Die deutsch-polnischen Schulbuchempfehlungen für Geschichte und der Geschichtsunterricht
Siegfried Graßmann
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Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht, welche Rolle die deutsch-polnischen Schulbuchempfehlungen lur den Geschichtsunterricht der Bundesrepublik Deutschland spielen können. Die Schulbuchempfehlungen nennen als Zielsetzung Friedenssicherung und Völkerverständigung. Diese Ziele sind aber nur sehr indirekt in den Lehrplänen beider Länder wiederzufinden. — Die Empfehlungen verlangen, daß die Geschichte der Beziehungen zwischen Deutschland und Polen von den Anfängen bis zur Gegenwart im Unterricht beider Länder behandelt werden soll. Diese Forderung ist zur Zeit einmal deswegen unerfüllbar, weil die Lehrpläne der Länder der Bundesrepublik Deutschland nur relativ wenige der in den Empfehlungen vorkommenden Themen überhaupt zur Behandlung Im Geschichtsunterricht vorsehen. Die Schulbücher müssen sich aber an den Rahmen und die Themen der Lehrpläne halten. Insofern sind die Schulbuchempfehlungen teilweise an der Unterrichtsrealität vorbeigeschrieben. Dies wird ausführlicher am Beispiel des Geschichtsunterrichts der Klassen 5 bis 10 in Nordrhein-Westfalen belegt. Die Arbeit der Schulbuchkommissionen kann nur über Umwege für die Schule wirksam werden. Eine der Voraussetzungen dafür ist zunächst die Existenz eines Geschichtsunterrichts in den Bundesländern, der Zeit und Raum lur die Behandlung der deutsch-polnischen Geschichte erhält. Die Schulbuchempfehlungen weisen im einzelnen noch eine Reihe von Unausgewogenhelten auf, sie sind aller ein wichtiger erster Schritt zur Bear beitung von Lehrplänen und Schulbüchern auf beiden Selten. In ihrer Gexamtheil wer den die Empfehlungen Im Augenblick sicher nicht zum Kriterium hu Schulbuchzulassungen In den Bundesländern werden, der Beitrag untersucht aber, welche lulle eine gute Hilfe für die weitem Arbeit bleien können.
Die deutsch-polnischen Schulbuchempfehlungen („Empfehlungen für Schulbücher der Geschichte und Geographie in der Bundesrepublik Deutschland und in der Volksrepublik Polen") sind im Frühjahr 1976 abgeschlossen worden. Seitdem hat sich um sie eine erhebliche Diskussion entwickelt: Die polnische Seite bemängelte mehrfach, daß diese Empfehlungen in der Bundesrepublik Deutschland nicht eingeführt bzw. nicht verwirklicht worden seien; auf deutscher Seite gab es neben organisatorischen Einwänden (Vielfalt des Schulbuchmarktes) und verfassungsrechtlichen Bedenken (Kulturhoheit der Bundesländer) auch erhebliche Vorbehalte zum Inhalt der Vereinbarungen.
Die Diskussion darüber, wie die Schulbuch-empfehlungen in Polen selbst verwirklicht wurden, ist in Deutschland nur in wenigen Ansätzen bisher geführt worden. Nur vereinzelt sind bisher Klagen über die mangelnde Umsetzung der „Empfehlungen" in den beiden polnischen Schulbüchern erhoben worden; soweit ich es übersehe, gibt es allerdings seit den älteren Arbeiten von Enno Meyer auch keine vollständige Überprüfung der polnischen Schulbücher von deutscher Seite seit 1976.
Welche Aufgaben, Fragestellungen und Probleme ergeben sich für die Durchführung der Schulbuchempfehlungen in den deutschen Schulgeschichtsbüchern und im deutschen Geschichtsunterricht?
Zielsetzung
In diesem Zusammenhang ist zunächst die formulierte Zielsetzung der Empfehlungen zu betrachten. Das Vorwort der Empfehlungen weist darauf hin, daß die Arbeit der Kommissionen „im Interesse der Friedenssicherung und der Verständigung beider Völker" zu führen sei. Obere Lernziele des Unterrichts wären demnach Friedenssicherung und Völkerverständigung; das bedeutet, Ergebnis des Unterrichts müßte sein, den Schüler zur Einsicht in die Notwendigkeit dieser Ziele zu führen und bei ihm die Bereitschaft zu entwickeln, den Frieden zu sichern und zur Völkerverständigung beizutragen.
Ein solches Lernziel ist nicht vorrangig auf Wissensvermittlung oder das Erlernen instrumentaler Fähigkeiten (Umgang mit Buch, Karte, Quelle usw.) ausgerichtet, sondern soll Veränderungen der Einstellung oder Verhaltensweise bewirken. Es gehört demnach zum Bereich der affektiven Lernziele.
In den didaktischen Überlegungen für den Geschichtsunterricht in der Bundesrepublik Deutschland nehmen solche — und andere — affektiven Lernziele zwar einen gewichtigen Platz ein, die Auseinandersetzung darum ist in letzter Zeit aber stark zurückgegangen. Ursache dafür ist keineswegs etwa die Ablehnung solcher Zielsetzungen, sondern vielmehr die Überlegung, daß es einmal nicht möglich ist zu überprüfen oder zu testen, wieweit solche Ziele erreicht worden sind oder überhaupt durch Unterricht erreichbar sind. Zum anderen hat es sich als unmöglich erwiesen, aus solchen oberen Lernzielen die Inhalte oder Themen des Unterrichts abzuleiten: Es ist nicht zu belegen, daß man Erziehung zu Frieden und Völkerverständigung durch Behandlung der Punischen Kriege, des Dreißigjährigen Krieges, des Zweiten Weltkrieges oder des Vietnamkrieges erreicht — oder gar dadurch, daß man statt Geschichtsunterricht in einem Unterricht anderer Art Aggressionsverhalten studiert.
Sehr viel unbefangener wird dagegen in polnischen Lehrplänen die Möglichkeit des Geschichtsunterrichts gesehen. Im Lehrplan für die achtklassige Grundschule (Geschichte Klasse 5—8) von 1970 heißt es: „Der Geschichtsunterricht zielt auf die Begründung von Vaterlandsliebe ab, auf die Verbundenheit der Jugend mit den fortschrittlichen und revolutionären Traditionen und auch mit den aktuellen Errungenschaften des polnischen Volkes beim Aufbau des Sozialismus; er entwickelt ein freundschaftliches Gefühl und Wertschätzung für andere Völker sowie ein Gefühl der Solidarität mit den um ihre soziale und nationale Befreiung kämpfenden Völkern.“ Abgesehen davon, daß das „freundschaftliche Gefühl. . . für andere Völker" und die Solidarität mit Befreiungskämpfen durchaus mit einer Erziehung zur Friedenssicherung kollidieren können, ergibt sich auch aus so formulierten Aufgaben des Geschichtsunterrichts keine zwingende Notwendigkeit, polnisch-deutsche Geschichte zu behandeln.
