Es könnte sehr gut sein, daß der Streit um die Zukunft in großem Ausmaß einer um Indikatoren ist — und Sozialwissenschafller sollten an dieser Auseinandersetzung teil-nehmen. Johan Galtung Eine neuere Studie beziffert die Kosten für den Ausbau unserer Infrastruktur mit 700 Mrd. DM Diese gewaltige Summe wäre erforderlich, um bis zum Jahre 1985 von der heutigen Ausstattung unserer Städte und Dörfer zu einer infrastruktureilen Soll-Ausstattung zu gelangen die den gestiegenen Ansprüchen der Menschen an die Qualität ihres Lebens besser gerecht würde Die Zersiedelung des städtischen, besonders aber des ländlichen Raumes hat Folgen gezeitigt, die sich nur mit einem ungeheuren Kostenaufwand beseitigen lassen. Der Vorrang des Individualverkehrs vor den Massentransportmitteln hat zwar eine autogerechte Umstrukturierung der Städte bewirken können. Das Ergebnis ist jedoch alles andere als ermutigend: Innenstädte, die durch Autos verstopft und durch Abgase vergiftet sind. Die einzig sichtbare Lösungsmöglichkeit für die städtischehen Verkehrsprobleme ist der Ausbau eines attraktiven Systems öffentlicher Transportmittel. Ihre Realisierung kostet jedoch Milliarden, die möglicherweise an anderer Stelle fehlen. So sieht hier z. B. das Investitionsprogramm des Bundes für die Jahre 1975 bis 1985 rund 30 Mrd. DM vor Mit der Verwirklichung dieses Programms sind allerdings die Verkehrsprobleme des ländlichen Raumes einer Lösung noch um keinen Schritt näher gekommen. Zumindest muß gleichzeitig auch das Straßennetz innerhalb und außerhalb der Kommunen erweitert werden. Die hierfür erforderlichen Mittel verschlingen allein den zehnfachen Betrag. Neue Fernheizwerke, Kläranlagen und zentrale Müllverbrennungsanlagen bzw. -deponien sind aber ebenso dringlich, um der zunehmenden Luftund (Grund-) Wasserverschmutzung Einhalt zu gebieten. Zugleich müssen Kindergärten, Altenund Pflegeheime, Schulen und Krankenhäuser Kinderspielplätze, Sportund Freizeitanlagen finanziert werden. Dabei ist der Nachholbedarf der strukturschwachen ländlichen Gebiete besonders zu berücksichtigen. Es bedarf also eines gezielten sozialen Ausgleichs, um das Wirtschafts-, Sozial-und Kulturgefälle zwischen Stadt und Land abzubauen und so dem Anspruch aller Bürger auf gleichwertige Lebensverhältnisse gerecht werden zu können.
A. Finanzsystem und Grundgesetz
Alle diese Aufgaben nehmen jedoch — mit Ausnahme des Straßenbaus — wegen des absoluten Vorrangs individueller Ansprüche vor gesamtgesellschaftlichen Bedürfnissen nur einen Platz am unten Ende auf der Prioritäten-skala unserer Gesellschaft ein Ihre Durchsetzung stößt auf besondere politische und rechtliche Probleme. Die Lösung dieser Probleme entscheidet aber nicht zuletzt über die Lebensqualität jedes einzelnen. Eines der entscheidenden Probleme ist die Finanzierung dieser Aufgaben, die zum großen Teil von den Städten, Gemeinden und Kreisen erfüllt werden. Im Rahmen der geltenden Finanzordnung spiegelt sich jedoch die niedrige Bewertung dieser Aufgaben wider. Die Finanzaus-stattung der Kommunen läßt daher viel zu wünschen übrig. Verhängnisvoll wirken sich vor allem die Finanzkraftunterschiede nicht nur der Kommunen selbst, sondern auch der Länder aus. Denn die kommunalen Gebiets-körperschaften sind in besonderem Maße von den Zuweisungen der Länder abhängig. „Arme" Länder halten auch ihre Gemeinden und Kreise knapp, so daß das Angebot an sozialen Leistungen innerhalb der Bundesrepublik erheblich differiert. Daß dieses Leistungsangebot (noch) nicht dem Gebot der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse (Art. 72 Abs. 2 Ziff. 3 GG) entspricht, hat sowohl gesellschaftspolitische wie finanzrechtliche Ursachen.
I. Gesellschaftspolitische Aspekte des Finanzsystems
Grundrechte und Organisationsvorschriften des Grundgesetzes erfreuen sich seit langem einer regen Anteilnahme nicht nur der Fachwelt, sondern vor allem auch der Öffentlichkeit. Demgegenüber finden die Regelungen der Finanzverfassung kaum Beachtung. Ursache dieses geringen Interesses ist zum einen die Kompliziertheit der Materie, zum anderen aber auch eine Unterbewertung der politischen Bedeutung finanzieller Regelungen. Diese niedrige Bewertung steht jedoch in umgekehrtem Verhältnis zu der tatsächlichen Bedeutung dieses Teils des Grundgesetzes. Denn die Frage, wer über die Steuern verfügt, ist zugleich eine zentrale Macht-frage innerhalb des Gesamtstaates. Ist das Reich „Kostgänger der Länder", ist es also wie im Deutschen Kaiserreich von „Matriku-larbeiträgen" der Bundesstaaten abhängig, dann spielen die Länder eine dominierende Rolle Teilt dagegen das Reich den Ländern Steuerüberweisungen zu, wie dies seit der Erzbergerschen Steuerreform in der Weimarer Republik geschah, dann ist die Macht beim Zentralstaat konzentriert Die Verfügungsbefugnis über die Steuern gibt also zugleich Aufschluß über den politischen Handlungsspielraum von Bund, Ländern und Kommunen. 1. Steuerpolitik als Gesellschaftspolitik Die Art der Besteuerung hat demgegenüber vor allem Bedeutung für den individuellen Wohlstand der Bürger. Aber auch hierbei werden bereits gesellschaftspolitische Aspekte sichtbar. Es ist nämlich nicht nur eine Frage der Quantität, sondern auch der Qualität, ob die Steuern bei der Lohn-bzw. Gehaltszahlung gleich einbehalten werden, oder ob die Steuerschuld im nachhinein beglichen wird. Denn im ersteren Fall können Überzahlungen nur mit Hilfe eines Jahresausgleichsverfahrens zurückgefordert werden, das so kompliziert ist, daß der Staat allein deswegen Millionenbeträge „verdient", weil viele Steuerzahler sich diesen Schwierigkeiten nicht gewachsen fühlen. Im letzteren Fall wird dagegen die Steuererklärung fast immer von hoch bezahlten Steuerspezialisten (die Kosten hierfür werden vom steuerpflichtigen Betrag abgesetzt) zugunsten der Steuerpflichtigen und zuungunsten des Staates bearbeitet. Nicht selten werden zwischen den ganz großen Steuer-schuldnern und den Finanzbehörden „Kompro-misse" hinsichtlich der Steuersumme geschlossen. Dieses Verfahren rettet für die Allgemeinheit zumindest einen Teilbetrag, bevor die Abwanderung in „Steuerparadiese" wie das Schweizer Tessin oder Liechtenstein den Schuldner ganz dem Zugriff deutscher Finanzämter entzieht. a) Rechtsstaatliche Grenzen der Finanzgewalt Auch innerhalb der Finanzverfassung gilt selbstverständlich die Staatszielbestimmung des Grundgesetzes, nach der die Bundesrepublik. Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat ist (Art. 20 Abs. 1 GG) und die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des sozialen Rechtsstaates entsprechen muß (Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG). Als Grundentscheidungen der Verfassung stehen Rechtsstaatsprinzip und Sozialstaatsgebot gleichrangig nebeneinander Beide Grundsätze sind jedoch — schon von ihrer historischen Entstehung her — so gegensätzlicher Natur, daß ihr Ausgleich immer noch eines der Hauptprobleme der Innenpolitik darstellt Gerade auch im Rahmen der Finanzordnung bleibt daher das Verhältnis von rechtsstaatlichen zu sozialstaatlichen Elementen weitgehend offen Bei der Ausein’)
INHALT A. Finanzsystem und Grundgesetz 2. Steigende Belastung durch Folgekosten
I. Gesellschaftspolitische Aspekte des 3. Auswirkungen von Haushaltsstrukturreformen Finanzsystems
1. Steuerpolitik als Gesellschafts-
Politik III. Finanzierung kommunaler Leistungen 2. Lebensstandard gleich Lebensqualität? 1. Vorschläge der Parteien 2. Kommunale Finanzansprüche 3. Marktwirtschaft und Kollektivbedürfnisse 3. Grenzen kommunaler Handlungsfreiheit
II. Verfassungsrechtliche Aspekte der 4. Privatisierung von Versorgungsleistungen Finanzordnung
1. Probleme der Steuerverteilung IV. Gleiches Leistungsangebot an jedem 2. Finanzausstattung der Kommunen Ort 3. Finanzreform durch Verfassungsänderung 1. Räumliche Voraussetzungen des sozialen Ausgleichs III. Finanzföderalismus oder Finanzunitarismus 2. Finanzausgleich und Raumordnung
1. Finanzhilfen des Bundes 3. Strukturpolitik als Gesellschaftspolitik
2. Ausgleich der Länderfinanzen 3. Übergewicht des Bundes V. Konsequenzen für das Ausgleichssystem
4. Bedürfnis nach bundesgesetzlicher 1. Anpassung des kommunalen Finanzausgleichs Regelung
2. Berücksichtigung zentralörtlicher Funktionen B. Lebensqualität im lokalen Bereich 3. Sicherung der sozialen Grundausstattung I. Sozialstaat und Lebensqualität
4. Verbesserung der Infrastruktur 1. Sozialstaatsprinzip als Wertentscheidung
2. Lebensqualität — ein politischer C. Schlußbemerkung: Wohlstandsdefizit und Begriff Versorgungsgefälle 3. Programmatische Aussagen der Parteien 1. Kostendämpfung bei öffentlichen Leistungen II. Kommunen als Träger sozialer Leistungen 2. Verkehrsprobleme im ländlichen
Raum 1. Kommunale Infrastrukturinvestitionen 3. Soziale Fragen der Industrieansiedlung andersetzung über die politische Priorität des einen oder des anderen Prinzips spielt insbesondere die Höhe und Art der Besteuerung eine Rolle.
Der Zusammenhang zwischen Finanzverfassung und Rechtsstaat wird besonders deutlich im Bereich der Finanzgewalt, also immer dann, wenn die Staatsgewalt ausgeübt wird, um den staatlichen Finanzbedarf durch öffentliche Zweckabgaben (vor allem durch Steuern) zu decken Dabei geht es unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten besonders um die Sicherung des privaten Eigentums als Grundlage des individuellen Handlungsspielraumes gegenüber Eingriffen des Staates. Denn auch der staatliche Steueranspruch unterliegt grundsätzlich der gleichen rechtsstaatlichen Begrenzung wie sonstige Eingriffe der Staatsgewalt z. B. durch die Polizei oder die Justiz Unter diesem Blickwinkel wird eine extrem hohe Besteuerung hoher Einkommen als „Enteignung durch Besteuerung" angesehen. Da eine Enteignung nur gegen Entschädigung zulässig ist (Art. 14 Abs. 3 GG), wäre eine solche . Enteignung'aber verfassungswidrig. Denn Kennzeichen der Besteuerung ist ja gerade die entschädigungslose Übertragung von Geldmitteln auf den Staat.
Freilich ist äußerst umstritten, ob steuerliche Belastungen überhau Abs. 3 GG), wäre eine solche . Enteignung'aber verfassungswidrig. Denn Kennzeichen der Besteuerung ist ja gerade die entschädigungslose Übertragung von Geldmitteln auf den Staat.
Freilich ist äußerst umstritten, ob steuerliche Belastungen überhaupt die Eigentumsgarantie berühren 12). Eine Verletzung kommt allen-falls dann in’ Betracht, wenn durch die Besteuerung die Substanz des Vermögens angegriffen wird 13). Schwerer wiegt daher der (politische) Vorwurf, daß durch eine hohe Steuerprogression Initiative und Leistungswille der Besteuerten entscheidend gehemmt würden. Als Beispiel wird dann häufig Schweden angeführt, das Prominente, wie etwa der Regisseur Ingmar Bergman, wegen zu hoher Steuern verlassen haben. Bei der Berechnung der Belastung durch den staatlichen Steueranspruch spielt vor allem der Begriff der Steuer-lastquote 14), d. h.des Gesamtanteils aller zu entrichtenden Steuern am Einkommen und Vermögen des Besteuerten, eine besondere Rolle. Da das in der Bundesrepublik herrschende marktwirtschaftliche System auf der Initiative der Unternehmer (und ihrem Gewinnstreben) aufbaut, käme z. B. einem Investitionsboykott als Kampfmaßnahme gegen eine zu hohe Steuerbelastung große Bedeutung zu. Allerdings ist die Bundesrepublik von einer derartig belastenden Steuerhöhe — anders als vielleicht die USA — noch weit entfernt. b) Verteilungsgerechtigkeit im Sozialstaat Ganz anders stellt sich der Sachverhalt aus sozialstaatlicher Sicht dar. Nicht so sehr die Sicherung der individuellen Freiheitsrechte des Bürgers gegenüber dem Staat steht hier im Vordergrund. Statt dessen geht es in erster Linie um die Fürsorge des Staates für die sozial Schwachen. Insoweit kann auch der jeweilige Gesamtzustand der Gesellschaft nicht als etwas Unabänderliches hingenommen werden. Die Aufgabe des Staates, für eine sozial gerechte oder doch ausgleichende Besteuerung zu sorgen, ist vielmehr darauf angelegt, die Gesellschaft zu verändern, um die Situation der Mehrheit zu verbessern Insofern ist Steuerpolitik im Sozialstaat zugleich Gesellschaftspolitik Mit dieser Zielrichtung werden die einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten in geringerem Maße an der Finanzierung der Staatsaufgaben beteiligt als die wohlhabenderen Bürger. Niedrigere Einkommen werden also degressiv, d. h. mit abnehmenden Prozentsätzen, besteuert. Besonders geringe Einkünfte bleiben steuerfrei. Zum anderen sorgt der Staat — mehr oder weniger konsequent — für Verteilungsgerechtigkeit, indem er sozial schwachen Bürgern z. B. Wohngeld oder Ausbildungsbeihilfen zukommen läßt. Letzte Konsequenz dieses Prinzips ist der Anspruch auf Sozialhilfe nach § 4 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes Dieser sozialpolitische Aspekt der Besteuerung darf aber nicht dazu führen, daß der politische Einfluß der großen Steuerzahler ihrer stärkeren Belastung entsprechend höher ist. Das Zensuswahlrecht, also die Verknüpfung des Wahlrechts mit der Steuerleistung, war Mitte des 19. Jahrhunderts ein anschauliches Beispiel hierfür Und noch bis zum Ende des Ersten Weltkrieges galt in Preußen das Dreiklassenwahlrecht, bei dem der Stimmwert von der Steuerleistung abhängig war. Ein Reicher hatte damals etwa ebensoviel (institutionalisierten) politischen Einfluß wie siebzehn besitzlose Bürger, Bauern oder Arbeiter Eine solche Ungleichbehandlung wird durch das Grundgesetz allerdings ausdrücklich ausgeschlossen. Es gilt nicht nur der allgemeine Grundsatz, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind (Art. 3 Abs. 1 GG), sondern Art. 38 Abs. 1 GG betont außerdem das Prinzip der gleichen Wahl. Jeder wahlberechtigte Bürger hat also eine Stimme, und alle Stimmen werden gleich gewichtet (bewertet). Das heißt freilich nicht, daß auch die ausländischen Arbeitnehmer trotz langjährigen Aufenthalts in der Bundesrepublik etwa an den Kommunalwahlen teilnehmen dürften, wie dies z. B. in Schweden (auch bei den Reichstagswahlen) seit Jahren geschieht. 2. Lebensstandard gleich Lebensqualität?
Die Bundesrepublik Deutschland gehört zwar zu den „reichsten“ Ländern der Erde, vielen ihrer Bürger wird jedoch mit wachsendem Wohlstand die unzureichende Versorgung mit bestimmten sozialen Einrichtungen, wie z. B. Kindergärten, Altenund Pflegeheimen, deutlicher bewußt. Denn mit steigendem Lebensstandard nehmen auch die immateriellen Bedürfnisse der Menschen zu. Die Bewohner von Großstädten sind mit diesem Problem in anderer Weise konfrontiert als die Kleinstadtoder Landbevölkerung. Die Konzentration von Industrie, Handel und Gewerbe in den Ballungsgebieten hat nämlich sowohl positive wie negative Auswirkungen. Einerseits sind Arbeitsmöglichkeiten, Verkehrsverhältnisse, Bildungschancen, Freizeitangebot und ärztli-ehe Versorgung spürbar besser als im ländlichen Raum. Andererseits sind dort auch die Gefahren für Leben und Gesundheit, die vor allem durch Lärm, Abgase und Individualverkehr hervorgerufen werden, besonders groß
Im ländlichen Raum führt das Fehlen von attraktiven Arbeitsmöglichkeiten und einem erreichbaren Angebot an sozialen Leistungen zu einer steten Abwanderung aus diesem Gebiet Diese Wanderungsbewegung verstärkt noch das bereits bestehende Wirtschafts-, Sozial-und Kulturgefälle zwischen den Verdichtungsräumen und den ländlichen Gebieten. Dieser „Teufelskreis" läßt sich nur durch eine aktive Strukturpolitik durchbrechen. Strukturpolitische Zielsetzungen stoßen jedoch schon bald an die Grenzen marktwirtschaftlicher Unternehmerfreiheit. Da private Investitionen in Ballungsgebieten nach wie vor eine höhere Rendite versprechen, werden die Investoren auch nur dort ihr Geld anlegen. Ein Umlenken der Kapitalströme in bislang wirtschaftlich „unterentwickelte“ Räume erfordert daher hohe Vorausleistungen in Form vom Staat finanzierter Infrastrukturinvestitionen. Andererseits ist die Abwanderung keine (auch nur) aus gesamtwirtschaftlichen (geschweige denn aus sozialen) Gesichtspunkten vertretbare Alternative zur staatlichen Wirtschaftsförderung. Zu den Verlusten in den „aufgegebenen“ Gebieten würden dann nämlich auch noch erhebliche Mehraufwendungen in den Zuwanderungsgebieten kommen. 3.
