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Rechtspflege als Lebenshilfe am Beispiel der Rechtsberatung für Sozialschwache | APuZ 10/1978 | bpb.de

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APuZ 10/1978 Die neue Soziale Frage Betriebliche Vermögensbeteiligung in der Diskussion Rechtspflege als Lebenshilfe am Beispiel der Rechtsberatung für Sozialschwache

Rechtspflege als Lebenshilfe am Beispiel der Rechtsberatung für Sozialschwache

Theo Rasehorn

/ 21 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Als Folge des verlangsamten Wirtschaftswachstums und der Arbeitslosigkeit ist eine neue „Armutsdiskussion" in der Bundesrepublik Deutschland entstanden, in die auch das Thema Rechtspflege einbezogen werden muß. Die aktuelle Fragestellung lautet: Wie sind die etwa 15 bis 20 Prozent der Sozialschwachen", die neben unserem Rechtswesen einher leben, als Rechtsbürger zu integrieren? Dabei sind die Vorstellungen abzubauen, es handle sich lediglich um eine sozio-ökonomische Frage, als seien also „arme Leute" „reiche Leute" — nur ohne Geld. Für die Integrierung der , Sozialschwadien'als Rechtsbürger bietet sich am ehesten der Weg über eine außergerichtliche Rechtsberatung an. Hier sind zwar in den letzten Jahren nicht unerhebliche Aktivitäten durch Rechtspolitiker entfaltet worden, aber leider wurde allzuoft überhastet, unkritisch und ohne Verwertung der reichen ausländischen Erfahrungen vorgegangen. Das Interesse der Ratsuchenden ging oft in dem ideologischen Streit zwischen „Behördenlösung" und „Anwaltslösung" unter. Deshalb ist die negative Bilanz im Hinblick auf die Tätigkeit der neu eingerichteten Beratungsmodelle verständlich. Es wird in Zukunft darauf ankommen, unter Berücksichtigung der sozio-kulturellen Situation der . Sozialschwachen'nach ausländischen Erfahrungen öffentliche Beratungsmodelle möglichst im Zusammenhang mit der Sozialberatung der freien Wohlfahrtsverbände einzurichten, in denen Rechtsanwälte als Berater tätig werden. Zwei Beratungsmodelle dieser Art arbeiten schon seit Jahren erfolgreich.

Wir stehen in einer neuen Armutsdiskussion. Hierfür ist der Anstoß nicht von , links', sondern — und gerade das gibt Hoffnungen — von . rechts'gekommen, durch Dokumenten-material, das der frühere Sozialminister von Rheinland-Pfalz und jetzige CDU-Generalsekretär Geißler zur „neuen sozialen Frage" vorgelegt hat An dieser Stelle soll nicht daran gemäkelt werden, daß diese neue soziale Frage gar nicht so neu ist, daß es das Problem der sozialen Randschichten oder Unterprivilegierten schon immer gegeben hat, auch zur Hochblüte des Wirtschaftswunders in der Adenauer-Ära Stärker als sonst wird aber in dieser Dokumentation auf die Dichotomie von Mächtigen und Ohnmächtigen verwiesen, wobei unter Mächtigen auch die „Organisierten" eingeordnet werden, also auch die Mitglieder von Gewerkschaften. Das ist sicher bedenklich; aber der Grundansatz ist richtig: Das Problem der Armut in der Bundesrepublik ist in erster Linie kein ökonomisches mehr — der Sozialhilfeempfänger hat ein höheres Einkommen als ein indischer Facharbeiter —, sondern ein kulturelles; es geht darum, daß die „Nichtorganisierten" mit ihrem harten Kem der sozialen Randschichten — etwa 15 Prozent der Bevölkerung — in unsere demokratische Gesellschaft integriert werden, daß sie also ihre Verantwortung als Staatsbürger übernehmen und ihre Rechte wahmeh-men können. Das ist nicht zuletzt eine Aufgabe jener Institution, die gerade über die Einhaltung der Grund-und Menschenrechte zu wachen hat, also der Rechtspflege.

Die soziale Frage in der Rechtspflege Die Schwierigkeiten liegen hier gerade darin, daß die Rechtspflege stärker als andere Institutionen, z. B. das Erziehungswesen, die Armut lediglich als ein ökonomisches Problem sieht. Sie stellt sich auf „Minderbemittelte", nicht aber auf „Sozialschwache" ein Dem ist ein Wort der englischen Rechtssoziologin Pauline Morris entgegenzuhalten, wonach „arme Leute" nicht „reiche Leute" ohne Geld seien Damit wird hingewiesen auf die anderen Verhaltensmuster der Grundschicht gegenüber der herrschenden Mittelschicht, die sich besonders in der Einstellung zur Arbeitswelt, zum Konsum und Lebensgenuß wie auch in der Kommunikation ergeben; Unterschiede, die dazu führen, das die Grundschicht die Gesellschaft in der Dichotomie von „denen da oben” und „wir hier unten" erleben und damit auch aus der Angst „vor denen da oben“ — eine Angst, die natürlich bei den Sozial-schwachen besonders stark ausgeprägt ist.

Diese Menschen sind ja nicht , sozialschwach', weil sie minderbemittelt sind, sondern es ist umgekehrt: sie sind minderbemittelt, weil sie . sozialschwach'sind. Sie kommen zumeist aus nicht intakten oder nicht vollständigen Familien, haben eine Sonderschule besucht oder — wie etwa 30 Prozent aller Hauptschüler — nicht den Schulabschluß erreicht. Sie können sich also kaum mündlich, geschweige denn schriftlich artikulieren, sind damit unbe-holfen im Erwerbs-und Wirtschaftsleben, unbeholfen vor allem im Umgang mit Behörden und Gerichten. Das Gerichtsverfahren mit seinen strengen Formalitäten, mit der Betonung kognitiven Erkennens und der Verständigung über die mehr begriffliche Sprache der Mittel-schicht — ja die sogar noch abstraktere der juristischen Fachsprache — wird als besonders fremd empfunden und deshalb gemieden.

