I. Arbeitsbedingungen ausländischer Journalisten in den Ostblock-Staaten — ein Problem?
Schenkt man den Worten des Leiters der Presseabteilung des Außenministeriums der UdSSR, W. N. Sofinski, Glauben, so stehen allen „in Moskau akkreditierten ausländischen Journalisten . . . weitgehende Möglichkeiten zu, die sowjetische Wirklichkeit, das Leben der sowjetischen Menschen unmittelbar und gründlich kennenzulernen" Ähnliche Zustände scheinen auch in der DDR zu herrschen, denn das SED-Zentralorgan „Neues Deutschland" ließ vor nicht allzu langer Zeit verbreiten, ausländische Korrespondenten erhielten „großzügige Aufenthalts-und Arbeitsbedingungen sowie umfassende Unterstützung bei der Erlangung von Informationen" Ein optimistischer Charakter könnte noch weitere Anhaltspunkte finden, die ihm den Eindruck vermitteln, Journalismus in den sozialistischen Ländern sei — besonders für Ausländer — eine unproblematische Angelegenheit: so sichern die Pressegesetze Rumäniens und der CSSR sogar die Unterstützung durch die dortigen Behörden zu und die DDR wartet mit imposanten Zahlen über die intensive Besuchstätigkeit ausländischer Journalisten auf.
Doch so ganz ungetrübt ist die Harmonie nicht. Es finden sich wiederholt Hinweise in der östlichen Presse, daß die Berichterstattung der westlichen Massenmedien lückenhaft sei Die wichtigsten Informationen über die sozialistischen Länder, so die Kritik, würden fehlen, überdies sei in westlichen Blättern, Rundfunk-und Fernsehsendungen antisozialistische Polemik die Regel, aber nicht eine „objektive" Berichterstattung. Auch der differenziert argumentierende polni-Die vorliegende Studie entstand im Zusammenhang einer Veröffentlichung zum selben Thema in der von J. Delbrück, N. Ropers und G. Zellentin herausgegebenen Publikation „Grünbuch zu den Fol-gen der KSZE", die in Kürze im Verlag Wissenschaft und Politik, Köln, erscheint. sehe Bonn-Korrespondent Eugenius Guz schlug in diese Kerbe, als er bemängelte, daß westliche Journalisten auffallend häufig in die sozialistischen Länder reisen, hingegen wenig über ihre Eindrücke berichteten
In mancher Hinsicht erscheint diese Kritik gar nicht mal unberechtigt zu sein. Die Art und Weise der Nachrichtenübermittlung der westlichen Medien hat ihre eigene Gesetzmäßigkeit. Aktuelle Ereignisse, „Stories", „Hintergrundberichte" und reißerische Überschriften rangieren weit vor umfassenden Analysen. Der Augenblicksaspekt ist entscheidend, weniger die langfristige Perspektive, und Meldungen über gesteigerte Produktionsaktivitäten landwirtschaftlicher Kollektive und industrieller Kombinate fallen — sehr zum Leidwesen kommunistischer Funktionäre — gänzlich aus dem Repertoire heraus. Auch ist das Bild, welches die Medien vom Ostblock vermitteln, tatsächlich lückenhaft. Eindrücke aus dem „sozialistischen Alltag", dem dortigen Kulturleben, der Wirtschaft oder der Arbeitswelt sind nur von punktueller Art und vermitteln kein umfassendes Bild. Ferner ist die Beobachtung des polnischen Journalisten richtig: nicht jede Reise in die sozialistischen Länder erbringt einen Bericht oder eine Reportage. Hingegen fallen gerade die Artikel, die von Journalisten im Westen geschrieben werden, welche sich nicht vor Ort mit den Verhältnissen vertraut gemacht haben, um so kritischer und häufig auch polemischer aus. Hat somit die östliche Seite Recht, wenn sie behauptet, im Bereich des Informationsaustausches, dem auf der Konferenz in Helsinki über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) soviel Bedeutung eingeräumt wurde, hätte der Westen, nicht der Osten etwas nachzuholen?
Der Verfasser dieses Artikels hat versucht, jener Frage nachzugehen, sowohl im Gespräch mit einer Vielzahl von Journalisten als auch durch Auswertung von Dokumenten und offenen Materialien. Die Ergebnisse dieser Bemühungen legen allerdings den Schluß nahe, daß es in erster Linie die schlechten Arbeitsbedingungen für ausländische (und speziell westliche) Journalisten sind, die erklären, warum die Berichterstattung so lückenhaft und unvollständig ist. Die Ursachen dieser Situation sind folgender Art: 1. Die dortigen Staats-und Parteiapparate setzen alles mögliche daran, die Berichterstattung ausländischer Journalisten in ihrem Sinne zu beeinflussen und zu steuern. 2. Das Informationsangebot in den sozialistischen Ländern ist — Folge der Verwendung von Information und Propaganda als Herrschaftsinstrument — ungleich geringer als hierzulande. 3. Elemente eines pathologischen Bürokratismus werden wirksam, der Situationen hervorbringt, die häufig jeglicher politischen Logik entbehren.
Versucht man eine Skizze jener Probleme zu entwerfen, die für die Situation westlicher Journalisten in den sozialistischen Ländern typisch sind, so lassen sich folgende Punkte aufführen:
— Es gibt immer wieder Versuche, die Berichterstattung von Reisekorrespondenten dadurch zu beeinflussen, daß man die Visum-Erteilung als Druckmittel benutzt oder aber dem Journalisten eine intensive „Betreuung" anheimkommen läßt, die es ihm unmöglich macht, ungehindert zu recherchieren.