Immerhin sei angemerkt, daß „außenpolitische" Zielsetzungen wie Völkerverständigung und Friedenssicherung in den Plänen des Geschichtsunterrichts der deutschen Bundesländer kaum vorkommen. Kernpunkt bundesdeutscher Lernzielformulierungen war häufig: „Befähigung zur Selbst-und Mitbestimmung das oberste Lernziel“ oder „Bereitschaft und Fähigkeit zu politischem Engagement und politischem Handeln" oder „Fähigkeit und Bereitschaft zur Selbstbestimmung und zum verantwortlichen Handeln in der Gesellschaft" — Selbst stärker inhaltsbezogene Ziele weisen kaum auf einen internationalen Aspekt hin, z. B. „Achtung vor der Würde der Überzeugung anderer" Geschichtsunterricht „soll. .. das Streben nach freier und freiheitlicher, menschenwürdiger Gestaltung unserer Gesellschaft" wecken und pflegen sowie „das Einfühlungsvermögen in fremde Standpunkte . . . fördern"
In den Oberstufenkursen des historischgesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeldes tauchen allerdings die Zielsetzungen der Empfehlungen auf:
Mainzer Studienstufe: Fächerffruppenspezifi-sche Lernziele zum Themenkreis V. Die Regelung zwischenstaatlicher Probleme im Rahmen internationaler Beziehungen ..... Bereitschaft, sich für die situationsgerechte Friedenspolitik in der politischen Willensbildung einzusetzen, darin also eine individuelle staatsbürgerliche Aufgabe zu akzeptieren.
Bereitschaft, sich friedensfeindlichen Konzeptionen im eigenen Staat zu widersetzen, aber auch fremder Aggressionspolitik entgegenzutreten.
Bereitschaft über nationale Egoismen hinauszudenken und vertretbare zwischenstaatliche Kompromißlösungen politisch mitzutragen."
Richtlinien und Lehrpläne Hamburg (Oberstufe des Gymnasiums) — Gemeinschaftskunde Teilbereich IV Internationale Politik
„ 3. 1 Der Schüler soll das grundsätzliche Ziel der Außenpolitik, nämlich die Wahrung der Interessen des einzelnen Staates, kennen und dabei folgende Teilziele erklären können:
f) Erhaltung des Friedens nach außen.
3. 2 Der Schüler soll die Ziele von internationalen Organisationen erklären können: . . .
a) friedliche Lösung von Konflikten ..." Auch die Lehrpläne des Sozialkundebzw. Politikunterrichts der Sekundarstufe I (Klasse 5—10) enthalten vergleichbare Zielsetzungen. So wird in den Richtlinien für den politischen Unterricht in Nordrhein-Westfalen von 1973 — allerdings mit einer gewissen einseitigen und primär innenpolitischen Tendenz — folgendes Ziel in der Erziehung der Schüler angestrebt:
„Qualifikation 10 — Fähigkeit und Bereitschaft, Vorurteile gegenüber anderen Gesellschaften abzubauen, die Bedingungen ihrer Andersartigkeit zu erkennen, gegebenenfalls für die Interessen der Unterprivilegierten zu optieren sowie Strukturveränderungen in der eigenen Gesellschaft um einer gerechten Friedensordnung willen zu akzeptieren." Ähnlich lauten auch die Lernziele 39 bis 43 der Hamburger Richtlinien Sozialkunde/Poli-tik (Gymnasium — der Text für Haupt-und Realschulen ist fast identisch):
„ 41 Erkennen, daß Frieden nicht nur Verhinderung von Krieg, sondern auch durch zunehmende Verwirklichung der Menschenrechte und sozialen Ausgleich anzustreben ist."
„ 43 Erkennen, daß der Abbau sterotyper Feind-und Freundbilder ein Beitrag zur internationalen Sicherheit sein kann."
Wie wenig allerdings ein Gemeinschaftskunde-oder Politikunterricht unter den Zielsetzungen Friedenssicherung und Völkerverständigung einen Geschichtsunterricht oder gar einen Unterricht über die deutsch-polnische Geschichte konstituiert, zeigen die Themen (und Inhalte), die die nordrhein-westfälischen Richtlinien ihrer zehnten Qualifikationen zuordnen: „ 16. Stiefkinder der Wohlstandsgesellschaft 19. Entwicklungshilfe — Aufforderung zu einer unerwünschten Konkurrenz 20. Frieden — notfalls mit Gewalt?
21. Außenpolitik im Dienste der großen Industrie? 22. Nationaler Egoismus oder internationale Kooperation"
Das Vorwort der nordrhein-westfälischen Richtlinien setzt das Fach auch bewußt vom Geschichtsunterricht ab, wenn es betont: „... Politischer Unterricht (ist) nicht mit dem Geschichtsunterricht oder der Zeitgeschichte gleichzusetzen: er kann ihn auch nicht ersetzen."
Zusammenfassend kann folgendes festgestellt werden: Es ist sicher für Deutschland und Polen wie für alle Staaten anzustreben, daß die Unterrichtsziele Friedenssicherung und Völkerverständigung in den Vordergrund gestellt werden. Sie tauchen in beiden Ländern unterschiedlich akzentuiert an verschiedenen Stellen auf In der Bundesrepublik Deutsch-* land sind sie nicht obere Ziele bei der Beschäftigung mit Geschichte, sie finden sich mehr in den gemeinschaftsbzw. sozialkundli-chen Plänen.
Zwar Ist nicht zwingend zu begründen, daß man diese Ziele allein durch Geschichtsunterricht erreichen könne. Auch die Erziehung in anderen Bereichen — wie z. B. Fremdsprachenunterricht — kann zur Völkerverständigung beitragen.
Andererseits soll nicht übersehen werden, daß ein Geschichtsunterricht diese Zielsetzungen erfüllen — oder ihnen entgegenarbeiten kann. Insofern ist es von grundlegender Bedeutung, darauf hinzuweisen, daß das Verstehen der Völker und ihr friedliches Miteinander unbedingt ein Ziel des Geschichtsunterrichts sein muß.
Auf keinen Fall aber darf vergessen werden, daß es bei der Entwicklung deutsch-polnischer Beziehungen eben nicht nur um strukturelle allgemeine Völkerverständigung geht, sondern daß hier ein ganz bestimmtes Verhältnis der Menschen zweier Völker zueinander vorliegt. Das ist in entscheidendem Umfang durch die historische Erfahrung unter anderem auch im Geschichtsunterricht — und zwar über lange Zeiten negativ — geprägt worden. Dies darf man nicht verdrängen, sondern man muß durch Aufarbeitung, kritische Reflexion und wohl auch durch eine Neubewertung zahlreicher Fakten im Sinne partnerschaftlicher Gleichheit die historischen Tatsachen und Beurteilungen erneuert im Bewußtsein beider Völker verankern.
Nach der Zielsetzung Friedenssicherung und Völkerverständigung sahen die Kommissionen ihre Hauptaufgabe darin, „Empfehlungen für Schulbuchautoren und Lehrer in beiden Ländern auszuarbeiten für die Behandlung zunächst der Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen von den Anfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges und sodann der Periode der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen."
Kern der Kommissionsarbeit war es also, Empfehlungen für die Behandlung der Geschichte der Beziehungen beider Länder aufzustellen. Verständlicherweise konzentrieren sich die Empfehlungen dabei „auf diejenigen Perioden und Probleme der Geschichte des deutsch-polnischen Verhältnisses .. die in den Schulbüchern auf beiden Seiten besonders unzulänglich behandelt" wurden
Die „unzulängliche" Behandlung meint offensichtlich sowohl die falsche Darstellung der Nachbar-bzw. eigenen Geschichte, wie auch das Weglassen von historischen Tatsachen und Gesichtspunkten, die jeweils dem anderen wichtig erscheinen.
