Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Erwiderung auf H. -G. Guski, Probleme der Vermögensbildung aus der Sicht der Arbeitgeber | APuZ 36/1977 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 36/1977 Probleme der Vermögensbildung aus der Sicht der Gewerkschaften Probleme der Vermögensbildung aus der Sicht der Arbeitgeber Erwiderung auf H. -G. Guski, Probleme der Vermögensbildung aus der Sicht der Arbeitgeber Erwiderung auf H. Adam, Probleme der Vermögensbildung aus der Sicht der Gewerkschaften Die Vermögensbildung der Arbeitnehmer in der Gesetzgebung des Deutschen Bundestages

Erwiderung auf H. -G. Guski, Probleme der Vermögensbildung aus der Sicht der Arbeitgeber

Hermann Adam

/ 5 Minuten zu lesen

(Diese Stellungnahme bezieht sich auf den vorstehenden Beitrag von H. -G. Guski, der seinerseits zu den Ausführungen von H. Adam Stellung nimmt. Die Redaktion erhofft sich von diesem Verfahren, daß über die Verdeutlichung kontroverser Positionen hinaus Ansatzpunkte für eine Diskussion sichtbar werden.)

Es ist müßig, über Sinn und Unsinn von Zielen zu diskutieren. Insofern sind die Ziele der Vermögenspolitik, wie sie H. G. Guski aus der Sicht der Arbeitgeber darstellt, nicht zu kritisieren, sondern allenfalls die dahinterstehenden gesellschaftstheoretischen Grundüberzeugungen offenzulegen.

Guskis Gesellschaftsbild, von dem sich die Ziele der Vermögenspolitik ableiten lassen, wird besonders deutlich an der Stelle, wo er auf die überbetriebliche Ertragsbeteiligung eingeht. Nach seiner Ansicht herrscht augenblicklich in der Gesellschaft der Bundesrepublik ein machtpolitisches Gleichgewicht zwischen den gesellschaftlichen Gruppen. Vor diesem Hintergrund kritisiert er die überbetriebliche Ertragsbeteiligung, weil sie seiner Meinung nach dieses Gleichgewicht zerstören und eine gesellschaftliche Übermacht erzeugen würde. Einen Beleg dafür, daß überhaupt ein Machtgleichgewicht zwischen den gesellschaftlichen Gruppen existiert bleibt er ebenso schuldig wie eine Untermauerung seiner These, bei Errichtung der Fonds drohe eine Zusammenballung wirtschaftlicher Macht. Auch die Konzentration der Großunternehmen, gegen die die Fonds eine Gegen-macht (!) bilden sollen, wird nicht in Frage gestellt, geschweige denn auch nur erwähnt. Guski sieht die Gesellschaft der Bundesrepublik als eigentlich völlig in Ordnung an. Indem er die Ansprüche der Arbeitnehmer gegen die Sozialversicherung in die Vermögens-rechnung einbezieht, gelingt ihm sogar das Kunststück, das Bild einer „sozial ausgewogenen Vermögensverteilung" zu zeichnen. Doch abgesehen davon, daß viele Selbständige sich inzwischen relativ günstig in die Rentenversicherung haben „einkaufen“ können und damit ebenfalls Ansprüche gegen sie haben — über die Problematik der ungleichmäßigen Verteilung des Produktivvermögens und dessen Funktion, Dispositionsrechte über den Einsatz menschlicher Arbeitskräfte zu verleihen, erwähnt Guski kein Wort.

Sein Vergleich des Produktivvermögens mit dem Gesamtvermögen ist zwar völlig gerechtfertigt, kann aber das eigentliche gesell-schaftspolitsche Problem nicht aus der Welt schaffen: Einige wenige verfügen über große Teile des Produktivvermögens und besitzen damit auf weitgehend oligopolisierten Märkten unkontrollierte wirtschaftliche Macht Statt ehrlich auf diese Gefahren für unsere dezentral gelenkte Wirtschaft hinzuweisen, beschwört er Sozialisierungsgefahren herauf, die angeblich von jenen drohen, die die Zahlen falsch interpretieren. Ist Guski hier nicht genauso polemisch und grob vereinfachend wie diejenigen, denen er Sozialisierungsab-sichten vorwirft?

Wenig überzeugen kann auch die von Guski herangezogene Übersicht über die durchschnittliche Vermögensstruktur der sozialen Gruppen 1975, die von der Dresdner Bank auf der Basis der Einkommens-und Verbrauchs-stichprobe 1973 des Statistischen Bundesamtes zusammengestellt wurde. Gerade bei den Durchschnittszahlen der Vermögensbestände der sozialen Gruppen ist nämlich die breite Streuung der Werte zu berücksichtigen, aus denen diese Durchschnitte gebildet werden. So haben beispielsweise Engels und seine Mitarbeiter für 1970 ein durchschnittliches Vermögen je Arbeiterhaushalt von 19 650 DM errechnet, gleichzeitig aber fairerweise angegeben, daß 7O°/o der Arbeiterhaushalte ein geringeres als dieses Durchschnittsvermögen besitzen Dieser Hinweis auf die große Streuung der Zahlenwerte und damit auf die geringe Repräsentativität des Mittelwerts fehlt bei Guski. Der Leser erhält daher leicht falsche Vorstellungen und wird irregeführt.