Marktwirtschaft und Kollektivbedürfnisse Aber auf kommt häufig zur auch der ein stetiges solange propagierte Verzicht Wirtschaftswachstum
Lösung der Probleme nicht in Betracht, als die Wohlstandszunahme des einzelnen nur aus dem gesamtgesellschaftlichen Wohlstandszuwachs beschafft werden kann Zu eng ist auch die staatliche Sozialpolitik an das System der sozialen Marktwirtschaft gekoppelt Seit 1969 sind Bund, Länder und Gemeinden außerdem nach § 1 des Stabilitätsgesetzes im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung verpflichtet, zu einem stetigen und angemessenen Wirtschaftswachstum beizutragen Ob auch ein Null-Wachstum als „angemessen" angesehen werden kann, bleibt dabei offen. Das Programm der Bundesregierung, die Arbeitslosigkeit vor allem durch steuerliche Erleichterungen für Unternehmen zur Belebung der Investitionstätigkeit zu bekämpfen, macht den Zusammenhang zwischen Sozialpolitik und steigenden Unternehmergewinnen deutlich. Dabei bleibt jedoch allzuleicht unberücksichtigt, daß die Gesetze der Marktwirtschaft Prioritäten — wie die der Gewinnmaximierung — vorschreiben, die sich nicht so ohne weiteres mit den Bedürfnissen der Gesellschaft decken. Die staatlichen Sozialinvestitionen, insbesondere die kommunalen Dienstleistungen im Sozialbereich, sind in diesem Sinne nicht „rentabel", d. h. sie werfen keine rasche Rendite ab. Dennoch hängt von ihnen zu großen Teilen die Qualität unseres Lebens ab
Mit dem im Grundgesetz möglicherweise bereits angelegten, jedenfalls aber seit langem praktizierten Vorrang der individuellen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) vor der kollektiven Solidarität im politischen System korrespondiert die Vorherrschaft des marktwirtschaftlichen Produktionsprinzips im ökonomischen Bereich Dieses Prinzip ist (naturgemäß) nicht auf die Herstellung gemeinsam zu nutzender Gebrauchswerte gerichtet, sondern auf den Verkauf von Waren, die vom einzelnen Verbraucher zu (be-) nutzen sind Die politische Folgerung aus diesem durch das geltende Wirtschaftssystem bedingten Ungleichgewicht ist entweder die gänzliche Vernachlässigung der Kollektivbedürfnisse oder ihre Übertragung auf das Gemeinwesen. Das Sozialstaatsprinzip schließt jedoch die erste Alternative aus. Vielmehr steht der sozialen Schutzfunktion des Staates für den einzelnen seine soziale Garantiefunktion für die Allgemeinheit gegenüber. Diejenigen lebensnotwendigen Leistungen, die von Privaten nicht oder nur zu unerschwinglichen Preisen bereitgestellt werden, müssen daher vom Staat, d. h. im Regelfall von den Kommunen, erbracht werden. Das setzt ganz allgemein einen entsprechend hohen Staatsanteil am Bruttosozialprodukt voraus und erfordert im besonderen eine ausreichende Beteiligung der Kommunen an den Steuereinnahmen der öffentlichen Hand. Andernfalls wäre durch einen Rückgang der kommunalen Sozialinvestitionen unsere Lebensqualität ernstlich gefährdet.
II. Verfassungsrechtliche Aspekte der Finanzordnung
Die Finanzverfassung regelt die mit der Finanzierung solcher Investitionen und der übrigen sozialen Aufgaben verbundenen Probleme zwar nicht unmittelbar. Sie enthält aber allgemeine Normen, auf die sich die den Einzelfall regelnden gesetzlichen Maßnahmen zu-rückführen lassen. Gegenstand der Finanzverfassung im engeren Sinne (Art. 104 a— 108 GG) ist die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der Steuergesetzgebung und der Finanzverwaltung sowie die Verteilung der Steuererträge. Demgegenüber bildet den Schwerpunkt der sog. Haushaltsverfassung (Art. 109— 115 GG) das Budgetbewilligungsrecht, d. h. die Befugnis des Parlaments, den Haushalt in Gesetzesform zu verabschieden (Art. 110 GG) 1. Probleme der Steuerverteilung Im Vordergrund des öffentlichen Interesses steht neben dem Bundeshaushaltsplan, dessen Beratung die Opposition alljährlich zur großen Redeschlacht gegen die Regierung be-nutzt, die 'Verteilung der Steuern (Art. 106 GG). Denn auch der Streit um die Anteile z. B. an der Umsatzsteuer spielt sich in aller Öffentlichkeit ab, wenn auch die abschließenden (und entscheidenden) Verhandlungen zwischen dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten der Länder hinter verschlossenen Türen stattfinden. Die Kommunen sind ohnehin nicht teilnahmeberechtigt.
Das Problem der Steuerverteilung ist ein Charakteristikum des Bundesstaates. Nach dem Grundgesetz sind Bund und Länder gleichberechtigte Glieder der Bundesrepublik Deutschland. Beiden steht daher nicht nur die Staatsgewalt, sondern auch die von dieser abgeleitete Finanzgewalt gemeinschaftlich zu. Diesem Grundsatz entsprechend waren die Zuständigkeit zur Steuergesetzgebung und die Ertragsverteilung in der Erstfassung des Grundgesetzes von 1949 noch relativ gleichmäßig auf Bund und Länder verteilt Während das Aufkommen der Umsatzsteuer damals dem Bund allein zustand, wurde das Einkommen-und Körperschaftsteueraufkommen den Ländern zugewiesen. Nur durch ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedurfte, konnte der Bund einen Teil des Aufkommens dieser beiden aufkommenstarken Steuern zur Deckung seiner durch andere Einkünfte nicht gedeckten Ausgaben in Anspruch nehmen. Die gestiegenen Anforderungen an die finanzielle Leistungskraft des Staates, die in der Vergangenheit vor allem an den Bund gerichtet waren, machten jedoch eine Neuverteilung der Steuererträge erforderlich. Seit dem Jahre 1951, als der Bund zum erstenmal einen Anteil am Aufkommen dieser Steuern forderte, brachten zahlreiche kleinere Änderungen einen steigenden Bundesanteil an der Einkommenund Körperschaftsteuer, bedeuteten aber keine dauerhafte Neuregelung. Am 20. März 1964 kamen daher der damalige Bundeskanzler Ludwig Erhard und die Ministerpräsidenten der Länder überein, eine »Kommission für die Finanzreform", die sog. Troeger-Kommission, einzuberufen. Das Gut-4) achten dieser Kommission wurde schließlich zur Grundlage für die „Große Finanzreform“ des Jahres 1969, die die Finanzverfassung in wesentlichen Punkten umgestaltete. Seither gehören Einkommen-und Körperschaftsteuer zusammen mit der Umsatzsteuer zu den Gemeinschaftssteuern, die Bund und Ländern gemeinsam zustehen und an denen auch die Kommunen beteiligt sind. 2. Finanzausstattung der Kommunen Anknüpfend an Art. 127 der Weimarer Verfassung war den Gemeinden bereits in der ersten Fassung des Grundgesetzes durch Art. 28 Abs. 2 das Recht der Selbstverwaltung gewährleistet worden. Obgleich das Selbstverwaltungsrecht aber ohne finanzielle Absicherung praktisch wertlos ist wurden den Kommunen keine eigenen Finanzansprüche in der Bundesverfassung eingeräumt. Da die Gemeinden und Kreise verfassungsrechtlich als Bestandteile der Länder gelten sollten sie damals (1949) lediglich „nach Maßgabe der Landesgesetzgebung" an den Steuereinnahmen des Landes beteiligt werden.
Der hartnäckige Widerstand der Länder ge-gen jede Einbeziehung der Kommunen in die Finanzverfassung des Grundgesetzes hatte zur Folge, daß es erst 1956 gelang, die Realsteuergarantie in Art. 106 GG zu verankern. Von da an stand das Aufkommen der Grund-und Gewerbesteuern den Gemeinden aufgrund eines (bundes-) verfassungsrechtlichen Anspruchs zu. Vorher war es ihnen lediglich nach dem Ermessen der Länder zugewiesen worden. Insgesamt zwanzig Jahre vergingen seit der Gründung der Bundesrepublik, bis die Kommunen mit tatkräftiger Unterstützung des Bundes eine Verfassungsänderung durchsetzen konnten, die ihnen einen eigenen Anteil am Einkommensteueraufkommen sicherte. Da-mit war endlich ein Ersatz geschaffen worden für die im Jahre 1942 aufgehobene Bürgersteuer, die als Personalsteuer bereits damals die traditionell den Gemeinden zustehenden Realsteuern ergänzen sollte. Finanzpolitische Voraussetzung für die Beteiligung an der Einkommensteuer war allerdings die gleichzeiti-ge Einführung einer Gewerbesteuerumlage, die den Gemeinden 40 °/o ihres Gewerbe-steueraufkommens entzieht und auf Bund und Länder verteilt. Dennoch bleibt die Gewerbesteuer die wichtigste Einnahmequelle der Gemeinden Immerhin sind durch diese Änderung die Kommunen nun nicht mehr in so starkem Maße wie früher von der Industrie-ansiedlung (Gewerbesteuereinnahmen) abhängig, sondern sie sind ebenfalls daran interessiert, ihre Wohnqualität (wegen der Einkommensteuereinnahmen) zu verbessern. 3. Finanzreform durch Verfassungsänderung Im Bereich der Finanzverfassung wird das Spannungsverhältnis zwische °/o ihres Gewerbe-steueraufkommens entzieht und auf Bund und Länder verteilt. Dennoch bleibt die Gewerbesteuer die wichtigste Einnahmequelle der Gemeinden 35). Immerhin sind durch diese Änderung die Kommunen nun nicht mehr in so starkem Maße wie früher von der Industrie-ansiedlung (Gewerbesteuereinnahmen) abhängig, sondern sie sind ebenfalls daran interessiert, ihre Wohnqualität (wegen der Einkommensteuereinnahmen) zu verbessern. 3. Finanzreform durch Verfassungsänderung Im Bereich der Finanzverfassung wird das Spannungsverhältnis zwischen geschriebener Veriassung und Veriassungswirklichkeit besonders deutlich. Entweder beschränkt sich die Verfassung auf diesem Gebiet auf einige wenige wirklich durchführbare Grundsätze, oder sie muß ständig geändert werden. Die Entwicklung seit 1949 zeigt, daß bereits bei Inkrafttreten des Grundgesetzes die Verteilung der Kompetenzen für die Steuergesetzgebung, vor allem aber die Verteilung der Steuer-erträge so eingehend geregelt war, daß die Anpassung an die verfassungspolitischen Gegebenheiten nur durch wiederholte Verfassungsänderungen vorgenommen werden konnte. Für diese Korrekturen der Finanzordnung, die kaum als wirkliche „Reformen" zu bezeichnen waren, war dementsprechend jedesmal sowohl im Bundestag wie im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit erforderlich (Art. 79 Abs. 2 GG). Diese ungewöhnlichen Sicherheitsvorkehrungen zeigen die Bedeutung der Finanzverfassung für die Lebensfähigkeit des Bundesstaates, lassen sich andererseits aber auch nur im Rückblick auf die jüngste Geschichte verstehen.
Die Weimarer Verfassung hatte von Anfang an dem Reich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz im Finanzwesen zugestanden (Art. 8 WRV). Zwar hatten die Verfassungsgeber das Reich zugleich verpflichtet, auf die Lebensfähigkeit der Länder Rücksicht zu nehmen. Diese Verpflichtung erwies sich jedoch als zu unbestimmt, um wirkungsvoll sein zu können. Beginnend mit der Erzbergerschen Finanzreform wurde vielmehr eine straffe zentralistische Ordnung des Finanzwesens verwirklicht, die ihren traurigen Höhepunkt in den „Reformen" der nationalsozialistischen Ära fand 36). Nach dem Willen des Parlamentarischen Rates sollte die Eigenständigkeit der Länder — auch auf dem Gebiet der Finanzen — durch das Grundgesetz besser gesichert werden 37). Änderungen der Finanzverfassung wurden daher an die Zustimmung des Bundesrates gebunden. Die Mitwirkung der Länder(-exekutiven) in dieser entscheidenden Frage ist also gewährleistet. Die Kommunen sind zwar gleichermaßen interessiert an den finanziellen Regelungen, ihre machtpolitische Ausgangsposition ist aber erheblich schwächer als die ihrer Partner im Bundesstaat. Gemeinden und Kreise sind daher nur indirekt -— über ihre Spitzenverbände — an der finanzpolitischen Willensbildung beteiligt 38).
III. Finanzföderalismus oder Finanzunitarismus
Der 1969 in das Zentrum der Finanzverfassung gerückte Verfassungsgrundsatz des Art. 104 a GG 39), nach dem Bund und Länder gesondert die Ausgaben für die von ihnen wahrgenommenen Aufgaben tragen, ist in der Praxis allerdings seit langem erheblich eingeschränkt. Bereits 1956 bildete sich nämlich ein Dotationssystem heraus, das vom Grundgesetz nicht vorgesehen war. Durch seinen ständig steigenden Anteil an der Einkommen-und Körperschaftsteuer (1953 waren es schließlich 38 %) hatte der Bund Einnahmen in so erheblichem Umfang, daß es dem damaligen Bundesfinanzminister Schäffer gelang, einen Reservefonds in Höhe von 7 Mrd. DM anzusammeln (Juliusturm). Der Haushalts-spielraum der Länder wurde dagegen bis zur Senkung des Bundesanteils an der Einkommen-und Körperschaftsteuer im Jahre 1955 erheblich eingeengt. Die Länder gerieten in akute Finanznot 40). 1. Finanzhilfen des Bundes Als die Mittel des „Juliusturms" schließlich verteilt wurden, geschah dies nicht im Wege eines Finanzausgleichs, der die strukturellen Unterschiede der Länder berücksichtigt hätte. Vielmehr gewährte der Bund fortan Zuschüsse zu einzelnen Aufgaben der Länder. Diese sahen sich nun nicht mehr in der Lage, ihre Aufgaben selbst zu finanzieren, sondern waren auf die Hilfe des Bundes angewiesen. So gab der Bund z. B. allein im Jahre 1967 Zuschüsse für Länderaufgaben in Höhe von mehr als 5 Mrd. DM; das entsprach etwa einem Anteil von 10 °/o des gesamten Einkommen-und Körperschaftsteueraufkommens. Diese „Finanzhilfen“ des Bundes waren aber auch noch mit Auflagen verbunden, z. B. in welcher Höhe die Länder Komplementärleistungen (Ergänzungsmittel) zu erbringen hat-ten, um überhaupt Bundeszuschüsse zu erhalten. Die Folgekosten waren (und sind) ohnehin Sache der Länder. Dieses Dotationssystem wurde dann im Zuge der „Großen Finanzreform" des Jahres 1969 verfassungsrechtlich abgesichert.
Seither wirkt der Bund bei den sog. Gemeinschaftsaufgaben, d. h. beim Hochschulbau sowie bei der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, der Agrarstruktur und des Küstenschutzes, nach Art. 91 a und b GG mit Im Regelfall trägt der Bund die Hälfte der Kosten Als Gegenleistung beansprucht er dann aber auch in den für die gemeinsame Rahmenplanung zuständigen Planungsausschüssen den Vorsitz für den Ressortminister des Bundes und die Hälfte der Stimmen Der Bund kann also die für die Durchsetzung seiner Zielvorstellungen erforderliche Zweidrittelmehrheit der Stimmen in den Ausschüssen mit Hilfe einiger (ihm parteipolitisch nahestehender) Länder erlangen, auch wenn eine qualifizierte Länderminderheit gegenteiliger Ansicht ist
Verfassungsrechtlich konzentriert sich die Mitwirkung des Bundes auf die Entscheidung darüber, welche Maßnahmen als Gemeinschaftsaufgaben durchgeführt werden sollen. Demgegenüber ist die Durchführung der Einzelmaßnahmen dann Sache der Länder In der Verfassungswirklichkeit übt der Bund allerdings eine Art „Angebotsdiktatur“ aus Auch die finanzstarken Länder (Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen) verfügen nämlich nicht über einen ausreichenden finanziellen Spielraum, um Bundeszuschüsse ablehnen zu können. (Das erklärt in gewissem Maße auch die Tatsache, daß die Länder das Dotationssystem so lange hingenommen haben, ohne das Bundesverfassungsgericht anzurufen.) Noch dazu erscheint der Bund — zumindest gegenüber der Öffentlichkeit — als Vertreter des „Gesamtinteresses“, so daß die von ihm formulierten Prioritäten den Anschein gesamtstaatlicher Notwendigkeit haben.