Diese „Schwellenangst" vor dem Gericht führt also dazu, daß dort Sozialschwache nicht ihr Recht suchen — es sei denn bei lebenswichtigen Prozessen (Ehescheidung, schwere Unfallschäden) —, sie aber wohl als Angeklagter mit den Gerichtsinstitutionen in Berührung kommen. 95 Prozent der zu Gefängnisstrafen Verurteilten gehören zur Grundschicht; Ralf Dahrendorf prägte das Wort, bei uns sitze eine Schicht über die andere zu Gericht Die Schwellenangst vor dem Gericht kann auch mit der kommenden Reformgesetzgebung beim Armen-und Kostenrecht nicht beseitigt werden. Auch wenn — dem schwedischen Beispiel folgend — danach über 80 Prozent der Bevölkerung unter die Freigrenze für die Prozeßkosten fallen, wird aller Wahrscheinlichkeit nach nur die Prozeßführung derjenigen erleichtert, die schon bislang die Gerichte angerufen haben. Es fragt sich daher, ob der bei einer Reform erforderliche Mehrbedarf öffentlicher Mittel beim Justizetat nicht zweckentsprechender zugunsten der . Sozialschwachen'eingesetzt werden kann. Das würde also bedeuten, diese nicht so sehr für einen Rechtsstreit zu rüsten, sondern ihnen die Möglichkeiten zu geben, sich mehr im Wege der allgemeinen Lebenshilfe des Rechts zu bedienen.

Das Verhältnis von Rechtspflege und Lebenshilfe wird noch durch den Umstand erschwert, daß es zur deutschen Tradition gehört, das Recht aus dem Konflikt, dem Prozeß, heraus zu verstehen und nicht als Mittel zur Abwehr eines Konflikts, aus der Beratung heraus, wie dies für die westlichen Länder typisch ist. Vom Richter her, vom Herrn des Prozesses, wird der Rechtsanwalt legitimiert — als „Organ der Rechtspflege" nach § 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung —; so umgeben auch die Anwaltskanzleien wie ein Kranz die Gerichtsgebäude so wird dann auch die Rechtsberatung für . Sozialschwache'als „außergerichtliches Armenrecht" bezeichnet In den westlichen Ländern hingegen ist nicht der Richter, sondern der Rechtsanwalt die maßgebende Bezugsperson für das Rechtswesen. 76 Prozent der Juristen in den USA sind Anwälte Aus ihren Reihen kommen die Richter, durch Wahl oder durch Ernennung. Die Kanzleien der amerikanischen Anwälte befinden sich dort, wo auch die Klienten sind, also in den Geschäftsvierteln.

Da sie hier natürlich auch nicht die einfache Bevölkerung erreichen, ergab sich für die großen Anwaltsfirmen die Notwendigkeit, dorthin zu gehen, wo die . Sozialschwachen'wohnen. Nach dem Kriege wurden einfache Büros — „Rechtsberatungsläden" — in Vierteln mit . sozialschwacher'Bevölkerung eröffnet, während einmal mehr die Anfänge dieser Rechtsberatung in Deutschland auf die Gerichte ausgerichtet waren: hier richteten einige örtlichen Anwaltsvereine Beratungsstellen für Minderbemittelte ein.

Bei ihrer zumeist unentgeltlich gegebenen Beratung handelten die amerikanischen Anwälte allerdings auch nicht ganz selbstlos, wohl aber politisch: gerade die politische Beteiligung als Bürger gehört zur „außerberuflichen Rolle des Anwalts" Die Beratung . Sozial-schwacher'wird als politische Aufgabe verstanden, für die sich Anwälte engagieren, die für ein Wahlamt kandidieren wollen. Oft wird sie auch einem jungen Anwalt aus den großen Anwaltsfirmen als Bewährungsaufgabe zugewiesen, um in diesem . Milieu'Erfahrungen zu sammeln. Das amerikanische Gebührenrecht gibt die Möglichkeit, Prozesse mit einer Erfolgsgarantie zu führen; wird der Prozeß also verloren, braucht der Mandant nichts zu zahlen. Ausländische Rechtsberatungsmodelle

Das geschilderte amerikanische Rechtsberatungsmodell ist lediglich als Beispiel für die dort vorhandene Einstellung von Rechtsanwälten zur sozialen Frage gebracht worden. Es ist dort nicht das einzige Beratungsmodell für Minderbemittelte, sondern nur eines von zehn Das wichtigste ist das von der Johnson-Regierung 1966 initiierte Modell der Neighbourhood Law Offices (Nachbarschaftsrechtshilfebüros): Es handelt sich um „öffentliche Beratungsstellen" mit gemeinnützigen Trägern, zu denen auch die Anwaltschaft gehört. Die Büros liegen in Wohnvierteln mit . sozialschwacher'Bevölkerung. Die Voraussetzung eines kurzen Weges für die Annahme der Vertretung Rechtssuchender aus dieser Schicht ist gewahrt. Damit besteht auch keine Konkurrenz zu den freien Rechtsanwälten, die in „besseren" Wohngegenden praktizieren.

Das amerikanische Modell kann seinem Charakter nach als ein Beratungssystem mit gesellschaftspolitischem Schwerpunkt bezeichnet werden. Das gilt auch für die seit 1972 in England entstandenen Rechtscenter oder die seit 1970 in den Niederlanden entstandenen Rechtsbüros. Als Bürgerberatung ist vor allem das schwedische System zu qualifizieren, die Rättshälp, in der zumeist Rechtsanwälte in fünf Kommissionen — aber natürlich im öffentlichen Auftrag — tätig sind. Etwas ähnliches gibt es in England, wo ein Netz von 600 Beratungsstellen besteht, in dem auch Laien arbeiten. Gemischte Systeme sind in den ländlich strukturierten Staaten Dänemark und Norwegen vorhanden, so eine öffentliche Beratungsstelle in den Hauptstädten Kopenhagen und Oslo und auf dem Lande Rechtsanwälte, die in ihren Praxen im öffentlichen Auftrag beraten.

