I. Einleitung
«Jede Idee läßt sich durch Übertreibungen ad absurdum führen. Das gilt auch für den Vorschlag, die parlamentarische Kontrolle über die Nachrichtendienste zu intensivieren. Nachrichtendienste sind zerbrechliche Instrumente ... Ohne eine gewisse Vertrauensbasis und ohne ein Minimum an Bewegungsspiel-raum werden Nachrichtendienste funktionsuntüchtig.“
Mit diesen abgewogenen Worten beschließt Borgs-Maciejewski seinen Aufsatz „Parlament und Nachrichtendienste" einen Beitrag also, dessen Thematik nicht neu ist die jedoch gerade in jüngster Zeit wieder besondere Aktualität erfahren hat. Nach den in den Jahren 1975 und 1976 im Zusammenhang mit der parlamentarischen Beratung des Entwurfs eines Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes geführten Diskussionen um Notwendigkeit oder Entbehrlichkeit einer ausgeweiteten Parlaments(ausschuß) kontrolle über den Landesverfassungsschutz in Nieder-sachsen, die am Ende nicht zur Institutionalisierung eines speziellen Kontrollgremiums geführt haben sieht nunmehr § 6 des Entwurfs eines Gesetzes über den Verfassungsschutz in der Freien und Hansestadt Hamburg vom 6. Oktober 1976 einen besonderen Parlamentsausschuß zur Kontrolle der Hamburger Verfassungsschutzbehörde vor. Gegen diesen Regelungsvorschlag ist zwar verschiedentlich — z. T. heftige — Kritik erhoben worden .. Zugleich aber hat die Forderung, die Parlamentskontrolle über die Tätigkeit der Nachrichtendienste zu intensivieren und die parlamentarischen Einwirkungsbefugnisse in den Bereich von Regierung und Exekutive zu verstärken, vor allem im Zusammenhang mit den Vorgängen um den vom Bundesamt für Verfassungsschutz überwachten Atomwissenschaftler Dr. Traube neuen Auftrieb be-kommen. „So ist im Zusammenhang mit den Überlegungen, welche Konsequenzen für die Ausgestaltung der parlamentarischen Kontrolle über die Nachrichtendienste aus diesen Vorgängen ggf. zu ziehen sind u. a. auch die Einrichtung eines . besonderen Verfassungsorgans'mit konzentrierter Kontrollzuständigkeit befürwortet worden Erkennbar wird hier das Votum nicht für ausreichend gehalten, das die vom Deutschen Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission für Fragen der Verfassungsreform in ihrem am 2. Dezember 1976 vorgelegten Schlußbericht für den Bereich des Bundes abgegeben hat." „Die grundgesetzliche Verankerung eines besonderen Ausschusses des Deutschen Bundestages für Angelegenheiten der Nachrichtendienste ist nicht erforderlich. Die Kommission geht dabei davon aus, daß der Vorsitz des bestehenden parlamentarischen Vertrauensmännergremiums von einem Mitglied des Deutschen Bundestages ausgeübt wird."
Auch Borgs-Maciejewski hält die Erwägungen, die zu diesem Beschluß geführt haben, für nicht überzeugend Er tritt, ungeachtet seiner oben wiedergegebenen Schlußbemerkung, mit Nachdruck dafür ein, die parlamentarische Kontrolle über die Nachrichtendienste durch Schaffung einer neuen, in der Verfassung abgesicherten Kontrolleinrichtung zu verbessern. Dabei läßt er bewußt offen, wie im einzelnen dieses Kontrollgremium, seine Zusammensetzung und seine Befugnisse beschaffen sein sollen. „Gewissermaßen als Prototypen“ nennt er immerhin den Vorschlag des 2. Untersuchungsausschusses des 5. Deutschen Bundestages zur Errichtung eines besonderen, mit den Rechten eines Untersuchungsausschusses ausgestatteten Kontroll-ausschusses für die Nachrichtendienste und die in Art. 1 § 9 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post-und Fernmeldegeheimnisses vorgesehenen Kontrollinstrumentarien Auch ist dem Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen zu entnehmen, daß seinen Vorstellungen von intensiver Parlamentskontrolle über die Nachrichtendienste nur ständige, systematisch arbeitende Kontrolleinrichtungen gerecht werden dürften, für die selbst Zustimmungsrechte in bezug auf Einzelmaßnahmen der Dienste nicht schlechthin für ausgeschlossen gehalten werden Unverzichtbar erscheint Borgs-Maciejewski jedenfalls „das Recht, von der Regierung unbeschränkt Auskunft über nachrichtendienstliche Angelegenheiten verlangen zu können" Für die von ihm bejahte Notwendigkeit, nach Maßgabe dieser Erwägungen eine besondere Kontrollinstitution für die Nachrichtendienste einzurichten, führt Borgs-Maciejwski im wesentlichen folgende Gesichtspunkte ins Feld: Von einer wirksamen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit durch das Parlament könne trotz der insoweit vorhandenen Instrumentarien nicht gesprochen werden. Dies wiege deshalb besonders schwer, weil die Regelungen über Aufgabe und Befugnis der Dienste rechtsstaatlichen Anforderungen nicht genügten. Dieses Defizit sei allenfalls dann erträglich, wenn es durch eine effiziente Parlamentskontrolle der Nachrichtendienste kompensiert werde.
Diese Gedankenführung kann weder im Detail noch im ganzen, weder in der Begründung noch im Ergebnis überzeugen. Die Behauptung, daß die derzeit bestehenden Möglichkeiten zur parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste prinzipiell unzureichend seien, ist ebenso angreifbar (vgl. nachstehend zu II.) wie einerseits die Ansicht, die für die Dienste geschaffenen Rechtsgrundlagen seiet rechtsstaatlich ungenügend, und andererseiti die These, dieser Mangel könne durch eine intensivere Parlamentskontrolle ausgeglicher werden (zu beidem unten in III.), Darüber hinaus aber stellt sich die (von Borgs-Maciejewski entweder überhaupt nicht oder nur mit leichter Hand erörterte) Frage, was von der vertassungsgesetzlichen Verankerung einer (Sonder-) Kontrollinstanz des Parlaments auf dem Gebiet des Nachrichtenwesens mit den von Borgs-Maciejewski befürworteten unmittelbaren Zwangsrechten gegenüber der Regierung unter fachspezifischen Gesichtspunkten der Nachrichtendienste, aber auch und nicht zuletzt in verfassungsrechtlicher oder doch verfassungspolitischer Hinsicht zu halten ist (s. dazu nachfolgend unter IV.).
