Betriebliche Vermögensbeteiligung in der Diskussion
Hans-Günter Guski /Hans J. Schneider
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Zusammenfassung
Die Beteiligung der Arbeitnehmer am Vermögen des arbeitgebenden Unternehmens qualifiziert sich zunehmend als eine Alternative von vermögenspolitischer Relevanz. Die in der Öffentlichkeit jüngst erschienenen positiven Ergebnisse freiwilliger unternehmerischer Beteiligungsinitiativen haben inzwischen den Kurswechsel der amtlichen Vermögenspolitik beschleunigt. Nachdem die Bundesregierung ihre jahrelangen Bestrebungen, die Arbeitnehmer auf überbetrieblichem Wege am Produktivvermögen der Wirtschaft zu beteiligen, aus wirtschaftlichen, technischen und politischen Gründen nicht hat durchsetzen können, scheint sie nunmehr bereit, durch gesetzgeberische Maßnahmen in Großunternehmen den Erwerb von Belegschaftsaktien sowie im mittelständischen Unternehmensbereich die stille Beteiligung der Arbeitnehmer zu erleichtern. Damit würden Voraussetzungen geschaffen, den Trend zu weiteren Mitarbeiter-Kapitalbewegungen in den kommenden Jahren verstärkt fortzusetzen. Demgegenüber bleibt die Frage ungeklärt, inwieweit sich die Sozialpartner mittels vermögenswirksamer Tarifverträge in diesen Prozeß steuernd einschalten werden. Während die Arbeitgeberseite hierzu bereits erste Vorstellungen entwickelt hat, stehen die Gewerkschaften dieser Idee skeptisch bis ablehnend gegenüber, wenn auch zum Teil Einzel-stimmen aus dem Gewerkschaftslager eine gewisse Diskussionsbereitschaft in dieser Frage erkennen lassen. Gleichwohl wird man bis zum Ende der siebziger Jahre von Seiten der Tarifpartner keine konkreten Beschlüsse erwarten können. Somit dürfte die Weiterentwicklung betriebsbezogener Vermögensbeteiligung nach wie vor von den freiwilligen Aktivitäten der Unternehmen bestimmt sein.
I. Wandel vermögenspolitischer Zielsetzung
Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird in der Bundesrepublik über die Möglichkeiten einer verstärkten Vermögensbildung in breiten Schichten lebhaft diskutiert. Regierung, Parteien, Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen — um nur einige gesellschaftliche Gruppen zu nennen — haben zahlreiche Pläne zur Realisierung dieses Zieles entwickelt. Sie taten dies aus der Erkenntnis, daß die Vermögensbildung nicht nur für eine erfolgreiche Wirtschafts-und Sozialpolitik ihre Bedeutung hat, sondern weil sie darüber hinaus auch ein zentrales Anliegen moderner Gesellschaftspolitik ist.
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Indirekte Kapitalbeteiligung: Belegschaftsfonds
Indirekte Kapitalbeteiligung: Belegschaftsfonds
Ausgangspunkt der vermögenspolitischen Auseinandersetzung war die außergewöhnliche Entwicklung der Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg: Der rasche — vielfach als deutsches Wirtschaftswunder apostrophierte — wirtschaftliche Wiederaufbau war mit einem schnellen Wachstum des Produktionsmittelsektors verbunden. Die so entstandene Konzentration von Vermögen bei gleichzeitig geringer Ersparnisbildung der Unselbständigen wurde im weiten Kreisen als ungerecht empfunden. Kritiker aus allen Lagern haben darauf hingewiesen, daß die Fortsetzung eines solchen Trends zu sozialen Spannungen führen und möglicherweise sogar den Bestand der freiheitlichen Wirtschaftsordnung gefährden könne. Man argumentierte, daß unsere Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung, die entscheidend auf dem privaten Eigentum an Produktionsmitteln beruht, auf Dauer nur bestehen könne, wenn immer mehr Arbeitnehmer persönliches Eigentum erwerben, es vermehren und somit eine breite Schicht von Eigentümern diese Ordnung trage. Erst eine erhöhte Vermögensbildung würde den persönlichen Freiheitsraum des einzelnen erweitern, seine Verantwortlichkeit stärken und seine Stellung in der Gesellschaft festigen. Im Sinne einer solchen verbesserten Integration breiter Schichten in Wirtschaft und Gesellschaft habe die Vermögenspolitik eine Aufgabe von weitreichender Bedeutung zu erfüllen.
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Quellen der Kapitalbeteiligung
Quellen der Kapitalbeteiligung
In den fünfziger und sechziger Jahren stand die Bildung von Geldvermögen sowie Haus-und Grundbesitz im Vordergrund der vermögenspolitischen Bestrebungen. Dies gilt zum einen für die staatlichen Sparförderungsmaßnahmen mit dem Wohnungsbau-, Sparprämien-und den drei Vermögensbildungsgesetzen sowie zum andern für die Aktivitäten der Sozialpartner durch den Abschluß von vermögenswirksamen Tarifverträgen auf der Grundlage des 624-DM-Gesetzes. Als Ergebnis dieser Politik konnten beachtliche Erfolge auf den Sektoren des Wohnungseigentums sowie der Bildung von Sparkonten, Bausparkonten und Lebensversicherungsverträgen erzielt werden.
Abbildung 7
Unternehmerische Motive zur betrieblichen Vermögensbeteiligung
Unternehmerische Motive zur betrieblichen Vermögensbeteiligung
In den siebziger Jahren hingegen richtete sich das Ziel der Vermögenspolitik fast ausschließlich auf den Erwerb von Produktivvermögen in breiten Schichten. Zur Verwirklichung dieser Zielsetzung wurden — je nach politischem Standort — zwei Wege diskutiert: die überbetriebliche und die betriebliche Vermögensbeteiligung Während alle Pläne einer überbetrieblichen Vermögensbeteiligung vorerst gescheitert sind, haben betriebliche Beteiligungsmodelle kontinuierlich seit Beginn der fünfziger Jahre immer mehr an Umfang und Bedeutung zugenommen.
