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Das Unbehagen an der Justiz und wie man ihm beikommen kann | APuZ 42/1977 | bpb.de

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APuZ 42/1977 Das Unbehagen an der Justiz und wie man ihm beikommen kann Zur parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste. Zugleich eine Stellungnahme zu H. Borgs-Maciejewski: Parlament und Nachrichtendienste Die unzulängliche Kontrolle der geheimen Nachrichtendienste (B 6/77) Die Nachrichtendienste im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung

Das Unbehagen an der Justiz und wie man ihm beikommen kann

Rudolf Wassermann

/ 29 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Wie in anderen Bereichen, so sind auch in der Justiz Anzeichen einer Malaise unüberhörbar, aus der sich eine Legitimationskrise entwickeln kann, wenn ihr nicht abgeholfen wird. Der Beitrag untersucht die Gründe für das verbreitete Unbehagen an der Justiz und die Möglichkeiten zu ihrer Überwindung. Dabei wird zwischen der technisch-organisatorischen Seite der Justiz mit ihren Effizienzproblemen und den tieferen Ursachen unterschieden, die aus der Formalisierung und Bürokratisierung der Rechtspflege wie aus der Vernachlässigung ihrer sozialen und menschlichen Aspekte herrühren. Gefordert werden ein erleichterter Zugang zur Justiz, größere Verständlichkeit der Rechtsprechung und ein offener, liberaler Stil des Gerichtsverfahrens, der soziale Ungleichheiten unter den Beteiligten nicht durch formale rechtliche Gleichheit verstärkt, sondern im Rahmen des richterlichen Ermessens ausgleicht. Auf diese Weise kann die Justiz ein menschliches Gesicht gewinnen. Die Überzeugungsarbeit, die die Justiz zu leisten hat — demokratische Justiz ist ein tägliches Plebiszit —, muß eingefleischte Vorurteile in der Bevölkerung überwinden, die sich insbesondere im Strafrecht einer effektiveren Verbrechensbekämpfung entgegenstellen. Sie erfordert bei der Justiz selbst ein Umdenken; diese hat sich zu sehr auf die traditionellen Aspekte der Rechtsprechung konzentriert und zu wenig auf die sich in der Gesellschaft vollziehenden Veränderungen geachtet.

In diesem Beitrag soll nicht nur von dem Unbehagen die Rede sein, das die Gesellschaft gegenüber der Justiz empfindet, und von den Gründen für diese vielerörterte Malaise. Es sollen auch Gedanken darüber entwickelt werden, mittels welcher Änderungen man das Unbehagen überwinden kann. Die Problematik ist eine der wichtigsten, mit denen sich die Justizpolitik gegenwärtig zu beschäftigen hat.

In früheren Zeiten konnte es gleichgültig sein, wie die Bevölkerung über die Justiz dachte. Solange die Justiz zum Arkanbereich der Machthabe gehörte, durfte sie sich in der Vorstellung wiegen, vom öffentlichen Räsonnement abgeschirmt zu sein. Mit der fortschreitenden Demokratisierung der Staatsgewalt ist jedoch diese Isolierung in Verfall geraten. Staat und Gesellschaft stehen sich nicht mehr als getrennte Sphären gegenüber, wie das die klassische liberale Staatstheorie mit der begrifflichen Unterscheidung zwischen „politischem" Staat und „unpolitischer" Gesellschaft postulierte. An die Stelle dieser dualistischen Staatstheorie ist vielmehr im Zuge des Wandels vom bürgerlichen Rechtsstaat zum modernen Sozialstaat eine Staatsauffassung getreten, die den Staat als Selbstorganisation der Gesellschaft, als organisierte politische Wirkungsund Entscheidungseinheit von Machthabern und Machtunterworfenen begreift. Das Verhältnis des politischen Gemeinwesens zum Regierungs-, Verwaltungsund Justizsystem darf aus dieser Sicht nicht mehr als das einer Entgegensetzung, es muß als das einer institutioneilen Ausdifferenzierung dieser politi-schen Selbstorganisation verstanden werden. Liegen die Dinge aber so, dann ist es nicht mehr belanglos, wie der Bürger über die Justiz denkt. Diese bedarf vielmehr des Vertrauens des demokratischen Souveräns, um ihre Funktion der Rechtsgewährung voll erfüllen zu können Erhält sie dieses Vertrauen nicht, schwindet ihre Legitimation, so perfekt sie auch als Apparat zu funktionieren vermag.

Die Personen und Instanzen, bei denen sich die politische Macht im Gemeinwesen vornehmlich konzentriert, sind daher gut beraten, wenn sie der Frage der Resonanz der Justiz bei der Bevölkerung ihre Aufmerksamkeit zuwenden. Angesprochen sind allerdings nicht nur die Politiker in den Parlamenten, in den politischen Parteien und in den Regierungen. Jeder Richter, jeder Staatsanwalt, jeder Justizbeamte, ja jeder Rechtsanwalt, der sich unbeschadet seiner spezifischen Rolle als Bestandteil der Rechtspflege begreift, muß sich sagen, daß er betroffen ist, seine ureigenste Sache auf dem Spiele steht. Aus dieser Betroffenheit aber ergibt sich die Verpflichtung, sich zu vergewissern, wie das Volk über die Rechtspflege denkt, Schwächen und Mängel, wo immer sie auftreten, aufzuspüren und geeignete Vorkehrungen zu treffen, die die Justiz im gesellschaftlichen Bewußtsein verankern. Christian Broda hat in seinem Vortrag „Die Rechtsreform und das gesellschaftliche Bewußtsein" auf der ASJ-Bundeskonferenz 1976 in Frankfurt am Main auf die Notwendigkeit aufmerksam gemacht, die großen Rechts-reformen, die im Dienste des gesellschaftlichen Nachziehverfahrens in unseren beiden Ländern (Österreich und der Bundesrepublik Deutschland) — wie er sagte — verwirklicht werden, im gesellschaftlichen Bewußtsein der Menschen zu integrieren. Was dort in bezug auf die Rechtsreform gesagt worden ist, gilt für die Arbeit der Justiz überhaupt. So wie der demokratische Staat verfällt, wenn sich seine Bürger von ihm abwenden (vor der Machtergreifung durch das NS-System haben wir das in Deutschland in erschreckender Unmittelbarkeit erlebt), so verliert auch die demokratische Justiz an Kraft, wenn sie keinen Widerhall im gesellschaftlichen Bewußtsein findet. Aber nicht nur das Rechtswesen erstarrt, die Gesellschaft selbst leidet Not, weil es — nach einem Wort Adolf Arndts — in einem Land nur soviel Rechtlichkeit geben kann, wie es rechtlich denkende Menschen gibt. Unsere demokratischen Repräsentativsysteme neigen leider bedenklich dazu, den Gedanken Ernest Renans zu vergessen, wonach Demokratie ein tägliches Plebiszit ist. Partei-, Parlaments-und schließlich Staatsverdrossenheit sind die natürlichen Folgen dieses Vergessens, der dadurch bedingten Versäumnisse, der fehlenden Vertrauensarbeit.

Ich sage das nicht ohne Anlaß. Bis vor kurzem noch konnte die Bundesrepublik als Muster eines lebendigen demokratischen Regierungssystems gelten, das vom Vertrauen seiner Bürger getragen ist. Auch heute noch braucht sie den Vergleich mit den meisten Staaten auf dem Erdball nicht zu scheuen. Unüberhörbar sind aber die Anzeichen einer Malaise, aus der sich eine Legitimationskrise entwickeln kann, wenn ihr nicht abgeholfen wird. Das Anwachsen der Bürgerinitiativen ist das deutlichste Symptom für diese Krankheit; nicht nur die mangelnde Integrationskraft der politischen Parteien, sondern auch und vor allem das abnehmende Vertrauen zum politischen System als solchem — zum Verwaltungs-und Regierungssystem — drückt sich darin aus.