Im weiteren Text des Vorwortes heißt es zunächst: „Die gemeinsame Kommission ist überzeugt, daß die Schul-und Unterrichtsbehörden sich bemühen werden, die der Öffentlichkeit regelmäßig bekanntgegebenen Empfehlungen sobald wie möglich in den Schulbüchern und in der Unterrichtspraxis zu berücksichtigen." Am Ende des Vorwortes geht man aber über diesen Wunsch nach Berücksichtigung noch hinaus, wenn „die Mitglieder der gemeinsamen Kommission der Hoffnung Ausdruck (geben), daß die von ihr erarbeiteten Empfehlungen mit Hilfe der Kultusbehörden und der Unterstützung der öffentlichen Meinung in möglichst kurzer Zeit in die Schul-und Unterrichtspraxis eingeführt werden."
Die Kommissionsarbeit bezweckte also mehr, als lediglich die Geschichtsbücher zu revidieren, die die Schulen gelangen. Es geht keineswegs nur darum, Darstellungen in den Schulbüchern, die von dem Nachbarland als ungenügend werden, zu -empfunden korrigie ren, sondern die Empfehlungen enthalten zwei Forderungen:
1. Die Geschichte der Beziehungen zwischen Deutschland und Polen soll von den Anfängen bis zur Gegenwart in den Schulbüchern und im Unterricht beider Länder behandelt werden.
2. Die Art der Darstellung der Beziehungsgeschichte zwischen Deutschland und Polen wird durch die Empfehlungen vorgegeben. Schulbücher und Unterricht sollten den vorgelegten Texten nicht widersprechen.
Beide Forderungen zielen weit über eine Schulbuchrevision hinaus und betreffen den gesamten Geschichtsunterricht in beiden Län-15 dem in seinem Umfang, seinen Schwerpunkten, seiner Stundenzahl usw. Außerdem würden sie die Lernbuchherstellungen beeinflussen.
Einer der Konflikte um die deutsch-polnischen Schulbuchvereinbarung zwischen der polnischen Regierung und der Bundesregierung bzw.der deutschen Länderregierungen entstand zweifellos aus einem unterschiedlichen Vorverständnis der Bedeutung dieser Empfehlungen. Während man auf deutscher Seite meinte, „daß eine solche Skizzierung des fachwissenschaftlichen Diskussionsstandes von heute zur Orientierung von Schulbuchautoren und Geschichtslehrern ... dienlich sein wird“ ging die polnische Seite offensichtlich immer davon aus, daß konkrete, unmittelbar umsetzbare Unterrichtsvorlagen erstellt worden seien, die möglichst ohne Abstriche direkt übernommen und durchgeführt werden sollten.
Da die polnischen Geschichtsbücher sehr viel mehr über die deutsch-polnischen Beziehungen und Deutschland bringen als deutsche Geschichtsbücher, lag es für die polnische Seite nahe, den gesamten Umfang der Empfehlungen auch als Stoffkanon anzusehen.
Zusätzlich belastet wurden Arbeit und Ergebnisse der deutsch-polnischen Schulbuchkommission dann durch die Einbeziehung in die außenpolitischen Beziehungen beider Länder. Die polnische und Regierung Öffentlichkeit betrachteten mit für einer einen Deutschen erstaunlichen Emotion dieses Schulbuchabkommen als Prüfstein für die Reichweite neuer polnisch-westdeutscher Beziehungen nach dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlage der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen vom 7. Dezember 1970. In der Bundesrepublik Deutschland wurde ebenfalls im Zusammenhang mit diesen Schulbuchempfehlungen von „historisch wissenschaftlicher Diplomatie" gesprochen, häufig aber erstreckte sich eine Kritik gegen die Ostpolitik der Regierung automatisch auch auf die Schulbuchvereinbarung.
Die Schulbuchempfehlungen und die Lehrplansituation in der Bundesrepublik Deutschland
Um die Bedeutung der Schulbuchempfehlun-gen für den Geschichtsunterricht in der Bundesrepublik Deutschland richtig einzuschätzen, muß man einmal ihren Inhalt mit den Inhalten der Lehrpläne für Geschichte an deutschen Schulen vergleichen. Da in den elf Bundesländern meist getrennte Pläne für Hauptschule, Realschule und Gymnasium, teilweise sogar noch für die Gesamtschulen vorliegen, sowie noch gesonderte Pläne für die gymnasiale Oberstufe in der Sekundarstufe II jedes Bundeslandes, beschränkt sich diese Untersuchung auf das 5. bis 10. Schuljahr des volk-reichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, in dem rund 30 Prozent aller bundesdeutschen Kinder zur Schule gehen.
Die Lehrpläne Nordrhein-Westfalens sind 1973 neu bearbeitet herausgekommen; sie stellen für den Bereich der Gymnasien nur Empfehlungen dar, d. h., auch die zehn Jahre älteren Richtlinien können daneben noch Grundlage des Unterrichts sein.
Lehrplan Hauptschule Aus den 26 Schulbuchempfehlungen werden nur die Empiehlung 5 (Die mittelalterliche deutsche Siedlung im östlichen Mitteleuropa) für das Unterthema „Ostsiedlung" im 6. Schuljahr und die Empiehlung 26 (Auf dem Wege zur Normalisierung) für ein Fallstudienbeispiel „Unser Staat, die Bundesrepublik — Seine Position und seine Möglichkeiten im weltpolitischen Kräftespiel" im 8. Schuljahr benötigt.
Das Thema „Ostsiedlung“ umfaßt 1 bis 4 Unterrichtsstunden von insgesamt 56 im 5. und 6. Schuljahr. Die Fallstudie wird in drei verschiedenen Formen angeboten; sie enthält im zweiten Beispiel die Möglichkeit: „ 3. 7. 2 Interpretation und Beurteilung der Ostverträge sowie die Äußerungen der bundesdeutschen Parteien und der westlichen Verbündeten zu den Verträgen". Auch dafür dürfte kaum mehr als eine Unterrichtsstunde zur Verfügung stehen.
Von den anderen Empfehlungen können eventuell innerhalb anderer Themen noch folgende hinzugezogen werden:
Empfehlung 6 (Polen und der Deutsche Orden), falls die Territorialentwicklung in der Ostsiedlung behandelt wird.
Empfehlung 9 (Preußen und die Teilungen Polens), falls unter dem Thema Absolutismus auf „Die Lage im europäischen Osten und Südosten, vornehmlich beginnende Europa-Orientierung Rußlands" eingegangen wird.
Empiehlung 8 (Der polnische Staat im Zeitalter der Aufklärung) wird kaum unter „Aufklärung — die gesellschaftlichen und geistigen Wandlungen im Europa des 18. Jahrhunderts“ einzubringen sein, ebensowenig wie die
Empfehlung 10 (Der Kampf des polnischen Volkes um Freiheit und Unabhängigkeit) und
Empfehlung 11 (Der Einfluß des polnischen Freiheitskampfes auf Deutschland) unter „Die Revolution von 1848 in Europa und ihr Scheitern"; dieses Einzelthema ist eines von 16 verbindlichen Themen bei 24 zur Verfügung stehenden Unterrichtsstunden.
Schließlich kann noch Empfehlung 20 (Die nationalsozialistische Besatzungspolitik und der Widerstand im Zweiten Weltkrieg) beim Thema Faschismus unter Umständen Berücksichtigung finden.
