Die Hochschulen der Bundeswehr in Hamburg und München stehen in der Mitte des 5. Studienjahres. Der erste und zweite Studentenjahrgang haben bereits die Hochschule verlassen. Sie bereiten sich im Anschluß an das Hochschulstudium an den Schulen der Teilstreitkräfte auf die Truppenverwendung vor. Empirische Daten über die Qualität dieser neuen Offiziersgeneration kann es noch nicht und wird Studienjahres. Der erste und zweite Studentenjahrgang haben bereits die Hochschule verlassen. Sie bereiten sich im Anschluß an das Hochschulstudium an den Schulen der Teilstreitkräfte auf die Truppenverwendung vor. Empirische Daten über die Qualität dieser neuen Offiziersgeneration kann es noch nicht und wird es in absehbarer Zeit nicht geben, weil die Auswirkungen der Ausbildungsreform insgesamt wohl erst in den 90er Jahren zuverlässig untersucht werden können 1).
Die Bildungskommission und mit ihr der damalige Verteidigungsminister hatten hohe Erwartungen bei Politikern, bei den Parteien, bei Soldaten und in der Öffentlichkeit geweckt 2). In eben diesen Reihen sind natürlich auch die Skeptiker zu finden. Die Rechnung von 1971/72 ist insofern aufgegangen, als die Entscheidung, den Offizierberuf zu einem akademischen Beruf zu machen, die Attraktivität offensichtlich erhöht hat 3). Heute bewerben sich auf einen Studienplatz der Hochschulen der Bundeswehr etwa sieben Abiturienten.
Das Gutachten der Bildungskommission beschreibt und begründet die Notwendigkeit eines wissenschaftlichen Studiums unter übergeordneten gesellschafts-, bildungsund sicherheitspolitischen Gesichtspunkten 4). Die Grundlagen für das Studium selbst bilden die Curricula für die Hochschulen der Bundeswehr 5). Sie sollten als Leitbild für die Fortentwicklung und Einzelgestaltung der Studiengänge dienen. Die Bildungskommission schlug vor, „das Studium an den Hochschulen der Bundeswehr als erziehungsund gesellschaftswissenschaftlich angeleitetes Fachstudium durchzuführen" Dieser Vorschlag galt und gilt als Kernstück einer auf die Bedürfnisse der Streitkräfte ausgerichteten Studienkonzeption und erregte Aufmerksamkeit und Interesse in verschiedenen Wissenschaftszweigen. Der folgende Beitrag geht der Frage nach, inwieweit dieser Teil der Reform und Neuordnung an der Hochschule der Bundeswehr Hamburg durchgesetzt wurde. Zunächst wird beschrieben, was bisher geschehen ist. Daraus erhellt auch der heutige Stand der Diskussion. Diese Ergebnisse sind sodann mit der Ausgangssituation — also mit den Vorgaben des Gutachtens der Bildungskommission und den Anforderungen der Curricula — zu vergleichen, um daran eine Auseinandersetzung mit dem Anleitstudium anzuschließen. Unter „Anleitstudium" wird hier die Einbettung erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlicher Elemente in das Fachstudium verstanden, wie sie der Bildungskommission vorschwebte.
I. Maßnahmen an der Hochschule der Bundeswehr Hamburg
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Studien-und Lehrbedingungen anfangs von den Schwierigkeiten eines schwindelerregenden Aufbautempos bestimmt waren. Zwischen der Idee der Ausbildungsreform mit wissenschaftlichem Studium und dem Vorlesungsbeginn lagen nur drei Jahre. Gleichwohl muß es als vorteilhaft angesehen werden, daß den Hoch-schulen die Ausfüllung des vom sozialwissenschaftlichen Institut erarbeiteten Rahmencurriculums für die verschiedenen Studiengänge überlassen blieb. In Hamburg waren die Voraussetzungen insofern günstiger als in München, weil Prof. Th. Ellwein von Anfang an das Präsidentenamt bekleidete und die Ausbildungsreform geradezu persönlich verkörperte
Der Präsident
In einer Hochschule mit Präsidialverfassung, die außerdem nach den Prinzipien einer Gruppenuniversität ihre Entscheidungen fällt, sind die materiell-rechtlichen Möglichkeiten des Präsidenten begrenzt Er ist an Beschlüsse des Hochschulsenats gebunden, soweit sie „akademische Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung" betreffen Verfahrensrechtlich stehen ihm jedoch viele Wege offen, um Initiativen zu ergreifen, deren Durchsetzung dann allerdings von Überzeugungskraft, politischem Fingerspitzengefühl und Konsequenz abhängt. Nach den Vorläufigen Rahmenbestimmungen ist der Präsident „zu den Sitzungen der Senatsausschüsse und Fachbereichsräte einzuladen und hat das Recht, an den Sitzungen aller Kollegialorgane und Ausschüsse teilzunehmen sowie die Behandlung bestimmter Angelegenheiten zu verlangen“ Ein derartiges Initiativrecht versetzt den Präsidenten also jederzeit in die Lage, an jeder entscheidenden Stelle in der Hochschule die „Tagespolitik" zu bestimmen. Hinzu kommen nicht formal geregelte Sitzungen mit den Sprechern der Fachbereiche und die mit dem Amt verbundene „Präsidialgewalt". Ellwein war sich all dieser Möglichkeiten und auch der damit zusammenhängenden
Verantwortung bewußt. Im Dezember 1973 rief er eine Versammlung der im Anleitbereich aller Fachbereiche tätigen Psychologen und Pädagogen ein Diese Sitzung hatte das Ziel, die Bereitschaft zur Aufnahme der erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Elemente in das Fachstudium zu wekken. Besondere Beachtung schenkte Ellwein den Fachbereichen Elektrotechnik und Maschinenbau. Es zeichnete sich schon frühzeitig ab, daß hier größere Probleme zu bewältigen seien als in den geistesund sozialwissenschaftlichen Fachbereichen.
Neben der Diskussion in den Fachbereichen und Gesprächen mit Professoren der Ingenieurwissenschaften verfolgte Ellwein den zu Beginn eingeschlagenen Weg weiter, das Anleitstudium über die dafür berufenen Professoren in den Fachbereichen zu etablieren, was damals wie heute auf Widerstand stößt (vgl. unten Kap. II).