Abbildung 8
Beteiligungsbereitschaft der Mitarbeiter
Beteiligungsbereitschaft der Mitarbeiter
Neben der vermögenspolitischen Seite hat der betriebliche Beteiligungszweig aber auch wichtige wirtschaftliche Funktionen. Die schwere Konjunkturkrise der Jahre 1974 und 1975 hat mit schonungsloser Härte die Gefahren einer zu geringen Eigenkapitaldecke der Unternehmen offengelegt und sicherlich dadurch gerade im kleinen und mittleren Unternehmensbereich zu einer hohen Zahl von In-solvenzen geführt. Es ist daher oberstes Gebot einer gesunden Unternehmenspolitik, den chronischen Mangel an Risikokapital zu beseitigen. Denn eine solide Eigenkapitalausstattung ist lebenswichtiger Puffer in Krisenzeiten, um wirtschaftliche Schwierigkeiten auffangen und mildern zu können. Betriebliche Vermögensbeteiligungsmodelle zeigen die Wege auf, wie die Eigenkapitalbasis der Unternehmen gestärkt und künftige konjunkturelle Einbrüche reibungsloser überwunden werden können. Nicht zuletzt diese Tatsache hat für die in den vergangenen Jahren stets im vermögens-politischen Abseits stehende betriebsbezogene Vermögensbeteiligung eine neue Bewertung ermöglicht. Dieser allgemein erkennbare Meinungswandel hat das öffentliche Interesse an der betrieblichen Beteiligungspraxis mobilisiert und das Bedürfnis nach mehr Informationen über einen Zweig der Vermögenspolitik gesteigert, über den in der Vergangenheit nur vage und zum Teil einander widersprechende Urteile vorlagen. Für die jüngste Ausbreitung der Mitarbeiter-beteiligung, die trotz erheblicher rechtlicher und steuerrechtlicher Behinderungen gerade gegenüber der Kapitalbeteiligung offenkundig wurde, gibt es eine Reihe von Gründen. Zwei Aspekte verdienen dabei besondere Erwähnung: Sicher haben zu dieser erfreulichen Entwicklung die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die empirischen Erfahrungen mit Beteiligungsmodellen maßgeblich beigetragen Die Bedingungen und Möglichkeiten für eine zielgerichtete und krisenfeste Gestaltung der einzelbetrieblichen Mitarbeiterbeteiligung wurden durch einschlägige wissenschaftliche Untersuchungen unter Verwertung der in der Beteiligungspraxis gewonnenen Erfahrungen klar herausgearbeitet. Einen zweiten Grund für die beachtliche Ausdehnung der Mitarbeiterbeteiligung in den letzten Jahrzehnten liefert das sozial-und gesellschaftspolitische Verantwortungsbewußtsein in unserer Wirtschaft. Natürlich ist die Entstehung vieler Beteiligungsmodelle in den sechziger Jahren und zu Beginn der siebziger Jahre nicht frei von Einwirkungen des damaligen Arbeitsmarktes. Zahlreiche Beispiele der Mitarbeiterbeteiligung aus dieser Epoche sind aber auch von der Überzeugung der betrieblichen Partner ausgegangen, mit der finanziellen Beteiligung der Mitarbeiter am arbeitgebenden Unternehmen einen Beitrag zum sozialen Fortschritt zu leisten.
II. Erstaunliche Erfolgsbilanz
Abbildung 3
Die Beteiligungs -Rangliste
Die Beteiligungs -Rangliste
Allen skeptischen Stimmen zum Trotz hat sich die betriebliche Vermögensbeteiligung im Laufe der letzten Jahre immer stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geschoben. Sie ist damit aus dem Schattendasein der fünfziger und sechziger Jahre hervorgetreten und qualifiziert sich als ernst zu nehmende Alternative in der vermögenspolitischen Diskussion. Dies hat eine Gemeinschaftsuntersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Köln, und der Gesellschaft für innerbetriebliche Zusammenarbeit (GIZ), München, ergeben, die vor einigen Monaten von den Autoren dieses Aufsatzes veröffentlicht wurde und die erstmals einen genauen Überblick über die in der Bundesrepublik Deutschland praktizierten Modelle der Mitarbeiter-Kapital-beteiligung vermittelt
Zahl und Größe der Beteiligungsfirmen Gegenwärtig beteiligen über 800 Unternehmen in verschiedenen Formen ihre Mitarbeiter am Betriebsvermögen. Das sind rund 1 % aller als „beteiligungsfähig''angesehenen Firmen (über 20 Beschäftigte). Am stärksten ausgeprägt ist die Kapitalbeteiligung in der Gruppe der 2 218 Aktiengesellschaften, von denen über 6 % an ihre Mitarbeiter Belegschaftsaktien ausgegeben haben. Darunter fallen auch die zehn größten (umsatzstärksten) Unternehmen. Rein zahlenmäßig liegt der Schwerpunkt der Vermögensbeteiligung eindeutig in der Gruppe der mittelständischen Unternehmen (weniger als 1 000 Beschäftigte bzw. weniger als 100 Millionen DM Umsatz): Sie stellen rund zwei Drittel der Beteiligungsfirmen dar, weisen aber nur 2, 1 °/o (34 000) aller durch Vermögensbeteiligungen erfaßten Mitarbeiter auf. Hingegen vereinigen die Großunternehmen nur einen Anteil von einem Drittel auf sich, beschäftigen aber 97, 9% (1, 6 Millionen) der Arbeitnehmer. Heute sind ca. 850 000 Arbeitnehmer Anteils-eigner am Betriebskapital, somit 6, 5 °/o aller in beteiligungsfähigen Unternehmen Beschäftigten. Die beteiligten Mitarbeiter halten ein Kapital von 2, 5 Milliarden DM, wobei 2, 2 Milliarden DM auch am geschäftlichen Risiko teilnehmen. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß als beteiligungsfähige Unternehmen nur die Firmen bezeichnet werden können, die über ein entsprechendes Betriebskapital verfügen und Gewinne erzielen. Das bedeutet: Die meisten der rund 1, 6 Millionen Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland kommen für eine Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer nicht in Frage, z. B. auch Organisationen ohne Erwerbscharakter, der öffentliche Dienst und viele Kleinstbetriebe. Die Aktiengesellschaften beteiligen inzwischen über 700 000, die übrigen Firmen knapp 150 000 Arbeitnehmer. Bezogen auf die Zahl der 3, 6 Millionen Arbeitnehmer, die in Aktiengesellschaften beschäftigt sind, ist also heute bereits jeder fünfte Mitarbeiter Anteils-eigner an seinem Unternehmen.
