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Probleme der Vermögensbildung aus der Sicht der Arbeitgeber | APuZ 36/1977 | bpb.de

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APuZ 36/1977 Probleme der Vermögensbildung aus der Sicht der Gewerkschaften Probleme der Vermögensbildung aus der Sicht der Arbeitgeber Erwiderung auf H. -G. Guski, Probleme der Vermögensbildung aus der Sicht der Arbeitgeber Erwiderung auf H. Adam, Probleme der Vermögensbildung aus der Sicht der Gewerkschaften Die Vermögensbildung der Arbeitnehmer in der Gesetzgebung des Deutschen Bundestages

Probleme der Vermögensbildung aus der Sicht der Arbeitgeber

Hans-Günter Guski

/ 24 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Arbeitgeber sehen in der Vermögenspolitik ein wichtiges Instrument, soziale, wirt-schafts-und gesellschaftspolitische Ziele zu erreichen. Nachdem auf dem Gebiet des Geldvermögens und auch auf dem Sektor des Wohnungsbaus beachtliche vermögenspolitische Erfolge erzielt werden konnten, wird nach Auffassung der Arbeitgeber die Beteiligung breiter Schichten am Produktivvermögen der Wirtschaft Schwerpunkt künftiger Vermögenspolitik sein. Dabei soll der Tarifvertrag, der sich in der Vergangenheit ausgezeichnet als Maßnahme zur breitgestreuten Geldvermögensbildung in Arbeitnehmerhand bewährt hat, auch weiterhin Kem vermögenspolitischer Aktivitäten sein, überbetriebliche Vermögensfonds, die von den Gewerkschaften angestrebt werden, lehnen die Arbeitgeber als systemverändernde Elemente kompromißlos ab. Demgegenüber soll die Beteiligung am Produktivvermögen auf betrieblicher Ebene bevorzugt werden. Die Arbeitgeber sind bereit, hier mit den Gewerkschaften gemeinsame Tarifverträge zu entwickeln. Sie sind weiter bereit, gewerkschaftliche Bedenken, z. B. hinsichtlich des doppelten Risikos (im Konkursfall verliert der Arbeitnehmer nicht nur den Arbeitsplatz, sondern auch seine Vermögensanlage), zu berücksichtigen und von beiden Seiten zu akzeptierende Wege zu entwickeln. Die Arbeitgeber hoffen, daß die Gewerkschaften ihre ideologischen Vorstellungen zugunsten praktischer Ergebnisse abbauen und auf die vermögenspolitische Offerte der Arbeitgeber positiv reagieren werden.

In der Bundesrepublik steht die Vermögens-bildung in breiten Schichten seit Jahren im Zentrum der gesellschaftspolitischen Diskussion. Die nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Wiederaufbau der Wirtschaft zwangsläufig verbundene hohe Investitionsquote hatte zu relativ hohen Unternehmensgewinnen geführt, ohne daß gleichzeitig die Arbeitnehmer entsprechend große Ersparnisse bilden konnten. Diese ungleichgewichtige Vermögensbildung zwischen den sozialen Gruppen wurde in weiten Kreisen der Öffentlichkeit als unbefriedigend, von manchen Kritikern sogar als skandalös empfunden und galt damit als ein Gefahrenherd sozialer Spannungen und wirtschaftlicher Instabilität.

So werden Arbeitnehmer Mitunternehmer

Die Arbeitgeber haben bereits in den frühen fünfziger Jahren in die vermögenspolitische Diskussion eingegriffen und sich für die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand eingesetzt Mit ihrem Eintreten für die Bildung individuellen Vermögens wollten sie einen Beitrag zur Festigung und zum Ausbau einer freiheitlichen Wirtschaft leisten. Die Arbeitgeber argumentierten, daß diese Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung auf Dauer nur bestehen könne, wenn immer mehr Arbeitnehmer persönliches Eigentum erwerben, es vermehren und somit eine breite Schicht von Eigentümern diese Ordnung trage. Erst eine erhöhte Vermögensbildung würde den persönlichen Freiheitsraum des einzelnen erweitern, seine Verantwortlichkeit stärken und seine Stellung in der Gesellschaft festigen. In diesem Sinne breite Schichten in Wirtschaft und Gesellschaft verstärkt zu integrieren, sei vorrangiges Ziel der Vermögenspolitik.

Die Vermögenspolitik der siebziger und achtziger Jahre wird nach Auffassung der Arbeitgeber eine andere Zielsetzung haben müssen als in der Vergangenheit. Ging es im fünfziger Jahrzehnt vorwiegend um die volkswirtschaftliche Kapitalbildung und in den darauf-folgenden Jahren mehr um das sozialpolitische Ziel, die unteren Einkommensschichten an möglichst vielen Formen des Geld-und Grundvermögens teilhaben zu lassen, so steht nunmehr eine einzige Vermögensart im Vordergrund der vermögenspolitischen Bestrebungen: die Bildung einer breitgestreuten Eigentümerschicht am Produktivvermögen; dies nicht nur aus gesellschaftspolitischen Gründen einer verstärkten Integration der Arbeitnehmer in Betrieb und Gesellschaft, sondern auch aus der wirtschaftspolitischen Notwendigkeit, die unterkapitalisierte Wirtschaft, deren Eigenkapitaldecke seit den sechziger Jahren rapide abnimmt, mit Eigenkapital zu versorgen. Eine solche Politik, die das Eigenkapital stärkt und die Unternehmensliquidität verbessert, erleichtert die Investitionsfinanzierung und schafft dadurch die Voraussetzungen zur Rückgewinnung der Vollbeschäftigung sowie Sicherstellung des Wirtschaftswachstums.

Da die Masseneinkommen inzwischen spürbar stärker zugenommen haben als die Gewinne, muß die volkswirtschaftliche Kapitalbildung künftig mehr als bisher von den Einkommen der Arbeitnehmer mitgetragen werden. Vermögenspolitik in diesem Sinne hat also die Aufgabe, Teile der Masseneinkommen als Kapital in die Unternehmen zu lenken. Eine auf diese Weise praktizierte Vermögenspolitik vermag eine stabilitäts-und wachstumsorientierte Tarifpolitik der Sozialpartner wirksam zu unterstützen, indem sie Einkommenszuwächse der Arbeitnehmer an das Produktivvermögen heranführt und so schwere Verteilungskonflikte vermeiden hilft.

Vermögensverteilung in der Bundesrepublik

Gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung der privaten Haushalte, Unternehmen und öffentlichen Haushalte C inländische Sektoren ) 1950 " 1975

Quelle: Sonderdrucke der Deutschen Bundesbank, Zahlenübersichten und methodische Erläuterungen zur gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung der Deutschen Bundesbank 1950— 1974 S. 42 ff. sowie Bundesbankberichte Mai 1975 und Mai 1976.