An dieser Stelle kann nur ein kurzer Über-blick mit der Verweisung auf ausführliche Arbeiten, u. a. auch solcher des Verfassers, an anderer Stelle gegeben werden Wich-tig ist vor allem der Hinweis auf die inzwischen gewonnenen, im wesentlichen gleichen Erfahrungen und Ergebnisse bei der Rechtsberatung in sechs Ländern, sowohl mit unterschiedlichen Rechtssystemen als auch unterschiedlichen sozialen Strukturen: mit vorwiegend städtischer Bevölkerung in England und den USA, mit vorwiegend ländlicher in Dänemark und Norwegen und „gemischter" in Schweden und den Niederlanden. Allen gemeinsam ist, daß die Rechtsberatung für Minderbemittelte vor ihrem sozio-kulturellen Hintergrund gesehen wird, mit Beratungszentren in „Armenvierteln" unter Berücksichtigung der Schwellenangst vor dem Gericht und dem Rechtsanwaltsbüro, mit einem öffentlichen Träger unter Mitwirkung auch von Sozialarbeitern.

In allen Berichten wird betont, daß kaum Konkurrenz zwischen den Rechtsberatungsstellen und den frei praktizierenden Rechtsanwälten besteht. Die letzteren müssen von ihrer Tätigkeit leben und sind so auf eine spezifische Art von Rechtsproblemen bzw. ihre Bearbeitung ebenso wie auf einen bestimmten Kreis von Rechtsuchenden angewiesen, nämlich auf solche, denen ein für den Lebensunterhalt des Anwalts erforderliches Honorar zugemutet werden kann. Die verbleibenden Rechtsprobleme, die hinsichtlich des materiellen Streitwertes meist geringere Objekte betreffen, die gleichwohl einen nicht unerheblichen Arbeitsaufwand erfordern — also die Probleme „kleiner Leute" —, können von freien Anwälten nicht . kostendeckend'behandelt werden. Dafür bieten sich also die Beratungsstellen an.

Auch können sich die an den privaten individuellen Interessen ihrer Klienten orientierten Rechtsanwälte schwerlich mit jenem gesellschaftlichen Engagement einsetzen, das die Arbeit ihrer Kollegen in den Rechtscentren in England, den Rechtsbüros in Holland und den Nachbarschaftshilfebüros in den USA bestimmt. In dem englischen Bericht für die Rechtsberatungstagung heißt es, die Berater kümmerten sich besonders um jene Probleme, die benachteiligten Gruppen Vorteile brächten und zugleich ihre Selbsthilfe förderten. Die Verfechter der amerikanischen Büros halten den Gerichtsprozeß für ein Mittel zur realen Änderung der Gesellschaftsstruktur und damit auch den Anwalt für einen Fürsprecher der Sozialschwachen im Hinblick auf die Umverteilung von Einkommen und die Gewährung von Chancengleichheit. Dies führt nicht selten, wie das auch in der holländischen Untersuchung betont wird, zu Konflikten mit staatlichen Institutionen. Auf diesem Gebiet sind in der Bundesrepublik vorerst nur Bürgerinitiativen tätig. Was das gesellschaftliche Engagement bei der Rechtsberatung in der Praxis bedeuten kann, zeigen einige amerikanische Ergebnisse: Während bislang von freien Anwälten in einer Armenrechtssache noch nie der Supreme Court angerufen wurde, haben die Rechtsfürsorgebüroanwälte in siebenjähriger Tätigkeit 219 Fälle vor den Supreme Court gebracht. 136 Fälle wurden zur Entscheidung angenommen, von denen in 73 Fällen zugunsten der „Sozialschwachen’ entschieden wurde.

Kritik an den neuen deutschen Beratungsmodellen

Die ausländischen Modelle und Untersuchungen haben leider bislang bei der Entwicklung der außergerichtlichen Rechtsberatung in der Bundesrepublik wenig Beachtung gefunden Noch vor fünf Jahren wurde ein einschlägiges Bedürfnis abgestritten; jederzeit und überall sei doch ein Rechtsanwalt zu erreichen. Man konnte ferner darauf verweisen, daß nach § 8 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz Rechtsrat in sozialen Angelegenheiten von freien Wohlfahrtsverbänden erteilt werden konnte. Andere Verbände haben auf ihrem Interessengebiet gern. § 7 Rechtsberatungsgesetz Erlaubnis zur Mitgliederberatung. Das gilt für Gewerkschaften wie für Mieter-und Haus-und Grundbesitzervereine oder für den Reichsbund für Kriegs-und Zivildienstgeschädigte. Selbst die Verbraucherzentralen betrieben in gewissem Umfang — nicht unumstritten — im Rahmen der Aufklärung über Mängelrügen Rechtsberatung. Der Vollständigkeit halber ist noch anzuführen, daß auch Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit Rechtsrat erteilen, so Finanz-, Sozial-und Bauämter.