Als Präsidenten und geistigem Vater der Konzeption fiel Ellwein auch die Aufgabe zu, das Bundesministerium der Verteidigung über die Durchsetzbarkeit der theoretischen Vorstellungen zu unterrichten. Der erste Bericht faßt die personellen Konsequenzen des Anleitstudiums zusammen und enthält Hinweise auf seinen integrativen Charakter: „Den Kern des Problems bildet unser Bemühen, keinen eigenen ausschließlichen Anleitbereich zu schaffen, sondern nach Möglichkeit jedem an der Hochschule tätigen Lehrer Gelegenheit zum Umgang auch mit solchen Studenten zu geben (Wahlfach), die sich in dem betreffenden Gebiet etwas vertiefen. Infolgedessen gibt es Variationen. Alle juristischen Professoren haben eine volle Funktion im Fachbereich WOW müssen aber gleichzeitig Anleiterfordernisse abdecken. Die theologischen Professoren haben es dagegen überwiegend mit dem Anleitbereich zu tun; für sie gibt es nur am Rande eine Wahlfachmöglichkeit im Fachbereich Pädagogik. Vor diesem Hintergrund müssen wir auf präzise Zuordnungen verzichten, was natürlich das Verwenden von Maßeinheiten erheblich erschwert." Ein zweiter Bericht wurde auf Anforderung des Ministeriums zusammengestellt. Dieser gibt einen Überblick über die praktische Durchführung des erziehungsund gesellschaftswissenschaftlichen Teils der Fachstudiengänge, wie sie sich in den Studien-und Prüfungsordnungen niedergeschlagen hat Der Bericht schließt mit folgenden zusammenfassenden Bemerkungen: „Weitgehende Übereinstimmung herrscht (sc. an der Hochschule) über folgende Aspekte der erziehungsund gesellschaftswissenschaftlichen Komponente: 1. Sie bildet keinen eigenständigen Lehrbereich in der Hochschule.
2. Sie dient in erster Linie den studierenden Offizieren — als Hilfe zur Bewältigung des Fachstudiums in pädagogischer Hinsicht;
— zur Analyse der zukünftigen Situation als Ingenieur, Pädagoge oder Betriebswirt und als Ausbilder, Erzieher und Führer in der Rolle des Offiziers in pädagogischer und sozialer Hinsicht."
Nachdem Ellwein die Hochschule verlassen hatte, entstand wegen der Ungewißheit über die Regelung der Nachfolge ein Vakuum. In der einjährigen Übergangszeit bis zur Einsetzung des vom Senat der Hochschule gewählten Nachfolgers hat es hinsichtlich des Anleitstudiums keine Diskussionen und Fortschritte in den Gremien oder durch sonstige Initiativen des Präsidenten gegeben.
Der Akademische Senat Die Vorläufigen Rahmenbestimmungen wei-sen dem Senat verschiedene Aufgaben zu. Der Aufgabenkatalog regelt jedoch die Kompetenzen nicht abschließend, sondern erläutert den Begriff der „akademischen Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung" und grenzt die Zuständigkeiten gegenüber den Fachbereichsräten ab. Dem Senat kommt es zu, die Tätigkeit der Fachbereiche zu koordinieren und deren Funktionsfähigkeit zu überwachen. Insgesamt hat er damit alle Entscheidungsgewalt über nicht rein fachspezifisehe oder fachbereichsbezogene Angelegenheiten , Zur Vorbereitung von Entscheidungen bedient sich der Senat verschiedener Ausschüsse, die an dessen Weisungen gebunden sind. Die Ausschüsse sind die „Arbeitsgremien" des Senats und sollen entscheidungsreife Vorlagen erarbeiten. Da die Senatsgremien der Hochschule mit Vertretern aller Gruppen und überwiegend auch aller Fachbereiche besetzt sind, können die unterschiedlichen Interessen bereits in die Ausschüsse eingebracht und in deren Sitzungen abgewogen werden.
Im Prinzip erhalten die Ausschüsse also Arbeitsaufträge vom Senat oder, soweit entsprechende Anträge vorliegen, vom Präsidenten als Vorsitzendem des Senats Dieses Verfahren hat sich allerdings bis heute an der Hochschule der Bundeswehr Hamburg nicht überall durchgesetzt. Die Ausschüsse ergreifen teilweise von sich aus Initiativen, ohne daß der Senat daran beteiligt wäre. So geschieht es zuweilen, daß Beschlußvorlagen zur Entscheidung in den Senat eingebracht werden, zu denen die Ausschüsse gar keinen Auftrag hatten. Dies geschah auch mit einer „Vorlage des Senatsausschusses für Lehre und Studium zum Anleitstudium".
Der Ausschuß faßte die Lernziele in einem Satz zusammen und nannte sie „die Fähigkeit zur kritischen und rationalen Auseinandersetzung im sozialen Bereich", um daraus den Schluß zu ziehen, daß „nicht in erster Linie Fachkenntnisse vermittelt, sondern Probleme wissenschaftlich aufgespürt, analysiert und gelöst (werden sollen)". Ein entsprechender Katalog zählt einzelne allgemeine Lernziele getrennt nach erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Elementen auf und weist bestimmten Themenbereichen konkrete Lernziele zu. Spezifisch militärisch-berufsfeldbezo-gene Angaben enthält der Katalog nicht. Die Notwendigkeit des Anleitstudiums folgerte der Ausschuß aus einer Analyse der verschiedenen Phasen der Ausbildung und der später möglichen Berufe eines studierenden Offiziers. Er faßte die Begründung dahingehend zusammen, daß „dem Offizier, oder dem im zivilen Beruf Tätigen Entscheidungen von großer politischer und/oder sozialer Tragweite abgefordert (werden)". Der Senat befaßte sich ausführlich mit der Vorlage und sah es nach längerer Diskussion als gegeben an, daß „die erziehungsund gesellschaftswissenschaftlichen Bestandteile der Fachstudiengänge in den Fachbereichen dahingehend überarbeitet werden, daß das Fach-Curriculum damit entsprechend angereichert werden soll"
Die Fachbereiche
Die Fachbereiche sind die Grundeinheiten der Hochschule und jeweils auf ihrem Gebiet für die Pflege und Entwicklung der Wissenschaften durch Studium, Lehre und Forschung verantwortlich Diese Verantwortung erstreckt sich zweifellos auch auf das Anleitstudium. Studienreformen lassen sich daher we-gen der ausschließlichen Kompetenz der Fachbereiche ohne deren Willen und Unterstützung kaum durchsetzen. Die Freiheit von Forschung und Lehre erweist sich insofern gleichermaßen als hilfreiche Chance wie als Hindernis.