Wenn man die gegenwärtige Diskussion sowie die vermögenspolitischen Absichten verstehen und beurteilen will, ist vorab eine Darlegung der Vermögensverteilung notwendig; also eine Bestandsaufnahme darüber, welches Vermögen die privaten Haushalte besitzen und wie sich dieses Vermögen auf die jeweiligen Bevölkerungsschichten verteilt.

Vermögen gibt es in vielen Formen: Sparkonten, Versicherungsverträge, Aktien, Pfand-briefe, Grund und Boden gehören ebenso dazu wie Fabriken, Straßen, Flugplätze, Krankenhäuser oder Universitäten, um nur einige Beispiele zu nennen.

Vermögen kann Privatleuten gehören oder dem Staat oder den Unternehmen; letztere sind wiederum privates oder staatliches Vermögen. Vermögen entsteht durch Sparen (Ersparnis-bildung), und Sparen ist das Gegenteil von Verbrauchen. Wenn jemand beispielsweise einen Ratensparvertrag über 52 DM monatlich abschließt, schränkt er in dieser Höhe seinen Verbrauch ein und beginnt zu sparen, d. h. Vermögen zu bilden. Wenn ein Unternehmer von seinem Einkommen (Gewinn) eine neue und Maschine kauft, investiert (spart) er bildet neues Vermögen (Produktivvermögen). Wenn die Bundesregierung von den Steuereinnahmen eine Milliarde DM nicht für die Erhöhung der Gehälter ihrer Bediensteten (Staatsverbrauch) ausgibt, sondern statt -des sen neue Autobahnen (staatliche Investitionen) wird Vermögen -baut, öffentliches gebil det.

Vermögensbildung nach volkswirtschaftlichen Sektoren Wenn man die Volkswirtschaft in die drei großen Bereiche private Haushalte, Unternehmen und öffentliche Haushalte aufteilt und untersucht, was diese drei Sektoren gespart haben, dann wurde in der Zeit von 1950 bis 1975 ein Vermögen von insgesamt 1 800 Milliarden DM (1, 8 Billionen DM) gebildet. So haben bis zum Ende der fünfziger Jahre die Unternehmen und der Staat den bei weitem größten Teil der Vermögensbildung „abgeschöpft". Diese Entwicklung ergab sich daraus, daß in den ersten Nachkriegsjähren die Unternehmen vor allem deshalb so hohe Ersparnisse bildeten, um die Betriebe möglichst schnell wieder aufzubauen und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Die nicht entnommenen Gewinne waren die wichtigste und bei dem damaligen Kapitalmangel oft die einzige Quelle, aus der das Geld für den Aufbau der Wirtschaft floß.

Die Masse der privaten Haushalte hingegen hatte in jenen Jahren nach den Entbehrungen der Kriegswirtschaft einen großen Nachholbedarf im Konsumbereich; die „Freßwelle", die „Bekleidungswelle", „Wohnungswelle“ und schließlich die „Reisewelle" ließen von den zunächst nicht sehr üppigen Einkommen nur wenig für das Sparen übrig.

Der Umschwung („Vermögensbildungswelle“) kam erst in den sechziger Jahren. Die privaten Haushalte sparten mehr und mehr, bis sie schließlich die anderen beiden Gruppen Staat und Unternehmen überrundeten und ihren Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung aus dem fünfziger Jahrzehnt mit 23 % auf 55 °/o in den siebziger Jahren gewaltig ausdehnten.

Vermögensbildung nach sozialen Gruppen Der wachsende Anteil der privaten Haushalte an der gesamtwirtschaftlichen Ersparnisbildung sagt jedoch noch nichts aus über die Vermögensbildung der einzelnen sozialen Gruppen. Denn im Sektor private Haushalte sind Haushalte von Arbeitern, Angestellten, Beamten ebenso vertreten wie die von Unternehmern, Rentnern, Landwirten, Rechtsanwälten, Ärzten und anderen Berufsgruppen. Doch gerade die Frage nach der Aufgliederung der Vermögensbildung auf die sozioökonomischen Gruppen — also die Selbständigenhaus-halte einerseits und die Unselbständigenhaushalte andererseits — nimmt einen besonderen Stellenwert in der vermögenspolitischen Diskussion ein.

Nach den neuesten, auf den 1973er Daten der Einkommens-und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes aufbauenden Berechnungen der Dresdner Bank betrug das Durchschnittsvermögen 1975 bei den Selb-Ständigenhaushalten 110 100 DM; bei den Unselbständigen lagen folgende Werte vor: 39 300 DM (Beamte), 40 100 DM (Angestellte), 34 000 DM (Arbeiter).

Dieses Bild der Vermögensverteilung ist allerdings noch nicht vollständig. Denn in den Zahlen sind nicht die hohen Ersparnisse der Arbeitnehmer enthalten, die sie mit Unterstützung der Arbeitgeber für ihre Altersversorgung leisten. Zwar stellen diese Ersparnisse kein Vermögen im üblichen Sinne dar, weil es im Umlageverfahren größtenteils an die ältere Generation wieder ausgegeben wird und erst im Rentenalter darüber verfügt werden kann. Deswegen werden diese Sparleistungen in die amtliche Vermögensstatistik nicht aufgenommen. Da Einzahlungen der Arbeitnehmer in die Rentenversicherung jedoch dieselbe Aufgabe erfüllen wie Einzahlungen in Lebensversicherungsverträge der Selbstän19 digen, mußte diese Ersparnisbildung mit berücksichtigt werden, wenn man die Vermögens-situation zwischen den Unselbständigen und den Selbständigen vergleichbar machen will. Denn beide sozialen Gruppen erwerben Wohlstand (Vermögen), der sich nur in der Form unterscheidet: Der Selbständige bildet seinen Wohlstand für die Alterssicherung in Form von Vermögen überwiegend bei der Lebensversicherung, der Unselbständige dagegen in erster Linie in Form von Ansprüchen gegen Staat und Rentenversicherungsträger.

Untersuchungen haben ergeben, daß das Sozialvermögen (also die Renten-und Pensionsansprüche der Arbeitnehmer) eine Größenordnung von zwei Billionen DM erreicht hat Bezieht man dieses Vermögen in den Vermögensvergleich zwischen Selbständigen und Unselbständigen ein, dann ergibt sich das Bild einer sozial ausgewogenen Vermögens-verteilung Der in früheren Jahren vielfach erhobene Vorwurf einer skandalösen Vermögensverteilung ist also inzwischen unhaltbar geworden.

Das Produktivvermögen als verteilungspolitisches Ziel Die Forderung nach einer breiteren Streuung des Produktivvermögens wird vielfach mit dem Hinweis unterstrichen, daß 1, 7 Prozent der Bevölkerung 70 Prozent des Produktivvermögens besitzen. Es ist erstaunlich, daß zwei Zahlen so lange und so heftig die Gemüter von Fachleuten, Praktikern und Politikern erhitzen konnten. Sie sind einer Untersuchung Professor Wilhelm Krelles entnommen, die sich auf die Verteilungssituation des Jahres 1960 bezieht Die vermögenspolitische Landschaft hat sich in den letzten 17 Jahren jedoch erheblich verändert. Trotzdem argumentieren viele Kritiker auch heute noch ungeniert mit den Daten des Jahres 1960.