Während die Mitwirkungsbefugnis des Bun-des im Bereich der Gemeinschaftsaufgaben auf relativ fest abgegrenzte Aufgabenbereiche beschränkt und nur dann zulässig ist, wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und die Mitwirkung zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist (Art. 91 a Abs. 1 GG) sind die Investitionshilfen des Bundes nach Art. 104 a Abs. 4 GG in der Form einer Generalklausel umschrieben. Danach kann der Bund den Ländern Fi- nanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und der Kommunen gewähren, wenn eine von drei Voraussetzungen vorliegt. Diese Investitionen müssen erforderlich sein entweder — zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder — zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet (im Ergebnis also zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse) oder — zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums.
Allerdings dürfte es dem Bund kaum schwerfallen, bei Bedarf jedes größere Investitionsvorhaben in eine dieser drei Kategorien einzuordnen. Dem Bund steht damit also ein weiter Einwirkungsbereich offen. Denn er kann die Art der zu fördernden Investitionen festlegen und auf diese Weise die Investitionstätigkeit in starkem Umfang steuern. Länder und Gemeinden richten sich nämlich erfahrungsgemäß in ihren eigenen Planungen nach den Vorgaben des Bundes, um in jedem Fall Bundeszuschüsse zu erhalten. Wichtig als Korrektiv ist daher die Mitwirkung des Bundesrates (Zustimmungserfordernis) bei der gesetzlichen Bestimmung der Arten der zu fördernden Investitionen. Den Ländern (genauer ihren Regierungen) bleibt damit zumindest ein begrenztes Mitspracherecht in diesem Be-reich. Zulässig sind allerdings auch Verwaltungsvereinbarungen, die sich lediglich auf das Bundeshaushaltsgesetz stützen. Da weder eine Höchstnoch eine Mindestbeteiligung festgelegt ist, kann der Bund auch die Höhe der Finanzhilfen festlegen und dadurch einen erheblichen Teil der Länderfinanzmasse für (weitgehend) von ihm vorbestimmte Zwecke binden. Gefährlich für Länder und Gemeinden ist aber vor allem der Umstand, daß sie in jedem Fall die Folgekosten zu tragen haben. Denn durch diese Lasten verringert sich ihr Haushaltsspielraum erheblich. * 2. Ausgleich der Länderfinanzen Während die Mitfinanzierungskompetenz des Bundes von diesem u. a. mit dem Argument gerechtfertigt wird, daß die gemeinsame Finanzierung von Schwerpunktaufgaben wegen der bedarfsgerechten Mittelvergabe einen günstigen Finanzausgleichseffekt habe lehnen die Vertreter des Länderstandpunktes die Mischfinanzierung fast ausnahmslos ab Voraussetzung für ihre Abschaffung wäre aber ein bundesstaatlicher Finanzausgleich, der die unterschiedliche Struktur der Länder berücksichtigt Diesem Anspruch wird die Verteilung der Steuereinnahmen nach dem örtlichen Aufkommen angesichts der starken Finanzkraftunterschiede von Land zu Land nicht gerecht Nach wie vor wird jedoch der Länderanteil an der Einkommen-und Körperschaftsteuer nach diesem Prinzip verteilt, d. h. jedes Land erhält genau soviel, wie die Finanzbehörden in seinem Gebiet eingenommen haben. Ein angemessener Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder läßt sich auf diese Weise nicht bewirken.
Leistungsunterschiede, die sich hieraus ergeben, können innerhalb eines modernen Sozialstaats aber nicht einfach hingenommen werden. Sie sind verfassungsrechtlich jedenfalls nicht zu legitimieren Vielmehr muß auch im Bundesstaat „ein von der Gesamtbevölkerung als Normalmaß empfundener Standard an öffentlichen Verwaltungsleistungen sowohl dem Umfang wie der Quote nach in allen Ländern erreicht und gehalten werden“. Dagegen können „unzureichende, hinter dem Niveau anderer Länder zurückbleibende Leistungen (z. B. auf den Gebieten des Schulwesens, der Wohlfahrt, des Straßenbaues) ...der Bevölkerung (auch) nicht mit dem Hin-weis auf die .. . Finanzschwäche des betreffenden Landes verständlich gemacht werden" Dem Ausgleich unterschiedlicher Finanzkraft der Länder dient daher seit 1969 die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens nach der Einwohnerzahl des einzelnen Landes (Art. 107 Abs. 1 S. 4 GG). Darüber hinaus wird bis zu einem Viertel des Umsatzsteuerländeranteils bereitgestellt um daraus den finanzschwachen Ländern, also Bayern, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saar-land und Schleswig-Holstein, Ergänzungsanteile zukommen zu lassen. Bei dem Ausgleich sind Finanzkraft und Finanzbedarf der Kommunen zu berücksichtigen.
Ziel der gesamten Regelung ist es, die finanzielle Leistungskraft der Länder einander anzugleichen, ohne daß dies allerdings zu einer Nivellierung der Länderfinanzen führen soll Angemessen könnte das Spannungsverhältnis zwischen dem Nivellierungsverbot und der durch das Sozialstaatsprinzip inhaltlich bestimmten Forderung nach „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" gelöst werden, indem der durch das Grundgesetz vorgeschriebene Finanzausgleich die leistungsschwachen Länder zur wirksamen Erfüllung ihrer Aufgaben befähigt, ohne den steuerstarken Ländern zu hohe Mittel zu entziehen Ob dieses Ziel durch den Ausgleich der Steuerkraft der ausgleichsberechtigten (finanzschwachen) Länder auf mindestens 95 °/o einer fiktiven Ausgleichsmeßzahl — so die gegenwärtige Regelung — erreicht ist, erscheint fraglich. Am 23. Februar 1973 beschlossen da-her die Regierungschefs des Bundes und der Länder, eine gemeinsame Arbeitsgruppe zu bilden, die die Möglichkeiten für eine Verbesserung des Finanzausgleichs prüfen soll. Dieser Arbeitsgruppe gehören der Bundeskanzler als Vorsitzender, der Bundesfinanzminister, der Bundeswirtschaftsminister und die Ministerpräsidenten der Länder Baden-Württemberg, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein an
Ein sinnvoller Ausgleich der Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern wird aber nur dann möglich sein, wenn der Verfassungsauftrag des Art. 29 Abs. 1 GG endlich ausgeführt wird. Danach ist das Bundesgebiet unter Berücksichtigung der landsmannschaftlichen Verbundenheit, der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit und des sozialen Gefüges neu zu gliedern. 3. Übergewicht des Bundes Seit 1949 hat das finanzielle Übergewicht des Bundes (z. B. ablesbar an den steigenden Dotationen) beständig zugenommen, so daß auch für die absehbare Zukunft kaum Aussichten bestehen, dem zu beobachtenden Trend zum Finanzunitarismus wirksam Einhalt zu gebieten. Diese Entwicklung wird besonders im Be-reich der Steuergesetzgebung deutlich. Denn in Finanzangelegenheiten sind Gesetzgebungs-und Verwaltungskompetenzen anders zwischen Bund und Ländern verteilt als bei den übrigen Staatsaufgaben. Dem allgemeinen Grundsatz nach haben die Länder das Recht zur Gesetzgebung (Art. 30, 70 GG), allerdings sieht die politische Praxis auch hier vielfach anders aus. Der Verfassung entsprechend kann der Bund aber nur solche Gesetzgebungsbefugnisse für sich in Anspruch neh-men, die ihm das Grundgesetz ausdrücklich verleiht. Im Bereich der Finanzen ist dieses Prinzip jedoch geradezu in sein Gegenteil verkehrt worden. Art. 105 Abs. 2 GG weist nämlich dem Bund fast alle Steuern zur gesetzlichen Regelung zu.
Zwar steht der Zentralgewalt lediglich die (weniger starke) konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zu, d. h. die Länder dürfen Gesetze erlassen, solange und soweit der Bund von seinen Befugnissen keinen Gebrauch macht (Art. 72 Abs. 1 GG). In der Realität besteht aber kaum noch ein Unterschied zur ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes. Denn dieser hat längst alle in Betracht kommenden Steuertatbestände geregelt. Tatsächlich bleibt den Ländern also nur die Gesetzgebung über den größeren Teil der örtlichen Verbrauchund Aufwandsteuern (Art. 105 Abs. 2 a GG), deren Aufkommen jedoch minimal ist. Um so wichtiger ist auch hier das Mitwirkungsrecht des Bundesrates bei solchen Steuern, deren Ertrag den Ländern oder den Kommunen ganz oder zum Teil zusteht. Gesetze, die die Ländersteuern die Gemeinschaftssteuern oder die Realsteuern (Grund-und Gewerbesteuern) betreffen, kommen nur dann — und in der entsprechenden Form — zustande, wenn die im Bundesrat versammelten Vertreter der Länderregierungen ihnen zustimmen. Die Landesparlamente sind jedoch von der Gesetzgebung über den überwiegenden Teil der Steuern ausgeschlossen.
Dieses für den deutschen Föderalismus lebenswichtige Problem hat auch die Finanzreform des Jahres 1969 nicht gelöst Da die Gesetzgebungskompetenz beim Bund konzentriert ist, liegt auch die gesamte Steuerverantwortung beim Zentralstaat. Bei der Bundestagswahl wählt der Bürger also im Grunde den Landes-und Gemeindesteuergesetzgeber gleich mit (ohne daß ihm dieser Zusammenhang bewußt wäre). Auf der Seite der Länder fehlt zugleich die unmittelbare Verknüpfung zwischen der politischen Verantwortung für die Aufgabenerfüllung einerseits und der Finanzierungsverantwortung andererseits, d. h., der Landtag eines Bundeslandes beschließt zwar über die Aufgaben, die in diesem Land erfüllt werden sollen, ihm steht aber nicht die Verfügungsbefugnis über die Steuern zu, mit deren Hilfe die beschlossenen Aufgaben finanziert werden könnten. Damit wird das Abschieben von Verantwortung erleichtert und ein sparsamer Einsatz der vorhandenen Mittel erschwert. Zum anderen ist nur der Bund aufgrund seiner Gesetzgebungszuständigkeit für fast alle Steuern und wegen seiner Ertragshoheit (Recht auf den Ertrag) über die Bundessteuern und mehr als die Hälfte der Gemeinschaftssteuern in der Lage, zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen. Die Länder können das gleiche aus eigener Machtvollkommenheit nicht so ohne weiteres tun. Ihre Steuern dürfen in keinem Fall mit denen des Bundes in Konkurrenz treten. Obendrein gehen sie häufig nahezu leer aus, wie die Verfassungswirklichkeit zeigt. Denn der Bund sichert sich zumeist den Löwenanteil der Mehreinnahmen aus Steuererhöhungen selbst. 4. Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung Ein wesentlicher Grund für die zunehmende Konzentration der Kompetenzen bei der Zentralgewalt ist das Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung (Art. 72 Abs. 2 GG). Parallel mit der Forderung nach Übernahme bisher privater Tätigkeiten durch den Staat nimmt die Verlagerung von Zuständigkeiten auf den Bund zu. Dieser hat nicht nur das größere politische Gewicht (z. B.den größten Etat), sondern er findet auch mehr Gehör in der Öffentlichkeit Von ihm versprechen sich die Bürger am ehesten die Erfüllung ihrer Wünsche. Dabei spielt als verfassungsrechtlicher Ansatzpunkt für eine Ausdehnung der Bundeskompetenzen vor allem das Gebot der „Einheitlichkeit der LebensVerhältnisse" eine zentrale Rolle. Eine neuere Formulierung zeigt diese Tendenz der Entwicklung zum „unitarischen Bundesstaat' noch deutlicher. Es handelt sich um die 1969 zur Begründung der Gemeinschaftsaufgaben in das Grundgesetz aufgenommene Formel von der „Verbesserung der Lebensverhältnisse". Der aus Gleichheitssatz und Sozialstaatsprinzip hergeleitete Auftrag des Staates, für seine Bürger bessere Lebensbedingungen, zumindest aber gleiche soziale Lebenschancen zu schaffen, wird in erster Linie auf den Zentralstaat, also den Bund, bezogen. Den Ländern werden dagegen lediglich ergänzende Funktionen zugestanden.
Ob allerdings tatsächlich der zentrale Steuerungsbedarf einen so weitgehenden Kompetenzzuwachs des Bundes erfordert, ist durchaus fraglich Mindestens auf längere Sicht besteht die Gefahr, daß vorhandene Selbststeuerungskapazitäten (vor allem der Länder) nicht genutzt werden. Damit würde aber u. U. die Fähigkeit des Systems zur Problemverarbeitung entscheidend verringert. Sowohl die Länder als auch die Kommunen werden jedoch als Subsysteme benötigt, um auf ihrer Ebene selbstverantwortlich Wertentscheidungen zu treffen. Sie sollen nicht nur eine hinreichende Problemangemessenheit der zu treffenden Entscheidungen gewährleisten, sondern durch Mitwirkung der Parlamente auch die notwendige Legitimation beschaffen. Gerade hieran fehlt es aber in den Aufgabenbereichen, in denen dem Bund größere Mitwirkungsbefugnisse eingeräumt worden sind. Im Zusammenspiel der Bürokraten („Ressortkumpanei" der drei betroffenen Ebenen werden vielmehr die Volksvertretungen weitgehend übergangen. Auch für die Spezialisten der Länder bietet dieses System der Politik-Verflechtung erhebliche Vorteile, so daß sie für eine Änderung kaum zu gewinnen wären. Denn die Verflechtung erleichtert nicht nur die Durchsetzung von Personal-und Sachmit-telanforderungen, sondern sie ermöglicht dem Land auch, die Ablehnung kommunaler Forderungen dem Bund oder einem (anonymen) Bund-Länder-Gremium zuzuschieben
B. Lebensqualität im lokalen Bereich
Während bei der Steuergesetzgebung die umfassende Regelungskompetenz immer mehr auf den Bund übergeht, sind die Länder dafür zuständig, die Kommunen mit ausreichenden Finanzmitteln zu versehen. Trotz der verbindlichen Regelung der Rahmenbedingungen hierfür im Grundgesetz bleibt den Ländern noch ein beträchtlicher Spielraum zur eigenen Entscheidung. Sie legen nicht nur die Höhe der kommunalen Beteiligung an den Gemeinschaftssteuern fest, sondern sie entscheiden auch darüber, welche Landessteuern in die Verteilung einbezogen werden sollen. Die Verantwortung für die Finanzausstattung der Kommunen und damit für ihre Leistungsfähigkeit liegt also zu einem wesentlichen Teil bei den Ländern. Andererseits ist die Ausführung der Bundeswie der Landesgesetze aber Aufgabe der Kommunen. Vor allem die Gemein-den und Städte — in geringerem Umfang auch die Kreise — sehen sich dabei den wachsenden Ansprüchen ihrer Bürger nach mehr Lebensqualität direkt gegenübergestellt. Sie sind es nämlich, die für den Bau von Schulen, (kommunalen) Straßen, Krankenhäusern, Altenheimen, Kindergärten und Freizeitanlagen zu sorgen und diese anschließend zu unterhalten haben. Häufig liegt jedoch die Entscheidung hierüber gar nicht bei den gewählten kommunalen Vertretungskörperschaften („Parlamenten" ’ Denn insbesondere die Finanzmittel der kreisangehörigen Städte und Gemeinden sind viel zu knapp bemessen, als daß sie auf Zuschüsse von Land und Bund verzichten könnten. Sie müssen sich daher weitgehend nach den Planungen der übergeordneten Körperschaften richten.