Formalrechtlich haben die Fachbereiche unter anderem die Aufgabe, Prüfungsordnungen und Curricula zu erarbeiten und fortzuentwikkeln Ein Fach-Curriculum existiert bis heute nur für den Fachbereich Wirtschafts-und Organisationswissenschaften. In den anderen Fachbereichen gibt es mehr oder weniger ausführliche Studienpläne. Die Überlegungen der Fachbereiche waren bald auf das Ziel gerichtet, wie sich die erziehungsund gesellschaftswissenschaftlichen Elemente möglichst störungsfrei in das vorgeprägte und überkommene Fachstudium einbauen lassen. Das läuft im Ergebnis darauf hinaus, die Lösung im Rahmen der Prüfungsordnungen zu suchen und zu finden.
Die Fachbereiche Elektrotechnik und Maschinenbau sehen sich z. B. auf das angewiesen, was ihnen von den Fachprofessoren des Anleitbereichs oder von den Fachbereichen Pädagogik sowie Wirtschafts-oder Organisationswissenschaften als Hilfe angeboten wird. Trotz der wiederholten Gespräche und Diskussionen mit Ellwein wird das eigene Handeln von mehr technokratischen Planungen bestimmt. Dies geschah vor dem Hintergrund der zu erarbeitenden Prüfungsordnungen und dem daraus sich ergebenden Fächerangebot für die Jeweiligen Studentenjahrgänge in den unterschiedlichen Trimestern. Im Zusammenhang damit wurden Überlegungen angestellt, in welcher Weise Leistungsnachweise zu erbringen sind und ob und in welcher Anzahl Lehrbeauftragte verpflichtet werden müssen
Im Fachbereich Elektrotechnik etwa wird die Prüfungsleistung für das Vordiplom aus den erziehungswissenschaftlichen Bestandteilen des Studiums in Form eines Seminarscheines im Zusammenhang mit folgenden Veranstaltungen in den ersten vier Trimestern erbracht: 1. Einführung in die Pädagogik, 2. Einführung in die Erwachsenenbildung, 3. Medienpädagogik, 4. Einführung in die Sozialpädagogik, 5. Berufsund Betriebspädagogik, 6. Erziehungswissenschaft und Anthropologie.
Für das Hauptdiplom ist die erfolgreiche Teilnahme einer Lehrveranstaltung aus den Gesellschaftswissenschaften nachzuweisen. Eine Wahl besteht zwischen zwei Gruppen: Gruppe A: 1. Grundprobleme des Rechts, 2. Einführung in die Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, 3. Völkerrecht. Gruppe B: 1. Soziologie, 2. Theologie, 3. Geschichtswissenschaft, 4. Politikwissenschaft. Ferner ist eine Prüfung in Betriebsoder Volkswirtschaftslehre abzulegen.
Die Fachbereiche der Geistesund Sozialwissenschaften stehen dem Anleitstudium inhaltlich naturgemäß näher als die Ingenieurwissenschaften. Im Fachbereich Pädagogik ist das Anleitstudium häufiger Gegenstand eingehender Diskussion als in den anderen Fachbereichen. Diese lebt insbesondere im Rah-men der Behandlung des Gesamthochschulplanes wieder auf Auch die „Serviceleistungen" für andere Fachbereiche stehen hier öfter zur Debatte.
Die Professoren
Die Autonomie der Fachbereiche in Fragen, die Lehre und Forschung betreffen, beruht letztlich auf den dieses Recht tragenden Wis-senschaftlern. Für den hier zu untersuchenden Gegenstand kommt dem Stimmenübergewicht der Professoren in Beschlußgremien für die Durchsetzung und Gestaltung von Reformen daher entscheidende Bedeutung zu
Die Meinungen der Professoren zum Anleitstudium insgesamt, zu dessen Verhältnis zum Fachstudium, zur Organisation und zur Durchsetzbarkeit sind an der Hochschule der Bundeswehr Hamburg nicht einmütig. Sie reichen von unausgesprochener Ablehnung über skeptisches Wohlwollen bis zu uneingeschränkter Befürwortung. Es bedarf keiner besonderen Betonung, daß die für die Fächer des Anleitstudiums ausdrücklich vorgesehenen Professoren ein starkes Eigeninteresse an der Verwirklichung der Studienkonzeption entwickelt haben.
Die dem Anleitbereich zugehörigen Professoren konzentrieren sich auf die Lernziele der erziehungsund gesellschaftswissenschaftlichen Elemente und die daraus zu ziehenden Konsequenzen für das Fächerangebot. In einer gemeinsam getragenen Ausarbeitung wird als „wichtigstes und oberstes Lernziel des Studiums an der Hochschule der Bundeswehr . .. die Befähigung des Studenten zur Partizipation, d. h. zur verantwortlichen Mitwirkung des einzelnen an den für die Gesamtheit wichtigen Entscheidungen in geistiger Freiheit" genannt. Das Anleitstudium soll „in enger Verbindung mit dem Fachstudium und in Hinblick auf die künftige Berufsund Offiziersituation den Studenten über folgende Problembereiche orientieren:
I. über sich als Individuum, II. über das Individuum im Kontext der sozialen Gruppe, III. über das Individuum im Ausbildungsprozeß in der Bundeswehr und an der Hochschule, IV. über die gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen, V. über den Kontext des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, VI. über die Rolle der Bundesrepublik Deutschland im internationalen System. 4
Diese Ausarbeitung knüpft unmittelbar an den im Senatsausschuß für Lehre und Studium behandelten Katalog zum Anleitstudium an.
In allen Fachbereichen gibt es nur vereinzelt nicht zum Anleitbereich gehörige Professoren, die sich ausund nachdrücklich mit eigenen Initiativen für das Anleitstudium einsetzen. Im allgemeinen werden die Aktivitäten den von den Fachbereichsräten oder vom Se-nat eingesetzten Ausschüssen überlassen.