Die Ungereimtheit geht aber noch weiter: Man machte aus dem Produktivvermögen das Vermögen schlechthin. Die Kritik gipfelt dann meist in der Behauptung: 1, 7 Prozent der Bevölkerung besitzen 70 Prozent „des Vermögens" Wer sauber argumentieren will, muß wissen, wovon er kritisch spricht. Er muß die Fakten (hier das Produktivvermögen) quantitativ und qualitativ richtig in die Gesamtsituation einordnen können. Das Produktivvermögen ist — genau genommen — der zur Herstellung von Gütern erforderliche Kapitalstock, mithin das in den Unternehmen einschließlich der landwirtschaftlichen Betriebe arbeitende Kapital. Die vermögenspolitische Diskussion in der Bundesrepublik geht jedoch von einem weitaus enger gefaßten, dem erwähnten Krelle-Gutachten entnommenen Produktivvermögensbegriff aus. Sie klammert den land-und forstwirtschaftlichen Sektor völlig aus. Von dem verbleibenden gewerblichen Sektor werden die öffentlichen Haushalte und die Unternehmen in Händen ausländischer Rechtsträger ebenfalls ausgeklammert. Was dann übrigbleibt, sind die privaten gewerblichen Unternehmen. Aber auch hier wird nicht das gesamte Unternehmensvermögen in die Verteilungsdiskus21 sion einbezogen, sondern nur der Teil dieses Vermögens, der mit Eigenkapital finanziert worden ist und den Krelle korrekt auch niemals Produktivvermögen genannt, sondern stets als „Eigentum an den gewerblichen privaten Unternehmen" bezeichnet hat. Mithin sind die in den Unternehmen arbeitenden Maschinen und sonstigen Vermögenswerte, die mit Fremdkapital finanziert worden sind, aus der vermögenspolitischen Diskussion herausgenommen. Das aber wiederum heißt: Nur 25 bis 30 Prozent des Unternehmensvermögens — so gering ist im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt die Eigenkapitalbasis der Unternehmen geworden — stehen im Mittelpunkt der verteilungspolitischen Auseinandersetzung, da der übrige Teil des in den Unternehmen arbeitenden Produktivvermögens in Form von Fremdkapital wirtschaftlich gesehen den Unternehmen ohnehin nicht gehört. Es ist wichtig, sich diese Zusammenhänge immer wieder klar zu machen, da sie in der Diskussion leicht übersehen und daher auch falsche Schlußfolgerungen gezogen werden.

Vergleicht man nun das so definierte (und in der vermögenspolitischen Auseinandersetzung auch so verstandene) Produktiwennö-gen mit dem Gesamtvermögen der Volkswirtschaft, dann ergeben sich höchst interessante Aufschlüsse, die ebenfalls zu wenig beachtet werden. So beträgt das Produktivvermögen der privaten Haushalte weniger als ein Fünftel (19%) des Volksvermögens. Mithin haben die vielzitierten 1, 7 Prozent der Haushalte, die 70 Prozent des privaten Prozent der Haushalte, die 70 Prozent des privaten Produktivvermögens besitzen, lediglich einen Anteil am Volksvermögen von 13 Prozent (vgl. Schaubild). Nicht zuletzt deshalb hat Krelle — bezeichnenderweise bleibt dieser wichtige Satz häufig unerwähnt — in seiner Untersuchung mit Recht gesagt: „Von einer Konzentration des Vermögens in Händen weniger kann keine Rede sein.“ 6)

Mithin besteht die eigentliche Gefahr für unsere freiheitliche Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung nicht in der angeblichen Konzentration des Vermögens bei einer Minderheit, sondern vielmehr darin, daß mit einer falschen Interpretation der Zahlen einer Sozialisierung der Weg gebahnt werden soll.

Instrumente der Vermögenspolitik

Durchschnittliche Vermögensstruktur der sozialen Gruppen 1975 (in 1 000 DM)

Quelle: Dresdner Bank, Wirtschaftsberichte, September 1976, Nr. 3, S. 7 . /. sonstige Kredite Geldund

Die in der Bundesrepublik praktizierte Vermögenspolitik konzentriert sich auf drei Bereiche: — staatliche Sparförderung, — tarifliche Vermögensbildung (tariflicher Investivlohn), — freiwillige betriebliche Vermögensbeteiligung.

Staatliche Sparförderung

Das Volksvermögen

Quelle: Nadi Engels/Sablotny/Zickler, Das Volksvermögen, Frankfurt 1974

Allen Maßnahmen der staatlichen Sparförderung ist zweierlei gemeinsam: Sie zielen darauf ab, die Besitzer niedriger Einkommen durch Gewährung von Vergünstigungen zu vermehrtem Sparen anzuregen, und sie wollen darauf hinwirken, daß die Sparer ihre Ersparnisse möglichst lange auf dem Konto lassen, indem die Vergünstigungen an eine bestimmte Mindestspardauer gekoppelt werden. Ansatz dieser Politik ist folgende Überlegung: Viele Menschen können nur dann Vermögen bilden, wenn sie Teile ihres Einkommens nicht zu Verbrauchszwecken ausgeben, sondern sparen (Vermögensbildung durch Erbschaft, Lottogewinne u. ä. sind Ausnahmen, nicht die Regel). Wenn man davon ausgeht, daß bei den Beziehern niedriger Einkommen der Anteil der Konsumausgaben, gemessen am verfügbaren Einkommen, relativ groß ist, kommt der Frage einer Einwirkung auf das Verbraucherverhalten und damit auf eine Erhöhung der Sparneigung in der Tat eine erhebliche Bedeutung zu. So gesehen wird die Erhöhung des Sparwillens breiter Schichten zum Kernproblem einer breiten Vermögens-bildung. Der Staat sucht im wesentlichen auf zwei Wegen die Spartätigkeit anzuregen: durch steuerliche Maßnahmen und durch Gewährung von Prämien. Für diese Politik sind erhebliche Mittel eingesetzt worden. So betrugen die Ausgaben der letzten 26 Jahre rund 65 Milliarden DM 7). Davon entfielen 35 Mil-liarden DM auf Prämieneinzahlungen und 30 Milliarden DM auf Steuermindereinnahmen, Vor allem seit Mitte der sechziger Jahre haben die Ausgaben ständig und erheblich zugenommen. Dieser rapide Aufwärtstrend wird aus obenstehendem Schaubild besonders deutlich.

Die Gesamtkosten der staatlichen Sparförderung haben sich von 2, 4 Milliarden DM im Jahre 1966 innerhalb von nur zehn Jahren auf 6 Milliarden DM fast vervierfacht.