Dieser Erfolg ist das Ergebnis einer unterschiedlichen Entwicklung: So wurde knapp ein Viertel aller Modelle in der Zeit von 1950 bis 1965 eingeführt, ein weiteres Viertel folgte von 1966 bis 1970, und mehr als die Hälfte aller Beteiligungsmodelle ist erst in den siebziger Jahren entstanden.
Diese sich mehr und mehr auf breiter Ebene fortsetzende Bewegung ist um so erstaunlicher, als in den siebziger Jahren die politischen Bestrebungen (Einführung einer überbetrieblichen Gewinnabgabe) und die wirtschaftlichen Bedingungen (1974 und 1975 der schwerste konjunkturelle Einbruch) freiwillige Beteiligungsinitiativen erheblich erschwerten. Unter diesen Aspekten ist die Feststellung erlaubt, daß die betriebliche Vermögensbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland inzwischen aus der Sphäre der „Sozialromantik" herausgetreten ist und als zukunftsweisendes vermögenspolitisches Konzept beachtet werden muß.
Gestaltungsformen Belegschaftsaktien, Mitarbeiterdarlehen und stille Beteiligungen werden am häufigsten in der Bundesrepublik Deutschland praktiziert
Bei den Aktiengesellschaften herrscht die Belegschaftsaktie vor. Nur in vereinzelten Fällen werden in diesem Unternehmensbereich andere Formen wie Schuldverschreibungen oder Belegschaftsfonds praktiziert. In einigen Aktiengesellschaften sind allerdings neben Belegschaftsaktien gleichzeitig auch andere Gestaltungsformen (Mitarbeiterdarlehen und/oder Schuldverschreibungen bzw. Belegschaftsfonds) anzutreffen. Bei den mittelständischen Unternehmen dominieren Darlehen, stille Gesellschaften und indirekte Beteiligungssysteme. Vollgesellschaftliche Beteiligungen in Form von Kommandit-und GmbH-Gesellschaftern sind nur vereinzelt anzutreffen.
Indirekte Beteiligungen finden in jüngerer Zeit immer mehr Verbreitung. Hierunter sind Formen der Kapitalbündelung, der Zwischenschaltung einer Institution sowie Belegschaftsfonds zu verstehen. Die beiden ersten Systeme werden in der mittelständischen Wirtschaft praktiziert. Ziel ist, die Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung organisatorisch zu straffen und verwaltungstechnisch, meist durch Zwischenschaltung von Vermögensverwaltungsgesellschaften, zu vereinfachen, Demgegenüber ist der Belegschaftsfonds eine typische Beteiligungseinrichtung in Großunternehmen. Er unterscheidet sich von den beiden anderen Formen vor allem darin, daß die Mittel des Fonds fast ausschließlich unternehmensextern angelegt werden. Damit arbeitet er im wesentlichen wie die bekannten Publikumsfonds und trägt somit einen wichtigen Grundsatz der Risikostreuung bei Beteiligungen auf betriebsbezogener Ebene Rechnung. Mittelaufbringung Geht man der Frage nach, woher die Mittel zur Begründung der Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung stammen, sind die Unternehmen die Hauptquellen der Mittelaufbringung, während staatliche Zuwendungen in Form von Steuererleichterungen und Prämien sowie Eigenleistungen der Mitarbeiter mehr flankierende Maßnahmen darstellen. Die Verfahren sind dabei formal unterschiedlich. So stehen beim Erwerb von Belegschaftsaktien die Eigenleistungen der Mitarbeiter im Vordergrund, während die Ausgabe von Gratisaktien die Ausnahme bildet. Dennoch wird auch in diesen Fällen das Gros der Mittel von den Unternehmen und vom Staat aufgebracht. So gewähren in der Regel die Unternehmen den Mitarbeitern Kursvorteile (in zwei Drittel aller Fälle 50 °/o unterhalb des Börsenkurses, übernehmen ferner Nebenkosten in Form von Steuern und Gebühren (in vier Fünftel der Fälle) und räumen Finanzierungshilfen (monatliche Ratenzahlungen) ein. Hinzu kommt, daß der Staat die Belegschaftaktie in dreifacher Weise prämiert: So werden die Belegschaftsaktien gefördert durch das Vermögensbildungsgesetz (Gewährung von Arbeitnehmersparzulagen), das Sparprämiengesetz (Gewährung von Sparprämien) und das Kapitalaufstockungsgesetz (Gewährung von Steuer-und Sozialabgabenfreiheit bis zu 500 DM p. a.).
Selbst von Gewerkschaftsseite wird nicht bestritten, daß allein auf diese Weise die Summe der Begünstigungen je nach Familienstand und Steuersatz zwischen 60 und 80 % der für den Kauf der Belegschaftsaktie aufzuwendenden Beträge liegt
Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang die oben erwähnten unternehmensseitigen Hilfestellungen, zu denen noch in vielen Fällen zum Zeitpunkt des Belegschaftsaktienangebots Sonderausschüttungen und Gewinnbeteiligungen ausgezahlt werden, dann wird deutlich, daß der eigentliche Eigenbeitrag des Arbeitnehmers — also seine Leistung aus dem Einkommen heraus — beim Erwerb von Belegschaftsaktien in der Regel als minimal bezeichnet werden kann.