— Es treten Probleme bei der Mitnahme von Arbeitsmaterialien und technischen Ausrüstungsgegenständen als Folge restriktiver Bestimmungen über die Einfuhr westlicher Druckerzeugnisse und sonstiger Artikel auf. — Die Informationsmöglichkeiten für Journalisten sind äußerst schlecht. Die staatlich gelenkte und monopolisierte Informationspolitik vernachlässigt bzw. unterschlägt gewöhnlich all die Ereignisse und Daten, die nicht in das harmonische Bild einer prosperierenden sozialistischen Gemeinschaft passen; andere Informationen werden „parteilich“ aufgearbeitet und für westliche Journalisten gänzlich uninteressante Nachrichten in aller Breite ausgewalzt. Möglichkeiten, das staatliche Informationsangebot kritisch zu überprüfen, bestehen selten und sind in manchen Fällen (Berichterstattung über politische Opposition) nicht ohne persönliches Risiko für den Journalisten. Gezielte Anfragen bei staatlichen oder gesellschaftlichen Institutionen sind in der Regel nur über Genehmigungsverfahren und unter Wahrung des Dienstweges möglich. Das Telefon als Recherchiermittel entfällt in allen sozialistischen Staaten. Gespräche mit offiziellen Vertretern sind — wenn überhaupt — nur bis zu einer bestimmten Ebene möglich (Interviews mit Spitzenpolitikern sind ganz selteneAusnahmen) und erweisen sich als sehr ineffizient, da mangelnde Kompetenz und die Furcht um die eigene berufliche Existenz die Gesprächspartner davor zurückscheuen läßt, Dinge anzusprechen, die über den Rahmen des bereits offiziell Verlautbarten hinausgehen. Als besonderes Problem erweisen sich die sehr scharfen Geheimnisschutzbestimmungen. Daten und Informationen, die hierzulande jedem offenstehen, gelten dort als Staatsoder Dienstgeheimnis. Der administrative Aufwand, der zu ihrem Schutz betrieben wird, ist recht erheblich. So bleiben Angaben und Materialien über Industriekapazitäten, Bodenschätze, Stand der Devisenreserven und vie-les andere mehr dem ausländischen Journalisten verborgen. In Rumänien, welches die schärfsten Geheimnisschutzbestimmungen besitzt, gelten sogar Landkarten im Maßstab bis zu 1: 500 000 als geheim Gänzlich unmöglich ist es, verläßliche Informationen über anstehende personelle Veränderungen im Staats-und Parteiapparat sowie über politische Entscheidungsprozesse zu erhalten — hier ist ein Journalist auf Gerüchte, „Kaffeehauspolitik" und astrologie-ähnliche Verfahren angewiesen. — Zu den beschränkten Informations-und Recherchiermöglichkeiten kommen noch die überhöhten Kosten hinzu. Es ist weitaus teurer, aus sozialistischen Ländern zu berichten als aus dem Westen. Zum einen werden Preise für das Anmieten von Wohnungen und Büros verlangt, die höher sind als sonstwo auf der Welt, zum anderen werden für einfache Service-und Betreuungsleistungen echte „Monopolistenpreise" erhoben — in westlichen Währungen natürlich. — Es gibt zwar keine Vorzensur für westliche Journalisten, die in sozialistischen Ländern tätig sind, aber es wird eine sehr intensive Nachzensur ausgeübt. Diese äußert sich z. B. darin, daß Journalisten wegen ihrer Berichterstattung vor die staatlichen Organe zitiert werden. Die mildeste Form der Kritik ist dabei das Gespräch mit einem verantwortlichen Mitarbeiter der Presseabteilung des Außenministeriums, in dessen Verlauf sehr freundlich, aber bestimmt zum Ausdruck gebracht wird, welche Berichterstattung „nicht objektiv" oder „entspannungsfeindlich" sei. Eine härtere Form ist die tätliche Behinderung der Arbeit des Journalisten, ultima ra tio ist in vielen Fällen die Ausweisung und der Entzug der Akkreditierung.
Dieser kursorische Überblick zeigt, daß die Arbeitsbedingungen sehr verschieden sind im Vergleich zu den westlichen Staaten und daß ein Journalist, der sich nicht zum Sprachrohr einer der dortigen Regierungen ma-chen lassen will, es sehr schwer hat, einen Arbeitsstil zu verfolgen, den man geläufiger-weise als „Investigative Reporting" bezeichnet. Auf der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) wurde von deutscher Seite das Thema „Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Journalisten" auf die Tagesordnung gebracht Während der Gen-fer Verhandlungen gehörte diese Problematik zu den am meisten umstrittenen Punkten, und erst wenige Wochen vor dem Gipfeltreffen von Helsinki gelang es, eine Einigung herbeizuführen. Angesichts der KSZE-Überprüfungs-Konferenz in Belgrad scheint es angebracht zu fragen, a) welche Ergebnisse sind zu verzeichnen, b) welche interpretatorischen und sachlichen Probleme sind aufgetreten?
II. Zwei Jahre nach Helsinki — Fortschritt oder Resignation?
Die Vereinbarungen der Schlußakte hatten — im groben Umriß — folgende Punkte zum Gegenstand:
— die Garantie, daß ständig akkreditierte Journalisten Mehrfachvisa zur beliebigen Aus-und Einreise erhalten können (im Westen eine Selbstverständlichkeit);
— das Versprechen, die Reisemöglichkeiten für ausländische Journalisten zu erweitern und zu verbessern;
— die Verpflichtung, bürokratische Verfahren zu vereinfachen;
— die Zusage, daß den Journalisten ein persönlicher Zugang zu Informationsquellen zustehe;
— die Versicherung, daß ausländische Journalisten bei legitimer Ausübung ihres Berufes nicht mit Ausweisung oder ähnlichen Repressionen bestraft werden
Fast zwei Jahre nach Abschluß der KSZE ha-ben sich die Arbeitsbedingungen ausländischer Journalisten (hier vor allem interessant: die westlichen Journalisten) tatsächlich verändert, zum Teil zum Positiven, zum Teil zum Negativen. Diese Veränderungen sind von Land zu Land unterschiedlich. Sie machen deutlich — was sich auch in anderen Bereichen abzeichnet —, daß es durchaus differierende Vorstellungen im Ostblock über das Ausmaß der Erleichterungen im Bereich des Informationsaustausches gibt. Die Grenzen al-len Nachgebens liegen offensichtlich jedoch dort, wo die freiere Information in irgendeiner Weise die uneingeschränkte Herrschaft der kommunistischen Parteien in Gefahr bringen könnte — und diese Grenze ist relativ schnell erreicht
Sowjetunion Die Sowjetunion war das Land des Ostblocks (und ist es auch noch weiterhin), welches ausländischen Journalisten — und zwar nicht nur den westlichen — die meisten Probleme bereitete. Sowohl die 259 ständig in Moskau akkreditierten Korrespondenten als auch die reisenden Journalisten treffen auf eine Fülle von Schwierigkeiten, die selbst in anderen sozialistischen Staaten zum Teil schon lange der Vergangenheit angehören. Dies beginnt schon bei den Visa-Problemen. Die Sowjetunion war das einzige Land auf der KSZE, welches sich weigerte, ständig akkreditierten Korrespondenten Dauervisa auszustellen, die zu beliebig häufigen Aus-und Einreisen berechtigten. Erst nach Helsinki fand sich die sowjetische Regierung unter dem massiven Druck der in Moskau akkreditierten amerikanischen Korrespondenten bereit, Mehrfachvisa mit einjähriger Gültigkeit zu gewähren — allerdings unter dem Vorbehalt der „Gegenseitigkeit". Die Möglichkeiten für Reisekorrespondenten, in die Sowjetunion zu gelangen, sind nicht besonders gut. Sie stehen hinter den Möglichkeiten, die ein Tourist hat, weit zurück. Zusammen mit seinem Visumantrag muß ein Journalist Angaben über sein Arbeitsvorhaben und über die Personen und Örtlichkeiten machen, die er zu besuchen beabsichtigt. Mit der Erteilung des Visums gilt sein Projekt als genehmigt. Da dieses Genehmigungsverfahren in der Regel in Absprache mit verschiedenen beteiligten Stellen entschieden wird, zieht sich die Wartefrist entsprechend lange hin. Fristen von zwei Wochen gelten noch als kurz, zum Teil dauert es Monate, bis eine — dann möglicherweise noch mit Auflagen verbundene — Genehmigung erteilt wird und der Journalist einreisen kann.