Ob dieser gewaltige Aufwand auch zielgerecht eingesetzt worden ist und eingesetzt wird, d. h. ob er dazu beiträgt, die Vermö-gensbildung gerade in den mittleren und unteren Einkommensschichten zu fördern, muß allerdings bezweifelt werden. Denn die Ergebnisse einiger Untersuchungen 8) über den Einfluß der staatlichen Sparförderung auf die Spartätigkeit stimmen im wesentlichen überein und sind sehr ernüchternd. Danach stellen lediglich fünf bis sechs Prozent der prämien-begünstigten Ersparnisse zusätzlich gebildetes Kapital dar. Dieser relativ geringe Einfluß staatlicher Sparförderung ist vor allem darauf zurückzuführen, daß die Abhängigkeit des Sparverhaltens vom Zins (Sparprämien und Steuererleichterungen können als eine Son-derform des Zinses aufgefaßt werden) in Wirklichkeit erheblich geringer ist, als man bislang vermutete. Vielmehr sind in erster Linie Einkommenshöhe und erwartete Sicherheit des Einkommens wichtigere Bestimmungsfaktoren der Spartätigkeit als materielle Anreize in Form von Prämien oder Steuernachlässen. Außerordentlich erfolgreich ist hingegen die staatliche Sparförderung, wenn es darum geht, Ersparnisse in bestimmte Anlageformen zu lenken. Mit anderen Worten: Die staatliche Sparförderung hat auf die absolute Ver-

mögensbildung einen nur geringen Einfluß; dagegen wirkt sie wegen ihrer Attraktivität auf die Form der Vermögensbildung relativ stark ein. So sind die Erfolge bei der Beseitigung der Wohnungsnot in der Nachkriegszeit, die recht breite Streuung des Wohnungseigentums sowie die hohe Beteiligung am Versicherungssparen zum Zweck der Alterssicherung nicht zuletzt durch die staatliche Sparförderung maßgeblich beeinflußt worden. Im Hinblick auf eine derartige Zielsetzung hatte die staatliche Sparförderung in der Vergangenheit durchaus ihre Bedeutung.

Die außerordentlich hohe Spartätigkeit der Bevölkerung in den siebziger Jahren hat dann allerdings mit Recht die Frage aufkommen lassen, ob der staatliche Aufwand in der bisherigen Höhe zur Förderung der Vermögensbildung noch gerechtfertigt ist. Die Bundesregierung hat inzwischen selbst eingeräumt: »Unter den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen erscheint eine Förderung des Sparens nicht mehr in diesem Umfang notwendig.“

Tarifliche Vermögensbildung (Investlvlohn)

Die Sparförderung wird immer teurer

Quelle: Die Einkommens-und Vermögensverteilung in der Bundesrepublik Deutschland. Bundesministerium der Finanzen, Ausgabe 1977, S. 168 ff.

Die tarifliche Vermögensbildung (Investivlohn) ist die zweite Säule der Vermögenspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Ihre umfassende Breitenwirkung ist nicht zuletzt dadurch zustande gekommen, daß der Staat durch das dritte Vermögensbildungsgesetz (624-DM-Gesetz) die grundlegenden Weichen für die Entwicklung gestellt hat.

Der Investivlohn ist ein Einkommensbestandteil besonderer Art. Während es bei den normalen Tariflohnabschlüssen dem Arbeitnehmer freigestellt ist, wie er sein zusätzliches Einkommen verwendet, ob er es also ausgeben oder sparen will, ist beim Investivlohn die Verwendungsart von vornherein festgelegt: Im Gegensatz zum herkömmlichen Barlohn ist der Investivlohn ein Einkommensbestandteil, der unmittelbar der Vermögensbildung (investive Anlage) zugeführt wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob die vermögenswirksame Anlage in Form eines Sparkontos, eines Wertpapierkaufs oder einer Einlage im Unternehmen vorgenommen wird.

Die unmittelbare vermögenswirksame Anlage von Einkommenserhöhungen ist mit einer Sperrfrist verbunden. Auf diese Weise soll erreicht werden, daß der Arbeitnehmer sich mit dem Gedanken vertraut macht, Vermögen zu bilden. Erst nach Ablauf der Sperrfrist, die in der Regel fünf bis sechs Jahre beträgt, kann der Investivlohnsparer über das neu gebildete Vermögen frei verfügen.

Die Besonderheit der tariflichen Vermögensbildung in der Bundesrepublik ergibt sich daraus, daß bei vermögenswirksamen Tarifabschlüssen der Staat durch gleichzeitige Gewährung von Prämien unterstützend eingreift und an der beabsichtigten Vermögensbildung der Arbeitnehmer mitwirkt. Dies geschieht einmal durch die Gewährung von Arbeitnehmersparzulagen und zum anderen durch die Gewährung von Prämien bei der Anlage dieser Leistungen im Rahmen des vorgeschriebenen Anlagekataloges des 624-DM-Gesetzes Während 1969 vermögenswirksame Tarifabschlüsse für lediglich eine Million Arbeitnehmer vorlagen, wurden im Laufe der Jahre 1970 bis 1975 für über weitere dreizehn Millionen Arbeitnehmer vermögenswirksame Leistungen tariflich vereinbart. Rechnet man rund 1, 6 Millionen Beamte mit gleichen Ansprüchen hinzu (für Beamte werden keine Tarifverträge vereinbart, sondern deren Einkommenserhöhungen werden durch den Bundestag festgelegt), so gibt es gegenwärtig knapp 16 Millionen Arbeitnehmer (gut 75 Prozent), die in den Genuß vermögenswirksamer Leistungen kommen. Die tarifliche Vermögensbildung ist damit zu einem Kernstück der Vermögenspolitik geworden.

Dieser Erfolg ergibt sich noch aus einer anderen Sicht. Es hat sich nämlich gezeigt, daß etwa bei der Hälfte der Arbeitnehmer die tarifliche Vermögensbildung der entscheidende Anstoß war, die vermögenswirksamen Lei-Zungen der Arbeitgeber, die in der Regel bei durchschnittlich 312 DM lagen (also nur die Hälfte des gesetzlichen Rahmens ausschöpften), auf der Basis der erwähnten Anlagemöglichkeiten des dritten Vermögensbildungsgesetzes freiwillig bis auf 624 DM aufzustokken In dieser Gruppe waren die Bezieher niedriger Einkommen besonders zahlreich. Damit ist deutlich geworden, daß die tarifliche Vermögensbildung für viele Arbeitnehmer der entscheidende Anstoß war, entweder mit der Spartätigkeit zu beginnen oder vermehrt zu sparen.