I. Sozialstaat und Lebensqualität
Die Ansprüche der Bürger nach mehr Lebensqualität leiten sich insbesondere aus dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes her. Obwohl dieser Grundsatz erst 1949 in die neue Verfassung aufgenommen wurde stellt er aber im Grunde nur den (vorläufigen) Endpunkt einer Entwicklung dar, die bereits durch Bismarcks Sozialgesetzgebung eingeleitet wurde. Mit dem Verfall der ständischen Ordnungen und im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung waren im 19. Jahrhundert auch in Deutschland Gegensätze zwischen den sich bildenden Klassen der Produktionsmittelbesitzer und der besitzlosen Arbeiterschaft aufgebrochen, die entweder ausgetragen oder aber abgebaut werden mußten. Um Staat und Gesellschaft vor revolutionären Auseinandersetzungen zu bewahren, wurde seither der zweite Weg beschritten Ziel dieser Bemühungen ist der in den Staat sozialintegrierte Bürger Zur Realisierung dieses Ziels wurde nicht nur ein System sozialer Sicherheit und Vorsorge (Kranken-, Invaliden-, Rentenversicherung) geschaffen, sondern zugleich auch das Glücksverlangen der Menschen durch materielle Anreize befriedigt Erst mit dem vollen Ausbau der Wohlstandsgesellschaft verlagern sich die Ansprüche der Bürger nunmehr vom nurmateriellen stärker zum immateriellen Be-reich. Parallel dazu ist ein verstärktes Interesse der Wissenschaft für die lokale Politikforschung zu beobachten 1. Sozialstaatsprinzip als Wertentscheidung Während die Verfassung des Kaiserreichs noch kein Bekenntnis zum Sozialstaat enthielt und die sozialen Normen der Weimarer Verfassung (Art. 151— 165 WRV) bloße Programmsätze blieben ist das Sozialstaatsprinzip im Grundgesetz zu einer verfassungsmäßigen Wertentscheidung geworden Ne-ben Demokratie, Bundes-und Rechtsstaatlichkeit wurde die Sozialstaatlichkeit zu einer eigenständigen Staatszielbestimmung erhoben Danach ist der Staat aufgerufen, mit Hilfe seiner Organe der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung die soziale Integration seiner Bürger zu betreiben Allerdings ist in der Verfassung nicht festgelegt, auf welche Weise dies geschehen soll, so daß ein breiter Spielraum zur allgemeinen Ausgestaltung durch die Legislative und zur Einzelfallverwirklichung durch Exekutive und Judikative bleibt Dabei dürfen Gesetze, Verwaltungsakte und Gerichtsentscheidungen aber nicht dem Sozialstaatsprinzip widersprechen; Behörden und Gerichte müssen die bestehenden gesetzlichen Regelungen diesem Grundsatz entsprechend auslegen. Zwar ist das Sozialstaatsprinzip allein noch keine Anspruchsnorm, im Rahmen des Sozialrechts kann es dem Bürger aber durchaus eine gerichtlich durchsetzbare Anspruchsgrundlage in die Hand geben
Umstritten ist allerdings, inwieweit das Sozialstaatsprinzip den Staat im Interesse der Erhaltung oder Verbesserung der Lebensqualität zur Umgestaltung des bestehenden gesellschaftlichen Status quo ermächtigt oder u. U. sogar verpflichtet. Hat dieses Prinzip z. B. gegenüber der marktwirtschaftlichen Ordnung eher erhaltende, allenfalls korrigierende Funktionen oder verleiht der verfassungsrechtlich zugestandene Ermessensspielraum „dem sozial motivierten Streben nach Änderung der bestehenden Machtund Herrschaftsverhältnisse und ihrer ökonomischen Basis die notwendige Legalität" Während die Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG) als unantastbares Rechtsgut die Möglichkeit zur freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) voraussetzt, ist letztere wiederum abhängig von den gesellschaftlichen Verhältnissen. Unbeschränkte Freiheitsrechte einzelner verringern stets den Handlungsspielraum der übrigen. Notwendige Ergänzung dieser Grundrechte ist daher der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) Im Zusammenhang mit dem Sozialstaatsprinzip bedeutet dies, daß erst der nach den Grundsätzen der sozialen Gleichheit und sozialen Gerechtigkeit handelnde Staat die sozialstaatlichen Voraussetzungen zur Verwirklichung rechtsstaatlicher Freiheit für alle schafft Denn Würde und Freiheit des Menschen sind nur auf einer ausreichenden kulturellen und materiellen Grundlage möglich. In bezug auf die materiellen Voraussetzungen sozialer Freiheit konkretisiert das Sozialstaatsprinzip den Verfassungsauftrag dahin gehend, daß der Staat unter dieser Zielsetzung zur sozialen Intervention in den Wirtschaftsablauf, zur sozialen Vorsorge, aber auch zur Umverteilung verpflichtet ist Dazu gehört u. a. auch die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet. 2. Lebensqualität — ein politischer Begriff Eine Begriffsbestimmung dessen, was die Qualität unseres Lebens ausmacht, gestaltet sich bei näherem Hinsehen als äußerst schwierig. Der Nutzen einer umfassenden Definition ist überdies fraglich Denn dieser Begriff umfaßt nicht nur eine Fülle von Einzelelementen, sondern ist auch in hohem Maße vom politischen Standort des Betrachters abhängig. Während die Christlich-Konservativen ganz auf die Kräfte der sozialen Marktwirtschaft als Voraussetzung für „menschenwürdige Lebensverhältnisse“ setzen betonen die Verfechter des demokratischen Sozialismus stärker die aktive Rolle des Staates in der Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse zum Wohle des Bürgers Sie befürworten daher als Entscheidungshilfe für eine gezielte und vorausschauende Strukturpolitik z. B. Meldestellen für geplante öffentliche und private Investitionen Von ihren politischen Kontrahenten wird dagegen jede Form der Investitionslenkung als Gefährdung der Demokratie in der Wirtschaft abgelehnt
Nicht alle Einzelelemente des Begriffs „Lebensqualität“ lassen sich im kommunalen Be-reich lokalisieren. Vielmehr fallen zentrale Anliegen wie Qualität des Arbeitslebens, Mitbestimmung, Umweltschutz, persönliche Sicherheit, Umfang der Freizeit und Chancengleichheit z. B. im Bildungswesen in die Verantwortung von Bund und Ländern. Diese Probleme sollen daher hier insoweit ausgeklammert werden, als kommunale Entscheidungen überhaupt keinen oder nur einen minimalen Einfluß auf ihre Bewältigung haben. Aber auch die Lebensqualität im lokalen Be-reich bietet eine Fülle von Ansatzpunkten, besonders dann, wenn man ihre Realisierung im Rahmen der geltenden Finanzordnung in den Vordergrund der Betrachtung stellt. In diesem Zusammenhang soll Lebensqualität vor allem im Sinne „wertgleicher Lebensverhältnisse“ bzw. „gleicher sozialer Lebenschancen“ insgesamt gesehen als „sozialer Ausgleich“ verstanden werden. Dabei geht es in erster Linie um ein in zumutbarer Entfernung erreichbares Angebot gleichwertiger Leistungen der gesellschaftlichen Infrastruktur an jedem Ort der Bundesrepublik, unabhängig davon, ob es sich um eine Großstadt oder um eine Landgemeinde handelt. Da dieser Idealzustand in unserem Land noch keineswegs erreicht ist, besteht das Ziel vor al-lem in einer Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen. Dabei kann zunächst noch offen bleiben, ob es sich um einen Mindeststandard oder um einen Höchststandard von Infrastruktureinrichtungen handeln soll. Auch dies ist in erster Linie eine politische (und finanzwirtschaftliche) Fragestellung. 3. Programmatische Aussagen der Parteien Alle drei im Bundestag vertretenen Parteien sind sich in der Ausgangsposition einig, daß die Gestaltung und Verbesserung der qualitativen Lebensbedingungen in den Gemeinden möglich und somit als Ziel zu fordern ist. Allerdings nennt nur das kommunalpolitische Grundsatzprogramm der SPD das Ziel „mehr Lebensqualität“ als einen der Inhalte sozialdemokratischer Kommunalpolitik. Das hängt u. a. damit zusammen, daß die SPD für sich in Anspruch nimmt, den Begriff „Lebensqualität" in die politische Diskussion eingeführt zu haben. Bereits in ihrem Dortmunder Wahlprogramm von 1972 findet sich nämlich folgende Definition: „Lebensqualität ist mehr als höherer Lebensstandard ... Sie ist Sicherheit durch menschliche Solidarität, die Chance zur Mitbestimmung und Selbstverwirklichung, zum sinnvollen Gebrauch der eigenen Kräfte in Arbeit, Spiel und Zusammenleben, zur Teilhabe an der Natur und den Werten der Kultur, die Chance, gesund zu bleiben oder zu werden." Demgegenüber stellt das kommunalpolitische Grundsatzprogramm der Union vor allem auf den Begriff der „sozialen Lebensverhältnisse" ab. In den Leitlinien der FDP findet sich keiner dieser Begriffe. Die Vorstellung der Liberalen von Lebensqualität ließe sich am besten mit der Formel „Angebot zur Selbstverwirklichung" kennzeichnen
Nach Ansicht der SPD muß Lebensqualität in den einzelnen Entscheidungen des Städte-und Wohnungsbaus, beim Verkehrswesen, der Entsorgung, der Schmutzund Lärmbekämpfung, den sozialen und kulturellen Einrichtungen verwirklicht werden. Um das Absinken der Lebensqualität in den Gebieten mit zu starker bzw. unzureichender Verdichtung unter einen bestimmten Standard zu verhindern, will die SPD Raumordnung und Regionalplanung intensivieren. Als oberstes raumordnungspolitisches Ziel der Sozialdemokraten wird die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen genannt Darunter sei ein quantitativ und qualitativ ausreichendes Angebot an Wohnungen, Erwerbsmöglichkeiten und öffentlichen Infrastruktureinrichtungen zu verstehen. Im Rahmen der Verkehrspolitik müsse für jeden Raum eine Grundausstattung an öffentlichem Nahverkehr bereitgestellt werden, um die Chancengleichheit in Stadt und Stadtumland sowie auf dem flachen Land zu gewährleisten Im Bereich der kommunalen Gesundheitspolitik geht es der SPD vor allem um eine gleichmäßige medizinische Versorgung aller Bürger, insbesondere um die Beseitigung des Arztemangels auf dem Lande und der sich abzeichnenden Unterversorgung in den Stadtrandgebieten Demgegenüber steht für die Kommunalpolitiker der Unionsparteien bei der Gestaltung und Verbesserung der sozialen Lebensverhältnisse die Schaffung guter Arbeits-, Lebens-, Wirtschaftsund Umweltbedingungen im Vordergrund Auf dieser Grundlage soll der Bürger sein Leben in persönlicher Unabhängigkeit und Selbständigkeit im Rahmen sozialer Partnerschaft gestalten können. Die Union sieht ihre Aufgabe darin, auf der Basis wirtschaltlicher Betätigungsfreiheit vielfältige Möglichkeiten beruflicher Tätigkeit zu eröffnen Dabei wird das Ziel der Chancengleichheit in den Mittelpunkt kommunaler Wirtschaftspolitik gerückt. Unter diesem Gesichtspunkt streben die Kommunalpolitiker der Unionsparteien eine Verbesserung der Versorgung schwach strukturierter Räume mit Gütern und Dienstleistungen des öffentlich zu sichernden Bedarfs (wie Energie, Wasser, Geldverkehr, Dienststellen der öffentlichen Verwaltung und der Gerichte) an. Dazu gehöre aber auch die Förderung eines gut gegliederten, reichhaltigen Angebots an Waren und Dienstleistungen in zumutbarer Entfernung. Hierzu soll insbesondere eine ausgewogene Versorgung mit Gütern des Grundbedarfs und des gehobenen Bedarfs sichergestellt werden Sozialdemokraten und Unionspolitiker unterscheiden sich in den genannten Bereichen vor allem in der Beurteilung der Stellung der Wirtschaft (die FDP macht hierzu in ihren Leitlinien zur Kommunalpolitik keinerlei Aussagen). Während die SPD besonders den ständigen Konflikt zwischen den wirtschaftlichen Zielen und den sozialen und kulturellen Erfordernissen betont, der in der Regel zugunsten des wirtschaftlichen Wachstums entschieden werde steht für die Unionsparteien die Förderung des Wachstums einer vielfältig gegliederten Wirtschaft im Mittelpunkt 7. Dementsprechend legen CDU und CSU das Schwergewicht der Wirtschaftsförderung in den Gemeinden auf die Verbesse-rung der für die Wirtschaft unmittelbar notwendigen Infrastruktur, um so die Standortentscheidung des Unternehmers positiv beeinflussen zu können Demgegenüber’ erscheint es den Sozialdemokraten im Hinblick auf ihre (skeptische) Ausgangsposition geraten, darauf zu dringen, daß Neuplanungen und wesentlichen Erweiterungen von Wirtschaftsunternehmen eine Analyse der aus ihnen folgenden gesellschaftlichen Kosten und Nutzen vorausgehen sollte In den übrigen Bereichen der Kommunalpolitik gibt es zwar Unterschiede in den Details, sonst aber eine grundsätzliche Übereinstimmung, die angesichts der wirtschaftspolitischen Ausgangspositionen der Parteien erstaunlich ist
II. Kommunen als Träger sozialer Leistungen
Die Gemeinden erfüllen auf örtlicher Ebene sowohl eigene als auch vom Land oder Bund übertragene Aufgaben. Die enge Verflechtung kommunaler und „staatlicher" Verantwortung für die vielschichtigen Maßnahmen der Daseinsvorsorge macht eine Abgrenzung allerdings schwierig. Ohnehin erfüllen die Kommunen zum weit überwiegenden Teil Pflichtaufgaben (wichtigstes Beispiel ist die Sozialhilfe), bei denen nur noch das „Wie", nicht mehr das „Ob" in ihrer Entscheidung liegt. Bei diesen Aufgaben geht es aber weniger um die theoretische Zuordnung zu der Gruppe der Selbstverwaltungsoder der Auftragsangelegenheiten sondern vielmehr um ihre praktische Bedeutung für die Lebensqualität. Nach dem Grad dieser Bedeutung richtet sich häufig auch die Intensität der Einwirkungen von Bund oder Land. Ziel der Verpflichtung der Kommunen zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben ist nämlich die Sicherung eines gewissen Mindeststandards an sozialen Leistungen. Dieser Zielbestimmung kommt die in der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vorgegebene Einteilung am nächsten Sie unterscheidet die Gemeindeaufgaben nur noch nach den Kriterien „Freiwilligkeit" und „Pflichtigkeit", wobei Pflichtaufgaben den Kommunen auch zur Erfüllung nach Weisung übertragen werden können. 1. Kommunale Infrastrukturinvestitionen Der Bürger findet also den überwiegenden Teil der Einrichtungen, die für die Qualität seines Lebens entscheidend sind, in seinem Ort, seiner Stadt oder zumindest in seinem Kreis vor. Es verwundert daher kaum, daß zwei Drittel aller Sachinvestitionen von den Gemeinden getätigt werden Das letzte Drittel teilen sich dann etwa gleichgewichtig Bund und Länder. Die unzureichende Finanzausstattung der Kommunen führte jedoch in der letzten Zeit zur einer Drosselung der Investitionsausgaben der Gemeinden Hätte die Bundesregierung nicht in ihren Konjunkturprogrammen auch erhebliche Mittel zur Förderung von kommunalen Investitionen zur Verfügung gestellt dann wären — nach den Feststellungen der Deutschen Bundesbank — die Ausgaben erheblich gefallen. Immerhin umfaßten diese Sonderprogramme ein Gesamtvolumen von 3, 3 Mrd. DM, von dem ein großer Teil den Kommunen zugute kam.
Abgesehen von diesen zusätzlichen Mitteln aus zeitlich befristeten Programmen gibt der Bund Zuschüsse für Investitionen der Kommunen im Bereich der Verkehrsverbesserung, der Stadtsanierung und Stadtentwicklung sowie des Krankenhausbaus nach Art. 104 a Abs. 4 GG. Auf der Grundlage des Gemein-deverkehrsfinanzierungsgesetzes von 1971 und des Verkehrsfinanzierungsgesetzes von 1972 wird den Gemeinden ein Teil des Mineralölsteueraufkommens zur Verfügung gestellt. Diese Mittel sollen zur Verbesserung der gemeindlichen Verkehrsverhältnisse verwendet werden. Allerdings ist der größte Teil der Gelder für den kommunalen Straßenbau vorgesehen. Lediglich der Rest kommt dem Ausbau der Verkehrswege des öffentlichen Personennahverkehr zugute Das Städtebauförderungsgesetz soll demgegenüber zur Strukturverbesserung in den Verdichtungsräumen und zum Ausbau von Entwicklungsschwerpunkten außerhalb der Ballungsgebiete beitragen. Maßgebend für die Förderung ist die Bedeutung der geplanten Investitionen für die wirtschaftliche und städtebauliche Entwicklung im Bundesgebiet. Das Städtebauförderungsgesetz ist also in besonturproblemen" derem Maße ein Instrument zur Durchsetzung raumordnungspolitischer Ziele. Um die Krankenhausversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, sieht das Krankenhausfinanzierungsgesetz die Übernahme der Investitionskosten der Krankenhäuser durch die öffentliche Hand vor Die Benutzungskosten sollen durch die Pflegesätze gedeckt werden.