Zu Guskis Ausführungen über die Sparförderung und die vermögenswirksamen Tarifverträge ist nicht viel hinzuzufügen. Bezeichnenderweise drückt er sich um das Problem der Überwälzung tarifvertraglicher vermögenswirksamer Leistungen herum. Es bleibt damit unberücksichtigt, daß die Arbeitnehmer ihre Vermögensbildung über die Preise weitgehend aus eigener Tasche finanziert haben und die unverteilten Gewinne der Unternehmen weitgehend unangetastet geblieben sind. Sicher kann man bei dem knappen, zur Verfügung stehenden Raum nicht auf alles eingehen. Das Weglassen solch wichtiger verteilungspolitischer Überlegungen verzerrt jedoch das Bild und gibt dem Leser einen zu schön gefärbten Eindruck.

Begrüßenswert ist hingegen die Offenheit, mit der Guski im Zusammenhang mit den betrieblichen Lösungen unumwunden einräumt, daß für die Arbeitgeber ein Ziel vermögenspolitischer Maßnahmen darin besteht, „Teile der Masseneinkommen als Kapital in die Unternehmen zu lenken“, und daß eindeutig betriebswirtschaftliche Interessen, wie es an anderer Stelle heißt, die Unternehmer zu vermögenspolitischen Aktivitäten motivieren. Aber was bleibt dann noch von den von den Arbeitgebern verfolgten hehren gesellschaftspolitischen Zielen der Vermögenspolitik wie z. B. „Erweiterung des persönlichen Freiheitsraumes’ oder „Festigung und Ausbau einer freiheitlichen Wirtschaft" übrig, wenn doch — bei näherem Hinsehen —-wirtschaftliche Eigeninteressen letztendlich das ausschlaggebende Motiv für unternehmerische vermögens-politische Initiativen sind? Ist Vermögens-politik dann nicht ein geschickter Versuch der Arbeitgeber, ihr Gewinnstreben zu kaschieren? Unrichtig ist ferner Guskis Behauptung im Abschnitt über die überbetriebliche Gewinnbeteiligung, die Fonds brauchten keine Anlagepolitik nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betreiben. Genau das Gegenteil trifft zu: Wenn die Fonds verzinsliche Zertifikate an die Arbeitnehmer verteilen, die sie nach Ablauf einer Sperrfrist verkaufen können, sind die Fonds sogar gezwungen, ihre Entscheidungen nach Rentabilitätserwägungen zu treffen. Andernfalls könnten sie den Zertifikatsinhabern nur niedrige oder gar keine Zinsen zahlen, so daß die Zertifikate alsbald zurückgegeben würden, weil sie Wertpapiere minderen Ranges wären.

Alles in allem kann man Guskis Ausführungen nur dann zustimmen, wenn man seine gesellschaftspolitische Position und die daraus abgeleiteten Ziele teilt. Die Arbeitgeber wollen mit der Vermögenspolitik „breite Schichten in Wirtschaft und Gesellschaft verstärkt integrieren", „Verteilungskonflikte vermeiden" helfen, „die traditionelle Kluft zwischen Kapital und Arbeit" abbauen. Geht man von einer solchen integrativen Funktion der Vermögenspolitik aus, so muß man automatisch zu einer sehr viel positiveren Beurteilung der bisherigen Vermögenspolitik kommen, als wenn man ihr, wie die Gewerkschaften, eine sozial ausgleichende und reformerische Bedeutung beimißt.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Mit der gesellschaftlichen Machtverteilung in der Bundesrepublik befassen sich das Sonderheft der WSI-Mitteilungen „Gewerkschaftsstaat oder Unternehmerstaat“, August 1976, und H. Adam, Pluralismus oder Herrschaft des Kapitals. Überlegungen zu Theorien gesellschaftlicher Machtverteilung in der Bundesrepublik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 14/74.

  2. Vgl. W. Höhnen, N. Koubek, I. Scheibe-Lange, Quantitative und qualitative Aspekte der ökonomischen Konzentration und der gesellschaftlichen Machtverteilung in der Bundesrepublik, in: WSI-Mitteilungen, Heft 8/9-1971.

  3. Vgl. W. Engels, H. Sablotny, D. Zickler, Das Volksvermögen. Seine verteilungs-und wohlstandpolitische Bedeutung, Frankfurt/New York 1974, S. 167.

Weitere Inhalte