Der eigentliche Erfolg dieses vermögenspolitischen Weges kann allerdings erst dann endgültig gemessen werden, wenn in diesem Jahr die ersten vermögenswirksamen Tarifverträge in der Masse frei werden. Die Banken rechnen hierbei mit Beträgen in der Größenordnung von 25 bis 30 Milliarden DM. Erst dann wird es zum kritischen Erfolgstest kommen: Soweit Arbeitnehmer lediglich aus konsumbezogenen Gründen gespart haben, werden die freigewordenen Beträge zum Zwecke von Anschaffungen entspart. Das Ziel, zusätzliche Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand zu erreichen, wäre dann verfehlt. Allerdings ist auch denkbar, daß das bis dahin gestiegene Einkommensniveau, die Verzinsungserfahrung sowie die hohen Prämien veranlassen, die Beträge weiter zu halten.

Erste Untersuchungen über freigewordene Sparkonten zu Beginn dieses Jahres unterstützen die bisherigen Vermutungen, nach denen die Arbeitnehmer offenkundig vermögensbildungsbewußt handeln. „Nur jeder vierte Sparer entschied sich nach Beobachtungen der Banken dafür, sein kleines Geld-vermögen zu verjubeln — vorzugsweise für ein neues Auto" Ein solches Resultat übertrifft die Erfahrungen vergangener Jahre beim Freiwerden von prämienbegünstigten Sparkonten. Danach waren es lediglich zwei Drittel der Beträge, die wieder vermögenswirksam angelegt worden sind.

Zusammenfassend ist also festzuhalten: Hinsichtlich des allgemeinen Zieles einer verstärkten Vermögensbildung in Arbeitnehmer-hand ist das Instrument der tariflichen Vermögensbildung auf der Basis des dritten Vermögensbildungsgesetzes von beachtlicher Durchschlagskraft. Die seit 1969 sprunghaft erzielten Erfolge der Geldvermögensbildung in Arbeitnehmerhand sind nicht zuletzt auf die entscheidende Mitwirkung der tariflichen Vermögensbildung zurückzuführen

Hinsichtlich des anderen, immer mehr im Mittelpunkt der Vermögenspolitik stehenden Ziels, einen Beitrag zur breiteren Streuung des Produktivvermögens zu leisten, hat sich die tarifliche Vermögensbildung als eine untaugliche Waffe erwiesen. Das hängt vor allem damit zusammen, daß nach dem 624-DM-Gesetz der Arbeitnehmer selber frei entscheiden kann, wohin er seine Sparbeträge anlegen will; solange Anlagen in Produktiv-werten nicht prämiert und für die Zeit der Nichtverfügbarkeit (Sperrfrist) nicht abgedeckt werden, solange werden die Arbeitnehmer selbstverständlich die risikolosen und staatlich prämierten Anlagen der Geldvermögensbildung bevorzugen.

Demgemäß hat die tarifliche Vermögensbildung dazu geführt, daß etwa 50 Prozent der vermögenswirksamen Leistungen in Spareinlagen flossen, 30 Prozent in Bausparverträge und knapp 20 Prozent in Lebensversicherungen; nur ein bescheidener, statistisch kaum auszuweisender Rest wanderte ins Produktivvermögen. Dieses Ergebnis ist mit der entscheidende Grund dafür, daß heute um so in-tensiver nach neuen Möglichkeiten einer breiten Beteiligung am Produktivvermögen der Wirtschaft gesucht wird.

Freiwillige betriebliche Vermögensbeteiligung Die Beteiligung der Arbeitnehmer am betrieblichen Kapital (Produktivvermögen) ist das dritte vermögenspolitische Instrument, das in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt wird und zunehmend in den Mittelpunkt der Diskussion rückt. Die amtliche Vermögensstatistik enthält keine Angaben darüber, wieviele Betriebe in der Bundesrepublik auf freiwilliger Basis ihre Arbeitnehmer nicht nur am Gewinn beteiligen, sondern darüber hinaus Wege gefunden haben, die Mitarbeiter zu Kapitalgebern ihres Unternehmens zu machen. Inzwischen ist jedoch die erste umfassende Untersuchung über die betriebliche Vermögensbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland durch das Institut der deutschen Wirtschaft veröffentlicht worden. Danach beteiligen gegenwärtig insgesamt 770 Unternehmen rund 800 000 Arbeitnehmer mit 2, 3 Milliarden am Produktivvermögen der Wirtschaft Von den beteiligten Arbeitnehmern sind rund 700 000 Belegschaftsaktionäre. Bezogen auf die Zahl der in Aktiengesellschaften beschäftigten Mitarbeiter, sind dies 20 ’/o. Das ist mehr, als bisher in der Öffentlichkeit vermutet wurde.

Für die Arbeitnehmer eröffnet sich mit betrieblichen Beteiligungsmodellen die Möglichkeit, die traditionelle Kluft zwischen Kapital und Arbeit abzubauen und Miteigentümer am Unternehmen zu werden. Typisch für diese Bestrebungen ist der Ausspruch eines Unternehmers, der seit 1969 eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung erfolgreich praktiziert: „Warum sollen wir dort den Systemveränderern freie Hand lassen, wo wir als Unternehmer selbst gestalten können? Die individuelle Kapitalbeteiligung löst den Verteilungskonflikt und die Vermögensbildungsfrage und sichert zugleich die systemkonforme Weiterentwicklung der Marktwirtschaft."

Der Trend zur betrieblichen Vermögensbeteiligung hat aber nicht nur gesellschaftsund vermögenspolitische Gründe. Es sind auch eindeutig betriebswirtschaftliche Interessen und sogar betriebliche Notwendigkeiten, die die Unternehmer zu diesen Aktivitäten veran-lassen. Das seit den sechziger Jahren spürbar knapper gewordene Eigenkapital hat die Finanzierung von Investitionen erschwert. Eine wichtige Quelle, diese Schwierigkeiten zu überwinden, ist die Mitarbeiterkapitalbeteiligung. Der Finanzierungsund Kapitaleffekt ergibt sich aus der Auffächerung des hochbesteuerten Unternehmensgewinns auf eine Vielzahl kleinerer Steuerzahler, so daß das zu zahlende Steuervolumen des Unternehmens erheblich geringer wird als im Falle der Nichtbeteiligung.

Zur Verdeutlichung folgendes Zahlenbeispiel: Ein Unternehmen erzielt eine Million DM Gewinn. Nach Abzug der Unternehmenssteuern, die zusammen mit der Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe-und Vermögensteuer zur Zeit etwa 70 Prozent betragen, behält das Unternehmen 300 000 DM an Eigenmitteln (Eigenkapital). Bei Übertragung dieser einen Million DM auf die Mitarbeiter in Form von Kapitalgebern (Zuwachs an Eigenkapital) würden die liquiden Mittel des Unternehmens jetzt auf 750 000 DM anwachsen, da die Arbeitnehmer, denen nun die eine Million DM gehört und die sie versteuern müssen, im Durchschnitt nur 25 bis 30 Prozent an Steuern und Sozialabgaben abführen müssen. Das Eigenkapital des Unternehmens und seine Finanzkraft sind also durch die Mitarbeiterkapitalbeteiligung um das 2, 5fache gewachsen. In diesem Umfang kann die Fremdfinanzierung abgebaut und die Notwendigkeit, zusätzliches Fremdkapital aufzunehmen, eingeschränkt werden.