Wenn gleichwohl in den letzten drei Jahren in der Öffentlichkeit der Eindruck entstand, daß die bisherigen Rechtsberatungsmöglichkeiten für Sozialschwache nicht ausreichend seien, so hängt dies sicher mit der Neuen Sozialen Frage zusammen, teilweise initiiert durch die studentische Protestbewegung, wobei später die neue Arbeiterforschung und in der Rechtspflege die neue Rechtssoziologie und Justizkritik mitwirkten Als äußerer Anlaß für die neue „Rechtsberatungsbewegung“ diente die 50-Jahrfeier der Öffentlichen Rechtsauskunftund Vergleichsstelle Hamburg im Jahr 1973. Der Jubiläumsdokumentenband fand reißenden Absatz — und alsbald „schossen Rechtsberatungsstellen förmlich aus dem Boden", so in Bayern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Niedersachsen und Bremen, wobei nur Bremen an der Tradition der öffentlichen Rechtsberatung in Hamburg, Berlin und Lübeck anschloß, während man sich in den anderen Ländern für modifizierte Anwaltslösungen entschied

Mit Scherl, der eine erste und sogleich umfassende sozialwissenschaftliche Untersuchung des Rechtsberatungsproblems geliefert hat, ist zu befürchten, daß die geringe Inanspruchnahme bei den überwiegend unzweckmäßig angelegten und unzulänglich bekanntgemachten Modellversuchen die Politiker zu dem Fehlschluß verleiten werden, daß bei den , So-zialschwachen’ fast kein Bedarf nach außer-gerichtlicher Rechtshilfe besteht — ein Schluß, den wir schon bei Röper finden, der — die Untersuchungen zur Situation der Sozialschwachen ignorierend — gegen eine „Sozialromantik" Stellung nimmt Die überraschende Aktivität der Politiker auf dem Gebiet der Rechtsberatung geht wohl auf die politische . Optik'zurück: Unter Einsatz geringer Finanzierungsmittel läßt sich hier relativ leicht ein fortschrittliches soziales Image in der Öffentlichkeit gewinnen. So ist man auch durch die geringe Inanspruchnahme der Stellen durchaus nicht beunruhigt, sondern hält das Unternehmen für erfolgversprechend.

Die Rechtsberatung für Sozialschwache droht jetzt zu einem Steckenpferd für Organisationsbürokraten zu werden schlimmer noch: Mittelpunkt zum eines ideologischen Streits. So betont Baumgärtel, das Anliegen seiner Untersuchung ziele dahin, Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, die „der Tendenz zum Fürsorgestaat hin entgegenwirken"; die Schwellenangst der , Sozialschwachen'vor Gericht und Rechtsanwaltsbüro sei lediglich . Kostenangst Mehr als über die Situation des . Sozialschwachen'wird über die Rolle des Rechtsanwalts debattiert und die Rechts-beratung ganz auf diese zugeschnitten. Auch für den . Sozialschwachen'seien die besseren Haftungsmöglichkeiten bei fehlerhaften Auskünften seitens des freien Anwalts gegenüber der öffentlichen Rechtsberatung günstiger, ebenso wie die „parteiische" Rechtsberatung gegenüber einer nur objektiven, betreuenden und auch ein Anwalt seiner Wahl, was Scherl mit Recht als „Qual der Wahl" bezeichnet Für die betroffenen Menschen, den , sozial-schwachen'Rechtssuchenden, sind diese Maxime aus dem Standesrecht der Rechtsanwälte völlig irrelevant. Zu hoffen ist, daß die Anwaltschaft in den Problemen und Modellen der Rechtsberatung für . Sozialschwache'nicht Gefahren für die freie Advokatur sieht, sondern — und dafür tritt der bekannte Rechtsanwalt Redeker ein — eine Chance für ein gesellschaftsnahes Bild des Rechtsanwalts.

Die politische Diskussion über die Rechtsberatung in der Bundesrepublik hat sich also auf die Gegenüberstellung der beiden Alternativen: „Behördenlösung" oder „Anwaltslösung" zugespitzt Bei der Behördenlösung, zu der sich die sozialdemokratisch regierten Länder Hamburg, Berlin und Bremen entschlossen haben, befindet sich die Beratungsstelle zumeist beim Sozialamt. Hier beraten Juristen teils haupt-, teils ehrenamtlich; zu einem geringen Teil sind hier auch Rechtsanwälte tätig. Dies beurteilen von der CDU regierte Bundesländer in Übereinstimmung mit den Anwaltskammern als zu „wohlfahrtsstaatlich" und im Widerspruch zur freien Advokatur stehend; sie neigen deshalb zur Anwalts-lösung, d. h., der Anwalt berät grundsätzlich in seiner Praxis, die die Ratsuchenden mit einem Berechtigungsschein aufsuchen können; mancherorts berät auch ein „Anwalt vom Dienst", also im ständigen Wechsel im Ge-richt (vgl. Bayern, Rheinland-Pfalz, Saarland). Die Scheidung bei den Parteien ist indes nicht eindeutig. Zuweilen siegt der Berufsstand des Justizministers über das Interesse der Basis an einem öffentlichen Rechtsberatungsmodell. So ist es in dem seinerzeit sozialdemokratisch regierten Niedersachsen zu einer Anwaltslösung gekommen, die auch der Justizminister von Nordrhein-Westfalen — bislang allerdings vergeblich — durchzusetzen versucht

Die Befürworter der Anwaltslösung berufen sich auch auf das schnellere, zügigere Arbeiten des freiberuflichen Anwalts gegenüber der umständlichen Behördenbürokratie. Das trifft jedoch zumeist nicht zu. So kommt die Hamburger ÖRA fast ohne Akten aus; die Korrespondenz muß der Ratsuchende aufbewahren. Die Kargheit des Aktenmaterials bringt auch diejenigen in Verlegenheit, die Material für die sozial-wissenschaftliche Forschung erhoffen. Auf der anderen Seite erfordert die staatliche Honorierung von Rechtsanwälten erheblichen bürokratischen Aufwand. Hiernach ergeben sich für den Ratsuchenden folgende Wege: 1. Anfrage bei der Anlaufstelle beim Amtsgericht; Auflage, mit einer Verdienstbescheinigung wieder vorzusprechen; 2. Besorgung der Bescheinigung beim Betriebslohnbüro; 3. Abholung des Beratungsgutscheins bei der Auflaufstelle; 4. Aufsuchen eines Anwaltsbüros zur Absprache des Beratungstermins; 5. Beratung durch den Rechtsanwalt.