Wachsamkeit in dieser Richtung ist auch für die Justiz geboten. Ein Alarmzeichen ist das nun schon seit langem zu beobachtende, kaum noch aufhaltsame Abwandern der Wirtschaftsprozesse von der staatlichen Justiz zur privaten Schiedsgerichtsbarkeit. Noch ernster ist die Tatsache zu bewerten, daß der Bürger, wo immer er befragt wird, sich mit Vorliebe negativ gegenüber der Justiz äußert. „Justiz und Krise werden immer mehr zu assoziativen Begriffen", schrieb unter Bezug auf diesen Sachverhalt ein engagierter Justizkritiker schon vor Jahren. Es soll dahingestellt bleiben, ob diese pointierte Bemerkung zutrifft. Tatsache ist jedenfalls, daß sich seit Jahren in der Öffentlichkeit ein zunehmendes Unbehagen an der Rechtspflege bemerkbar macht, das weit über jene Unzufriedenheit hinausgeht, die in freien Gesellschaften als „normal“ angesehen werden kann. Diese Feststellung muß auch diejenigen nachdenklich stimmen, die Pauschalurteilen sonst mit Recht mißtrauen.

Auf der anderen Seite ist vor der Vorstellung zu warnen, das Rechtswesen sei verpflichtet, den Regungen der sogenannten Volksseele wie ein Hund dem Herrn zu folgen. Vordergründig geht das schon deshalb nicht, weil diese Volksseele eine sehr launische Göttin ist, die heute dies und morgen jenes denkt, oft überhaupt nicht weiß, was sie will, und — dies vor allem — leicht beeinflußbar ist. Wie oft kann man nicht erleben, daß dieselben Menschen, die heute nach strengeren Strafen rufen, morgen, wenn der Täter gefaßt ist und vor Gericht steht, für Milde plädieren. Hat füt die Boulevardpresse und deren Leser immer Recht, wer zuletzt das Wort hat?

So wichtig das, was die klassische Demokratietheorie die öffentliche Meinung nennt, auch für die demokratische Justiz ist, nie darf vergessen werden, daß in der modernen Gesellschaft die sogenannte öffentliche Meinung nicht von selbst entsteht, sondern gemacht wird. Den Medien, die dabei eine bedeutsame Rolle spielen — weniger, indem sie Meinungen bilden, sondern hauptsächlich dadurch, daß sie Meinungstendenzen verstärken oder abschwächen —, kommt eine große Verantwortung zu. Ich habe allezeit das Recht dei Medien verteidigt, die Justiz subjektiv unc mit Schärfe zu kritisieren Die journalisti sehe Wahrhaftigkeitsund Sorgfaltspflich ziehen dieser Kritik jedoch Grenzen. Wem beispielsweise die Medien nicht mehr die Rechtsprechung kritisch begleiten, sondert vehement beeinflussen wollen, kann leich die Grenze dessen überschritten werden, wai die Justiz im wohlverstandenen Interesse ih rer Unabhängigkeit verkraften kann, etwwenn sich die Kritik in aggressiven Pauschal urteilen entlädt, worunter insbesondere die Strafjustiz leidet.

Ohne die Freiheit und Unabhängigkeit, die die Justiz zur Erfüllung ihrer Funktion braucht, preiszugeben (oder auch nur antasten zu lassen), muß also die Justiz das Unbehagen, das ihr entgegengebracht wird, ernst nehmen. Das ist der Ausgangspunkt dieser Untersuchung. Vor der Therapie muß dabei die Diagnose stehen, die wiederum eine gründliche Erforschung der Ursachen des Mißbehagens erfordert.

II.

Worüber nun beklagen sich die Bürger, wenn sie mit der Justiz in Berührung kommen?

Worauf gründet sich das anhaltende Mißbehagen, das die Gesellschaft — oder zumindest ein großer Teil der Gesellschaft — der Justiz gegenüber empfindet? Ich habe eine Reihe von Äußerungen zusammengestellt, in denen Bürger — vorwiegend Nichtjuristen — ihrem Unbehagen Luft gemacht haben. Einige Komplexe schälen sich dabei heraus, die in besonderem Maße Gegenstand der Kritik sind.

Zunächst einmal wird immer wieder gegenüber der Justiz der Vorwurf mangelnder Elfi-

zienz erhoben. Die Justiz arbeite zu langsam, sie sei zu kompliziert, ihr Aufbau wenig übersichtlich, ihr Verfahren zeitraubend und schwerfällig, deshalb oft wirkungslos.

Dazu gesellt sich die Klage, daß die Justiz vom Bürger zu weit entiernt sei. Das ist weniger räumlich als vielmehr im übertragenen Sinne gemeint. Die Justiz und ihr Verfahren sind dem Bürger fremd; sie gilt als eine verschnörkelte, nur für Eingeweihte bestimmte und verstehbare Einrichtung, die sich in hochformalisierten Bahnen bewegt. Der Bürger hat Angst vor diesem Gefüge, das ihm als Labyrinth erscheint. Der erste und letzte Gedanke nicht nur des guten Hausvaters, sondern — was besonders betroffen machen muß — auch der emanzipierten Sportwagenfahrerin ist es, mit dem Gericht nichts zu tun haben zu wollen.

Ebenfalls als fehlende Bürgernähe wird der Justiz ihr Mangel an Verständlichkeit ange-kreidet. Das betrifft den Verkehr mit Formularen ebenso wie die Sprache, in der sich die Justiz mündlich oder schriftlich äußert. Die Urteilsbegründungen werden als vielfach automatenhaft gekennzeichnet, die Justiz selbst Schreibjustiz hingestellt. An den Verhand-

ungen wird beanstandet, daß die Parteien nicht hinreichend zu Wort kommen, Richter und Anwälte würden mit ihrer Fachautorität und Fachsprache die Parteien — ich zitiere wörtlich — . ducken". In ironischer Zuspitzung wird sogar gesagt, daß vor Gericht über Sachverhalte gestritten und entschieden wird, die sich in Wahrheit ganz anders abgespielt haben.

Die Frage, ob die Rechtsprechung dem Bürger zugänglich ist oder nicht, werfen solche Kritiker auf, die nicht nur auf die Sprach-, sondern auch auf die Kostenbarrieren hinweisen, die zwischen dem Gericht und dem Bürger errichtet sind, ferner darauf, daß es zu wenige Stellen für unentgeltliche Rechtsberatung gibt, in denen sich der einkommensschwache Bürger qualifizierten Rat holen kann, ohne dafür finanziell belastet zu werden.

Damit wird auch die Frage der Gerechtigkeit unseres Justizsystems angesprochen. Bekommt der arme Mann, die arme Frau weniger Recht als die besser betuchten Bürger unserer Gesellschaft? Und sind die Richter überhaupt in der Lage, begründete Urteile zu Fragen zu fällen, in denen selbst Sachverständige sich widersprechen oder gar ratlos sind? Diese Kritik ist alt, hat aber in der Bundesrepublik ganz erheblich zugenommen, seitdem Bürgerinitiativen dazu übergegangen sind, gegen geplante Kernkraftwerke den Schutz der Gerichte anzurufen.