Der Liquiditäts-und Eigenkapitalgewinn des Unternehmens, der — wie das Beispiel zeigt — mit einem Steuerausfall des Fiskus einhergeht, sollte aus fiskalpolitischer Sicht nicht überbewertet werden. Da die Mitarbeiterkapitalbeteiligung im Grunde nichts anderes darstellt als eine Verbesserung der Arbeitnehmereinkommen, hat der in diesem Zusammenhang auftretende Steuerausfall die gleichen Wirkungen wie jede normale Anhebung von Tariflöhnen.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Stärke der betrieblichen Vermögensbeteiligung liegt in der Mannigfaltigkeit der Formen und der verschiedenartigen Möglichkeiten ihrer Ausgestaltung. Je nach Kapital-und Beschäftigtenstruktur, dem Standort des Unternehmens oder der Wettbewerbssituation auf dem Markt kann dieses vermögenspolitische Instrument flexibel eingesetzt werden. Unter diesen Aspekten stellt die betriebliche Mitarbeiterkapitalbeteiligung eine wirkungsvolle Ergänzung vermögenspolitischer Maßnahmen dar: Auch wenn nicht jeder Arbeitnehmer am Kapital seines Unternehmens beteiligt werden kann, so vermag die betriebliche Vermögens-beteiligung, kombiniert mit den beiden anderen Instrumenten staatlicher Sparförderung und tariflicher Vermögensbildung, zur Verwirklichung des langfristigen Ziels einer ausgewogenen Vermögensverteilung namentlich beim Produktivvermögen einen wichtigen Beitrag zu leisten.

Vermögenspolitische Pläne

Die tarifliche Vermögensbildung in der Bundesrepublik Zeit Arbeitnehmer in Mio.

Quelle: eigene Berechnungen. vermögenswirksame Leistung in Mrd. DM

Im Vordergrund der gegenwärtigen Vermögenspolitik steht — wie bereits erwähnt — die Beteiligung breiter Schichten am Produktivvermögen. Da nach Auffassung von manchen Seiten die betriebliche Vermögensbeteiligung nicht geeignet erscheint, dieses Ziel zu realisieren, wird ein anderer Verteilungsweg in diesem Bereich gefordert: die überbetriebliche Gewinnbeteiligung.

Überbetriebliche Gewinnbeteiligung

Die tarifliche Vermögensbildung in der Bundesrepublik Zeit Arbeitnehmer in Mio.

Quelle: eigene Berechnungen.

Wenn auch die ersten Vorschläge einer gesetzlichen überbetrieblichen Gewinnbeteili-Sung bereits in den fünfziger Jahren gemacht worden sind, so ist dieses Thema erst in den siebziger Jahren heftig und kontrovers diskutiert worden: — 1971 verabschiedete die FDP auf ihrem Freiburger Parteitag ein Konzept zur Vermögensbildung, das eine überbetriebliche Gewinnabgabe vorsah — 1973 hat der DGB, der sich in den fünfziger und sechziger Jahren auffallend zurückhaltend in den Fragen der Vermögensbildung verhielt, Thesen für eine gesetzliche überbe-triebliche Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen verabschiedet

— 1973 hat sich die SPD auf ihrem Parteitag in Hannover für eine mit den DGB-Vorstellungen weitgehend identische Regelung ausgesprochen

— 1974 hatten die Koalitionsparteien SPD und FDP „Grundlinien eines Vermögensbeteiligungsgesetzes“ beschlossen, die ebenfalls eine gesetzliche überbetriebliche Gewinnbeteiligung vorsahen Unter dem Druck der schwersten Rezession der Nachkriegszeit hat dann aber die Bundesregierung mangels ausreichender Gewinnerzielung in der Wirtschaft auf diese Pläne zunächst einmal verzichtet.

Kennzeichen aller dieser Pläne ist, daß die gewinnerzielenden Unternehmen durch Abgabe (Barabführung von Gewinnen oder buchmäßige Übertragung von Eigenkapital) belastet werden. Zur Verwirklichung dieser Initiativen sind Kapitalsammelstellen — Vermögensfonds — erforderlich, die ihrerseits Anteilscheine an dem ihnen zuwachsenden Vermögen nach einem bestimmten Schlüssel verteilen. Durch diese Konstruktion der indirekten Beteiligung (über Fonds als Verbindungsglieder zu den gewinn-und kapitalabgabepflichtigen Unternehmen) am Produktivvermögen in der Wirtschaft wird zweierlei erreicht: — sämtliche Arbeitnehmer können in die Beteiligung einbezogen werden, auch diejenigen, die in Betrieben tätig sind, die keine Gewinne erzielen;

— alle Arbeitnehmer können mit einem gleich hohen Anteil beteiligt werden.

In dieser Beziehung erweisen sich solche überbetrieblichen Lösungen der Beteiligung auf betrieblicher Ebene, die nur eine bestimmte Arbeitnehmerschicht — und diese zudem mit unterschiedlichen Beträgen — begünstigen, durchaus als überlegen. Aber dieser Vorteil einer größeren Verteilungsgleichmäßigkeit wird teuer erkauft: Die mit überbe-trieblichen Beteiligungsplänen zwangsläufig verbundene Einrichtung von Vermögensfonds schafft in Wahrheit erst die Zentren und damit die Gefahren wirtschaftlicher Macht, die man jedoch gerade durch eine Übertragung von Eigentum am Produktivvermögen auf eine breitere Schicht von Eigentümer abbauen will. Denn durch die gesetzlich erzwungene Abgabe von Kapital an Vermögensfonds konzentrieren sich schon nach wenigen Jahren Milliardensummen auf wenige Stellen. Dadurch entstehen zwei neue Gefahrenherde: — Die Zusammenballung wirtschaftlicher Macht birgt das Problem des Mißbrauchs dieser Macht in sich. Wer soll über diese Macht verfügen? Sind es die Gewerkschaften — dann bekommen wir einen Gewerkschaftsstaat, in dem letztlich nur die Gewerkschaften das Sagen haben; ist es der Staat, dann münden wir ein in das Wirtschaftssystem einer zentralgeleiteten Verwaltungswirtschaft und verlassen den Boden der bewährten sozialen Marktwirtschaft; sind es schließlich die Banken, dann wird der Bankenapparat zu übermächtig und seine Verstaatlichung wäre kaum vermeidbar. Die Folgen wären ähnlich wie im Falle der Kontrolle solcher Fonds durch den Staat.