In kleinen und mittleren Betrieben hingegen wird das Mitarbeiterkapital überwiegend (89 %) durch Unternehmerzuwendungen aufgebracht. Hierbei sind Gewinnbeteiligungssysteme (54 %), die den Mitarbeitern in ihrer Eigenschaft als Belegschaftsangehörige zugesprochen werden, die wichtigsten Quellen zur Bildung von Mitarbeiterkapital. Relativ häufig (30 °/o) gewähren die Unternehmen Sonderzuwendungen, die im Gegensatz zu den Gewinnbeteiligungsverfahren unverbindlicher sind und demgemäß flexibler eingesetzt werden können.
Nur bei 11 % der Modelle bringen die Mitarbeiter die Kapitalanteile weitgehend selber ein. Allerdings werden auch hier in den meisten Fällen von den Unternehmen ähnliche flankierende Finanzierungshilfen wie in Großbetrieben geleistet.
Mitarbeiterkapitalstruktur Von dem in Arbeitnehmerhand befindlichen Unternehmenskapital in Höhe von rd. 2, 5 Milliarden DM haften 2, 3 Milliarden DM für eventuelle Verluste der Unternehmen; lediglich 200 Millionen DM haben den Charakter von Fremdkapital. Der größte Teil des haftenden Mitarbeiterkapitals (2, 1 Milliarden DM) befindet sich in Großunternehmen in Form von Belegschaftsaktien und stellt eine echte Substanzbeteiligung dar. Das übrige haftende Mitarbeiterkapital in Höhe von knapp 200 Millionen DM ist Beteiligungskapital zum Nennwert und schließt daher eine Beteiligung an den stillen Reserven aus. Daß im mittelständischen Bereich die Mitarbeiter-Kapital-beteiligung noch nicht über den Status der
Nominalbeteiligung hinausgekommen ist, hängt mit veralteten steuerlichen Vorschriften zusammen, die eine Substanzbeteiligung am Unternehmensvermögen verhindern.
In knapp der Hälfte der Unternehmen liegt der nominelle Wert des Mitarbeiterkapitals unter 500 000 DM. Fast ein Fünftel weist ein Beteiligungskapital zwischen 500 000 DM und einer Million DM aus. Im restlichen Drittel übersteigen die Werte eine Million DM, wobei die Zahl der Unternehmen mit höherem Mitarbeiterkapital tendenziell spürbar abnimmt. Bei den Aktiengesellschaften hingegen hat fast jedes zweite Unternehmen ein Mitarbeiterkapital von mindestens 5 Millionen DM, ein Drittel sogar mehr als 10 Millionen DM, und immerhin überschreiten 6 % die Grenze von 100 Millionen DM.
Ein anderes Ergebnis stellt sich ein, wenn man die durchschnittlichen Kapitalanteile der Mitarbeiter vergleicht: Während hinsichtlich der Zahl der beteiligten Mitarbeiter und des Mitarbeiterkapitalvolumens die Großunternehmen die mittelständischen bei weitem übertreffen, verfügt der einzelne Mitarbeiter im mittelständischen Bereich über erheblich mehr Kapitalanteile als sein Kollege im Großunternehmen. Bereits in jedem fünften Unternehmen der mittelständischen Betriebe haben Mitarbeiter Anteile von DM 7 500 und darüber, die Mitarbeiter im Großunternehmen dagegen nur in jeder zehnten Gesellschaft. Dementsprechend ist auch der Anteil der Firmen, in denen die durchschnittlichen Kapitalanteile DM 1 000 nicht übersteigen, in den Großunternehmen mit einem Viertel verhältnismäßig hoch, während er in den übrigen Betrieben nur 11 % beträgt. Dennoch halten sich die individuellen Kapitalanteile in erwartet hat, Grenzen. Wer mehr übersieht die relativ kurze Zeit, in der Modelle der Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland praktiziert werden. Dennoch ist es interessant festzustellen, daß immerhin in knapp 8 °/o der mittelständischen Firmen maximale Mitarbeiterkapitalanteile von über 50 000 DM pro Kopf bestehen. Maximale Anteile von 20 000 DM bis 50 000 DM gibt es immerhin noch bei 12% der Beteiligungsfirmen in diesem Bereich. Ohne diese Ergebnisse überzubewerten und zu verallgemeinern, zeigen sie immerhin beachtliche Möglichkeiten und Chancen für eine individuelle Vermögensbildung im unternehmens-bezogenen Bereich auf.
Unternehmerische Motive Da die Mitarbeiterbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland freiwillig praktiziert wird, liegt die Frage nahe, welche Motive die Unternehmer veranlassen, ihre Mitarbeiter am Erfolg und/oder Kapital zu beteiligen. Die Vermutungen hierüber waren bisher stark differenziert; sie reichten von der Charakterisierung sozialromantischer Phantastereien bis hin zur Unterstellung der bloßen Ausnutzung finanzwirtschaftlicher Vorteile. Die empirischen Ergebnisse haben aufgedeckt, daß mit modernen Beteiligungssystemen überwiegend gesellschaftspolitische Ziele verfolgt werden, daß aber gleichzeitig das Bemühen erkennbar ist, betriebswirtschaftlichen Sachverstand walten zu lassen.
Allerdings gibt es hinsichtlich der Zielsetzung zum Teil gewisse Unterschiede, wenn man die Beteiligungsfirmen in Großunternehmen und mittelständische Betriebe untergliedert. So verfolgen Großunternehmen mit Verfahren der Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung fast ausschließlich sozial-und gesellschaftspolitische Ziele. Beteiligungsmodelle sind für sie mehr ein weiterer Baustein im Rahmen des gesamten betrieblichen Sozialsystems. Anders ver-fahren dagegen die Mittelständler. Auch bei ihnen herrschen zwar gesellschaftsund sozialpolitische Ziele vor. Aber gleich danach ist für sie die Verbesserung der betrieblichen Finanzierungslage ein wichtiges Motiv, und annähernd ebenso bedeutsam ist in diesem Bereich der Wunsch, mit solchen Beteiligungssystemen die Einstellung der Mitarbeiter zum Unternehmen zu verbessern.