II. Zur Wirksamkeit gegenwärtiger Parlamentskontrolle über die Nachrichtendienste
„Die selbständige politische Entscheidungsgewalt der Regierung, ihre Funktionsfähigkeit zur Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben, ihre Sachverantwortung gegenüber Volk und Parlament sind", wie das Bundesverfassungsgericht in seiner richtungweisenden Entscheidung zum Bremischen Personalvertretungsgesetz von 1957 festgestellt hat „zwingende Gebote der demokratischen rechtsstaatlichen Verfassung." Auch die demokratische und rechtsstaatliche Herrschaftsordnung des Grundgesetzes setzt deshalb „erkennbare Verantwortlichkeit im Staat und im besonderen eine verantwortliche Regierung voraus" Die Regierungsverant-wortlichkeit ist ein wichtiges Instrument zur politischen Kontrolle der Regierung Da-mit sie aktuell wirksam sein kann, bedarf es der Fach-und Dienstaufsicht des jeweils zuständigen Ministers, die wiederum zu den Mitteln rechnet, die die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns sichern sollen Zwar gibt es Bereiche politischer Gestaltung, die, weil von geringerer Wichtigkeit, der Regierungsverantwortung nicht überlassen bleiben nüs-sen Ganz sicher aber gehört die Tätigkeit der Nachrichtendienste nicht dazu. Mit Recht wird deshalb bei den derzeit im Bundestag angestellten Überlegungen, wie die Kontrolle über diese Dienste erforderlichenfalls zu vervollkommnen sei, entscheidend auch auf die Regierungsverantwortlichkeit abgehoben Borgs-Maciejewski freilich mißt der parlamentarischen „Verantwortlichkeit des betreffenden Ressortchefs" lediglich „überwiegend theoretische Bedeutung" bei Die Fach-und Dienstaufsicht der zuständigen obersten Dienstbehörden als Instrument zur Wahrnehmung der dem Parlament geschuldeten Verantwortung klammert er, obwohl auch nach seiner Auffassung durchaus von „praktischem Wert" 28), gänzlich aus dem Zusammenhang seines Themas aus Dies ist weder rechtlich überzeugend noch wird es den tatsächlichen Gegebenheiten gerecht. Aufsichtsund Weisungsrechte des zuständigen Ressortministers und seine stets wirksame Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament sind in der parlamentarisch-rechtsstaatlichen Demokratie des Grundgesetzes auch und gerade im Betätigungsfeld der Nachrichtendienste von zentraler Bedeutung Dazu kommt die innerbehördliche Kontrolle innerhalb der Dienste selbst. Sie soll gewährleisten, daß die Dienstanweisungen, Dienstvorschriften und sonstigen innerbehördlichen Regelungen für die Durchführung der den Nachrichtendiensten obliegenden Aufgaben strikt beachtet werden. Jeder Vorgesetzte, bis hin zur Leitung des Dienstes, hat dafür einzustehen. Auf Verstöße wird in geeigneter Weise dienstlich reagiert.
Sicherzustellen, daß diese innerbehördliche Kontrolle funktioniert, ist im Rahmen der Dienst-und Fachaufsicht Aufgabe der aufsichtführenden Behörde. Die Dienste sind gehalten, über ihre Arbeit dem jeweils zuständigen Ressort zu berichten. Arbeitsprogramme und Aufgabenschwerpunkte sowie Übersichten über die Beobachtungsobjekte werden zur Genehmigung vorgelegt. Der zuständige Ressortchef soll dadurch über alle bedeutsamen Vorgänge im Bereich der Nachrichtendienste unterrichtet werden und seiner Verpflichtung zur parlamentarischen Verantwortung auch für die Nachrichtendienste gerecht werden können. Der äußere Rahmen für die Tätigkeit der Dienste wird durch Erlasse der Aufsichtsbehörden — das wichtigste und streng gehandhabte, in einer Vielzahl von Fällen verwendete Steuerungsinstrument — festgelegt. Daneben werden die Nachrichtendienste durch die Dienstanweisung und durch (in großer Zahl erlassene) Dienstvorschriften gebunden. Lenkung und Steuerung erfolgen nicht zuletzt auch durch Einflußnahmen im Bereich der Personalwirtschaft, der Organisation und des Haushaltswesens der Dienste. Wichtige Entscheidungen personalwirtschaftlicher Art ergehen nur mit Zustimmung des jeweiligen Ressortchefs. Selbstverständlich bezieht sich die Dienst-und Fachaufsicht auch auf die Aktenführung in Einzelfällen. Werden Fehlentscheidungen festgestellt, dringt die Aufsichtsbehörde auf unverzügliche Abhilfe. Die Praxis zeigt immer wieder, daß die Dienste selbst die Notwendigkeit einer derart intensiven Dienst-und Fachaufsicht im Interesse ihrer eigenen Entlastung anerkennen und deshalb auch von sich aus schwierige und problematische Vorgänge der Aufsichtsbehörde zur Meinungsäußerung, ggf. auch zur Entscheidung vorlegen.
Diese „Eigenkontrolle" streng zu handhaben, dem jeweiligen Erkenntnisstand anzupassen und — nicht zuletzt — nach dem Bekanntwerden von Unzulänglichkeiten zu vervollkommnen, ist der Regierung und dem verantwortlichen Ressortchef als (stets aufs neue zu erfüllende) verfassungsrechtliche Pflicht aufgegeben, geht es dabei doch zuvörderst darum, sicherzustellen, daß die Bindung auch des nachrichtendienstlichen Handelns an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) und damit insbesondere an die Grundrechte des Grundgesetzes (Art. 1 Abs. 3 GG) in der täglichen praktischen Arbeit beachtet wird und gewahrt bleibt. Das Parlament wacht über die Wirksamkeit dieser Binnenkontrolle der Exekutive und hat auf der Grundlage der ihm gegebenen Kontrollinstrumente jederzeit die Möglichkeit, den zuständigen Minister zur Verantwortung zu ziehen, wenn Mißstände aus dem Bereich der Nachrichtendienste bekannt werden oder Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit nachrichtendienstlicher Betätigung bestehen.
Daß sich Ministerverantwortlichkeit und Kontrollverantwortlichkeit des Parlaments auf dem Gebiet der Nachrichtendienste generell als unwirksam erwiesen hätten mit der Folge, daß dem Parlament von Grund auf neue Kontrollinstrumente zur Verfügung gestellt werden müßten, läßt sich schlüssig nicht darlegen. Auch Borgs-Maciejewski ist dieser Nachweis nicht gelungen. So kann die von ihm behauptete Schwäche des allgemeinen parlamentarischen Kontrollrechts im Blick auf die Nachrichtendienste nicht mit dem Hinweis darauf „bewiesen" werden, daß die Kontrollfunktion des Gesamtparlaments zumeist schon aus Gründen der Geheimhaltungsbedürftigkeit versage Zwar liegt auf der Hand, daß nachrichtendienstliche Vorgänge in aller Regel für eine öffentliche Erörterung im Parlamentsplenum nicht geeignet sind. Damit ist aber natürlich nicht schon die Ineffizienz der parlamentarischen Kontrolle im ganzen dargetan.
Diese Kontrolle vollzieht sich einmal, wie zuletzt anläßlich der gegen den Militärischen Abschirmdienst der Bundeswehr wegen des Verdachts unzulässiger Pilotenbeobachtung erhobenen Vorwürfe und im Fall des Atomwissenschaftlers Dr. Traube in den 34 zuständigen Parlamentsausschüssen die von der Regierung erforderlichenfalls in vertraulicher Sitzung informiert werden können und tatsächlich auch informiert werden In diesem Zusammenhang ist als Regulativ im Sinne einer „Kontrolle der Kontrolle" auch zu berücksichtigen, wie Medien und Öffentlichkeit die Verlautbarungen über solche Ausschußsitzungen aufnehmen werden Nicht zuletzt diese auf den zuständigen Minister von verschiedenen Richtungen her einwirkenden Kontrollströme gewährleisten in aller Regel, daß Auskunftsverweigerungen gegenüber dem Ausschuß nur beim Vorliegen schwerwiegender Verweigerungsgründe erfolgen und deshalb die Ausnahme bleiben werden
Wenn Borgs-Maciejewski trotzdem nur eine . gewisse“ Kontrolle durch die „regulären” Ausschüsse anerkennen will so dürfte der Grand dafür in erster Linie darin liegen, daß er eine „systematische", Parlamentskontrolle für notwendig hält 41). Eine solche Kontrolle würde wohl, auch wenn Borgs-Maciejewski die letzten Details offen läßt bedeuten, daß die Kontrollinstanz stets präsent zu sein und ggf. auch „vor Ort" tätig zu werden hätte. Die naheliegende Frage, wie eine so verstandene Parlamentskontrolle, selbst wenn sie im Grundgesetz ausdrücklich verankert würde, insbesondere vor dem Hintergrund des Gewaltenteilungsgrundsatzes verfassungsrecht-lieh und verfassungspolitisch zu beurteilen ist, behandelt Borgs-Maciejewski nicht. Auf sie ist im folgenden (unter IV.) noch zurückzukommen.