Die Empfehlungen 1, 2, 3, 4, 7, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 21, 22, 23, 24 und 25 sind zur Zeit nicht erforderlich, um einen lehrplangerechten Unterricht in den Hauptschulen Nordrhein-Westfalens durchzuführen. Kein Thema dieser Empfehlungen ist in den Problembereichen, den historischen Einzelthemen oder der politischen Bezugnahme des Lehrplanes direkt angesprochen; der Lehrplan und die Zielsetzung des Unterrichts können ohne die in diesen Empfehlungen angesprochenen Themen der deutsch-polnischen Beziehungsgeschichte erfüllt werden.
Lehrplan Realschule In dem Lehrplan der Realschule in Nordrhein-Westfalen tauchen nur zwei Themen auf, die unmittelbar Bezug zu den Empfehlungen aufweisen: In der 7. Klasse wird in der Unterrichtseinheit „Das Mittelalter um 1200" die Ostsiedlung behandelt, für die die Empfehlung 5 (Die mittelalterliche deutsche Siedlung im östlichen Mitteleuropa) und teilweise Empfehlung 6 (Polen und der Deutsche Orden) herangezogen werden können. — Die Empfehlung 12 (Industrialisierung) könnte beim Thema „Aufbau der Industriegesellschaft unter Führung des Bürgertums" der 8. Klasse beachtet werden. — Die Unterrichts-einheit „Der Faschismus", vorgesehen mit 18 Stunden in der 9. Klasse, enthält unter anderem Hitlers Außenpolitik und Probleme des Widerstandes, so daß hierfür die Empfehlung 20 (Die nationalsozialistische Besatzungspolitik und der Widerstand im Zweiten Weltkrieg) und eventuell noch die Empfehlung 19 (Zu den deutsch-polnischen Beziehungen 1933 bis 1939) herangezogen werden können. — Die Unterrichtseinheit „Die Revolution der Bolschewik!" wird dagegen kaum die Inhalte der Empfehlung 15 (Die Oktoberrevolution und Polen) streifen. Ebensowenig lassen die Themenformulierungen und Intentionen des Themas „Das Bürgertum als Träger des liberalen und nationalen Gedankens" im 19. Jahrhundert erwarten, daß die Inhalte der Empfehlungen 10 (Kampf des polnischen Volkes um Freiheit und Unabhängigkeit) oder 11 (Einfluß des polnischen Freiheitskampfes auf Deutschland) eine Rolle spielen werden.
Für die Erfüllung des Realschullehrplanes sind demnach die Inhalte der Empfehlungen 1, 2, 3, 4, 7, 8, 9, 13, 14, 16, 17, 18, 24, 25 und 26 ohne Bedeutung, selbst die Empfehlungen 21 (Territoriale Veränderungen), 22 (Bevölkerungsverschiebungen) und 23 (Aufbauprobleme) werden in ihren Themenbereichen im Lehrplan nicht angesprochen.
Lehrplan Gymnasium Die Unterrichtsempfehlungen für die Gymnasien sind wesentlich differenzierter und detaillierter. Es sollen hier die Themen aufgeführt werden, bei denen sich thematische Berührungen mit den Empfehlungen ergeben könnten.
Aus dem 7. Schuljahr „ 8. 1 Die Christenheit ums Jahr 1000 8. 1. 3 Christianisierung und Kolonisation der Slawen 8. 5 Europa um 1200: Ausdifferenzierung der politischen Einheit im Königreiche unter christlichem Dach: England — Frankreich — ein slawisches Königreich. 8. 7 Die Stadt des Mittelalters und die Städtebünde: die italienische Stadt, die deutsche Reichsstadt, Hansestadt, Bischofsstadt, fürstliche Landesstadt, Kolonialstädte, deutsche Inseln im slawischen Volksraum."
Hierfür kämen die Empfehlungen 2 (Die Entstehung der europäischen Staaten im Mittel-alter) und 5 (Die mittelalterliche deutsche Siedlung im östlichen Mitteleuropa) in Frage. — Eine Empfehlung zum Thema Christianisierung gibt es nicht.
Aus dem 8. Schuljahr (umfaßt die Zeit von 1492— 1917)
„ 9. 2. Absolutismus 9. 2. 2 Strukturanalyse des europäischen Mächtekonzerts und seiner sozioökonomischen Bedingungen, Stil der internationalen Politik an Beispielen vom Westfälischen Frieden bis zum Wiener Kongreß 9. 4 Der Nationalstaat im 19. Jahrhundert 9. 4. 1 Der Kampf um Freiheit und Einheit (als Schwerpunkt das deutsche Beispiel: Struktur-analyse des Bismarckreichs)
9. 4. 2 Die industrielle Revolution und die soziale Frage bis 1918."
Zur Behandlung der hier vorgeschriebenen Themen könnte vielleicht die Empfehlung 9 (Preußen und die Teilungen Polens) herangezogen werden, falls nicht andere Beispiele des europäischen Mächtekonzerts behandelt werden. Empfehlung 13 (Der Kampf des polnischen Volkes um Freiheit und Unabhängigkeit) entfällt sicher, Empfehlung 11 (Der Einfluß des polnischen Freiheitskampfes auf Deutschland) könnte ganz am Rande unter Umständen berücksichtigt werden. Die Empfehlung 12 (Industrialisierung) könnte ebenfalls herangezogen werden, wenn nicht statt Lodz eben doch Manchester und Liverpool in den Vordergrund gestellt werden.
Aus dem 9. und 19. Schuljahr (1914 — Gegenwart) „ 10. 1 Das Ringen um Frieden 10. 1. 1 Der Zusammenbruch der europäischen Ordnung im 1. Weltkrieg (Ausbruch — Kriegsschuldfrage) — das Jahr 1917: Krise und Wendepunkt — Versailler Vertrag 10. 1. 2 Friedensinitiativen und Modelle zur Friedenssicherung: z. B. Kants Modell einer Föderation freier republikanischer Staaten — Heilige Allianz — Bismarcks Bündnissystem — Nobels Vorstellung vom Gleichgewicht des Schreckens — Haager Land-und Seekriegsordnung (1899/1907) — Wilsons 14 Punkte — Völkerbund — Briand-Kellog-Pakt (einige Konfliktfälle: z. B. die orientalische Frage, Sarajevo) 10. 1. 3 Der Nationalismus als Gefahr für den Frieden — Probleme der nationalen Minder-heiten in Europa — die Versuche zur Revision des Versailler Vertrages — die Krise der Demokratie in Europa, und faschistische Bewegungen 10. 1. 4 Der Nationalsozialismus: Absage an eine Friedensordnung — Hitlers Versuch einer gewaltsamen Neuordnung Europas: Hitlers Außenpolitik — Eroberung Europas durch Hitler — Deutschland im Verein mit der Sowjetunion (1939— 1941) — Niederlage Deutschlands 10. 1. 5 Teilung Europas und die Versuche seiner Integration: Kalter Krieg — Blockbildungen — Marshallplan — Nato — War-schauer Pakt u. a. — Gegenüberstellung der verschiedenen Formen und Methoden politischer, militärischer und wirtschaftlicher Zusammenarbeit in , West'-und . Osteuropa'10. 1. 6 Friedensbemühungen über die Grenzen der Blockbildungen hinweg: Die Vereinten Nationen — Atomstoppabkommen — Nonproliferationsvertrag — Saltgespräche u. a. (einige Konfliktfälle: z. B. Berlin-Blockade, Suez-Krise, Kuba-Krise, Sechs-Tage-Krieg) 10. 2 Deutschland im 20. Jahrhundert 10. 2. 1 Die Weimarer Republik: Entstehung und Ausgangslage — Das Weimarer Regierungssystem — Radikalisierung und Wirtschaftskatastrophe — der politische Zusammenbruch 10. 2. 2 Das . Dritte Reich': Die Zerstörung des demokratischen Rechtsstaats — von der Judenverfolgung zur Judenvernichtung — der deutsche Widerstand — der Zusammenbruch 10. 2. 3 Das geteilte Deutschland: Die Deutschandpolitik der Sieger — BRD und DDR im Vergleich: Entstehung und Konfrontation — politische Systeme — wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung — Probleme: Berlin — Ostgebiete — Wiedervereinigung — Neue Ostpolitik."