Schärfer noch wird eine Kritik akzentuiert, die sich gegen die Strafjustiz richtet. Der Unwille, mit dem ein Teil unserer Gesellschaft die Strafrechts-und die Strafvollzugsreformen begleitet hat, setzt sich darin fort. Zu Dauer-kampagnen gesteigert, reduziert er sich vornehmlich auf die Behauptung, die Strafjustiz behandle die Verbrecher zu milde, sie denke mehr an die Täter als an die Opfer, der Hotel-vollzug, zu dem die Reform die guten, alten Gefängnisse umgewandelt habe, sei kein Übel mehr, mit dem man Täter (oder solche, die es werden wollen) abschrecken könne, ein übriges tue die Gewißheit, mit der der Täter rechnen könne, alsbald bedingt in die Freiheit entlassen zu werden, obwohl er sich in der Anstalt nur äußerlich angepaßt habe, im Persönlichkeitskern aber der alte Adam geblieben sei, der nur nach neuen Gelegenheiten suche, um weitere Verbrechen zu begehen.

Gerade diese Kritik nehme ich sehr ernst, auch wo sie blanke Polemik ist. Wenn jahrhundertealte Strafrechtsauffassungen durch neue ersetzt werden, können solche Mißtöne nicht ausbleiben. Reformwiderstand ist nun einmal normal Wer glaubt, darauf mit ebenso scharfer Polemik und nicht mit geduldiger Aufklärung antworten zu sollen, sollte sich fragen, ob und inwiefern er nicht selbst durch Ungeduld und Übersteigerung zum Aufkommen dieser gegenreformatorischen Tendenzen beigetragen hat. Fehler, die beim Umsetzen neuer Ideen und wissenschaftlicher Theorien in öffentliche Anschauungen gemacht werden, geben Reformgegnern die Möglichkeit, die angestrebte Diskussion zu vereiteln; sie Ängste und Wasser leiten auf die Mühle derjenigen, die den Wandel in den Anschauungen über Kriminalität und Abkehr Vergeltungsprinzip Strafe, die vom und die Hinwendung zum Gedanken des Gesellschaftsschutzes für den Untergang des Abendlandes halten.

Mit der Aufzählung dieser Beispiele mag es genug sein. Jeder Richter könnte sie wohl aus seinem persönlichen Erfahrungsbereich ergänzen. Mir scheint aber, daß das hier Angeführte bereits den Kern des Dilemmas trifft. Wir müssen konstatieren, daß ein Graben zwischen Justiz und Bürger besteht, eine Distanz, die sich zur Kuft ausgeweitet hat. Wie kann man diese Kluft überwinden? Oder müssen wir uns mit ihr abfinden als einem der Fälle unaufhebbarer Entfremdung, in die die gesellschaftliche Entwicklung uns gestürzt hat?

III.

Beginnen wir unsere Antwort mit der technisch-organisatorischen Seite der Justiz. Seit mehr als 60 Jahren ringt die deutsche Justiz um ihre große Reform, genauer: seit dem Jahre 1906, als der Frankfurter Oberbürgermeister Adickes in einer Rede im preußischen Herrenhaus den Grund zu dem Gedanken einer großen Justizreform legte, die mit einem Schlage alle Gebrechen der Rechtspflege heilen sollte Gegen diese Illusion habe ich polemisiert, solange ich mich mit der Justizreform beschäftige, und gegen den Gedanken der Generalrevision die Strategie des etappenweisen Vorgehens in kleinen, aber zügigen und zukunftsträchtigen Schritten gestellt

Mit dieser beschränkten Zielsetzung hat Gerhard Jahn während seiner Amtszeit als Bundesminister der Justiz Reformgesetze verfolgt, die der Justiz der Bundesrepublik einen einheitlichen dreistufigen Gerichtsaufbau und eine einheitliche Verfahrensordnung für alle Gerichtsbarkeiten bescheren sollte Diese Gesetze, deren erklärtes Ziel es war, die Justiz übersichtlicher zu machen und dadurch dem Bürger näher zu bringen, sind bisher über das nicht hinausgediehen. Angesichts der mannigfachen Widerstände, die sich dagegen erhoben und bis zum Glaubenskrieg — hier Dreistufler, dort Vierstufler — gesteigert haben, schwindet jedoch die Hoffnung, daß sie je im Gesetzblatt verkündet werden. Ebensowenig haben bisher die Bestrebungen Erfolg gehabt, mit her „Vor--Stellung eines angeborenen Menschenrechts auf möglichst viele Instanzen" zu brechen. Gesetzeskraft erlangten vor allem Reformgesetze, die den Strafprozeß und den Zivilprozeß beschleunigen sollen außerdem wurden im 1. Eherechtsreformgesetz Familiengerichte eingeführt, die nunmehr in einem Verfahrensverband über den Ehescheidungsantrag und die Scheidungsfolgen (Sorge für die Kinder, Unterhalt, Verteilung des Hausrats, Versorgungsausgleich) zusammen verhandeln und zur gleichen Zeit entscheiden Die verfahrensrechtlichen Gesetze haben insbesondere die Stellung der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren und die Rolle des Einzelrichters im Kollegialgericht gestärkt. Die bisher letzte dieser Novellen, die sögeB-nannte Vereinfachungsnovelle zur ZPO, trat am 1. Juli 1977 in Kraft und ist die bedeutsamste Veränderung der deutschen ZPO seit 1924 (eine Veränderung übrigens, mit der zum Teil nachgeholt wird, was Österreich dank dem Weitblick seines Zivilprozeßreformers Franz Klein seit langem als geltendes Recht kennt). Mit der Konzentration des Zivilprozesses auf eine mündliche (Haupt-) Verhandlung, mit der Verpflichtung des Gerichts, die Parteien auch im Anwaltsprozeß in dieser Verhandlung zu hören, mit ihnen bzw. ihren Anwälten den Tatsachen-und Rechtsstoff ausführlich zu erörtern und schließlich mit der Auflage, die Urteile sowohl im Tatbestand als auch in den Entscheidungsgründen kürzer zu fassen, nämlich wirklich auf das Wesentliche zu beschränken, mit diesen Maßnahmen hat der Gesetzgeber Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die traditionelle Schreibjustiz, das Erbübel der deutschen Justiz, zur Vergangenheit gehören könnte, Ob freilich die Intentionen des Gesetzgebers sich so schnell verwirklichen lassen, wie dieser es sich vorgestellt hat, bleibt eine zur Zeit noch offene Frage. Ähnliches gilt von den Familiengerichten und ihrer Arbeitsweise.

Es ist eine rechtssoziologische Erkenntnis, daß zwischen dem Inkrafttreten eines Gesetzes und seiner Aneignung in der Praxis stets ein gewisser Zeitraum liegt, in dem das alte Recht noch nachwirkt Wenn ich dennoch meine, daß der Prozeß des Lernens, der aus bloß gesetzten Normen effektives, lebendes Recht macht, bald Früchte tragen wird, so deshalb, weil es sich hier um ein Gesetz handelt, das nicht etwa der Praxis aufgezwungen wird, sondern um die Legalisierung einer inneren Reform des Zivilprozesses, die sich bei vielen Gerichten bereits ohne gesetzgeberische Hilfe vollzogen hat.

Damit ist das Stichwort gefallen, mit dem in der Bundesrepublik ein Bündel von nichtgesetzgeberischen Maßnahmen gekennzeichnet wird, das im Zusammenspiel mit der Gesetzgebung die Distanz des Bürgers gegenüber der Justiz verringern und der Rechtspflege größeres Vertrauen in der Bevölkerung ge-winnen soll Wenn man den Rechtsuchenden nicht Steine statt Brot geben will, kann die Justiz nicht immer darauf warten, daß ihr der Gesetzgeber zu Hilfe kommt, sie muß vielmehr selbst die Initiative ergreifen, um jene Schranken zu beseitigen, die ihr die Bürger entfremden.