Untersuchungsausschüsse hält Borgs-Maciejewski zwar aus verfassungsrechtlicher Sicht für ein taugliches Mittel zur Aufklärung von Vorkommnissen im nachrichtendienstlichen Bereich und daher für wirksame parlamentarische Kontrollorgane Indessen bezweifelt er ihre Geeignetheit unter tatsächlich-praktischen Gesichtspunkten. So gebe in der politischen Praxis weniger das Kontroll-bedürfnis des Parlaments als die vermutete Eignung der zu untersuchenden Materie zum Kampf gegen den innenpolitischen Gegner den Ausschlag für die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen 43). An diesem Befund ist gewiß richtig, daß Untersuchungsausschüsse verstärkt zu einem Instrument der politischen Auseinandersetzung zwischen Parlamentsmehrheit und parlamentarischer Opposition geworden sind Darunter kann der Kontrollzweck einer/gegen die Regierung gerichteten Mißstandsenquete leiden, weil das Interesse der Parlamentsmehrheit darauf gerichtet sein kann, die von ihr getragene Regierung gegen Angriffe der parlamentarischen Minderheit in Schutz zu nehmen. Notwendig ist dies allerdings nicht. Ein Parlament, das seine Stellung als eigenständiges Verfassungsorgan und die ihm obliegende Kontrollverantwortung ernst nimmt, kann und wird Beanstandungen, die Unregelmäßigkeiten oder gar Rechtsverstöße im Bereich der Regierung zum Gegenstand haben, jedenfalls dann aufgreifen, wenn die zu untersuchenden Vorgänge Fragen grundsätzlicher Art betreffen oder Mißstände von besonderem Gewicht vermuten lassen. An der Aufhellung entsprechender Vorkommnisse durch Nachforschungen eines Untersuchungsausschusses kann auch der parlamentarischen Mehrheit gelegen sein In erster Linie freilich -wird dies immer eine Aufgabe der parlamentarischen Opposition sein. Damit gerade sie diese Kontrollaufgabe künftig noch wirksamer wahrnehmen kann, schlägt die Enquete-Kommission Verfassungsreform vor, Stellung und Befugnisse der Minderheit im parlamentarischen Untersuchungsverfahren zu verstärken Daneben nur deshalb noch ein besonderes Kontrollorgan für die Nachrichtendienste zu schaffen, weil es sich bei den Untersuchungsausschüssen „nicht um systematisch arbeitende Einrichtungen handelt" erscheint weder systemgerecht noch notwendig. Denn einmal ist eine parlamentarische Kontrolle, die nur dann tätig wird, wenn hierzu konkreter Anlaß besteht, dem Verhältnis zwischen Parlament und Regierung als zwei eigenständigen, voneinander getrennten und von gegenseitigem Vertrauen getragenen Verfassungsorganen prinzipiell angemessener als eine Parlamentskontrolle, die jede Hand-lung der Regierung systematisch bis ins letzte Detail verfolgt und überwacht Und zum anderen wird das ad hoc einzusetzende Mittel der kontrollierenden Exekutivenquete durch die anderen, ständig präsenten Instrumente parlamentarischer Kontrolle komplettiert.
Dazu gehört auf dem Gebiet nachrichtendienstlicher Betätigung außer den schon erörterten „normalen“ (und ständigen Parlamentsausschüssen und dem Unterausschuß des Haushaltsausschusses des Bundestages, dem die Mitwirkung an der Rechnungsprüfung für die Nachrichtendienste obliegt derzeit vor allem das parlamentarische Vertrauensmännergremium. Solange dieses auf interfraktioneller Vereinbarung beruhende, aus den Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen und einer kleinen Zahl weiterer Bundestagsabgeordneter zusammengesetzte Gremium unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers tagte und nur von diesem einberufen werden konnte, war gewiß fraglich, ob es, wie von Regierung und Parlament angenommen als Parlamentarisches Kontrollorgan zur Überwachung nachrichtendienstlicher Vorgänge im Bereich der Regierung angesehen werden konnte. Die vor dem Erscheinen der Abhandlung von Borgs-Maciejewski gemachten Vorschläge, das parlamentarische Vertrauensmännergremium durch eine Kontrollinstanz mit substantiell weitergehenden Befugnissen zu ersetzen stammen denn auch überwiegend aus der Zeit, als die Wirksamkeit der Kontrolltätigkeit des Vertrauensmännergremiums im wesentlichen, wenn nicht ausschließlich vom Willen der Bundesregierung (des Bundeskanzlers) abhängig war Heute können jedenfalls Legitimation und Zugehörigkeit des Gremiums zum Instrumentarium parlamentarischer Kontrolle nicht mehr in Zweifel gezogen werden. Denn seit Beginn der 7. Bundestagswahlperiode führt den Vorsitz jeweils ein Mitglied des Deutschen Bundestages Auch im übrigen wur-de die Arbeitsweise des parlamentarischen Vertrauensmännergremiums in den letzten Jahren „ständig verbessert: So tritt es regelmäßiger und häufiger als früher zusammen, sein Verfahren wurde stärker formalisiert. Seine Einberufung ist — jedenfalls nach der gegenwärtigen Praxis — nicht mehr dem Bundeskanzler überantwortet, vielmehr steht dieses Recht jedem Mitglied zu, das im übrigen die Erörterung bestimmter Themen verlangen kann." Offenkundig in der Erwartung, daß dem Vertrauensmännergremium diese Lei-tungs-und Steuerungsfunktionen auch künftig erhalten bleiben werden, hat die Enquete-Kommission Verfassungsreform das parlamentarische Vertrauensmännergremium als „ein geeignetes Instrument für eine Kontrolle der Dienste" angesehen und sich, „ohne die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung und die Effektivität der Nachrichtendienste anzutasten", für die Beibehaltung dieses Gremiums anstelle eines anderen im Grundgesetz zu verankernden Kontrollorgans ausgesprochen Wenn Borgs-Maciejewski dem entgegenhält, das Vertrauensmännergremium sei weder im Grundgesetz noch in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages noch in einer sonstigen Rechtsvorschrift vorgesehen, besitze deshalb „keinerlei Rechtswert" und stelle eine „in verfassungsrechtlicher Hinsicht belanglose“ Einrichtung dar so verkennt er das Selbstorganisationsrecht des Parlaments und der in ihm vertretenen politischen Gruppierungen, das selbstverständlich auch zur Einrichtung von Institutionen befugt, die keinen Niederschlag in förmlichen Rechtsvorschriften finden. Die Argumentation schließlich, das parlamentarische Vertrauensmännergremium sei schon deshalb kein Kontrollorgan des Parlaments, „weil es nicht vom Bundestag gewählt ist und ihn daher nicht repräsentiert" 59), wird nicht nur der Stellung und Funktion der Fraktionen im Parlament nicht gerecht, die die Mitglieder in das Gremium entsenden. Sie übersieht auch und vor allem, daß auch die (ordentlichen und stellvertretenden) Mitglieder der Bundestagsausschüsse keineswegs vom Bundestag gewählt, sondern gemäß § 68 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ebenfalls von den Fraktionen benannt werden
Natürlich kann man sich dafür aussprechen, das parlamentarische Vertrauensmännergremium durch ein neues, auf (einfach-) gesetzlicher Grundlage zu errichtendes Kontrollorgan zu ersetzen. Wenn dies — wie nach den derzeitigen Überlegungen im Bundestag — in einer Weise geschehen soll, „daß die politische Verantwortung für die Aktionen der Geheimdienste bei den dafür zuständigen Mini-stern bzw.deren Spitzenbeamten bleibt" und wenn gleichzeitig „der Kreis der Kontrolleure so klein gehalten werden (soll), daß die Vertraulichkeit der Information und damit die Arbeitsfähigkeit der Dienste nicht beeinträchtigt wird" 64), so ist dies prinzipiell weder verfassungsrechtlich noch aus der fachlichen Sicht der Nachrichtendienste zu beanstanden. „Jedoch kann aus solchen Bestrebungen um eine gesetzliche Neuregelung schwerlich gefolgert werden, daß sich als notwendig erwiesen habe, ein Kontrollorgan mit Befugnissen zu schaffen, die u. U. in den Kernbereich der Regierung hineinreichen. Das bisher bekanntgewordene, insgesamt sehr behutsame Vorgehen im parlamentarischen Raum spricht vielmehr eher für das Gegenteil."