An einer dieser Hürden wird gerade einem Ratsuchenden aus der Unterschicht den Mut verlassen. Zu bedenken ist weiter, daß diesen Menschen das Ausfüllen auch einfachster Formulare größte Schwierigkeiten bereitet. Die ausländischen Teilnehmer an der Rechtsberatungstagung im Oktober 1975 in Bielefeld sahen in den Formularen nach dem bayerischen Beratungsmodell einen Beweis für deutsche bürokratische Gründlichkeit, aber auch eine schwer zu übersteigende Hürde im Kontakt mit Sozialschwachen.

Für diese ist auch das von Röper und Teilen der CDU vertretene Modell einer Rechtsschutzversicherung — als modifiziertes Anwaltsmodell — zu kompliziert. Hier muß noch eine weitere Stelle, das Büro der Rechtsschutzversicherung, ausgesucht werden. Wie gerade Scherl ausführlich darlegt, läßt sich keine Parallele von einer öffentlich-rechtlichen Pflichtrechtsschutzversicherung zur Sozialversicherung für Krankheitsfälle ziehen Hier wird auch die Mittelschicht weitaus mehr als die Unterschicht profitieren. Zwar kann dies, wie Röper darlegt, durch eine staatliche Gruppenrechtsschutzversicherung zugunsten Minderbemittelter ausgeschlossen werden. Danach schließt das Sozialamt der Stadt mit einer Privatversicherung einen Vertrag zugunsten solcher Minderbemittelter, bei denen die Voraussetzungen des § 79 Bundessozialhilfegesetz vorliegen, und stellt Berechtigungsscheine aus. Dieses Verfahren kann natürlich nur dann sachdienlich erscheinen, wenn hiermit auch das Armenrecht für die Prozeßführung abgedeckt wird. Dafür muß aber die Justiz des Landes aufkommen. Die Verrechnungen werden also sehr kompliziert sein. Zudem taucht gerade für größere Städte, bei denen die Versicherungsfrage vor allem akut werden könnte, die Frage auf, weshalb die Gemeinde das Risiko nicht selbst abdeckt, wie dies auch im Bereich der Amtshaftung geschieht, wo — im Gegensatz zu kleinen Gemeinden — keine Versicherungsverträge abgeschlossen werden

Derartige Modelle werden also eher geeignet sein, die Schwellenangst der Unterschicht vor den Rechtspflegeinstitutionen noch zu vergrößern. Es ist auch nichts von dem Argument zu halten, Beratungsmodelle dürften nicht ausdrücklich auf den Kreis der . Sozialschwachen'abgestellt sein — also, wie Scherl errechnet hat, auf etwa 15 Prozent der Bevölkerung —, sie würden sonst von ihnen als „Armeninstitution" abqualifiziert. Diese Vorstellung von den „verschämten Armen" gilt sicher für in Armut geratene Angehörige der Mittelschicht, aber nicht für die hier vorgesehene Zielgruppe. Diese fürchtet eher die Konkurrenz der Mittelschicht, die ja gerade — wie die bisherigen Erfahrungen insbesondere aus Bremen zeigen — überproportional derartige Beratungsstellen aufsuchen. Es kann eben nicht darauf ankommen, dem . Sozial-schwachen'die gleichen Chancen wie dem Durchschnitt zu gewähren, sondern ihm muß kompensatorisch geholfen werden. Scherl hat den . sozialschwachen’ Rechtssuchenden mit einem minderbemittelten Gehbehinderten verglichen: diesem gebe man offensichtlich noch nicht die gleichen Chancen, wenn man ihm ebenso gutes Schuhwerk wie einem nicht behinderten Bemittelten zur Verfügung stelle, sondern der Gehbehinderte brauche orthopädische Schuhe und evtl. Krücken — und die wiederum — so möchte ich das Beispiel weiterführen — kann er nicht in einem normalen Schuhgeschäft erwerben.

Wenn man also selbst bei einer öffentlichen Beratungsstelle wie in Bremen die Grenze für die kostenlose Beratung so hoch setzt, daß etwa 40 Prozent der Bevölkerung erfaßt werden — nämlich auf 1 200 DM netto bei der Einzelperson nach dem Stande von 1975 (mit Ungereimtheiten für die Gruppe der Rentner) —, so kann dies nur ähnlich wie beim gerichtlichen Armenrecht zur Präferenz für die untere Mittelschicht führen. Denn nach den ersten Ergebnissen waren von den 218 Beratenen 115 Angestellte und Beamte, 3 Selbständige, 22 Schüler und Studenten, 20 Hausfrauen, 35 Rentner, 3 Arbeiter und 3 Erwerbslose. Hiervon werden wohl nur 10 Prozent zur Zielgruppe der . Sozialschwachen'gehören — ein Anteil, der bei mehr Werbung ansteigen dürfte, aber wohl kaum über 20 Prozent

Erst recht ist darum ein Null-Tarif für die Rechtsberatung für jedermann abzulehnen, abgesehen davon, daß dies zu einem schweren Eingriff in die Rechte der Anwälte führen würde und deshalb weder verfassungsrechtlich noch politisch durchsetzbar wäre. Natürlich sieht es etwas anders aus, wenn jedermann nur ein Recht auf Auskunft zugesichert wird; die OTV schlägt eine „Anlaufstelle" beim Amtsgericht vor. Diese „Erste Hilfe” läßt sich als Information über den vom Rechtssuchenden einzuschlagenden Weg für Beratung und Prozeßführung durchaus von der Rechtsberatung abgrenzen; letztlich wird eine ausdrückliche Regelung aber eher zu juristisch-bürokratischen Schwierigkeiten führen und außer der — auf dem Gebiet der Rechtsberatung leider häufigen — . Optikpflege'sachlich nichts bringen. Ohnehin gehört die Erteilung derartiger Informationen zur Fürsorgepflicht jeder Behörde für den Staatsbürger — und danach wird bislang auch gehandelt.