Beteiligungsbereitschaft der Arbeitnehmer Die Zielrichtung der Vermögenspolitik im Hinblick auf eine breitere Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen der Wirtschaft geht stillschweigend von dem Gedanken aus, daß die Arbeitnehmer eine solche Beteiligung selber wünschen. Deshalb ist die Frage, wie die Arbeitnehmer selbst die ihnen übertragenen Vermögensformen beurteilen, in der bisherigen Auseinandersetzung kaum beachtet worden. Zwar ist eine solche Fragestellung relativ unwichtig, solange die Mittel zur Beteiligung voll von den Unternehmen aufgebracht werden und die Mitarbeiter darüber nicht frei verfügen können. Erst wenn auch der Arbeitnehmer einen gewissen Beitrag hierzu leisten muß und er darüber hinaus über seine Anteile verfügen kann, gewinnt die Frage nach der Beteiligungsbereitschaft an Bedeutung.
Da vor allem beim Erwerb von Belegschaftsaktien in gewissem Umfang Eigenleistungen — wenn auch mit unterstützenden Maßnahmen seitens der Unternehmen und des Staates — von der Belegschaft verlangt werden, ist eine Analyse des Arbeitnehmerverhaltens im Bereich der Aktiengesellschaften besonders aufschlußreich.
Teilt man die Aktiengesellschaften in Banken und Nichtbanken ein, so ergeben sich bemerkenswerte Unterschiede: Im Bankensektor ist eine merklich größere Aufgeschlossenheit gegenüber dem Aktienerwerb anzutreffen als in den anderen Wirtschaftszweigen. Beispielsweise ist bei den Banken nur in jedem zehnten Fall (10, 2%) eine geringe Beteiligungsquote (bis zu 20 % der Berechtigten) anzutreffen, bei Unternehmen der übrigen Wirtschaftsbereiche bereits in jedem dritten Fall (34, 3%). Bei den Banken werden nahezu in jedem zweiten Fall (48, 8 %) Beteiligungsquoten zwischen 50 und 90% erreicht, bei den Nicht-banken nur in jedem vierten Fall (27 %).
Ein wichtiger Grund für diese unterschiedliche Einstellung der Mitarbeiter besteht darin, daß die Belegschaft bei den Banken aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit unstrittig eine größere Aufgeschlossenheit und Unvoreingenommenheit einem Wertpapier mit Risikocharakter — wie es die Aktie darstellt — entgegenbringt als gewerbliche Arbeitnehmer. Beschäftigte im Bankgewerbe haben zudem den Vorteil, durch die tägliche Arbeit im Umgang mit Geld-und Kapitalverkehr von vornherein besser mit Wertpapieren vertraut zu sein als beispielsweise ein Arbeiter am Fließband. Außerdem können Bankangestellte einen Entschluß zum Erwerb von Aktien leichter umsetzen, weil der organisatorische Apparat sozusagen im Hause bedienungsbereit zur Verfügung steht.
Damit dürfte im wesentlichen das bessere Abschneiden der Beschäftigten im Bankgewerbe gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen erklärt sein. Aber darüber hinaus wurde auch innerhalb der Banken-sowie der Nichtbankensektoren eine teilweise sehr differenzierte Einstellung der Arbeitnehmer zur Aktie beobachtet, und dies, obwohl in den registrierten Fällen die materiellen Angebotsbedingungen (Vorzugskurs, Übernahme aller mit dem Aktienkauf verbundenen Kosten) nahezu gleich waren. Damit steht fest, daß neben der unterschiedlichen Beschäftigungsstruktur — im Bankensektor überwiegend Angestellte — noch andere Gründe das Arbeitnehmerverhalten beeinflussen.
Einer dieser Gründe ist die Konjunktur. Befindet sich die Wirtschaft bzw. die Branche in einer allgemeinen Flaute, ist das Vertrauen in die künftige Entwicklung gering, folglich auch das Vertrauen zur Aktie. Andererseits ist in Phasen des wirtschaftlichen Aufstiegs eine größere Bereitschaft zum Kauf von Aktien anzutreffen. Ähnliches gilt für die Einschätzung des eigenen Unternehmens. Dividendenrückgang und gar Dividendenausfall verstärken eine bereits vorhandene Skepsis. Auch eine zu hohe Kursentwicklung kann ähnliche Reaktionen hervorrufen. So wurde beobachtet, daß in solchen Fällen trotz günstiger Vorzugskursangebote sich die Arbeitnehmer deshalb mit dem Erwerb von Belegschaftsaktien zurückhielten, weil sie den Kurs als zu hoch einschätzten und mit baldigen Kursverlusten rechneten. Die in diesen Fällen gewährten Abschläge vom Börsenkurs wurden angesichts eines fünfjährigen Veräußerungsverbotes als nicht ausreichend angesehen, um den erwarteten Kursausfall auszugleichen.
In anderen Fällen konnte beobachtet werden, daß zunächst bei Ersteinführung der Belegschaftsaktie die Beteiligungsquoten sehr hoch waren, um dann in späteren Jahren stark zurückzufallen. Dies hing mit einer zu optimistischen Einschätzung der Entfaltungsmöglichkeiten des Unternehmens durch die Belegschaft zusammen, die mit. höheren Dividenden und steigenden Kursen gerechnet hatte und später enttäuscht wurde.