In der von Borgs-Maciejewski gegebenen Darstellung der vorhandenen parlamentarischen Kontrollinstrumentarien fehlt jeder Hinweis auf das Petitionsrecht des Art. 17 GG und auf den (seit dem 19. Juli 1975 in Art. 45 c GG verankerten Petitionsausschuß. Dafür mag angeführt werden können, daß Petitionen — wie die Beschreitung des Rechtswegs — in aller Regel nur dann Erfolg versprechen können, wenn der Beschwerdeführer die ihn betreffenden Vorgänge kennt, was im vorliegenden Zusammenhang wegen der Heimlichkeit nachrichtendienstlicher Tätigkeit vielfach nicht der Fall sein wird Trotzdem hätte die Möglichkeit der Petitionskontrolle ebenso wie die der Rechtskontrolle erwähnt werden müssen, nicht nur aus Gründen der von Borgs-Maciejewski sonst angestrebten Vollständigkeit sondern insbesondere deshalb, weil dem Petitionsausschuß in dem zu Art. 45 c GG ergangenen Gesetz über die Befugnisse des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages besondere Zwangsrechte gegenüber der Exekutive des Bundes eingeräumt worden sind. Im Hinblick auf diese Befugnisse (Recht, Aktenvorlage zu verlangen, Auskunftsbegehren, Befugnis zum Zutritt zu allen Einrichtungen des Bundes) ist jedenfalls dann, wenn dem Petenten gegen ihn gerichtete Amtshandlungen der Nachrichtendienste bekannt werden, aber auch dann, wenn er solche Aktivitäten lediglich vermutet und Unregelmäßigkeiten behauptet, eine wirksame parlamentarische Kontrolle auch durch den Petitionsausschuß möglich. Daß die Exekutive bei Geheimhaltungsbedürftigkeit von ihr erbetene Auskünfte usw. verweigern kann, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Auch hier wird sie von diesem Recht nur sparsamen Gebrauch machen, zumal sie gesetzlich ausdrücklich gehalten ist, eine entsprechende Entscheidung zu begründen Das Fehlen der Petitionskontrolle in dem von Borgs-Maciejewski entworfenen Bild ist indessen nur ein (und keineswegs der wichtigste) Punkt, der zu Einwänden gegen die von ihm vertretene Auffassung nötigt. Bedeutsamer ist, daß Borgs-Maciejewski, wie sich als Resümee der bisherigen Überlegungen festhalten läßt, den Stellenwert der parlamentarischen Verantwortlichkeit der für die Nachrichtendienste zuständigen Ressortchefs und die rechtmäßigkeitswahrende Funktion ihrer Aufsichtsbefugnisse (und -pflichten) verkennt, die Kontrollwirksamkeit der ständigen Parlamentsausschüsse wie der Ad-hoc-Untersuchungsausschüsse unterschätzt und insbesondere dem parlamentarischen Vertrauensmännergremium nicht die Rolle beimißt, die ihm, auch aus der Sicht der Enquete-Kommission Verfassungsreform, jedenfalls in den letzten Jahren zugekommen ist. Diese Fehleinschätzung macht zwar die Forderung, die parlamentarische Kontrolle über die Tätigkeit der Nachrichtendienste zugunsten stärkerer, systematisch einzusetzender Zwangsrechte des Parlaments zu intensivieren, insgesamt erklärlich, erweist aber zugleich ihre mangelnde Berechtigung: Die bestehenden Kontrollmöglichkeiten, über die das Parlament verfügt, reichen entgegen Borgs-Maciejewski prinzipiell aus, auch die Nachrichtendienste einer effektiven Kontrolle zu unterziehen. Sie gewährleisten insbesondere, daß die Dienste bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die ihnen auferlegten rechtsstaatlichen Bindungen und Begrenzungen ernst nehmen. Erst recht wird das erwartet werden können, falls an die Stelle des parlamentarischen Vertrauensmännergremiums ein verkleinertes Kontrollorgan treten sollte, dessen Informationsrecht durch eine gesetzlich verankerte Berichtspflicht der Regierung abgesichert werden soll *
III. Rechtsstaatsgebot, nachrichtendienstliches Handeln und Parlamentskontrolle
Borgs-Maciejewski begründet seine Forderung nach einer effizienteren Kontrolle des Parlaments über die Nachrichtendienste vor allem damit, daß die Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit der Dienste rechtsstaatlich unzureichend seien. Einerseits seien (so für den Bundesnachrichtendienst und für den Militärischen Abschirmdienst der Bundeswehr) Auftrag und Befugnisse nicht, obwohl wegen der möglichen Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG erforderlich, gesetzlich geregelt. Andererseits seien (so in § 3 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes für das Bundesamt für Verfassungsschutz und für die Verfassungsschutzbehörden der Länder) Aufgaben und Eingriffsermächtigung in einer Weise umschrieben worden, die dem rechtsstaatlichen Gebot hinreichender Gesetzesbestimmtheit nicht mehr gerecht werde
Vergleicht man diesen Teil seiner Abhandlung mit seinen (späteren) Überlegungen zur Notwendigkeit der Nachrichtendienste und ihrer Arbeit so drängt sich der Eindruck geradezu auf, daß Borgs-Maciejewski die Darstellung der rechtsstaatlichen Grundlagen nachrichtendienstlicher Tätigkeit zunächst bewußt abstrakt und losgelöst von den spezifischen Besonderheiten dieser Tätigkeit vorgenommen hat, um von da her seine Auffassung vom intensiveren Kontrollbedarf leichter untermauern zu können. Borgs-Maciejewski sagt selbst: „Die Feststellung, daß die Nachrichtendienste über keine hinlänglichen Eingriffsermächtigungen verfügen, war das Ergebnis einer Prüfung, bei der die allgemeinen rechtsstaatlichen Maßstäbe angelegt wurden und die Besonderheiten nachrichtendienstlicher Tätigkeit außer Betracht blieben."