Der Studentenbereich
Im Studentenbereich sind alle an die Hochschule versetzten oder kommandierten Soldaten organisatorisch zusammengefaßt. Der Leiter des Studentenbereichs ist deren truppendienstlicher Vorgesetzter, dem Präsidenten jedoch „in allgemeindienstlicher Hinsicht" unterstellt Der Leiter Studentenbereich hat ferner Sitz und Stimme im Senat, vertritt dort aber nicht die Interessen des Dienstherrn und auch nicht die Vorstellungen der Streitkräfte über ein akademisches Studium. Diese Aufgabe kommt dem Präsidenten zu. Den militärischen Vorgesetzten des Studentenbereichs obliegt jedoch die Aufsicht mit allen Konsequenzen der Personalführung hinsichtlich der gesamten Ausbildung der einzelnen studierenden Offiziere, also auch über das Studium. Zwar haben sie weder unmittelbar noch mittelbar Einfluß auf die Bewertung von Studienleistungen. (Die Grenzen ihrer Einwirkung auf die Studenten im akademischen Bereich sind rechtlich bisher nicht eindeutig geklärt.) Aber es besteht kein Zweifel daran, daß die faktischen Zugriffsmöglichkeiten eine starke Identifikation der Vorgesetzten mit der Ausbildungsreform erfordern
Der erste Leiter Studentenbereich an der Hochschule der Bundeswehr Hamburg, Gen-schel, hat seine Gedanken und Vorstellungen zum Anleitstudium in einer Studie niedergelegt Nach einer Darstellung und Analyse der Fakten kommt er unter anderem zu folgenden Feststellungen: 1. Das Anleitstudium ist für die Mitglieder der Hochschule „kein Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit". 2. Vielen Hochschullehrern fehlt „Primärerfahrung im militärischen Bereich". 3. „Ein Beitrag zur Weiterentwicklung und Vertiefung der militärischen Berufsmotivation ... ist vom Anleitstudium nicht zu erwarten." 4. „Alle Bemühungen, auf andere Weise den Berufsfeldbezug zu erhalten, können das fehlende Anleitstudium nicht ersetzen."
Als Konsequenz daraus sieht Genschei folgende „Möglichkeiten zur Abhilfe als ein Bündel sich ergänzender Maßnahmen:
1. Die Streitkräfte müssen gegenüber der Hochschule der Bundeswehr ihr gleichbleibendes Interesse an der Verwirklichung des Anleitstudiums deutlich und mit Nachdruck zum Ausdruck bringen.
2. Den Hochschullehrern muß in starkem Maße Gelegenheit gegeben werden, mit den Streitkräften vertraut zu werden.
3. Langsame Vergrößerung des militärischen Stammpersonals, weil diese Maßnahme eine Intensivierung des formellen und informellen erzieherischen Einflusses auf die studierenden Offiziere ermöglicht.
4. Verlängerung der militärischen Ausbildung vor Beginn des Studiums um 1 Jahr auf 21/4 Jahre."
Die Studenten In allen Beschlußgremien der Hochschule sind Studenten vertreten. Darüber hinaus kann die Studentenschaft ihre Interessen durch den Konvent, die studentische Selbstverwaltung, artikulieren.
Initiativen haben die Studenten bisher weder im Senat, noch in den Fachbereichsräten, noch im studentischen Konvent ergriffen. Bei den oben geschilderten Diskussionen in den Gremien meldeten sich die Studenten lediglich mit Wünschen zu Wort, bei den für das Anleitstudium geforderten Scheinen die spätere Verwendung zu berücksichtigen und die Anforderungen in den Fachbereichen aufeinander abzustimmen.
Das Hochschuldidaktische Zentrum Die Rahmenbestimmungen weisen dem Hoschuldidaktischen Zentrum der Hochschule der Bundeswehr Hamburg folgende Aufgaben zu 1. Das Hochschuldidaktische Zentrum hat die Aufgabe, die Fachbereiche bei der Fortentwicklung der Curricula zu unterstützen, ihre Arbeit in dieser Hinsicht zu koordinieren und durch eigene Forschung die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
2. In enger Zusammenarbeit mit dem Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr wertet das Hochschuldidaktische Zentrum die Ergebnisse der wissenschaftlichen Lehre zum Zwecke der Curriculumrevision aus.
Es wird deutlich, daß hier neben den Fachbereichen ein Schwerpunkt für die Entwicklung auch des Anleitstudiums gelegt worden ist. Trotz solcher Regelungen bleiben die Fachbereiche aber von Einflußnahmen des Hochschuldidaktischen Zentrums unabhängig, wenn sie sich unter Berufung auf ihre Autonomie in Fragen der Lehre dagegen abschirmen. So können bereits die für die Curriculumentwicklung notwendigen empirischen Untersuchungen durch die Gremien der Hochschule, insbesondere durch die Fachbereichsräte, blockiert werden. Dies gilt erst recht für die Koordination und Abstimmung der Curricula der verschiedenen Fachbereiche aufeinander. Die Planstellen des Hochschuldidaktischen Zentrums der Hochschule der Bundeswehr Hamburg wurden nur nach und nach besetzt. Mit der systematischen Arbeit konnte erst Anfang 1976 begonnen werden. Das Hochschuldidaktische Zentrum legte dem Senat der Hochschule im Dezember 1976 erste Ergebnisse einer Projektstudie „Allgemeines Studienverhalten" vor, deren Ziel darin besteht, „empirische Grundlagen für die Weiterentwicklung und Verbesserung von Studium und Lehre zu gewinnen" Die Studie gibt Aufschluß darüber, welchen Schwierigkeiten sich die Studenten der Hochschule der Bundeswehr Hamburg ausgesetzt sehen. Dazu wurde eine Untersuchung an der Universität Saarbrücken vergleichend herangezogen.
In dem hier interessierenden Zusammenhang stechen drei Schwierigkeiten hervor, nämlich das Problem, in Seminaren und Vorlesungen folgen zu können (54 °/o HSBW H: 26% Uni SB), die Frage, wie man ökonomisch und effektiv studiert (74 % : 56 %) und die Frage nach Konsequenzen ohne Hochschulabschluß (78%: 18%). Außerdem bewegen 73% der Studenten der Hochschule der Bundeswehr Hamburg die Frage nach einer angemessenen Verwendung innerhalb der Bundeswehr nach Studienabschluß. Diese Ergebnisse sind im wissenschaftlichen Sinne sicherlich nicht repräsentativ, aber sie deuten darauf hin, daß von den 621 Studenten, die sich an der Umfrage beteiligt haben, der weitaus größere Prozentsatz durch das Anleitstudium nicht den gewünschten Rückhalt bekommen hat. Darauf wird an anderer Stelle näher einzugehen sein.
Das Hochschuldidaktische Zentrum der Hochschule der Bundeswehr Hamburg bereitet zur Zeit weitere Untersuchungen vor, die sich mit Einzelproblemen der Fachbereiche beschäftigen, ferner, welchen Einfluß sie auf die Entwicklung der Fach-Curricula und damit auf die Einbeziehung der erziehungsund gesellschaftswissenschaftlichen Elemente in die Fachstudiengänge haben.