Es folgen noch fünf weitere Themen: 10. 3 Die Vereinigten Staaten von Amerika 10. 4 Die Union der sozialistischen Sowjetrepubliken 10. 5 Chinas Weg vom Kaiserreich zum Kommunismus 10. 6 Der Nahe Osten 10. 7 Geschichte und Politik der Entwicklungsländer Die Zitierung erfolgte so ausführlich, damit man sich einen Überblick über die Akzentuierung und Gewichtungen innerhalb der Themen verschaffen kann und von daher besser einschätzt, welchen Anteil die deutsch-polnische Geschichte haben kann. Für das Thema 10. 2. 3 können die Empfehlung 21 (Territoriale Veränderungen), Empfehlung 22 (Bevölkerungsverschiebung) Empfehlung 23 (Aufbauprobleme) und Empfehlung 26 (Auf dem Weg zur Normalisierung) durchaus herangezogen werden; es handelt sich aber lediglich um zwei Stichworte (Ostgebiete, Neue Ost-politik) im dritten Unterthema von sieben Hauptthemen.
Die Empfehlung 14 (Der erste Weltkrieg und die deutsch-polnischen Beziehungen) dürfte bei den Themen 10. 1. 1 und 10. 1. 2 kaum zum Zuge kommen, vielleicht noch eher bei Thema 10. 1. 3
Empfehlung 16 (Der Zusammenbruch der Mittelmächte und die deutsch-polnischen Beziehungen), 17 (Grenzfragen) und 18 (Das deutsch-polnische Verhältnis in der Weimarer Republik) sind ebenfalls für das Thema 10. 1. 3 unter Umständen heranzuziehen.
Die Empfehlungen 19 (Zu den deutsch-polnischen Beziehungen 1933— 1939) und 20 (Die nationalsozialistische Besatzungspolitik und der Widerstand im Zweiten Weltkrieg) können für das Thema 10. 1. 4 (Nationalsozialismus) eine Rolle spielen. Für Thema 10. 1. 5 kann die Empfehlung 25 (Der internationale Rahmen) wichtig sein.
Innerhalb der Behandlung der UdSSR wird kaum Platz sein, auf die Inhalte der Empfehlung 15 (Die Oktoberrevolution und Polen) einzugehen, aber die Empfehlungen 21, 22, 23, 25 und 26 kommen indirekt wieder vor.
Unmittelbare Bedeutung erlangen könnten aber alle Empfehlungen für einen Wahlbereich Geschichte, der für die Schüler der Gymnasien Nordhrein-Westfalens im Lehrplan angeboten wird und als eines von sieben Themen das „Verhältnis von Deutschland und Polen" vorsieht.
Wenn man zusammenfaßt, welche Inhalte der Lehrpläne in Nordrhein-Westfalen mit den Inhalten der Empfehlungen übereinstimmen, so ergibt sich folgendes Bild: Die Empfehlungen und der nordrhein-westfälische Geschichtsunterricht Klasse 5— 10
Dieses Bild dürfte sich durch die Hinzuziehung weiterer Lehrpläne kaum entscheidend verändern
Diese Übersicht zeigt Möglichkeiten die und Grenzen der Schulbuchempfehlungen auf. Einerseits treffen die Inhalte der Mehrzahl der 26 Empfehlungen in der einen oder anderen Form auf Themen der Geschichtslehrpläne, andererseits wird nur ganz wenig von dem, was inhaltlich in den Empfehlungen vorkommt, auch direkt im Unterricht an deutschen Schulen im Augenblick behandelt werden. Wie konnte es geschehen, daß die Schulbuchempfehlungen für Geschichte so weit an der gegenwärtigen Unterrichtsrealität der Bundesrepubik Deutschland vorbeigeschrieben wurden?
Die Empfehlungen vollziehen einen chronologischen Gang durch die Geschichte; sie konzentrieren sich im wesentlichen auf politische Ereignisgeschichte. Es wird dabei ein Durchgang durch die Beziehungsgeschichte beider Völker unternommen.
Damit verfehlen die Empfehlungen aber die Tendenzen, die der modernisierte Geschichtsunterricht der Bundesrepublik Deutschland seit einiger Zeit verwirklicht: Die Ansätze eines strukturalistischen Unterrichts bleiben völlig unberücksichtigt, ebenso kommen alle sozial-und wirtschaftsgeschichtlichen Aspekte zu kurz. Schließlich bemüht sich der Geschichtsunterricht seit Jahrzehnten, eine zu starke Orientierung auf Deutschland zu überwinden und auch über eine Europa-Zentrierung hinweg zu universalgeschichtlicher Betrachtung vorzustoßen. Diese vier Momente der Struktur-, Wirtschaftsund Sozialgeschichte und Universalgeschichte bieten wenig Ansatzmöglichkeiten, einen beziehungsgeschichtlichen Durchgang durch die Geschichte zu realisieren.
Die Schulbuchempfehlungen für Geschichte-wurden allerdings auch in einer Phase erarbeitet, in der über den Geschichtsunterricht der Bundesrepublik Deutschland in außergewöhnlichem Umfang diskutiert wurde mit der Folge erheblicher Veränderungen in Inhalt, Form und Methode des Unterrichts. Innerhalb dieser Entwicklung ist es vielleicht zu erklären, daß sich die Lehrplankommission fast ganz von der Realität des Unterrichts in den verschiedenen Bundesländern löste und sich fast ausschließlich auf die fachwissenschaftliche Diskussion von meist Osteuropahistorikern stützte.
Prof. Georg Eckert hat diese Gefahr rechtzeitig erkannt und stets davor gewarnt, eine Schulbuchempfehlung zu verfassen für einen Unterricht, den es nicht mehr gäbe. Sein früher Tod unterbrach hier sinnvolle Ansätze. Das darauffolgende Interregnum in der Leitung des Braunschweiger Schulbuchinstituts, das Gerangel der Bundesländer um die Weiterführung dieser Institution und die Besetzung der Kuratoriumssitze, ohne daß das inzwischen in Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung umbenannte Institut institutionell und personell ausreichend ausgestattet worden wäre, seine Aufgaben in engem Kontakt mit der Schulwirklichkeit und den Kultusbehörden ganz auszufüllen — dies alles trug sicherlich dazu bei, daß hier eine zwar wissenschaftlich, diplomatisch und völB kerverbindend verdienstvolle Arbeit geleistet wurde, die aber nur über einige Umwege für die Schulwirklichkeit in Deutschland wirksam werden wird
Dazu trägt auch bei, daß jede Gewichtung der für den Unterricht doch unterschiedlich bedeutsamen Empfehlungen fehlt. Das wäre allerdings nur zu leisten gewesen, wenn an den Anfang eine Beschäftigung mit den Absichten und Möglichkeiten des Geschichtsunterrichts gestellt worden wäre.