Die Frage ist nur, ob ein solches methodisches Vorgehen der Aufgabenstellung der Nachrichtendienste gerecht zu werden vermag. Auch die Antwort hierauf gibt Borgs-Maciejewski: „Ein vollständig transparenter Geheimdienst wäre ein Widerspruch in sich. Ke daraus zu ziehende Folgerung kann bei Anerkennung der Existenzberechtigung der Dienste nicht darin bestehen, daß an die Geheimdienste undifferenziert die gleichen — rechtsstaatlichen Normen entsprechenden — Anforderungen gestellt werden wie an die übrigen Behörden." 77)
So sehr Borgs-Maciejewski in dieser Beurteilung zuzustimmen ist, so sehr ist zu bedauern, daß er aus dieser Erkenntnis nicht schon Konsequenzen für die Teile seiner Arbeit gezogen hat, die sich mit der rechtlichen Relevanz und den Rechtsgrundlagen nachrichtendienstlicher Tätigkeit befassen. Hätte er sich für eine derart integrierte Problemdarstellung entschieden, so hätten manche Übersteigerungen im Detail und damit insgesamt der vielfach einseitige Eindruck, den diese Abschnitte vermitteln, vermieden werden können.
Zu einer solchen Gesamtschau hätte bei der Erörterung des 80) gehört, allgemeinen Persönlichkeitsrechts stärker auf die besondere Struktur dieses Grundrechts einzugehen. Zwar ist richtig, daß das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) und die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) jedem einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung sichern, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann Selbst überwiegende Interessen der Allgemeinheit können einen Eingriff in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht rechtfertigen Jedoch steht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „nicht der gesamte Bereich des privaten Lebens unter dem absoluten Schutz der genannten Grundrechte" „Als gemeinschaftsbezogener und gemeinschaftsgebundener Bürger muß vielmehr jedermann staatliche Maßnahmen hinnehmen, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots getroffen werden, soweit sie nicht den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung beeinträchtigen." Denn das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG ist „von vornherein nur unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet“ Jede formell und materiell der Verfassung gemäße Rechtsnorm vermag deshalb das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit außerhalb seines absolut geschützten Kernbereichs zu beschränken Vor allem aber ergeben sich Schranken für dieses Grundrecht aus der Verfassung selbst. Wenn „kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte ... mit Rücksicht auf die Einheit der Verfassung und die von ihr geschützte gesamte Wertordnung ausnahmsweise imstande (sind), auch uneinschränkbare Grundrechte in einzelnen Beziehungen zu begrenzen“ so gilt dies erst recht für das im Hinblick auf die Schrankentrias der verfassungsmäßigen Ordnung, der Rechte anderer und des Sittengesetzes relativ weit „geöffnete" Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Wie selbstverständlich geht denn auch das Bundesverfassungsgericht davon aus, daß der Bürger in seiner allgemeinen Handlungs-und Entfaltungsfreiheit unmittelbar durch verfassungsrechtliche Prinzipien eingeschränkt sein kann Dies kann nur bedeuten, daß dort, wo solche Prinzipien im Einzelfall Beachtung verlangen, besondere und weitere Eingriffsregelungen für staatliches Handeln (zwar möglich und verfassungspolitisch grundsätzlich erwünscht, jedenfalls aber) rechtsstaatlich nicht zwingend geboten sind.
Zu den in der Verfassung selbst hervorgehobenen Rechtswerten, die in diesem Sinne für besondere Fallgestaltungen ausnahmsweise einfachrechtliche Ermächtigungsgrundlagen entbehrlich machen können gehören im vorliegenden Zusammenhang insbesondere der Bestand der Bundesrepublik Deutschland und ihre freiheitliche Verfassungsordnung als „überragendes Rechtsgut" die Effektivität der im Grundgesetz vorgesehenen Institution Verfassungsschutz sowie die Notwendigkeit der Errichtung und Funktionsfähigkeit der Streitkräfte Vor dem Hintergrund dieser Grundentscheidungen der Verfassung und angesichts der Besonderheiten, die die Tätigkeit der Nachrichtendienste auszeichnen, begegnen die für den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst der Bundeswehr geschaffenen (nichtgesetzlichen) Rechtsgrundlagen ebensowenig zwingenden verfassungsrechtlichen Bedenken wie im besonderen die Aufgabenund Befugnisnorm für das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Verfassungsschutzbehörden der Länder in § 3 BVerfSchG Wenn Borgs-Maciejewski dieser Vorschrift neben der Unbestimmtheit der Eingriffsermächtigung (Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel) außerdem vorhält, „daß die Aufgaben des Verfassungsschutzes — und damit die Eingriffsvoraussetzungen — durch eine Fülle höchst unbestimmter Rechtsbegriffe (wie: . verfassungsfeindliche Bestrebungen', . Sicherheit des Bundes oder eines Landes', . Gefährdung auswärtiger Belange') charakterisiert sind" 96), so läßt er hierbei unerwähnt, daß die Verwendung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen durch den Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich nicht zu beanstanden ist 97), Natürlich gilt dies erst recht, wenn der einfache Gesetzgeber — wie hier 98) — unbestimmte Rechtsbe-griffe wiederholt, die in der Verfassung selbst vorgegeben sind und dazuhin — jedenfalls teilweise — durch die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts bereits schärfer konturiert worden sind 99).
Dazu kommt — und dies gilt für die Nachrichtendienste schlechthin überall dort, wo sie in den Freiheitsraum des Bürgers vordringen — das aus dem hohen Rang des Rechts auf freie Entfaltung und Achtung der Persönlichkeit folgende Gebot, daß dem aus öffentlichen Interessen erforderlich erscheinenden Zugriff auf den Persönlichkeitsbereich „ständig das Schutzgebot des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG als Korrektiv entgegengehalten wird. Dementsprechend ist durch Güterabwägung im konkreten Pall zu ermitteln, ob das verfolgte öffentliche Interesse generell und nach der Gestaltung des Einzelfalles den Vorrang verdient, ob der beabsichtigte Eingriff in die Privatsphäre nach Art und Reichweite durch dieses Interesse gefordert wird und im angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht." 100) Besonderes Gewicht kommt dabei den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes zu, die sich als übergreifende Leit- regeln allen staatlichen Handelns zwingend aus dem Rechtsstaatsprinzip ergeben und Verfassungsrang haben 101). Sie setzen, ne-ben und in Verbindung mit den Grund-und Freiheitsrechten des Bürgers, auch dem nachrichtendienstlichen Handeln bei jeder einzelnen Maßnahme unmittelbare rechtliche Schranken. Es sollte deshalb nicht hervorgehoben werden müssen, daß § 3 BVerfSchG weder eine „Aufgabenerfüllung im Stile des KGB“ zuläßt noch gestattet, die Begehung von „Verbrechen bis hin zum politischen Mord" als einzusetzendes nachrichtendienstliches Mittel auch nur in Erwägung zu ziehen 102), Der Gesetzgeber hatte, als er 1972 das Verfassungsschutzgesetz des Bundes novellierte und bei dieser Gelegenheit die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder in § 3 Abs. 3 Satz 2 BVerfSchG im Wege der Klarstellung ausdrücklich zur Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel befugte, nur solche Methoden und Mittel vor Augen, die mit den Vorstellungen des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates vereinbart werden können Dazu gehört, worauf hinzuweisen im Hinblick auf die Abhöraktion ge-gen den Atomwissenschaftler Dr. Traube besonderer Anlaß besteht, grundsätzlich auch das „einfache“ und „technische“ Belauschen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes. In (nachfolgend näher zu kennzeichnenden)