Das Bundesministerium der Verteidigung
Die Berichte zum Anleitstudium vom August 1974 und Oktober 1975 nahm das Bundesministerium der Verteidigung kommentarlos zur Kenntnis. Im Zusammenhang mit der Genehmigung von Prüfungsordnungen beanstandete es, daß die erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Bestandteile des Fachstudiums lediglich Prüfungsfach in den Vorprüfungen, nicht jedoch in den Diplomhauptprüfungen seien. Es sieht darin einen Verstoß gegen einen Beschluß der Bundesregierung und gegen die Vereinbarungen mit der Freien und Hansestadt Hamburg, weil die bewilligenden Instanzen von einer ganz bestimmten Konzeption ausgegangen seien, nämlich: „Das Studium an den Hochschulen der Bundeswehr ist als Fachstudium auf curricularer Basis mit erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Bestandteilen konzipiert. Durch die Integration erziehungsund gesellschaftswissenschaftlicher Bestandteile in die jeweiligen Fachstudiengänge soll sichergestellt werden, daß auch während des Studiums an den Hochschulen der Bundeswehr das künftige Tätigkeitsfeld der Studenten als Offiziere der Bundeswehr berücksichtigt wird."
Im März 1976 stellte das Bundesministerium der Verteidigung zur Situation im Anleitbereich an den Hochschulen fest:
„ 1. Jede Diskussion über Ziele und Inhalte der . Anleitung’ bewegt sich, solange kein gesichertes Ergebnis der Berufsfeldanalyse des Offiziers als Grundlage für die Anforderungen an das Anleitstudium vorliegt, im theoretischen und überwiegend spekulativen Raum.
2. An beiden Hochschulen der Bundeswehr bestehen unter den Professoren bei voller Anerkennung des Grundsatzes der Konzeption über Inhalt, Umfang und Bedingungen der Anleitung sehr unterschiedliche Auffassungen.
3. Ähnlich große Unterschiede bestehen auch in den Auffassungen der Führungsstäbe über die Anforderungen an das Anleitstudium aus der Sicht der Teilstreitkräfte."
Diese Beurteilung führte zur Bildung einer Arbeitsgruppe, die sich mit der Berufsfeldanalyse beschäftigen sollte. Die konstituierende Sitzung fand mit Vertretern der Teilstreitkräfte und der beiden Hochschulen am 21. Oktober 1976 in München statt. Folgende vom Ministerium aufgestellte Grundsätze bildeten den Ausgangspunkt der Diskussion:
„ 1. Das dreijährige Studium für Offiziere an den Hochschulen der Bundeswehr ist von der Konzeption her als Fachstudium unter Einschluß einer erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Anleitung vorgesehen.
2. Eine Erweiterung der dreijährigen Regel-studienzeit für das Fachstudium wegen der Hinzunahme der erziehungsund gesellschaftswissenschaftlichen Anleitkomponenten stand niemals zur Diskussion.
3. Durch die erziehungs-und gesellschaftswissenschaftliche Anleitung sollte der Berufs-bezug vor allem in den verschiedenen Verwendungen als Offizier in der Bundeswehr mit dem Fachstudium hergestellt werden.
4. Studienziele und Studieninhalt dieser Anleitung sind von den Anforderungen an die Anleitung abhängig, die wiederum vom. Ergebnis der Berufsfeldanalyse der Aufgaben des Offiziers bestimmt werden."
II. Anspruch und Wirklichkeit des Anleitstudiums
Aufgaben und Ziele
Die Bildungskommission hat als Ziele des er-ziehungsund gesellschaftswissenschaftlich angeleiteten Fachstudiums drei Punkte genannt. Es soll erreicht werden, daß „— der Studierende während des Studiums eine pädagogische und didaktische Hilfe erfährt und die Zeit des Studiums, in der er sich selbst in einer besonderen pädagogischen Situation befindet, nutzen kann, um in ihr Erfahrungen für die künftigen Aufgaben als Ausbilder zu sammeln;
— das zukünftige Tätigkeitsfeld im Studium selbst berücksichtigt wird;
— inhaltlich und methodisch auf Besonderheiten der Tätigkeit als militärischer Führer vorbereitet wird."
In der Begründung fordert die Bildungskommission, daß Fach-und Anleitstudium sich „gegenseitig durchdringen müssen" und daß dazu eine „enge Kooperation des ganzen Lehrkörpers, eine sinnvolle Studienplanung und eine ständige Abstimmung zwischen den beiden Elementen des Studiums" notwendig seien.
Diese Postulate bedeuten eine Abkehr von traditionellen Studiengängen; sie entsprechen auch nicht dem herkömmlichen Studium Generale, das eher allgemeinbildende Funktionen neben dem reinen Fachstudium hat. Vielmehr handelt es sich um eine grundlegende Reform, die ein zeitlich und inhaltlich reguliertes, d. h. im Ergebnis ein curricular geordnetes Studium einführt, um bestimmte Lernziele in vorhersehbaren Zeiträumen zu erreichen. An dieser Stelle wird der untrennbare Zusammenhang zwischen Curriculum und erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Elementen des Fachstudiums deutlich. „Allgemeine" und „besondere Lernziele" enthalten jeweils sowohl Komponenten rein fachspezifischer als auch allgemeinpädagogischer oder gesellschaftlicher, aber auch tätigkeitsfeldbezogener Natur und können ohne Curriculum kaum dargestellt, geschweige denn in ihrer Bedeutung überhaupt erkannt werden
Die allgemeinen Lernziele — wie Fähigkeit zur Partizipation und Kommunikation, Kreativität und Engagement — sind gleichwohl von den besonderen Lernzielen des Faches zu unterscheiden. Sie vermischen sich in dem Begriff „Ausbildungsziel“ und können unter der Bezeichnung dessen, was erreicht werden soll — nämlich eine bestimmte Qualifikation — sowohl getrennt als auch zusammen betrachtet werden. Dies ist dann eine Frage der Unterscheidung zwischen Qualifikationen im Hinblick auf deren objektive Prüfbarkeit und subjektive Beurteilung der Person hinsichtlich ihrer Eignung für bestimmte Aufgaben. Darauf wird im dritten Teil noch einzugehen sein.
Die Bildungskommission konkretisierte die obengenannten Ziele dahin gehend, daß zwischen erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Elementen zu unterscheiden sei.