Die Auseinandersetzung um die Empfehlungen in den Kultusministerien der Bundesländern ging bislang ebenfalls weitgehend an ihrer eigentlichen Zielsetzung vorbei. Es wurden viel zu wenig konkret die Schulbücher untersucht, um zu prüfen, welche Texte, welche Stoffauswahl und welche Darstellung korrekturbedürftig oder besonders empfehlenswert seien. Dort, wo Einzelanalysen vorlagen erlangten sie nicht in dem Umfang die Öffentlichkeit, in dem die Grundsatzdebatte über „Einführung" oder Ablehnung der Empfehlungen geführt wurde.
über die Frage, ob und welche Auswirkungen die Arbeit der Schulbuchkommission auf die Lehrpläne für den Geschichtsunterricht haben kann und soll, ist von den Ministerien überhaupt nicht gesprochen worden. „Lehrplangemäßheit" ist aber mit Recht ein entscheidendes Kriterium der Schulbuchzulassung in der Bundesrepublik Deutschland.
Es ist der Diskussion auch wenig dienlich, wenn sich entschiedene Befürworter der Empfehlungen in solchen Bundesländern wie Hessen erheben, die selbst den Geschichtsunterricht quantitativ am meisten beschnitten, wenn nicht in erheblichem Umfange abgeschafft haben
Hamburg schließlich verteilt die Empfehlungen in Klassensätzen an die Schulen, um sie „zum Gegenstand des Unterrichts zu machen und die Schüler zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Empfehlungen zu veranlassen"
Dieses Verfahren — das kaum im Sinne der Schulbuchkommission sein dürfte — kann zwar für Schüler der Sekundarstufe II in Einzelfällen sinnvoll sein, insgesamt wird damit aber der zweite Schritt vor dem ersten getan: Die Schüler reden über das Bild von der Geschichte, ohne vorher den Tatsachen der Geschichte begegnet zu sein. Wie eine kritische Auseinandersetzung mit den Empfehlungen für Schulbücher vollzogen werden soll von Schülern, die Schulbücher mit dem Inhalt dieser Geschichte nicht besitzen, bleibt Geheimnis der Hamburger Behörde.
Einzelheiten der Empfehlungen
Die 26 Empfehlungen unterscheiden sich nach der Art der Darstellung in drei Typen:
Die Mehrzahl von ihnen berichtet über und deutet die historischen Ereignisse und Verhältnisse. In zwei Fällen [Empfehlung 3 „Schlesien und Pommern in der Frühgeschichte Polens 10. — 13. Jahrhundert" und Empfehlung 6 „Polen und der Deutsche Orden") erfolgte eine Gegenüberstellung der deutschen und der polnischen Auffassung der Geschichtsschreibung und der Schulbücher. Auch die 18. Empfehlung (Das deutsch-polnische Verhältnis in der Weimarer Republik) schildert abwägend die politischen Einstellungen beider Seiten, wie auch die 12. Empfehlung (Industrialisierung) eine Gegenüberstellung der wechselseitigen Beziehungen bei der Industrialisierung versucht. Dieses Vorgehen der Empfehlungen könnte der Schulbucharbeit entscheidend weiterhelfen. Eine ganze Reihe anderer Empfehlungen (Empfehlungen 1, 5, 7, 9, 12, 13, 20) enthält recht kategorische Aufforderungen, was in den Geschichtsbüchern „berücksichtigt", „behandelt werden sollte", worauf „hingewiesen werden muß“. 22 Hierfür zwei Beispiele aus der 7. Empfehlung (Die kulturellen und konfessionellen deutsch-polnischen Beziehungen im Zeitalter der Renaissance und des Barock.):
„Der eigenständigen Entwicklung und Leistung der polnischen Kultur in der Renaissance und der Aufklärung sollte im Rahmen der Darstellung der Evolution des europäischen Geisteslebens durch Erwähnung in den Schulbüchern stärker als bisher Rechnung getragen werden.“ „Die im Königreich Polen herrschende nationale und religiöse Toleranz bedarf ebenso einer Berücksichtigung wie der besondere Charakter der polnischen Reformation, deren bestimmende geistig-intellektuelle Antriebe und politische Motivation vor dem Hintergrund der generellen geistlichen Erneuerung in den Schulbüchern nicht verschwiegen werden dürfen.“
Mag man in diesem Fall die Empfehlung insgesamt als eine Überziehung der Forderungen an die Schule ansehen, die durch einseitige Überbewertung des eigenen Forschungsgebietes durch Fachhistoriker entstanden ist, so zeigt es sich hier, daß es einfach nicht möglich ist, umfassend „die ... Empfehlungen ... in den Schulbüchern und in der Unterrichts-praxis zu berücksichtigen"
Eine ähnliche Überbewertung der historischen Einzelheiten findet sich beispielsweise in der 8. Empfehlung: „Es muß unterstrichen werden, daß Polen während der Aufklärung einer der aktivsten Brennpunkte der europäischen Kultur war ... Nach den neuesten Ergebnissen der historischen Forschung beider Seiten spielte dabei Stanislaw August Poniatowski eine große Rolle. Er war ein König von ausgeprägter politischer Individualität." Es ist dem Geschichtsunterricht an allgemeinbildenden Schulen nun einmal versagt, in den 200 bis 300 Unterrichtsstunden, die ihm bis zur 10. Klasse zur Verfügung stehen, alle ausgeprägten politischen Individualitäten der Weltgeschichte zu behandeln. Und auch die noch folgenden, meist wahlfreien Kurse der gymnasialen Oberstufe werden das nicht leisten können.
Die Empfehlungen mit diesem Aufforderungscharakter betreffen keineswegs nur besonders kontroverse Abschnitte der Geschichte oder besonders schmerzliche Lücken in der Darstellung. Sie dürften eher zufällig bedingt sein, entstanden durch die lange Zeitdauer der vierjährigen Ausarbeitung. Diese Empfehlungen beanspruchen daher auch keine besondere Priorität.