Lassen Sie mich kurz skizzieren, welche Wege sich dabei beschreiten lassen. Wir alle wissen, daß eine schnellere Arbeitsweise der Gerichte neben prozeßtechnischen Verbesserungen auch finanzielle Anforderungen stellt, zu deren Erfüllung die Finanzminister nur schwer zu bewegen sind. Recht, das nicht durchgesetzt wird, ist aber kein Recht, sondern staatliche Erbauungsprosa, und Recht, das verspätet kommt, ist nur halbes Recht. Muß man da nicht das tun, was jeder Wirtschaftsbetrieb in solchen Fällen tut, nämlich die Arbeitsorganisation rationalisieren, sie mit den Methoden des modernen Managements effektiver machen? Die mangelnde Effizienz der Justiz ist in vielfacher Weise eine Folge des Modernitätsrückstandes der Justizverwaltung. Dabei muß man sich freilich hüten, die Frage der Effizienz verkürzt anzugehen. So wenig Beschleunigung auf Kosten der Richtigkeit der gerichtlichen Entscheidung gehen darf, so wenig darf die Justiz allein auf den Ertrag, die Zahl der erledigten Sachen abstellen. Die Arbeitsökonomie ist nicht nur eine Frage des Outputs, sie hängt auch von anderen Faktoren ab, darunter von der sozialen Kapazität des Personals und dem Betriebsklima. Wie primitiv die Wege sind, die dabei mit Erfolg beschritten werden können, zeigt sich, wenn man feststellt, daß junge Richter und Justizbeamte zwar intensiv in der Anwendung von Rechtsnormen geschult sind, aber sich ihre Arbeitsökonomie in einem zeitraubenden Verfahren von trial and error erst selbst erwerben müssen. Ohne Frage ist die Klage der Bürger über die Formalisierung und Bürokratisierung der Justiz berechtigt. Ich gehöre jedoch nicht zu den Romantikern, die glauben, zur Recht-15 sprechung an der Dorflinde zurückkehren zu können. In gewissem Umfang sind Formalisierung und Bürokratisierung, um mit Max Weber zu sprechen, unser Schicksal, dem die Rechtspflege in der modernen Gesellschaft ebensowenig wie andere Institutionen entrinnen kann. Was möglich ist, um Gegentendenzen in diesen Prozeß einzubauen, sollte indessen getan werden. Nachdem die allzu kleinen Gerichte, die sogenannten Zwergschulen der Justiz, in der Bundesrepublik aufgehoben worden sind, ist es zum Glück gelungen, den beängstigenden Drang zu großen Gerichtseinheiten zu stoppen. Die Verteidigung der räumlichen Bürgernähe genügt aber nicht, um der Entfremdung einen Riegel vorzuschieben. Wenn es nicht gelingt, der Justiz ein menschliches Gesicht zu geben, sind alle Bemühungen umsonst, dann schwindet die Distanz des Bürgers zum Gericht nicht bloß, dann wächst sie sogar noch.

Empirische Untersuchungen belegen die Relevanz, die dem menschlichen Aspekt im Gerichtsverfahren zukommt. Danach wird das Bild, das sich die Bevölkerung vom typischen Richter macht, durch die Eigenschaften „sorgfältig" und „sachlich" beherrscht. Als „freundlich“ und „hilfsbereit” erscheinen die Richter dagegen nur noch der Hälfte der Befragten. Oft hängt der Eindruck, den der Bürger vom Gericht bekommt, weniger von der Entscheidung selbst als von der Art und Wei-se ab, wie die Verhandlung geführt wird, ob im hergebrachten, starren Ritual oder in freieren Formen, die ihm das Gefühl nehmen, einer unnahbaren Macht mehr oder weniger aüsgeliefert zu sein (wie das etwa Kafka in seinem „Prozeß" geschildert hat).

Die Gerichte haben heute nicht mehr die Aufgabe, staatliche Macht und Herrlichkeit zu demonstrieren, sie dürfen aber auch keine seelenlose Maschine sein, die kalt und unpersönliche Judikate produziert. Hinter der juristischen Verkleidung des Prozesses müssen wir die menschlichen und sozialen Momente erkennen. Fast jedem Rechtsstreit liegen soziale Konflikte zugrunde; oft handelt es sich um einen Fall sozialer Not. Wenn die Recht-suchenden vom Gericht nicht mehr Pomp, Starre oder patriachalische Unnahbarkeit erwarten, wenn sie sich vor unpersönlicher Kälte fürchten und wenn sie anstelle hoheitsvoller Mienen Flexibilität und Einfühlung in ihre Situation wünschen, dann ist es an der Zeit, diesem Wandel Rechnung zu tragen. Der Richter, der vom Kothurn heruntersteigt und Menschen menschlich sieht, vergibt sich nichts. Im Gegenteil: Er gewinnt an Achtung und Vertrauen.

In der Bundesrepublik haben wir es uns einiges kosten lassen, um deutlich zu machen, daß „Bürgernähe" und „konkrete Humanität” zwei Postulate sind, die auch in der Justiz durchaus erfüllt werden können. Wir haben den Verfahrensablauf problematisiert, ebenso die Sitzordnung, haben dafür gesorgt, daß der Zeuge und auch der Angeklagte nicht mehr ungeschützt vor dem Gericht stehen, sondern hinter Tischen sitzen, auf denen sie Papiere ausbreiten können. Wichtiger noch war die Diskussion über den zeitgemäßen Stil der Gerichtsverhandlung wo dem geschlossenen autoritären Verhandlungstyp mit dem Bild des monologisierenden Richters, für den die Verhandlung eine Bühne ist, sich in Szene zu setzen, das Modell der offenen, liberalen Gerichtsverhandlung gegenübergestellt wurde, einer Verhandlung, in der der Richter die Parteien nicht abwertet, sondern ihnen Gelegenheit gibt, ihre Einschätzungen und Informationen in den Prozeß einzubringen, ja ihre Aktivität anregt, weil er offen für neue Problemstellungen und Problemlösungen ist. Die breite Diskussion, die darüber geführt wurde, hat ihre Früchte getragen. Vieles ist freilich noch zu tun, um die Handlungskompetenz der Parteien und der Angeklagten zu stärken, was auch eine Aufgabe der Anwälte ist. Neben der Kommunikation mit ihren Partizipationschancen uid Mitwirkungspflichten für alle am Verfahren Beteiligten muß auch die Kompensation stehen, der Wille, dem Schwächeren, der sich nicht artikulieren kann, der sich nicht zurechtfindet, zu helfen, soweit das im Rahmen der Verfahrensordnungen zulässig ist.