Neue Lösungsversuche für die Rechtsberatung von Sozialschwachen

Wenn nur die Wahl zwischen Behörden-und Anwaltslösung bestehen sollte, ist sicher anzunehmen, daß die Zielgruppe der etwa 15 Prozent . Sozialschwachen'eher den Zugang zu einer beim Sozialamt eingerichteten Beratungsstelle — nach dem Hamburger ORA-Modell — als in die nach dem Geschmack der Mittelschicht eingerichtete Anwaltspraxis finden wird, zumal eine Beziehung über die Beantragung von Sozialhilfe, Wohngeld und ggf. Sozialversicherungsauskünfte besteht. Dabei ist allerdings das Kostenargument, wie Scherl ausführlich untersucht hat letztlich nicht ausschlaggebend.

Es fragt sich jedoch, ob es nur diese Alternativen gibt; zudem macht es beklommen, den Rechtsanwalt bei dieser Beratung mehr oder weniger ausgeschaltet zu sehen, wie dies bislang weitgehend bei der öffentlichen Rechts-beratung in der Bundesrepublik der Fall ist. Hier ist einmal mehr an die ausländischen Erfahrungen mit der Rechtsberatung . Sozial-schwacher'zu erinnern, bei der gerade der Rechtsanwalt — im Rahmen der öffentlichen Rechtsberatung — eine Schlüsselstellung besitzt. Er besitzt eindeutig die besten Beratungsqualifikationen: — er hat von Berufs wegen die beste Beratungserfahrung; — er kann am unbefangensten auftreten; — er kann den Beratenen in den wenigen Fällen, in denen es zum Prozeß kommt, zugleich vertreten

Es wird also auch bei uns darauf ankommen, den Rechtsanwalt in die öffentliche Rechtsberatung zu integrieren, in ihm also im wesentlichen den Berater zu erblicken. Dafür eignet sich natürlich eine Behördenlösung schlecht. Nun sind wir in der Bundesrepublik in der glücklichen Situation, daß hier — anders als in den westlichen Ländern — Mischformen halb öffentlich-rechtlicher und halb privatrechtlicher Natur für Sozialleistungen bestehen, nämlich die Verbände der freien Wohlfahrtspflege: Caritas, Diakonisches Hilfswerk, Deutsches Rotes Kreuz, Arbeiterwohlfahrt, Paritätischer Wohlfahrtsverband, um die größten zu nennen, denen nach § 93 Bundessozialhilfegesetz öffentliche Aufgaben übertragen sind. Diese sind also ohnehin auf die Zielgruppe der . Sozial-schwachen'ausgerichtet, und das erstreckt sich gerade auch auf eine Beratung in sozialen Angelegenheiten (§ 8 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz). Wie dem Verfasser aus seiner Tätigkeit bei der Arbeiterwohlfahrt bekannt ist, kommt es bei dieser Sozialberatung immer wieder zu Grenzüberschreitungen; häufig wird hier Rat in Mietangelegenheiten, Ratenzahlungsgeschäften und Familien-, insbesondere Ehescheidungsangelegenheiten erbeten. Eine soziale Notlage geht mit einer rechtlichen einher, zumal diese ungewandten und in ihrer Auffassungsgabe wenig ausgebildeten Personen zwischen Sozial-und Rechtsberatung oft nicht unterscheiden können. Es ehrt die Rechtsanwälte, wenn bei ihnen entgegen den Argumenten von Baumgärtel und Röper inzwischen ein Lernprozeß in der Weise stattgefunden hat, daß nunmehr der Vorsitzende des zuständigen Ausschusses des Deutschen Anwaltsvereins, Rechtsanwalt Klinge, von einer „Kooperation zwischen Anwaltschaft und Sozialarbeitern" spricht

Derartige Sozial-und Rechtsberatungsstellen sind möglichst in den Wohnvierteln der . Sozial-schwachen'einzurichten, damit diese nur kurze Wege zurückzulegen haben Die Landbevölkerung könnte mit einem , Jus-Bus'— wie in Norwegen — versorgt werden, wobei auch die Erfahrungen einiger deutscher Städte mit dem „Sozialamt auf Rädern" — so in Bonn — verwertet werden können. Klar sollte ferner sein, daß eine solche Stelle weder im Gericht noch im Sozialamt eingerichtet werden kann, sondern in einer zentral gelegenen Wohnung, wie dies ja auch der Lokalisierung von Arztpraxen entspricht Die Kostengrenze sollte sich am Einkommen des ungelernten Arbeiters orientieren, also in etwa beim doppelten Sozialhilfesatz liegen; im einzelnen wird dies Ermessenssache sein. Die Überprüfung hätte möglichst unbürokratisch nach den Erfahrungen der Hamburger ORA zu erfolgen, also ohne Berechtigungsschein des Sozialamts und auch ohne Vorlage einer Lohnbescheinigung. Habitus und Sprache des Ratsuchenden geben dem erfahrenen Berater schnell Aufschluß über den sozialen Status, wobei in Kauf zu nehmen ist, daß auch mal ein reicher Schrotthändler darunter rutscht. Die Beratungsstelle wird mit einem „festen" Anwalt arbeiten, der für ein Honorar einige Wochenstunden zur Verfügung steht. Daneben wird er der „Syndikus" der Beratungsstelle sein, denn nicht selten ergeben sich Rechtsprobleme zwischen der Beratungsstelle und den kontrollierenden Behörden. Verständlicherweise ist nicht jeder Rechtsanwalt für derartige Aufgaben geeignet; er muß an sozialen Problemen besonders interessiert und Kenner des Sozialrechts sein, sich zudem in ein Beratungsteam von Sozialarbeitern, Psychologen und Sozialpädagogen einordnen können.