An einer — zugegebenermaßen besonders emotional belasteten — Stelle werden die kategorischen Forderungen besonders einseitig, und gehen dabei auch durchaus an der Realität der deutschen Schulbücher vorbei. In der 20. Empfehlung (Die nationalsozialistische Besatzungspolitik und der Widerstand im Zweiten Weltkrieg) heißt es für die deutschen Bücher: „Bei der Behandlung des Zweiten Weltkrieges sollten die nationalsozialistische Besatzungspolitik und ihre Konsequenzen für das polnische Volk hinreichend dargestellt werden. Es sollte deutlich werden, daß die Politik des Hitler-Regimes . . . die Umwandlung Polens in einen Kolonialraum anstrebte. Es sollten sowohl diese Tatsache als auch ... die ... polnische Widerstandsbewegung ... gewürdigt werden.“
Für die polnischen Bücher dagegen wird in der Fortsetzung geschrieben: „Es ist zu begrüßen, daß in polnischen Schulbüchern zwischen Deutschen und . Hitlerfaschisten'unterschieden wird, und es wäre zu wünschen, daß die deutsche Widerstandsbewegung ... ausführlicher berücksichtigt wird." Hier suggerieren die Empfehlungen eine Ungleichgewichtigkeit in weitgehend unzulängliche deutsche Geschichtsbücher einerseits und eine fast vollkommene Darstellung in den polnischen Unterrichtswerken andererseits, die durch die Realität nicht zu erhärten ist Im bemerkenswerten Gegensatz dazu ist mit großer wissenschaftlicher Distanz und Nüchternheit die 22. Empfehlung („Bevölkerungsverschiebungen") formuliert, die — vielleicht gerade deswegen — in der öffentlichen Diskussion der Bundesrepublik Deutschland recht umstritten ist, u. a.deshalb, weil der bei uns bislang allgemein gebräuchliche Begriff der Vertreibung hier sehr abwägend in die verschiedenen Stufen der Evakuierung, Flucht, Ausweisung und Zwangsumsiedlung differenziert worden ist. Es fällt allerdings auf, daß der Plural der Überschrift sich offensichtlich nur auf die Deutschen bezieht. Eine Empfehlung, wie die Verschiebungen der polnischen Bevölkerung in den Schulbüchern dargestellt werden sollen, fehlt
Mangelnde Reversibilität der Empfehlungen:
Ein Stein des Anstoßes in der öffentlichen Diskussion der Bundesrepublik Deutschland ist sicher, daß in den Empfehlungen sehr viel öfter Fragen und Probleme der polnischen Geschichte als solche der deutschen angesprochen werden und daß die Art der Darstellung vielfach nicht gleichrangig oder umkehrbar ist.
Das ungleich größere Gewicht und Interesse an der Geschichte in Polen ergibt sich aus einer Reihe von Gründen:
1. Die Legitimität und Identität des polnischen Staates wurden über lange Zeiten nicht aus der jeweiligen Gegenwart, sondern nur durch Rückgriff auf die Geschichte hergestellt. 2. Die nationale Empfindlichkeit ist auch ein Ergebnis der Unterdrückung durch übermächtige Nachbarn. 3. Besinnung auf die eigene Geschichte war Vehikel der nationalen Selbstbehauptung. 4. Die Hinwendung zur Geschichte in der Gegenwart trägt auch zur Emanzipation von der Sowjetunion bei, erfüllt mit Stolz und tröstet über eine unbefriedigende Gegenwart hinweg. 5. Ein nationales Geschichtsbewußtsein in Polen dient der Legitimierung des Status quo, während es in Deutschland erhebliche revisionistische Elemente enthalten könnte.
Wie polnische Geschichte dargelegt wird, mögen einige Beispiele zeigen. In der 10. Empfehlung heißt es: „Das polnische Volk hat sich nach dem Verlust der Eigenstaatlichkeit in keinem der drei Teilungsgebiete mit der Tatsache der Teilung abgefunden; es hat vielmehr den Kampf um Freiheit und Unabhängigkeit ausgenommen" oder „Der Wiener Kongreß hatte die polnische Frage nicht zur Zufriedenheit des polnischen Volkes gelöst...“ Man versuche einmal, hier statt „polnisches Volkes" „deutsches" Volk einzusetzen und statt „Wiener Kongreß" „Potsdamer Konferenz"!
Ergebnisse
Man betrachte ferner in der 26. Empfehlung (Auf dem Wege zur Normalisierung) den Satz: „Für Polen blieb die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze die Grundbedingung für die Normalisierung der zwischenstaatlichen Beziehungen". — Was ist für die Deutschen Bedingung normaler zwischenstaatlicher Beziehungen? Diese Frage wird den Schulbuch-autoren beider Länder durch die Empfehlungen nicht beantwortet; sie ist in der Form vielleicht auch gar nicht beantwortbar. Daß sie überhaupt nicht gestellt oder bedacht worden ist, muß als Defizit festgehalten werden: Wir sollten auch hier die Mahnung des Bundespräsidenten Heinemann beachten, nicht nur eine Geschichte der Sieger zu schreiben.
Es erscheint weniger wesentlich, ob die Schulbuchempfehlungen „eingeführt" oder „abgelehnt" werden. Zweifellos wird man den Text, so wie er vorliegt, nicht zur Grundlage der Schulbuchzulassungen in den Bundesländern nehmen können; wichtiger ist aber, daß auch diejenigen, die diese Empfehlungen ablehnen, Alternativen der Behandlung der deutschen, der polnischen und der gegenseitigen Geschichte aufzeigen und ihre Auffassungen in die wissenschaftliche, didaktische und politische Diskussion beider Länder einbringen. Die schlechteste Lösung wäre es, den deutsch-polnischen Dialog um die gegenseitigen historischen Erfahrungen und das historische Bewußtsein beider Länder wieder zu verdrängen. Falsch wäre es aber auch, die Empfehlungen als endgültige Fixierung des gegenseitigen Geschichtsbildes festzulegen — das würde lediglich zu neuen Frustrationen oder Verdrängungen führen.
Welche Schlußfolgerungen ergeben sich nun aus den Schulbuchempfehlungen für den Geschichtsunterricht in unserem Land? Bei aller Kritik an Einzelheiten, Formulierungen oder Gewichtungen der Empfehlungen dürfen die positiven Auswirkungen der Arbeiten Schulbuchkommission keineswegs
übersehen werden.
Das Augenmerk der Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland ist in verstärktem Maße darauf gelenkt worden, die Existenz eines Nachbarn zu beachten. Dabei zeigte sich, daß die Auseinandersetzung mit der Geschichte zweier Völker notwendig ist, um die Grundlagen gegenseitiger Beziehungen zu legen. War die Darlegung der eigenen Geschichte früher vielfach ein Mittel der gegenseitigen Abgrenzung, so erwies sich die Verleugnung oder Verdrängung der historischen Erfahrung zweier Völker als verhängnisvoll. Verständnis des Nachbarn erfordert Kenntnis der gegenseitigen Erfahrung. Das muß und kann in der Schule nur durch einen Geschichtsunterricht erfolgen, der Raum und Zeit für die Behandlung der Geschichte beider Länder und ihrer Beziehungen hat, der sich aber auch in seinen Lehrbüchern, Lehrplänen und vielleicht sogar Lehrmethoden der gegenseitigen Kritik weit öffnet.
Das Bemühen von Deutschen und Polen um den Geschichtsunterricht kann mit den Empfehlungen für Schulbücher der Geschichte nur ein erster Schritt sein. Die künftige Arbeit wird sich auf folgende Fragestellungen konzentrieren müssen:
• Welche Ereignisse, Entwicklungen und Verhältnisse des jeweiligen Nachbarlandes können und sollen für den Geschichtsunterricht ausgewählt werden?
• Welchen Forschungsstand besitzen wir zu den ausgewählten Abschnitten?
• Welche Absichten werden mit der Behandlung der ausgewählten Tatsachen verfolgt? Dazu muß die Diskussion viel mehr als bisher an den konkreten Lehrplänen und Schulbüchern sowie an der Begrenzung vorhandener Geschichtsstunden anknüpfen.