— Die Vermögensfonds brauchen keine Anlagepolitik nach wirtschaftlichen, insbesondere Rentabilitätsgesichtspunkten zu betreiben. Denn durch die gesetzliche Verordnung würden ihnen Jahr für Jahr Milliardenbeträge zufließen, unabhängig davon, ob diese Milliarden zinsträchtig angelegt werden oder nicht. Das beschwört nicht nur die Gefahr einer Aushöhlung der Gesetze des Kapitalmarktes, wo Angebot und Nachfrage den Bedarf regulieren, sondern auch die Gefahr des Einsatzes des Kapitals für rein politische Zwecke. Nachdem die Bundesregierung aus Gründen der Rezession bereits wenige Monate nach Verabschiedung der „Grundlinien eines Vermögensbeteiligungsgesetzes" ihre überbetriebliche Beteiligungskonzeption 1974 zurückstellen mußte und nachdem auch die Gewerkschaften keinen einheitlichen Standpunkt in dieser Frage vertreten — die IG Metall lehnt den Gedanken von überbetrieblichen Gewinnbeteiligungsplänen ab, weil dadurch die eigentlichen Gewerkschaftsziele, insbesondere eine aktive Lohnpolitik, beeinträchtigt würden —, sind vorerst überbe-triebliche Vermögenspläne in der Bundesrepublik Deutschland nicht aktuell.

Ausbau betrieblicher und tariflicher Vermögensbildung Die offenkundigen Schwierigkeiten bei der Realisierung überbetrieblicher Gewinnbeteiligungspläne haben inzwischen eine allgemeine Kursänderung in der Vermögenspolitik bewirkt. Im Mittelpunkt der neuen Bestrebungen steht nunmehr die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen auf betrieblicher Ebene durch tarifvertragliche Vereinbarungen. Erste Schritte in diese Richtung unternahm die parlamentarische Opposition der CDU/CSU. Sie hatte bereits im Mai 1975 einen Antrag zur Förderung der betrieblichen Gewinn-und Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer an die Bundesregierung gerichtet und diesen Antrag im Frühjahr 1976 wiederholt.

Dann folgte die Bundesregierung, die im Jahreswirtschaftsbericht 1976 ihre bislang ablehnende Haltung zur Beteiligung der Arbeitnehmer auf betriebsbezogener Ebene total revidierte. Sie hatte erkannt, daß ihr überbetriebliches Fondsmodell weder politisch durchsetzbar noch wirtschaftlich praktikabel war. Konsequenterweise ist die Bundesregierung jetzt bereit, betriebliche Mitarbeiterbeteiligungen, deren Anerkennung sie in den Grundlinien eines Vermögensbeteiligungsgesetzes" noch strikt abgelehnt hatte, „bei einer möglichen späteren gesetzlichen überbetrieblichen Lösung anzurechnen“

Es war daher nicht überraschend, als im Herbst 1976 der Bundeswirtschaftsminister eine vermögenspolitische Initiative veröffentlichte, die er als „Realistische Vorschläge zur Fortentwicklung der Vermögenspolitik" bezeichnete und die inhaltlich eine klar umrissene Abkehr von bisher bezogenen Positionen der Bundesregierung darstellten Der sogenannte Friedrichs-Plan enthält im wesentlichen Vorschläge an zwei Adressaten: 1-an die Sozialpartner: vermögenswirksame Tarifverträge abzuschließen und Vereinbarungen über Beteiligungen am Produktivvermögen auf betrieblicher Ebene zu treffen; 2. an den Staat: das 624-DM-Gesetz auf 936 DM aufzustocken sowie steuerrechtliche und prämienrechtliche Maßnahmen zur Förderung betrieblicher Vermögensbeteiligungen zu gewähren.

Der Bundeswirtschaftsminister zieht mit seinen Überlegungen die logischen Schlußfolgerungen aus dem Scheitern eines Gesetzes zur Beteiligung der Arbeitnehmer am Vermögens-Zuwachs der Wirtschaft: Statt staatlicher Reglementierung plädiert er für freiwillige Initiativen der Tarifpartner. Die Rolle des Staates in diesem Konzept soll sich nach Friderichs lediglich darauf beschränken, die vermögensbildenden Aktivitäten von Arbeitgebern und Gewerkschaften zu erleichtern. Wenn auch eine bloße Aufstockung des 3. Vermögensbildungsgesetzes auf 936 DM — abgesehen von den damit verbundenen fiskalischen Mehrausgaben — nicht das Ziel einer breitgestreuten Beteiligung am Produktivvermögen lösen dürfte (vgl. S. 17 f.), so ist doch zumindest der vermögenspolitische Appell an die Tarifparteien ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Wie eine solche Politik aussehen könnte, ha-ben die Arbeitgeber mit ihrer vermögenspolitischen Offensive im Herbst 1976 deutlich gemacht. Ihre „Grundzüge einer weiterführenden tarifvertraglichen Vermögenspolitik" ha-ben zum Ziel, den Tarifvertrag noch stärker als bisher zum integrierenden Instrument zwischen Einkommens-und Vermögenspolitik auszubauen. Die Kernpunkte des Arbeitgeberplans, der in den eigenen Reihen nicht unumstritten ist und in seiner detaillierten Ausgestaltung noch im einzelnen diskutiert wird, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

— Abschluß tarifvertraglicher vermögenswirksamer Abkommen mit dem Ziel, die Arbeitnehmer am Produktivvermögen direkt zu beteiligen;

— dem begünstigten Arbeitnehmer muß es freistehen, die Anlageform der vermögenswirksamen Leistung selbst zu bestimmen;

— dieses Prinzip der Freiwilligkeit gilt auch für das Unternehmen, d. h. die Entscheidung darüber, ob und zu welchen Bedingungen dem Arbeitnehmer eine Beteiligungsmöglichkeit angeboten werden soll, steht im Ermessen des jeweils betroffenen Unternehmens;

— die Vermögensleistung soll im eigenen Betrieb und — wo nicht möglich — außerhalb des arbeitgebenden Unternehmens in Kapitalmarkttiteln angelegt werden; — jede Form von Zwangsbeteiligung und jede Beteiligung an überbetrieblichen Fonds wird von der Arbeitgeberseite kategorisch abgelehnt.

Im Gewerkschaftslager sind diese Pläne zum Teil mit großer Skepsis aufgenommen worden. Vor allem die einflußreiche IG Metall hat sich energisch gegen die Vorstellungen der Arbeitgeber ausgesprochen und sie ausdrücklich als vermögenspolitische Regression abgelehnt Dennoch sollte man die Haltung der IG Metall nicht als das letzte Wort von Gewerkschaftsseite gegenüber der Beteiligung der Arbeitnehmer am betrieblichen Vermögen auf der Grundlage von Tarifverträgen verstehen. Die meisten der in diesem Zusammenhang erhobenen Einwände — insbesondere die Wiederholung alter gewerkschaftlicher Vorbehalte bezüglich einer befürchteten Mobilitätsbeschränkung der Arbeitnehmer und eines für sie unzumutbaren doppelten Risikos (ein Konkursfall bedeutet nicht nur Verlust des Arbeitsplatzes, sondern auch der Vermögensanlage) — übersehen, daß diese Probleme inzwischen durch eine Reihe von vorgeschlagenen Absicherungsmöglichkeiten längst gelöst sind, größtenteils durch den Arbeitgebervorschlag gar nicht be-rührt werden oder aber in gemeinsamen Gesprächen ausgeräumt werden können.