Ausnahmesituationen — allerdings nur in sol-chen — gilt dies selbst dann, wenn das Belauschen in Wohnungen geschieht 1. Auch das in Art. 13 GG gewährleistete Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung schützt — wie das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit — nicht gegen jeden staatlichen Eingriff. So dürfen nach Art. 13 Abs. 3 GG Eingriffe und Beschränkungen, die — wie das Anbringen von Abhörgeräten in einer Wohnung — nicht Durchsuchungen im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG sind, unmittelbar
von Verfassungs wegen, d. h. ohne zusätzliche
einfachgesetzliche Ermächtigung „zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen" vorgenommen werden. Auch in diesem Zusammenhang sind selbstverständlich die Grenzen, die durch die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes gesetzt sind, einzuhalten. Und ebenso ist auch bei Maßnahmen, die auf den Gemein-und Lebensgefahr„Vorbehalt" des Art. 13 Abs. 3 GG gestützt werden, der unantastbare Bereich privater Lebensgestaltung zu achten. Unabhängig davon, ob diese Begrenzung unmittelbar Art. 13GG zu entnehmen ist oder ob insoweit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG in den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 13 GG ausstrahlt 7, sind deshalb durch den Staat erlangte Kenntnisse über höchstpersönliche Dinge, „die der unantastbaren Intimsphäre zugerechnet werden könnten" unverzüglich auszusondern und zu vernichten Innerhalb dieser Grenzen und mit diesen Maßgaben aber können Maßnahmen, die dazu bestimmt sind, eine Lebensgefahr für einzelne Personen oder eine Gemeingefahr, d. h. eine bereits bestehende oder unmittelbar bevorstehende, gegenwärtige, konkrete Gefahr für eine unbestimmte Menge von Personen oder Sa-chen zu beseitigen, je nach Sachlage auch vom Verfassungsschutz vorgenommen werden. Einer solchen „Notstandslage" zu begegnen, ist nicht nur Aufgabe der Polizei Zur Abwehr rechnen vielmehr auch beobachtende, ausforschende Tätigkeiten der VerfassungsSchutzbehörden unter Einsatz von Lauschmitteln, wenn ohne sie die akute Gefahr nicht gebannt werden kann Aus Art. 13 Abs. 3 GG läßt sich keine Beschränkung der Befugnisse im Gefahrenfall auf bestimmte Behörden unter Ausschluß aller anderen herleiten. Welche Behörden die Eingriffs-und Beschränkungsbefugnisse im Notstandsfall der gemeinen Gefahr haben, richtet sich deshalb nach der allgemeinen, zumeist gesetzlich festgelegten Zuständigkeitsverteilung, für das Bundesamt für Verfassungsschutz also nach dem Verfassungsschutzgesetz des Bundes. Nach dessen § 3 Abs. 1 Nr. 1 ist Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden u. a. die Sammlung von Auskünften, Nachrichten und sonstigen Unterlagen über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Die Nachrichtenbeschaffung über Aktivitäten und Pläne politisch motivierter Terroristen fällt unbestritten darunter. Haben solche Aktivitäten und das Zusammenspiel mit ihnen nach der insoweit maßgeblichen ex ante-Beurteilung zu einer Gemeingefahr im dargelegten Sinne geführt, so ist deshalb als äußerstes nachrichtendienstliches Abwehrmittel auch die Anbringung von Abhöreinrichtungen in Wohnungen erlaubt, von denen anzunehmen ist, daß in ihnen terroristische Kontakte gepflegt und Planungen zur Durchsetzung der gefahrbegründenden terroristischen Ziele vorgenommen werden Nach einer im Schrifttum weit verbreiteten Meinung unterliegt das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung überdies — wie andere Grundrechte auch — immanenten Schranken und muß sich infolgedessen, ohne daß es noch einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedarf überragenden „Gemeinwohlerfordernissen beugen" zu denen mindestens diejenigen Rechtswerte gehören, die, in der Verfassung besonders hervor-gehoben, selbst uneinschränkbare Grundrechte zu begrenzen vermögen
Zweifelhaft ist allein, ob die Verfassungsschutzbehörden über diese geschriebenen und ungeschriebenen Ermächtigungen zur Beschränkung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung hinaus auch zu Grundrechtseingriffen berechtigt sind, die die „Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ ermöglichen sollen, also darauf gerichtet sind, das Eintreten einer noch nicht bestehenden Gefahr zu verhindern Hierzu bedarf es nach Art. 13 Abs. 3 GG — anders als für Maßnahmen zur Abwehr einer Gemeingefahr — einer besonderen gesetzlichen Grundlage. Sie in der Befugnisnorm des § 3 Abs. 3 Satz 2 BVerfSchG sehen zu wollen, ist deshalb problematisch, weil Art. 13 GG im Verfassungsschutzgesetz des Bundes nicht als eingeschränkt zitiert ist, obwohl Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt, daß das Gesetz, das ein Grundrecht konstitutiv einengt, das jeweils betroffene Grundrecht unter Angabe des zuständigen Grundgesetzartikels nennen „muß". Zwar ist Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG eine Vorschrift, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enger Auslegung bedarf und den Gesetzgeber nicht unnötig behindern soll Sie betrifft deshalb nicht Gesetze, die bereits geltende Grundrechtsbeschränkungen unverändert oder mit geringen Abweichungen wiederholen 2, und insbesondere nicht den Fall, daß ein nachkonstitutionelles Gesetz eine Grundrechtseinschränkung zwar neu festsetzt, aber gegenüber dem vorkonstitutionellen Rechtszustand nicht verschärft Doch dürfte es schwer fallen, für den Verfassungsschutz im hier erörterten Zusammenhang von einer solchen Fallkonstellation auszugehen, ihn also trotz Nichterwähnung des Art. 13 GG im Verfassungsschutzgesetz des Bundes für befugt zu halten, Eingriffe in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung auch schon zur bloß vorbeugenden Verhinderung von dringenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Aufgabenbereich der Verfassungsschutzbehörden vorzunehmen. Denn diese Befugnis ist den Verfassungsschutzbehörden in der Literatur, soweit ersichtlich, stets einhellig, auch und insbesondere in der Zeit vor der Verfassungsschutzgesetznovelle 1972 bestritten worden Und der „vorkonstitutionelle Rechtszustand" kann für die Tätigkeit des Verfassungsschutzes ohnehin nicht zum Vergleich herangezogen werden.
Wer die geschilderte Rechtslage im Schutzbereich des Art. 13 GG (jedenfalls) für die Verfassungsschutzbehörden für unbefriedigend hält und/oder ganz generell dafür eintreten will, für die Tätigkeit des Verfassungsschutzes und der anderen Nachrichtendienste rechtsstaatlich vollkommenere Rechtsgrundlagen zu schaffen wird dafür verfassungspolitisch gewiß manches ins Feld führen können. Er wird aber auch die Gründe berücksichtigen müssen, die den Gesetzgeber bisher dazu bewogen haben, es bei dem derzeitigen Zustand zu belassen. Daß etwa im Jahre 1972 bei der Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes des Bundes davon abgesehen wurde, Aufgabenstellung und Befugnisse der Verfassungsschutzbehörden detaillierter zu regeln, dürfte auf legitime Erwägungen zurückzuführen sein, die durchaus ernst zu nehmen sind und wohl auch heute noch Geltung haben. Im Schriftlichen Bericht des Innenausschusses des Bundestages vom 15. Juni 1972 ist hierzu seinerzeit ausgeführt worden:
„Die nachrichtendienstliche Arbeitsweise von Sicherheitsdiensten, die Erkenntnisse über konspirativ geführte gegnerische Bestrebungen zu sammeln haben, ergibt sich... mit Notwendigkeit aus ihrem gesetzlichen Auftrag. Gleichwohl empfiehlt es sich nach Ansicht des Ausschusses, die aus anderen Gründen erforderlich gewordene Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes dazu zu nutzen, etwaigen Zweifeln an der Zulässigkeit des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel durch eine entsprechende Ergänzung des Gesetzes vorzubeugen.
