frau. -7. Dem Seniorenbeirat müssen für seine Arbeit, für seine Sprechstunden und Sitzungen geeignete und zentral gelegene Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. -8. Um die Arbeit des Seniorenbeirates mit der Arbeit des Sozialausschusses zu koordinieren, wird festgelegt, den (die) Vorsitzende(n) des Seniorenbeirates und den (die) Stellvertreter(in) des Seniorenbeirates als stimmberechtigte Bürger in den Sozialausschuß zu berufen. Zu diesem Zweck ist die Zahl der Ausschußmitglieder im Sozialausschuß angemessen zu erhöhen."

Ist ein derartiger Seniorenbeirat zustandege-kommen und stützt er sich in ständigem Beratungsaustausch auf die gewählten Bezirks-Vertrauensleute (die für einen jeweils sehr überschaubaren Gemeindegebietsteil zuständig sind und bei aktiver Wahrnehmung ihrer Aufgabe gleichzeitig die Rolle der Kontaktperson, des Vermittlers und des „Animateurs" übernehmen); hält er (sofern ihm dies auch umgekehrt ermöglicht wird) auf enge Zusammenarbeit mit der Gemeindeverwaltung, sind ihm auch Verwaltungsmitarbeiter als feste Ansprechspartner benannt, sind seine Sprecher im Fachausschuß (meistens: Sozialausschuß) mit Sitz und Stimme vertreten und werden ihm organisatorische Unterstützungen von der Gemeinde auch tatsächlich gewährt (Räumlichkeiten, Schreibhilfen, Finanzhilfen), so mag es manchen überraschen, welcher Aktivierungsprozeß sich daraus zu entwickeln vermag und wieviel zusätzliche Wissensausstattung Rat und Verwaltung dadurch erfahren.

Viele Einzelhinweise zur Arbeit eines Seniorenbeirates ließen sich hier zusätzlich darlegen, würden aber den Rahmen dieser Darstellung sprengen.

Erwähnt werden sollen nur noch einige der wichtigen regelmäßigen Tätigkeiten eines Seniorenbeirates: Durchführung von Sprechstunden in allen Stadtteilen (evtl, in Verbindung mit Verwaltungsmitarbeitern), Durchführung von Veranstaltungen (Vortragsveranstaltungen, Fahrten, gesellige Zusammenkünfte, Sportkurse -Gymnastik -Schwimmen -, Wanderungen, Firmenbesichtigungen, Weiterbildungskurse etc.), Erarbeitung regelmäßiger Hinweise für seniorengerechte Veranstaltungen, Zusammenstellung eines monatlichen Seniorenprogrammes, Gestaltung von „Seniorenseiten" in amtlichen Bekanntmachungs-und Mitteilungsblättern, Betreuung von Senioren-werkstätten usw.).

Warum bisher so außerordentlich wenige Gemeinden von dieser umgekehrt so außerordentlich nützlichen, die wirkliche Nähe zu den älteren Bürgern sichernden Einrichtung Gebrauch gemacht haben, ist schwer verständlich. Sollte diese Verhaltensweise dadurch begründet sein, daß eine Verärgerung der in der Betreuung der älteren Bürger ebenfalls engagierten Verbände befürchtet wird, so ist dies aus den gemachten Erfahrungen unbegründet: Der Seniorenbeirat nimmt die Tätigkeiten dieser Verbände am Ort unter seinem „Dach" mit auf und führt auch den Verbandsangeboten zusätzliche Interessenten zu; er koordiniert und regt weitere Aktivitäten allgemein an; er unterstützt Verbände und hindert sie nicht.

Jugendrat; Jugendparlament

Eine gleiche Einrichtung wie für die Senioren drängt sich bei erster Betrachtung auch für den Bereich der jungen Mitbürger (d. h.der Altersgruppen von ca. 12-18 Jahren) auf. Einzelne (aber wenige) Gemeinden haben in unterschiedlichem Verfahren deshalb auch den Versuch unternommen, ein „Jugendparlament" einzurichten und am Leben zu erhalten. Mir ist allerdings kein Beispiel einer Gemeinde bekannt, in der diese Einrichtung über längere Zeit aufrecht erhalten bleiben konnte.

Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: einerseits verlangt der Sinn einer solchen Einrichtung nach Kontinuität der Arbeit, andererseits herrscht bei den Jugendlichen der betreffenden Jahrgänge eine außerordentlich hohe Fluktuation in der Mitarbeit (zwangsläufig bedingt durch Schulwechsel, Berufsausbildungen, stark wechselnde Interessen usw.).

Die Institution eines „Jugendbeirates" /„Ju-gendparlamentes" erscheint daher nicht als hoffnungsvoller Weg. Es muß nach anderen Möglichkeiten gesucht werden, die Anregungen der jungen Mitbürger institutionell aufzunehmen, um auch „jugendnah" zu arbeiten und die entsprechenden Angebote richtig auszuwählen. Aus den Erfahrungen mehrerer Orte empfiehlt sich, ein Gremium zu bilden, das sich aus Sprechern der Besuchergruppen der Jugendbegegnungsstätten ebenso zusammensetzt wie aus Vertretern des Stadtjugendringes und gegebenenfalls auch aus Sprechern der Besucher-gruppen nichtkommunaler Begegnungsstätten. Das Gremium sollte ergänzt werden durch die Leiter der Jugendbegegnungsstätten (Heime der offenen und der teiloffenen Tür) und durch den für die Jugendarbeit zuständigen Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung (Stadtjugendpfleger, Jugendamtsleiter), über ein solches Gremium kann ein regelmäßiger Meinungsaustausch mit den Jugendlichen (die an der Vereinarbeit und/oder den Angeboten der kommunalen Begegnungsstätten teilnehmen) erreicht und eine sehr konstruktive Zusammenarbeit mit der Verwaltung ermöglicht werden. Es kann durchaus angebracht sein, daß dieses ständige Beratungsgremium einige unmittelbare Verwaltungsbefugnisse übertragen erhält. Das geschilderte Beratungsgremium hindert nicht die in einigen Jugendbegegnungsstätten eingerichteten „Selbstverwaltungsrechte": dort, wo Heimräte o. ä. gebildet worden sind, sind deren Vorsitzende Mitglieder des Beratungsgremiums.

Ausländerrat; Kontaktebenen zu ausländischen Mitbürgern

Viele Gemeinden sind Wohnsitz einer größeren Anzahl ausländischer Mitbürger, für die die jeweilige deutsche Gemeinde die zweite Heimat geworden ist, deren Kinder in die Schulen der Gemeinde oder in die Kindergärten gehen, die die Einkaufsmöglichkeiten in der Gemeinde wahrnehmen, zu den Ärzten der Gemeinde gehen, das Einwohnermeldeamt der Gemeinde benötigen, Ärger mit einem Vermieter haben oder eine Wohnung suchen -alles Lebensumstände wie bei einem Gemeindebürger deutscher Nationalität auch. Bei der Wahl zur Gemeindevertretung, die über viele Einrichtungen des öffentlichen Lebens entscheidet, dürfen diese ausländischen Mitbürger jedoch nicht an die Urne gehen und keiner ihrer Landsleute kann zum Mandats-träger gewählt werden; das deutsche Wahlrecht schließt sie vom Wahlrecht auch in kommunalen Angelegenheiten aus.

Um hier Abhilfe zu schaffen, sind mehrere Gemeinden dazu übergegangen, Ausländerparlamente, Ausländerbeiräte oder sog. Koordinierungskreise für ausländische Mitbürger einzurichten, die die Vorstellungen der am Ort lebenden ausländischen Mitbürger in die Entscheidungen der Gemeinde einbinden sollen. Die Schaffung derartiger Einrichtungen wird von den einzelnen Bundesländern (und von der Bundesregierung selbst) angeregt und teilweise sogar konkret empfohlen.

Für die Ausformung bestehen alternativ drei grundsätzliche Wege. Erster Weg: Einrichtung eines „Ausländerparlamentes/Ausländerrates* über freie, gleiche, geheime und direkte Wahl unter Einbeziehung aller ausländischen Mitbürger (über 18 Jahre) am Ort. -Zweiter Weg:

Einrichtung von „Nationalitätenräten" (d. h.