Vor wenigen Jahren noch, als dieser Gedanke im Zeichen des Übergangs vom formellen zum materiellen Rechtsstaat, von der altliberalen zur sozialstaatlichen Demokratie in die Erörterung eingeführt wurde, stieß die Vorstellung, der Richter müsse im Rahmen der Verfahrensgesetze ausgleichend eingreifen, um dafür zu sorgen, daß z. B. die Parteien im Zivilprozeß wirklich mit gleichen Waffen um Recht und Wahrheit kämpfen, auf entschiedenen Widerspruch. Inzwischen haben immer mehr Richter erkannt, daß der Zivilprozeß als liberaler Parteienzweikampf unter passiver richterlicher Aufsicht nicht mehr legitimier-bar ist. Sie wissen, daß die von der Prozeßordnung angenommene und vorausgesetzte Gleichheit der Parteien häufig nicht gegeben ist, sondern faktische Unterschiede bestehen, die durch formale Gleichbehandlung, die z. B. soziale Unterschiede unberücksichtigt läßt, im Effekt noch verstärkt werden können. Im sozialen Rechtsstaat darf aber der Ausgang des Gerichtsverfahrens nicht mehr von der Gewandtheit oder sozialen der Verfahrensbeteiligten abhängen. Wer materiell im Recht ist, soll vielmehr auch im Prozeß Recht bekommen. Es gibt infolgedessen Situationen, in denen der Richter das durch tatsächliche Ungleichheiten gestörte, von der Prozeßordnung aber vorausgesetzte Gleichgewicht der Beteiligten erst herstellen muß

Der Richter, der in dieser Weise kompensierend verfährt, mit den Beteiligten im Zivil-oder Verwaltungsprozeß den rechtserheblichen Sachverhalt und die möglichen rechtlichen Folgen erörtert und im Strafverfahren darauf achtet, daß der Angeklagte in seiner Verteidigung nicht benachteiligt ist, verstößt nicht etwa gegen seine Verpflichtung zur Unparteilichkeit, er sorgt vielmehr dafür, daß jedermann neben der objektiven Chance, die das Recht gewährt, auch die subjektive Chance hat, tatsächlich zu seinem Recht zu kommen. Mit dem Postulat der Kompensation wiederum eng verbunden ist die Frage, wie man dem Bürger den Zugang zur Justiz erleichtern kann. Man kann keine Brücke von der Justiz zum Volk schlagen, wenn die Kostenschranke so hoch ist, daß der Weg zum Gericht einem großen Teil der Bevölkerung einschneidende Einbußen an Einkommen zufügt. Die Möglichkeit, als Prozeßgewinner eines Tages die Erstattung der Kosten vom Gegner verlangen zu können, ist nur ein schwacher Trost. Schon Franz Klein hat daher die Kostenirage die Existenzfrage des Rechts genannt. Es steht für mich außer Frage, daß man heute nicht hinter diese Erkenntnis zurückfallen kann, wenn man nicht den Gedanken der Chancengleichheit ad absurdum führen will.

Gerechtigkeit ist das große Anrecht der Menschen dieser Erde. Wo die Gerechtigkeit auch nur einem Menschen vorenthalten wird, da leidet die gesamte Gesellschaftsordnung Not, weil sie mitbetroffen ist. Der moderne Prozeß muß in diesem Sinne ein sozialer Prozeß sein, oder er wird zu einem Spiel degenerieren, von dem — man denke auch an den Vermögensschwund im mittleren Bürgertum — breite Teile der Bevölkerung ausgeschlossen sind. In der Bundesrepublik ist eine Erweiterung der Prozeßkostenhilfe geplant, die die Zu-rücksetzung der ohnedies Zurückgesetzten auf dem Gebiet der Rechtsverfolgung beseitigen, aber auch die Mittelschicht zur Anrufung der Gerichte ermutigen soll. Die Zahl der unentgeltlichen Rechtsberatungsstellen für Minderbemittelte ist dank des Einsatzes der Anwaltschaft und auch dank staatlicher und kommunaler Initiativen erheblich gesteigert worden. Selbst für die Gegenwart können solche Maßnahmen noch nicht als ausreichend angesehen werden, so verdienstvoll sie auch sind. Wächst das Bedürfnis nach Rechtsschutz weiterhin, so sind sie kaum mehr als der berühmte Tropfen auf einem heißen Stein.

Die Juristen tragen die Verantwortung dafür, daß nicht zwei Rechtssysteme entstehen — eines für die Reichen und eines für die Armen. Wie hoch ist der Preis für die Gleichheit vor dem Gesetz? Hat schlichte Gerechtigkeit nicht einen Preis, den Juristen, die offenen Auges durch die Welt gehen, zugunsten der Benachteiligten einfordern müssen? Neue Gesetze erlegen der Verwaltung zunehmend die Verpflichtung auf, den Bürgern Auskunft über ihre Rechte und deren Durchsetzung zu geben. Hinter diesem Verwaltungsservice darf der Justizservice nicht zurückstehen. Ungelöst ist auch die Frage der Verständlichkeit der Justiz. Es sagt sich leicht, daß die Richter sich einer persönlichen, klaren Sprache bedienen sollen, die das Volk versteht. Die juristische Sozialisation, die der Nachwuchs in Wissenschaft und Praxis erfährt, geht jedoch leider nach wie vor andere Wege. Da wir bisher dazu verurteilt sind, eine juristische Fachsprache zu gebrauchen, muß der Jurist eine Übersetzungsarbeit leisten, wenn er sich einfach ausdrücken will. Versuche, hier einen Wandel zu schaffen, sind gelungen, soweit es sich um das Gespräch in der Gerichtsverhandlung handelt, jedoch bisher ohne durchgreifenden Erfolg geblieben, soweit die Entscheidungen selbst in Frage stehen. Nur Veränderungen in der juristischen Ausbildung könnten hier einen Wandel bewirken und damit zu einer Rechtsprechung führen, die dem Bürger leichter zugänglich ist, als dies heute der Fall ist.

Eine Justiz mit menschlichem Antlitz — so habe ich schon vor Jahren dieses Programm bezeichnet es ist das Programm einer inneren Justizreform, die die Schuld für die Kluft zwischen Gericht und Bürger nicht allein bei der Bevölkerung, sondern auch und in erster Linie bei sich selber sucht und sich daher prüft, in welcher Art und Weise sie den Rechtsuchenden gegenübertritt. Daß es sich hier um kein innerdeutsches, sondern um ein internationales Problem handelt, kann man feststellen, wenn man die Justiz anderer Länder studiert. Der erste internationale Kongref für Prozeßrecht, der im August dieses Jahres in Gent veranstaltet wurde, stand denn aud unter eben diesem Programm.

IV.

Soviel über Wege, die innerhalb der Justi: beschritten werden können, um ihre Distan: zur Gesellschaft zu verkürzen. Diese Uberzeu gungsund Vertrauensarbeit der Justiz is aber nur die eine Seite der Medaille. Die an dere betrifft die Frage, was die Gesellschaf ihrerseits tun kann, um zu diesem Ziel beizu tragen, der Maxime entsprechend, daß die de mokratische Rechtsordnung — wie der demc kratische Staat •— ein plebiscite tous les jour ist, also in den Bürgern leben muß, um wirk lieh „Recht", nicht oktroyiertes, sondern vo der Volksüberzeugung getragenes Recht z sein.

An die Spitze dieser komplementären Mal nahmen stelle ich die Rechtserziehung. E geht nicht an, daß die Schulen junge Mei sehen in das Leben entlassen, die nichts voi bürgerlichen Arbeitsrecht, vom Strafrecht un von der Sozialversicherung wissen, wo si doch fortlaufend mit diesen Problemen in Bt rührung kommen. Die Gesetzgeber gehen di von aus, daß jedermann die Gesetze keni und Unkenntnis niemanden entschuldige könne. In Wahrheit handelt es sich dabei, w schon Anton Menger wußte, um „die 1 cherlichste aller Fiktionen". Das Handeln di Menschen wird „fast ausschließlich von e nem dunklen und nur zu oft trügerische Rechtsgefühl geleitet, und ihr ganzes Recht leben ist in Wirklichkeit dem Zufall preisg geben“ Schon die Schule muß aus diese Grunde die heranwachsende Jugend in de Grundbegriffen des Rechts und in der G richtsorganisation unterweisen. Die Rechtse Ziehung kann sich jedoch nicht in dies praktischen Lebenshilfe erschöpfen. Wich ger noch ist, daß den Heranwachsenden der Rechtserziehung jenes Rechtsbewußtsein vermittelt wird, das eine Effektivitätsbedingung des Rechts ist. Denn das Recht kann nicht aus sich selbst heraus die gesellschaftlichen Verhältnisse regeln. Es teilt das Schicksal aller ideellen Gebilde und kann nur auf dem Wege über das Handeln von Menschen wirksam werden, das es beeinflußt. Die vom Recht geforderten Verhaltensweisen müssen durch den Kopf des einzelnen hindurchgehen, um Wirklichkeit zu werden.