Eine inhaltliche Präzisierung des Begriffes . nachrichtendienstliche Mittel'erwies sich als untunlich. Für die Bestimmung der rechtlich zulässigen nachrichtendienstlichen Mittel sowie für die Art und Weise ihrer Anwendung ist der Bundesminister des Innern verantwortlich.“
Auch Borgs-Maciejewski hält diese Zurückhaltung prinzipiell für verständlich. Er neigt am Ende — nach Anführung der wichtigsten Gründe, die für die bestehende Ausgestaltung der Aufgaben-und Befugnisgrundlagen der Dienste sprechen — selbst dazu, diesen Rechtszustand zu tolerieren, sofern nur die parlamentarische Kontrolle über die Nachrichtendienste in seinem Sinne intensiviert wird. Die Frage aber ist, ob die Ausweitung des parlamentarischen Kontrollinstrumentariums tatsächlich eine etwa aus rechtsstaatlichen Gründen für bedenklich gehaltene Regelung heilen könnte. Borgs-Maciejewski, nach dessen Auffassung die beiden von ihm ins „Wechselspiel" gebrachten Verfassungsprinzipien nur scheinbar nichts miteinander zu tun haben, bejaht dies mit der Erwägung, daß es sich bei der Normsetzung wie bei der Kontrolle um Funktionen des Parlaments handele und daß die Wirkung „schlichter" Parlamentsbekundungen auf das Verhalten der Exekutive derjenigen eines Gesetzes „nicht ganz unähnlich“ sei Wie insbesondere die letztere Formulierung vermuten läßt, empfindet Borgs-Maciejewski offenbar selbst, daß seine „Surrogattheorie“ auf nicht gerade sicherem Boden steht. In der Tat wird ihr nicht gefolgt werden können, weil wegen der — entgegen Borgs-Maciejewski — prinzipiell unterschiedlichen Funktionsweisen der nur politisch sanktionierten Parlamentskontrolle einerseits und der die Exekutive rechtlich bindenden Gesetzgebung andererseits rechtsstaatliche Mängel in der Außenbeziehung des Staates zum Bürger nicht durch Vorkehrungen im ausschließlich staatsinternen Verhältnis zwischen Parlament und Regierung kompensiert werden können Auch der Gesichtspunkt der rechtsstaatlichen und demokratischen Vorstellungen (angeblich) zuwiderlaufenden Heimlichkeit nachrichtendienstlicher Arbeit führt zu keinem anderen Ergebnis, weil, wie auch das Bundesverfassungsgericht schon festgestellt hat, „ein Verfassungsschutz nur wirksam arbeiten (kann), wenn seine Uberwachungsmaßnahmen grundsätzlich geheim ... bleiben“ weil also mit anderen Worten auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts heimliches Handeln des Staates nicht schlechthin gegen verfassungsrechtliche Prinzipien verstößt oder ihnen zuwiderläuft.
IV. Parlamentarische Kontrolle und Effizienz der Nachrichtendienste im gewaltengeteilten Staat
Nach allem kann die von Borgs-Maciejewski befürwortete stärkere parlamentarische Kontrolle über die Nachrichtendienste weder generell mit der mangelnden Wirksamkeit der vorhandenen Kontrollinstrumente des Parla-ments noch mit dem von Borgs-Maciejewski behaupteten rechtsstaatlichen Defizit der Aufgaben-und Befugnisgrundlagen der Dienste begründet werden. Eine andere Frage ist natürlich, ob man unbeschadet dessen die Kontrolle der Nachrichtendienste durch das Parlament verstärken will. Wenn dies, wie derzeit im Bundestag erwogen in der Weise geschähe, daß, unter Wahrung der Kompetenzund Verantwortlichkeitssphären von Parlament und Regierung und damit unter Verzicht auf parlamentarische Zustimmungsrechte, am Prinzip der „nachgehenden Kontrolle“ festgehalten, zur Ausübung dieser Kontrolle ein zusätzliches parlamentarisches Kontrollgremium geschaffen und dessen Informationsrecht einfachgesetzlich durch korrespondierende Berichtspflichten der Regierung abgesi-chert wird, wäre hiergegen grundsätzlich nichts einzuwenden Anders wäre es dagegen bei einer Ausweitung der derzeit bestehenden Kontrollmöglichkeiten um eine Kontrolleinrichtung mit den von Borgs-Macieje-wski für notwendig erachteten unmittelbaren Zugriffsrechten.
Zunächst erscheint es keineswegs zwingend, daß eine solche Erweiterung in der Praxis tatsächlich zu einer effektiveren Kontrolle führen würde. Ein parlamentarisches Gremium, dem die ständige, systematische, intensive und strenge Kontrolle der Nachrichtendienste obliegt, könnte die sich daraus ergebende Verantwortung nur minuziöser und ins bei Detail gehender, die Arbeit des Verfassungsschutzes im einzelnen begleitender Aufsicht erfüllen. Das Gremium müßte einzelne Vorgänge, auch operative Maßnahmen, anhand der Akten und durch Befragung der beteiligten Bediensteten überprüfen und würde damit in seiner praktischen Arbeit sehr rasch an die Grenzen der Belastbarkeit stoßen. Die Fol-ge könnte sein, daß wirklich kontrollbedürftige Vorgänge entweder aus den Augen verloren oder doch nicht mit der ihnen angemessenen Sorgfalt und Gründlichkeit verfolgt werden. Daß durch die verfassungsrechtliche Verankerung eines besonderen parlamentarischen Kontrollgremiums in der Öffentlichkeit vorhandenes oder vermutetes Mißtrauen ge-Techtlich gen die Dienste abgebaut werden könnte ist auch aus diesem Grund zweifelhaft
Schwerer wiegen freilich die Gefahren, die der Funktions-und Einsatzfähigkeit der Nachrichtendienste aus einer intensiveren Parlamentskontrolle nach Art der Vorstellungen von Borgs-Maciejewski erwachsen könnten. Die Enquete-Kommission Verfassungsreform hat in ihrem Schlußbericht (mit der gebotenen Zurückhaltung) auf einige dieser Bedenken berejts hingewiesen Zu den dort behandelten Gesichtspunkten kommt hinzu, daß sich die Kontrollpraxis eines besonderen „Geheimdienstausschusses“ mit entsprechend weitreichenden Kontrollbefugnissen negativ auf die Bereitschaft zum uneingeschränkten Informationsaustausch unter den beteiligten Nachrichtendiensten auswirken könnte. Dies beträfe insbesondere den empfindlichen „operativen“ Bereich. Zu erwarten wäre auch eine nachhaltige Beeinträchtigung der bisherigen guten Zusammenarbeit aller deutschen Nachrichtendienste mit befreundeten ausländischen Diensten, die auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und des Vertrauens auf die verläßliche Zusicherung der Geheimhaltung stattfindet. Und schließlich müßte damit gerechnet werden, daß die Bereitschaft, sich als Quelle dem Verfassungsschutz zur Verfügung zu stellen oder in anderer Weise mit Nachrichtendiensten zusammenzuarbeiten, als Folge der Offenlegung nachrichtendienstlicher Operationen abnehmen würde, selbst wenn diese Offenlegung (zunächst) auf ein zur Geheimhaltung verpflichtetes, aber zu großes und deshalb für vertrauliche Erörterungen möglicherweise nicht geeignetes Gremium beschränkt bliebe.