Beide haben ausbildende Aufgaben zu erfüllen, die weder ersetzbar noch austauschbar sind. Das Anleitstudium soll also kein Faktenwissen vermitteln, sondern „aufgrund didaktischer und methodischer Überlegungen zu den definierten Ausbildungszielen führen"
Die Erziehungswissenschaften sollen es dem Studenten ermöglichen, das eigene Studium als pädagogische Situation zu erkennen. Dabei soll er verallgemeinerungsfähige Erfahrungen sammeln, die ihn im künftigen Beruf dazu befähigen, pädagogische Erfahrungen zu analysieren und das eigene Verhalten als Ausbilder und Erzieher zu überdenken. Die erziehungswissenschaftliche Komponente soll also einerseits das Studium erleichtern und andererseits die rein fachliche Berufsvorbereitung ergänzen.
Die Bildungskommission sieht in der akademischen Ausbildung herkömmlicher Art die Gefahr, daß die Beziehung zu dem zukünftig auszuübenden Beruf in seiner gesellschaftlichen Bedeutung entweder erst gar nicht hergestellt wird oder aber im Detailstudium des Fachwissens untergeht. Aus diesem Grunde soll das Studium an den Hochschulen der Bundeswehr „der Vorbereitung auf den Beruf des Offiziers ebenso (dienen) wie dem Verständnis für den Zusammenhang zwischen den Inhalten des jeweiligen Studienganges und übergreifenden wissenschaftlichen, politischen und soziologischen Gegebenheiten und Entwicklungen" Schließlich geht es nach den Vorstellungen der Bildungskommission auch um eine Entlastung der militärischen Ausbildung insofern, als rechtliche, historische oder politische Grundkenntnisse sowie Fragen der Führung, Organisation und Planung vom Anleitstudium übernommen werden können. Dieser letzte Aspekt dürfte dazu beigetragen haben, die Gewichte des Anleitstudiums auf die Seite des Berufsfeldbezuges im engeren, militärischen Sinne zu verlagern.
Zur Verwirklichung des Anleitstudiums an der Hochschule der Bundeswehr Hamburg Es muß bezweifelt werden, ob das erziehungsund gesellschaftswissenschaftliche Anleitstudium an der Hochschule der Bundeswehr Hamburg — von Einzelpersonen abgesehen — je als das begriffen worden ist, was es sein sollte, nämlich als das verbindende Element eines curricularen Fachstudienganges, das sich wie ein roter Faden durch alle Trimester zieht und stets die „allgemeinen" auf die „besonderen Lernziele" des Faches bezieht und umgekehrt. Vielmehr wurde das Augenmerk nicht auf die Entwicklung der Curricula, sondern vor allem auf die seperate Erarbeitung der Prüfungsordnungen gelegt. Es versteht sich von selbst, daß ein Studium ohne Prüfungsordnung wenig sinnvoll ist. Dennoch oder gerade deshalb haben aber — wenn man der Konzeption der Bildungskommission folgt — die Prüfungsordnungen sich an die Curricula anzulehnen, weil das, was geprüft werden soll (Leistungskontrolle), Bestandteil eines jeden Curriculums ist
Die Mißverständnisse und Unsicherheiten in den Gremien der Hochschule sind deutlich. Der Senatsausschuß für Lehre und Studium hat von Anfang an die enge Verknüpfung des Anleitstudiums mit den Prüfungsordnungen betont, ohne die Verbindung zu den Curricula hervorzuheben. Der Senat hat es „als gegeben angesehen, daß ... das Fachcurriculum damit entsprechend angereichert werden soll". Die Fachbereichsräte haben das Anleitstudium nur insoweit behandelt, als es zur Ausfüllung und Erfüllung der Prüfungsordnungen notwendig erschien. Lediglich der
Fachbereichsrat Pädagogik hat sich des curricularen Ausgangspunktes erinnert, ohne diesen jedoch forciert weiterzuentwickeln. Konkrete Gesamtentwürfe von Curricula unter Berücksichtigung der erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Elemente sind in keinem Gremium der Hochschule behandelt worden. Es ist nicht ersichtlich, daß die Curriculumausschüsse der Fachbereiche an solchen Vorlagen arbeiten.
Die Vorstöße zum Anleitstudium in den Fachbereichsräten betreffen im allgemeinen Einzel-aspekte des Fächerangebotes, die Verteilung des Stoffes auf die Trimester, die Art der Leistungsnachweise oder Fragen der Lehrkapazität. Diese eher technokratische Behandlung des Anleitstudiums läßt erkennen, wie wenig Gewicht die Fachbereiche der neuen Studien-konzeption beimessen. Dies ist verwunderlich, weil alle Fachbereiche ihre Studiengänge auf ein Drei-Jahres-Studium mit Trimestereinteilung umzustellen hatten. Eine solche Umstellung macht es erforderlich, daß die gesamte Studienplanung inhaltlich und methodisch grundlegend verändert wird. Solche Veränderung muß nicht Qualitätsverlust bedeuten. Ein Qualitätsverlust tritt aber mit großer Wahrscheinlichkeit ein, wenn überkommene, auf vier bis fünf Jahre konzipierte Studiengänge mit Semestereinteilung ohne Überprüfung in eine völlig andere Hochschulsituation gepreßt werden. Unter solchen Umständen müssen sich die erziehungsund gesellschaftswissenschaftlichen Elemente als zusätzliche Belastung auswirken. Insgesamt läßt sich die Überforderung der Studenten bei einem solchen Vorgehen nicht vermeiden. Die Folge davon ist Qualitätsverlust oder radikale Auslese.
Soweit sich die Diskussion des Anleitstudiums an der Hochschule auf Wesen und Inhalt bezieht, bleibt sie meistens ohne Konturen oder verfällt in Fehlinterpretationen von Ergebnissen der Bildungskommission. „Die Fähigkeit zur kritischen und rationalen Auseinandersetzung im sozialen Bereich" z. B. ist ein sprachlicher Allgemeinplatz, hinter dem sich letztlich Alltägliches verbirgt. Auch die Feststellung, daß „dem Offizier oder dem im zivilen Beruf Tätigen Entscheidungen von großer politischer und/oder sozialer Tragweite abgefordert (werden"), ist trivial und gibt für konkrete Vorstellungen wenig her. Einzig die Professoren des Anleitbereichs bemühen sich hier um die Formulierung von konkreten Lernzielen und versuchen, ihre Vorstellungen in den Gremien durchzusetzen. Es wurde erwähnt, daß dies nicht gelungen ist.