Insbesondere das erste Beispiel zeigt, daß noch immer ein (finanz-) systembedingtes Ungleichgewicht zwischen der kommunalen Ausgabenbelastung und dem Anteil der Kommunen an den Einnahmen des Gesamtstaates besteht. Die Finanzreform des Jahres 1969 hatte dieses Mißverhältnis gerade beseitigen sollen. Zu diesem Zweck war den Gemeinden ein 14°/oiger Anteil am Einkommensteueraufkommen zugestanden worden. Tatsächlich brachte die Gemeindefinanzreform den Gemeinden beträchtliche Gewinne, im Jahre 1974 allein fast 6 Mrd. DM. Der kommunale Steueranteil stieg seither auf immerhin 12, 4 °/o, nachdem er jahrelang gefallen war Aber auch diese nicht unerhebliche Steigerung verblaßt ein wenig, wenn man zum Vergleich den Steueranteil der Kommunen des Jahre 1913 heranzieht. Dieser lag bei 37, 2 °/o. Seither sind die Aufgaben der Kommunen aber nicht weniger geworden, sondern haben im Gegenteil erheblich zugenommen. 2. Steigende Belastung durch Folgekosten Entscheidend für die heutige Finanzsituation der Kommunen ist aber vor allem der Um-stand, daß sie nicht nur die Hauptlast der Investitionen tragen, sondern auch ein Drittel des gesamten Personals der öffentlichen Verwaltung zu besolden haben Da dieses Personal wiederum zu einem Drittel allein im Sozialund Gesundheitswesen tätig ist (dort war der Personalzuwachs am stärksten), liegt seine Bedeutung für die Lebensqualität jedes einzelnen auf der Hand. Man braucht sich nur einmal vorzustellen, daß Krankenpflegepersonal, Kindergärtnerinnen, Altenheimbetreuerinnen, Busund U-Bahnpersonal, Straßenkehrer oder Müllwerker streiken würden. Nun steigen aber nicht nur die Sachinvestitionskosten — z. B. die Baupreise — überdurchschnittlich, sondern auch die Personalkosten wachsen ständig. Zwar macht sich bei Neueinstellungen inzwischen die allgemein im öffentlichen Dienst zu beobachtende Tendenz bemerkbar, nur sehr vorsichtig und sparsam Personalvermehrungen vorzunehmen. Auf der anderen Seite schlägt in den Kommunen aber die (im übrigen sozialpolitisch wünschenswerte) stärkere Besoldungsanhebung für Empfänger niedriger Einkommen erheblich zu Bu-che. Denn die Gemeinden beschäftigen einen sehr viel höheren Anteil von Bediensteten der unteren Lohnund Gehaltsstufen als beispielsweise die Länder.
Bei den Investitionen kommt erschwerend hinzu, daß diese mit beträchtlichen Folgekosten im Bereich der laufenden Aufwendungen verbunden sind. Daher können die Gemeinden auch reichliche Investitionszuschüsse des Bundes oder Landes oft aus Gründen einer soliden Haushaltswirtschaft nicht in Anspruch nehmen. Die Folgekosten würden die Haushaltspläne der folgenden Jahre so stark belasten, daß keinerlei finanzieller Spielraum für andere dringende Aufgaben übrig bliebe. Diese Tendenz der Investitionsbeschränkung bleibt dort (z. B. in den Millionenstädten Berlin, Hamburg u. a.) ohne Folgen, wo bereits ein hoher Versorgungsgrad mit öffentlichen Einrichtungen erreicht ist und die Bevölkerung abnimmt oder zumindest nicht wächst. Vor allem für den ländlichen Raum kann die-se Entwicklung aber angesichts seines gewaltigen Nachholbedarfs katastrophale Folgen haben. Die Strukturunterschiede blieben nicht nur bestehen, sondern würden sich weiter vertiefen. Eine gezielte Umverteilung der vorhandenen Mittel zugunsten der strukturschwachen Gebiete bleibt daher dringend erforderlich. 3. Auswirkungen von Haushaltsstrukturreformen
Um die steigenden Ausgaben den sinkenden Steuereinnahmen anzupassen, verabschiedete der Bundestag im Dezember 1975 das Haushaltsstrukturgesetz Die Länder schlossen sich z. T. mit Spargesetzen an. Auf diese Wei-se konnten Bund und Länder ihre Haushalte erheblich entlasten. Den Kommunen sind demgegenüber wesentliche Einsparungen solange unmöglich, als sie nicht durch Bundes-bzw. Landesgesetze dazu ermächtigt werden. Denn in der Ausführung dieser Gesetze besteht zu etwa 7. 0 °/o die kommunale Verwaltungstätigkeit. Zum anderen wurden durch das Haushaltsstrukturgesetz Leistungen des Bundes gekürzt, wie z. B. die Mittel zur Finanzierung der kommunalen Krankenhäuser und des kommunalen Straßenbaus. Während jedoch bei der Krankenhausfinanzierung lediglich eine Anpassung der Finanzhilfen an jährliche Steigerungsraten hinausgeschoben wurde, sind die Mittel für die Gemeindeverkehrsfinanzierung bereits ab 1. Januar 1977 um 10% gekürzt worden Kürzungen z. B. beim Wohngeld belasten darüber hinaus den Sozialhilfeetat der Kommunen
Gleichzeitig wurden die Gemeinden durch die Einkommensteuerreform des Bundes besonders getroffen. Die sozialpolitisch erwünschte Entlastung der unteren Einkommensgruppen bedeutete für die Gemeinden Steuerausfälle, die kaum zu kompensieren sind. Insgesamt gesehen ergab sich eine direkte Belastung aus verminderten Einkommen-und (wegen des Konjunkturabschwungs) Gewerbesteuereinnahmen und durch Mehrausgaben bei der (umgestellten) Kindergeldzahlung. Eine indirekte Schlechterstellung bewirkten die Kürzungen der Länderleistungen im kommunalen Finanzausgleich. Denn der niedrigere Länderanteil an der Umsatzsteuer (1974 hatten die Länder 37% erhalten, 1976 waren es nur noch 31 %) und das geringe Länderaufkommen bei den Verbundsteuern verminderten automatisch auch den Anteil der Kommunen. (Diese Belastungen führten allein im Jahre 1976 zu kommunalen Mindereinnahmen in Höhe von 1, 7 Mrd. DM.) Die geplante Mehrwertsteuererhöhung würde zwar zunächst auch die Gemeindeeinnahmen vermeh-ren, dann aber durch zusätzliche Ausgaben die Gemeinden besonders hart treffen. Denn sowohl die laufenden Sachausgaben als auch die Sachinvestitionen, also fast die Hälfte des gesamten Haushalts, unterliegen unmittelbar der Mehrwertsteuer.
III. Finanzierung kommunaler Leistungen
Da die Kommunen jedoch nicht über ausreichende eigene Einnahmen verfügen, stößt die Finanzierung sowohl der Investitionen als auch der notwendigen Personalausgaben und der übrigen Aufgaben auf erhebliche Schwierigkeiten. Diese werden besonders deutlich in der extrem hohen Verschuldung der Kommunen Allein für den Schuldendienst, also für Zinsen und Tilgung, mußten die Gemeinden in einem Jahr (1974) 8 Mrd. DM aufbringen, das waren 7, 7 °/o ihrer Gesamtausgaben. Ihr gesamter Schuldenstand erreichte 1975 fast 70 0/o ihrer Ausgaben Dabei ist, abgesehen von der enormen Höhe der Schulden, zweierlei bemerkenswert: Erstens zeigt sich, daß die am höchsten verschuldete Stadt der Bundesrepublik (Offenbach) doppelt so hoch verschuldet ist wie der Durchschnitt der deutschen Großstädte, und zweitens, daß sich seit Beginn der siebziger Jahre die Unterschiede in der Verschuldung derselben Städte noch vergrößert haben. Das heißt also, die besonders stark verschuldeten Städte geraten schon wegen der hohen Zinsen, die sie zu zahlen haben, immer mehr ins Defizit. Eine Weiterführung der Gemeindefinanzreform erscheint daher unerläßlich, über die hierfür geeigneten Maßnahmen gehen die Meinungen allerdings auseinander. Dabei stellt sich heraus, daß die Fronten weniger zwischen den Parteien verlaufen, als vielmehr zwischen den politischen Ebenen Bund, Ländern und Gemeinden. 1. Vorschläge der Parteien Die Aussagen der Parteien zur kommunalen Finanzausstattung stimmen alle darin überein, daß die finanzielle Lage der Gemeinden verbesserungsbedürftig ist. Sie machen daher — mit unterschiedlicher Gewichtung — im wesentlichen folgende Änderungsvorschläge a) Erhöhung des Gemeindeanteils am Gesamtsteueraufkommen übereinstimmend wird von allen drei Parteien die Erhöhung des Einkommensteueranteils der Gemeinden (SPD 18 0/o, CDU/CSU und FDP unbeziffert) gefordert. Die SPD hält außerdem die Einführung einer kommunalen Bodenwertzuwachssteuer für notwendig. Die Unionsparteien legen Wert auf ein eigenes Hebesatzrecht für den Gemeindeeinkommensteueranteil, und die FDP bietet als Lösung eine Beteiligung an der Umsatzsteuer an. b) Realsteuern SPD und FDP sind für eine weitergehende Lösung als die CDU/CSU. Während die FDP allerdings das Gewerbesteuerrecht mit dem Ziel reformieren möchte, die Gewerbesteuer ganz abzuschaffen, geht es der SPD lediglich um eine langfristige Verminderung der Bedeutung der Gewerbesteuer als kommunaler Einnahmequelle. Demgegenüber begnügt sich die Union mit der Forderung einer zeitgemäßen Einheitsbewertung für die Realsteuern (ebenso die SPD für die Grundsteuern). Nach Ansicht der SPD muß außerdem die Lohnsummensteuer in allen Gemeinden obligatorisch werden. c) Verbesserung des Finanzausgleichs übereinstimmend wird ein Vorrang der allgemeinen (nichtzweckgebundenen) vor den Zweckzuweisungen gefordert. Während die SPD die Mittelbewilligung nach überprüfbaren Maßstäben bei den (verbleibenden) Zweckzuweisungen für dringlich hält, geht es den Unionsparteien in erster Linie um den Einsatz aller Zuweisungen zum Abbau des Leistungsgefälles. Dabei wird auch dem Finanzausgleich der Gemeinden untereinander eine wichtige Rolle zugewiesen. d) Kostenregelung bei Neuzuweisung von Aufgaben SPD und CDU/CSU fordern übereinstimmend eine ausreichende Regelung der Kosten bei der Übertragung neuer Aufgaben durch Bundes-und Landesgesetze. Die Unionsparteien betonen darüber hinaus die Notwendigkeit, kostenwirksame Gesetze überhaupt einzuschränken. e) Einnahmen aus Gebühren und Entgelten Zwar gehen alle drei Parteien übereinstimmend von der Notwendigkeit dieser Einnahmenart aus, bei den Einzelheiten zeigen sich aber Meinungsverschiedenheiten. CDU/CSU und FDP nähern sich dabei in ihren Ansichten. Während jedoch die Liberalen eine weitgehende Kostendeckung für notwendig halten, plädieren die Unionsparteien für eine Beteiligung der Bürger nur in zumutbarem Maße. 2. Kommunale Finanzansprüche Der Anspruch der Kommunen auf eigene Steuereinnahmen findet sich vor allem im Grundgesetz, aber auch in den Verfassungen der Länder. Neben der Bestimmung, daß die Realsteuern (Grund-und Gewerbesteuern) und ein Teil des Einkommensteueraufkommens den Gemeinden zusteht, legt das Grundgesetz fest, daß die Kommunen in den Steuer-verbund des Bundes und der Länder mit einbezogen werden sollen (Art. 106 Abs. 7 GG). Allerdings steht es im Ermessen des Landesgesetzgebers, wie hoch der Anteil der Gemeinden und Gemeindeverbände am Länder-anteil der Gemeinschaftssteuern sein soll. Fast alle Landesverfassungen enthalten das Recht der Gemeinden, z. T. auch das der Kreise (z. B. Baden-Württemberg), eigene Steuern und andere Abgaben nach Maßgabe der Gesetze zu erheben Ergänzend wird die Verpflichtung des Landes ausgesprochen, den Gebietskörperschaften die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit durch übergemeindlichen Finanzausgleich zur Verfügung zu stellen Während das Recht der Gemeinden auf die Erschließung eigener Steuerquellen (Steuererfindungsrecht) vor allem in den Kommunalabgabengesetzen geregelt ist, findet sich die Regelung des Finanz-und Lasten-ausgleichs zum größten Teil in den Finanzausgleichsgesetzen. Daneben enthalten aber auch die Landeshaushaltspläne Bestimmungen, die den Finanzausgleich maßgeblich beeinflussen. Einen kommunalen Finanzausgleich gibt es nur in den Flächenländern der Bundesrepublik, denn nur in diesen besteht eine Trennung zwischen Land und Kommunen. In den Gesetzen, die den erforderlichen finanziellen Ausgleich regeln sollen, findet sich zwar eine Reihe von Übereinstimmungen (z. B. bei der Berechnung der Finanzkraft einer Gemeinde), in den Einzelheiten unterscheiden sie sich aber oft erheblich voneinander Dies hängt nicht zuletzt von der Finanzkraft des betreffenden Landes ab. Sowohl die Landes-steuern, die über die Minimalanforderungen des Grundgesetzes hinaus in den Finanzausgleich einbezogen werden, als auch der Anteil der Kommunen an der Gesamtheit dieser Steuern, sind von Land zu Land unterschiedlich geregelt. Aber auch Voraussetzungen und Bedingungen für die Möglichkeit einer Gemeinde, Zuweisungen oder Zuschüsse zu erhalten, differieren stark. Die finanzielle Situation einer Kommune und damit ihre Fähigkeit zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in ihrem Bereich hängt somit in wesentlichen Punkten davon ab, ob sie z. B. im finanzstarken Nordrhein-Westfalen oder im finanz-schwachen Bayern gelegen ist 3. Grenzen kommunaler Handlungsfreiheit Innerhalb des Finanzausgleichssystems läßt sich in jedem Land grundsätzlich nach der Handlungsfreiheit der Kommunen zwischen allgemeinen (d. h. nichtzweckgebundenen) und zweckgebundenen Finanzzuweisungen unterscheiden. Bei der Verteilung von allgemeinen Finanzzuweisungen geht es vor allem um den (theoretischen) Ausgleich zwischen der Ausgabenbelastung einer Gemeinde und ihrer Steuerkraft. Die Hauptmasse dieser Mittel entfällt auf Schlüsselzuweisungen, durch die die kommunalen Gebietskörperschaften eines Landes unterschiedlich stark an den hierfür zur Verfügung gestellten Mitteln (Verbundmasse) beteiligt sind. Daneben wird meist ein kleinerer Betrag für Bedarfs-und Sonderzuweisungen zur Verfügung gestellt. Ein — von Land zu Land unterschiedliches — kompliziertes Berechnungssystem (Schlüssel) soll bei der Verteilung der Zuweisungen sicherstellen, daß jede einzelne Kommune angemessen berücksichtigt wird. Besonders mit dem Verteilungssystem für Schlüsselzuwei-sungen werden aber auch strukturpolitische Zielsetzungen verfolgt. Einerseits findet ein Finanzausgleich statt, indem die finanzielle Leistungsfähigkeit der steuerschwachen Gemeinden angehoben wird, andererseits wird ein Lastenausgleich durchgeführt, indem bei der Verteilung bestimmte (wiederum von Laad zu Land unterschiedliche) Belastungsmerkmale berücksichtigt werden. Während die allgemeinen Finanzzuweisungen der Kommunen im großen und ganzen zur freien Verfügung überlassen werden (allgemeine Deckungsmittel), ist Kennzeichen der Zweckzuweisungen, daß sie für vom Land im voraus (z. B. im Landesentwicklungsplan) bestimmte Aufgaben gewährt werden. Zweck dieser verwendungsdeterminierten Zahlungen ist die Finanzierung gewisser Minimalleistungen auf den Gebieten des Verkehrs, des Städtebaus, der Kriegsfolgelasten, des Schulbaus, der Weiterbildung und der kommunalen Kultureinrichtungen sicherzustellen Mit diesen Zweckzuweisungen sind allerdings zugleich auch beachtliche Einwirkungsmöglichkeiten vor allem des Landes, das die Mittel vergibt (auch solche des Bundes), auf die Politik der Kommunen verbunden. Einschränkungen der kommunalen Dispositionsfreiheit gehen in erster Linie von den sog. Ermessenszuweisungen aus, die für Investitionsprojekte namentlich genannter Gemeinden im Landes-haushaltsplan bereitgestellt werden. Die Möglichkeit zur Einflußnahme auf kommunale Entscheidungen ist deshalb so groß, weil diese Investitionszuschüsse lediglich als Gesamtbeträge für bestimmte Zwecke ausgewiesen sind, die Einzelbewilligung aber im Ermessen der Behörden liegt. Erschwerend kommt hinzu, daß Empfangs-und Verwendungsauflagen den Gestaltungsspielraum der Empfänger im konkreten Fall erheblich einengen
Bei größeren Investitionsvorhaben kann die Finanzierung durch solche Ermessenszuweisungen durchaus sinnvoll sein Wird dieses Finanzierungsverfahren aber zur Regel, dann überwiegen bei der Beurteilung die Bedenken im Hinblick auf die enge Zweckbindüng, vor allem aber auch hinsichtlich der Folgen dieser Verteilungsmethode. Denn es ist keineswegs auszuschließen, daß auf längere Sicht die Bereitstellung von Mitteln ausschließlich für von Land oder Bund vorbestimmte Zwecke dazu führt, daß die Kommunen dazu übergehen, Investitionen durchzuführen, weil sie hierfür Zuschüsse bekommen, nicht jedoch, weil sie diese Projekte für besonders dringlich hielten. Eine sachgerechte (eigenverantwortliche) Entscheidung des Gemeinderats würde damit aber unmöglich gemacht. Zum anderen schränkt die Koppelung der Zuschüsse mit einer Eigenbeteiligung die Verfügungsmöglichkeit über die eigenen Finanzmittel erheblich ein. Denn oft können die hierfür erforderlichen Mittel gar nicht oder nur unter Hintanstellen anderer mindestens ebenso wichtiger Aufgaben aufgebracht werden. Auf diese Weise werden im Ergebnis wiederum die finanzstärkeren Kommunen bevorzugt. Diese können jedenfalls die Mittel für die Eigenbeteiligung bereitstellen und müssen häufig nicht einmal andere Aufgaben gänzlich vernachlässigen. Die finanzschwächeren Gemeinden aber, die entsprechende Investitionen besonders dringend brauchen, müssen u. U. mangels eigener Mittel ganz auf die Zuschüsse verzichten oder sich an anderer Stelle unverhältnismäßig einschränken. 4. Privatisierung von Versorgungsleistungen In den letzten beiden Jahren sind die Ausgaben von Bund, Ländern und Kommunen geradezu sprunghaft angestiegen. Zu diesem Anstieg haben besonders die Personalkosten der öffentlichen Einrichtungen beigetragen. Die daraus entstandenen Haushaltsdefizite zwingen die Verantwortlichen aller drei politischen Ebenen zu einer baldigen Entscheidung. Entweder werden neue Finanzierungsquellen erschlossen oder ein Teil der öffentlichen Leistungen muß gekappt werden. Da Steuererhöhungen nur als letztes Mittel in Betracht kommen, wenn bereits alle Einsparungsmöglichkeiten genutzt sind, rücken mögliche Sparmaßnahmen stärker in das Blickfeld. Dieser Weg ist mit dem Haushaltsstrukturgesetz erstmalig beschritten worden. Er findet seine Ergänzung in dem Vorschlag (z. B.des Bundes der Steuerzahler), große Bereiche öffentlicher Aufgaben zu „entstaatlichen“ Die Befürworter dieser Lösung gehen davon aus, der Staat habe sich übernommen, weil er zu viele Aufgaben (gewollt oder ungewollt) an sich gezogen habe Da die Kommunen besonders unter der Finanzknappheit zu leiden haben und das machtpolitisch schwächste Glied in der Kette der Gebietskörperschaften sind, bieten sie sich geradezu für ein solches Experiment wie das der „Entstaatlichung" an. Sie erbringen im übrigen zahlreiche Leistungen, die nach herkömmlichem Verständnis ohnehin nicht zu den (echten) Staatsaufgaben gehören. Dies gilt vor allem auch für den Be-reich der Versorgungsleistungen. a) Begrifisbestimmung Allen Bestrebungen, einen Teil der bisher vom Staat wahrgenommenen Aufgaben zu „privatisieren", ist gemeinsam, daß unter wachsendem Kostendruck Wirtschaitlichkeit und Leistungsfähigkeit des öffentlichen Handelns verstärkt werden sollen und daß hierbei dem System der Marktwirtschaft ein möglichst breiter Spielraum eröffnet werden soll. „Privatisierung“ ließe sich danach als „Ausgliederung der Ausführung öffentlicher Aufgaben aus der allgemeinen Verwaltung zum Zwecke der Anwendung privatmarktwirtschaftlicher Instrumente“ kennzeichnen Im einzelnen unterscheiden sich die hierfür vorgeschlagenen Lösungswege allerdings erheblich voneinander. Dabei geht es zunächst um eine grundsätzliche Unterscheidung: Entweder sollen innerhalb der öffentlichen Verwaltung privatwirtschaftliche Organisationsformen verwirklicht werden, oder aber es sol-len öffentliche Aufgaben durch unabhängige private Träger erfüllt werden. Bisher werden die Kommunen im Bereich der Versorgungsleistungen auf dreierlei Weise tätig: Erstens unterhalten sie Eigenbetriebe, also nichtrechtsfähige gemeindliche Unternehmen. Zweitens betreiben sie Eigengesellschaften, d. h. kommunale Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit. Und schließlich beteiligen sie sich u. U. auch an privatwirtschaftlichen Betrieben, so daß gemischt-wirtschaftliche Gesellschaften entstehen.