Es liegt auf der Hand, daß dies die Dienste besonders einschneidend treffen würde, weü einerseits eine wirksame Erfüllung ihrer Aufgaben in bestimmten Teilbereichen (Spionageabwehr, Terrorismusbekämpfung) ganz wesentlich von Erfolgen im operativen Bereich abhängt und weil andererseits die Nachrich-137 tendienste keine Möglichkeit haben, der befürchteten Entwicklung, nämlich der Verunsicherung tätiger und der Abschreckung potentieller Quellen, glaubhaft entgegenzuwirken. Die Forderung, in der Verfassung ein ständiges parlamentarisches Kontrollgremium mit umfassenden Zwangsrechten gegenüber der Regierung zu verankern, ist freilich nicht nur im Hinblick auf diese praktisch-tatsächlichen Konsequenzen problematisch. Sie wirft nicht zuletzt auch in verfassungsrechtlicher und verfassungspolitischer Hinsicht grundsätzliche Fragen auf. Denn mit jeder begleitenden Parlamentskontrolle ist notwendig verbunden, daß „die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung und damit die Verantwortlichkeit des Ministers verwischt" werden Demgegenüber kann zwar darauf hingewiesen werden, daß der Grundsatz der Gewaltenteilung, obwohl zu den tragenden Organisations-und Funktionsprinzipien unserer Verfassungsordnung gehörend 0, im Grundgesetz nicht rein verwirklicht ist und nur Einbrüche der einen Gewalt in den (unveränderbaren) Kernbereich der anderen verbietet Gerade im Bereich der parlamentarischen Kontrolle der Regierung, die wie die wechselseitige Kontrolle der Gewalten überhaupt des Gewaltenteilungsprinzip „ergänzt" bestehen in einzelnen Hinsichten Einwirkungsmöglichkeiten des Parlaments in die Sphäre der Exekutive, die mit einer strikten Gewaltentrennung nicht vereinbar wären. Insbesondere in Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG (in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen der Strafprozeßordnung) und in Art. 45 c GG (in Verbindung mit dem Ausführunggesetz dazu sind sie verfassungsrechtlich sanktioniert. Die Enquete-Kommission Verfassungsreform schlägt in ihrem Schlußbericht eine Erweiterung dieser Zwangs-und Zugangsrechte für die Untersuchungsausschüsse und für die nach Vorstellung der Kommission künftig gesondert im Grundgesetz zu verankernden Enquete-Kommissionen vor Auf den ersten Blick erscheint es deshalb unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung unproblematisch, wenn Borgs-Maciejewski für das von ihm befürwortete Kontrollgremium für die Nachrichtendienste ebenfalls (unbeschränkte!) „Durch-griffsrechte" verlangt
Indessen ist fraglich, ob nicht der zunehmenden verfassungsgesetzlichen Statuierung von Aktenvorlage-, Auskunftsund Zutrittsgewährungspflichten der Exekutive gegenüber dem Parlament und seinen Ausschüssen aus Gründen der Gewaltenteilung letzte Grenzen gesetzt sind. Das Verhältnis von Parlament und Regierung ist so, wie es für den Regelfall im Grundgesetz angelegt ist, in erster Linie durch relativ offene und nur mit politischen Sanktionen versehene Pflichten der Regierung und ihrer Mitglieder gekennzeichnet. Das einzelne Regierungsmitglied etwa ist kraft des parlamentarischen Interpellationsrechts zwar verpflichtet, dem Parlament auf Fragen Rede und Antwort zu stehen Wie dieser Pflicht genügt, ob (und wie weit) also eine parlamentarische Anfrage in der Sache selbst beantwortet wird, steht aber letztlich im pflichtgemäßen Ermessen der Regierung Dadurch bleiben Eigenverantwortlichkeit und Funktionsfähigkeit der Regierung im Spannungsverhältnis zum Parlament sachgerecht gewahrt. Es kann bezweifelt werden, ob das auch dann noch der Fall wäre, wenn dem Parlament in zunehmendem Maße für immer weitere Teilbereiche tatbestandlich dicht umschriebene, unmittelbaren Informationszugang gewährende Zwangsrechte eingeräumt werden. Auch wenn diese Zwangsbefugnisse we-gen des (inhalier Regel auf eng verstandene Ausnahmen beschränkten) Letztverweigerungsrechts der Exekutive am Ende nicht rechtlich durchsetzbar sind, erhält die Beziehung zwischen Parlament und Regierung Schritt für Schritt eine andere Dimension und wird das Prinzip der Gewaltenteilung und mit ihm der Grundsatz der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung und ihrer Mitglieder allmählich unterhöhlt Zumindest verfassungspolitisch dürfte sich deshalb Zurückhaltung gegenüber weiteren Zugangs-und Zugriffsrechten des Parlaments zum und auf den Bereich der Exekutive empfehlen.
V. Zusammenfassung
Die vorstehenden Überlegungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Zuzustimmen ist Borgs-Maciejewski darin, daß die Nachrichtendienste ohne eine Vertrauensbasis (im Parlament wie in der Bevölkerung) nicht arbeiten können. Es muß jedoch bezweifelt werden, ob die Abhandlung von Borgs-Maciejewski dazu beiträgt, das Vertrauen in die rechtund ordnungsmäßige Aufgabenerfüllung der Dienste zu stärken. Seine Forderung jedenfalls, die Möglichkeiten des Parlaments zur Kontrolle der Nachrichtendienste um ein zusätzliches ständiges, systematisch arbeitendes und die Überwachung bis ins Detail betreibendes Kontrollgremium zu erweitern, ist nicht schlüssig begründet. Die Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit dieser Dienste können unter Berücksichtigung der spezifischen Besonderheiten nachrichtendienstlichen Handelns verfassungsrechtlich hingenommen werden. Die Befugnisse der Nachrichtendienste, die — wie ihre Aufgaben — durch den Auftrag zum Schutz des Bestandes und der freiheitlichen Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland und durch Grundentscheidungen der Verfassung für einen effektiven Verfassungsschutz und für funktionsfähige Streitkräfte legitimiert sind, werden durch die unmittelbar bindenden Grundrechte und durch die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes rechtsstaatlich begrenzt. Für die Einhaltung dieser Schranken sind die Regierung und der jeweils zuständige Ressortchef, der die Recht-und Verfassungsmäßigkeit nachrichtendienstlicher Betätigung durch die ihm zustehenden Aufsichts-und Weisungsbefugnisse sicherzustellen hat, dem Parlament verantwortlich. Dieses nimmt seine Kontrollverantwortung derzeit von Fall zu Fall in ad hoc einzuberufenden Untersuchungsausschüssen und ständig vor allem durch die zuständigen Parlamentsausschüsse sowie in dem auf die Bedürfnisse der Nachrichtendienste besonders zugeschnittenen parlamentarischen Vertrauensmännergremium wahr, das in seiner jetzigen Form entgegen Borgs-Maciejewski als parlamentarisches Kontrollorgan angesehen werden kann. Auch die von Borgs-Maciejewski nicht berücksichtigte Petitionskontrolle gehört in das Bündel der dem Parlament zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente. Eine Erweiterung dieses Instrumentariums entsprechend den (freilich nicht bis ins Detail konkretisierten) Vorstellungen von Borgs-Maciejewski wäre nicht nur vom Standpunkt nachrichtendienstlicher Effizienz aus problematisch. Sie liefe auch und nicht zuletzt Gefahr, die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung zu verwischen und damit die Verantwortlichkeit des zuständigen Ministers auszuhöhlen. Demgegenüber tragen die gegenwärtig im Bundestag angestellten Erwägungen, das parlamentarische Vertrauensmännergremium durch ein neues, einfachgesetzlich zu verankerndes Kontrollorgan des Deutschen Bundestages zu ersetzen und seine Informationsrechte durch korrespondierende Berichtspflichten der Bundesregierung abzusichern, diesen Gesichtspunkten jedenfalls in der Grundtendenz Rechnung.