Das hier entworfene Modell ist keine Utopie; zwei so beschaffene Beratungsstellen arbeiten schon seit Jahren. Gerade weil sie ganz praxisorientiert sind, sich um Theorien und Veröffentlichungen zur Rechtsberatung . Sozial-schwacher'nicht gekümmert haben, wurden sie erst bei einem von der Arbeiterwohlfahrt veranstalteten Seminar von der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen im Dezember 1976 „entdeckt" In einem Fall handelt es sich um eine Altenberatung in Krefeld, im anderen um eine Beratungsstelle für Arbeiter im Berliner Märkischen Viertel. In Krefeld haben sich alle freien Wohlfahrtsverbände der Stadt als Träger zusammengeschlossen, in Berlin ist es allein die Arbeiterwohlfahrt. An beiden Orten finden die Beratungen in angemieteten Wohnräumen statt, die im Hinblick auf die Zielgruppe so zentral gelegen sind, daß die Ratsuchenden bei ihren Besorgungen „eben mal hereinspringen" können. In Krefeld handelt es sich um eine „normale" Beratungsstelle mit Sozialarbeitern, in Berlin um ein Team von Sozialarbeitern, Psychologen und einem Rechtsanwalt, der in Krefeld erst später hinzutrat. Der Rechtsanwalt gibt in beiden Fällen an einem Nachmittag in der Woche in der Beratungsstelle selbst Rechtsrat. Kommt es zu einem Prozeß — in Krefeld tritt dies in weniger als 5 Prozent der Beratungsfälle ein —, übernimmt der Rechtsanwalt auch die Vertretung vor Gericht.

Zunächst wird es also nicht darauf ankommen, ein Netz derartiger Beratungsstellen einzurichten, sondern den vielen schon bestehenden Beratungsstellen — oft als Sozialstationen bezeichnet — durch die Rechtsberatung eines Rechtsanwalts eine neue Qualität zu geben. Dabei können auch — wie dies ja schon heute geschieht — Finanzierungsmittel für Bürgerinitiativen zur Verfügung gestellt werden, die sich z. B. um ausländische Arbei-B ter Obdachlose oder entlassene Strafgefangene bemühen. Natürlich sollen die hier vorgeschlagenen Beratungsstellen nicht die vorhandenen Beratungsstellen, insbesondere die Mitgliederberatung der Gewerkschaften, des Mieterbundes, des Reichsbundes für Kriegs-und Zivilgeschädigte usw., verdrängen und erst recht nicht die normale Anwaltsberatung. Zu beachten ist aber, daß der Personenkreis der . Sozialschwachen'seiner sozio-kulturellen Struktur nach vorwiegend nicht organisiert ist und sich auch schlecht organisieren läßt. Es spricht daher alles dafür, über eine Rechtsberatung durch Anwälte mit dem Träger von Sozialberatungsstellen der freien Wohlfahrtsverbände den Weg zur Integration der . Sozialschwachen'als Rechtsbürger zu ebnen. Dies darf nicht an der Finanzierung scheitern! Wie Scherl errechnet hat, sind für das Bundesgebiet lediglich maximal 50 Millionen Mark jährlich erforderlich; damit noch nicht einmal 0, 2 Promille des Sozialleistungsaufwandes für 1975. Scherl merkt — wie er selbst schreibt — „etwas polemisch" an, daß die jährlichen Gesamtkosten einer solchen Reform wohl unter dem Betrag an öffentlichen Mitteln liege, den die Bundesregierung im Wahljahr 1976 aufwendete, um die Bürger über ihre Leistungen aufzuklären

Fussnoten

Fußnoten

  1. Kinderreichtum — Kennzeichen der Armut Strukturprobleme der Bundesrepublik Deutschland von 1969-1976 (Sozialleistungsbudget).

  2. Vgl. hierzu die Hinweise in Informationen des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit v. 18. 1. 1976; Gerhard Himmelmann, Zur Problematik der Neuen Sozialen Frage, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 1976, S. 65; Klaus Kortmann, Zur Armutsdiskussion in der Bundesrepublik Deutschland, in: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge 1976, S. 144.

  3. Vgl.den Diskussionsentwurf eines Gesetzes über die außergerichtliche Rechtshilfe für Minderbemittelte, ausgearbeitet von einem Sonderausschuß des deutschen Anwaltsvereins, in: Anwalts-blatt 1974, S. 254.

  4. Beleg bei Hermann Scherl, Verbilligte außergerichtliche Rechtshilfe für sozial Schwache, 1977, S. 192. 4a) über die Verhaltensmuster der Grundschicht gibt einen guten Einblick der Sammelband von Karl Heinz Hörning, Der „neue" Arbeiter, 1971, sowie unter Einbeziehung zum Verhalten der Grundschicht gegenüber der Rechtspflege: Theo Rasehorn, Recht und Klassen, 1974.

  5. Hierzu Rasehorn, a. a. O., S. 42 ff.; zum Verhalten der Grundschicht in Mietprozessen: Hartmut Erich Hilden, Rechtstatsachen im Räumungsrechtsstreit, 1976, S. 249.

  6. Gesellschaft und Freiheit, 1961, S. 195.

  7. Hierzu Nicolo Trocker, Empfehlen sich im Interesse einer effektiven Rechtsverwirklichung für alle Bürger Änderungen des Systems des Kosten-und Gebührenrechts?, Gutachten B für den 51. Deutschen Juristentag, 1976, B 51.

  8. Sehr plastisch zeigt dies das Schaubild bei Wolfgang Raupen, Die Hüter von Recht und Ordnung, 1969, S. 206.

  9. Vgl. Anm. 3.

  10. Vgl. hierzu Dietrich Rüschemeyer, Juristen in Deutschland und in den USA, 1976, S. 70.

  11. Vgl. Anm. 10.

  12. Hier werden Ergebnisse einer Arbeitstagung der Sektion Rechtssoziologie in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im Okt. 1975 referiert. Eine Veröffentlichung der Berichte ausländischer Experten ist alsbald zu erwarten.