Ebenfalls relativ hohe Beteiligungsquoten ergaben sich dort, wo das Angebot zum Aktien-erwerb zeitgleich mit freiwerdenden Spargeldern zusammentraf, die nach dem Vermögensbildungsgesetz angelegt worden waren. Die Vorgänge bestätigen die These, daß im allgemeinen Arbeitnehmer zunächst einen Grundstock an Geldvermögen gebildet haben müssen, bevor sie bereit sind, in andere Vermögensformen einzusteigen.
In hohem Maße wird die Beteiligungsbereitschaft auch davon geprägt, welche Haltung der Betriebsrat im Unternehmen vertritt. Die Firmen stimmen in ihrem Urteil darüber überein, daß die Bereitschaft der Arbeitnehmer dann besonders groß ist, wenn der Betriebsrat hinter der Aktion steht und sich dafür einsetzt. Ähnliche Einflüsse gehen von den Gewerkschaften aus, die besonders dann wirksam sind, wenn der Organisationsgrad der Belegschaft hoch ist.
Die Befragung der Unternehmen hat ergeben, daß die Haltung der Mitarbeiter am stärksten durch Art und Intensität der Aufklärung beeinflußt wird. Zu Beginn einer Beteiligungsaktion bestehen weitgehend Unkenntnis und psychologische Schranken des Mißtrauens bei den Arbeitnehmern. Der Begriff „Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand" wird als Schlagwort beargwöhnt; der Aktie als „heißem Papier" steht man voreingenommen gegenüber und scheut das Risiko. Notwendig ist deshalb, einen Lernprozeß einzuleiten. Eine breitangelegte, oft langjährige und intensive Aufklärungsarbeit ist unerläßliche Voraussetzung dafür, das bestehende Mißtrauen abzubauen. Als wichtigste Maßnahme hat sich die persönliche Ansprache erwiesen. Erst das Gespräch bietet die beste Gewähr, Vorurteile abzubauen und vom Nutzen der Anlage in Beteiligungswerten zu überzeugen.
Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Analyse der Beteiligungsbereitschaft räumt auf mit dem landläufigen Urteil, die Vermögensbildung der Arbeitnehmer sei deshalb noch unbefriedigend, weil materielle Anreize wie staatliche Sparprämien und unternehmenssei23 tige Zuwendungen zu gering seien. Denn die Bereitschaft zur Vermögensbildung ist grundsätzlich in allen Arbeitnehmerschichten vorhanden. Folglich kann abstraktes Eigentum nicht nur hochqualifizierten Kräften zugesprochen werden. Das weitgesteckte Ziel einer Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen ist zu lösen, wenn die Betriebe soziale Aufgeschlossenheit nicht allein als eine materielle Frage ansehen. Intensive, umfassende und verständliche Informationen sind hierzu eine wichtige Voraussetzung.
III. Perspektiven
Abbildung 4
Gestaltungsformen der Kapitalbeteiligung
Gestaltungsformen der Kapitalbeteiligung
Die aufgezeigte Bilanz bisheriger Beteiligungspraxis in der Bundesrepublik Deutschland hat zwei Dinge deutlich gemacht: — Die freiwilligen Beteiligungsinitiativen der Unternehmen waren umfangreicher, als bislang in der Öffentlichkeit vermutet worden war. — Die erreichte Basis ist dennoch nicht ausreichend genug, um bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einem Durchbruch der betrieblichen Beteiligungsidee auf breiter Front zu sprechen.
Demgemäß erhebt sich die naheliegende Frage nach den weiteren Entwicklungschancen dieses vermögenspolitischen Weges. Zwei Möglichkeiten sind denkbar, die den künftigen Verlauf der Arbeitnehmerbeteiligung auf betriebsbezogener Ebene maßgeblich beeinflussen können. Dies sind einmal die Tarifparteien, die über den Abschluß vermögenswirksamer Tarifverträge die Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmer am Betriebsvermögen forcieren können, und zum anderen Maßnahmen der Bundesregierung bzw.des Gesetzgebers, durch Steuererleichterungen und Gewährung von Prämien die freiwilligen betrieblichen Beteiligungen zu erleichtern.
Haltung der Tarifparteien Was die Haltung der Tarifparteien angeht, so hat die Arbeitgeberseite hierzu bereits ein deutliches Wort gesprochen. Wie schon einmal im Jahr 1968, als sie die Gewerkschaften aufforderte, mit den Arbeitgebern gemeinsame vermögenswirksame Tarifverträge auf der Basis des 312-DM-bzw. 624-DM-Gesetzes abzuschließen, hat die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände im Herbst des Jahres 1976 eine weitere vermögenspolitische Offensive gestartet und einen entsprechenden Appell an die Gewerkschaften zum gemeinsamen Handeln gerichtet. Während der vermögenspolitische Vorstoß der Arbeitgeber aus dem Jahre 1968 mehr darauf abzielte, das Geldvermögen der Arbeitnehmer zu fördern, ist mit der Initiative des Jahres 1976 die Absicht verbunden, die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen zu verbessern. Als Instrument hierzu ist wiederum der Tarifvertrag vorgesehen, nachdem es sich in den siebziger Jahren herausgestellt hatte, daß vermögenswirksame Tarifverträge außerordentlich flexibel und erfolgreich sind.