Daß bereits in einigen Gewerkschaftskreisen der Gedanke der tarifvertraglichen Lösung einer Beteiligung der Arbeitnehmer am Produk. tivvermögen recht weit entwickelt worden ist, geht aus Äußerungen aus dem Lager der IG Bau, Steine, Erden hervor. So ist bekanntgeworden, daß diese Gewerkschaft durchaus bereit ist, einen Tarifvertrag anzusteuem, der die betriebsbezogene Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen ermöglicht

Sollte also ein erster vermögenswirksamer Tarifvertrag mit einer Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen von den Sozialpartnern der Bauwirtschaft abgeschlossen werden, so würde in der Tat damit ein neues Kapitel der Vermögenspolitik aufgeschlagen werden. Ob dies allerdings eine ähnliche Signalwirkung auf die anderen Tarifbereiche hätte wie vor zwölf Jahren, als seinerzeit Arbeitgeber und Gewerkschaften in der Bauwirtschaft mit dem ersten vermögenswirksamen Tarifvertrag auf der Basis des 312-DM-Gesetzes schon einmal vermögenspolitisches Neuland beispielgebend betreten hatten, muß abgewartet werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Jahresbericht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 1. Dezember 1952 bis 30. November 1953, Eigentumsbildung, S. 96.

  2. Engels/Sablotny/Zickler, Das Volksvermögen, Frankfurt/New York 1974, S. 147.

  3. Engels u. a., a. a. O., S. 161 f.

  4. Krelle/Schunck/Siebke, überbetriebliche Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer, Tübingen 1968, S. 381.

  5. Unkorrigiertes Protokoll der SPD vom außerordentlichen Parteitag 18. - 20. November 1971, Bonn, Donnerstag, 18. November 1971, S. 152. So z. B. Georg Leber auf dem Steuerreformparteitag der SPD 1971: „Bevor die französische Revolution begann, waren weniger als zwei Prozent der Franzosen im Besitz der Freiheit. Die Freiheit war ein Privileg einer Minderheit. Heute steht es so mit dem Besitz von Kapital und Produktionsvermögen: Es ist das Privileg einer Minderheit. Etwa 70 Prozent des Kapitals in unserem Land sind im Besitz von 1, 7 Prozent der Haushalte. Diese Konzentration des Eigentums an den Produktionsmitteln bei einer Minderheit führt zu sozialen Spannungen und wird zunehmend auch in der Welt zu einer Gefahr für die freiheitliche Lebensart.“

  6. Die Einkommens-und Vermögensverteitag in der Bundesrepublik Deutschland, Bundesministerium der Finanzen, Ausg. 1977, S. 168.

  7. A. Heichen, Sparen im Spiegelbild der Meinungsforschung, in: Sparkasse, 74. Jahrgang 1957, Heft 8, S. 121; Emil Küng, Eigentum und Eigentumspolitik, St. Galler wissenschaftliche Forschungen, Herausgeber Hochschule St. Gallen für Wirt-schaftsund Sozialwissenschaften, Band 23 Tübin-gen/Zürich 1964, S. 53; Ulrich Erhard, Zusätzliche Sparkapitalbildung durch Sparprämien? Eine statistische Analyse, Marburg 1968, S. 70.

  8. Bulletin der Bundesregierung, Nr. 111, 12. September 1975, S. 1100.

  9. Drittes Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer in der Fassung vom 15. Januar 1975, BGBL I, S. 257, $2.

  10. Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen der Sparförderung, Bundestagsdrucksache VI/3186, Bonn-Bad Godesberg 1972, Ziffer 19,

  11. Der Spiegel, Nr. 14, 28. März 1977, S. 98.

  12. Nutzung der staatlichen Sparförderung durch private Haushalte im Jahr 1973, Ergebnis der Einkommens und Verbrauchsstichprobe 1973, in: Wirtschaft und Statistik, Stuttgart und Mainz, Heft 1/76, S. 20.

  13. Guski/Schneider, Betriebliche Vermögensbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1977, S. 27 ff.

  14. Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter, Veröffentlichung der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer, Bonn-Bad Godesberg, S. 7.

  15. Freiburger Thesen der FDP zur Gesellschaftspolitik, zweiter Teil, Vermögensbildung, erster Abschnitt: überbetrieblich« Ertragsbeteiligung, 8 Thesen.

  16. Gegen die Vormacht des Kapitals, in: Welt der Arbeit, 30. März 1973, S. 3.

  17. Leitsätze der SPD zur Beteiligung der Arbeitnehmer am wachsenden Produktivvermögen, vorgelegt von der Kommission „Vermögensbildung'beim Parteivorstand der SPD, in: Materialien zum Parteitag vom 10. — 14. April 1973, Hannover.

  18. Grundlinien eines Vermögensbeteiligungsgesetzes in der Fassung vom 19. Januar 1974, Bulletin der Bundesregierung, hrsg. vom Presse-und Informationsamt vom 30. Januar 1974, Nr. 12, S. 112 ff.

  19. Eugen Loderer, Vorbehalte gegen Fonds, in:

  20. Jahreswirtschaftsbericht 1976 der Bundesregierung, Bundestaqsdrucksache 7/4677, 30. Januar 1976, S. 13.

  21. Hans Friderichs, Realistische Vorschläge zur Fortentwicklung der Vermögenspolitik, BMWI-Do-

  22. Vermögensbildung nicht im Betrieb, die IG Metall lehnt das Arbeitgeber-Konzept ab, Handelsblatt Nr. 162 vom 2. September 1976.

  23. Spermner, Vermögen auch in den Betrieben bilden, Handelsblatt Nr. 166 vom 8. September 1976, S. 2.

Weitere Inhalte

Hans-Günter Guski, Dr. sc. pol., Dipl. -Volkswirt, geb. 1929 in Rhein/Ostpreußen; nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Kiel wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Weltwirtschaft in Kiel; Referent in der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in Köln; seit 1970 Leiter des Referates Vermögensbildung im Institut der deutschen Wirtschaft, Köln. Veröffentlichungen u. a.: Modelle betrieblicher Vermögensbeteiligung I, II, III, 1970 bis 1972; Tarifliche Vermögenspolitik, 1972; Verteilungstheoretische Aspekte der Vermögenspolitik, 1973; Vermögensbildung — Bilanz und Perspektiven, 1975; Betriebliche Vermögensbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland — Eine Bestandsaufnahme, 1977.