Eine solche Rechtserziehung besteht nicht allein in der Information über oder in der Erläuterung von Rechtsnormen, sie muß an gelebte Erfahrung und vorhandene Interessen anknüpfen, nicht auf Kenntnis, sondern auf Anerkenntnis zielen und in gesellschaftliches Handeln übergehen.

In der Bundesrepublik ist der mühsame Prozeß, vom Rechtsunterricht, wie er seit einigen Jahren praktiziert wird, zur Rechtserziehung im Rahmen der politischen Bildung voranzuschreiten, erst in Ansätzen verwirklicht. Angesichts der mannigfachen Schwierigkeiten, in der sich das Schulsystem überhaupt befindet, läßt sich noch nicht absehen, wann die mit großem Engagement geleistete Pionierarbeit reale Erfolge bringt.

Eine Schlüsselstellung bei der Bildung von Rechtsbewußtsein ist auch den Medien zuzuerkennen. Die Justiz kann ihre Beziehungen zu den Meinungsträgern gar nicht genug pflegen — nicht um Kritik zu verhindern, sondern um sich ihr zu stellen. Die Medien sind nicht nur bei der Rechtserziehung geheime Miterzieher, sie sind — gewollte oder ungewollte — Partner in dem Bemühen, Justiz und Bürger enger miteinander zu verbinden. Selbst scharfe Kritik kann hilfreich sein, wenn sie nicht dabei stehen bleibt, Unbehagen zu artikulieren, sondern die Gründe dafür aufzuzeigen. Die Justiz hat dann die Chance der Aufklärung, und sie sollte sie auch nutzen als dialogisierende — und nicht polarisierende — Justiz, als eine Institution, die keine Anstrengung scheut, auch die zu überzeugen, die im Banne überkommener Anschauungen den veränderten Inhalten des Rechts mißtrauen.

In erster Linie wirkt und überzeugt die Rechtspflege ohne Zweifel durch ihre tägliche Arbeit. Der Dialog mit den Bürgern, die den Inhalten der modernen Strafjustiz skeptisch oder ablehnend gegenüberstehen, muß aber auch jenseits des Gerichtssaales geführt werden, also in den Medien, aber auch auf dem Wege unmittelbarer Kommunikation. Ehrenamtliche Richter sind die geborenen Mittler zu breiten Bevölkerungskreisen, sie müssen deshalb immer wieder in Seminaren mit dem neuen Recht vertraut gemacht werden.

Nahe liegt es, gegenüber der stereotypen Behauptung, die Justiz urteile Verbrechern ge-gegenüber zu milde, auf die Tatsachen zu verweisen, die weder in Osterreich noch in der Bundesrepublik das Klischee von der „weichen Welle" rechtfertigen. Denn in beiden Ländern ist insoweit die Situation gleich. Ein solches Zurückweichen vor den überkommenen Strafrechtsvorstellungen halte ich jedoch für verfehlt. Denn das, worauf so viele Bürger immer noch vertrauen, daß der Mechanismus von Strafe und Bravsein, von harter Strafe und zurückgehender Kriminalität funktioniert, trifft ja nicht zu. Was hat man im Laufe der Geschichte nicht alles getan, um potentielle Verbrecher abzuschrecken! Man hat sie gepfählt, gevierteilt, ertränkt, vorher verstümmelt und geschleift. Genutzt hat das alles nichts. Unter demselben Galgen, an dem der gehenkte Taschendieb baumelte, trieben seine Diebeskollegen ihr Handwerk weiter, der Todesstrafe nicht achtend, die darauf stand. Wenn je ein Rechtssystem für bankrott erklärt werden mußte, dann doch das überkommene Strafrechtssystem mit seiner 80 °/oigen Rückfallquote! Sind wir nicht schon deshalb verpflichtet, es anders zu versuchen, mit vernünftigen, auf den Täter berechneten Sanktionen? Und wenn die erste Bestrafung oft der Auftakt zur kriminellen Karriere ist, müssen wir dann nicht alles tun, um den Ersttäter davor zu bewahren, rückfällig zu werden? Weiß denn der Bürger, der sich über den so-genannten Hotelvollzug entrüstet, nicht, daß der moderne Resozialisierungsvollzug größere Anforderungen an den Inhaftierten stellt als der alte, bankrotte Verwahrvollzug?

Gerade die Strafrechtsreform ist in unseren beiden Ländern nichts weniger als eine antizipierende Reform, die künftige soziale Verhältnisse vorwegnimmt; sie ist gesellschaftlicher Nachvollzug, um mit Chr. Broda zu reden, die fällige, überfällige Anpassung des Rechts an soziale Veränderungen.

Die Entgegensetzung hart oder weich, streng oder mild ist schief. Worauf es ankommt, das ist die Effektivität. Haben wir denn nicht überzeugende Gründe, um darzutun, daß unser humanes Sanktionssystem ein wirksameres Mittel zur Verbrechensbekämpfung sein dürfte als das alte? Es ist auch nicht schwie11 6rig, Menschen für die Erkenntnis zu öffnen, daß Kriminalität normal ist und wir sie nicht beseitigen, sondern nur auf ein erträgliches Maß reduzieren können, daß aber die Justiz nicht selbst dazu beitragen darf, Menschen, die gefehlt haben, noch tiefer in das Verbrechen hineinzustoßen. Aufklärung in diesem Sinne ist möglich — auch in einer Welt, die sich für aufgeklärt hält, ohne es zu sein

Der Bereich der Bildung und der Medien ist es also, in dem das ergänzt werden muß, was an Überzeugungsarbeit in der Justiz selbst getan werden kann, um das Unbehagen abzubauen. Eine weitere Komplementäreinrichtung, die das Vertrauen zur Justiz stärken kann, ist der Ombudsmant Diese sich in Europa immer mehr ausbreitende Institution ist zwar kein Bestandteil der eigentlichen Justiz im engeren Sinne, gehört aber zu den Rechtsschutzeinrichtungen im weiteren Sinne. In der Bundesrepublik haben wir einen Ombudsman mit umfassender Zuständigkeit beispielsweise in Rheinland-Pfalz, mit eingeschränkter Zuständigkeit als Datenschutzbeauftragter z. B. in Hessen, als Wehrbeauftragter im Bund. Daß die Idee des Ombudsman vielfach sowohl beim Parlament als auch bei der Gerichtsbarkeit auf starke Skepsis stößt, hat mich nicht abgeschreckt, immer wieder für seine Einführung zu plädieren. Um so mehr freue ich mich, daß dieser Gedanke jetzt in Österreich mit der Etablierung von Volksanwälten und in der Schweiz mit dem kantonalen Ombudsman eine Verwirklichung findet.