Die Gewerkschaften vertreten in der Frage der Vermögenspolitik hingegen keinen einheitlichen Standpunkt. Grob gesehen kann man drei Richtungen unterscheiden: — Der DGB setzt sich weiterhin für eine überbetriebliche Gewinnabgabe mit der Errichtung von zentralen Vermögensfonds unter gewerkschaftlicher Führung ein. In diesem 1973 verabschiedeten Konzept sieht der DGB die einzige vertretbare Lösung der vermögens-politischen Frage. — Die IG Metall sowie die OTV lehnen mit einigen anderen Einzelgewerkschaften sowohl jegliche überbetriebliche als auch jede Form der betrieblichen Beteiligungspolitik kompromißlos ab. Dahinter steht vor allem die Vorstellung, daß eine solche Vermögenspolitik in jedem Falle den tarifpolitischen Spielraum für Nominallohnerhöhungen zu stark einengen und damit die Tarifautonomie begrenzen würde. — In einigen wenigen Gewerkschaftskreisen, wie in der IG Chemie und IG Bau, gibt es Strömungen, die unter gewissen Bedingungen eine Bereitschaft erkennen lassen, mit den Arbeitgebern über vermögenswirksame Tarifverträge, die zur Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen führen, gemeinsam nachzudenken. In einer Hörfunksendung des Bayerischen Rundfunks vom 30. August 1977, in der über den Arbeitgeberplan diskutiert wurde, distanzierte sich Karl Hauen-schild von der IG Chemie gegenüber der kategorisch ablehnenden Haltung von Heinz Klunker, OTV, und Eugen Loderer, IG Metall, und sagte wörtlich: „Ich würde das Arbeitgeberpapier zunächst einmal als eine Diskussionsgrundlage betrachten. Ich würde also nicht sagen, daß wir das gleich zerreißen und in den Papierkorb werfen."
Rudolf Sperner, Chef der Bauarbeitergewerkschaft, wurde noch deutlicher und sagte: „Ich beurteile diesen Vorschlag so, daß die Arbeitgeberspitzenvertreter auch eingesehen haben, daß es an der Zeit ist, etwas gegen die ungerechte Vermögensverteilung zu tun. Ich habe nie daran geglaubt, daß Herr Schleyer mit seinen Herren ein Modell entwickeln wird, das die Gewerkschaften nur abzuschreiben brauchen."
Man sollte aus der Meinung dieser beiden Gewerkschaftsführer nicht bereits den Schluß ziehen, in Kürze würden in diesen beiden Tarifbereichen vermögenswirksame Tarifverträge der erwähnten Art abgeschlossen werden. Auf der anderen Seite berechtigen allerdings diese Äußerungen zu der Annahme, daß das letzte Wort einer einheitlichen Ablehnung der Gewerkschaften gegenüber einer betrieblichen Beteiligungspolitik noch nicht gesprochen ist. Vielmehr wird es an den einzelnen Tarifbereichen selber liegen, inwieweit sich der begonnene Dialog in dieser Frage vertiefen und in konkrete Verträge umsetzen läßt. Betrachtet man diese Zusammenhänge realistisch, dann wird man jedoch für die siebziger Jahre auf diesem Gebiet keine ersten Ergebnisse erwarten dürfen.
Die Haltung der Bundesregierung Positiver hingegen dürfte die Haltung der Bundesregierung zu beurteilen sein. Hier ergeben sich aufgrund der jüngsten Entwicklungen und bekanntgewordenen Verlautbarungen deutliche Hinweise darüber, daß — nicht zuletzt durch eine Reihe von „Denkanstößen" der Opposition — noch im Laufe dieses Jahres der Gesetzgeber Maßnahmen einleiten dürfte, um verbesserte Bedingungen für betriebliche Beteiligungsaktivitäten der Unternehmen herbeizuführen. Eingeleitet wurde diese neuere Entwicklung durch die Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 16. Dezember 1976, in der er zu Fragen der betrieblichen Vermögensbeteiligung u. a. folgendes sagte: „ ... wird die Bundesregierung a) den Anlagekatalog des Gesetzes erweitern, um verstärkt auch Beteiligungen in Unternehmen zu ermöglichen, b) die der stärkeren Anwendung des 3. Vermögensbildungsgesetzes auf Beteiligungsformen entgegenstehenden steuerlichen Hemmnisse abbauen".
Die bayerische Staatsregierung hatte schon wenige Tage nach dieser Regierungserklärung am 21. Dezember 1976 den „Entwurf eines Gesetzes zum Abbau steuerlicher Hemmnisse für die Vermögensbildung der Arbeitnehmer" als Bundesratsinitiative beschlossen und im Oktober 1977 im Bundesrat vorgelegt. Damit sollte der von der Bundesregierung während des Jahres 1976 in allgemeiner Form in Aussicht gestellten Verbesserung und der Aussage des Bundeskanzlers ein konkretes gesetzgeberisches, auf bestimmte Verbesserungen gerichtetes Konzept gegenübergestellt werden.
Mit dieser Gesetzesinitiative des Bundesrats werden drei Ziele verfolgt: — das verteilungspolitische Ziel, über eine Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen der Wirtschaft eine systemkonforme Weiterentwicklung der marktwirtschaftli-chen Ordnung zu leisten; — das betriebswirtschaftliche Ziel, mit dieser vermögensbildenden Maßnahme die Liquiditätsabflüsse aus dem Unternehmensbereich zu verhindern, dadurch die Eigenkapitalausste-tung der Unternehmen zu stärken und so verbesserte Bedingungen für die Investitionstätigkeit der Wirtschaft zu schaffen; — das stabilitätspolitische Ziel, durch Ent-schärfung des Verteilungskampfes und teil-25 weiser Investivbindungen der Löhne die Hauptursache des Preisauftriebs zu beseitigen. Der Gesetzentwurf hat folgende Schwerpunkte: — Die Steuerbegünstigungen, die bisher für den Erwerb von Belegschaftsaktien bei der Ausgabe von Aktien bestehen, sollen über die Aktiengesellschaft hinaus auf alle Gesellschaften und Unternehmensformen ausgeweitet werden. Konkret: Der bisher nur für Belegschaftsaktien geltende Einkommenssteuerfreibetrag bis zu DM 500 soll auf GmbH-Anteile und stille Beteiligungen ausgedehnt werden. Damit soll die gegenwärtige Schlechterstellung von Arbeitnehmern, die nicht bei Aktiengesellschaften beschäftigt sind, aufgehoben werden. — Der Begünstigungsrahmen des 3. Vermögensbildungsgesetzes soll von DM 624 auf DM 936 erhöht werden. — Der Anlagekatalog des 624-DM-Gesetzes und des Sparprämiengesetzes ist um die neuen begünstigten Beteiligungswerte zu erweitern. — Die begünstigten stillen Beteiligungen sollen von der Kapitalverkehrssteuer und die Gewinnanteile von der Gewerbesteuer befreit werden. — Für die Dauer von sechs Jahren sollen die begünstigten Beteiligungswerte unverkäuflich sein. Am 11. Januar 1978 trat das Bundeskabinett zusammen, um über die Bundesratsinitiative zu beraten. Ergebnis: Die Bundesregierung lehnt den Gesetzesvorstoß ab. Begründung: Einer Aufstockung des 3. Vermögensbildungsgesetzes könne nicht zugestimmt werden, denn es sei nicht ersichtlich, wie die vom Bundesrat angestrebte Verbesserung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen allein durch eine stufenweise Anhebung des Begünstigungsrahmens des 624-DM-Gesetzes erreicht würde. Eine Ausdehnung der Lohnsteuerfreiheit gemäß § 8 Kapitalaufstockungsgesetz für die verbilligte Ausgabe von Belegschaftsaktien auf Geschäftsanteile der GmbH sei nicht zu verwirklichen. Denn das Problem der steuerlichen Bewertung eines GmbH-Gesellschaftsanteils sei bisher nicht gelöst. Das gelte auch für die stille Beteiligung, soweit sie zur Mitunternehmerschaft führe. Die geforderte Freistellung stiller Arbeitnehmer-beteiligungen von der Gewerbekapitalsteuer und der Erträge hieraus lehnt die Bundesregierung aus grundsätzlichen Steuererwägungen ab.