Bei den Erörterungen zum Anleitstudium fehlt selten der Begriff „Berufsfeldbezug''. Es scheint mir, als sei dies die Zauberformel, mit der einerseits militärische Lehrgegenstände in der Hochschule angesiedelt werden sollen und mit der andererseits Widerstände gegen eine akademische Ausbildung für Offiziere überhaupt erst aus dem Wege geräumt wurden. Schließlich dient sie — wohl aus diesen Gründen — als Druckmittel zur Durchsetzung des Anleitstudiums und als Rechtfertigung gegenüber der Öffentlichkeit für eigene Hochschulen der Bundeswehr. Es ist selbstverständlich, daß der Studentenbereich und das Bundesministerium der Verteidigung die Wortführer der Betonung des Berufsfeldbezuges sind. Allerdings fragt sich, ob bei diesen beiden Instanzen die Aussagen der Bildungskommission bewußt oder unbewußt fehlinter-pretiert werden. Nach Genschei fehlt andererseits vielen Hochschullehrern „Primärerfahrung im militärischen Bereich", „ein Beitrag zur Weiterentwicklung und Vertiefung der militärischen Berufsmotivation ist vom Anleitstudium nicht zu erwarten", der „erzieherische Einfluß des militärischen Stammpersonals" müsse deshalb vergrößert werden. Das Ministerium sieht im Anleitstudium vor allem das Mittel, „den Berufsbezug in den verschiedenen Verwendungen als Offizier in der Bundeswehr" herzustellen. Diese Folgerungen laufen auf eine militär-spezifische „Anleitung" hinaus, von der bei der Bildungskommission nicht die Rede war. Die „Berücksichtigung des Tätigkeitsfeldes als militärischer Führer" ist nicht gleichbedeutend mit militärischer Ausbildung — im Gegenteil, das Anleitstudium soll einen Kontrapunkt dazu bilden, indem es bewußt zu „zivilem" Nachdenken auffordert
Dies wird ganz deutlich, wenn man die „allgemeinen Lernziele" des Curriculums mit heranzieht Die Mitwirkung am sozialen, politischen und sonstigen Geschehen (Partizipation) als „oberstes allgemeines Lernziel" erweist sich beispielsweise nicht als militärspezifischer Ausbildungsbeitrag, enthält aber gleichwohl tätigkeitsfeldbezogene Merkmale, weil vor der Teilnahme möglicherweise die Motivation dazu durch die Vermittlung „gesellschaftswissenschaftlicher Grundlagen und Erkenntnisse" gegeben werden muß Ähnlich lassen sich die anderen allgemeinen Lernziele tätigkeits-oder berufsfeldbezogen einordnen.
Die im Gutachten erwähnte besondere Berufsvorbereitung auf rechtlichem, historischem oder politischem Gebiet sowie für die Führung, Organisation und Planung hat vor allem die Teilstreitkräfte zu — möglicherweise berechtigter — Überinterpretation veranlaßt. Eine Entlastung und Vorbereitung der dem Studium folgenden militärischen Ausbildung findet im Anleitstudium jedoch nur insofern statt, als die methodischen Zugangsmöglichkeiten zu den im militärischen Unterricht zu behandelnden Themen erleichtert werden. Die reine Stoffvermittlung und die Möglichkeit, Faktenwissen zu erwerben, sind indessen begrenzt und hängen zudem davon ab, inwieweit der einzelne Student eine entsprechende Wahl nach dem Angebot der Prüfungsordnung und des Vorlesungsverzeichnisses trifft. In diesem Zusammenhang ist erneut darauf hinzuweisen, daß die sinnvolle Studienplanung ein Curriculum voraussetzt, das die Lernziele dieser erziehungsund gesellschaftswissenschaftlichen Elemente vom ersten bis zum letzten Trimester deutlich in Erscheinung treten läßt.
Zusammenfassend ist festzustellen: 1. Das Anleitstudium wird in der Lehrpraxis der Hochschule der Bundeswehr Hamburg nicht als Überwindung traditioneller Studiengänge verstanden, sondern überwiegend als lästige Pflichtübung, die auf Kosten des Fachstudiums geht. 2. Der innere Zusammenhang zwischen Curriculum, Prüfungsordnung und Anleitstudium bleibt unbeachtet. Die drei Komponenten werden nicht als Einheit gesehen und demgemäß getrennt bearbeitet und verhandelt. 3. Eigene inhaltliche Vorstellungen zu den Fachcurricula stehen bis heute in den Gremien nicht zur Debatte. Die Vorgaben der Bildungskommission und des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr werden von fast allen Seiten fehlinterpretiert oder einseitig ausgelegt.
III. Beurteilung der Entwicklung
Vielerorts ist zu lesen, das Anleitstudium sei gescheitert. Diese Meinung teile ich nicht. Die hier dargestellte Bilanz offenbart allerdings Schwächen der Gesamtkonzeption für die curricularen Studiengänge an den Hochschulen der Bundeswehr, die zwangsläufig zum Scheitern führen, wenn die Probleme nicht umgehend gelöst werden. Das Anleitstudium ist Bewährungsproben noch gar nicht ausgesetzt gewesen, weil das, was in den Prüfungsordnungen an erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Elementen niedergelegt wurde, ohne ausgearbeitete Curricula als zusammenhangloses Etikett mit Alibifunktion angesehen werden muß.
Die Bildungskommission hat es „nicht für erforderlich“ gehalten, die Begriffe „Bildung, Ausbildung und Erziehung" in ihrer Wechselwirkung zu untersuchen, deren Bedingungen aufeinander abzustimmen und die Konsequenzen, die von diesen jede Berufsqualifizierung bestimmenden Faktoren ausgehen, im Hinblick auf das Berufsbild des Offiziers darzulegen 105). Insbesondere fehlen eindeutige Aussagen über die erzieherischen Momente einer akademischen Ausbildung. Ein wissenschaftliches Studium setzt jedoch erzieherische Prozesse in Gang, die denen der herkömmlichen Ausbildung von Soldaten diametral entgegenstehen. Die rechtlichen, sozialen und psychologischen Bedingungen eines Hochschulstudiums sind andere als die etwa eines Lehrgangs an einer Truppen-oder Offiziersschule. Die Bildungskommission stand also vor der Schwierigkeit, eine ambivalente Studienkonzeption zu entwickeln, die eine mit öffentlichen Hochschulen vergleichbare und damit von den Ländern anerkennungsfähige Qualifikation ermöglicht, ohne den militärischen Auftrag zu vernachlässigen. Dieser Konflikt läßt sich nur dadurch lösen, daß man das Studium im Rahmen der gesamten militärischen Ausbildung als „zivilen" Teil ansiedelt, als solchen anerkannt und in seinen erzieherischen Wirkungen nicht nur in Kauf nimmt, sondern bewußt aufgreift, um die Persönlichkeitsentwicklung des Offiziers als Mitglied der demokratischen Gesellschaft zu fördern.