Die sowjetischen Behörden sind bei der Handhabung dieses Verfahrens keinesfalls von der Praxis abgewichen, Einreise-und Arbeitsgenehmigung nur dann zu erteilen, wenn ihnen das Thema genehm erscheint und die frühere Berichterstattung des Journalisten nicht unangenehm aufgefallen ist. Ist eines von beidem nicht der Fall, so findet sich schnell ein Vorwand, das Visum zu verweigern — etwa indem vorgegeben wird, es wären keine Hotelzimmer oder Flugplätze frei —, oder es wird die Bearbeitungsdauer so in die Länge gezogen, daß der betreffende Journalist sein Interesse an dem Vorhaben verliert. Eine Vielzahl von Fällen dieser Art wurde bekannt, zudem kann davon ausgegangen werden, daß es eine hohe „Dunkelziffer" gibt, da nicht jeder Journalist, der Monate oder Jahre vergebens auf sein Visum wartet, sein Mißgeschick in die Öffentlichkeit trägt
Ein weiteres typisches Problem ist die eingeschränkte Bewegungsfreiheit. Vor der KSZE konnten die ständigen Korrespondenten — wie andere Ausländer auch — sich nur im Moskauer Stadtgebiet frei bewegen. Acht Ortschaften im unmittelbaren Umkreis durften sie nach vorheriger Anmeldung besuchen, der Rest der Sowjetunion war für sie entweder gesperrt oder nur nach einem umständlichen Genehmigungsverfahren zu erreichen. Ab l. März 1976 trat hier eine gewisse Erleichterung ein. Ausländische Korrespondenten können fortan die acht im Umkreis von Moskau liegenden Ortschaften ohne vorherige Anmeldung, aber unter Wahrung festgelegter Routen anfahren, weitere 126 Ortschaften in der Sowjetunion — es handelt sich hier um Orte, die grundsätzlich frei sind für Ausländer — können von den Korrespondenten ohne Genehmigung nach vorheriger Anmeldung bei der Presseabteilung des Außenministeriums besucht werden. Auch hier gelten wieder ganz bestimmte Vorschriften bezüglich der Verkehrsmittel und Reiserouten. Die-se Regelung, die die Korrespondenten ausländischen Diplomaten gleichstellt, erleichtert zwar in gewisser Hinsicht die Verfahren zur Durchführung von Einzelreisen, eröffnet aber keine Regionen, die bislang verschlossen waren. Anträge auf Einzelreisen in Gebiete, die außerhalb der oben erwähnten 126 Ortschaften liegen, werden in der Mehrzahl negativ beschieden; Journalisten haben nur die Möglichkeit, das Angebot an Gruppenreisen wahrzunehmen, welche von der Presseabteilung des Außenministeriums veranstaltet werden. In den vergangenen Jahren ist dieses Angebot quantitativ und qualitativ — auch ohne KSZE — etwas erweitert und verbessert worden. Im Jahre 1975 wurden mehr als 30 solcher Reisen veranstaltet.
Reisekorrespondenten müssen ihre Vorhaben mit der Presseagentur Novosti absprechen, die Genehmigungen beschafft und Gesprächspartner vermittelt. Novosti stellt auch einen Begleiter, der für teures Geld eine Vielzahl technischer und organisatorischer Probleme abnimmt, der andererseits auch dafür sorgt, daß der ausländische Journalist von seinem ursprünglichen Besuchsplan kaum etwas wiedererkennt. Westliche Journalisten, die die Sowjetunion bereist haben, berichteten dabei von dem schier unerschöpflichen Einfallsreichtum ihrer Begleiter, wenn es darum ging, ihre speziellen Wünsche — in zumeist freundlicher Weise — abzuschlagen und gleichzeitig vollkommen unwichtige Dinge vorzuführen. Die Situationen, die dabei entstehen, sind zumeist äußerst grotesk und gelegentlich makaber, auf jeden Fall für einen Journalisten, der seiner Redaktion einen Bericht schreiben soll, untragbar. Die Bemerkung von Eugenius Guz, daß viel gereist, aber wenig geschrieben werde, findet so ihre Erklärung.
Die wohl größte Schwierigkeit in der Sowjetunion besteht darin, an Informationen zu gelangen, gleich, ob es sich um politische Ereignisse, statistische Daten oder sonstige Geschehnisse handelt. Die sowjetische Führung scheint offensichtlich die Tradition der Geheimniskrämerei weiterzuführen, die typisch für das alte zaristische Regime war. Geheimnisschutz und Zensur sind in der Sowjetunion so umfassend und perfekt organisiert, daß selbst einfache Daten und Ereignisse verschwiegen werden; die Auskunftsbereitschaft der offiziellen Stellen ist gering und interne Kontaktverbote und Genehmigungsvorbehalte bewirken das ihrige.
Korrespondenten erfahren von Ereignissen aus der sowjetischen Presse und dem dortigen Fernsehen sowie durch persönliche Kontakte auf verschiedenen Ebenen (Freundschaften, Anfragen bei offiziellen Stellen, Kontakte auf diplomatischer Ebene, Gespräche mit sowjetischen Journalisten etc.). Sowjetische Massenmedien sind bei weitem nicht so informativ wie die im Westen. Es fehlt jeder explizite Hinweis auf politische Entscheidungsprozesse, eine Vielzahl von Themen ist tabuisiert (Kriminalität, Prostitution, Dissidenten, wirtschaftliche Mißstände etc.) und die mei-sten Dinge werden so hingestellt, wie Staats-und Parteiführung sie gesehen haben wollen. Eine eigenständige Recherche ist schon deshalb kaum möglich, weil alternative Informationsquellen entweder nicht vorhanden sind (Fehlen jeglicher politischen Pluralität) oder aber unterdrückt werden. In diesem Zusammenhang ist es schon ein Fortschritt, daß Kontakte der Westjournalisten zu prominenten Dissidenten nicht mehr in dem Maße behindert werden wie noch vor einigen Jahren. Private Kontakte sind zwar nicht unmöglich, aber allein dadurch erschwert, daß die Korrespondenten in Ausländergettos wohnen müssen. Diese werden von Milizionären bewacht, welche für gewöhnlich sowjetische Bürger nicht hineinlassen. Als weiteres Hindernis kommen Telefonüberwachung und Beschattung hinzu.
Was die Erkundigung bei offiziellen Stellen anbetrifft, so ist hier durch einen Erlaß des Präsidiums des Obersten Sowjet vom 7. Juli 1976 eine Verbesserung erzielt worden. Bis dahin mußten ausländische Korrespondenten einen umständlichen Weg einschlagen, wollten sie Informationen von zuständigen sowjetischen Organen bekommen. Keinem Beamten war es gestattet, auf Anfragen westlicher Korrespondenten direkt zu antworten, und Gespräche mußten stets von der Presseabteilung des Außenministeriums vermittelt werden. Diese Praxis, die in erster Linie der Disziplinierung mittlerer Führungskräfte galt, führte dazu, daß aktuelle Informationen überhaupt nicht zu erhalten und selbst allgemeine Daten nur selten in Erfahrung zu bringen waren. Das Auskunftsersuchen blieb irgendwo im bürokratischen Dschungel stecken oder es traute sich keiner, den ausländischen Journalisten eine auch noch so harmlose Information zu geben. Durch den oben genannten Erlaß ist es nun den Ministerien und Behörden der Sowjetunion und ihrer Unionsrepubliken sowie anderen zentralen Organen gesellschaftlicher Organisationen nicht mehr verwehrt, Anfragen direkt zu beantworten. Diese Maßnahme, die ausdrücklich in bezug auf die KSZE erlassen wurde, hat unmittelbar noch kaum Auswirkungen’gezeigt. Sie hebt die generelle Genehmigungspflicht für Kontakte nicht auf stellt aber eine Erleichterung des Verfahrens dar.