Man sollte Geschichtsunterricht an unseren Schulen nicht zu einer säkularisierten Morallehre entwickeln. Geschichtsunterricht muß darstellen, was gewesen ist, welche Ursachen und welche Auswirkungen es hatte, wie es früher und heute gedeutet werden kann. Geschichtsunterricht soll mehr dazu erziehen, Meinungen an Tatsachen zu überprüfen, Erfahrungen und Möglichkeiten der Menschen, Gesellschaften und Staaten zu vermitteln, Verständnis für die Welt von heute durch das Untersuchen ihrer Entstehung zu wecken, als Überzeugungen oder gesellschaftliche Zielvorstellungen der verschiedensten Art zu vermitteln.
Anhang
Vereinbarung zwischen den UNESCO-Kommissionen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Schulbuchrevision
i.
Im Geiste der Verfassung der UNESCO, im Sinne ihrer Empfehlungen zur internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der bilateralen Schulbuchrevision sowie im Interesse eines friedlichen Zusammenlebens der Völker haben die UNESCO-Kommissionen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen folgendes vereinbart:
Vertrag Der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen vom 7. 12. 1970 hat günstige für eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet, das in dieser Vereinbarung behandelt wird, geschaffen.
Es ist dringend zu wünschen, daß in beiden Staaten alle an dieser Aufgabe interessierten Kräfte, amtliche Stellen, wissenschaftliche und pädagogische Institutionen, Autoren und Verleger von Schulbüchern, die Lehrerschaft und ihre Organisationen, nicht zuletzt aber die öffentliche Meinung den hierfür erforderlichen Beitrag leisten.
II.
Zahlreiche Historiker, Geographen und Pädagogen Staaten haben sich bereits seit Jahren in Sorge um ein friedliches Zusammenleben für eine gemeinsame Schulbuchrevision eingesetzt. In diesem Geiste kam es auf Initiative der UNESCO-Kommissionen im Februar und April 1972 zu ersten Expertentagungen in Warschau und Braunschweig. Nach dem Inkrafttreten des Vertrages vom 7. 12. 1970 fand im September 1972 eine weitere Begegnung in Warschau statt. Diese Tagungen haben konkrete Resultate in Form gemeinsam erarbeiteter Empfehlungen und der Planung der künftigen Arbeit ergeben; sie waren ein gutes Beispiel für eine objektive, sachlich-wissenschaftliche Diskussion in einer Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens.
In den kommenden Jahren gilt es, dafür zu wirken, daß die in beiden Staaten benutzten Schulbücher dem neuesten Forschungsstand entsprechen; die Behandlung der politischen Beziehungen beider Staaten sollte dabei im Geiste des Warschauer Vertrages vom 7. 12. 1970 erfolgen.
Die vorliegende Vereinbarung bezieht sich zwar im wesentlichen auf die Schulbücher, bezweckt aber zugleich eine Gestaltung des pädagogischen Klimas im Geiste der UNESCO. Beide Kommissionen sind sich dabei der Wandlungen bewußt, denen die Schulsysteme, die Schulbücher und der Lernprozeß in unserer unterliegen; die Welt Verbesserung der Schulbücher sollte daher als permanenter Prozeß von beiden Kommissionen gefördert werden.
Beide UNESCO-Kommissionen geben der Hoffnung Ausdruck, daß die Verwirklichung dieser Grundsätze einen wichtigen Beitrag zur künftigen Entwicklung der wissenschaftlichen und kulturellen Beziehungen beider Staaten darstellen wird.
III.
Die beiden . UNESCO-Kommissionen empfehlen auf dem Gebiet der Schulbuchrevision folgende Arbeitsmethoden: 1. Mit dem Tage der Unterzeichnung dieser Vereinbarung wird ein Ausschuß polnischer und deutscher Experten gebildet, der die Arbeit auf dem Gebiet der Schulbuchrevision fortsetzt. Die beiden UNESCO-Kommissionen sind für die Zusammensetzung dieses Expertenausschusses verantwortlich; sie werden seine Arbeit im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach besten Kräften fördern. Der Ausschuß soll jährlich mindestens zweimal, und zwar abwechselnd in der Bundesrepublik Deutschland und in der Volksrepublik Polen, zusammentreten. Er kann, falls notwendig, Unterausschüsse und Arbeitsgruppen bilden, den Rat von Sachverständigen einholen sowie Persönlichkeiten, die sich mit der Bearbeitung, Herausgabe und Einführung von Schulbüchern beschäftigen, zur Zusammenarbeit einladen. Der gemeinsame Ausschuß sollte in regelmäßigen Abständen über den Fortschritt der Arbeit, insbesondere über die Verwirkli69 chung der gemeinsam beschlossenen Empfehlungen berichten sowie Vorschläge und Pläne für die künftige Tätigkeit ausarbeiten und beraten. 2. Die Zusammenarbeit der Schulbuchverlage und anderer an der Gestaltung der Schulbücher interessierter Stellen beider Staaten sollte gefördert werden. Es soll insbesondere versucht werden, die Darstellung der Probleme des anderen Landes vor der Drucklegung neuer Schulbücher in Expertengremien zu diskutieren. 3. Der Austausch von Informationen und Materialien, die einer Verbesserung und Aktualisierung der Schulbücher dienen (statistische Daten, neues kartographisches Material, neu-erschlossene Quellen und Untersuchungsergebnisse, Bildmaterial, geeignete Texte für Lesebücher usw.), soll verstärkt werden.
4. Wissenschaftliche Auslandsreisen und Studienaufenthalte für Schulbuchautoren, Lektoren und Verlagsexperten sollen mit dem Ziel einer objektiven Darstellung beider Länder, ihrer Geschichte und gegenwärtigen Probleme gefördert werden.
Braunschweig, den 17. Oktober 1972 5. Die Schulbuchrevision sollte sich nicht auf die Lehrbücher für Geschichte und Geographie beschränken, sie muß auch die Lehr-und Lernmittel für die politische Bildung, die Arbeitslehre und den Sprach-und Literaturunterricht einbeziehen.
IV.
Die UNESCO-Kommissionen haben beschlossen, diese Vereinbarung den Regierungen beider Staaten (in der Bundesrepublik Deutschland den zuständigen Stellen des Bundes und der Länder) zu übermitteln. Sie werden sich dafür einsetzen, daß die notwendige Unterstützung und Hilfe für ihre Realisierung gewährt wird.
Die UNESCO-Kommissionen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen appellieren an alle Wissenschaftler, Erzieher, Schulbuchautoren und -Verleger, an die Presse, den Rundfunk und das Fernsehen, im Geiste der UNESCO zu einer Normalisierung und Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen beizutragen. Es gilt, die Jugend für eine friedliche Zukunft und gute Nachbarschaft zu gewinnen.
Professor Dr. Georg Eckert Präsident der Deutschen UNESCO-Kommission Professor Dr. Wladyslaw Markiewicz Vizepräsident der Polnischen UNESCO-Kommission
Siegfried Graßmann, Dr. phil., geb. 1935; Studium der Geschichte, Politischen Wissenschaft und Germanistik in Berlin und Tübingen; im Schuldienst an Gymnasien in Berlin und Hamburg; seit 1970 Leiter des Gymnasiums Meiendorf in Hamburg, seit 1972 Vorsitzender des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands. Veröffentlichungen: Hugo Preuß und die deutsche Selbstverwaltung, 1975; verschiedene Aufsätze zum Geschichtsunterricht in der Zeitschrift „Geschichte in Wissenschaft und Unterricht".
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