Für den gesamten Bereich gibt es im übrigen für die Kommunen (anders als bei Ländern und Bund) einschlägige gesetzliche Bestim-mungen. Die Gemeindeordnungen („Kommunalverfassungen") schreiben nämlich vor, daß eine Gemeinde nur dann wirtschaftliche Unternehmen betreiben, also in den genannten Formen tätig werden darf, wenn ein dringen-der öffentlicher Zweck das Unternehmen erfordert und dieser Zweck durch andere Unternehmen nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann Damit wird für die Kommunen bereits der grundsätzliche Vorrang der Privatwirtschaft betont 2. Verletzt eine Gemeinde diesen Grundsatz vorsätzlich, dann begeht sie u. U. unlauteren Wettbewerb Außerdem muß das geplante Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zur voraussichtlichen Belastung stehen. Der (obligatorische) Bericht an die Kommunalaufsichtsbehörde (Regierungspräsident bzw. Innenminister) muß Aufschluß darüber geben, ob die Deckung der Kosten tatsächlich rechtlich gesichert ist. Dazu gehören entsprechende Kalkulationen und Kostenvergleiche, in denen die Selbstkosten für die Leistungen des wirtschaftlichen Unternehmens nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelt sind b) Auswirkungen auf das Leistungsangebot In den Bereichen, in denen die Gemeinden wirtschaftliche Unternehmen betreiben, ist eine „Privatisierung" stets möglich und in einigen Fällen — wie gezeigt — sogar zwingend vorgeschrieben. In vielen (vor allem kleineren) Gemeinden liegen daher seit lan-gem z. B. Müllabfuhr, Straßenreinigung, Schlachthöfe u. a. m. in der Hand privater Unternehmen Bestimmte Einrichtungen werden vom Gesetzgeber jedoch nicht als „wirtschaftliche Unternehmen" angesehen. Das sind vor allem solche, zu denen die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist, wie z. B. Anlagen zur Beseitigung von Abfallund Schmutzstoffen (Bundesseuchengesetz). Ausgenommen sind außerdem Einrichtungen des Unterrichts-, Erziehungsund Bildungswesens, der körperlichen Ertüchtigung, der Kranken-, Gesundheits-und Wohlfahrtspflege und öffentliche Einrichtungen ähnlicher Art 147). Auch diese Aufgaben lassen sich zwar durch private Träger (z. B. Wohlfahrtsverbände) erfüllen, bei ihnen Auch diese Aufgaben lassen sich zwar durch private Träger (z. B. Wohlfahrtsverbände) erfüllen, bei ihnen muß aber noch sorgfältiger darauf geachtet werden, daß sich aus der Erledigung durch Private keine Nachteile für die Bürger ergeben. So unterliegen beispielsweise Privatschulen ebenso der staatlichen Aufsicht wie Krankenhäuser, Kindergärten oder Altenheime in privater Trägerschaft. Aber auch bei allen übrigen kommunalen Versorgungsleistungen kann aus ihrer Übertragung auf die Marktwirtschaft eine Gefährdung des Rechts-und Sozialstaates entstehen Denn erstens wären auf dem Markt angebotene Leistungen weder einklagbar noch auf Dauer gewährleistet und zweitens könnten sie so teuer sein, daß sie für sozial Schwache unerreichbar wären. Erinnert sei hier nur an die vom Deutschen Städtetag errechneten Beispiele, wonach der kostendekkende Preis für einen Schwimmbadbesuch bei etwa 7 DM liegen würde, für einen Theaterbesuch aber schon bei etwa 100 DM. Marktwirtschaftliche Effektivitätsprinzipien lassen sich also nicht ohne weiteres auf den gesamten Bereich der Daseinsvorsorge übertragen. Zumindest lebensnotwendige Güter müssen für jedermann erschwinglich gleichmäßig und ununterbrochen bereitgestellt werden. Bei den übrigen Leistungen und Einrichtungen bringt eine „Privatisierung“ aber eben-falls Probleme mit sich, die vor allem die Sicherung der Lebensqualität betreffen: Wird auch langfristig das flächendeckende notwendige Leistungsangebot gewährleistet? Wird eine Monopolbildung in privater Hand verhindert? Hat die Gemeinde den notwendigen Einfluß auf die privaten Unternehmen? Und schließlich: Wird der kommunale Haushalt überhaupt entlastet Da die wirtschaftlichen Unternehmen der Gemeinde zumeist einen Überschuß im Gebührenhaushalt erbringen, ist es zumindest fraglich, ob das zu erwartende Gewerbesteueraufkommen des privaten Betriebes diese Lücke auch wirklich schließt. Zudem besteht stets die Gefahr, daß nur gewinnbringende Bereiche „privatisiert“ werden, die kostenverursachenden Aufgaben aber nach wie vor von den Kommunen erfüllt werden müssen c) Stellungnahme der Parteien In erster Linie wird als Begründung für eine „Privatisierung" die Möglichkeit zur Kostenbegrenzung angegeben. Private Unternehmer könnten kostengünstiger arbeiten als die öffentliche Hand. Dahinter wird aber schon bald eine gesellschaftspolitische Grundeinstellung sichtbar, nämlich die des Neoliberalismus Die Freiheit des einzelnen zu wirtschaftlicher Betätigung soll möglichst groß sein, der Einfluß des Staates (also auch der der Kommunen) muß dementsprechend so weit wie möglich zurückgedrängt werden. Auf der anderen Seite fordert das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes aber gerade Eingriffe des Staates zugunsten der sozial Benachteiligten. Um besonders denjenigen den Schwimmbadbesuch zu ermöglichen, die — um es überspitzt zu sagen — keinen eigenen Swimming-pool vor dem Hause haben, müssen die Eintrittspreise niedrig gehalten werden. Dem Kostendeckungsprinzip sind also aus gesellschaftspolitischen Gründen Grenzen gezogen, denn z. B. mit dem Schwimmbadbesuch wird ja nicht nur die Benutzung einer Einrichtung, sondern zugleich auch eine gesundheitspolitische Leistung angeboten.
Ihren unterschiedlichen Ausgangspositionen entsprechend nehmen die politischen Parteien zu der Frage der „Privatisierung" kommuna-ler Leistungen unterschiedlich Stellung. Während CDU/CSU und FDP eine „Privatisierung“ aus Effektivitätsgründen befürworten, wird dies von der SPD aus gesellschaftspolitischen Erwägungen strikt abgelehnt. Nach dem Willen der Unionsparteien ist die wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand grundsätzlich einzuschränken. Auch Versorgungsleistungen sollen, wo immer möglich, privatisiert werden Die Liberalen wollen den Dienstleistungsbereich laufend auf Privatisierungsmöglichkeiten hin überprüfen, da nach ihrer Ansicht konkurrierende Wirt-schaftsträger zu einer qualitativ besseren und finanziell günstigeren Versorgung der Bevölkerung führen könnten Demgegenüber ist es Ziel sozialdemokratischer Kommunalpolitik, die kommunalen Unternehmen zu erhalten und in ihrer Leistungsfähigkeit zu fördern Ihre herausragende Bedeutung wird in der sicheren und preisgünstigen Versorgung der Bevölkerung mit bestimmten Gütern des Grundbedarfs gesehen. Daher wird sozialpolitischen Zielsetzungen (z. B. beim Nahverkehr) der Vorrang vor dem Eigenwirtschaftlichkeitsprinzip eingeräumt
IV. Gleiches Leistungsangebot an jedem Ort
Die Ende der fünfziger Jahre einsetzende Änderung der Lebensweise der Bürger brachte für die Kommunalpolitik neue, schwer zu lösende Aufgaben mit sich. Aus der Zusammenballung der Menschen auf engstem Raum in den Städten entstand ein erhöhter Bedarf an öffentlichen Grundlageninvestitionen. Durch das sprunghaft angestiegene Bevölkerungswachstum nahm aber auch die Dichte auf dem Lande zu. Mit dem Übergang von der Agrargesellschaft zur industriellen Massengesellschaft drangen städtische Lebensformen in die ländlichen Gebiete vor. Ursachen für die Strukturänderung des ländlichen Raumes waren vor allem die steigende Mobilität und die zunehmende Reichweite der Massenkommunikationsmittel. Die Motorisierung erlaubte nun die Trennung von Arbeitsund Wohngemeinde. Gleichzeitig traten Stadt und Umland in engere Beziehung zueinander. Im Zuge der gesellschaftlichen Neuorientierung in den Dörfern wuchsen auch die Ansprüche der Landbevölkerung an die Leistungen der Verwaltung Wasserversorgung, Abwasser-und Müllbeseitigung, moderne Schulen und Krankenhäuser in erreichbarer Nähe wurden bald als ebenso notwendig angesehen wie verbesserte soziale und kulturelle Einrichtungen. Eine Anerkennung dieser Ansprüche mußte erhebliche finanzielle Auswirkungen haben, denn der Nachholbedarf des ländlichen Raumes war beträchtlich. Angesichts der in Art. 20 Abs. 1 GG geforderten Sozialstaatlichkeit und dem daraus herzuleitenden Auftrag des Staates, wertgleiche Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet herzustellen sind diese Ansprüche jedoch als berechtigt anzuerkennen. 1. Räumliche Voraussetzungen des sozialen Ausgleichs Dementsprechend schreibt § 2 Abs. 1 des (Bundes-) Raumordnungsgesetzes (von 1965) Bund und Ländern vor, Maßnahmen zu ergreifen, um in den Gebieten, in denen unter-durchschnittliche Lebens-und Arbeitsbedingungen herrschen und deren wirtschaftliche, soziale und kulturelle Verhältnisse nicht ausgewogen sind, die Struktur entsprechend zu verbessern. In diesem Rahmen haben sich Bund und Länder im Bundesraumordnungsprogramm verpflichtet ihren Beitrag zu leisten, um in allen Teilen des Bundesgebietes die räumlichen Voraussetzungen für ein ausreichendes Niveau als Mindestmaß an Lebensqualität zu gewährleisten und die Lebensbedingungen zu verbessern Mit diesem Ziel soll in den Verdichtungsräumen die Leistungsfähigkeit durch eine Verbesserung der Infrastruktur und der Umweltbedingungen gesichert und erhöht werden. In den ländlichen Gebieten werden wirtschaftlich und infrastrukturell den übrigen Teilen entsprechend gleichwertige Lebensbedingungen angestrebt. Das Entwicklungspotential soll deshalb verstärkt dorthin gelenkt und schwerpunktmäßig dort eingesetzt werden. In eine besondere Kategorie werden die Gebiete eingeordnet, die hinter der allgemeinen Entwicklung zurückgeblieben sind oder zurückzubleiben drohen. Hierzu gehören sowohl ländliche wie industrielle Problemgebiete. Dort sollen vorrangig Maßnahmen zur Beseitigung der jeweiligen Strukturschwächen sowie städtebauliche Maßnahmen durchgeführt werden. Im Vordergrund steht dabei die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze und Struktureinrichtungen in Entwicklungszentren und sonstigen geeigneten zentralen Orten
Die Länder wirken ihrerseits durch Programme und Pläne auf dieses Ziel hin So soll z. B. nach dem Landesentwicklungsplan Baden-Württemberg erreicht werden, daß alle Gebiete des Landes an der Entwicklung teilhaben und der Bevölkerung aller Teile des Landes gleichwertige Lebensbedingungen geboten werden. Es wird eine räumliche Ordnung angestrebt, die durch sozialen Ausgleich jedem einen angemessenen Standard sichert Dieser Ausgleich muß allzu schroffe Unterschiede zwischen den leistungsstarken und den leistungsschwachen Räumen einebnen, ohne freilich eine durchgehende strukturelle Nivellierung herbeizuführen Zu diesem Zweck sollen Einrichtungen zur Versorgung eines Verflechtungsbereichs mit Dienstleistungen schwerpunktmäßig in den zentralen Orten der verschiedenen Stufen (Klein-, Unter-, Mittel-, Ober-oder Teilzentrum) errichtet und ausgebaut werden. Diese zentralörtlichen Einrichtungen sollen dann von jedem Wohnort aus mit einem zumutba162) ren Zeit-und Kostenaufwand erreichbar sein Demgegenüber werden Einrichtungen zur örtlichen Versorgung auf die Gebiete beschränkt, in denen sie trotz vorhandener oder geplanter zentralörtlicher Einrichtungen ausgelastet werden können oder unentbehrlich sind. Die zentralen Orte sollen dabei so ausgestattet sein, daß sie sowohl den Bedarf ihres engeren Verflechtungsbereichs (z. B. Oberzentrum) decken als auch zugleich die Verflechtungsbereiche nachgeordneter Zentren (z. B. Mittel-oder Unterzentren) mit Leistungen versorgen, die diese nicht erbringen können.