Ein weiterer Problemkomplex ist die Arbeit ausländischer Fernsehkorrespondenten in der Sowjetunion. Bis zum Beginn des Jahres 1976 waren ausländische Korrespondenten darauf angewiesen, mit der Fernsehabteilung von Novosti zusammenzuarbeiten. Eigene Teams konnten von den ständig akkreditierten Korrespondenten nicht beschäftigt werden, die Dreharbeiten wurden von Novosti durchgeführt Dabei hat es wiederholt Fälle gegeben, wo sich sowjetische Techniker weigerten, bestimmte Einstellungen zu drehen oder Sendungen weiterzuvermitteln. Am 4. Februar 1976 erhielt nun ein Kameramann der ARD als erster westlicher Techniker seine Akkreditierung als Journalist; mit dieser Maßnahme wurde allen Fernsehkorrespondenten die Möglichkeit eröffnet, fortan mit eigenen Teams und folglich auch unabhängiger arbeiten zu können. Zudem besteht nun auch die Möglichkeit, unentwickelte Filme ins Ausland ausfliegen zu lassen. Außer der ARD (und zeitweilig auch dem ZDF) hat bisher noch keine westliche Fernsehanstalt einen eigenen Kameramann akkreditiert; offensichtlich sprechen wirtschaftliche Gründe dagegen. Die Möglichkeiten einer aktuellen Berichterstattung für Fernsehkorrespondenten sind aber auch weiterhin äußerst gering. Langwierige Genehmigungsverfahren und Wartefristen für Fernsehstudios bleiben auch nach Helsinki bestehen und sorgen dafür, daß tagespolitische Ereignisse nur selten übermittelt werden können. Versucht man zu resümieren, wie die Arbeitsbedingungen ausländischer Korrespondenten in der Sowjetunion nach Helsinki einzuschätzen sind, so bleibt positiv festzuhalten, daß die sowjetische Führung bemüht war, den in Moskau akkreditierten Korrespondenten in einigen Bereichen Erleichterungen zu gewähren. Diese Erleichterungen sind ein wenig mehr als nur Kosmetik. Versucht man ihren Stellenwert einzuschätzen, so ist zu bemerken, daß die Verhältnisse in der Sowjetunion dadurch denjenigen in den anderen osteuropäischen Ländern ähnlicher geworden sind; ein Vergleich mit westlichen Verhältnissen wäre jedoch etwas deplaziert.
Daß die hier aufgezeigten vorsichtigen Verbesserungen überdies stets gefährdet sind, wurde spätestens seit dem Herbst 1976 deutlich. Die verstärkten Aktivitäten von Bürgerrechtlern und Dissidenten, die die Achtung der Menschenrechte durch die sowjetische Regierung forderten, führten zu verstärkten Repressionen der dortigen Behörden gegenüber westlichen Journalisten. Immerhin sind sie es, die oppositionellen Sowjetbürgern die einzige Möglichkeit bieten, sich öffentlich zu artikulieren. So häuften sich in den letzten Monaten Behinderungen und Verwarnungen von ausländischen Korrespondenten, sowie Polemiken gegen westliche Massenmedien allgemein. Im Februar 1977 wurde mit dem AP-Korrespondenten George Krimsky, der nachhaltig über Moskauer Dissidenten berichtet hatte, das erste Mal nach fünf Jahren ein westlicher Korrespondent des Landes verwiesen. Die Begründung für diese Maßnahme war äußerst vordergründig (sog. „Devisenvergehen" und angebliche „Agententätigkeit") und verhüllte kaum den eigentlichen Anlaß, nämlich das Unbehagen an Krimskys Berichterstattung.
Polen
Daß im Zuge der Entspannungspolitik die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Journalisten viel weiter gehen kann, zeigt das Beispiel Polens. Seit Beginn der siebziger Jahre ist man hier sichtlich bemüht (und das gilt ganz besonders, seitdem Edward Gierek den Parteivorsitz übernahm), das Verhältnis zur ausländischen Presse im Zusammenhang mit der „Öffnung nach Westen" zu verbessern. In Warschau sind 59 ausländische Journalisten ständig akkreditiert, von denen ein knappes Dutzend aus westlichen Ländern kommt (allein sieben davon aus der Bundesrepublik). Die meisten derjenigen Probleme, die ihre Kollegen in Moskau plagen, sind für sie nicht existent: so gibt es keine Ausländergettos; die Möglichkeiten, Kontakt mit polnischen Bürgern aufzunehmen, werden nicht beschränkt; ausländische Journalisten können sich ungehindert im ganzen Land bewegen. Seit den fünfziger Jahren verfügen sie über Mehrfachvisa (seit Januar 1973 haben diese Mehrfachvisa eine Dauer von sechs Monaten, zuvor waren es nur drei Monate) und sie können sich mit Anfragen direkt an Behörden oder Organisationen wenden. Selbst die Möglichkeit, einen Club der Auslandspresse zu gründen, steht ihnen offen, wenngleich ein solcher Verein noch nicht realisiert worden ist.
Die Berichterstattung aus Polen wird ferner dadurch erleichtert, daß die polnische Presse weitaus interessanter und offener über ihr Land berichtet, als es — mit Ausnahme Un-garns — in anderen sozialistischen Ländern der Fall ist. Dies nicht zuletzt eine Folge ist der Versuche der polnischen Staats-und Parteiführung, der einheimischen Presse eine eigenständigere Funktion zuzuweisen. Politische Entscheidungsprozesse sind in Polen allerdings nur ein wenig transparenter als in anderen Ländern des Ostblocks Persönliche Kontakte mit Informationswert sind gerade bis zur Ebene von ZK-oder Sejm-Abgeordneten möglich, darüber hinaus sind Interviews oder Hintergrundgespräche die große Ausnahme. Die Bereitschaft, westlichen Korrespondenten Auskunft zu geben, ist bei staatlichen Stellen ungleich größer als etwa in der Sowjetunion. Zwar gibt es auch in Polen mißtrauische Apparatschiks, aber die Gruppe der offenen Gesprächspartner bildet hier schon fast die Mehrheit.
Auch Reisekorrespondenten betonen überwiegend die relativ positiven Aspekte ihrer Arbeitsbedingungen in Polen; sie weisen auf die Möglichkeit der ungehinderten Kontaktaufnahme hin, kritisieren aber die teuren Dienste der Agentur Interpress, die für die Betreuung ausländischer Journalisten zuständig ist. Ein Journalist muß für eine Reise in die VR Polen mindestens 14 Tage auf das Visum warten; leider machen die polnischen Behörden die Erteilung eines solchen Visums noch immer von der Berichterstattung des Betroffenen abhängig
Auf enorme Schwierigkeiten treffen jedoch ausländische Fernsehjournalisten — ob sie nun als ständige Korrespondenten in Warschau akkreditiert sind oder zu Dreharbeiten ins Land reisen. Das größte Problem sind hierbei die Drehgenehmigungen und der damit verbundene Aufwand. Es reicht nicht aus, wenn Interpress eine generelle Genehmigung besorgt. Für jedes Objekt, welches gefilmt werden soll, muß eine zusätzliche Genehmigung eingeholt werden, und weil bei manchen Objekten die Zuständigkeiten mehrerer Behörden berührt sind, bedarf es häufig sogar mehrfacher Genehmigungen Es ist ausländischen Fernsehjournalisten nicht verwehrt, mit eigenen Teams nach Polen zu reisen. Die ständig in Warschau akkreditierten Fernsehkorrespondenten sind allerdings mangels eigener Kameraleute auf die Zusammenarbeit mit Interpress angewiesen. Zwar gibt es keine Behinderungen bei den Dreharbeiten durch polnische Teams, doch treten immer wieder Schwierigkeiten auf, wenn trotz Interpress-Mitarbeit polnische Behörden Drehgenehmigungen für einzelne Objekte verweigern oder bereits zugesagte Genehmigungen zurücknehmen. Besondere Schwierigkeiten gibt es, wenn man Einrichtungen der polnischen Kirche filmen will, aber auch im Wirtschaftssektor — vom militärischen Bereich ganz zu schweigen — können solche Probleme auftreten.