  13. Hierzu der amerikanische Professor Volker Knoppke-Wetzel, Rechtsfürsorge durch „private" Anwälte oder durch Anwälte in „öffentlichen" Rechtsfürsorgebüros?, in: Juristenzeitung 1976, S. 145; Theo Rasehorn, Rechtsberatung für Minderbemittelte nach ausländischen Erfahrungen, in: Juristenzeitung 1976, 473.

  14. Vgl. Anm. 13; Scherl a. a. O., (Anm. 4), S. 95.

  15. Symptomatisch hierfür ist der Beitrag von Erich Röper, Umfassender Rechtsschutz (Rechtsberatung und -besorgung) für sozial Schwache, in: Deutsches Verwaltungsblatt 1977, S. 410, der zwar die Entwicklung bis zum Juristentag 1976 verfolgt, die zuvor erschienenen Berichte über ausländische Erfahrungen (vgl. hierzu Anm. 7 und 13), die allerdings nicht in sein Bild passen, nicht erwähnt.

  16. Zur Entwicklung in der Rechtspflege: Theo Rasehorn, Die Dritte Gewalt in der zweiten Republik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 39/75, S. 3.

  17. Hierzu die umfassenden Übersichten bei Erich Röper, Rechtsberatung und Rechtsschutz für sozial Schwache, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 6/75, S. 16; Gottfried Baumgärtel, Gleicher Zugang zum Recht für alle, 1976; sowie — der Pionier auf diesem Gebiet — Armin Schoreit, Rechtsberatung, unentgeltlich, 1974.

  18. A. a. O. (Anm. 4), S. 435; vgl. insb. die Zahlen über die erheblich geringere Nachfrage bei den neu eingeführten Anwaltsmodellen gegenüber der öffentlichen Rechtsberatung, S. 307.

  19. A. a. O., Anm. 15.

  20. Vgl. hierzu den Diskussionsentwurf eines Sonderausschusses des Deutschen Anwaltsvereins (Anm. 3) sowie den Antrag der CDU-Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen vom 26. 5. 1977, Drucksache 8/2078.

  21. Baumgärtel, a. a. O. (Anm. 17). S. 57 ff., -Röper, a. a. O. (Anm. 15).

  22. Dagegen geht aus den Erfahrungen der ORA Hamburg hervor, daß es bisher bei weit mehr als eine Million Beratungen nur 6 bis 7 Ersatzforderungen gegeben hat, die auch nie zum Prozeß geführt haben; vgl. hierzu den Hinweis bei Schoreit, a. a. O. (Anm. 17), S. 35, Anm. 79. A. a. O. (Anm. 4), S. 151.

  23. Fußnote fehlt

  24. Zur Stellung der Anwaltschaft im außerge-richtlichen Rechtsberatungssystem: Zeitschrift für Rechtspolitik, 1976, S. 97.

  25. Vgl. hierzu Scherl, a. a. O., S. 56 ff.

  26. Vgl. Röper, a. a. O. (Anm. 16), S. 34.

  27. Belege bei Röper, a. a. O. (Anm. 15), S. 413.

  28. A. a. O„ S. 412.

  29. Die Versicherungslösung wird heute allgemein abgelehnt; vgl. Scherl, a. a. O., S. 390 ff.; Trocker a. a. O. (Anm. 7), B 83; Wolfgang Grunsky als Gutachter A im gleichen Band A 65. Die Ablehnung auf dem Deutschen Juristentag 1976 — sogar des Versuches einer beschränkten Rechtsschutzpflichtversicherung — war völlig eindeutig im Stimmen-verhältnis.

  30. A. a. O„ S. 305.

  31. A. a. O„ S. 192.

  32. Vgl. die Zahlen bei Scherl, a. a. O., S. 364, und auch seine Ausführungen.

  33. A. a. O., S. 226 ff.

  34. Hier steht wieder das Problem an, ob rat-suchende Sozialschwache eine objektive oder eine „parteiische" Beratung bevorzugen; Jedenfalls dürfte ein Anwaltswechsel im Falle eines Prozesses den Interessen des Beratenen widersprechen.

  35. Vgl. Anm. 19.

  36. Vgl. Ausschußprotokoll 8/483 v. 9. 2. 1977, Landtag Nordrhein-Westfalen S. 19.

  37. Fritz Sack, Strukturen und Prozesse in einem Deliquenzviertel in Köln, Habilitationsschrift, Köln 1969.

  38. Vgl. die ausländischen Erfahrungen, Anm. 12 und 13.

  39. So konnte dies nur von Scherl, a. a. O., am Rande erwähnt werden, der solche Versuche begrüßt, S. 433; dahin münden wohl auch die Empfehlungen von Trocker, a. a. O., (Anm. 7) B 89. Der Verfasser hat diese Modelle bei dem Hearing im Landtag Nordrhein-Westfalen vorgestellt, vgl. Anm. 34, S. 17; vgl. ferner Theo Rasehorn, Neue Modelle der Rechtsberatung Sozialschwacher, in: Recht und Politik 1977, 62.

  40. Ivo Holzinger, Bericht über eine Rechtsberatung für ausländische Arbeiter, in: Recht und Politik 1976, 46.

  41. A. a. O., S. 355/356.

Weitere Inhalte

Theo Rasehorn, Dr. jur., geb. 1918; 1937 bis 1945 Soldat und Offizier; Studium der Rechts-und Sozialwissenschaften in Bonn und Köln; Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Frankfurt. Veröffentlichungen: Im Paragraphenturm (unter dem Pseudonym X. Berra), Neuwied 1967; Im Namen des Volkes? (mit H. Ostermeyer, D. Huhn und F. Hasse), Neuwied 1968; Die Justiz zwischen Obrigkeitsstaat und Demokratie (mit W. Kaupen), Neuwied 1971; Recht und Klassen, Neuwied 1974.