Bürgerbeauftragte, Bürger-, Volksanwälte bil-den keine Konkurrenz für die Gerichtsbarkeit ebensowenig für die Rechtsanwaltschaft; sie sollen vielmehr die Kontrolle der staatlichen Bürokratie dort ergänzen, wo die gerichtliche Kontrolle nicht hinkommt. Als Vermittler zwischen Bürger und Staat finden sie reiche Betätigungsmöglichkeiten im Vorfeld des formalen Rechtsschutzes, wie er Sa-ehe der Gerichte ist und bleibt. Rechtsschutz, wie ihn der Bürger erwartet, ist eben zu einem guten Teil auch soziale Hilfe. Das wird klar, wenn wir uns vor Augen führen, was Rechtsschutz für den einzelnen Bürger in der Gesellschaft eigentlich bedeutet. Im Banne überkommener Vorstellungen sind wir oft geneigt, das Problem des Rechtsschutzes auf den gerichtlichen Rechtsschutz zu verkürzen. Tatsächlich stellt sich die Frage des Rechtsschutzes aber für den Bürger kaum isoliert, sondern meistens im Rahmen eines Verlangens nach umfassender Hilfe, Beratung und Zuwendung, eines Bedürfnisses, das vornehmlich auftaucht, wenn sich der Bürger mit dem ihm allmächtig erscheinenden Staat und seiner Bürokratie konfrontiert sieht. Manch einer ist schon zum Querulanten geworden, weil er an den Irritationen der Bürokratie gescheitert ist Hier liegt die große Chance des Ombudsmans. Die Vielfalt der Wege, die dabei in Europa eingeschlagen werden, liefert ausgezeichnetes Studienmaterial.

V.

Probleme, die von Menschen geschaffen sind, können auch von Menschen gelöst werden, hat einmal ein amerikanischer Präsident gesagt. Wenn das zutrifft, braucht uns um unser Problem nicht bange zu sein.

Ich bin mir freilich nicht sicher, ob wir uns den Optimismus leisten können, die Lösung werde gleichsam von selbst kommen, wenn wir nur tüchtig darüber nachdenken. Letztlich handelt es sich bei der Frage, wie man dem Unbehagen an der Rechtspflege mit Erfolg beikommen kann, um ein soziales und geistiges Problem zugleich.

Seinen tieferen Grund findet das Unbehagen in der menschlichen Entfremdung, die die soziale Entwicklung uns auf allen Lebensgebieten gebracht hat. Lähmend für das Handeln erweist sich die gewaltige Kraft, mit der die Bürokratisierung als sozialer Vorgang alle, aber auch alle Lebensbereiche durchdringt. Deshalb sei wiederholt: Auch wenn man anerkennt, daß die Bürokratie eine so gut wie unzerbrechliche Form der Herrschaftsbeziehung ist, besteht aber kein Grund dazu, sich mit ihr, so wie sie ist, abzufinden. Nur wenn es gelingt, die schädlichen Folgen der Tendenz zur Bürokratisierung zurückzudrängen, kann der Mensch hoffen, seinem Untergang in der gigantischen Maschinerie des modernen Staa-tes zu entgehen. Die Justiz teilt in dieser Gesellschaft das Los der Demokratie: sie wird schwieriger, aber auch wichtiger.

An der Größe der Aufgabe gemessen, sind die Vorschläge, die hier gemacht worden sind, nicht mehr als ein bescheidener Ansatz, der schlichte Versuch, von der Hilflosigkeit des Menschen in der modernen Gesellschaft ein Stück abzutragen. So bescheiden dieser Ansatz aber auch ist: wenn man bedenkt, daß die meisten Konzepte zur Behebung der Verdrossenheit des Bürgers auf punktuelle und bloß moralische Appelle hinauslaufen oder sich am Rand der Utopie bewegen, besteht aller Anlaß, diese Chance zu nutzen.

Es wäre sicher übertrieben, wenn man sagen wollte, daß jetzt der Augenblick gekommen sei, wo auch Juristen Geschichte machen könnten. Soweit möchte ich jedenfalls nicht gehen. Aber es soll doch die Frage aufgeworfen werden, ob es nicht möglich ist, die Phantasie der Justiz anzuregen, damit sie alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu ihrer Vermenschlichung ausschöpft. Die Juristen müssen sich fragen, ob sie sich nicht zu sehr auf die traditionellen Aspekte der Rechtsprechung konzentrieren und zu wenig aüf die fundamentalen Veränderungen, die sich in unserer Gesellschaft vollziehen.

Es ist eine große Aufgabe, den Staat, in dem sich unsere Gesellschaft organisiert, zu humanisieren, und dabei müssen die voranschreiten, die Funktionen in diesem Staat übernommen haben.

Der französische Marschall Lyautey bat einmal einen Gärtner, einen Baum zu pflanzen. Der Gärtner gab zu bedenken, daß der Baum nur langsam wachse und hundert Jahre brauche, um zur Reife zu gelangen. Der Marschall antwortete: „In diesem Fall ist keine Zeit zu verlieren. Wir müssen ihn noch heute pflanzen". In unserer Hand liegt es, das Recht erkennbar zu machen und der unnahbar erscheinenden, kühlen Göttin, der wir dienen, ein menschliches Gesicht zu geben. Das ist keine kleine Sache. Aber lassen Sie uns gerade deshalb unsere Bäume pflanzen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. So schon Hermann Heller, Staatslehre, Leiden 1934, S. 228 ff. Nach 1945 hat Otto Stammer diesen Ansatz weiterverfolgt; s. O. Stammer, Politische Soziologie und Demokratieforschung, Berlin 1965, S. 6 ff. (Wiederabdruck der 1951 in Schmöllers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft erstmals veröffentlichten Abhandtung " Herrschaftsordnung-und Gesellschaftsstruk-

  2. Zum Verhältnis von richterlicher Unabhängigkeit und öffentl. Kritik vgl. Wassermann, Justiz im sozialen Rechtsstaat, Darmstadt und Neuwied 1975, S. 104 f.

  3. Recht und Politik 1976, S. 209 ff. S. a. Christian Broda, Gesetzgebung. und sozialer Wandel, in: Die Zukunft 1975, Heft 19, S. 3 ff.

  4. Die rechtsphilosophischen Vorträge und Schriften dieses bedeutenden Juristen sind jetzt zusam-mengefaßt in: Adolf Arndt, Gesammelte juristische Schriften, hrsg. v. E. -W. Böckenförde und H. Lewald, München 1976, S. 3 ff.

  5. Theo Rasehorn, Im Paragraphenturm, Berlin un Neuwied 19688, S. 14.

  6. U. a. Wassermann a. a. O. (Anm. 2), S. 122 ff.

  7. Eingehend dazu Christian Graf von Krockow, Reform als politisches Prinzip, München 1976, S. 18 ff. Erfahrungen bei der Durchsetzung von Strafrechtsreformen habe ich in meinem Referat „Widerstände gegen Alternativen" in: Kriminalität: Straf-und Maßnahmenvollzug, Gottlieb-Duttweiler-Institut, Zürich 1976, ausgewertet.

  8. S. Franz Adickes, Mitglied des Preußischen Herrenhauses: Grundlinien durchgreifender Justizreform, Berlin 1906; Zur Verständigung über die Justizreform, Berlin 1907. Aus der Zeit der Weimarer Republik ist hervorzuheben Eugen Schiffer, Die Deutsche Justiz, Berlin 1928. Einen Überblick über die Probleme der Justizreform geben — aus der Sicht des konservativen Reformers — Albrecht Wegner, Der Richter, Karlsruhe 1959, und

  9. S. Wassermann, Richter, Reform, Gesellschaft, Karlsruhe 1970, S. 17 f„ 68.

  10. Gerhard Jahn, Rechtspoliük mit Augenmaß, Karlsruhe 1972, S. 227 ff., 245 ff.

  11. Einen umfassenden Überblick über die neuere Gesetzgebung zum Gerichtsverfassungsund Verfahrensrecht gibt Hans de With (Hrsg.), Deutsche Rechtspolitik, Karlsruhe 1976, S. 205 ff.