Insgesamt gesehen, gestalten sich die Arbeitsbedingungen für ausländische Journalisten in Polen weitaus günstiger als in den meisten anderen Staaten des Ostblocks. Das soll nicht heißen, daß die Probleme beseitigt sind; sie sind jedoch in Polen weniger stark ausgeprägt und einer möglichen Lösung am nächsten. Seit der KSZE hat sich an administrativen Maßnahmen nichts geändert, betont wird jedoch von den meisten Betroffenen, daß klimatische Verbesserungen eingetreten sind.
Die in den vergangenen Jahren von der polnischen Regierung verfolgte Politik gegenüber der westlichen Presse hat offensichtlich zwei Ziele im Auge: zum einen ist sie um ein positives Bild Polens im Westen bemüht (die Berichterstattung über Polen wird sehr aufmerksam verfolgt, was zu einer Nachzensur führt), zum anderen macht sie Fortschritte in den bilateralen Beziehungen zu anderen Ländern für die in Polen arbeitenden Journalisten fruchtbar. So sind die klimatischen Aufheiterungen, die westdeutsche Journalisten nach dem August 1975 feststellten, weniger eine direkte Folge von Helsinki als vielmehr ein Produkt der deutsch-polnischen Vereinbarungen, die zur gleichen Zeit abgeschlossen wurden.
Diese Politik ist dort gefährdet, wo westliche Medien auch kritische Informationen über Polen verbreiten. So führte der Abdruck von Augenzeugenberichten der Arbeiterunruhen in Radom und Ursus im Magazin „Der Spiegel" dazu, daß der polnische Regierungssprecher Janiurek die Vertreter westlicher Medien in Warschau in recht deutlicher Form darauf hinwies, daß sie letztlich für das Wohl ihrer eigenen und anderer Redaktionen ihres Landes verantwortlich seien. Diese Äußerungen zeigen, daß man in Polen dem Phänomen eines regierungsunabhängigen Journalismus doch mit großem Befremden und Unsicherheit gegenübersteht.
Tschechoslowakei
Unter ganz anderen Vorzeichen als in Polen arbeiten westliche Journalisten in der ÖSSR.
ver Nach der Okkupation vom August 1968 -ringerte sich die Zahl der in Prag ständig akkreditierten westlichen Korrespondenten recht erheblich. Allein im Januar 1969 wurden 22 Journalisten des Landes verwiesen. Mittlerweile sind nur noch sechs westliche Korrespondenten, von denen drei aus der Bundesrepublik kommen, in Prag ständig akkreditiert. Der überwiegende Teil der SSR-Berichterstattung wird heute von den in Wien stationierten Osteuropa-Korrespondenten getragen. Auffallend ist die Offenheit, mit der die dortigen Behörden versuchen, die Berichterstattung über ihr Land zu steuern. Dabei werden gelegentlich äußerst rüde Methoden angewendet An dieser Praxis hat sich auch seit Helsinki in der ÖSSR nichts geändert, sie hat sich eher noch verschlechtert.
Die Arbeitsbedingungen der reisenden Korrespondenten unterscheiden sich von denen der ständig akkreditierten Korrespondenten. So finden die ständig akkreditierten Journalisten im technischen Sinne relativ ausreichende Bedingungen vor: sie besitzen im Lande Bewegungsfreiheit und verfügen über Mehrfach-visa mit einer Dauer von sechs Monaten, der Fernsehkorrespondent der ARD kann mit einem eigenen Kameramann arbeiten, Drehgenehmigungen sind nur bei Aufnahmen innerhalb geschlossener Räume erforderlich und unentwickelte Filme gelangen recht problemlos in den Westen. Auch in Prag gibt es keine Ausländergettos, wenngleich die Korrespondenten durch Sicherheitsorgane überwacht werden.
Hingegen haben die in Wien und anderen Städten stationierten Journalisten beträchtliche Schwierigkeiten, da die ÖSSR-Behörden Visa-Erteilungen ganz offen von der Berichterstattung abhängig machen. In keinem Land des Ostblocks häufen sich die Visumsverweigerungen in einem solchen Ausmaß wie in der ÖSSR. Sogar Transitvisa in die VR Polen sind verweigert worden. Vor allem Korrespondenten mit langjähriger Erfahrung in der Berichterstattung über die ÖSSR werden besonders benachteiligt. Seit dem Abschluß der KSZE hat sich diese Praxis noch verschärft. In den ersten Monaten dieses Jahres kam es zu einer Reihe tätlicher Behinderungen westlicher Journalisten durch tschechoslowakische Sicherheitskräfte. Galt die ÖSSR in den sechziger Jahren als relativ informationsfreudiges Land, so sind die Informationsmöglichkeiten heutzutage äußerst dürftig. Hierzu tragen nicht nur die verschärften Geheimnisschutzbestimmungen bei sondern auch die Unsicherheit in Staats-und Parteiapparat sowie in der Bevölkerung.
Ausländische Journalisten können sich nicht direkt mit Anfragen an Behörden oder sonstige Institutionen wenden; sie sind auf die Zusammenarbeit mit der Presseabteilung des Außenministeriums und dem Informationszentrum für ausländische Journalisten angewiesen. Die Vermittlung dauert teilweise mehrere Tage; nach den Erfahrungen vieler Journalisten ist man hier jedoch schon bemüht, Gesprächswünschen Rechnung zu tragen. Seit Helsinki hat die Prager Regierung einige zaghafte Versuche zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für ausländische Journalisten unternommen. So kündigte der Leiter der Presseabteilung im Außenministerium, Milan Kadnar, im März 1976 an, daß Journalisten, die bislang auf der Liste unerwünschter Personen stehen, die Einreise erlaubt werden sol-le. österreichischen Journalisten sind bereits — auf der Basis der Wechselseitigkeit — halbjährliche Mehrfachvisa für die CSSR angeboten worden. Weiterhin berichten ständig in Prag akkreditierte Korrespondenten von einer Erweiterung des Angebots an Exkursionen sowie des thematischen Spektrums ihrer Arbeit. Zusammengefaßt bleibt jedoch eine negative Bilanz. Es ist heute weitaus schwieriger, zu als Zeiten des Novotny-Regimes, aus der CSSR zu berichten. Die Bemühungen der Prager Regierung, unter Zuhilfenahme der Schlußakte der KSZE Willkür-und Disziplinierungsmaßnahmen gegen Journalisten durchzuführen, lassen nicht gerade auf eine positive Zukunft hoffen.