Vertretungen der im Gemeindegebiet vorhandenen und zahlenmäßig ins Gewicht fallenden Nationilitätengruppen) im Wege der direkten Wahl. Die Sprecher der so gewählten Gremien wenden sich mit ihren Vorstellungen unabhängig voneinander an die Gemeinde, können aber auch einen gemeinsamen Koordinierungskreis bilden, der sich einheitlich an die Gemeinde wendet. -Dritter Weg: Bildung eines Koordinierungskreises für ausländische Mitbürger, der sich sowohl aus Vertretern der am Ort ansässigen ausländischen Mitbürger als auch aus Vertretern der für Anliegen der ausländischen Mitbürger wichtigen Verwaltungsstellen, Verbänden und Institutionen (Arbeitgeberverband, Gewerkschaften, evangelische und katholische Kirche, Rotes Kreuz, Arbeiterwohlfahrt und Caritas, Stadtsportverband, Arbeitsamt, Ordnungsamt, Polizei, Mieterbund, Hauseigentümerverein etc.) zusammensetzt.

Die Vertreter der Ausländergruppen werden (auf Grund ihrer Sprachkenntnisse, auf Grund bisherigen Zusammenwirkens, auf Grund ihrer Rolle innerhalb der Nationalitätengruppe) von der Gemeinde berufen, nicht aus dem Kreise der ausländischen Mitbürger heraus direkt gewählt. Der 1. Weg hat sich offenbar nirgendwo endgültig bewährt, weil die zur Vorbereitung der Einrichtung notwendigen Wahlverfahren, die bei der Durchführung der Vertretungsarbeit zu beobachtenden Sprachschwierigkeiten und Rivalitäten, die Fluktuation unter den gewählten Vertretern und letztlich auch ein mangelndes gemeinsames Interesse für die Breite der behandelten (oder eigentlich zu behandelnden) Angelegenheiten nie eine wirklich wirksame Plattform entstehen ließ. Manchesmal sind die Gemeinden wegen grundsätzlich unterschiedlicher Auffassungen über das Wahlverfahren nicht einmal über die Vorbereitung der Wahl hinausgekommen.

Die Probleme des ersten Weges werden bei Anwendung des zweiten Weges erheblich gemindert: hier entschärfen sich viele hindernde Gegensätze dadurch, daß die Nationalitäten-gruppen unter sich bleiben und dadurch eher gemeinsame Meinungen und Anregungen ausbilden können. Die Nachteile dieses Weges liegen allerdings auf der Hand: auf sich gestellt, entwickeln die einzelnen Nationalitäten natürlich ein viel geringeres gemeinsames Verantwortungsgefühl; die bestehenden, aber durch getrennte Beratungen zunächst ausgeklammerten unterschiedlichen Auffassungen sind weiter in der Welt. Auch dieser Weg bringt keine befriedigende Lösung.

Solange im Gesetzeswege die Einführung des Kommunalwahlrechtes für Ausländer nicht ermöglicht worden ist, muß unter den gegebenen Bedingungen der dritte Weg als der günstigste erscheinen: Hier wird in einem regelmäßig beratenden, von der Gemeinde berufenen Gesprächskreis sehr viel Sachkunde zusammengeführt, alle denkbaren Gesichtspunkte in die Beratung mit einbezogen, eine unmittelbare Kontaktschiene zu den zuständigen Behörden hergestellt (nicht nur zur Kommunalverwaltung) und eine hohe Kontinuität der Arbeit des Gremiums ermöglicht. Eine Verbindung zwischen dem zweiten und dem dritten Weg ist dadurch denkbar, daß die Repräsentanten der Nationalitätengruppen zwar durch Wahl von ihren Landsleuten direkt bestimmt werden, aber bestimmte (von der Gemeinde festzulegende) persönliche Voraussetzungen (wie z. B. gute Sprachkenntnisse, längere Aufenthaltsdauer am Ort etc.) mitbringen müssen.