  12. BGB 1I 1976, S. 1421. Vgl. dazu auch Walter Rolland, Das neue Eheund Familienrecht: EheRG. Kommentar zum 1. Eherechtsreformgeset Darmstadt und Neuwied 1977.

  13. BGB 1I 1976, S. 3281.

  14. Darauf habe ich auch beim Inkrafttreten der großen Gesetze zur Strafrechtsreform hingewiesen; vgl. Wassermann, Strafjustiz mit menschlichem Antlitz. Zum Richterbild der Strafrechtsreform und zur Ausbildung des modernen Strafrichters, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 32/75, S. 1 ff.

  15. Wassermann (Hrsg.), Justizreform, Neuwied und Berlin 1970, S. 9; ders., Innere Justizreform, in: Deutsche Richterzeitung 1964, S. 240; Wolfgang Kirsch, Innere Justizreform, in: Juristische Rundschau 1963, S. 441 ff. — Um die Umgestaltung des Zivilprozesses haben sich vor anderen der Tübinger Rechtswissenschaftler Fritz Baur, der Stuttgarter Richter Rolf Bender, der Vater des sog. Stuttgarter Modells, und der Kölner Richter Egon Schneider verdient gemacht.

  16. Dazu eingehend Theo Rasehorn, Recht und Klassen, Darmstadt und Neuwied 1974, S. 96 ff.

  17. Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Studienausgabe, hrsg. von Johannes Winckelmann, Erster Halbband, Tübingen 1956, S. 165. S. a. Renate Mayntz (Hrsg.), Bürokratische Organisation, Köln/Berlin 1968, S. 27— 35; Otto Stammer/Peter Weingart, Politische Soziologie, München 1972, S. 151 ff.; Henry Jacoby, Die Bürokratisierung der modernen Welt, Neuwied und Berlin 1969, S. 227 ff.

  18. Wolfgang Kaupen, Das Verhältnis der Bevölkerung zur Rechtspflege, in: Zur Effektivität des Rechts, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechts-theorie, Band 3, Düsseldorf 1972, S. 555 ff.

  19. Dazu Wassermann, Justiz im sozialen Rechtsstaat (Anm. 3), S. 85 ff.; ders., Das Strafverfahren als Sozialverhältnis, in: Recht und Gesellschaft 1974, S. 172 ff.; ders., Neuer Stil im Strafprozeß, im Zeitschrift für Rechtspolitik 1969, S. 169 ff.; ferner die Beiträge von Günter Hennies und Jan-Wollgang Berlit, in: Wassermann (Hrsg.), Justizreform (Anm. 15), S. 133 ff., 144 ff., und die Untersuchung von Gerd Winter und Karl F. Schumann, Sozialisation und Legitimierung des Rechts im Strafverfahren, zugleich ein Beitrag zur Frage des rechtlichen Gehörs, in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Band 3, Düsseldorf 1972, S. 529 ft-: ders., Zur Analyse des Strafverfahrens, in: Kriminologisches Journal 1973, S. 136 ff.

  20. Dazu Wassermann, Sozialer Ausgleich durch Rechtsprechung — Möglichkeiten und Grenzen, in: Recht und Politik. Fünf Vorträge, hrsg. vom Institut für Gesellschaftspolitik und dem Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriminalsoziologie, Wien 1975, S. 43 ff. Darauf, daß der Richter im Zivilprozeß vielfach, um seiner Aufgabe gerecht zu werden, in der hier geforderten Weise die Voraussetzungen erst schaffen muß, damit die von abstrakter Gleichheit ausgehende Verhandlungsmaxime ihren Zweck erfüllen kann, hat bereits Wolfram Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, Götüngen 1970, S. 145, nachdrücklich hingewiesen. Zu den Sprachbarrieren im Gerichtsverfahren vgl. neuen Theo Rasehorn, a. a. O. (Anm. 16), S. 110 ff., auch Heinz Menne, Sprachbarrieren und Rationalisierung im Zivilprozeß, in: Zeitschrift für Zivilprozeß 1975, S. 263 ff.

  21. Zeit-und Geistesströmungen im Prozeß, Frankfurt am Main 1958®, S. 21. Seit Erich Fechners bahnbrechendem Vortrag „Kostenrisiko und Rechtswegsperre — Steht der Rechtsweg offen?“, in: Juristenzeitung 1969, S. 349 ff., ist die Literatur enorm angewachsen. Ich verweise auf die in meinem Beitrag: Gleicher Rechtsschutz für alle, in: Diether Posser und Rudolf Wassermann, Freiheit in der sozialen Demokratie, Karlsruhe 1975, S. 141 ff. (152), angegebene Literatur, das Buch von G. Baumgärtel, Gleicher Zugang zum Recht für alle, Köln 1976, und die Gutachten von Wolfgang Grunsky und Nicolo Trocker zum Deutschen Juristentag 1976, in: Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, München 1976, Band I (Gutachten), A 1 — A 83, B 1 — B 91.

  22. S. Alfred Emmerlich, Vom Armenrecht zur Prozeßkostenhilfe, in: Recht und Politik 1977, S. 5 ff.

  23. S. a.den in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beitrag „Strafjustiz mit menschlichem Antlitz" (Anm. 14).

  24. Das Recht und die besitzlosen Volkskiass 4. Aufl., Tübingen 1908, S. 20 f.

  25. Menger, a. a. O., S. 21.

  26. S. dazu jetzt das wichtige Buch von Gunther Arzt, Der Ruf nach Recht und Ordnung, Tübingen 1976, über Ursachen und Folgen der Kriminalitätsfurcht in den USA und in Deutschland.

  27. Siehe die Ausgabe Nr. 3 v. 22. 1. 1977 der Wochenzeitung Das Parlament mit Beiträgen u. a. von Thomas Ellwein, Lieselotte Berger, Itzhak Nebenzahl, Karl Wilhelm Berkhan, Johannes Baptist Rösler, Bertil Wennergren, Alfred Sommerfeld, Rudolf Wassermann.

  28. Dazu mein Beitrag in der Anm. 27 erwähnten Ausgabe Das Parlament: Der Weg zum Verwaltungsgericht.

Weitere Inhalte

Rudolf Wassermann, geb. 1925 in Letzlingen (Altmark); Präsident des Oberlandesgerichts Braunschweig, Präsident des Landesjustizprüfungsamts, Mitglied des Niedersächsische Staatsgerichtshofs; Studium der Rechtswissenschaft und Philosophie in Halle (Saale), der Soziologie und Politischen Wissenschaft in Berlin (West); 1956 Gerichtsassessor, 1959 Landgerichtsrat, 1963 Kammergerichtsrat in Berlin; 1967 Ministerialrat im Bundesjustizministerium; 1968 Landgerichtspräsident in Frankfurt (Main). Veröffentlichungen u. a.: Erziehung zum Establishment?, Karlsruhe 1969; Justizreform, Berlin und Neuwied 1970; Richter, Reform, Gesellschaft — Beiträge zur Erneuerung der Rechtspflege, Karlsruhe 1970; Der politische Richter, München 1972; Justiz im sozialen Rechtsstaat, Darmstadt und Neuwied 1974; Freiheit in der sozialen Demokratie (hrsg. zus. mit D. Posser), Karlsruhe 1975; Terrorismus contra Rechtsstaat, Darmstadt und Neuwied 1976; Zwischen Rechtskritik und Rechtsreform, in: Gruber-Richter, Der SPD-Staat, München 1977. Zahlreiche Aufsätze in Zeitschriften und Sammelbänden zu rechtswissenschaftlichen, rechtssoziologischen und rechtspolitischen Fragen.