Ungarn
Die Arbeitsbedingungen in Ungarn sind ähnlich wie in Polen, nur tritt man hier der west-lichen Presse noch etwas unverkrampfter entgegen. Die Fernsehjournalisten haben bei weitem nicht die Probleme, wie sie oben geschildert worden sind. Die Berichterstattung westlicher Medien über Ungarn wird in der Hauptsache von den in Wien stationierten Osteuropa-Korrespondenten, gelegentlich auch von den in Belgrad akkreditierten Auslands-Journalisten geleistet. Die ungarische Regierung verlangt von einreisenden Journalisten, daß sie ihrem Antrag auf Erteilung eines besonderen Visums einen Plan beilegen, aus dem hervorgeht, mit wem sie über welches Thema zu sprechen beabsichtigen. Gesprächswünsche werden in der Regel schnell und positiv beantwortet, die Visumsbearbeitung dauert unterschiedlich lange — bei älteren, in der Ungarn-Berichterstattung erfahrenen Journalisten bis zu 14 Tagen, bei jüngeren Kollegen manchmal nur 24 Stun-den
Die Arbeit in Ungarn ist ergiebiger als in allen anderen Mitgliedstaaten des Warschauer Vertrages, die Gesprächspartner sind weniger unsicher und der Service der mit " Öffentlichkeitsarbeit betrauten ungarischen Stellen ist relativ gut organisiert. Trotzdem erfährt man auch in Ungarn nicht viel mehr, als die offiziellen Mitteilungsdienste ohnehin verbreitet ha-ben, doch immerhin ist es ein Fortschritt, daß man überhaupt als westlicher Journalist auf informationsbereite Gesprächspartner trifft. Fernsehjournalisten, die mit einem eigenen Team filmen, benötigen eine generelle Drehgenehmigung. Darüber hinaus wird ihnen ein Dolmetscher gestellt, der bei der Bewältigung sprachlicher Probleme hilfreich ist, der andererseits aber bei Interviews mit Leuten von der Straße hinderlich sein kann.
Bulgarien
Was die Situation in Bulgarien betrifft, so gibt es denkbar wenig Informationen. In Sofia ist kein Journalist aus dem Westen ständig akkreditiert und das Land wird relativ selten von reisenden Korrespondenten besucht. Soweit zu erfahren war, steht die Behandlung westlicher Journalisten offensichtlich in einem angenehmen Gegensatz zur ansonsten sehr orthodoxen Politik der bulgarischen Staats-und Parteiführung. Das Visum kann man an der Grenze erhalten, doch sollte man, will man sich nicht nur auf Zufallsbekanntschaften verlassen, Visumantrag und Besuchswünsche etwa ein bis zwei Wochen zuvor bei der bulgarischen Botschaft anmelden. Gespräche werden von der Presseabteilung des Außenministeriums oder der Agentur Sofia-Press vermittelt. Der Service dieser Organisation wird als zufriedenstellend beurteilt, die Ergiebigkeit der Information ist zumeist jedoch-sehr gering.
Rumänien
Ähnlich wie in Bulgarien ist die Lage in Rumänien. Auch dort ist die Einreise das kleinere Problem, hingegen ist der Informationsertrag äußerst gering. Dies liegt in erster Linie an den vielfältigen Bemühungen der rumänischen Regierung, möglichst alle Kontakte zwischen ausländischen Journalisten und rumänischen Staatsbürgern zu kontrollieren und zu kanalisieren. Kanalisierung bedeutet, daß nach Möglichkeit nur die offizielle Sprachregelung zu Gehör kommt. Dies wird z. dadurch erreicht, daß private Kontakte zu ausländischen Journalisten gesetzlich beschränkt werden und Interviews mit Funktionären einer strengen Genehmigungspflicht unterliegen Kontrolle heißt, daß bei allen Gesprächen ein Mitarbeiter des Außenministeriums anwesend ist, der registriert, was der Gesprächspartner geäußert hat.
Deutsche Demokratische Republik
In der DDR stehen die Dinge in mancherlei Hinsicht anders als in den übrigen Staaten des Ostblocks. Dies wird schon deutlich, wenn man sich die Liste der in der DDR ständig akkreditierten West-Journalisten anschaut: mit gegenwärtig 16 Korrespondenten stellen die Vertreter westdeutscher Medien das größte Kontingent. Wollte man das so häufig beschworene — und von der DDR-Führung bestrittene — besondere deutsch-deutsche Verhältnis suchen, hier braucht man nicht lange, um es zu finden.
Lange Zeit war die Berichterstattung über »das andere Deutschland" etwas Außergewöhnliches. Die Akkreditierung ständiger Korrespondenten in Ost-Berlin war für westdeutsche Medien nicht möglich, und Reisen in die DDR haftete stets ein Hauch von Exotik an. Erst mit Unterzeichnung des Grundvertrags wurde eine ständige Informierung vor Ort möglich. In ihrem „Briefwechsel über Arbeitsmöglichkeiten für Journalisten" sowie zwei anhängenden „Erklärungen zum Protokoll” und einer gemeinsamen Erklärung zur Einbeziehung West-Berlins kamen die Staatssekretäre Bahr und Kohl seinerzeit überein, Journalisten aus dem jeweils anderen Teil Deutschlands auf der Basis von Gegenseitigkeit Arbeitsmöglichkeiten als Reise-und ständig akkreditierte Korrespondenten zu gewähren Die anfängliche Euphorie auf Seiten der westdeutschen Journalisten wurde allerdings recht früh gedämpft. Von den 42 Redaktionen, die um Akkreditierung in Ost-Berlin nachgesucht hatten, bekamen 28 eine Zusage, 11 eine Absage und 3 erhielten gar kei-ne Antwort Da aufgrund der hohen Kosten manche Redaktion trotz erteilter Akkreditierung die Entsendung eines eigenen Korrespondenten scheute, nahmen nicht alle Medien die ihnen gebotene Möglichkeit wahr, einige einigten sich auf einen gemeinsamen Korrespondenten. Hinzu kam der Erlaß einer „Verordnung über die Tätigkeit von Publikationsorganen anderer Staaten und deren Korrespondenten in der Deutschen Demokratischen Republik" am 21. Februar 1973 die in weiten Teilen das zurücknahm, was im Briefwechsel zwischen Bahr und Kohl hoffnungsvoll durchschimmerte. Auf den größten Widerstand traf dabei die Formulierung des § 5, wonach in der DDR arbeitende Journalisten aus anderen Staaten nicht nur darauf zu achten hätten, daß sie „wahrheitsgetreu, sachbezogen und korrekt" berichteten, sondern auch für das verantwortlich wären, was ihre Redaktionen daheim schrieben bzw.sendeten. Dieser „Gummiparagraph" steht im Widerspruch zu dem oben erwähnten Briefwechsel, und es wurde seinerzeit von zuständigen DDR-Organen versichert, daß jener Passus auf Journalisten aus Westdeutschland keine Anwendung finden würde. Die Ausweisung des Spiegel-Korrespondenten Mettke im Dezember 1975 und die Drohung der Schließung des ARD-Büros im Dezember 1976 zeigten aber, daß die DDR-Behörden sich nicht an diese Zusicherung gehalten haben Allerdings sind die Arbeitsbedingungen westlicher Journalisten in der DDR in einem technischen Sinne relativ problemlos. Einjährige Mehrfachvisa sowie eine Grenzempfehlung, die eine bevorzugte Abfertigung an der Grenze garantiert, ermöglichen es, daß die ständig akkreditierten Korrespondenten ohne große Probleme die DDR verlassen oder wieder einreisen können. Galten Visa und Grenzempfehlungen ursprünglich nur für Korrespondenten, so sind seit August 1975 auch Kameramänner und Sekretärinnen und seit Mai 1976 die Familienangehörigen eingeschlossen. Die DDR-Behörden begründeten diese Maßnahme im Hinblick auf die KSZE-Schlußakte. Innerhalb des Gebietes der DDR dürfen sich ständig akkreditierte Korrespondenten frei bewegen, bei 23 Reisen besteht lediglich eine Informationspflicht. Drehaufnahmen können unter freiem Himmel ohne ausdrückliche Genehmigung gemacht werden. Die Arbeiten werden mit eigenen Teams durchgeführt, und Filme können in West-Berlin entwickelt werden. Schwierigkeiten bei der Mitnahme von Arbeitsmaterialien sind sehr selten.