Als Ergänzung zu diesem System zentraler Orte ist die Ausbildung von Entwicklungsachsen vorgesehen Dies soll durch die Bündelung von Infrastruktureinrichtungen, insbesondere leistungsfähiger Verkehrs-und Versorgungsstränge, bewirkt werden. Während in Ballungsgebieten die flächenhafte Ausbreitung um den Verdichtungskern verhindert werden soll, werden im ländlichen Raum gerade Siedlungsverdichtungen in Entwicklungsschwerpunkten, insbesondere natürlich in den zentralen Orten, angestrebt. Ziel dieses Systems der Entwicklungsachsen ist es, den großräumigen Leistungsaustausch zwischen den Verdichtungsräumen und dem ländlichen Raum zu fördern. Hierfür sollen vorrangig im Zuge der Entwicklungsachsen bessere Standortvoraussetzungen für (nicht-landwirtschaftliche) Arbeitsplätze durch Ausbau der Verkehrs-und Versorgungseinrichtungen, Erschließung von Gewerbeflächen und Förderung des Wohnungsbaus geschaffen werden. Mittel zur Strukturverbesserung in den ländlichen Räumen ist vor allem die Ausstattung der zentralen Orte mit Bildungs-und anderen kulturellen Einrichtungen sowie mit sozialen und Verwaltungseinrichtungen In strukturschwachen Räumen gilt demgegenüber die Hauptsorge einer Bevölkerungsdichte, die den Ausbau einer befriedigenden Ausstattung mit Infrastruktureinrichtungen (schon oder noch immer) rechtfertigt 2. Finanzausgleich und Raumordnung Wenn dieses Konzept des gesteuerten sozialen Ausgleichs wirkungsvoll sein soll, dann muß sich auch der kommunale Finanzausgleich an den raumordnungspolitischen Zie-Baden-Württemberg, len und Grundsätzen orientieren, die im Raumordnungsgesetz, in den Landesentwicklungsgesetzen, Landesraumordnungsprogrammen bzw. Landesentwicklungsplänen enthalten sind. Die Notwendigkeit dieser Anpassung ergibt sich daraus, daß ein qualitativ gleiches Leistungsangebot an jedem Ort wegen der in der Praxis bestehenden großen Finanzkraftunterschiede nur durch eine besondere Förderung der finanzschwächeren zu Lasten der finanzstärkeren Kommunen zu verwirklichen ist. Hierzu dienen im Austausch von der übergeordneten (Land) zur nachgeordneten Gebietskörperschaft (Kreis, Gemeinde) Schlüssel-, Sonderschlüssel-und Bedarfszuweisungen.
Dieser Zielrichtung steht aber (noch) das Zuweisungssystem entgegen, das in den meisten Bundesländern gilt. Es beruht nämlich auf der Annahme, daß mit der größeren Einwohnerzahl einer Gemeinde nicht nur insgesamt, sondern auch pro Kopf höhere Ausgaben entstehen müßten. Diese von Johannes Popitz im Jahre 1932 in einem berühmt gewordenen Gutachten aufgestellte These läßt sich heute auch finanzwissenschaftlich nicht mehr hinreichend begründen. Sie geht zudem von überholten gesellschaftspolitischen Voraussetzungen aus. Dennoch findet sie sich nach wie vor in den meisten Finanzausgleichsgesetzen. Immer noch wird der Finanzbedarf einer Kommune ermittelt, indem die Einwohnerzahl im sog. Hauptansatz nach Gemeindegrößenklassen gestaffelt („veredelt") zugrunde gelegt wird. 3. Strukturpolitik als Gesellschaftspolitik Popitz war bei seinen Überlegungen von der strikten Trennung der Stadtbevölkerung von der Landbevölkerung ausgegangen. Während für die einen hohe Kosten für Kanalisation und andere Infrastruktureinrichtungen anfielen („kanalisierte Einwohner"), lebten die anderen unter erheblich bescheideneren Verhältnissen. Entsprechend niedriger schätzte Popitz auch die Ansprüche der ländlichen Bevölkerung ein. Diese Einschätzung ließ sich zwar zur damaligen Zeit finanzstatistisch belegen, zeigt aber zugleich einen gesellschaftspolitischen Ansatz, der sich schwerlich z. B. mit dem Gleichheitssatz des Art. 109 Abs. 1 WRV (i. V. m. Art. 151 Abs. 1 WRV) vereinbaren ließ Neben der (gewichteten) Einwohnerzahl führte Popitz zwei zusätzliche Größen ein, die als aufwandsteigernd beim Finanzbedarf berücksichtigt werden sollten. Dabei handelte es sich zum einen um den außergewöhnlichen Kinderreichtum einer Gemeinde, zum anderen um einen überdurchschnittlichen Anteil an Arbeitern. Während der „Kinderansatz' dem Umstand Rechnung trug, daß Kinder unter 14 Jahren der Schulpflicht unterlagen und daher nicht zur Erhöhung der Steuereinnahmen beitragen konnten, ging es beim „Arbeiteransatz“ um die Belastung der kommunalen Finanzen durch diese Einwohner wegen ihres geringen Einkommens
Angesichts des Sozialstaatsprinzips ist eine solche Differenzierung heute selbstverständlich nicht aufrechtzuerhalten. Der „Arbeiternsatz" ist daher inzwischen aus den deutschen Finanzausgleichsgesetzen verschwunden. Einen „Kinderansatz" gibt es aber nach wie vor in Hessen und im Saarland. Wird in Hessen ein hoher Bevölkerungsanteil an Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren als bedarfssteigernd angesehen 4, so sind es im Saarland die Kinder unter 15 Jahren, die bei einem bestimmten Prozentsatz der Einwohnerzahl die Gewährung eines Ergänzungsansatzes rechtfertigen Bereits an diesen Unterschieden, die sich kaum aus der Verschiedenartigkeit der Bevölkerungsstruktur begründen lassen, wird die Fragwürdigkeit der Berechtigung eines „Kinderansatzes" deutlich. Sein Wert erscheint ebenso wie der anderer Neben-und Ergän^ungsansätze zweifelhaft. Solche Ansätze sind nämlich nicht geeignet, einen vollständigen Ausgleich struktureller Ungleichgewichte herzustellen, sondern bewirken allenfalls schwache Nivellierungseffekte. Die Vielfalt der Nebenansätze hat außerdem zur Folge, daß sehr viele Gemeinden in den Genuß erhöhter Zuweisungen kommen. Ihre Wirkung erschöpft sich somit in einer mehr oder weniger allgemeinen Anhebung des Hauptansatzes Zudem haben einmal festgeschriebene Begünstigungen die Tendenz, Ansprüche auf Weitergewährung zu erzeugen, auch wenn die Voraussetzungen für ihre Einführung längst entfallen sind. Ihr Ab-bau stößt daher zumeist auf erheblichen politischen Widerstand.
Mit Abschluß der Neugliederung der Kommunen im Rahmen der Gebietsreform in den Bundesländern dürfte auch die Berücksichtigung des Bevölkerungszuwachses durch Eingemeindungen mit Hilfe eines Ergänzungsan-satzes bedeutungslos geworden sein Ähnliches gilt — mit Abstufungen — für die gleichfalls noch praktizierten Gruben-, Bäder-, Garnisons-und Grenzlandansätze Aber auch der — mit Ausnahme von Schleswig-Holstein — allen Finanzausgleichsgesetzen zugrunde liegende, nach Gemeindegrößenklassen gestaffelte Hauptansatz wird aus den genannten Gründen kaum den raumordnungspolitischen Erfordernissen und damit dem Anspruch aller Bürger auf gleichwertige Lebensverhältnisse gerecht Denn wichtiger als die Gemeindegröße sind heute das Einzugsgebiet einer Kommune und ihre Funktion innerhalb des Siedlungsraumes.
V. Konsequenzen für das Ausgleichssystem
Aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gemeindegrößenklasse läßt sich also der Finanzbedarf einer Kommune kaum mit einiger Sicherheit ablesen. Wie wenig allgemeinverbindlich die angewandten Maßstäbe sind, macht der Ländervergleich deutlich. Die Zahl der Gemeindegrößenklassen schwankt nämlich mit einer erheblichen Bandbreite zwischen Schleswig-Holstein auf der einen Seite, das die ungewichtete Einwohnerzahl zugrunde legt, und Hessen auf der anderen Seite, das 56 Gemeindegrößenklassen berücksichtigt. Im übrigen ist der in die Berechnung von Zuweisungen eingehende Finanzbedarf („Ausgangsmeßzahl") eine weitgehend willkürlich festgesetzte Größe, die wenig mit dem wirklichen Bedarf der Gemeinde zu tun hat. Der Finanzbedarf richtet sich vielmehr in erster Linie nach den Aufgaben, die eine Kommune zu erfüllen hat. Daß sich dennoch in den Meßzahlen der Finanzausgleichsgesetze auch (ge-sellschafts-) politische Zielvorstellungen niederschlagen, zeigt das (noch zu erörternde) Beispiel des Schüleransatzes in Nordrhein-Westfalen, bei dem Gesamtschulen finanziell höher bewertet werden als z. B. Gymnasien. 1. Anpassung des kommunalen Finanzausgleichs
Die Annahme eines überproportionalen Anwachsens des Finanzbedarfs bei steigender Einwohnerzahl ist also nicht mehr länger haltbar. Denn die sozialen Kosten verteuern sich nicht nur bei zunehmender Verdichtung in Ballungsgebieten, sondern steigen u. U. ebenso im ländlichen Raum aufgrund weiter Entfernung . 1 und mangelnder Infrastruktur. Bei bestimmten kommunalen Leistungen tritt mit zunehmender Gemeindegröße sogar eine Kostenminderung ein Das geschieht immer dann, wenn die betreffende Einrichtung voll ausgelastet ist und die größtmögliche Menge an Benutzerentgelten eingenommen werden kann. Aber auch dann, wenn ein Kostenanstieg feststellbar ist, sollten steigende Sozialkosten in Verdichtungsräumen durchaus als Standortnachteile bemerkbar bleiben Ihre Berücksichtigung durch eine Staffelung des „Bedarfs“ verhindert u. U. die Verwirklichung der raumordnungspolitischen Zielsetzung, eine weitere Agglomeration (Zusammenballung) zu vermeiden. Sinnvoller erscheint es daher, auch für den kommunalen Finanzausgleich die in der Raumordnung übliche Einteilung der Gemeinden in Ober-, Mit-tel-, Unterund Kleinzentren zugrunde zu le-gen
Dementsprechend forderte bereits im Jahre 1968 die Konferenz der für die Raumordnung zuständigen Landesminister eine Berücksichtigung raumordnerischer Gesichtspunkte beim kommunalen Finanzausgleich. Die Entschließung vom 18. April 1968 bezeichnete folgende Regelungen in den Finanzausgleichsgesetzen der Länder als erforderlich
a) Bei den schlüsselmäßigen Zuweisungen sollten Sonderregelungen für zentrale Orte vorgesehen werden, die die laufenden Aufwendungen für Einrichtungen, die diese Gemeinden für die Gemeinden des Versorgungs-bereichs bereithalten, angemessen berücksichtigen oder die spezifischen Aufgaben der zentralen Orte in den einzelnen Bereichen zur Grundlage eines Sonderansatzes machen.
b) Es sollten ein Investitionsfonds oder Investitionshilfen vorgesehen werden, mit denen eine Teilfinanzierung zentralörtlicher Einrichtungen sichergestellt wird. Die Auswahl der hiermit zu fördernden Objekte sollte in räumlicher wie in zeitlicher Beziehung nach Maßgabe der Raumordnungs-Programme und -Pläne und unter Beteiligung der Landesplanungsbehörden erfolgen. 2. Berücksichtigung zentralörtlicher Funktionen
Diesem Anspruch versuchen drei der herkömmlichen Finanzausgleichsgesetze durch Einführung eines Ergänzungsansatzes für zentrale Orte bzw. durch einen Schulkinderansatz gerecht zu werden. So erhalten seit 1964 kreisangehörige Gemeinden in Rheinland-Pfalz und seit 1970 im Saarland Mittelund Oberzentren, denen besondere Aufwendungen durch ihre zentralörtliche Bedeutung für das umliegende Gebiet erwachsen, einen finanziellen Ausgleich auch für die Einwohner des von ihnen versorgten Bereichs Demgegenüber soll in Nordrhein-Westfalen seit 1970 die zentralörtliche Funktion einer Gemeinde mit Hilfe eines Schüleransatzes erfaßt werden Ob dieses Ziel tatsächlich durch die Berücksichtigung der Schülerzahlen zu erreichen ist, erscheint jedoch fraglich. Für diese Annahme könnte der Umstand spre-chen, daß es in keinem anderen Bundesland einen in vergleichbarer Weise differenzierenden Ergänzungsansatz gibt. Berücksichtigt wird nämlich nicht die einfache, sondern die nach Schulformen gewichtete Schülerzahl. So werden Gymnasien beispielsweise höher angesetzt als Grundschulen. Da in Nordrhein-Westfalen der Bau von Mittelpunktschulen weit vorangetrieben worden ist, spiegelt der Schüleransatz zumindest in gewissem Umfang zentralörtliche Funktionen der Gemeinde wider. Er enthält andererseits aber auch diesem Prinzip wesensfremde Elemente wie die Berücksichtigung von Ganztagsschulen Außerdem läßt sich die zentralörtliche Bedeutung einer Kommune kaum allein aus der Zahl ihrer Schüler in bestimmten Schularten ermitteln.
Als folgerichtiger im Sinne des hier vorgetragenen Konzepts ist daher der bislang nur in Schleswig-Holstein eingeschlagene Lösungsweg anzusehen: Schlüsselzuweisungen werden zusätzlich für übergemeindliche Aufgaben im Verflechtungsbereich zentraler Orte gewährt. Das Ergebnis ist eine Verschiebung der Finanzausgleichsleistungen zugunsten des ländlichen Raums, wenn gleichzeitig auf eine Staffelung des Hauptansatzes verzichtet wird. Auf diese Weise kann dem Anspruch aller Bürger auf gleichwertige Lebensbedingungen besser Rechnung getragen werden als auf herkömmliche Art. Dieses Zuweisungssystem gewinnt seine Leistungsfähigkeit aus der Tatsache, daß es das Raumordnungskonzept der Landesregierung zur Grundlage der Mittelverteilung macht. Bei der Berechnung der Zuweisungen für die einzelne Gemeinde wird also darauf abgestellt, daß die zentralen Orte ne-ben den Aufgaben für ihre eigenen Einwohner auch solche für die Bewohner des Verflechtungsbereichs zu erfüllen haben. Infrastruktureinrichtungen werden in diesem System abgestuft nach Ober-, Mittel-und Unterzentren bzw. ländlichen Zentralorten bereitgestellt. Damit bleiben zwar graduelle Unterschiede im Leistungsangebot bestehen, diese werden aber durch die Bereitstellung der notwendigen Einrichtungen in für den Bürger zumutbarer Entfernung bestmöglich kompensiert. 3. Sicherung der sozialen Grundausstattung Schlüsselzuweisungen allein reichen bei steuerschwächeren Gemeinden allerdings oft nicht aus, um einen Ausgleich zwischen dem Finanzbedarf und den eigenen finanziellen Möglichkeiten herzustellen. Mit einem komplizierten System von Sonderschlüsselund Bedarfszuweisungen soll diese Lücke geschlossen werden. Denn andernfalls wären viele Kommunen nicht in der Lage, auch nur ein Minimum an Infrastruktureinrichtungen zu finanzieren. Aber auch hier zeigen sich von Land zu Land erhebliche Unterschiede, die in ihren Auswirkungen zu einem Sozialgeiälle innerhalb des Bundesgebietes führen können. Dabei geht es vor allem um den Ausgleich der Differenz zwischen Finanzbedarf und Steuerkraft bis zu einem bestimmten Prozentsatz durch Sonderschlüsselzuweisungen. Liegt diese sog. Sockelgarantie bei besonders finanzschwachen Gemeinden in Baden-Württemberg und im Saarland bei 100°/0 und in Nordrhein-Westfalen immerhin noch bei 90 °/o, so erreicht sie in Rheinland-Pfalz und in Hessen nur noch 75 °/o Selbst der aufgrund künstlicher Größen errechnete „Finanzbedarf“ einer Kommune wird so also noch nicht erreicht.
Zum Ausgleich von Härten und außergewöhnlichen Belastungen werden dann noch Bedarfszuweisungen aus einem Ausgleichsfonds gewährt. Häufig bieten diese Mittel die einzige Möglichkeit für eine Kommune, die für Landes-bzw. Bundeszuschüsse erforderliche Eigenleistung aufzubringen, ohne die sie auf die (stets dringend benötigten) Zuschüsse u. U. ganz verzichten müßte. Bedarfszuweisungen sind aber generell an besonders strenge Voraussetzungen gebunden. Insbesondere muß die beantragende Gemeinde nachweisen, daß sie nicht nur die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit bei ihrer Haushaltswirtschaft genauestens beachtet hat, sondern außerdem muß sie auch die Realsteuern bis zur höchstzulässigen Grenze ausgeschöpft haben Damit verliert sie aber gleichzeitig an Attraktivität für die Ansiedlung von Industriebetrieben, die selbstverständlich die Höhe der Gewerbesteuer (oder die häufig vorgeschriebene Lohnsummensteuer) als Kostenfaktor bei ihrer Standortentscheidung berücksichtigen. 4. Verbesserung der Infrastruktur Obgleich die Gemeinden zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen zu tätigen haben, reichen ihre Mittel in den seltensten Fällen aus, diese auch aus eigener Kraft zu finanzieren. Da andererseits das Angebot an sozialen Leistungen von diesen Investitionen abhängt, sind einige Länder dazu übergegangen, den Kommunen aus eigens dafür eingerichteten Investitionsfonds Zuweisungen für Infrastruktureinrichtungen zu gewähren. Die Grundsätze für die Verteilung dieser Mittel können im Haushaltsplan, im Finanzausgleichsgesetz oder auch in einem besonderen Investitionsfondsgesetz geregelt sein. Diese Investitionszuschüsse sind meistens für Straßenbau, Fußgängerzone, Trinkwasserversorgungsund Abfallbeseitigungsanlagen, für Sport-und Freizeiteinrichtungen u. a. m. vorgesehen. Meist werden sie unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftsförderung vergeben. Rheinland-Pfalz und — weniger konsequent — Baden-Württemberg stellen bei der Vergabe außerdem auf die überörtliche Bedeutung der Einrichtung bzw.der Gemeinde ab. Besonders charakteristisch für diese enge Verknüpfung von Finanzausgleich und Strukturpolitik ist die in § 14 des Landesgesetzes über den Finanzausgleich in Rheinland-Pfalz getroffene Regelung
„Bei besonderem Bedürfnis und soweit für den gleichen Zweck nicht andere Landesmittel bereitgestellt sind, können Gemeinden und Gemeindeverbänden aus Mitteln des Investitionsstocks Zuweisungen gewährt werden:
1. zur Durchführung dringender Investitionen des Gemeinwohls, soweit a) sie unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Aufgaben nicht in der Lage sind, das Vorhaben selbst zu finanzieren, oder b) ihnen im Hinblick auf die überörtliche Bedeutung der Einrichtung die Tragung der gesamten Kosten nicht zugemutet werden kann..."