Die Einrichtung eines Koordinierungskreises ist die z. Z. am häufigsten anzutreffende Form der Beteiligung der ausländischen Mitbürger am kommunalen Geschehen.

Gerade angesichts des Umstandes, daß immer mehr ausländische Mitbürger immer länger Mitbürger in unseren Gemeinden bleiben und -aus verschiedenen Gründen -die deutsche Staatsbürgerschaft nicht beantragen, hat das Erfordernis, unter „bürgernaher''Aufgabenerledigung auch „ausländernahe" kommunale Arbeit zu verstehen, noch stärkeres Gewicht.

Die Gemeinden sollten sich daher bemühen, neben der eben beschriebenen „Einrichtung des Dialoges" auch folgende zwei Maßnahmen zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen:

1. Einrichtung einer Beratungsstelle für ausländische Mitbürger (im Rathaus oder -oftmals noch günstiger -an anderer zentraler Stelle im Ort), in dem Landsleute (Sozialbetreuer sowie/oder von der jeweiligen Gemeinde voll eingestellte oder als Honorarkräfte tätige und geschulte Mitarbeiter) zu Hilfen aller Art (von Übersetzungen über Mithilfe bei Formularbewältigung bis hin zur Absprache und Begleitung von Behördenterminen) zur Verfügung stehen. Bei kleineren und mittleren Gemeinden brauchen solche Beratungsund Kontaktstellen wöchentlich nur stundenweise besetzt zu sein. 2. Einsetzung eines Verwaltungsbeauftragten für ausländische Mitbürger (d. h. eines federführend für die Koordinierung der verschiedensten, damit zusammenhängenden Sachbereiche beauftragten Verwaltungsmitarbeiters), der Anlaufstelle für alle Anregungen und Fragen anderer Behörden, Verbände und der Ausländergruppen selbst zu sein hat und aus diesen Erkenntnissen heraus in die eigene Verwaltung hineinwirken soll.

Der Notwendige Lernprozeß

Die hier beschriebene Suche nach mehr Bürgernähe ist als ein ständiger Lernprozeß zu begreifen, der von der Frage geprägt ist, auf welchem Wege eine möglichst hohe Identität zwischen der kommunalen Selbstverwaltung (den „Regierenden") und ihren Bürgern (den „Regierten"), ein möglichst hohes Maß an gemeinsamen Überzeugungen und Wertvorstellungen, erreicht werden kann.

Bürgernahe Aufgabenerledigung ist -anders als fast alle übrigen Vorhaben, die im kommunalen Bereich anzupacken sind -in ihrer Erfolgsmessung schwer zu bilanzieren. Sie kann zu keinem Zeitpunkt -wie dies bei anderen Vorhaben üblich ist -als „durchgeführt" abgehakt werden: sie verlangt vielmehr nach täglich neuer Erfüllung.

Bürgernahe Aufgabenerledigung fordert die ständige Weiterentwicklung der Mittel und Formen, mit denen der Dialog und die Zusammenarbeit mit den Bürgern am zweckmäßigsten und sinnvollsten geführt und noch zusätzlich belebt werden kann.

Bürgernahe Aufgabenerledigung erfolgt aus der Einsicht, daß wir angesichts der zahlreichen ungelösten Probleme die Lösung nicht nur von denen erwarten können, die im Bund, in den Ländern und Gemeinden als Mandats-träger oder als Verwaltung offizielle Verantwortung inne haben. Im schnellen Fluß der Entwicklung lassen sich die immer neu auf uns zukommenden Aufgaben nur vollbringen, wenn es gelingt, mehr Bürger am Gemeinwesen zu interessieren, in ihnen Verantwortungsgefühl zu erwecken und sie an der Bewältigung der Probleme zu beteiligen. Bürgernahe Aufgabenerledigung kann ihrem Sinn nach niemals aus einem einzigen Akt bestehen, sondern erfordert permanente Öffnung der kommunalen Entscheidungsträger zu den Bürgern und eröffnet erst dadurch die Gelegenheit zu einem wechselseitigen Lernund Beeinflussungsprozeß