Probleme treten da auf, wo die verschiedenen Abschirmungsmaßnahmen der DDR-Regierung wirksam werden. So leben die westlichen Korrespondenten fast ausnahmslos, ebenso wie in Moskau, in bewachten Ausländergettos, die zwar den Kontakt zur DDR-Bevölkerung nicht verhindern, aber doch reichlich erschweren. Journalistisches Recherchieren ist in der DDR einer Genehmigungspflicht unterworfen, sobald staatliche Einrichtungen und Organe, volkseigene Kombinate und Betriebe sowie Genossenschaften betroffen sind. Bis zum Mai 1976 war einzig die Abteilung Journalistische Beziehungen beim Außenministerium der DDR für die Erteilung solcher Genehmigungen zuständig, fortan können sich Journalisten jedoch direkt an die entsprechenden Stellen wenden. Diese im Hinblick auf Helsinki und die Verbesserung der deutsch-deutschen Beziehungen ergangene Veränderung stellt allerdings ebenso wie die entsprechende Maßnahme in der Sowjetunion nur in geringem Maße eine tatsächliche Erleichterung für die Korrespondenten dar. Die Kriterien für Ablehnung oder Annahme eines Gesuches bleiben weithin im Dunkeln und die Anzahl der abgelehnten Auskunfts-und Interviewgesuche ist auch nach Helsinki ausnehmend hoch.
Ein besonderes Kapitel stellt noch die Behandlung der Fernseh-und Rundfunkkorrespondenten dar. Im Gegensatz zu ihren schreibenden Kollegen, deren Produkte in der DDR nicht erhältlich sind, strahlen Rundfunk und Fernsehen westdeutscher Anstalten ihre Sendungen auf nahezu das gesamte Gebiet der DDR aus. Die Einschaltquote ist sehr hoch. Da die DDR-Medien bekannterweise selektiv bei der Informationsweitergabe vorgehen und viele Ereignisse aus politischen Erwägungen verschwiegen werden, fällt den westdeutschen Sendern automatisch die Funktion einer Art Gegenöffentlichkeit zu. Erst aus dem westdeutschen Fernsehen erfuhren DDR-Bürger von den Begleitumständen der Selbstverbrennung des Pfarrers Brüsewitz oder von den tausend Gesuchen auf Entlassung aus der DDR-Staatsbürgerschaft; und viele hörten das erste Mal den lange totgeschwiegenen Wolf Biermann singen. Daß diese Tatsachen zu Beunruhigung und Nervosität auf selten der DDR-Behörden führt, haben Rundfunk-und Fernsehkorrespondenten aus der Bundesrepublik wiederholt zu spüren bekommen. Sie werden am häufigsten wegen ihrer Berichterstattung ins Außenministerium zitiert und Rundfunksender wie „Deutschlandfunk" und „Deutsche Welle" trafen auf Probleme bei der Akkreditierung ihrer Mitarbeiter. So wurden die Gesuche beider Sender auf Akkreditierung ständiger Korrespondenten abgelehnt; im Frühjahr 1976 kam es zu einem Eklat, als die DDR sich weigerte, drei Journalisten dieser Anstalten zur Leipziger Messe zu akkreditieren. Eine Verschlechterung der Situation setzte Ende 1976 im Zusammenhang mit der Ausbürgerung Wolf Biermanns ein. Die Ausstrahlung des Kölner Biermann-Konzerts im Programm der ARD sowie die Berichterstattung über die Proteste innerhalb der DDR gegen die Ausbürgerung führten zu einer Reihe von massiven Behinderungen;
— so wurde Anfang Dezember ziemlich unverhohlen mit der Schließung des Ost-Berliner ARD-Büros gedroht (dort sind ein Fernseh-sowie zwei Rundfunkkorrespondenten tätig);
— westdeutsche Korrespondenten wurden bei Versuchen, mit Oppositionellen in der DDR Kontakt aufzunehmen, tätlich durch Organe des Staatssicherheitsdienstes behindert; ihre Gesprächspartner versuchte man durch Drohungen einzuschüchtern, der Systemkritiker Robert Havemann erhielt — was selbst nach DDR-Recht nicht möglich sein dürfte — die Auflage, keine Kontakte mit westlichen Journalisten aufzunehmen;
— bei ihrer täglichen Arbeit treffen westdeutsche Korrespondenten neuerdings auf stärkere Vorbehalte und geringeres Entgegenkommen bei Gesprächspartnern; Überwachung und Bespitzelung machen es teilweise unmöglich, Kontakte anzuknüpfen und Erkundigungen einzuholen
— am 22. 12. 1976 wurde dem ARD-Fernsehkorrespondenten Lothar Loewe die Akkreditierung entzogen. Loewe, der sich durch seinen engagierten Journalismus bei der SED-Führung unbeliebt gemacht hatte, wurde der Vorwurf gemacht, er habe Volk und Regie, rung der DDR verleumdet, Verstöße gegen die Rechtsordnung der DDR begangen und sich in deren innere Angelegenheiten eingemischt. Die Beschuldigungen gipfelten in der Behauptung, Loewe habe sich im schroffen Gegensatz zum Grundvertrag sowie zur Schlußakte von Helsinki befunden
Dies alles sind Maßnahmen, die — ebenso wie die Ausweisung des „Spiegel" -Korrespondenten Jörg Mettke im Dezember 1975 — entweder klare Verletzungen der deutsch-deutschen Vereinbarungen darstellen oder aber im Sinne der Schlußakte von Helsinki nicht mehr möglich sein dürften. Die Heranziehung eines „Geistes von Helsinki" zur Begründung dieser Maßnahmen läßt sich weder mit dem Buchstaben noch mit dem Gesamtzusammenhang der Schlußakte vereinbaren. Vielmehr kommt zum Ausdruck, daß die DDR-Regierung im Bewußtsein politischer Schwäche — welches hervorzurufen eine eher verhaltene Opposition von Intellektuellen imstande war — zu autoritären Überreaktionen und zu einer übermäßigen Beanspruchung staatlicher Hoheits-und Souveränitätsrechte neigt.
Bilanz Versucht man zusammenzufassen, wie die Situation westlicher Journalisten, die in den Staaten des Warschauer Vertrages tätig sind, nach Helsinki bestellt ist, so ergibt sich folgendes Bild: — Ein grundlegender Wandel war nirgendwo zu beobachten, jedoch hat es in vielen Ländern Erleichterungen bei administrativen Verfahren gegeben, die von unterschiedlicher Reichweite sind. In der Sowjetunion und in der DDR waren diese Veränderungen am nachhaltigsten; dies entsprach vor allem bei der Sowjetunion einem gewissen Nachholbedarf, denn die Behandlung ausländischer Journalisten war dort stets weitaus rigider als in anderen sozialistischen Ländern.
— Wenig geändert hat sich an der Unterschiedlichkeit in der Behandlung reisender und ständig akkreditierter Korrespondenten. Während erstere um keines ihrer vielen Probleme ärmer geworden sind, haben zumindest die ständig akkreditierten Journalisten in einigen Punkten von der KSZE profitieren können. Fernseh-und Rundfunkkorrespondenten haben es auch nach Helsinki schwerer als ihre schreibenden Kollegen; gerade dem Medium Fernsehen stehen die staatlichen Bürokratien mit besonderem Unverständnis gegenüber. — Vergleicht man die Mitgliedstaaten des Warschauer Vertrags miteinander, so schneiden Ungarn und Polen am besten ab, in der Sowjetunion ist es nach wie vor am schwierigsten, journalistisch zu arbeiten, sehr problematisch ist es weiterhin in der ÖSSR.