Eine besondere Form des Investitionsfonds hat Schleswig-Holstein gewählt In enger Verknüpfung mit den raumordnungspolitischen Zielsetzungen aller Beteiligten werden dort von einem bei der Landesbank gebildeten, rechtlich unselbständigen, zweckgebundenen Sondervermögen (Fonds) den Gemeinden Darlehen für wirtschaftsfördernde Maßnahmen gewährt. Um die Mittel dieses Kommunalen Investitionsfonds aufzustocken, kann die Landesbank für den Fonds Kredite bis zur doppelten Höhe des vom Land zur Verfügung gestellten Betrages (37 Mill. DM) aufnehmen. Auf diese Weise stehen für die Darlehensgewährung erheblich mehr Mittel zur Verfügung. Im übrigen wird der Fonds durch die Tilgungszahlungen der Gemeinden ständig wieder aufgefüllt. Grundlage für die Förderung sind die Raumordnungspläne des Lan-des (Landesraumordnungsprogramm, Regionalund Kreisentwicklungspläne). Darüber hinaus haben die Kommunen für ihre Projekte Investitionspläne aufzustellen, die auch die geplante Finanzierung offenlegen Da von der Vergabe dieser Mittel ein erheblicher Einfluß auf die Investitionsentscheidungen der Gemeinden ausgeht, wird vor der Entscheidung des Innenministers ein Landtagsausschuß gehört, dem neben 13 Landtagsabgeordneten auch vier Vertreter der Kommunen angehören
C. Schlußbemerkung: Wohlstandsdefizit und Versorgungsgefälle
Seit fast 30 Jahren enthält das Grundgesetz den Auftrag des Staates, für gleiche Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu sorgen (Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 1, 28 Abs. 1, 72 Abs. 2 Ziff. 3 GG). Darunter ist zumindest ein von der Bevölkerung als Normalmaß empfundener Standard an öffentlichen Versorgungsleistungen zu verstehen. Dieser (bescheidene) Anspruch der Bürger ist jedoch von seiner Erfüllung noch weit entfernt. Es bestehen vielmehr nach wie vor krasse Wohlstandsunterschiede zwischen den Ländern der Bundesrepublik und innerhalb der Länder zwischen städtischen und ländlichen Räumen. Solche Unterschiede lassen sich z. B. an einem Vergleich der Pro-Kopf-Kaufkraft ablesen. Liegt diese in den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin am höchsten, so ist sie im kleinsten Flächenland, dem Saarland, am niedrigsten. Als Zentrum des Wohlstandes nimmt Stuttgart die absolute Spitzenposition ein, während der Landkreis Aurich in Ostfriesland am untersten Ende der Kaufkraftskala rangiert Trotz der strukturpolitischen Maßnahmen von Bund, Ländern und Kommunen ist also ein Wohlstandsgefälle im Bundesgebiet feststellbar, daß im Extremfall so weit geht, daß beispielsweise die Stuttgarter dreimal so viel verdienen wie die Ostfriesen in Aurich. Ein Abbau dieser Einkommensunterschiede ist nicht in Sicht, vielmehr vergrößert sich der Abstand derzeit sogar noch. Erschwerend kommt für diese (strukturschwachen) Gebiete außerdem eine besonders hohe Arbeitslosigkeit hinzu. So hatte im Januar 1975 z. B. Leer in Ostfriesland eine Arbeitslosenquote von 13, 8’/o, Stuttgart wies dagegen zur gleichen Zeit lediglich einen Arbeitslosenanteil von 2, 3 % auf
Ohne Wohlstand mit Lebensqualität gleichsetzen zu wollen, ist doch festzuhalten, daß in einem marktwirtschaftlichen System wie dem unseren eine höhere Kaufkraft den Zugang zu all den Gütern erleichtert (oder überhaupt erst ermöglicht), die auf dem Markt angeboten werden. Aus dem festgestellten Wohlstandsdefizit ergibt sich daher bereits eine starke Benachteiligung der Bewohner vor al-lem ländlicher Gebiete. Andererseits sind es besonders die kommunalen Gemeinschaftseinrichtungen, von denen in zunehmendem Maße die Qualität unserer Lebensbedingungen bestimmt wird. Die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen (bzw.des Landes) hängt aber wiederum von dem Wohlstand ihrer Bürger ab. Denn danach bemessen sich im wesentlichen die Steuereinnahmen. Die einzelne Gemeinde kann jedoch nur ihrer Finanzkraft entsprechend die erforderlichen Infrastruktureinrichtungen schaffen, so daß in „reichen“ Gemeinden ein hoher Versorgungsgrad der Bevölkerung erreicht würde, in „armen" Gemeinden dagegen ein niedriger Stand der Versorgung hingenommen werden müßte.
Damit würde sich der Kreislauf schließen: Arme Bürger (armer Kommunen) würden nicht nur hinsichtlich der am Markt angebotenen Leistungen, sondern auch in bezug auf die staatlichen Versorgungsleistungen benachteiligt. Dieses Ergebnis ist mit dem So- zialstaatsprinzip des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren, es läßt sich andererseits nur durch einen gezielten finanziellen Ausgleich vermeiden. Dieser Ausgleich muß sowohl die Finanzkraft der steuerschwachen Länder wie die der „armen“ Gemeinden auf ein Niveau anheben, das ihnen die Bereitstellung einer gesellschaftlichen Infrastruktur ermöglicht, die mit derjenigen anderer Länder bzw. Kommunen vergleichbar ist. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, daß nicht jede Gemeinde ein umfassendes Leistungsangebot für ihre Bürger bereithalten kann. Die Bündelung bestimmter Einrichtungen in zentralen Orten — abgestuft nach ihrer Bedeutung für das Umland — kommt daher als einzige realisierbare (d. h. finanzierbare) Möglichkeit in Betracht. 1. Kostendämpfung bei öffentlichen Leistungen
Zur gesellschaftlichen Infrastruktur gehört ein vielfältiges Angebot an Wohnungen, Schulen, Kindergärten und -Spielplätzen, kulturellen Einrichtungen, Sport-und Freizeitanlagen, Krankenhäusern, Altenheimen und anderen Dienstleistungsund Versorgungsbetrieben. Diese öffentlichen Einrichtungen sind von ausschlaggebender Bedeutung für die Lebensqualität jedes einzelnen, sie haben andererseits aber auch einen besonders hohen Anteil am Ausgabenanstieg der öffentlichen Hand. Zwei Lösungswege werden daher zur Kostendämpfung angeboten, die jedoch beide zu Lasten der gesellschaftspolitischen Zielsetzungen gehen. Die konsequente Anwendung des Kostendeckungsprinzips bei den kommunalen Versorgungsleistungen würde diese erheblich verteuern (und hat dies auch bereits getan). Einkommensschwächere Bevölkerungsschichten werden von einer solchen Erhöhung aber besonders hart getroffen.
Das sozialpolitische Ziel kommunaler Gemeinschaftseinrichtungen, die Menschen gleichmäßig mit bestimmten Gütern des Grundbedarfs zu versorgen, wäre dann nicht mehr erreichbar. Leistungen, auf die der Bürger durch seine Steuerzahlung bereits einen gewissen Anspruch erworben hat, würden vielmehr zunehmend nur noch den wohlhabenderen Schichten zugute kommen. Aber auch die Privatisierung bisher kommunaler Leistungen hilft weniger die vorhandenen Probleme zu lösen, sondern schafft vor allem neue Schwierigkeiten. Die sichere und beständige Versorgung der Bevölkerung wäre angesichts der Gefahr von Monopolbildungen in privater Hand nur schwer zu gewährleisten. Höhere Gebühren (und damit die oben geschilderten gesellschaftspolitischen Folgen) und u. U. auch ein eingeschränktes Leistungsangebot scheinen im allgemeinen die unausweichlichen Folgen solcher Bestrebungen zu sein. Für kleinere Gemeinden empfiehlt sich daher eher der Zusammenschluß mit Nachbar-gemeinden zur Erreichung eines bestimmten Zwecks. In solchen Zweckverbänden für Müllabfuhr, Straßenreinigung etc. ließe sich dann im größeren Rahmen auch kostengünstiger arbeiten 2. Verkehrsprobleme im ländlichen Raum Zur infrastrukturellen Grundausstattung gehört aber auch ein angemessenes Verkehrsangebot. In Ballungsgebieten kommt hierfür vor allem der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrssystems unter gleichzeitiger Verdrängung des Individualverkehrs zumindest aus den Innenstädten in Betracht. In den ländlichen (und manchen kleinstädtischen) Gebieten ist das Verkehrsproblem jedoch weit schwieriger zu lösen. Allerdings ist die Konfliktbereitschaft der Beteiligten auch erheblich geringer als beispielsweise in Großstädten. Im ländlichen Raum haben insbesondere die Streckenstillegungen der Bundesbahn, die aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten durchaus sinnvoll sein mögen, in gesellschaftspolitischer Hinsicht ausschließlich negative Auswirkungen. Sie bedeuten für die Landbevölkerung einen spürbaren Ver-lust an Lebensqualität.
Da der Bus-Verkehr (aus Gründen der Wirtschaftlichkeit) den Ansprüchen der ländlichen Bevölkerung auf ausreichende Transportdienste (auch für landwirtschaftliche Produkte) nicht gerecht wird, ist sie fast ausschließlich auf den Individualverkehr angewiesen. Andererseits steht und fällt das Konzept der Zusammenfassung von Versorgungseinrichtungen in zentralen Orten mit der Frage der Erreichbarkeit dieser Zentren. Benachteiligt sind wiederum die sozial schwächeren Bevölkerungsschichten. Während wohlhabende Bürger auf dem Lande sich zunehmend Zweitwagen anschaffen, können jene nur unter Verzicht auf andere notwendige Dinge sich ein Auto leisten. Da dieses dann aber für die Fahrt des Mannes zur Arbeitsstätte benötigt wird, sind Frau und Kinder weitgehend von dem Leistungsangebot selbst nahegelegener zentraler Orte abge-
schnitten. Eines der wesentlichen Ziele der Verkehrsprogramme der meisten Bundesländer ist daher die Erreichbarkeit der zentralen Orte von den Einwohnern ihrer Verflechtungsbereiche
Eines der wesentlichen Ziele der Verkehrsprogramme der meisten Bundesländer ist daher die Erreichbarkeit der zentralen Orte von den Einwohnern ihrer Verflechtungsbereiche 196).
3. Soziale Folgen der Industrieansiedlung Infrastruktureinrichtungen dienen aber nicht nur der Versorgung der Bevölkerung mit bestimmten lebenswichtigen Gütern, sondern schaffen andererseits auch die Voraussetzungen für die Ansiedlung privater Wirtschaftsunternehmen. Vor allem in der Prioritätensetzung entweder für überregional wirtschaftspolitische oder aber für gesellschaftspolitische Ziele zeigen sich hier die (partei-) politischen Unterschiede. Die Unionsparteien gehen davon aus, daß bei erfolgreicher Industrieansiedlung zwangsläufig eine Besserung der sozialen Lebensverhältnisse eintreten müsse. Diese Annahme ist sicher insoweit richtig, als auf diese Weise wahrscheinlich (allerdings ist dies abhängig von der Unternehmensart) Arbeitsplätze entstehen und der Gemeinde Steuereinnahmen zufließen. Dabei kann es sich sowohl um Gewerbesteuern des Betriebes als auch um Lohnbzw. Einkommensteuern der nunmehr Beschäftigten handeln. In der Praxis hat sich allerdings gezeigt, daß die Kommunalparlamente oft bereit waren, einen sehr hohen Preis für die positive Standortentscheidung eines Unternehmers zu zahlen. Grundstücksschen196a) kungen, Steuerbefreiungen und Investitionszuschüsse waren zumindest in der Zeit der alleinigen Abhängigkeit der Kommunen von den Gewerbesteuern (also bis 1969) keine Seltenheit. Inzwischen mehren sich die Fälle, in denen Kommunen auf umweltschützende Maßnahmen der Unternehmen verzichten, um ihre Standortvoraussetzungen zu „verbessern" , Unter diesem Eindruck halten die Sozialdemokraten die Versorgung der Bevölkerung für vorrangig. Erst wenn diese sichergestellt sei, könne über Industrieansiedlungsvorhaben entschieden werden. Dabei müßten vor allem die sozialen Folgekosten (z. B. Umweltbelastungen) gründlich im vorhinein geprüft werden. Nur nach objektiver Abwägung aller Umstände könne gegebenenfalls einem sol-chen Projekt zugestimmt werden. Dieser Ausgangspunkt ist in jedem Fall human und da-her richtig. Er kann aber politisch nur solange als vertretbar angesehen werden, wie die finanzielle Lebensfähigkeit der Gemeinde auch ohne Industrieansiedlung gesichert werden kann oder aber die Standortvoraussetzungen ungewöhnlich günstig sind. Bei den gegenwärtigen Gegebenheiten (des marktwirtschaftlichen Systems) besteht jedoch die Gefahr, daß eine Kommune, die gesellschaftspolitischen Zielen gegenüber wirtschaftlichen Zwängen den Vorrang gäbe, allein mangels finanzieller Bewegungsfreiheit ihre Vorstellungen nicht verwirklichen kann. Einigkeit (auch zwischen den Parteien) besteht allerdings darin, daß sich der Staat in das Wirtschaftsgeschehen einschalten muß. Lediglich Stärke und Wirkung solcher Eingriffe sind (dies allerdings um so heftiger) umstritten. In seinem Beitrag (vom 30. 4. 1977) „Der Nahostkonflikt. Kritisches zu Veröffentlichungen in dieser Zeitschrift" hat Kenneth M. Lewan auch auf Gideon Weigerts Aufsatz „Araber und Israelis“ (B 23/74) Bezug genommen. Herr Weigert, der versehentlich leider erst sehr spät in den Besitz des Heftes mit dem Beitrag von Dr. Lewan gelangte, schickte der Redaktion eine kurze Replik, aus der wir den folgenden Auszug bringen:
„Da ich aus Zeitgründen nicht ins Detail gehen und keine ausführliche Erwiderung zu . . . Dr. Lewans Artikel geben kann, bin ich gezwungen, mich auf einige wenige Beispiele zu beschränken, die meinen eigenen Artikel betreffen. Ich bin sicher, daß auch Dr. Uriel Dann und andere von Dr. Lewan erwähnte Autoren — wären sie informiert — ihrerseits viele Beispiele dafür geben könnten, wie dieser Autor sich erlaubte, Fakten . . . verzerrt darzustellen und Worte in Zitaten anzuführen, die in den Originalartikeln, über die er zu schreiben versucht, nie gestanden haben.
1. Auf Seite 3 seines Artikels schreibt Dr. Lewan unter anderem: ,... Es wud die Meinung vertreten, daß die Zionisten ein Nebeneinander mit den Arabern in Palästina erstrebt hatten ...'
(Weigert). In Wahrheit habe ich an keiner Stelle meines Artikels .. vom Juni 1974 etwas gesagt, was dem Zitat von Dr. Lewan auch nur ähnlich wäre.
2. Seite 5 — Dr. Lewan schreibt: Die von Weigert ... aufgestellte Beschuldigung, die Syrer wären für die Kämpfe an ihrer Grenze mit Israel verantwortlich'. Ich habe in meinem Artikel nichts derartiges über die Verantwortlichkeit der Syrer erwähnt.
3. Seite 8 — Dr. Lewan schreibt, .... daß der Staat Israel isrealische Unternehmen seit 1969 mit Zuschüssen ausstattet, damit sie in den besetzten Gebieten investieren'. Auch dies ist ganz abwegig, da der Staat Israel den Israelis nie derartige Rechte in den Gebieten zugebilligt hat. Genau das Gegenteil ist der Fall: Die Israelis richten sich in diesen Gebieten nach der Genfer Konvention, nach der die jordanischen Gesetze (West-Bank) und die ägyptischen Gesetze (Gaza-
Streifen) strikt eingehalten werden müssen. Diesen Gesetzen zufolge sind keine Investitionen durch Israelis erlaubt. Dies gilt bis zum heutigen Tag . . .“