An dieser Stelle hat das Anleitstudium einzusetzen. Es dient eben nicht unmittelbar der Ausbildung zum Offizier, sondern soll erzieherisch auf das Bewußtsein des einzelnen Studenten einwirken, um in ihm Fähigkeiten zu wecken, die zivilberuflich wie militärisch gleichermaßen notwendig sind.
Die von der Bildungskommission vorgeschlagene Konzeption des Anleitstudiums in Verbindung mit den vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr vorgelegten Curricula zeichnen sich durch hohe Ansprüche an den Lernenden aus. Zunächst scheint es so, als sauge der Student die erziehungsund gesellschaftswissenschaftlichen Elemente einfach in sich auf, um dann seine gesellschaftsaufgeschlossene Menschwerdung zu erfahren. Vergleichsweise bescheiden sind dagegen die Ziele der pädagogischen Anleitung: Der Student soll das Lernen lernen. Dies kann sich freilich nur auf organisatorische oder sonstige Hilfsmittel beziehen. Ebenso verhält es sich mit dem Sammeln von Erfahrungen. — Diese knappen Hinweise mögen ausreichen, um festzustellen, daß die pädagogische Anleitung stets mit den Grenzen des Individuums zu rechnen hat. Daraus folgt nun, daß die Vermittlung erziehungswissenschaftlicher Elemente konzeptionell schon zu hoch angesiedelt ist. Es bedarf keiner Professoren, weil die zu vermittelnden Methoden reines Handwerkszeug sind, für das sich wissenschaftliche Vertiefung im Rahmen eines Fachstudiums von selbst verbietet.
Die gesellschaftswissenschaftliche Anleitung ist komplizierter und setzt sich selbst wieder aus verschiedenen Komponenten zusammen. Allein die Vielzahl der allgemeinen Lernziele und die damit nicht notwendigerweise dek-kungsgleiche Fächervielfalt lassen Zweifel an der Realisierbarkeit der Ausgangskonzeption aufkommen. Erziehung zu „Partizipation, Kommunikation, Kreativität" und dergleichen mehr kann nicht als Ausschnittsvergrößerung im Studium plötzlich Wirkungen zeitigen, ganz abgesehen davon, daß auch hier wieder die individuellen Anlagen und Voraussetzungen eine stets unterschätzte Rolle spielen. Nach dem Stand der heutigen Konzeption des Anleitstudiums finden allenfalls solche Studenten überhaupt Zugang dazu, die die angestrebten Lernziele bereits vorher erreicht haben. Vor diesem Hintergrund verwundern die Schwierigkeiten der Hochschule nicht. Die theoretischen Grundlagen können in der vorliegenden Form etwa von Ingenieuren gar nicht bewältigt werden.
Eine ernste Barriere bildet dabei die Sprache. Der Hang der Sozialwissenschaft, einfache Le-B benssachverhalte sprachlich so zu deformieren, daß sich auch engagierte Nichtfachleute verständnislos abwenden, erschwert die Durchsetzung selbst folgerichtiger Konzeptionen. Statt schlicht nachzudenken wird „re-flektiert". Auf der Suche nach Lösungen muß „problematisiert" werden, was an sich offenbar, einfach und konfliktfrei ist. Die Zusammenhänge zwischen dem einzelnen und der Gesellschaft werden zur „wechselseitigen Bedingtheit von Individuum und Gesellschaft" hochstilisiert. Da gibt es die „Aktivierung von Basisprozessen", „kognitive Ebenen" und „kommunikative Kompetenzen“, „spezifische Innovationsstrategien", „repressive System-zwecke" und die „Systematisierung eines Tätigkeitsfeldes". Wer sich der Sprache in dieser Weise bedient, darf sich nicht wundern, daß jegliche Überzeugungskraft mit Breiten-wirkung verlorengeht.
Die sprachlichen Hindernisse und dadurch aufgebaute Vorurteile sind zweifellos überwindbar. Damit würde eine erste Hürde in den Gremien der Hochschule genommen. Es kommt aber weiter darauf an, daß vor allem die Fachbereichsräte von der Notwendigkeit und Machbarkeit der Neuordnung der Studiengänge überzeugt werden. Das ist nicht ein nur sprachliches, sondern auch ein konzeptionelles Problem, wie sich aus den vorhergehenden Ausführungen ergibt. Die Fach-bereiche selbst müssen die Fachcurricula erstellen und ständig überarbeiten.
Bei der Durchsetzung wird schließlich zu berücksichtigen sein, daß die koordinierende Funktion des Senats und des Hochschuldidaktischen Zentrums durchgreift. Die Einbettung erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlicher Elemente in das Fachstudium muß jedoch von den Fachbereichen geleistet werden, denn nur sie sind kompetent für die inhaltlichen Notwendigkeiten und Anforderungen ihrer Fächer. Das Hochschuldidaktische Zentrum kann nur seine Hilfe anbieten und überprüfende Instanz sein.
Die akademische Selbstverwaltung ist ein Instrument des hochschulinternen Ausgleichs und eine organisatorische Maßnahme zur Sicherung der Wissenschaftsfreiheit. In die Zuständigkeit der Gremien kann von außen, insbesondere von der Staatsgewalt, nicht ohne weiteres „hineinregiert" werden. Gremien sind darüber hinaus nur schwer zur Verantwortung zu ziehen. Damit hängt die Durchsetzung des Anleitstudiums mehr oder weniger von der Bereitschaft der Fachbereiche zu aktivem Handeln ab.
Die Gründe dafür, daß das Anleitstudium bis heute nicht verwirklicht wurde lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. Die Vorstellungen der Bildungskommission sind im Gutachten nur umrißhaft dargestellt und bleiben im Theoretischen stek-ken.
2. Die theoretischen Grundlagen des sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr reichen als Anstoß für die Entwicklung der Fachcurricula nicht aus. Darüber hinaus überfordern sie Lehrende und Lernende.
3. Organisation und Struktur einer Gruppen-hochschule mit akademischer Selbstverwaltung sind für Studienreformmaßnahmen zu schwerfällig; dies trifft besonders zu bei einer Hochschulneugründung.