— Die Fortschritte, die entweder als Folge der KSZE oder allgemein im Zusammenhang mit der Entspannungspolitik erzielt wurden, sind auch weiterhin immer dann gefährdet, wenn politische Krisen in den sozialistischen Staaten in der westlichen Presse Erwähnung finden. Gerade die durch die Veröffentlichung der KSZE-Schlußakte in den Ostblock-Staaten ausgelöste politische Erosion hat dazu geführt, daß Gegenmaßnahmen und Repressionen der dortigen Staatsapparate im Umgang mit Bürgerrechtlern und Dissidenten auf die westlichen Korrespondenten durchschlugen. Am deutlichsten zeigte sich diese Entwicklung in der DDR, der Sowjetunion und der ÖSSR, aber auch in Polen. So kommt es zu der paradoxen Situation, daß nach der KSZE Verbesserungen und Verschlechterungen in fast allen östlichen Ländern nebeneinander bestehen.
III. Unterschiedliche Interpretationen in Ost und West
Die Erfüllung der Empfehlungen der KSZE-Schlußakte bezüglich der Arbeitsbedingungen für ausländische Journalisten durch die Staaten des Warschauer Vertrages gibt eher zur Skepsis denn zur Euphorie Anlaß. Dennoch sollten die verschiedenen, wenn auch geringfügigen Bemühungen, ausländi-sehen Journalisten ein wenig Erleichterung zu gewähren, Anerkennung finden.
Eine Ursache für das geringe Ausmaß an Veränderungen ist offensichtlich der grundlegende Dissens zwischen Ost und West über die Auslegung und Erfüllungsbedürftigkeit von internationalen Rechtsnormen, wobei der Komplex der Menschenrechte — wozu die Freiheit der Information einschließlich der In-formationsbeschaffung gehört — die meisten Schwierigkeiten zu bereiten scheint. Tatsächlich ist gerade im Bereich der Arbeitsbedingungen für ausländische Journalisten nach der KSZE deutlich geworden, daß die politischen Führungen in Ost und West von gänzlich unterschiedlichen Vorstellungen ausgehen. Während im Westen in der Regel betont wird, daß — unabhängig von der Art der Berichterstattung des Journalisten — Einreise-möglichkeiten, Bewegungsfreiheit und Recherchen so wenig wie möglich behindert werden, behalten sich die kommunistischen Regierungen der Warschauer Vertragsstaaten gewisse Einschränkungen vor: — Ihrer Ansicht nach unterliegen Nachrichtenbeschaffung und -Verbreitung der Kontrolle und Verantwortung der Staaten (d. h.deren Regierungen); jeder Staat bestimmt danach, was über ihn berichtet wird, aber auch, was von „seinen" Medien über andere Länder verbreitet wird. Da sich nach östlicher Deutung die Beziehungen zwischen den Staaten in Europa auf der Grundlage des Prinzipienkatalogs der Schlußakte von Helsinki — und hier besonders am Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten — ausrichten, ist jede Informationsbeschaffung und -Weitergabe, die sich nicht dem „Interesse des Friedens und der Freundschaft zwischen den Völkern" zuordnen läßt oder die „das Gift des Zwistes in der Welt zwischen den Ländern und Völkern" verbreitet, unzulässig — Selbst da, wo internationale Verträge oder Abkommen dem einzelnen Journalisten ganz spezifische Rechte zusprechen, wird die unmittelbare Anwendbarkeit dieser Vereinbarungen abgestritten. Auch dann, wenn internationale Verträge zu innerstaatlichem Recht geworden sind, gelten die darin verbrieften Rechte und Pflichten nach der kommunistischen Völkerrechtslehre nicht in jedem Land in gleicher Weise, vielmehr gelte es, den „Besonderheiten der jeweiligen sozioökonomischen Ordnung" entsprechend Unterschiede zu machen
Gegen diese Argumentation lassen sich drei Kritikpunkte anführen:
Erstens ist es nicht zulässig, einzelne Teile der Schlußakte herauszunehmen und sie als übergeordnete Prinzipien zu deklarieren. Den Prinzipien der Unverletzlichkeiten der Grenzen und der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten stehen gleichberechtigt acht andere Grundsätze gegenüber, zudem erlaubt die Formulierung der Schlußakte nicht, eine kritische Berichterstattung der Massenmedien als Einmischung zu qualifizieren. Zweitens zeigen sich die sozialistischen Staaten in keiner Weise bereit, die von ihnen formulierten Grundsätze selber zu beachten. Die östlichen Massenmedien sind zum Teil voller Breitseiten gegen die westlichen Staaten, gegen „Revanchisten", „Kriegshetzer" u. ä., die laufende Berichterstattung orientiert sich in erster Linie an Krisensymptomen der kapitalistischen Wirtschaft, an Themen wie „Berufsverbote", Arbeitslosigkeit, Inflation oder Streiks. Betreiben die östlichen Medien also genau das, was gemäß ihren eigenen Kriterien eine „Einmischung in innere Angelegenheiten" darstellt, so rechtfertigen sie den Widerspruch zwischen Anspruch und Realität damit, daß angeblich die Propagierung der „Ideen des Sozialismus" mit dem Frieden vereinbar sei, die Verbreitung westlichen Gedankengutes hingegen dem „Geiste von Helsinki“ entgegenstehe.
Drittens gibt die hier zum Ausdruck kommende Willkürlichkeit ganz und gar keine Basis für den Abschluß internationaler Verträge und Abkommen ab. Ein diplomatischer Grundsatz lautet: „Wer nur vom Geist eines Vertrages spricht, der hält es nicht mit dem Buchstaben". Internationale Übereinkommen bekommen bekannterweise erst dann einen Sinn, wenn sie eindeutig gehalten sind und jede Seite sich voluntaristischer Interpretationen enthält. Diese Grundtatsache des Völker-rechts dürfte eigentlich den sozialistischen Diplomaten bekannt sein-, daß sie von den verantwortlichen Politikern des Ostblocks so vehement ignoriert wird, läßt eigentlich nur den Schluß zu, daß ihnen an einer Übereinkunft nicht'sonderlich gelegen ist.
Die offensichtliche Haltlosigkeit der Argumentation der östlichen Führungen weist auf die eigentliche Ursache der Problematik zurück. Letztlich wird der Kontrolle von Information als Instrument innenpolitischer Herrschaft eine derart bestimmende Rolle zugemessen, daß es illusionär ist, anzunehmen, ra-dikale Veränderungen wären möglich. Die Staaten des Warschauer Vertrages sind in dieser Hinsicht in keiner Weise anders als sonstige Diktaturen — gleich ob es sich um „linke" oder „rechte" handelt —, denen darän gelegen ist, darüber zu befinden, was von wem über ihr Land verbreitet wird. Verbesserungen gradueller Art können eigentlich nur dann von Erfolg sein, wenn es im Wege geduldiger und beharrlicher Verhandlungen gelingt, Zugeständnisse in anderen Bereichen (wirtschaftliche Zusammenarbeit, -Anerkennung des territorialen Status quo) von der Erfüllung diesbezüglicher, möglichst eindeutig formulierter internationaler Vereinbarungen abhängig zu machen.