Wenn man die Haltung der Bundesregierung in der Vermögenspolitik seit 1976 verfolgt, muß die Ablehnung der Bundesratinitiative befremden. Letztlich hat die Bayerische Staatsregierung die Gedanken aufgegriffen, die der damalige Wirtschaftsminister Fride-richs selbst ausgesprochen und zu denen sich auch der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung — wenn auch nur pauschal — bekannt hat. Sachlich bestehen also zwischen Regierung und Opposition grundsätzlich Übereinstimmungen, wenn man einmal von einzelnen, weniger wichtigen Forderungen absieht. Es stellt sich daher die Frage nach dem wahren Grund dieses Verhaltens.
Offenkundig ist die Bundesregierung bestrebt, selbst dort, wo Gemeinsamkeiten mit der Opposition vorhanden sind, mehr eigene Leistungen und mehr eigene Erfolge herauszustellen. Gemessen an den bisherigen Schwierigkeiten — in diesem Zusammenhang seien nur die Schwierigkeiten der Rentenversicherung erwähnt — ist es durchaus verständlich, daß die Bundesregierung jede Möglichkeit zu einer erfolgreichen Selbstdarstellung nutzen möchte. Hinzu kommt, daß der Bundeskanzler durch seine Regierungserklärung vom Dezember 1976 sich selber in die Pflicht des Handelns genommen hat. Will der Kanzler glaubwürdig sein, muß er sein Versprechen einlösen. Demgemäß sprechen alle Vermutungen dafür, daß die Bundesregierung den Gesetz-entwurf des Bundesrates mehr aus „formalen" Gründen abgelehnt hat, um einen eigenen Entwurf, der sich in der Sache von der Oppositionsinitiative kaum unterscheiden dürfte, vorlegen zu können. Der Zwang zum Handeln wird noch dadurch vergrößert, daß die CDU/CSU-Bundestags-fraktion inzwischen einen weiteren Gesetz-entwurf eingebracht hat, der im wesentlichen die Bundesratsinitiative unterstützt und ergänzt. In diesem Zusammenhang enthält die zwar nur allgemein formulierte Ankündigung der Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht 1978 besonderes Gewicht: „Es müssen weiter-B hin Anstrengungen unternommen werden, um zu einer stärkeren Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen zu gelangen. Die Bundesregierung wird einen Gesetzentwurf vorlegen, um Hemmnisse, die in dieser Hinsicht bestehen, sovzeit wie möglich abzubauen."
Sollten also in absehbarer Zeit durch den Gesetzgeber Maßnahmen erlassen werden, die die freiwilligen Beteiligungsaktivitäten der Unternehmen erleichtern und fördern, wird es an den Unternehmen selbst liegen, zu beweisen, daß die erstaunliche Erfolgsbilanz der letzten Jahre kein Zufall, sondern das Ergebnis eines konsequenten, zielbewußten Handelns war. Damit aber würde zugleich der überzeugende Beweis erbracht, daß die betriebliche Vermögensbeteiligung ein system-konformes und erfolgreiches Instrument darstellt, die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen der Wirtschaft auf eine breitere Grundlage zu stellen.
Hans-Günter Guski, Dr. sc. pol., Diplom-Volkswirt, geb. 1929; Studium der Wirtschaftswissenschaften in Kiel; seit 1970 Leiter des Referats Vermögens-bildung und Vermögenspolitik im Institut der deutschen Wirtschaft, Köln. Veröffentlichungen u. a.: Verteilungstheoretische Aspekte der Vermögenspolitik, Köln 1973; Vermögensbildung — Bilanz und Perspektiven, Köln 1975; Betriebliche Vermögensbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland — Eine Bestandsaufnahme (zus. mit H. J. Schneider), Köln 1977. Hans J. Schneider, Dr. rer. pol., geb. 1944; Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Erlangen-Nürnberg; seit 1975 geschäftsführender Gesellschafter der Gesellschaft für innerbetriebliche Zusammenarbeit GIZ und GmbH; Schriftleiter der Fachzeitschrift „personal“. Veröffentlichungen u. a.: Herausgeber des „Handbuchs der Mitarbeiter-Kapital-beteiligung", Köln 1977; Betriebliche Vermögensbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland — Eine Bestandsaufnahme (zus. mit H. -G. Guski), Köln 1977.
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