Bürgernahe Aufgabenerledigung muß aber auch die Sicherheit und ständige Obhut darüber einschließen, daß alle Wege der Beteiligung des Bürgers nicht das Prinzip der repräsentativen Demokratie schwächen dürfen. Die Gemeinden müssen vielmehr Beteiligungsmechanismen wählen, die langfristig der modernen Gesellschaftsstruktur angepaßt sind, ohne solche Gefahren auszulösen. Bürgernähe Aufgabenerledigung rechtfertigt erst das Bestehen der kommunalen Selbstverwaltung: wo Mitgestaltungsbereitschaft der Bürger und Mitgestaltungsmöglichkeiten gänzlich fehlen würden, müßte man konsequenterweise im Interesse einer klaren Gliederung der öffentlichen Verwaltung die kommunale Verwaltung in die staatliche Verwaltung eingliedern -ohne Beteiligung der Bürger wäre eine Selbstverwaltung (selbst, wenn sie formal noch bestünde) nur eine leere Fassade „Mehr Bürgernähe!" darf daher nicht bloß ein Aufruf in den kommunalpolitischen Grundsatzprogrammen der Parteien bleiben, sondern muß ein aus tiefer Überzeugung formulierter (und vorgelebter!) Leitsatz aller derjenigen sein, die in den Kommunen die Verantwortung tragen. Die Frage: „Ist eine kommunale Selbstverwaltung unabdingbar auf die Beteiligung der Bürger angewiesen oder ist das Fachpersonal der kommunalen Verwaltungsbehörden nicht auch ohne diese zu einer hinreichenden effektiven und sachgerechten Verwaltung der Kommunen fähig?" sollte dann keine Frage mehr sein!

Fussnoten

Fußnoten

  1. Kottenberg-Rehn, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (9. Auflage), S. 53.

  2. Pr. OVG v. 25. 2. 1885 (Pr. OVG Bd. 12, Seite 158), zitiert kei Kottenberg-Rehn, S. 56.

  3. Hüttenhein, Bürgerschaftliche Mitarbeit in der gemeindlichen Selbstverwaltung, in: Bürgerverantwortung in der Gemeinde, S. 118.

  4. Klose, Demokratisches Engagement muß sachlich fundiert sein (Vortrag), in: Mitteilungen der staatlichen Pressestelle Hamburg vom 31. 3. 1977, S 4/5.

  5. Kühne/Meissner, Züge unmittelbarer Demokratie in der Gemeindeverfassung, S. 131.

  6. Kühne/Meissner, a. a. O., S. 134.

  7. Leclaire, Probleme der kleinen Gemeinde, in: Aspekte und Probleme der Kommunalpolitik, S. 276.

  8. Beschluß des Rates der Stadt Altena (Westf.).

  9. Naumann, Formen und Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung am gemeindlichen Entscheidungsprozeß, jn: Aspekte und Probleme der Kommunalpolitik, S. 236.

  10. Ziegler, Bürgerbeteiligung in der kommunalen Selbstverwaltung, in: Schriften zur öffentlichen Verwaltung (Bd. 6), S. 65.

  11. Ziegler, a. a. O., S. 64.

Weitere Inhalte

Jürgen Gramke , Dr. jur., geb. am 12. 10. 1939, Stadtdirektor der Stadt Altena (Westf.). Wahrnehmung verschiedener überörtlicher und überregionaler Tätigkeiten, u. a. Bezirksvorsitzender des Städteund Gemeindebundes im Regierungsbezirk Arnsberg; Präsidiumsmitglied des Städte-und Gemeindebundes; beratendes Mitglied der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung (als Vertreter der kommunalen Spitzenverbände). Veröffentlichungen: Raumordnung in Deutschland, Düsseldorf 1972; Kultur nicht nur „Nebensache", in: Städteund Gemeinderat 11/1977; Praktizierte Bürgernähe, Köln 1978 (erscheint im Mai/Juni im Deutschen Gemeindeverlag als Band 31 der Schriftenreihe „Fortschrittliche Kommunalverwaltung").